18.084 Botschaft zur Genehmigung des Rahmenübereinkommens des Europarats über den Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft (Konvention von Faro) vom 30. November 2018

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung des Rahmenübereinkommens des Europarats über den Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

30. November 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Übersicht Das Rahmenübereinkommen des Europarates über den Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft definiert das Kulturerbe als wichtige Ressource für die Förderung der kulturellen Vielfalt und der nachhaltigen Entwicklung von Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt. Es fordert von den Staaten, Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Kulturerbe in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit rücken und den Zugang zum Kulturerbe sowie die Teilhabe einer breiten Bevölkerung daran stärken. Für die Umsetzung des Übereinkommens ist keine Anpassung des schweizerischen Rechts erforderlich.

Ausgangslage Das Rahmenübereinkommen ­ auch «Konvention von Faro» genannt ­ wurde von einer Expertengruppe unter Leitung des Comité directeur du patrimoine culturel des Europarats 2003­2004 ausgearbeitet und am 27. Oktober 2005 vom Ministerrat des Europarats verabschiedet und zur Unterzeichnung und Ratifikation aufgelegt. Es ist am 1. Juni 2011 mit dem Beitritt des zehnten Staats in Kraft getreten. Bisher haben achtzehn Staaten das Übereinkommen ratifiziert und fünf Staaten haben es unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert.

Die Konvention von Faro ist als allgemeiner Rahmen für europäische KulturerbePolitiken bestimmt und soll die bestehenden Instrumente des Europarats im Bereich Kulturerbe ergänzen und stärken. Als Rahmenübereinkommen definiert es übergeordnete Ziele und identifiziert Handlungsfelder.

Inhalt der Vorlage Die Konvention von Faro geht von einem breiten Kulturerbebegriff aus, der sowohl materielle als auch immaterielle und digitale Erscheinungsformen umfasst. Sie versteht das Kulturerbe als zentrale Ressource für die nachhaltige Entwicklung und zeigt konkrete Wege auf, wie das Kulturerbe zugunsten einer inklusiven Gesellschaft nutzbar gemacht werden kann. Im Zentrum steht die Frage, warum und für wen das europäische Kulturerbe gepflegt werden soll.

Die Konvention von Faro verpflichtet die Vertragsstaaten in allgemeiner Weise, den Beitrag des Kulturerbes für die Gesellschaft anzuerkennen und die gemeinsame Verantwortung für das Kulturerbe sowie die Teilhabe der Bevölkerung daran zu fördern. Dahinter steht die Überlegung, dass das Potenzial des Kulturerbes nur durch Mitwirkung und Mitverantwortung voll entfaltet werden kann.

Für die Umsetzung lässt die Konvention von Faro den beitretenden Staaten
weitgehende Gestaltungsmöglichkeiten.

Mit dem Grundverständnis des Kulturerbes als Ressource, die es im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung zu nutzen gilt, sowie mit der Betonung des Potenzials des Kulturerbes, Identität zu schaffen, die demokratische Gesellschaftsform zu fördern und zur Lebensqualität beizutragen, bestätigt das Übereinkommen die gemeinsamen Anstrengungen von Bund und Kantonen für eine ganzheitliche nationale Kulturer-

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bepolitik. Es verweist auf die Bedeutung zeitgemässer Ansätze wie einer partizipativen und transparenten Gouvernanz, der Förderung von Bottom-Up-Prozessen sowie des systematischen Einbezugs digitaler Medien. Damit bildet das Übereinkommen eine solide Grundlage für die zukünftige, zeitgemässe Ausrichtung der nationalen Kulturerbepolitik.

Eine Ratifikation würde die Teilnahme der Schweiz an den bereits bestehenden kulturellen Übereinkommen des Europarats sinnvoll vervollständigen. Die Ratifikation wäre ­ gerade auch vor dem Hintergrund der enormen Zerstörungen und der Instrumentalisierung des kulturellen Erbes in aktuellen bewaffneten Konflikten ­ ein Bekenntnis der Schweiz zur Förderung von Stabilität und zum friedlichen Zusammenleben der Völker. Sie würde den Zielen der Aussenpolitik des Bundes entsprechen.

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Das Rahmenübereinkommen des Europarates vom 27. Oktober 2005 über den Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft (Konvention von Faro) definiert das Kulturerbe als zentrale Ressource für eine umfassende nachhaltige Entwicklung und zeigt konkrete Wege auf, wie das Kulturerbe zur Entwicklung einer nachhaltigen und inklusiven Gesellschaft nutzbar gemacht werden kann.

Kulturelle Nachhaltigkeit ist ein relativ junges Konzept; es wurde erst im Rahmen der 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedeten Agenda 2030 systematisch in die globalen Nachhaltigkeitsziele aufgenommen. Die Strategie Nachhaltige Entwicklung 2016­20191 des Bundesrates nennt erstmals konkrete Ziele im Bereich der kulturellen Nachhaltigkeit. Auch in der Kulturbotschaft 2016­2020 vom 28. November 20142 betont der Bundesrat, dass die nachhaltige Entwicklung stärker auf Aspekte des Kulturerbes und der Kreativität ausgerichtet werden müsse, und zeigt mit den drei Handlungsachsen «Kulturelle Teilhabe», «Gesellschaftlicher Zusammenhalt» sowie «Kreation und Innovation» auf, wie Kultur zu nachhaltiger Entwicklung beitragen kann. Diesen Strategien liegt ein modernes und dialogisches Kulturerbeverständnis zugrunde, das eng mit Lokalitäten und Lebensbedingungen verknüpft ist.

Bewahrung und Gestaltung des Kulturerbes sollen in partizipativer und demokratischer Beteiligung erreicht werden. Das Kulturerbe wird anerkannt als bedeutender Standortfaktor und als wichtiges Element für Lebensqualität und für die Festigung einer demokratischen Gesellschaft.

1.2

Verlauf der Verhandlungen

Auslöser für die Ausarbeitung des Übereinkommens war die Erkenntnis, dass neben den bestehenden Übereinkommen des Europarats mit ihren je besonderen Zielsetzungen bisher ein Instrument fehlte, welches das Kulturerbe in allgemeiner Weise in Wert setzt und seine Bedeutung für die Lebensqualität des Einzelnen, für die Integration der Gesellschaft und die Nachhaltigkeit stützt.

Das Rahmenübereinkommen wurde von einer Expertengruppe unter Leitung des Comité directeur du patrimoine culturel des Europarats 2003­2004 ausgearbeitet und am 27. Oktober 2005 vom Ministerrat des Europarats verabschiedet und zur Unterzeichnung und Ratifikation aufgelegt. Es ist am 1. Juni 2011 mit dem Beitritt des zehnten Staats in Kraft getreten.

