18.464 Parlamentarische Initiative Berufungskammer des Bundesstrafgerichtes.

Erhöhung bei den Vollzeitstellen Bericht der Rechtskommission des Nationalrates vom 29. November 2018

Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Verordnung der Bundesversammlung. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

29. November 2018

Im Namen der Kommission Der Präsident: Pirmin Schwander

2018-3868

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Übersicht Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates beantragt, die Zahl der Stellen für ordentliche Richterinnen und Richter der Berufungskammer des Bundesstrafgerichtes von zwei auf höchstens drei Vollzeitstellen zu erhöhen. Mit dieser Aufstockung sollen die Ressourcen der neuen Berufungskammer, deren Bedarf bereits jetzt über den ursprünglichen Schätzungen zu liegen scheint, schnellstmöglich erhöht werden und die Rechtsgrundlagen dahingehend angepasst werden, dass die Stelle einer ordentlichen Richterin bzw. eines ordentlichen Richters französischer Sprache besetzt werden kann.

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BBl 2019

Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Ausgangslage

Das Parlament verabschiedete im März 2017 die Rechtsgrundlagen für die Schaffung einer Berufungskammer am Bundesstrafgericht (BStGer) in Bellinzona.1 Damit wurde das Prinzip der «double instance» umgesetzt, welches bereits in kantonalen Strafverfahren gilt. Fälle von Bundesgerichtsbarkeit können nun ebenfalls von zwei Instanzen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht uneingeschränkt beurteilen werden.

Der Bundesrat legte am 25. Oktober 2017 fest, dass die neue Berufungskammer ihre Arbeit am 1. Januar 2019 aufnimmt.2 Der Änderungsentwurf des Strafbehördenorganisationsgesetzes sieht in Artikel 38b vor, dass die Berufungskammer in der Besetzung mit drei Richterinnen bzw. Richtern entscheidet, und der Änderungsentwurf3 der Verordnung über die Richterstellen am Bundesstrafgericht4 sieht für die Berufungskammer höchstens zwei Vollzeitstellen für ordentliche Richter und Richterinnen sowie höchstens zehn nebenamtliche Richter und Richterinnen vor. Zudem wurde in Artikel 55 Absatz 3 des geänderten Gesetzes vorgesehen, dass die Richter und Richterinnen der Beschwerdekammern, soweit erforderlich, in der Berufungskammer aushelfen.

Gemäss Artikel 40a des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20025 (ParlG) ist die Gerichtskommission der Bundesversammlung für die Vorbereitung der Wahl der neuen Richterinnen und Richter zuständig. Diese schrieb Anfang 2018 ­ nachdem sie am 28. August 2017 den Präsidenten des BStGer angehört hatte ­ fünf Stellen für nebenamtliche Richterinnen und Richter sowie zwei bis drei Stellen für ordentliche Richterinnen und Richter mit einem Gesamtpensum von 200 Stellenprozent aus, um sicherzustellen, dass die drei Amtssprachen vertreten sind und die Berufungskammer sofort unabhängig arbeiten kann.

Die Bundesversammlung wählte in der Sommersession 2018 die von der Gerichtskommission am 16. Mai 2018 vorgeschlagenen Personen, d. h. zwei ordentliche Richterinnen und neun nebenamtliche Richterinnen und Richter6. Mangels geeigneter Bewerbungen wählte sie keine ordentliche Richterin bzw. keinen ordentlichen Richter französischer Sprache.

1 2 3 4 5 6

BBl 2016 6199 AS 2017 5769 AS 2018 1187 SR 173.713.150 SR 171.10 18.203 vbv Bundesstrafgericht. Wahl der Mitglieder der neuen Berufungskammer.

Bericht der Gerichtskommission der Bundesversammlung vom 30.5.2018.

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Um die Vertretung der drei Amtssprachen sicherzustellen, beschloss die Kommission, den anfänglichen Beschäftigungsgrad der Richterin deutscher Sprache auf 80 Prozent und jenen der Richterin italienischer Sprache auf 50 Prozent festzulegen sowie die Stelle für eine französischsprachige Person mit den restlichen Stellenprozenten erneut auszuschreiben.

