19.082 Botschaft zur Verlängerung der Schweizer Beteiligung an der multinationalen Kosovo Force (KFOR) vom 27. November 2019

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Verlängerung der Schweizer Beteiligung an der multinationalen Kosovo Force (KFOR).

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

27. November 2019

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2019-2015

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Übersicht Der von der Bundesversammlung bis zum 31. Dezember 2020 mandatierte Einsatz der Swisscoy in der multinationalen Kosovo Force (KFOR) soll bis zum 31. Dezember 2023 verlängert werden. Gemäss geltendem Mandat und um die Leistungen der Swisscoy auf die Bedürfnisse der KFOR anzupassen, hat der Bundesrat den Maximalbestand im April 2018 auf 190 Armeeangehörige und im Oktober 2019 auf 165 Armeeangehörige reduziert. Diese Bestandsreduktion erfolgte im Zuge der Rücknahme der schweren Mittel für Transport- und Genieaufgaben, die von der KFOR nicht mehr benötigt wurden. Angesichts der Verschlechterung der Sicherheitslage und der politischen Situation in Kosovo und in den Westbalkanländern musste die Nato auf eine Halbierung der Bestände der KFOR verzichten. Um auf die von der KFOR ausgewiesenen zusätzlichen Bedürfnisse einzugehen, wird der Bundesrat den Maximalbestand der Swisscoy im April 2021 auf 195 Armeeangehörige erhöhen. Er soll ausserdem das Kontingent befristet verstärken können, falls zusätzliche Bedürfnisse oder eine erhöhte Bedrohung dies erforderlich machen.

Ausgangslage Kosovo bleibt auch fast zwei Jahrzehnte nach Beginn des Eingreifens der KFOR und über zehn Jahre nach der Erklärung der Unabhängigkeit ein fragiler, unvollendeter Staat. Die Nachwirkungen des Konflikts lasten noch immer schwer auf dem Land, sowohl auf innerstaatlicher Ebene als auch, was die Beziehungen mit Serbien betrifft. Serbien anerkennt die Unabhängigkeitserklärung Kosovos nicht und behindert die internationale Anerkennung seiner früheren Provinz weiterhin. Mit der neuerlichen Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Belgrad und Pristina haben auch die Spannungen zugenommen und Zwischenfälle werden von beiden Seiten provoziert. Einschüchterungsversuche gegen Angehörige von kosovarischen Behörden, die Minderheiten angehören, haben zugenommen.

Obwohl in der Verfassung die Gleichheit der Ethnien verankert und die Rechte der Minderheiten garantiert sind, ist die Umsetzung dieser Grundsätze aufgrund des mangelnden politischen Willens und der geringen Mittel, die der kosovarische Staat zur Verfügung stellt, schwierig. Die gegenseitigen Vorurteile der albanisch- und der serbischsprachigen Gemeinschaften nehmen zu, während die Regierungsvertreter gegen ihre serbischen Amtskollegen immer heftigere Attacken richten,
die in gleicher Art erwidert werden.

Seit Kriegsende sind vor allem ehemalige Mitglieder der Befreiungsarmee Kosovos (UÇK) politisch an der Macht. Sie stützen sich dabei auf Familien-, Clan- und klientelistische Netzwerke, die zum Teil dem organisierten Verbrechen nahestehen.

Dieses System mit den Verbindungen zwischen Politik, Wirtschaft und organisiertem Verbrechen begünstigt Korruption und bremst die Entwicklung des Landes hin zu einem Rechtsstaat mit einer funktionierenden Marktwirtschaft. In einem Zustand faktischer politischer Lähmung und mit einem dysfunktionalen Parlament konnten nur sehr wenige Gesetze überhaupt verabschiedet werden und keine der dringend

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notwendigen Reformen zur Verbesserung des Gesundheitssystems, des Bildungssystems oder der Verwaltung an die Hand genommen werden.

Die Sicherheit im Alltag kann in Kosovo als gut bewertet werden, wozu die kosovarische Polizei wesentlich beiträgt. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist die Alltagskriminalität in Kosovo tief. Hingegen untergraben Grosskriminalität und organisierte Kriminalität, die mit Familienstrukturen verwoben sind, die Rechtssicherheit, die auch die Grundlage für Investitionen wäre.

Im mehrheitlich serbisch bewohnten Norden Kosovos besteht weiterhin ein Eskalationspotenzial. Mafiöse Gruppierungen, die von Belgrad gedeckt werden, kontrollieren die Mehrheitspartei «Lista Srpska», die inhaltlich von Serbien gesteuert wird.

Die lokale Bevölkerung findet sich praktisch als Geisel der von Belgrad und Pristina genährten Differenzen wieder. Politisch, interethnisch oder kriminell motivierte Sicherheitsvorfälle sind in der Region Mitrovica häufig.

Vor diesem Hintergrund sind die kosovarischen Behörden noch nicht in der Lage, von der KFOR die Aufgabe zu übernehmen, ein sicheres Umfeld zu schaffen. Die KFOR, ist in Kosovo anerkannt und von allen Seiten geschätzt und hat grosse Glaubwürdigkeit. Es kommt ihr zugute, dass alle Parteien ein Interesse an der Präsenz der KFOR haben, auch wenn es keine wirkliche militärische Bedrohung in Kosovo mehr gibt. Mit einer Reputation der Unparteilichkeit verfügt die KFOR über die Durchsetzungskraft für den Fall, dass eine Situation eskalieren sollte. Diese internationale militärische Präsenz in Kosovo schreckt vor Gewaltanwendung ab und beruhigt Angehörige von ethnischen Minderheiten im ganzen Land, die sich nach wie vor bedroht fühlen. Die Nato hatte eine Halbierung der KFOR-Bestände bis 2020 vorgesehen. Aufgrund der neuerlichen Verschlechterung der Sicherheitslage und der politischen Situation ist sie jedoch von dieser Absicht abgekommen.

Seit 1999 hat die Swisscoy ihre Organisation und ihre Aufgaben laufend den Bedürfnissen der KFOR angepasst, die ihrerseits die Lageentwicklung in Kosovo spiegeln. Während des laufenden Mandats ist der Maximalbestand auf heute 165 Armeeangehörige verkleinert worden. Diese Reduktion erfolgte über den Abzug des Personals, das mit Spezialfahrzeugen für Transport- und Bautätigkeiten eingesetzt war, die von
der KFOR nicht mehr benötigt wurden. Beibehalten wurden hingegen die Kapazitäten in den Bereichen Lageverfolgung, Überwachung, Aufklärung und Lufttransport, die von der KFOR nach wie vor gebraucht werden.

Inhalt der Vorlage Seit Beginn des Swisscoy-Engagements hat die Schweiz ihren Beitrag, unter Berücksichtigung der Kapazitäten der Schweizer Armee, stets auf die Bedürfnisse der KFOR ausgerichtet. Nach Ansicht des Bundesrates ist es angezeigt, an diesem Ansatz festzuhalten und den Schweizer Beitrag neuerlich anzupassen, damit die KFOR Kapazitätslücken schliessen kann. Damit die Armee diese zusätzlichen Leistungen erbringen kann, schlägt der Bundesrat vor, den Maximalbestand der Swisscoy im April 2021 von 165 auf 195 Armeeangehörige anzuheben.

Mit der Verschlechterung des Sicherheits- und des politischen Umfelds haben sich neuerliche Kapazitätslücken ergeben. So hat der Kommandant der KFOR im Rah-

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men eines bilateralen Treffens mit dem Chef der Armee im August 2019 auf diesen zusätzlichen Bedarf hingewiesen. Dieser besteht in den Bereichen der Sicherstellung der Bewegungsfreiheit (freedom of movement), der Nachrichtenbeschaffung und bei Stabsoffiziersfunktionen im Hauptquartier der KFOR.

In all diesen Bereichen verfügt die Schweizer Armee über die erforderlichen Kompetenzen und Kapazitäten. Zur Sicherstellung der Bewegungsfreiheit benötigt die KFOR ein Detachement, das mit Spezialfahrzeugen improvisierte Strassensperren räumt und damit den Zugang der Interventionselemente ermöglicht. Im Hauptquartier und im Nachrichtenbereich braucht die KFOR zusätzliche Stabsoffiziere sowie Spezialistinnen und Spezialisten für ihr Aufklärungsbataillon (Intelligence, Surveillance and Reconnaissance, ISR). Solche personellen Beiträge hat die Swisscoy in der Vergangenheit bereits erbracht.

Auch wenn die Swisscoy zahlenmässig weniger als 5 % des Gesamtbestands der KFOR ausmacht, zeigt die Schweiz mit ihrer Teilnahme, dass sie dieses gemeinsame Engagement im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützt, und beweist damit ihre Solidarität. Darüber hinaus hat der bisherige Einsatz der KFOR gezeigt, dass die Schweiz eine kompetente und geschätzte Partnerin ist. Die Übertragung der Funktion des stellvertretenden KFOR-Kommandanten an die Schweiz widerspiegelt diese Einschätzung. Mit der Weiterführung des Einsatzes signalisiert die Schweiz ihre Bereitschaft, diese internationalen Anstrengungen mitzutragen und ihren Beitrag zum Erhalt der Stabilität und der Entwicklung dieser Region, zu der sie enge Verbindungen hat, zu leisten. Heute leben fast 500 000 Menschen mit südosteuropäischen Wurzeln in der Schweiz, darunter über 200 000 kosovarischer Herkunft.

Der geplante Aufwand für das Swisscoy-Kontingent mit 195 Armeeangehörigen beläuft sich auf rund 40,9 Millionen Franken jährlich. Die Zusatzkosten in Zusammenhang mit der Erhöhung des Maximalbestands des Kontingents werden durch das Armeebudget des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) gedeckt. Allfällige Aufwendungen für Aufstockungen um rund 10,3 Millionen Franken würden ebenfalls durch das Armeebudget aufgefangen.

Jeweils per 31. Dezember legt das VBS zuhanden der Aussenpolitischen und der Sicherheitspolitischen Kommissionen beider Räte jährlich einen Zwischenbericht über den Swisscoy-Einsatz vor.