Bisher haben achtzehn Staaten das Übereinkommen ratifiziert (Armenien, Bosnien und Herzegowina, Finnland, Kroatien, Georgien, Litauen, Luxemburg, Mazedonien, 1 2

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www.are.admin.ch > Nachhaltige Entwicklung > Politik und Strategie BBl 2015 497

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Montenegro, Norwegen, Österreich, Portugal, Moldova, Serbien, Slowakei, Slowenien, Ukraine, Ungarn); fünf Staaten haben das Übereinkommen unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert (Albanien, Belgien, Bulgarien, Italien, San Marino).3

1.3

Verhandlungsergebnis

Mit der Konvention von Faro ist ein Rahmenübereinkommen entstanden, welches allgemeine Ziele und Handlungsfelder definiert und den Vertragsstaaten die Richtung für ihre Kulturpolitik weist. Es begründet jedoch keine spezifischen Handlungspflichten. Die Staaten bleiben frei, jene Vorgehensweisen zu wählen, die ihrem politischen System und ihren Traditionen am besten entsprechen.

Der Europarat stellt den Mitgliedstaaten damit ein Instrument zur Verfügung, das einem modernen Kulturerbeverständnis verpflichtet ist und eine integrierte Politik der Pflege und Weiterentwicklung verfolgt, ohne durch hohe Regelungsdichte in die staatliche Souveränität einzugreifen.

1.4

Überblick über den Inhalt des Übereinkommens

Die Konvention von Faro geht von einem breiten Begriff des Kulturerbes aus. Er umfasst alle Aspekte der Umwelt, die aus den Wechselwirkungen zwischen Menschen und Orten hervorgehen. Damit sind sowohl das materielle als auch das immaterielle und das digitale Kulturerbe angesprochen.

Das Übereinkommen versteht das Kulturerbe als zentrale Ressource für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, für die Verbesserung des Lebensraums und für die Steigerung der Lebensqualität. Es fordert die Schaffung von Rahmenbedingungen, die das Kulturerbe in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit rücken und einer breiten Bevölkerung uneingeschränkten Zugang zum Kulturerbe sowie demokratische Teilhabe daran ermöglichen. Es geht von einem individuellen Recht der Menschen auf kulturelles Erbe als Teilbereich des Rechts auf Teilhabe am kulturellen Leben aus, wie es in Artikel 27 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 19484 und in Artikel 15 des Internationalen Pakts vom 16. Dezember 19665 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte formuliert wird.

Die Konvention von Faro ist als allgemeiner Rahmen für europäische KulturerbePolitiken bestimmt und soll die bestehenden Instrumente des Europarats im Bereich Kulturerbe ergänzen und stärken. Als Rahmenkonvention definiert sie übergeordnete Ziele und identifiziert Handlungsfelder. Sie enthält keine unmittelbar anwendbaren Bestimmungen und gibt keine konkreten Massnahmen vor. Sie verpflichtet die Vertragsstaaten in allgemeiner Weise, den Beitrag des Kulturerbes für die Gesellschaft anzuerkennen und die gemeinsame Verantwortung für das Kulturerbe sowie 3 4 5

Stand am 12. Juli 2018 www.un.org > documents SR 0.103.1

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die Teilhabe der Bevölkerung daran zu fördern. Für die Umsetzung lässt die Konvention von Faro den beitretenden Staaten weitgehende Gestaltungsmöglichkeiten.

In der Schweiz betrifft dies angesichts der verfassungsmässigen Aufteilung der Kompetenzen im Bereich Kultur sowohl die Kantone als auch den Bund. Bund und Kantone entscheiden selbstständig, wie sie in ihrer Politik und ihren Rechtsakten die Anliegen des Übereinkommens fördern. Die Konvention von Faro hält in Artikel 6 Buchstabe c zudem ausdrücklich fest, dass mit der Konvention keine durchsetzbaren Rechte von Einzelpersonen geschaffen werden.

In spezifischer Weise verpflichtet das Übereinkommen die Vertragsstaaten zu einem Monitoring, das heisst zur Erhebung und zur öffentlichen Bereitstellung von Daten zu Gesetzgebung, zu politischen Programmen und zu Methoden.

1.5

Würdigung

Als Rahmenübereinkommen überdacht die Konvention von Faro die bestehenden Instrumente des Europarats im Bereich Kulturerbe. Sie nimmt das im Europäischen Kulturabkommen vom 19. Dezember 19546 begründete Prinzip des gemeinsamen kulturellen Erbes Europas auf. Während sich das Übereinkommen vom 3. Oktober 19857 zum Schutz des baugeschichtlichen Erbes in Europa und das Europäische Übereinkommen vom 16. Januar 19928 zum Schutz des archäologischen Erbes auf die Frage konzentrieren, wie das gebaute und archäologische Kulturerbe zu schützen ist, widmet sich die Konvention von Faro der Frage, warum und für wen das europäische Kulturerbe gepflegt werden soll. Dabei stellt sie seine Bedeutung für die heutige Gesellschaft in den Mittelpunkt.

In ihrem spezifischen Ansatz unterscheidet sich die Konvention von Faro von den Instrumenten der Unesco in den Bereichen Kulturgüterschutz, Kulturgütertransfer, Welterbe und immaterielles Kulturerbe9. Diese legen den Hauptakzent auf die Erstellung von Listen und Inventaren einzelner Gattungen und deren Schutz, Bewahrung bzw. Tradierung und Weiterentwicklung. Der Fokus der Konvention von Faro liegt beim Menschen, in seinem Verhältnis zum Kulturerbe und auf dem kulturellen Umfeld.

Geprägt durch die Erfahrungen aus den Balkankonflikten der 1990er-Jahre wendet sich das Übereinkommen dezidiert gegen jegliche Instrumentalisierung des Kulturerbes zu ideologischen, ethnischen, religiösen oder anderen Zwecken. Die seit 6 7 8 9

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SR 0.440.1 SR 0.440.4 SR 0.440.5 Haager Abkommen vom 14. Mai 1954 für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten (SR 0.520.3); Zweites Protokoll vom 26. März 1999 zum Haager Abkommen von 1954 für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten (SR 0.520.33); Übereinkommen vom 14. Nov. 1970 über die Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (SR 0.444.1); Übereinkommen vom 23. Nov. 1972 zum Schutz des Kultur- und Naturgutes der Welt (SR 0.451.41); Übereinkommen vom 17. Okt. 2003 zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes (SR 0.440.6); Übereinkommen vom 20. Okt. 2005 über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen (SR 0.440.8).