Trotz zweier weiterer Ausschreibungen (die letzte ohne Vorgaben hinsichtlich der Parteizugehörigkeit) und verschiedener Anhörungen am 29. August und am 14. November 2018 fand die Gerichtskommission keine Person französischer Sprache, die über die nötige Erfahrung und die erforderlichen Kompetenzen verfügt, um an der neuen Beschwerdekammer in Bellinzona das Amt einer ordentlichen Richterin bzw. eines ordentlichen Richters in Teilzeitanstellung auszuüben.

Die Gerichtskommission kam an ihrer Sitzung vom 14. November 2018 zum Schluss, dass die Stelle einer ordentlichen Richterin bzw. eines ordentlichen Richters französischer Sprache aufgrund des aktuellen Rechtsrahmens (ein Maximum von 200 Stellenprozent für eine Kammer, die mit drei Richterinnen und Richtern besetzt sein muss) nicht besetzt werden kann und dass eine Vollzeitstelle ausgeschrieben werden muss, um Bewerberinnen und Bewerber französischer Sprache nach Bellinzona zu locken.

Da sie selbst über keine gesetzgeberischen Kompetenzen verfügt, richtete die Gerichtskommission ein Schreiben an die Kommissionen für Rechtsfragen und die Büros beider Räte, mit der Bitte, die Verordnung über die Richterstellen am Bundesstrafgericht unverzüglich so zu ändern, dass in der Frühjahrssession 2019 eine zusätzliche Richterin bzw. ein zusätzlicher Richter gewählt werden kann. Angesichts der Ausschreibungsfristen sollte die Verordnung schon in der Wintersession 2018 geändert werden, damit ab Sommer 2019 ein normaler Geschäftsbetrieb der Beschwerdekammer ­ mit einer ordentlichen Richterin bzw. einem ordentlichen Richter pro Amtssprache ­ möglich ist.

1.2

Bedürfnisse der Berufungskammer

In der Zusatzbotschaft des Bundesrates zur Schaffung einer Berufungskammer am Bundesstrafgericht7 wird von elf Berufungsverfahren mit etwa doppelt so vielen Beschuldigten ausgegangen, weshalb von einem Bedarf von maximal zwei ordentlichen Richterinnen bzw. Richtern in Vollzeitpensum ausgegangen wird.

Am 15. Juni 2018 reichte Nationalrat Pirmin Schwander eine parlamentarische Initiative ein8, welche verlangt, die vom Parlament am 17. März 2017 verabschiedete Änderung der Rechtsgrundlagen auf die Praxistauglichkeit zu überprüfen und sofort dahingehend anzupassen, dass die Bedürfnisse der Berufungskammer abhängig von der tatsächlichen Zahl der Fälle, die an sie weitergezogen werden können, höher eingeschätzt werden und notfalls die Einsetzung der neuen Kammer verschoben wird.

7 8

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BBl 2016 6212 18.438 n Pa.Iv. Schwander. Berufungskammer praxistauglich ausgestalten.

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Der Präsident des BStGer beurteilte in seiner Anhörung durch die Gerichtskommission am 29. August 2018 die ursprüngliche Schätzung ­ die auf einem kantonalen Vergleich basiert ­ aufgrund der Fallzahlen von 2017 als deutlich zu optimistisch und ging eher von rund 35 Fällen pro Jahr aus. Wie der Bundesgerichtspräsident sprach er sich aber dagegen aus, dass die neue Kammer ihre Arbeit erst später aufnimmt.

Nationalrat Schwander zog seine Initiative am 27. September 2018 zugunsten einer Initiative von Ständerat Beat Rieder9 zurück, welche lediglich die Schaffung von mindestens drei Vollzeitstellen für ordentliche Richterinnen und Richter an der Berufungskammer des BStGer verlangte.

Die Verwaltungskommission des BStGer bestätigte in einem Schreiben vom 8. November 2018 an die Gerichtskommission die Zahl von 35 Fällen und die offensichtliche Unterbesetzung der neuen Berufungskammer.

1.3

Parlamentarische Initiative

Gemäss Artikel 41 Absatz 1 des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 201010 umfasst das BStGer 15 bis 35 ordentliche Richter und Richterinnen. Gemäss Absatz 3 bestimmt die Bundesversammlung die Anzahl der Richter und Richterinnen in einer Verordnung. Die Verordnung der Bundesversammlung vom 17. März 201711 über die Änderung der Richterverordnung und der Verordnung über die Richterstellen am Bundesstrafgericht sieht vor, dass das BStGer gesamthaft höchstens 16 Vollzeitstellen für ordentliche Richter und Richterinnen in den Straf- und den Beschwerdekammern und höchstens zwei Vollzeitstellen für ordentliche Richter und Richterinnen in der Berufungskammer umfasst.