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BBl 2019

Botschaft 1

Ausgangslage

Seit Oktober 1999 beteiligt sich die Schweizer Armee mit einem Kontingent (Swiss Company, Swisscoy) an der Kosovo Force (KFOR). Grundlage für die KFOR ist die Resolution 1244 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999.1 Den Entscheid für eine militärische Beteiligung der Schweiz fasste der Bundesrat am 23. Juni 1999. Mit Bundesbeschluss vom 12. Dezember 20012 genehmigte die Bundesversammlung die Schweizer Beteiligung an der KFOR, und diese wurde mit weiteren Bundesbeschlüssen bis Ende 2020 verlängert.3 Angesichts der Verbesserung und Stabilisierung der Sicherheitslage während der vergangenen zwanzig Jahre wurden das Einsatzkonzept der KFOR, deren Bestand anfänglich rund 50 000 Armeeangehörige betrug, angepasst, und die Truppenstärke konnte verringert werden. Gegenwärtig stellen 28 Staaten insgesamt rund 3500 Armeeangehörige. Die KFOR konzentriert sich heute primär auf die Lageverfolgung mit weniger Interventionselementen. Die Swisscoy leistet ihren Beitrag in diesen Bereichen. Im Rahmen der letzten Verlängerung wurde der Maximalbestand in zwei Etappen auf heute 165 Armeeangehörige reduziert. Gemäss Bundesbeschluss vom 8. Juni 20174 kann der Bundesrat diesen Bestand vorübergehend für maximal vier Monate um 70 Armeeangehörige aufstocken. Mit dieser Botschaft beantragt der Bundesrat die Verlängerung des Einsatzes der Swisscoy um drei Jahre.

Um den Truppenbestand der Lageentwicklung vor Ort anpassen sowie ausgewiesenen Bedürfnissen der KFOR zu entsprechen, beantragt der Bundesrat zudem, den Maximalbestand der Swisscoy auf 195 Armeeangehörige zu erhöhen.

Die Nato hatte ursprünglich eine Halbierung der KFOR-Bestände bis 2020 vorgesehen. Aufgrund der neuerlichen Verschlechterung der Sicherheitslage ist sie jedoch von dieser Absicht abgekommen. Einige Staaten haben ihre Kontingente reduziert oder ihre Truppen ganz abgezogen, um sie dann in anderen prioritären Operationsräumen einzusetzen (Frankreich in der Sahelzone, Deutschland zum Aufbau eines Soforteinsatzkorps). Andere Nationen wiederum, die sich aus der KFOR zurückgezogen hatten, haben sich für eine erneute Beteiligung entschieden, so zum Beispiel das Vereinigte Königreich, das über 600 Armeeangehörige für die Eingreifreserve der KFOR zur Verfügung stellt, die ausserhalb Kosovos bereitsteht.

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Die Resolution 1244 kann im Internet unter folgender Adresse abgerufen werden: www.un.org > Documents > Security Council Resolutions > 1999.

BBl 2001 6555 Bis 2001 erfolgte der Einsatz der Swisscoy unbewaffnet, und die Kompetenz für einen definitiven Entscheid zu einem solchen Einsatz lag beim Bundesrat. Nach einer Revision des Militärgesetzes (MG, SR 510.10) 2001 (BBl 2000 477) wurde die Bewaffnung des Kontingents möglich, die Kompetenz für den Entscheid zu einem solchen Einsatz liegt aber beim Parlament. Siehe die seit 2001 genehmigten Bundesbeschlüsse: BBl 2001 6555, BBl 2003 6881, BBl 2005 4265, BBl 2008 5791, BBl 2011 5511, BBl 2014 5409, BBl 2017 4417.

BBl 2017 4417

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Die Aufgabe der KFOR gemäss der Resolution 1244 ist es, ein sicheres Umfeld zu schaffen. Es gibt nach wie vor keinen anderen Akteur, die diese Aufgabe von der KFOR vollständig übernehmen könnte. Die primäre Zuständigkeit liegt beim kosovarischen Staat. Dieser ist jedoch noch nicht in der Lage, diese Aufgabe vollumfänglich zu übernehmen. Kosovo hat keine eigene Armee, sondern eine leichtbewaffnete Zivilschutztruppe, die Kosovo Security Force (KSF). Im Dezember 2018 haben die kosovarischen Behörden allerdings die Umwandlung der KSF in eine reguläre Armee beschlossen. Die Umsetzung des Vorhabens wird laut Pristina rund zehn Jahre dauern. In Serbien hat die Ankündigung heftige Reaktionen hervorgerufen.

Serbien sieht das Vorhaben als destabilisierend für die ganze Region.

Die KFOR handelt in Kosovo im Zusammenspiel mit den zivilen Missionen der UNO (UN Mission in Kosovo, UNMIK), der OSZE (OSCE Mission in Kosovo, OMIK) und der EU (EULEX), deren Aufgaben und Zuständigkeiten mit der Entwicklung des kosovarischen Staates allmählich zurückgegangen sind. In erster Linie ist die kosovarische Polizei für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit verantwortlich. Aus diesem Grund kommt sie bei Zwischenfällen zuerst zum Einsatz. Im mehrheitlich serbisch bewohnten Norden des Landes bergen Einsätze der kosovarischen Polizei allerdings erhebliches Eskalationspotenzial. Diese Einsatzkräfte bestehen ausschliesslich aus kosovo-albanischen Angehörigen, da Belgrad die Rekrutierung von Kosovo-Serben, auch mithilfe von Einschüchterung und Gewalt, zu verhindern sucht. Die Präsenz der KFOR als Garantin der Sicherheit hat namentlich im Norden eine beruhigende Wirkung auf die Bevölkerung.

Vor diesem Hintergrund ist der Bundesrat der Ansicht, dass die Schweiz ihren Einsatz in der KFOR weiterführen muss, aus migrations- und sicherheitspolitischen sowie wirtschaftlichen Gründen und aus Solidarität mit der internationalen Gemeinschaft. Während andere KFOR-Truppensteller ihre Bestände in Kosovo verkleinern, um sie an anderen gefährlicheren Brennpunkten einzusetzen, kann die Schweiz mit spezialisierten Elementen für die von der KFOR stark nachgesuchten Aufgaben in den Bereichen Informationsbeschaffung und logistische Unterstützung einen Beitrag leisten. Angesichts der Lageentwicklung in Kosovo und im Westbalkan wird die
KFOR ihren Einsatz ohne weitere Reduktionen fortsetzen, in Abstimmung mit den Einsätzen der UNO, der OSZE und der EU, die ihre zivilen Missionen im Land ebenfalls aufrechterhalten. Mit der Weiterführung des Einsatzes signalisiert die Schweiz ihre Bereitschaft, diese internationalen Anstrengungen mitzutragen und ihren Beitrag zum Erhalt der Stabilität und der Entwicklung dieser Region zu leisten, an der sie ein unmittelbares Interesse hat.5 Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass die Instabilität auf dem Westbalkan direkte Auswirkungen auf die Schweiz hat, besonders hinsichtlich der Immigration (bis zum Ende des bewaffneten Konflikts 1999 kamen über 50 000 Personen als Flüchtlinge in die Schweiz). 6 Heute leben fast 500 000 Menschen mit südosteuropäischen Wurzeln in unserem Land, darunter über 200 000 kosovarischer Herkunft.

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Aussenpolitischer Bericht 2018, S. 1529, BBl 2019 1505.

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Lage auf dem Westbalkan und in Kosovo

2.1

Regionale Lage

Zwanzig Jahre nach dem Ende der bewaffneten Konflikte auf dem Westbalkan hat sich die Lage in der Region verbessert. Diese wird nicht mehr von bewaffneten Konflikten erschüttert, und im Bereich der Sicherheit sind bedeutende Fortschritte erzielt worden. Auch in anderen Bereichen wurden Fortschritte verzeichnet, namentlich 2009 mit dem Nato-Beitritt Albaniens, dem Nato-Beitritt Montenegros im Juni 2017 sowie der Beilegung des Namensstreits zwischen Nordmazedonien und Griechenland, welche Nordmazedonien den Weg für einen Nato-Beitritt geebnet hat und eine europäische Perspektive öffnen konnte. Ungeachtet dieser Stabilisierung, die zu einem grossen Teil dem Engagement der internationalen Gemeinschaft zu verdanken ist, wurden in anderen Schlüsselbereichen allerdings nur wenig Fortschritte erzielt.

Alle Staaten des Westbalkans kämpfen mit ähnlichen Problemen. Verbindungen zwischen den Führungseliten und der organisierten Kriminalität, die auf den höchsten Stufen der staatlichen Strukturen anzutreffen ist, behindern den Aufbau des Rechtsstaats. Mangelnde Rechtssicherheit verhindert Investitionen, was die wirtschaftliche Entwicklung behindert. Ein ethnischer Nationalismus, der nicht an den eigenen Staatsgrenzen Halt macht, ist in der Region nach wie vor ausgeprägt. Die politischen Eliten, die sich häufig über Clans und Ethnien definieren, instrumentalisieren ethnische Spaltungen zum Stimmenfang. Weitgehende institutionelle Blockaden sind die Folge. Korruption ist weit verbreitet, die Justizapparate sind schwach und es fehlt ihnen an Unabhängigkeit. Die Aufarbeitung der Vergangenheit stockt.

Die Beziehungen zwischen einzelnen Staaten der Region sind instabil und durch ungelöste territoriale Ansprüche belastet.

Die Länder der Region machen beim Aufbau einer stabilen rechtsstaatlichen Ordnung nur geringe Fortschritte. In Montenegro tragen rivalisierende bewaffnete Banden ihre Konflikte teils auf offener Strasse aus, und Medienvertreterinnen und Medienvertreter, die über die Verbindungen zwischen der an der Macht stehenden Partei und der organisierten Kriminalität berichten, werden Opfer von Drohungen oder physischer Gewalt. Das gleiche Schicksal ereilt in Serbien Intellektuelle, Journalistinnen und Journalisten sowie Politikerinnen und Politiker, die strukturelle Ungleichheiten, die Desinformation durch
die von der Regierung kontrollierten Medien und zunehmenden Autoritarismus anprangern. In Albanien kritisiert die politische Opposition Korruption und Nepotismus, und der Kampf gegen die namentlich in der Drogenproduktion aktive organisierte Kriminalität ist eine grosse Herausforderung. In Nordmazedonien bleibt die Bevölkerung in zwei Lager gespalten, trotz der offiziellen Beilegung des Namensstreits mit Griechenland. In Bosnien und Herzegowina instrumentalisieren die politischen Eliten ethno-nationalistische Streitigkeiten zur Stärkung ihrer eigenen Machtbasis. Die staatliche Einheit von Bosnien-Herzegowina wird in der Republika Srpska immer stärker in Frage gestellt, und zahlreiche politische Stimmen fordern die Abspaltung dieser Entität.

Mangelnde Perspektiven und das Gefühl, von den politischen Eliten und den staatlichen Institutionen zunehmend ignoriert zu werden, treibt gut ausgebildete Personen in die Emigration namentlich nach Westeuropa, wo bessere wirtschaftliche Perspek8453

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tiven locken. Dies ist besonders bei den Jungen der Fall, die von einer hohen Arbeitslosigkeitsquote betroffen sind und deshalb nach dem Abschluss ihrer Ausbildung oft auswandern. Finanzielle Überweisungen aus der Diaspora ermöglichen vielen Menschen das Überleben, schaffen aber auch neue Abhängigkeiten und tragen nichts zur wirtschaftlichen Entwicklung des Staates bei.