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einigen Jahren massiv zunehmende Zerstörung von Kulturerbe als Kampfmittel in bewaffneten Konflikten und die gleichzeitig auftretenden Beschneidungen kultureller Rechte machen die Aktualität dieser Bestimmungen augenfällig. Dies ist auch für die Schweiz relevant, die sich international an den einschlägigen Initiativen der Vereinten Nationen beteiligt.

Mit dem Grundverständnis des Kulturerbes als Ressource, die es im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung zu nutzen gilt, sowie mit der Betonung des Potenzials des Kulturerbes, Identität zu schaffen, die demokratische Gesellschaftsform zu fördern und zur Lebensqualität beizutragen, bestätigt das Übereinkommen die gemeinsamen Anstrengungen von Bund und Kantonen für eine ganzheitliche nationale Kulturerbepolitik, die den Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung verpflichtet ist. Es verweist auf die Bedeutung zeitgemässer Ansätze wie eine partizipative und transparente Gouvernanz, die Förderung von Bottom-Up-Prozessen sowie der systematische Einbezug digitaler Medien.

Die institutionellen und rechtlichen Voraussetzungen in Bund und Kantonen tragen diesen Aspekten bereits heute Rechnung. In diesem Zusammenhang sind auf Bundesebene namentlich zu nennen: die Garantie der Grundrechte auf persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 der Bundesverfassung10, BV) und auf Kunstfreiheit (Art. 21 BV), welche verhindern, dass der Staat in den Bereich der freien kulturellen Aktivität der Einzelnen eingreift; das Kulturförderungsgesetz vom 11. Dezember 200911, das neben der Bewahrung des Kulturerbes explizit bezweckt, die kulturelle Vielfalt und durch sie den Zusammenhalt in der Schweiz zu stärken sowie den Zugang zur Kultur und die Teilhabe der Bevölkerung am kulturellen Leben zu fördern; das Bundesgesetz vom 1. Juli 196612 über den Natur- und Heimatschutz, das den Schutz, die Erhaltung und die Pflege der Landschaft, der historischen Ortsbilder und Kulturdenkmäler regelt und die Unterstützung von Organisationen, Forschung, Ausbildung und Öffentlichkeitsarbeit explizit vorsieht sowie ein Beschwerderecht der privaten Schutzorganisationen begründet; das Raumplanungsgesetz vom 22. Juni 197913, das einen integrierten Ansatz verfolgt und sicherstellt, dass das gebaute Kulturerbe bei der Raumentwicklung von Bund, Kantonen und Gemeinden berücksichtigt wird.

Die Kulturgesetzgebung,
die Natur- und Heimatschutzgesetzgebung sowie das Raumplanungsrecht von Bund und Kantonen erlauben eine den jeweiligen Möglichkeiten angepasste Umsetzung. Dank dem programmatischen Charakter des Übereinkommens kann sich die Schweiz viel Spielraum bewahren und Massnahmen nach ihren Bedürfnissen ausgestalten.

Die Konvention von Faro zeigt Perspektiven auf, wie die nationale Kulturerbepolitik verstärkt auf soziale Handlungsfelder bezogen werden kann und wie entsprechende Förderprogramme auszurichten sind. Eine Ratifikation erlaubt es der Schweiz, an der durch die Konvention von Faro geschaffenen europäischen Plattform mitzuwirken und ihren Instrumenten und Massnahmen eine grössere Legitimität und Publizität zu verleihen. Die Schweiz hat insbesondere in den Themenbereichen kulturelle 10 11 12 13

SR 101 SR 442.1 SR 451 SR 700

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Teilhabe und gesellschaftlicher Zusammenhalt langjährige Erfahrung, die sie international einbringen kann. Ebenso verfügt sie für die ganzheitliche Betrachtung, Schonung und Weiterentwicklung von Landschaft, historischen Ortsbildern und Verkehrswegen über international vorbildliche und einmalige Instrumente.14 Umgekehrt kann sie von den Erfahrungen der anderen Staaten profitieren.

Die Konvention von Faro bildet eine solide Grundlage für die zukünftige Ausrichtung der Kulturerbepolitik des Bundes, welche die Leistungen des Kulturerbes für die Gesellschaft sichtbar machen sowie Mitwirkung und Mitverantwortung stärken will. Der Beitritt würde die Teilnahme der Schweiz an den bereits bestehenden kulturellen Übereinkommen des Europarats sinnvoll vervollständigen. Er wäre ein Bekenntnis der Schweiz zur Förderung von Stabilität und für ein friedliches Zusammenleben der Völker und entspricht den Zielen der Aussenpolitik des Bundes.

1.6

Ergebnis der Vernehmlassung

Am 8. November 2017 eröffnete das eidgenössische Departement des Innern (EDI) im Auftrag des Bundesrates die Vernehmlassung zur Ratifikation der Konvention von Faro. Bis zum Ende der Vernehmlassungsfrist am 14. März 2018 gingen insgesamt 51 Stellungnahmen ein. Die überwiegende Mehrheit spricht sich deutlich für die Ratifikation durch die Schweiz aus.15 Mit Ausnahme des Kantons Schwyz stufen alle Kantone die Konvention von Faro als wichtige Ergänzung der bestehenden Kulturkonventionen des Europarats ein und unterstreichen ihre Bedeutung für die Förderung der kulturellen Vielfalt, der kulturellen Teilhabe und der kulturellen Nachhaltigkeit. Sie unterstützen das Verständnis des Kulturerbes als Ressource für die nachhaltige Entwicklung und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie teilen die Auffassung des Bundesrates, dass aus einer Ratifikation kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf entsteht, und sie schätzen die weitreichenden Gestaltungsmöglichkeiten bei der Umsetzung. Viele erhoffen sich insbesondere Anstösse im Bereich Vermittlung und Schulunterricht. Die Mehrzahl der Kantone bestätigt explizit, dass die Umsetzung im Rahmen der bestehenden Verfahren und der vorhandenen Ressourcen möglich ist. Freiburg weist darauf hin, dass der Bund für eine erfolgreiche Umsetzung Koordinationsleistungen erbringen müsse. Basel-Stadt beantragt eingehendere Informationen zum Monitoring (Art. 15) und zur internationalen Zusammenarbeit (Art. 17).

Der Kanton Schwyz anerkennt zwar die mit der Konvention verfolgten Ziele, lehnt aber eine Ratifikation ab. Einerseits gewährleiste die Schweiz diese Ziele bereits heute weitgehend und andererseits sei die Entwicklung des supranationalen Rechts nicht absehbar.

14

15

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Zu nennen sind insbesondere die drei Bundesinventare: Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN); Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS); Bundesinventar der historischen Verkehrswege der Schweiz (IVS).