Nach Kenntnisnahme des Schreibens der Gerichtskommission beschloss die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates am 16. November 2018 mit 17 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen, eine parlamentarische Initiative einzureichen, welche die Verordnung der Bundesversammlung über die Richterstellen am BStGer dahingehend ändert, dass die Zahl der Stellen für ordentliche Richterinnen und Richter in der Berufungskammer auf höchstens drei Vollzeitstellen festgelegt wird. Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates stimmte diesem Beschluss einstimmig am 27. November 2018 zu.

Die Kommission konnte somit den Verordnungsentwurf ausarbeiten und nahm diesen am 29. November 2018 mit 22 zu 1 Stimmen bei 2 Enthaltungen an. Gestützt auf Artikel 112 Absatz 1 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200212 wurde die Kommission bei ihren Arbeiten vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement unterstützt.

9 10 11 12

18.442 s Pa.Iv. Rieder. Berufungskammer des Bundesstrafgerichtes. Erhöhung bei den Vollzeitstellen.

SR 173.71 AS 2018 1187 SR 171.10

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2

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Ziff. I Art. 1 Die Anzahl der Stellen für ordentliche Richter und Richterinnen in der Berufungskammer des BStGer wird neu auf maximal 3 Vollzeitstellen festgelegt. Diese 3 Vollzeitstellen können auf mehr als 3 Richter und Richterinnen verteilt werden, weil die richterliche Tätigkeit am BStGer auch mit einem Teilpensum ausgeübt werden kann (Art. 46 Abs. 1 StBOG).

Ziff. II Die Änderung der Verordnung untersteht nicht dem Referendum und kann nach der Annahme durch die Räte in Kraft treten.

3

Auswirkungen

Der Lohn der Richter und Richterinnen des Bundesstrafgerichtes entspricht dem Höchstbetrag der Lohnklasse 33 nach Artikel 36 der Bundespersonalverordnung.13 Der Höchstbetrag gilt für Personen, welche das 45. Altersjahr vollendet haben oder im laufenden Kalenderjahr vollenden (Kriterium des Alters) und welche die Richterfunktion nach der Richterverordnung oder hauptamtlich an einem kantonalen oberen Gericht oder eine leitende Funktion in der Strafverfolgung mindestens 48 Monate ausgeübt haben (Kriterium der Erfahrung).14 Im Jahr 2018 beträgt die Bruttojahresbesoldung für Personen, die keines der beiden Kriterien erfüllen, 202 953 Franken, für Personen, die eines der beiden Kriterien erfüllen, 220 860 Franken, und für Personen, die beide Kriterien erfüllen, 238 768 Franken.15

4

Rechtliche Grundlagen

4.1

Gesetzmässigkeit

Die Zuständigkeit der Bundesversammlung für den Entscheid über diese Aufstockung stützt sich auf Artikel 41 Absatz 3 StBOG. Dieser sieht vor, dass die Bundesversammlung die Anzahl Richterstellen bestimmt. Gemäss Artikel 41 Absatz 1 StBOG umfasst das Bundesstrafgericht zwischen 15 und 35 Richterstellen. Die Bundesversammlung ist somit berechtigt, eine andere Anzahl Richterstellen festzulegen, sofern diese zwischen 15 und 35 liegt.

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Verordnung der Bundesversammlung über das Arbeitsverhältnis und die Besoldung der Richter und Richterinnen des Bundesverwaltungsgerichts, der ordentlichen Richter und Richterinnen des Bundesstrafgerichts und der hauptamtlichen Richter und Richterinnen des Bundespatentgerichts (Richterverordnung, SR 173.711.2), Art. 5 Abs. 1 Richterverordnung, Art. 5 Abs. 2 Richterverordnung, Art. 5 Abs. 3

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4.2

Erlassform

Gemäss Artikel 41 Absatz 3 StBOG bestimmt die Bundesversammlung die Anzahl Richterstellen in einer Verordnung.

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