Die Staaten der Region suchen die Annäherung an die EU, deren politisches Interesse am Westbalkan in letzter Zeit wieder zugenommen hat. Der EU geht es darum, Frieden, Stabilität und die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern und eine Perspektive für die Integration in die EU zu eröffnen. Aus diesem Grund bietet sie potenziellen Bewerberländern für einen EU-Beitritt finanzielle Unterstützung, Handelsbeziehungen und die Visabefreiung. Im Gegenzug verlangt sie die Umsetzung von Reformen. Allerdings resultierten aus dem neu erwachten Interesse an der Region bislang noch keine neuen, konkreten Annäherungsofferten; insbesondere die Einleitung von Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien erscheint wenig wahrscheinlich, solange die EU mit internen Problemen wie dem Brexit absorbiert ist. In diesem Licht haben sich die Beitrittsperspektiven der Westbalkanstaaten eher verringert.

Auch weitere Staaten versuchen, Einfluss auf den Westbalkan zu nehmen. Die Mittel sind oft gezielter politischer Sukkurs für eine gewisse ethnische oder politische Klientel sowie gezielte Investitionstätigkeit. Russland scheint durch Förderung der slawisch-orthodoxen Bevölkerungsgruppen die Annäherung der Westbalkanstaaten an die EU und die Nato hintertreiben zu wollen und strebt einen eigenen Einflussbereich an der Südflanke Europas an. China hat massiv in die Infrastrukturen in Nordmazedonien und Serbien investiert, zwei Schlüsselländer für den Zugang zu den chinesischen Hafeneinrichtungen in Griechenland. Saudi-Arabien und die Golfstaaten investieren gezielt in Regionen mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung, namentlich in Bosnien und Herzegowina und in Kosovo, um dort über das Mittel der Religion politischen Einfluss zu nehmen. Die Türkei versucht die Ausbreitung westeuropäischer Werte in den europäischen Teilen des ehemaligen Osmanischen Reichs durch Einflussnahme auf das lokale Bildungssystem einzudämmen.

Aufgrund ihres wachsenden Interesses
an der Region bleiben die Nato und die EU im Westbalkan präsent, namentlich mit zwei militärischen Missionen (EUFOR ALTHEA in Bosnien und KFOR in Kosovo). Weil politische Spannungen rasch eskalieren können, verfügen diese Missionen zusätzlich über Eingreifreserven ausserhalb des Einsatzgebiets. Damit kann die internationale Präsenz vor Ort im Ereignisfall rasch und ohne neuerliche Verhandlungen mit den Gaststaaten verstärkt werden. Diese Fähigkeit der KFOR übt einen stabilisierenden Einfluss auf die gesamte Region aus.

2.2

Lage in Kosovo

2.2.1

Allgemeine Lage

Kosovo ist seit 1999 de facto von Serbien losgelöst. 2008 erklärte Kosovo unilateral seine Unabhängigkeit, die seither von 114 Staaten, darunter der Schweiz, anerkannt 8454

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worden ist. Serbien, das die Unabhängigkeitserklärung Kosovos als illegal (trotz des Rechtsgutachtens des Internationalen Gerichtshofs vom 22. Juli 2010, wonach die Unabhängigkeitserklärung Kosovos nicht gegen das Völkerrecht verstösst) und damit als nichtig und nicht vollzogen erachtet, behindert die internationale Anerkennung seiner früheren Provinz weiterhin. Fünf EU-Länder verweigern die Anerkennung aufgrund von Sezessionstendenzen im eigenen Land (Spanien, Slowakei, Rumänien, Griechenland und Zypern). Auch Russland und China, die Serbien in den internationalen Foren unterstützen, namentlich in der UNO und in deren Sicherheitsrat, anerkennen die Unabhängigkeit Kosovos nicht. Kosovo ist heute nach wie vor ein fragiler, unvollendeter Staat. Die Nachwirkungen des Konflikts lasten noch immer schwer auf dem Land, sowohl auf innerstaatlicher Ebene als auch, was die Beziehungen mit Serbien betrifft.

Obwohl in der Verfassung die Gleichheit der Ethnien verankert und die Rechte der Minderheiten garantiert sind, ist die Wirklichkeit komplexer: Aufgrund des mangelnden politischen Willens und der geringen Mittel, die der kosovarische Staat zur Verfügung stellt, ist die Umsetzung dieser Grundsätze schwierig.

Die Unterstützung Belgrads für politische und administrative Parallelstrukturen in den serbischen Gemeinschaften in Kosovo ermöglicht Serbien weiterhin sehr grossen Einfluss auf Teile des Landes. Die grosse Mehrheit der Bewohnerinnen und Bewohner Kosovos ist ethnisch albanisch. Von der serbischen Minderheit7 sind drei Viertel auf das Gebiet südlich des Ibar verteilt, während ein Viertel im fast ausschliesslich serbisch bewohnten Norden lebt. Die Behörden in Pristina üben im Norden des Landes nur eine begrenzte und eher formale Kontrolle aus.

Zwischen den Präsidenten Serbiens und Kosovos fanden Verhandlungen über einen Gebietsaustausch statt, was in beiden Staaten auch innerhalb der Regierungen starken Widerstand auslöste. Verhandelt wurde über die Möglichkeit, den Norden Kosovos Serbien zu überlassen und dafür das mehrheitlich albanisch bewohnte Presevo-Tal Kosovo zuzuteilen. Damit würden drei Viertel der kosovo-serbischen Bevölkerung sowie die wichtigsten orthodoxen Kultstätten Teil Kosovos bleiben.

Ein solcher zwischenstaatlicher Gebietsaustausch würde die ethnischen Probleme nicht lösen, sondern vielmehr weitere Bevölkerungsumsiedlungen auslösen.

2.2.2

Innenpolitischer Kontext

Seit Kriegsende sind vor allem ehemalige Mitglieder der Befreiungsarmee Kosovos (UÇK) an der politischen Macht. Sie stützen sich dabei auf Familien-, Clan- und klientelistische Netzwerke, die zum Teil dem organisierten Verbrechen nahestehen.

Dieses System der Verbindungen zwischen Politik, Wirtschaft und organisiertem Verbrechen begünstigt Korruption und bremst die Entwicklung des Landes hin zu einem Rechtsstaat mit einer funktionierenden Marktwirtschaft. Die Frage der Entschädigungen an ehemalige Kämpfer der UÇK ist symptomatisch für das von Vet7

Diese wird ­ mangels zuverlässiger Zählung infolge Boykotts der mehrheitlich serbisch bewohnten Gemeinden im Norden Kosovos ­ auf rund 6 % der Gesamtbevölkerung (d. h. 100 000 Personen) geschätzt.

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ternwirtschaft dominierte System, das mit Billigung aller bisherigen kosovarischen Regierungen entstanden ist. Mit einer Gesamtsumme von jährlich 70 bis 80 Millionen Euro sind diese Unterstützungsleistungen eine grosse Belastung und ein finanzielles Risiko für den kosovarischen Staat: Die Anzahl rentenbeziehender «Veteranen» ist von rund 8000 im Jahr 1999 auf heute 40 000 angestiegen, obwohl die UÇK während des Konflikts höchstens 15 000 Kämpfer zählte. Unter den Rentenbezügern finden sich nachweislich auch Personen, die während des Krieges noch nicht im schulpflichtigen Alter waren. Diese Form der Klientelwirtschaft rief den Internationalen Währungsfonds auf den Plan und führte zu Protesten der Zivilbevölkerung. Im September 2018 hat die kosovarische Staatsanwaltschaft schliesslich gegen mehrere hohe Funktionäre, einschliesslich des für die KSF zuständigen Ministers, Anklage erhoben.

Bislang war das kosovarische Parlament faktisch dysfunktional, und aufgrund der knappen und zudem heterogenen Mehrheit der ehemaligen Regierungskoalition konnten nur sehr wenige Gesetze überhaupt verabschiedet werden. Die Bevölkerung scheint der Macht der Veteranen und der damit einhergehenden fehlenden Perspektive überdrüssig: In den Parlaments- und Lokalwahlen von 2017 strafte sie die Regierungsparteien ab. In Kosovo herrscht nun seit Monaten eine politische Lähmung. Vor diesem Hintergrund konnte keine der dringend notwendigen Reformen, namentlich zur Verbesserung des Gesundheitswesens, des Bildungssystems oder der Verwaltung, an die Hand genommen werden.

Trotz des Umfangs der seit 1999 geleisteten internationalen Hilfe und der beachtlichen Rolle der Direktüberweisungen von emigrierten Personen an ihre im Land zurückgebliebenen Familien verfügt Kosovo zum heutigen Zeitpunkt über keine nennenswerte Marktwirtschaft und ist das drittärmste Land in Europa. Das 2018 gemessene Wirtschaftswachstum von 4 % generiert nicht genügend Arbeitsplätze für die stark wachsende, überwiegend junge Bevölkerung. Mit rund 30 % ist die Arbeitslosigkeitsquote die höchste in der Region. Insbesondere die 15- bis 24-Jährigen sind betroffen, von denen 50­60 % ohne Arbeit sind. Diese Situation ist grösstenteils darauf zurückzuführen, dass die Wirtschaft von kleinen Dienstleistungsbetrieben, Subsistenzlandwirtschaft, Schattenwirtschaft und
dem organisierten Verbrechen dominiert wird. Ausserdem sieht sich das Land mit grossen Herausforderungen im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und des fairen Wettbewerbs sowie einer mangelhaften Infrastruktur und einem Mangel an ausgebildeten Arbeitskräften konfrontiert.

Nicht zuletzt droht der kosovarischen politischen Elite, deren wichtigste Exponenten ehemalige Kämpfer der UÇK sind, immer wahrscheinlicher eine Anklage vor dem Kosovo-Sondergericht in Den Haag, das die Anschuldigungen im Bericht der Parlamentarischen Versammlung des Europarats über die Verbrechen ehemaliger UÇKMitglieder zwischen 1999 und 2000 («Marty-Bericht»8) beurteilt. Seit Oktober 2018 führt dessen Ankläger Befragungen zahlreicher möglicher Zeuginnen und Zeugen durch, was zur Anklageerhebung gegen ranghohe politische Persönlichkeiten führen dürfte. Der kosovarische Premierminister ist im Juli 2019 zurückgetreten, nachdem er vom Ankläger des Sondergerichts als Verdächtiger vorgeladen wurde. Das koso8

«Le traitement inhumain de personnes et le trafic illicite d'organes humains au Kosovo», Rapport de la Commission des questions juridiques et des droits de l'homme, Assemblée parlementaire du Conseil de l'Europe, Doc. 12462, 7. Januar 2011.