Die Vernehmlassungsunterlagen und der Bericht zu den Ergebnissen der Vernehmlassung sind zu finden unter www.bundesrecht.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2017 > EDI

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Die Grünen und die Sozialdemokratische Partei der Schweiz unterstützen die Ratifikation der Konvention von Faro mit Nachdruck. Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz führt aus, dass sich die Schweiz damit zur Förderung von Stabilität und zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker bekenne. Die FDP.Die Liberalen unterstützt bestehende Erhaltungsstrategien im Bereich Kulturerbe ausdrücklich. Der Nutzen einer Ratifikation der Konvention von Faro hingegen sei nicht unmittelbar einsichtig. In den Augen der Schweizerischen Volkspartei bringt die Konvention von Faro eine Übernahme von internationalen Bestimmungen und Regelungen ohne sichtbaren Nutzen für die Schweiz.

Der Schweizerische Städteverband und die Städtekonferenz Kultur unterstützen das Übereinkommen und begrüssen die Bestrebungen des Bundesrates, diese zu ratifizieren.

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund unterstützt einen Beitritt der Schweiz zur Konvention von Faro. Dieser stärke nicht nur die nationale und internationale Kulturerbepolitik, sondern sei auch ein Bekenntnis zur multilateralen Zusammenarbeit in diesem Bereich. Das Centre Patronal und der Schweizerische Gewerbeverand hingegen lehnen eine Ratifikation ab. Sie machen geltend, dass die programmatische Natur des Übereinkommens dazu führe, dass die Verpflichtungen der Signatarstaaten sehr offen formuliert seien und die Umsetzung mit vielen Unklarheiten behaftet sei.

Sämtliche Organisationen und Verbände im Bereich Kulturerbe unterstreichen die hohe Bedeutung der Konvention von Faro für eine zeitgemässe Kulturerbepolitik und stimmen einer Ratifikation zu. Viele versprechen sich wesentliche Anstösse und Synergieeffekte im Kontext der internationalen und der nationalen Kultur- und Nachhaltigkeitspolitik.

Gestützt auf das Ergebnis der Vernehmlassung wurde die Botschaft in folgenden Punkten angepasst: ­

Die Ausführungen zum Monitoring (Art. 15) und zur internationalen Zusammenarbeit (Art. 17) wurden vertieft und präzisiert. Vgl. Ziffer 2.

­

Die Koordinationsleistungen des Bundes zwischen den verschiedenen Staatsebenen und in den Sektoralpolitiken wurden klarer herausgearbeitet.

Vgl. Ziffer 3.1.

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2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Übereinkommens

Präambel Die Präambel bringt die Leitgedanken zum Ausdruck, die anschliessend in den einzelnen Bestimmungen des Übereinkommens konkretisiert werden.

Kapitel 1 Ziele, Definitionen und Grundsätze Art. 1

Ziele des Übereinkommens

Das Übereinkommen geht von drei Grundprämissen aus: Erstens stehen den Menschen Rechte am Kulturerbe zu; diese Rechte sind im Grundrecht auf Teilhabe am kulturellen Leben gemäss Artikel 27 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen enthalten. Zweitens besteht eine gemeinsame wie auch eine individuelle Verantwortung gegenüber dem Kulturerbe als notwendiges Gegenstück zu den Rechten an diesem Erbe. Die Erhaltung und eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Nutzung des Kulturerbes sind drittens darauf gerichtet, die Gesellschaft weiterzuentwickeln und die Lebensqualität zu fördern.

Die Massnahmen, welche die Vertragsstaaten zur Umsetzung des Übereinkommens treffen, sollen dem Aufbau einer im Frieden lebenden demokratischen Gesellschaft und der Förderung der kulturellen Vielfalt dienen, wobei diese Massnahmen von öffentlichen und privaten Akteuren getragen werden.

Mit diesen Zielsetzungen bringt Artikel 1 zum Ausdruck, dass es bei der Konvention von Faro nicht um die Erhaltung des Kulturerbes aufgrund seiner ästhetischen und wissenschaftlichen Qualitäten geht. Sie bezweckt vielmehr, das Kulturerbe in den Dienst der Lebensqualität der Individuen und der Gemeinschaften in Europa zu stellen.

Art. 2

Definitionen

Artikel 2 definiert die Begriffe «Kulturerbe» und «Kulturerbe-Gemeinschaft».

Die Umschreibung des Kulturerbes ist die bisher weitest gefasste in einer völkerrechtlichen Vereinbarung. Sie umfasst das immaterielle, das materielle und das digitale Kulturerbe und sie misst den mit seiner Entstehung, Verwendung, Erhaltung, Pflege, Aneignung und Weitergabe verbundenen Prozessen Bedeutung zu. Sie bringt zum Ausdruck, dass dem Kulturerbe eine Wechselwirkung insofern innewohnt, als das Kulturerbe durch menschliche Handlungen immer wieder neu bestimmt wird, also keine statische, unveränderliche Grösse darstellt. Die Begriffsbestimmung hebt sodann den Bezug des Kulturerbes zur räumlichen Umwelt hervor.

Der Begriff «Kulturerbe-Gemeinschaft» bezeichnet Personengruppen, welche bestimmten Aspekten des Kulturerbes eine besondere Wertschätzung entgegenbringen und den Willen bekunden, dass dieses Erbe im Rahmen des öffentlichen Handelns erhalten und nachfolgenden Generationen überliefert wird. Eine solche Gruppe von 76

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Personen kann (muss aber nicht) durch eine gemeinsame Herkunft, Sprache oder Glaubensüberzeugung verbunden sein. Oder sie kann Personen verbinden, die ein gemeinsames Interesse an einer bestimmten Ausprägung von Kulturerbe haben, etwa einer Baugattung, einem Musikstil oder einem Brauchtum oder einer Tradition.

Art. 3

Das gemeinsame Erbe Europas

Die Konvention von Faro nimmt das in Artikel 1 des Europäischen Kulturabkommens begründete Prinzip des gemeinsamen kulturellen Erbes Europas auf und vertieft seine gesellschaftliche Bedeutung für die drei Grundwerte des Europarats: Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Art. 4

Rechte und Verpflichtungen in Bezug auf das Kulturerbe

Artikel 4 bezieht sich auf die Rechte und die Verpflichtungen des Individuums in Bezug auf das Kulturerbe. Er geht von einem individuellen Recht der Menschen auf kulturelles Erbe als Teilbereich des Rechts auf Teilhabe am kulturellen Leben aus (Art. 27 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen; Art. 15 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte). Es liegt aber ebenso in der Verantwortung jedes Individuums und jeder Gemeinschaft, das eigene Kulturerbe und jenes Dritter zu achten.

Allerdings schafft das Übereinkommen kein unmittelbar durchsetzbares individuelles Recht auf das Kulturerbe (vgl. Art. 5 Bst. c und Art. 6 Bst. c). Die Vertragsstaaten sind gehalten, aufgrund eigener Entscheidung in ihrer Gesetzgebung diesem Recht Geltung zu geben. In der Schweiz gewährleisten die Grundrechte auf persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) und auf Kunstfreiheit (Art. 21 BV), in Verbindung mit den entsprechenden Garantien der Konvention vom 4. November 195016 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, Art. 8 und 10), dass der Staat nicht in den Bereich der freien kulturellen Aktivität der Einzelnen eingreift.

Soweit es um den Zugang zur Kultur und um deren Förderung geht, schaffen dafür die einschlägigen Gesetze des Bundes und der Kantone die erforderlichen Grundlagen. Für die Ebene des Bundes sind dies namentlich das Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz, das Nationalbibliotheksgesetz vom 18. Dezember 199217, das Museums- und Sammlungsgesetz vom 12. Juni 200918, das Kulturförderungsgesetz, das Filmgesetz vom 14. Dezember 200119, das Behindertengleichstellungsgesetz vom 13. Dezember 200220 und das Kinder- und Jugendförderungsgesetz vom 30. September 201121.

16 17 18 19 20 21

SR 0.101 SR 432.21 SR 432.30 SR 443.1 SR 151.3 SR 446.1

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Art. 5

Gesetze und Politiken zum Kulturerbe

Artikel 5 legt dar, dass das Kulturerbe systematisch in Gesetzgebung und verwandte Politikfelder zu integrieren ist, um die Ausübung des Rechts auf Kulturerbe zu garantieren.

Art. 6

Rechtswirkungen des Übereinkommens

Artikel 6 enthält wichtige Präzisierungen zu den Rechtswirkungen bzw. zur Tragweite des Übereinkommens: ­

Das Übereinkommen ist nicht unmittelbar anwendbar, schafft also keine einklagbaren Rechte und Pflichten (Bst. c).

­

Aus dem Übereinkommen dürfen keine Einschränkungen oder Beeinträchtigungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten abgeleitet werden, wie sie sich namentlich aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen und aus der EMRK (Bst. a) ergeben.

­

Strengere Vorschriften zur Erhaltung des Kulturerbes und der Umwelt, die in anderen nationalen oder internationalen Rechtsakten enthalten sind, werden durch das Übereinkommen nicht berührt (Bst. b).

Kapitel 2 Beitrag des Kulturerbes zur Gesellschaft und zur menschlichen Entwicklung Art. 7

Kulturerbe und Dialog

Die Vertragsstaaten werden in dieser Bestimmung angehalten, den kulturellen und interkulturellen Dialog zu fördern, indem sie die Erarbeitung von ethischen und methodischen Grundlagen unterstützen (Bst. a und c), Schlichtungsverfahren einführen (Bst. b) und diese Ansätze in Bildung und Weiterbildung integrieren (Bst. d).

Art. 8

Umwelt, Kulturerbe und Lebensqualität

Artikel 8 gibt Handlungsanweisungen für das Verhältnis zwischen dem Kulturerbe und der räumlichen Umwelt. Das Kulturerbe soll als wichtiges Element in allen Sektoralpolitiken berücksichtigt werden. Nötigenfalls muss geprüft werden, welche negativen Auswirkungen für das Kulturerbe ein Vorhaben nach sich zieht und mit welchen Mitteln sich diese vermeiden oder vermindern lassen (Bst. a). Zu fördern ist das Wissen um die allen obliegende Verantwortung für den gemeinsamen Lebensraum (Bst. c). Die Erarbeitung von Qualitätszielen soll sicherstellen, dass sich zeitgenössische Bauten und Anlagen in den Raum einfügen, ohne kulturelle Werte zu gefährden (Bst. d).

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Art. 9

Nachhaltige Nutzung des Kulturerbes

Artikel 9 legt ­ mit Blick hauptsächlich auf das materielle Kulturerbe ­ Grundsätze für den Umgang mit dem Kulturerbe fest. Die Vertragsstaaten sollen den Respekt für die Integrität dieses Erbes fördern und sicherstellen, dass bei Eingriffen auf die in ihm liegenden Werte Rücksicht genommen wird (Bst. a). In technische Normen sind die für die Erhaltung des Kulturerbes unerlässlichen Anforderungen aufzunehmen (Bst. c), und berufliche Qualifikationsstandards und Zulassungsbewilligungen sind so auszugestalten, dass der Umgang mit dem Kulturerbe eine hohe Qualität erreicht (Bst. e). Die Verwendung traditioneller Materialien und Techniken und das hergebrachte Wissen sind zu fördern, namentlich auch im Hinblick auf zeitgenössische Anwendungen (Bst. d).

Art. 10

Kulturerbe und wirtschaftliche Tätigkeit

Das Kulturerbe ist ein relevanter Faktor für die Wirtschaftstätigkeit. Das Übereinkommen will diesen Aspekt stärken, unter Betonung der Nachhaltigkeit. Es hält die Vertragsstaaten an, das Potenzial des Kulturerbes als einen Faktor der nachhaltigen wirtschaftlichen Nutzung aufzuzeigen und zu fördern, dabei aber sicherzustellen, dass Charakter und Integrität des Kulturerbes gewahrt bleiben.

Kapitel 3 Gemeinsame Verantwortung für das Kulturerbe und Teilhabe der Bevölkerung Ein Hauptanliegen der Konvention liegt darin, die nichtstaatlichen Akteure in die Erhaltung des Kulturerbes und in den respektvollen Umgang mit ihm einzubeziehen.

Dies wird in den Artikeln 11­14 ausgeführt.

Art. 11

Organisation der öffentlichen Verantwortung für das Kulturerbe

Der Umgang mit dem Kulturerbe soll einem integrativen Ansatz folgen, dies einerseits innerhalb der Verwaltung, anderseits im Verhältnis zur Zivilgesellschaft (Bst. a und b). Ehrenamtliche Tätigkeit ist vom Staat anzuerkennen und zu fördern (Bst. d; vgl. auch Art. 12 Bst. c), namentlich in Situationen, in denen nichtstaatliche Organisationen sich für die Erhaltung des Kulturerbes einsetzen (Bst. e; die Erläuterungen verweisen diesbezüglich auf die Aarhus-Konvention vom 25. Juni 199822).