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varische Parlament hat in der Folge für die eigene Auflösung gestimmt und damit den Weg für vorgezogene Neuwahlen freigemacht, die im Oktober 2019 abgehalten wurden. Die Wählerinnen und Wähler haben elf Jahre Misswirtschaft abgestraft und jene zwei Parteien unterstützt, die sich der Förderung von Gesundheit, Bildung und guter Regierungsführung sowie dem Kampf gegen die Korruption verschrieben haben. Die neugewählten Kräfte stehen vor grossen Herausforderungen: Unter anderem müssen sie die Kontrolle über eine praktisch dysfunktionale Verwaltung erlangen. Diese wird von wenig kompetenten Beamten gebildet, deren Loyalität den ehemaligen Machthabern gilt, von denen sie eingesetzt wurden. Auch müssen die Kartelle zerschlagen werden, die die ehemaligen Würdenträger geschaffen hatten, um die Wirtschaft auszupressen.

2.2.3

Sicherheitslage

Die Sicherheit im Alltag kann in Kosovo als gut bewertet werden, wozu die kosovarische Polizei wesentlich beiträgt. Deren Aufbau und Entwicklung darf als Erfolgsgeschichte der internationalen Gemeinschaft gesehen werden.

Während die Alltagskriminalität im Vergleich zu anderen europäischen Ländern in Kosovo tief ist, sind schwere und organisierte Kriminalität, die mit Familienstrukturen verwoben ist, in Wirtschaft, Politik und Justiz verbreitet. Sie sind massgeblich mitverantwortlich für die fehlende Entwicklung des Landes, da sie die Rechtssicherheit untergraben, die Nährboden für Investitionen wäre.

Dank der OSZE, die in Kosovo die zweitgrösste Delegation nach jener in der Ukraine unterhält, werden sämtliche Vorfälle, in die Mitglieder verschiedener Ethnien involviert sind, sorgfältig untersucht, um festzustellen, ob die Motivation rein kriminell ist oder ein ethnischer Hintergrund mitspielt. Häufig dokumentiert die OSZE, dass Mitarbeitende von Behörden des kosovarischen Staats, die einer Minderheit angehören, eingeschüchtert, unter Druck gesetzt oder anderweitig bedroht werden.

Die gegenseitigen negativen Vorurteile der albanisch- und der serbischsprachigen Gemeinschaften nehmen zu: Die jüngere Generation lernt die Sprache des anderen Bevölkerungsteils nicht mehr, was dazu beiträgt, dass alte Stereotypen über die andere Ethnie beibehalten und neue geschaffen werden. Regierungsvertreter richten immer heftigere Attacken gegen ihre Belgrader Amtskollegen, die mit gleicher Münze heimzahlen. Offizielle Hassreden gegen die Minderheiten gibt es hingegen keine.

Im mehrheitlich serbisch bewohnten Norden Kosovos besteht weiterhin ein Eskalationspotenzial. Dieser Teil Kosovos ist unter der faktischen Kontrolle von mafiösen Gruppierungen, die von Belgrad gedeckt werden. Diese Gruppierungen kontrollieren auch die Mehrheitspartei «Lista Srpska», die offensichtlich ihre Weisungen aus Serbien erhält. Die lokale Bevölkerung findet sich praktisch als Geisel für die von Belgrad und Pristina genährten Differenzen wieder.

Politisch, interethnisch oder kriminell motivierte Sicherheitsvorfälle sind insbesondere in der Region Mitrovica häufig.

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Der Terrorismus stellt für Kosovo keine grössere Gefahr dar als für den übrigen europäischen Kontinent, auch wenn die kosovarische Tradition frei von extremistischen Religionsanschauungen ist. Die familiär dominierten Gesellschaftsstrukturen führen zudem zu einem hohen Grad an sozialer Kontrolle, was der Ausbreitung von dschihadistischem Gedankengut enge Grenzen setzt. Darüber hinaus zeigen die Bemühungen der kosovarischen Behörden in diesem Bereich Wirkung. Die Wahrscheinlichkeit eines Terroranschlags gegen nationale oder internationale Institutionen kann daher als tief angesehen werden. Obwohl auch Kosovo von der Problematik radikalisierter Einzelpersonen und der Rückkehr von Dschihad-Reisenden aus syrisch-irakischem Gebiet betroffen ist, gibt es derzeit keine konkreten Hinweise, dass eine solche Bedrohung bestehen könnte.

Insgesamt sind die Mitarbeitenden von in Kosovo tätigen internationalen Organisationen von den Sicherheitsproblemen des Landes nicht direkt betroffen und können ihre Aufgaben ohne besondere Gefährdung erfüllen.

2.2.4

Verhältnis zu Serbien

Das Verhältnis zwischen Kosovo und Serbien hat bedeutenden Einfluss auf die Stabilität im gesamten Westbalkan. Serbien anerkennt Kosovo nicht als eigenen Staat und hat zudem die Unabhängigkeitserklärung Kosovos nie akzeptiert. Diese territorialen Ansprüche verhindern die Aussöhnung zwischen Serbien und Kosovo und tragen erheblich zur Instabilität der Region bei. Verschiedene nicht aufgearbeitete Aspekte des kosovarischen Unabhängigkeitskrieges belasten das Verhältnis zusätzlich, namentlich die Frage der Kriegsverbrecher und das Verschwinden von Personen (1653 gemäss IKRK). Diese Traumata werden von den nationalistischen machthabenden Eliten auf beiden Seiten willentlich wachgehalten.

Der seit 2011 unter UN-Mandat von der EU geleitete Dialog zwischen Belgrad und Pristina zur Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Staaten wurde Anfang 2017 de facto unterbrochen. Angesichts des festgefahrenen Dialogs und der Verschlechterung der Lage vor Ort haben Deutschland und Frankreich ein informelles Gipfeltreffen zur Balkanfrage im April 2019 in Berlin einberufen, mit dem Ziel, den Dialog neu zu beleben. Für Kosovo muss der Dialog zur formellen Anerkennung seiner Unabhängigkeit durch Serbien führen, was Belgrad den Weg zum EUBeitritt ebnen und die Blockade bei der europäischen Integration aufheben würde.

Für die serbische Regierung käme eine Anerkennung der Souveränität der ehemaligen serbischen Provinz nur in Frage, wenn damit territoriale Konzessionen und ein Mitspracherecht bei der Verwaltung der serbischen Minderheiten verbunden wäre.

Mit der Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Pristina und Belgrad haben auch die Spannungen zugenommen, und Zwischenfälle werden von beiden Seiten provoziert. Einschüchterungsversuche gegen Angehörige von kosovarischen Behörden, die Minderheiten angehören, sind häufiger geworden. Kosovo-serbische Angehörige der KSF wurden von Personen der eigenen Ethnie und von serbischen Behörden bedroht und unter Druck gesetzt, zu demissionieren. Allein 2018 haben diese Einschüchterungen über zehn kosovo-serbische KSF-Angehörige dazu bewogen, den Dienst in der KSF zu quittieren.

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Wo immer möglich versucht Serbien, den Beitritt Kosovos zu internationalen Organisationen zu blockieren. Parallel dazu betreibt Serbien seit Ende 2017 eine internationale Kampagne, bei der es kleinere Staaten wie Surinam davon zu überzeugen versucht, ihre Anerkennung der Unabhängigkeit Kosovos rückgängig zu machen.

Ende 2018 scheiterte infolge intensiven serbischen Lobbyings die dritte Kandidatur Kosovos um Aufnahme in Interpol. Im Gegenzug beschloss Kosovo Einfuhrzölle von 100 % auf Güterimporte aus Serbien und Bosnien und Herzegowina 9, ein Vorgehen, das gegen das mitteleuropäische Freihandelsabkommen verstösst. Die EU und die USA haben die Vergeltungsmassnahme Pristinas verurteilt und Kosovo aufgefordert, die Massnahme rückgängig zu machen. Trotz des internationalen Drucks schliessen die kosovarischen Behörden jedoch aus, auf den Entscheid zurückzukommen ­ der in Kosovo auf breite Zustimmung stösst.

2.2.5

Umwandlung der Kosovo Security Force (KSF)

Bis im Dezember 2018 war die KSF offiziell eine staatliche Zivilschutzorganisation, die leicht bewaffnet war und paramilitärische Einheiten hatte.

Im Dezember 2018 gab die Regierung Kosovos bekannt, die KSF in eine reguläre Armee umzuwandeln. Das Parlament verabschiedete in der Folge die dafür notwendigen Gesetze. Die Umsetzung des Vorhabens wurde eingeleitet, dürfte aber mehr Zeit in Anspruch nehmen, als von Pristina geplant (10 Jahre bis zur Einsatzbereitschaft). Die Umwandlung der KSF in eine reguläre Armee hat nicht nur innenpolitische Folgen, sondern wirkt sich auch auf die Beziehungen Kosovos mit Serbien aus.

Serbien hat seiner Besorgnis mittels offiziellem Schreiben an 53 Staaten, darunter die Schweiz, Ausdruck verliehen. Bei dieser Gelegenheit forderte Belgrad die Empfänger dieses Schreibens auf, eine Umwandlung der KSF als Bedrohung für den Frieden einzustufen und die Unabhängigkeit Kosovos abzuerkennen.

Es gibt keine Hinweise, dass die Regierung Kosovos auf ihre Absicht zurückkommen könnte. Im Gegenzug ist es auch unwahrscheinlich, dass Serbien diesen akzeptieren oder sich damit abfinden könnte.

Die Nato missbilligte diesen Schritt, wobei die USA, Deutschland, Grossbritannien und Frankreich die Schaffung einer kosovarischen Armee grundsätzlich unterstützen.

Die Schweiz hat in offiziellen Kontakten der kosovarischen Regierung ihre Haltung erörtert. Als international anerkannter Staat hat Kosovo grundsätzlich das Recht auf eigene Streitkräfte. Die Umwandlung der KSF in eine Armee trägt in der aktuellen Lage allerdings zur Verschärfung der Spannungen mit Serbien bei. Einer Beilegung des Konflikts sollte vor dem Aufbau einer eigenen Armee Priorität eingeräumt werden. Für die Schweiz bleibt deshalb die KFOR primäre Garantin der Sicherheit in Kosovo.

9

Sarajevo schliesst sich in seiner Kosovopolitik Belgrad an.

8459

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2.3

Grenzfragen

Die Idee, die ethnischen Spannungen durch Gebietsaustausch zu lösen, kehrt in der Diskussion zwischen den Westbalkanstaaten regelmässig wieder, so etwa zwischen den Präsidenten Serbiens und Kosovos. Angesichts verschiedener mehrheitlich serbischer Gebiete, die auf das ganze Staatsgebiet Kosovos verteilt sind, wäre eine solche Regelung allerdings kaum eine angemessene Lösung für die Beziehungen zwischen serbischer Minderheit und der restlichen, mehrheitlich albanischen Bevölkerung Kosovos.

Seit Sommer 2018 gab es wiederholt Verlautbarungen der jeweiligen Präsidenten über einen möglichen Gebietsaustausch zwischen Serbien und Kosovo oder eine Grenzziehung auf ethnischer Basis. Der kosovarische Präsident ist mit dieser Idee innenpolitisch jedoch völlig isoliert; das ganze politische Establishment wie auch die Bevölkerung Kosovos lehnen einen Gebietsaustausch ab. Auch der serbische Präsident findet für dieses Anliegen wenig Unterstützung, da namentlich die serbischorthodoxe Kirche eine derartige faktische Anerkennung der Unabhängigkeit Kosovos durch Gebietsabtausch vehement ablehnt. Gleiches empfindet in weniger lautstarken Äusserungen auch eine Mehrheit der serbischsprachigen Bevölkerung, die in Kosovo «im Stich gelassen» würde. In der Hoffnung, dass ein Gebietsaustausch eine Beilegung des Konflikts zwischen Pristina und Belgrad den Weg bereiten könnte, stehen namentlich die USA, Frankreich und Italien, dieser Idee eher wohlwollend gegenüber. Die EU scheint in dieser Frage uneins, hatten sich die westlichen Länder doch bislang für eine friedliche Koexistenz multiethnischer Gesellschaften im Balkan eingesetzt, und zwar innerhalb der Grenzen der ehemaligen jugoslawischen Republiken.

Ein allfälliger Gebietsaustausch zwischen Kosovo und Serbien wäre ein hoch riskanter Präzedenzfall für die Region, den sich andere Nationalisten nur zu gern zunutze machen würden, namentlich in Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien oder Montenegro. Dies könnte die Stabilität im Balkan, aber auch in anderen von Grenzkonflikten betroffenen Regionen wie dem Kaukasus oder Zentralasien beeinträchtigen. Dieser Standpunkt wird von Deutschland und der Schweiz nachdrücklich und etwas zurückhaltender auch von den meisten EU-Mitgliedstaaten sowie von allen Ländern der Region geteilt. Zurzeit scheint die einzige konkrete Wirkung
dieser Diskussionen eine wachsende Besorgnis in den von einem solchen Szenario betroffenen Bevölkerungen gewesen zu sein, namentlich der serbischen Minderheit in Kosovo und der albanischsprachigen Minderheit in Südserbien, welche beide von den Behörden der beiden Länder vom Verhandlungstisch ausgeschlossen wurden.

2.4

Präsenz und Einfluss der internationalen Gemeinschaft

Die UNO-Resolution 1244 ist die Grundlage für die Präsenz der KFOR und zahlreicher internationaler Organisationen in Kosovo. Zu Beginn des internationalen Engagements war die Interimsverwaltungsmission der Vereinten Nationen in Kosovo (UNMIK) zuständig für die zivile Verwaltung und den Aufbau des kosovarischen Staates, namentlich seiner Polizei. Die OSZE-Mission (OMIK) war hauptsächlich in 8460

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den Bereichen Demokratisierung und Menschenrechte tätig. Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen betätigten sich damals ebenfalls im Land. Seit 2008 hat die EURechtsstaatlichkeitsmission in Kosovo (EULEX) sukzessive die Aufgaben des Exekutivmandats der UNMIK im Aufbau von Justiz, Polizei und Zollwesen sowie Grenzschutz übernommen.

Obwohl diese Missionen heute noch vor Ort präsent sind, hat sich ihre Rolle mit dem fortschreitenden Aufbau des kosovarischen Staates allmählich reduziert. Die UNMIK hat nur noch ein eingeschränktes Mandat und einen reduzierten Personalbestand. Dagegen verfügt die OMIK dank Russland und Serbien über umfangreiches Personal; die beiden Staaten argumentieren mit der instabilen Lage Kosovos und widersetzen sich deshalb einer Verkleinerung dieser Mission. Die OMIK führt ihre Aktivitäten in Bereichen wie Demokratieentwicklung, Rechte ethnischer Minderheiten, Medienfreiheit, Gleichstellung der Geschlechter und Wahlunterstützung fort.

Sie dokumentiert Berichte über Vorfälle zwischen Angehörigen verschiedener Ethnien und beobachtet die Wahlen in Kosovo auf Landes- und Gemeindeebene. 2018 hat die EULEX, die nicht mehr mit eigenen Richterinnen und Richtern für die Verfolgung von Kriegsverbrechen, Korruption, organisiertem Verbrechen und Terrorismus zuständig ist, einen Grossteil ihres Exekutivmandats im Justizbereich an die kosovarischen Behörden abgetreten. Ihre Exekutivkompetenzen beschränken sich nunmehr auf den Zeugenschutz und Verhaftungen in Zusammenhang mit Verfahren vor dem Kosovo-Sondergericht in Den Haag. Aufgrund ihres reduzierten Bestands von ein paar Hundert Polizisten hat die EULEX nur noch begrenzte Fähigkeiten, im Fall von Gewaltausbrüchen, die die kosovarische Polizei überfordern, direkt zu intervenieren. Diese Rolle hat damit faktisch die KFOR übernommen.

Auf politischer Ebene scheinen die internationalen Akteure, namentlich die USA und die EU, in Kosovo an Einfluss zu verlieren. Das zeigt die Weigerung Kosovos, bei den Strafzöllen gegen Serbien dem internationalen Druck nachzugeben. Weitere Entwicklungen wie die Umwandlung der KSF in eine reguläre Armee bestätigen diesen Eindruck: Die kosovarischen Behörden gewinnen an Autonomie, und der Verlust an Glaubwürdigkeit durch die internationalen Organisationen, insbesondere die EU, erklärt diesen Haltungswechsel zu
einem grossen Teil. Das Scheitern der EU, bei ihren Mitgliedstaaten 2018 die Liberalisierung der Schengen-Visa zu erreichen, obwohl Kosovo sämtliche formalen Kriterien erfüllt hat und als letzter Staat der Region noch der Visumspflicht unterliegt, wird sowohl von den Behörden als auch der Bevölkerung als Ungerechtigkeit wahrgenommen. Bei der Bevölkerung geniessen die zivilen Missionen der internationalen Gemeinschaft, insbesondere die EULEX, generell wenig Akzeptanz, und ihre Daseinsberechtigung wird häufig in Frage gestellt.

Angesichts des abnehmenden Einflusses der internationalen Gemeinschaft in Kosovo bleibt die Präsenz der KFOR unerlässlich. Dieser Mission kommt weiterhin eine wesentliche Rolle als Garantin von Sicherheit und Stabilität zu, insbesondere dank ihrer hohen Akzeptanz bei allen Ethnien der kosovarischen Bevölkerung.

8461

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3

Die Rolle der KFOR

3.1

Auftrag der KFOR

Der Einsatz der KFOR wird durch die Resolution 1244 des UNO-Sicherheitsrates mandatiert und wurde von der kosovarischen Regierung nach der Unabhängigkeitserklärung von 2008 ausdrücklich begrüsst. Gemäss der Resolution hat die KFOR drei Aufträge zu erfüllen: ­

Schaffung und Erhalt eines sicheren und stabilen Umfeldes (inkl. Gewährleistung der uneingeschränkten Bewegungsfreiheit);

­

Anwendung und Überwachung des Abkommens, das den Rückzug der serbischen Kräfte aus Kosovo sowie die Entwaffnung der kosovarischen Befreiungsarmee vorsieht;

­

Unterstützung der zivilen UNO-Mission UNMIK sowie weiterer ziviler internationaler Partner.

Die KFOR arbeitet eng mit UNMIK und EULEX zusammen.

3.2

Entwicklung und Funktionsweise der KFOR

Angesichts der Verbesserung und Stabilisierung der Sicherheitslage während der vergangenen zwanzig Jahre wurde die Rolle der KFOR angepasst und die Truppenstärke von anfänglich rund 50 000 Armeeangehörigen in mehreren Etappen reduziert. Gegenwärtig stellen 28 Staaten, darunter acht Nicht-Nato-Staaten, insgesamt rund 3500 Armeeangehörige. Daraus resultierte auf operativer Ebene eine Veränderung der Mission in ihrer Zusammensetzung von einer flächendeckend präsenten und hauptsächlich aus Infanteriemitteln bestehenden robusten Kraft, die Patrouillen und Kontrollen durchführte, zu einer leichteren Präsenz, deren Hauptaufgabe die Lageverfolgung, d. h. die Informations- und Nachrichtenbeschaffung ist. Um im Falle einer Lageverschlechterung reagieren zu können, hat die KFOR eine aus robusten Mitteln bestehende Interventionskapazität beibehalten. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben stützt sich die KFOR heute auf drei Komponenten: Lageverfolgung, Intervention und Eingreifreserve.

Ein Netz von 29 Liaison and Monitoring Teams (LMT) ist das Hauptelement der Kapazität der KFOR im Bereich der Lageverfolgung. Dadurch können allfällige Konflikttendenzen, die zu einer Verschlechterung der Sicherheitslage führen, rasch erkannt und Interventionselemente im Bedarfsfall ausgelöst werden. Die LMT nehmen auch Mediationsaufgaben auf lokaler Ebene wahr. Die Teams umfassen jeweils acht Armeeangehörige, die inmitten der Bevölkerung zusammen ein Haus bewohnen, das Ausgangspunkt ihrer Tätigkeiten ist. Die LMT dienen dem Kommandanten der KFOR als Nachrichtenorgan. Sie stehen gleichzeitig für die flächendeckende militärische Präsenz der KFOR. Die KFOR hat ausserdem Aufklärungsformationen, die diskret Nachrichten für den Kommandanten der KFOR beschaffen.

Für den Fall einer Lageverschlechterung verfügt die KFOR über zwei Einsatzbataillone, die in ihnen spezifisch zugeteilten Landesteilen intervenieren können. Ein 8462

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drittes Bataillon ist in der Lage, ein breites Spektrum an Interventionen im ganzen Land und auch in Bosnien und Herzegowina für EUFOR ALTHEA durchzuführen.

Die Interventionselemente werden durch Elemente taktischer Mobilität unterstützt, wie Transporthelikopter oder Teams zur Räumung von improvisierten Sprengvorrichtungen.

Sollte es die Lage erfordern, kann die KFOR darüber hinaus auf Eingreifreserven zurückgreifen, die ausserhalb Kosovos stationiert sind und in allen Balkanländern eingesetzt werden können: die Strategic Reserve Force mit 734 Armeeangehörigen, die dem Supreme Headquarters Allied Powers Europe (SHAPE) der Nato in Mons untersteht, und die Operational Reserve Force mit 1083 Armeeangehörigen, die dem Allied Joint Force Command der Nato in Neapel untersteht. Dieses Dispositiv ermöglicht, im Land eine leichte Präsenz aufrechtzuerhalten und gleichzeitig Reservekräfte mit hoher Einsatzbereitschaft vor Ort (reduzierte Präsenz) und ausserhalb des Einsatzgebiets (verstärkte Präsenz) zu haben.