Art. 12

Zugang zum Kulturerbe und demokratische Teilhabe

Eine wesentliche Zielsetzung der Konvention von Faro liegt darin, einer möglichst breiten Bevölkerung die Teilhabe am Kulturerbe zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang sollen die Vertragsstaaten nicht nur alle Menschen ermutigen, sich an sämtlichen mit dem Kulturerbe verbundenen Prozessen aktiv zu beteiligen, sondern auch die kulturelle Vielfalt fördern, die Rolle von Vereinen und Verbänden aner22

SR 0.814.07

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kennen sowie Massnahmen ergreifen, um den Zugang zum Kulturerbe zu erleichtern, besonders für die Jugend und für benachteiligte Gruppen.

Art. 13

Kulturerbe und Wissen

Die Vertragsstaaten werden aufgefordert, dafür zu sorgen, dass das Kulturerbe in Erziehung, Bildung und Berufsausbildung Eingang findet.

Art. 14

Kulturerbe und Informationsgesellschaft

Digitale Vermittlung des Kulturerbes und digitales Kulturerbe haben heute einen bedeutenden Stellenwert. Das Übereinkommen hält die Vertragsstaaten dazu an, die Möglichkeiten der Digitalisierung für die Verbesserung des Zugangs zum Kulturerbe zu nutzen und dabei die Qualität der Inhalte sowie die sprachliche und kulturelle Vielfalt sicherzustellen (Bst. a und b). Hindernisse beim Zugang zu Informationen über das Kulturerbe sind so weit wie möglich abzubauen, und die Urheberrechte sind gleichzeitig zu schützen (Bst. c).

Kapitel 4 Monitoring und Zusammenarbeit Art. 15

Verpflichtungen der Vertragsparteien

Das Übereinkommen sieht vor, dass die Vertragsstaaten ein Monitoring aufbauen und ein gemeinsames Informationssystem aufrechterhalten. Es spezifiziert die Modalitäten hierzu allerdings nicht. Im Gegensatz zu andern ähnlichen Vereinbarungen statuiert es keine Pflicht der Vertragsstaaten, periodisch Berichte über die Umsetzung vorzulegen. Es ist keine Überwachung oder Evaluation durch Dritte vorgesehen.

Die Berichterstattung der Staaten erfolgt auf freiwilliger Basis und soll in erster Linie dem Austausch von Good Practice dienen. Form, Inhalt und Periodizität bestimmen die Staaten selbstständig. Adressat ist das Comité Directeur de la Culture, du Patrimoine et du Paysage (CDCPP).

Die aktuelle Praxis des Europarats privilegiert fallbezogene Evaluationen und Analysen von Modellprojekten im Rahmen der Plans d'action (vgl. dazu auch die Erläuterung zu Art. 17). Diese werden nicht in erster Linie von Staaten oder Behörden umgesetzt, sondern von Kulturerbe-Gemeinschaften im Sinne von Artikel 2.

Art. 16

Umsetzungsmechanismus

Auf Stufe des Europarates wurde das Comité Directeur de la Culture, du Patrimoine et du Paysage (CDCPP) mit der Umsetzung der Konvention beauftragt.

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Art. 17

Zusammenarbeit bei der Umsetzung

Die Vertragsstaaten arbeiten untereinander direkt oder über den Europarat zusammen. Sie fördern zwischenstaatliche und grenzüberschreitende Aktivitäten zugunsten des Kulturerbes, namentlich durch die Schaffung von Netzwerken für die regionale und multilaterale Zusammenarbeit. Die Vertragsparteien können gegenseitig vereinbaren, die internationale Zusammenarbeit finanziell zu unterstützen.

Der Europarat unterstützt die Umsetzung der Konvention von Faro mit einem zweijährlich aktualisierten Plan d'action, in dem er thematisch Prioritäten setzt. Umgesetzt werden soll der Plan d'action nicht in erster Linie von Behörden, sondern von der Zivilgesellschaft bzw. den Kulturerbe-Gemeinschaften (gemäss Art. 2). Auf seiner Website stellt der Europarat eine Sammlung guter Beispiele und Analysen sowie Instrumente zur Selbstorganisation zur Verfügung.23 Lokalen und regionalen Gruppierungen steht die Möglichkeit offen, Teil des europaweit tätigen Réseau de la convention de Faro zu werden. Dieses Netzwerk wird vom Sekretariat des Europarats unterstützt und ermöglicht den direkten Austausch, gemeinsame Projekte und Programme sowie eine hohe Visibilität.

Kapitel 5 Schlussbestimmungen Die Schlussbestimmungen (Art. 18­23) entsprechen dem für andere Übereinkommen des Europarats verwendeten Modell. Sie bedürfen keiner weiteren Erläuterung.

Artikel 21 legt fest, dass ein Mitgliedstaat das Übereinkommen jederzeit kündigen kann; die Kündigung wird sechs Monate nach ihrem Empfang durch den Generalsekretär des Europarats wirksam.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Aus dem Übereinkommen entstehen kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf und kein Bedarf an zusätzlichen Ressourcen beim Bund. Es bildet eine solide Grundlage für die zukünftige, zeitgemässe Ausrichtung der Kulturerbepolitik des Bundes, welche die Leistungen des Kulturerbes für die Gesellschaft sichtbar machen sowie Mitwirkung und Mitverantwortung stärken will.

Die Kulturgesetzgebung, die Natur- und Heimatschutzgesetzgebung sowie das Raumplanungsrecht erlauben eine den jeweiligen Möglichkeiten angepasste Umsetzung.24 Diese erfolgt im Rahmen der bestehenden Gremien und laufenden Politiken.

Auf der Stufe Bund stellen etwa die interdepartementale Arbeitsgruppe Baukultur und die Raumordnungskonferenz das transversale und sektorübergreifende Handeln im Sinne der Konvention sicher.

23 24

www.coe.int Vgl. dazu oben Ziff. 1.5.

81

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Für die Koordination der Kulturerbepolitik der unterschiedlichen Staatsebenen ist der 2011 von Bund, Kantonen, Städten und Gemeinden ins Leben gerufene «Nationale Kulturdialog» bereits heute zuständig.

Die Zusammenarbeit mit dem Europarat erfolgt im Rahmen der ständigen Aktivitäten der Schweiz beim Europarat. Zuständig ist das Comité Directeur de la Culture, du Patrimoine et du Paysage (CDCPP), an dem die Schweiz seit den 1960er-Jahren teilnimmt.

Eine allfällige Berichterstattung der Schweiz (vgl. dazu oben zu Art. 15) ist direkt vom Bund umzusetzen. Er kann dabei auf entsprechende Daten der Kantone zurückgreifen, die im Zusammenhang mit den Kulturstatistiken und den Programmvereinbarungen im Bereich Heimatschutz und Denkmalpflege sowie der Berichterstattung zur Agenda 2030 der nachhaltigen Entwicklung bereits erhoben werden.