Parallel zur KFOR unterstützt die Nato seit 2008 Kosovo beim Aufbau eigener Sicherheitskräfte. Trotz ihrer Einschätzung, dass die Umwandlung der KSF in eine reguläre Armee durch Pristina verfrüht ist, wird die Nato das Vorhaben weiter unterstützen, um sicherzustellen, dass das mit dem Umwandlungsprozess geschaffene Organ die Prinzipien des Rechtsstaats und demokratischer Kontrolle achtet. Die Nato muss ausserdem für eine multilaterale Unterstützung der Umwandlung sorgen und verhindern, dass über bilaterale Kanäle möglicherweise auch nationale Agenden verfolgt werden. Die Schweizer Armee beteiligt sich nicht an diesen Arbeiten.

Die Truppengrösse, die Aufgaben und die Ausrichtung der KFOR werden von den militärischen Stellen der Nato halbjährlich auf der Grundlage umfassender Situationsanalysen überprüft, um deren Übereinstimmung mit den Sicherheitsbedürfnissen, welche die Lageumstände in Kosovo vorgeben, zu gewährleisten. Gestützt auf die von der Nato aktuell ausgewiesenen Bedürfnisse der KFOR können die truppenstellenden Staaten an den Force Generation Conferences Beiträge anbieten.

3.3

Bilanz und Perspektiven für die KFOR

Die KFOR ist in Kosovo nach wie vor der einzige internationale Akteur, der von allen Seiten anerkannt und geschätzt wird; sie hat grosse Glaubwürdigkeit. Sie profitiert auch davon, dass die verschiedenen Parteien ein gemeinsames Interesse an der Präsenz der KFOR haben, obwohl es keine direkte militärische Bedrohung in Kosovo mehr gibt. Dank ihrer unparteilichen Reputation ist die KFOR mit den LMT flächendeckend präsent, ohne den Eindruck zu erwecken, das Land zu militarisieren.

Sie hat auch die Durchsetzungskraft für den Fall, dass eine Situation eskalieren sollte, und kann im ganzen Land rasch intervenieren. Diese internationale militärische Präsenz in Kosovo schreckt vor gewalttätigen Handlungen ab und beruhigt die ethnischen Minderheiten, die sich nach wie vor im ganzen Land bedroht fühlen.

Grundsätzlich ist der Einsatz der KFOR nach Ansicht der Nato fortzuführen, solange Serbien und Kosovo sich unfähig erweisen, friedliche Beziehungen zwischen souveränen Staaten aufzubauen. Somit bleibt die KFOR als militärische Garantin eines

8463

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sicheren Umfelds notwendig, das der Entwicklung Kosovos und der Stabilität der ganzen Region förderlich ist.

Für die an der Mission beteiligten Staaten ist die Umsetzung der Resolution 1244 nach wie vor aktuell. Sie schätzen die politische Situation und somit auch die Sicherheitslage im Land als weiterhin labil ein. Die beiden grössten Truppensteller, Italien und die USA, setzen deshalb ihr Engagement mit mehr als 1000 bzw.

600 Armeeangehörigen fort.

Die Staaten, die ihr Kontingent aus der KFOR vollständig abgezogen oder den Personalbestand reduziert haben, um Truppen in anderen prioritären Operationsräumen einzusetzen und dort zur Stabilität beitragen, bleiben der Auffassung, dass die KFOR vor Ort bleiben muss. Sie erwarten aus diesem Grund, dass die Staaten, für die ein Einsatz in anderen Konfliktregionen nicht möglich ist, ihre Solidarität durch die Fortführung ihres Engagements in den Westbalkanländern unter Beweis stellen.

Bei diesen Staaten handelt es sich namentlich um Frankreich, das sich vollständig zurückgezogen hat, um sich in der Sahelzone und der Zentralafrikanischen Republik zu engagieren, und um Deutschland, das seinen Truppenbestand stark reduziert hat, um ein Soforteinsatzkorps zu bilden. Berlin hat sein Kontingent dennoch bei einem zulässigen Maximalbestand von 400 Armeeangehörigen belassen, um im Fall einer Verschlechterung der Sicherheitslage die KFOR nötigenfalls rasch verstärken zu können.

Andere Nationen, die sich aus der Mission zurückgezogen hatten, haben eine erneute Beteiligung beschlossen, so zum Beispiel das Vereinigte Königreich, das sich mit einem Kontingent von rund 30 Armeeangehörigen an der KFOR beteiligt und über 600 Armeeangehörige für die ausserhalb Kosovos stationierten Eingreifreserven der KFOR zur Verfügung stellt. Wie bereits erwähnt, kann die Mission dank solcher Beiträge trotz reduzierter Präsenz ihre Einsatzfähigkeit und ein hohes Mass an Glaubwürdigkeit gewährleisten.

4

Aktueller Einsatz der Swisscoy

4.1

Entwicklung, Organisation und Aufgaben

Seit 1999 hat die Swisscoy ihre Organisation und ihre Aufgaben laufend den Bedürfnissen der KFOR angepasst, die sich ihrerseits aus der Lageentwicklung in Kosovo ableiten. Zu Beginn ihres Engagements war die Swisscoy eine Logistikkompanie mit einer Gesamtstärke von maximal 160 Armeeangehörigen, die mit Ausnahme eines bewaffneten Sicherungsdetachements unbewaffnet waren. In dieser Zusammensetzung war die Swisscoy Teil eines österreichischen Infanteriebataillons, das die Sicherungsaufgaben in Form von Patrouillen und Checkpoints wahrnahm.

Im Zuge einer ersten Reorganisation der KFOR erhielt die Swisscoy entsprechend der neuen Bedürfnisse ein infanteristisches Schwergewicht mit einem Maximalbestand von 220 nun bewaffneten Armeeangehörigen. Im Zuge einer neuerlichen Anpassung des KFOR-Dispositivs verlagerte auch die Swisscoy ihr Dispositiv.

Schwergewichte waren neu Beobachtungs- und Verbindungsteams und vielseitig einsetzbare Mittel im Bereich Genie und Transport. Zudem übernahm die Schweiz 8464

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die Führung des Kommandobereichs Nord für alle dort eingesetzten LMT. Daraus resultierte eine personelle Obergrenze von neu maximal 235 Armeeangehörigen.

Während des laufenden Mandats ist der Maximalbestand in zwei Etappen auf heute 165 Armeeangehörige verkleinert worden. Diese Bestandesreduktion ging mit dem Abzug der schweren Geniemittel für Transport- und Bautätigkeiten einher, die von der KFOR nicht mehr benötigt wurden.

Die Swisscoy ist ein massgeschneiderter Einsatzverband, dessen Struktur auf die zu erfüllenden Aufträge hin optimiert wurde. Deshalb unterscheidet sie sich hinsichtlich ihrer Organisation und Stationierung von einer normalen Einheit der Schweizer Armee. Die Swisscoy ist auf rund zehn Standorte verteilt.

Die Swisscoy untersteht dem schweizerischen nationalen Kontingentskommandanten (National Contingent Commander, NCC). Dieser ist für alle Angehörigen der Swisscoy der disziplinarische und administrative Vorgesetzte. Jene Teile der Swisscoy, die ihre Leistung unmittelbar zugunsten der KFOR erbringen, erhalten ihre Einsatzbefehle von der KFOR-Kommandostelle, der sie zugewiesen sind.

Vier Schweizer LMT sind für die Informations- und Nachrichtenbeschaffung zuständig. Mit dem Lufttransportdetachement, das mit einem Helikopter ständig verfügbar ist (wofür vor Ort zwei Helikopter vorhanden sein müssen), transportiert die Swisscoy Lasten und Personen. Temporär kann der KFOR auf Antrag des Kommandanten der KFOR ein zusätzlicher Schweizer Helikopter zur Verfügung gestellt werden. Im Bereich der Bewegungsfreiheit stellt die Swisscoy ein Team von Expertinnen und Experten für die Kampfmittelbeseitigung und einen Verkehrs- und Transportzug, mit dem sie Güter und Personen transportiert. Im Regional Command West (RC-W), im Regional Command East (RC-E) und im KFOR-Hauptquartier stellt die Swisscoy Stabsoffiziere. Ein medizinisches Team und eine Gruppe von Militärpolizistinnen und Militärpolizisten übernehmen Aufgaben für die gesamte KFOR. Die Swisscoy ist auch an der Führung und Verwaltung des KFOR-Camps in Novo Selo beteiligt. Bis im Herbst 2019 stellte die Swisscoy ein Detachement des Kommandos Spezialkräfte für das internationale Informations-, Überwachungs- und Aufklärungsbataillon der KFOR (Intelligence, Surveillance and Reconnaissance, ISR).

Die Teile der Swisscoy, die für den
Kontingentsbetrieb erforderlich sind, werden vom NCC direkt geführt. Damit die verschiedenen eingesetzten Elemente ihre Aufgaben erfüllen können, benötigt die Swisscoy ein nationales Service-Element.

Dieses unterstützt das Kommando der Swisscoy und das schweizerische Nachrichtenelement und sorgt für den Nachschub aus der Schweiz, die Administration und den Unterhalt der Infrastrukturen, die ausschliesslich von Kontingentsangehörigen genutzt werden.

Schweizer Armeeangehörige tragen in der KFOR auch Führungsverantwortung. Seit September 2019 ist ein Schweizer höherer Stabsoffizier im Grad eines Brigadiers ein Jahr lang stellvertretender Kommandant der KFOR (Deputy Commander KFOR, DCOM KFOR). Für die Schweizer Armee ist dies die erste Führungserfahrung auf dieser Stufe in einer internationalen Mission zur Friedenserhaltung. Bis im Herbst 2019 stellte die Schweiz ferner das Kommando des Joint Regional Detachment North (JRD-N). Im Rahmen einer strukturellen Reorganisation der KFOR 8465

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wurden das JRD-N und das JRD im Südosten zum Joint Regional Detachment East (JRD-E) zusammengefasst, dessen Kommando ein anderes Land stellt.

Wie bereits erwähnt, sind die Swisscoy-Elemente an verschiedenen Orten in Kosovo stationiert. Die Kontingentsführung, die Schweizer Stabsoffiziere im Hauptquartier der KFOR, die Militärpolizei, das Team der Expertinnen und Experten für die Kampfmittelbeseitigung, die Zelle des militärischen Nachrichtendienstes sowie Teile der Übermittlung und des Medical Teams befinden sich im Hauptquartier der KFOR in Pristina. Die Supportkompanie, das Aufklärungselement, der Transportzug sowie Teile der Übermittlung und Medical Teams sind im Feldlager Novo Selo südlich von Mitrovica stationiert. Das Lufttransportdetachement operiert ab dem Flughafen Pristina. Daneben betreibt die Swisscoy Infrastrukturen für ihre LMT in Malishevo, Prizren, Mitrovica und Zubin Potok.

4.2

Nutzen für die Armee

Die Schweizer Armee zieht seit 1999 nützliche Lehren und Erkenntnisse aus dem Engagement der Swisscoy in Kosovo.

Die Armee konnte eigene Verfahren im Einsatz überprüfen. So konnten Nachschubund Rückschubprozesse über grosse Distanzen auf ihre Einsatztauglichkeit überprüft werden. Auch wurde die Armee zur Ausbildung der LMT mit neuen Verfahren im Bereich der zivil-militärischen Zusammenarbeit konfrontiert.

Zudem konnte die Armee die Anwendung von Stabsprozessen im 24-StundenBetrieb im Einsatz überprüfen. Lehren daraus flossen direkt in die entsprechenden Reglemente. Die Armee konnte ebenfalls ihre in Kosovo entwickelten neuen Gefechtsverfahren in ihre Doktrin einfliessen lassen.

Der individuelle Nutzen für Kader liegt im Bereich der Führungserfahrung im Echteinsatz. Rund um die Uhr über sechs Monate müssen die Führungsverantwortung wahrgenommen und die Disziplin aufrechterhalten werden. Der Rückfluss dieser Erkenntnisse in die Armee ist bei Berufskadern besonders hoch.

Mit der Entsendung eines höheren Staboffiziers als DCOM KFOR erwirbt die Schweizer Armee zum ersten Mal Erfahrungen auf höchster Führungsstufe einer internationalen militärischen Friedensmission.

Schliesslich erlaubt der Einsatz über längere Zeit auch, Erfahrungen insbesondere über Tauglichkeit, Leistungsfähigkeit und Wartungsbedarf des eingesetzten Materials zu sammeln. Davon profitiert die gesamte Armee.

4.3

Personal

4.3.1

Bereitschaft zur freiwilligen Dienstleistung

Nach zwanzigjähriger Einsatzdauer gelingt es der Armee nach wie vor, qualifizierte Freiwillige in genügender Zahl für einen Einsatz in der Swisscoy zu rekrutieren. Die Teilnahme an einem Einsatz zur Friedensförderung ist gemäss Artikel 66 Absatz 3 8466

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des Militärgesetzes vom 3. Februar 199510 (MG) freiwillig. Dank zusätzlicher Anstrengungen für die Rekrutierung bestimmter Personalkategorien ­ Militärpolizisten, Ärztinnen und Ärzte, Rettungssanitäter/innen, Lastwagenfahrer/innen und weibliche Offiziere ­ absolvierten zwischen Oktober 2018 und Oktober 2019 von insgesamt rund 1850 Interessierten rund 880 Freiwillige den ersten Rekrutierungstag. Davon wurden 720 für den zweiten Rekrutierungstag im Kompetenzzentrum Swissint in Stans eingeladen. Schliesslich konnten 210 Personen in einem der beiden Kontingente eingesetzt werden. Unter den Angehörigen eines SwisscoyKontingents sind im Durchschnitt 17,5 % zivile und militärische Mitarbeitende des VBS (Stabsoffiziere, Helikopterbesatzungen und -mechaniker, Militärpolizisten und Spezialisten für die Räumung von improvisierten Sprengvorrichtungen) und 82,5 % Milizangehörige. Swisscoy-Kontingente bestehen im Durchschnitt zu 39 % aus Armeeangehörigen, die ihren laufenden Einsatz verlängern wollen oder bereits einen Einsatz bei der Swisscoy geleistet haben.

Diese günstige Situation der personellen Alimentierung ist auf ein attraktives Entlöhnungssystem, das den Standards des Bundes entspricht, und auf die ergriffenen Kommunikationsmassnahmen zurückzuführen. Damit spricht die Armee nicht nur Personen in den eigenen Reihen an, sondern die gesamte Gesellschaft, um genügend Schweizerinnen und Schweizer als Freiwillige zu gewinnen.

Die Organisation der Rekrutierung in zwei Schritten hat sich ebenfalls bewährt. In einer ersten Phase wird in einem der Rekrutierungszentren der Armee die Tauglichkeit für einen Friedensförderungsdienst geprüft. In der zweiten Phase, die vom Kompetenzzentrum Swissint durchgeführt wird, wird die Eignung der Freiwilligen für die vorgesehene Funktion überprüft.

4.3.2

Frauen in der Swisscoy

Im Laufe der letzten Jahre hat die Teilnahme von Frauen an internationalen Missionen zur Friedenserhaltung beträchtlich zugenommen. Diese Zunahme widerspiegelt die Entwicklung der Rolle der Frauen im Berufsleben wie auch die Bedeutung ihrer besonderen Rolle in der Friedensförderung. Je nach kulturellem oder religiösem Kontext, in dem eine Mission erfolgt, scheint weibliches Personal bei gewissen Aufgaben gar erfolgreicher zu sein. Die UNO, um ein Beispiel zu nennen, hat diesen wichtigen Aspekt ebenfalls erkannt und sich einen Anteil von 16 % weiblichen Personals in Spezialistenfunktionen, etwa als militärische Beobachterinnen, in ihren Missionen als Ziel gesetzt. Die Frauen spielen auch eine Schlüsselrolle bei den Anstrengungen zur Friedensförderung in Kosovo. Aufgrund der Kultur der Ethnien, mit denen die KFOR interagiert, stossen männliche Armeeangehörige in der Kommunikation mit Frauen eher auf Schwierigkeiten. Dies ist ein zentraler Punkt für die Angehörigen der LMT, die regelmässige Kontakte mit der Bevölkerung in ihrer ganzen Vielfalt pflegen müssen.

Der Armee ist es gelungen, den Anteil der Frauen unter den Freiwilligen für solche Einsätze, insbesondere in den LMT, zu erhöhen. Der durchschnittliche Frauenanteil 10

SR 510.10

8467

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in der Swisscoy beträgt heute fast 20 %. Er ist weit höher als der Frauenanteil am Gesamtbestand der Armee (0,7 %).

Dieser Fortschritt ist das Resultat gezielter Kommunikations- und Rekrutierungsanstrengungen der Armee seit 2012. Früher war die Beteiligung der Frauen nicht nur gering, sondern beschränkte sich zudem mehrheitlich auf den sanitätsdienstlichen und administrativen Bereich. Heute sind mehr Frauen auch im operativen Bereich tätig, namentlich in den LMT.

Um den Umstand auszugleichen, dass die Schweizerinnen nicht dienstpflichtig sind und meistens keine vorgängige militärische Ausbildung absolviert haben, umfasst die Ausbildung vor dem Einsatz in der Swisscoy für die weiblichen Kontingentsmitglieder auch eine Phase militärischer Grundausbildung.

Im Übrigen profitiert von dieser erfreulichen Entwicklung nicht nur der unmittelbare Einsatz in der militärischen Friedensförderung. Für die Armee ist es auch eine lohnende Investition. In einigen Fällen entscheiden sich die Frauen nach dem Einsatz in der militärischen Friedensförderung, in der Armee zu dienen, und absolvieren die Rekrutenschule oder übernehmen eine Fachoffiziersfunktion. In gewissen Bereichen der Bundesverwaltung kann eine vorgängige KFOR-Erfahrung nach der Rückkehr auch die Chancen auf eine Stelle verbessern.

Die Anstrengungen zur Erhöhung der Beteiligung der Frauen in der Swisscoy und in der militärischen Friedensförderung werden fortgesetzt, um auf dem bereits Erreichten aufzubauen.

5

Künftiger Einsatz der Swisscoy

5.1

Interesse der Fortführung des Einsatzes aus sicherheits- und aussenpolitischer Sicht

Obwohl die Wahrscheinlichkeit eines neuerlichen bewaffneten Konflikts im Land gering ist, erfordern die politische Situation und die Sicherheitslage in Kosovo weiterhin die Anwesenheit der KFOR zur Gewährleistung von Sicherheit und Stabilität. Die KFOR ist die Frucht eines gemeinsamen Willens und zeigt, welche Bedeutung die europäischen Staaten den sicherheitspolitischen Herausforderungen beimessen, die in der Region nach wie vor bestehen. Angesichts der engen Verbindungen zwischen der Schweiz und Kosovo, vor allem in demografischer Hinsicht, ist die Stabilität in der Region auch im Interesse der Schweiz, die damit unmittelbar von der Präsenz der KFOR vor Ort profitiert. Auch wenn die Swisscoy mit ihrem Bestand weniger als 5 % des Gesamtbestandes der KFOR ausmacht, zeigt die Schweiz mit ihrer Teilnahme, dass sie dieses gemeinsame Engagement im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützt, und beweist damit ihre Solidarität.

Darüber hinaus hat der bisherige Einsatz für die KFOR gezeigt, dass die Schweiz eine kompetente und geschätzte Partnerin ist. Bei hochrangigen Treffen mit Vertreterinnen und Vertretern von Nato und KFOR kommt regelmässig zum Ausdruck, dass die Arbeit der Swisscoy aufgrund ihrer hohen Qualität und Zuverlässigkeit geschätzt wird. Dass die KFOR die Funktion des DCOM einem höheren Stabsoffizier aus der Schweiz übertragen hat, widerspiegelt diese Wertschätzung.

8468

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Unter den herrschenden Gegebenheiten hätte ein Abzug der Swisscoy für die Schweiz sicherheits- und aussenpolitisch erhebliche Konsequenzen. Angesichts der personellen Verbindungen zwischen Kosovo und der Schweiz, des noch immer bestehenden Eskalationspotenzials und der aussereuropäischen Einflussnahmen auf das Land wäre es für die Schweiz schwierig, ein Ende ihrer Teilnahme zu erklären.

Mit grosser Wahrscheinlichkeit würde ein solcher Entscheid von den Staaten, mit denen die Schweiz sicherheitspolitische Interessen teilt, als Solidaritätsbruch gesehen. Ein Abzug wäre auch für die Regierungen Serbiens und Kosovos schwer verständlich und könnte das Vertrauen der Nato und ihrer Partner in die Schweiz schwächen. Er würde sehr wahrscheinlich als Zeichen gedeutet, dass der Bundesrat das militärische Engagement der internationalen Gemeinschaft als nicht mehr erforderlich erachtet und Kosovo in der Lage sieht, die eigene Sicherheit künftig selbstständig zu gewährleisten. Ein Rückzug des Schweizer Kontingents wäre ausserdem insofern kaum vermittelbar, als die Schweiz seit September 2019 für die Dauer eines Jahres den DCOM KFOR stellt. In Anbetracht dieser Erwägungen würde ein Rückzugsbeschluss dem Ansehen der Schweiz weltweit schaden.

5.2

Bestand

Wie oben beschrieben, werden die Leistungen und die Grösse der Swisscoy den Bedürfnissen der KFOR angepasst. Diese sind das Ergebnis einer sorgfältigen Lagebeurteilung, die Kosovo und die gesamte Region umfasst.

Für das laufende Mandat wurde der Bestand der Swisscoy in zwei aufeinanderfolgenden Etappen reduziert.11 Im Frühjahr 2018 sank der Bestand von 235 auf 190 Armeeangehörige und im Herbst 2019 von 190 auf 165 Armeeangehörige.