3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Auch für Kantone, Gemeinden, urbane Zentren, Agglomerationen und das Berggebiet entstehen kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf und kein Bedarf an zusätzlichen Ressourcen. Die Umsetzung der Konvention von Faro kann im Rahmen der laufenden Aktivitäten und je nach den Möglichkeiten vor Ort erfolgen.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Das Kulturerbe ist bereits heute ein wesentlicher volkswirtschaftlicher Faktor und trägt zu den Standortqualitäten der Schweiz bei. Eine nachhaltige und integrierte Kulturerbepolitik, die den Grundsätzen der Konvention von Faro entspricht, kann diese Qualitäten verstärken und gleichzeitig zur internationalen Glaubwürdigkeit der Schweiz beitragen.

3.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Die gesellschaftspolitischen Ziele der Konvention von Faro stimmen mit den Zielsetzungen der Schweiz überein. Das Übereinkommen zeigt Wege auf, wie diese im Bereich Kulturerbe erreicht werden können, und bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte an schweizerische Politiken und Programme. Die explizit geforderte Teilhabe von Verbänden, Vereinen und der Bevölkerung wird in der Schweiz durch das geltende Recht sichergestellt und durch private und staatliche Förderung begünstigt.

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3.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Zielsetzung der Konvention von Faro entspricht der Zielsetzung der schweizerischen Landschaftspolitik. Beide setzen auf integrierte Instrumente, koordinierte Verfahren und demokratische Teilhabe an Pflege und Gestaltung des Raums.

3.6

Andere Auswirkungen

Es sind keine anderen Auswirkungen zu erwarten.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

4.1

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 27. Januar 201625 zur Legislaturplanung 2015­2019 noch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 201626 über die Legislaturplanung 2015­2019 angekündigt.

Im Elften Bericht über die Schweiz und die Konventionen des Europarates vom 24. August 201627 nennt der Bundesrat unter Ziffer 4.4.1 die Konvention von Faro als eines der Übereinkommen, die für die Schweiz von Interesse sind; eine Unterzeichnung könne in Betracht gezogen werden, wenn die Auswirkungen und die Möglichkeiten zur Umsetzung in der Schweiz geprüft seien.

Diese Prüfung ist inzwischen erfolgt und hat ergeben, dass das Übereinkommen sich zur Umsetzung mehrerer Ziele und Strategien des Bundesrates (vgl. dazu unten 4.2.)

eignet, die in der Legislaturperiode 2015­2019 anstehen. Eine Ratifikation wäre zudem ein nachhaltiger Beitrag der Schweiz zum Europäischen Kulturerbejahr 2018.

4.2

Verhältnis zu Strategien des Bundesrates

Ein Beitritt zum Übereinkommen steht in Übereinstimmung mit mehreren Zielen und Strategien der Legislaturplanung 2015­2019 sowie der Kulturbotschaft 2016­ 2020 und kann auf dem Gebiet des Kulturerbes Wesentliches zu den Politiken des Bundes beitragen.

Die im Übereinkommen geforderte kulturelle Teilhabe, die Anerkennung der kulturellen Vielfalt und der Respekt kultureller Minderheiten sind auch wichtige Voraussetzungen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den sozialen Frieden in der Schweiz. Sie stimmen mit den Legislaturzielen Nr. 8 «Die Schweiz stärkt den Zusammenhalt der Regionen und fördert die Verständigung der unterschiedlichen 25 26 27

BBl 2016 1105 BBl 2016 5183 BBl 2016 7045

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Kulturen und Sprachgruppen»28 und Nr. 9 «Die Schweiz fördert den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern»29 überein.

Der Bund richtet seine Förderpolitik im Bereich Kulturerbe bereits heute nach den Handlungsachsen «Kulturelle Teilhabe» und «Gesellschaftlicher Zusammenhalt» aus (vgl. Kulturbotschaft 2016­202030) und will diese Politik in den kommenden Jahren systematisch weiterverfolgen. In diesem Zusammenhang wird auch zu prüfen sein, inwiefern die Förderung des immateriellen Kulturerbes gesetzlich verankert werden kann.

Ziel 10 der Legislaturplanung sieht vor, dass die Schweiz ihr Engagement für die Förderung der wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit fortführt und sich für eine starke internationale Gouvernanz einsetzt.31 Auch die Kulturbotschaft 2016­2020 sieht die Valorisierung und Ausweitung der institutionellen internationalen Zusammenarbeit als Schwerpunkt vor. Die Schweiz hat bisher alle relevanten europäischen Konventionen ratifiziert und engagiert sich stark im Comité Directeur de la Culture, du Patrimoine et du Paysage des Europarats (CDCPP). Sie war Initiantin der im Januar 2018 von den Europäischen Kulturministerinnen und Kulturminister verabschiedeten Erklärung von Davos zur Baukultur32, die die zentrale Rolle der Kultur für die gebaute Umwelt und den gesellschaftlichen Nutzen einer hohen Baukultur betont. Im Rahmen der Organisation internationale de la francophonie engagiert sie sich insbesondere für die Förderung der kulturellen Teilhabe. Die Anliegen der Konvention von Faro sind komplementär zu den bestehenden internationalen Engagements der Schweiz. Sie erweitern die KulturerbePolitik um wichtige Dimensionen.

Mit dem Grundverständnis des Kulturerbes als Ressource, die es im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung zu nutzen gilt, schreibt sich die Konvention von Faro in den Kontext der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen ein, die von der Schweiz im Rahmen der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2016­ 201933 umgesetzt wird. Mit der Agenda 2030 wird die Bedeutung der Kultur im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung erstmals vollumfänglich anerkannt und systematisch in die Ziele der Agenda einbezogen (namentlich in die Handlungsfelder 4 und 11).

Die Rolle des Kulturerbes für die Verbesserung
des Lebensraums und die qualitativ hochstehende Weiterentwicklung des Lebensraums sind zentrale Anliegen der Interdepartementalen Strategie Baukultur des Bundes34, die bis 2020 erarbeitet wird und in der Folge implementiert werden soll.

In ihrer klaren Ausrichtung gegen eine Instrumentalisierung von Kulturerbe stimmt die Konvention von Faro auch mit den Politiken des Bundesrates überein, die der 28 29 30 31 32 33 34

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BBl 2016 1105, hier 1175 BBl 2016 1105, hier 1177 BBl 2015 497, hier 500 BBl 2016 1105, hier 1178 www.davosdeclaration2018.ch Kurzfassung BBl 2016 1105, hier 1196, und ebd. Anhang 3, 1229 BBl 2015 567

BBl 2019

Zerstörung von Kulturerbe als Kampfmittel im bewaffneten Konflikt entgegentreten und sich in die Leitlinie 3 der Legislaturplanung einschreiben.35

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Der Bundesbeschluss über die Genehmigung stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 BV, wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Nach gängiger und einheitlicher Rechtspraxis der Bundesbehörden36 erstreckt sich diese Zuständigkeit auf alle Sachbereiche einschliesslich jener, welche in der Zuständigkeit der Kantone liegen.

Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge zuständig, sofern für deren Abschluss nicht aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (Art. 24 Abs. 2 Parlamentsgesetz vom 13. Dez. 200237; Art. 7a Abs. 1 Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 199738).

5.2

Vereinbarkeit mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Gemäss der ausdrücklichen Bestimmung von Artikel 6 Buchstabe b der Konvention von Faro werden strengere Vorschriften zum Schutz des Kulturerbes und der Umwelt, die in anderen nationalen oder internationalen Rechtsakten niedergelegt sind, durch das Übereinkommen nicht berührt.

Die Schweiz ist bereits Mitglied mehrerer Übereinkommen, die einen inhaltlichen Bezug zum Kulturerbe aufweisen. Das Verhältnis zu den wichtigsten wird nachstehend kurz dargestellt.

­

35 36 37 38

Das Europäischen Kulturabkommen will «unter den Staatsangehörigen aller Mitglieder des Europarates [...] das Studium der Sprachen, der Geschichte und der Zivilisation der anderen Vertragsparteien sowie auch ihrer gemeinsamen Kultur ... fördern» (Präambel), um ein besseres gegenseitiges Verständnis zu ermöglichen. Die Konvention von Faro baut ebenfalls auf dem gemeinsamen Kulturerbe Europas auf, ist aber nicht auf dessen internationale Vermittlung ausgerichtet, sondern will dieses Erbe allgemein in den Dienst der Gesellschaft stellen.

BBl 2016 1180 BBl 2002 617, 2005 1015, 2011 8669 SR 171.10 SR 172.010

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­

Das Haager Abkommen vom 14. Mai 195439 für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten und das Zweite Protokoll vom 26. März 199940 zum Haager Abkommen von 1954 für den Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten bezwecken, dem unbeweglichen und dem beweglichen Kulturerbe in der besonderen Bedrohungssituation eines bewaffneten Konflikts einen effektiven Schutz zu sichern. Das Anwendungsfeld dieser Abkommen ist demgemäss begrenzt und weist keine Deckung mit der Konvention von Faro auf.

­

Beigetreten ist die Schweiz drei wichtigen Übereinkommen, deren Zweck darin liegt, unmittelbar den Schutz des materiellen Kulturerbes zu sichern.

Es handelt sich um das Übereinkommen der Unesco vom 23. November 197241 zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (WelterbeKonvention), das Übereinkommen des Europarats zum Schutz des baugeschichtlichen Erbes in Europa und das Übereinkommen des Europarats zum Schutz des archäologischen Erbes.

Von diesen Übereinkommen unterscheidet sich die Konvention von Faro durch ihre grundlegend andere Zielsetzung. Es geht bei ihr nicht nur um Erhaltung des Kulturerbes als solche, sondern um Teilhabe der Menschen an diesem Erbe. Sie versteht das Kulturerbe als Ressource und will es nutzen, um Identität zu schaffen, die demokratische Gesellschaftsform zu fördern und zur Lebensqualität beizutragen.

39 40 41 42 43

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­

Das Europäische Landschaftsübereinkommen vom 20. Oktober 200042 geht von einem umfassenden Landschaftsverständnis aus, das auch Teile des materiellen Kulturerbes enthält. Über den ökologischen und kulturellen Wert der Landschaft hinausgehend, unterstreicht das Übereinkommen die Bedeutung der Landschaft für das Wohl der Gesellschaft und als Wirtschaftraum.

Es regt an zu Massnahmen, die den Schutz, aber auch Impulse für Pflege, Planung und Entwicklung vermitteln sollen. Es setzt dabei auf Bewusstseinsbildung der Bürgerinnen und Bürger sowie auf partizipative Gouvernanz. Die Konvention von Faro ist demselben Grundverständnis verpflichtet, wendet es aber auf das Kulturerbe in all seinen Facetten an.

­

Seit Oktober 2008 ist die Schweiz Mitglied des Übereinkommens der UNESCO vom 17. Oktober 200343 zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes der Welt, das auf die Bewahrung und Förderung traditioneller kultureller Ausdrucksformen gerichtet ist. Genau wie die Konvention von Faro legt es einen starken Akzent auf die Beteiligung und den Einbezug der Trägerinnen und Träger des Kulturerbes. Es gilt allerdings nur für den Bereich des immateriellen Erbes, während die Konvention von Faro eine weitere Perspektive einnimmt und das materielle, das immaterielle und das digitale Kulturerbe gleichermassen einbezieht.

SR 0.520.3 SR 0.520.33 SR 0.451.41 SR 0.451.3 SR 0.440.6

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­

Das Unesco-Übereinkommen vom 20 Oktober 200544 über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen bezweckt den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen und sichert dem Kultursektor einen spezifischen Rahmen in der internationalen Handelsordnung. Die Stossrichtung dieses Übereinkommens unterscheidet sich deutlich von jener der Konvention von Faro, auch wenn gewisse Übereinstimmungen bestehen, beispielsweise in der Anerkennung der Vielfalt, in welcher die Kulturen von Gruppen und Gesellschaften zum Ausdruck kommen. Ein weiterer grundlegender Unterschied zwischen den beiden Übereinkommen besteht insofern, als jenes der Unesco einen weltweiten Wirkungskreis hat, während die Konvention von Faro Europa betrifft und nur hier Anwendung findet.

Zu den inhaltlich verwandten Übereinkommen ergeben sich somit aus der Konvention von Faro keine Konflikte. Vielmehr stellt sie eine Ergänzung dar, die eine Lücke schliesst.

5.3

Erlassform

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Nach Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes sind unter rechtsetzenden Normen jene Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten Bestimmungen, die auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssten.

Die Konvention von Faro ist unbefristet, aber jederzeit kündbar (Art. 21). Sie beinhaltet keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation (Art. 141 Abs. 1 Bst. d Ziff. 1 und 2 BV). Das Übereinkommen enthält Bestimmungen, die als wichtig im Sinne von Artikel 164 Absatz 1 BV zu qualifizieren sind, da ihre Umsetzung in der Schweiz in einem formell-gesetzlichen Rahmen erfolgt. Die erforderlichen Gesetzesgrundlagen sind heute vorhanden.

Daraus ergibt sich, dass der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Rahmenübereinkommens dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu unterstellen ist.

44

SR 0.440.8

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