Diese Bestandsreduktion betraf vor allem schwere Sonderfahrzeuge für Transporte und Bautätigkeiten. Weil die KFOR diese Leistungen nicht mehr nachfragte, wurden diese Mittel in die Schweiz zurückgeführt. Vor Ort behalten wurden hingegen die Kapazitäten in den Bereichen Lageverfolgung (LMT), Überwachung, Aufklärung und Lufttransport, für welche die KFOR immer noch Bedarf anmeldete.

Mit der bereits beschriebenen Verschlechterung der Sicherheitslage und des politischen Umfelds haben sich wieder Kapazitätslücken geöffnet. Die KFOR hat an der Force Generation Conference der truppenstellenden Staaten von Juni 2019 wie auch im Rahmen eines bilateralen Treffens zwischen dem Chef der Armee und dem Kommandanten der KFOR im August 2019 auf diese Bedarfslücken hingewiesen.

So braucht die KFOR vor allem Mittel in den Bereichen Sicherstellung der Bewegungsfreiheit (freedom of movement), der Nachrichtenbeschaffung und bei den Stabsoffiziersfunktionen im Hauptquartier der KFOR.

Für diese Aufgaben verfügt die Schweizer Armee über die erforderlichen Kompetenzen und Kapazitäten. Im Bereich der Sicherstellung der Bewegungsfreiheit benötigt die KFOR ein Detachement, das mit Spezialfahrzeugen die Strassen von allfälligen improvisierten Sperren freiräumt und rasch intervenieren kann, wenn die kosovarische Polizei Unterstützung benötigt. Für diese Aufgabe der KFOR war die 11

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8469

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Swisscoy bereits in der Vergangenheit eingesetzt worden, namentlich während der Unruhen im Norden Kosovos 2011. Die Swisscoy unterstützte damals ein Interventionselement der KFOR mit schweren Baumaschinen.12 Aus diesem Grund will der Bundesrat diese Spezialmittel neuerlich entsenden. In Anbetracht des Bedarfs im Hauptquartier und im Nachrichtenbereich soll die Swisscoy zusätzlich mit Stabsoffizieren und einem Detachement von Spezialistinnen und Spezialisten für das Aufklärungsbataillon der KFOR verstärkt werden.

Seit Beginn des Swisscoy-Engagements hat die Schweiz ihren Beitrag stets an die Bedürfnisse der KFOR und die Kapazitäten der Schweizer Armee angepasst. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass der Schweizer Beitrag wiederum angepasst werden soll, damit die KFOR ihre Kapazitätslücken schliessen kann. Um diese Zusatzleistungen zu ermöglichen, hat der Bundesrat beschlossen, den Maximalbestand des Swisscoy-Kontingents von 165 auf 195 Armeeangehörige zu erhöhen. Diese Bestandserhöhung wird mit der Kontingentsrotation im Frühjahr 2021 erfolgen.

5.3

Dauer des Einsatzes und allfällige vorzeitige Beendigung

Gemäss Resolution 1244 des UNO-Sicherheitsrates verlängert sich der Einsatz der KFOR, «sofern der Sicherheitsrat nichts anderes beschliesst». Im November 2018 hielt die Nato, die für die Umsetzung des Sicherheitsteils des UNO-Mandats zuständig ist, in ihrem «Comprehensive Security Assessement of the Kosovo Environment» fest, dass die Voraussetzungen zur Verkleinerung des KFOR-Einsatzes nicht erfüllt sind und die Präsenz der KFOR in Kosovo notwendig bleibt. Diesen Standpunkt bestätigten Deutschland und Österreich gegenüber der Schweiz anlässlich eines trilateralen Treffens der Verteidigungsministerinnen und Verteidigungsminister im Januar 2019 sowie auch Frankreich anlässlich bilateraler Beratungen im April 2019.

Angesichts dieser Lage zeigt sich, dass die KFOR den Swisscoy-Einsatz nach wie vor braucht. Das Mandat der Swisscoy soll deshalb um drei Jahre, das heisst bis zum 31. Dezember 2023, verlängert werden. Der Bundesrat kann jederzeit eine vorzeitige Beendigung des Einsatzes beschliessen. In einem solchen Fall informiert er die Aussenpolitischen und Sicherheitspolitischen Kommissionen beider Räte gemäss Artikel 152 Absatz 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200213.

5.4

Möglichkeiten zur befristeten Aufstockung

Es sind Situationen möglich, in denen die Swisscoy mit dem vorgegebenen Bestand ihre Aufträge nicht mehr erfüllen kann. Um auf solche Situationen reagieren zu können, gaben die eidgenössischen Räte dem Bundesrat mit Bundesbeschluss vom

12

13

Bericht 2011 über den Einsatz der Schweizer Kompanie (Swisscoy) in der multinationalen Kosovo Force (KFOR) zuhanden der Aussenpolitischen und Sicherheitspolitischen Kommissionen des National- und des Ständerates, S. 8.

SR 171.10

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8. Juni 201714 die Erlaubnis, die Swisscoy kurzfristig für eine begrenzte Dauer aufzustocken. Eine temporäre Aufstockung kann Schutzmassnahmen bei erhöhter Bedrohung oder Instandhaltungszwecken dienen.

In den vergangenen drei Jahren war keine Aufstockung aus Sicherheitsgründen nötig. Alle sicherheitsrelevanten Ereignisse konnten mit den KFOR-Mitteln vor Ort bewältigt werden. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass er ­ für den Fall, dass die Bedrohung vor Ort dies erforderlich macht ­ wie bis anhin die Kompetenz haben muss, für eine Dauer von längstens vier Monaten bis zu 20 zusätzliche Armeeangehörige einzusetzen, wie dies im laufenden Mandat bereits der Fall ist. In erster Linie kämen dafür Angehörige des Kommandos Spezialkräfte zum Einsatz.

Von der Möglichkeit, das Kontingent für längstens acht Monate mit 50 Armeeangehörigen für Instandhaltungsarbeiten aufzustocken, hat der Bundesrat 2018 im Rahmen des Umzugs des Kontingents Gebrauch gemacht. Da durch eine Änderung im Dispositiv der KFOR kurzfristige logistische Bedürfnisse entstehen können, soll der Bundesrat weiterhin die Kompetenz haben, das Kontingent aufzustocken.

6

Auswirkungen

6.1

Finanzielle Auswirkungen

6.1.1

Kosten des gegenwärtigen und künftigen Einsatzes

Wegen der verschiedenen Entwicklungsmöglichkeiten der Swisscoy können die Kosten über die gesamte Mandatsdauer variieren. Im Folgenden werden die jährlichen Kosten der unter Ziffer 4.1 beschriebenen Leistungen dargestellt.

Im Jahr 2017 kostete der Swisscoy-Einsatz bei einem Maximalbestand von 235 Armeeangehörigen rund 46,3 Millionen Franken. 2018 kostete der Einsatz rund 39,7 Millionen Franken bei einem Maximalbestand von 235 Armeeangehörigen, der im April 2018 im ersten Reduzierungsschritt auf 190 Armeeangehörige verkleinert wurde.

Die Kosten haben sich jedoch nicht proportional zur Verkleinerung des Kontingents verringert, dies aus folgenden Gründen:

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­

Der Bedarf an Flugleistungen blieb unverändert, da die Versorgung weiterhin im gleichen Umfang wie vorher sichergestellt werden musste.

­

Das Aufgabenspektrum der Swisscoy ist sehr diversifiziert und bedingt grossen Ausbildungsaufwand. Daher dürften auch die Aufwendungen zur Personalgewinnung in derselben Höhe bleiben.

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Die Komplexität des Materials vor Ort bedingt vermehrt Unterstützungsleistungen aus der Schweiz, zum Beispiel die Wartung von kontingentseigenen Fahrzeugen und der Infrastruktur.

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­

Weniger Material wird vor Ort benötigt. Das verbleibende Material wird intensiver genutzt und gewartet. Das führt dazu, dass die Einsparungen kleiner sind, als aufgrund der Reduktion zu vermuten wäre.

Aufgrund der Bestandssenkung von 190 auf 165 Armeeangehörige im Oktober 2019 werden für die Jahre 2019 und 2020 tiefere Kosten erwartet.

Mit der Erhöhung des Bestands als Reaktion auf die neu ausgewiesenen Bedürfnisse der KFOR zeigt sich die voraussichtliche Kostenentwicklung für den SwisscoyEinsatz wie folgt: Rubrik

Maximalbestand 165

Maximalbestand 195

Einmietung von Flugleistungen (insbesondere Versorgungsflüge)

3 525 000

3 525 000

Basisausgaben, Material, Nach- und Rückschub, Instandhaltung, Rekrutierung

1 100 000

1 200 000

Betriebsausgaben, Verpflegung, Betriebsstoff, Kommunikation

3 600 000

3 900 000

Personal

27 225 000

32 300 000

Jährliche Gesamtkosten

35 450 000

40 925 000

Die Zusatzkosten infolge Erhöhung des Maximalbestands des Kontingents werden durch das Armeebudget des VBS gedeckt.

6.1.2

Zusatzkosten im Fall befristeter Aufstockungen

Die allfällige befristete Entsendung von Zusatzelementen für Instandhaltung und Infrastruktur (wie dies beim Umzug nach Novo Selo der Fall war) oder bei einer notwendigen Erhöhung des Schutzgrades hätte folgende finanziellen Auswirkungen:

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Rubrik

Verstärkung für Aufgaben der Verstärkung zur Instandhaltung und der Erhöhung des SchutzgraInfrastrukturbewirtschaftung des

Angenommene Einsatzdauer vor Ort

max. 8 Monate

max. 4 Monate

Angenommene Detachementsgrösse

max. 50 Personen

max. 20 Personen

Betriebsausgaben, Verpflegung, Betriebs- 700 000 stoff, Kommunikation

150 000

Basisausgaben, Material, Nach- und Rück- 3 700 000 schub, Instandhaltung, Rekrutierung, Infrastruktur

50 000

Personal

4 750 000

950 000

Zusatzkosten für Detachement pro Einsatz

9 150 000

1 150 000

Im Unterschied zu den unter Ziffer 6.1.1 ausgewiesenen Zahlen fallen die hier genannten Kosten nur dann an, wenn der Bundesrat die Entsendung einer entsprechenden Verstärkung genehmigt. Auch diese Zusatzkosten würden im Armeebudget aufgefangen.

6.2

Personelle Auswirkungen

Seit Beginn des Swisscoy-Einsatzes verstärken projektbezogene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Kompetenzzentrum Swissint. Diese zivilen Angestellten haben Arbeitsverträge, die auf die Dauer des Schweizer Swisscoy-Mandats ausgelegt sind.

Damit sind diese Stellen an den Einsatz der Swisscoy gebunden und fallen bei dessen Beendigung weg. Die projektbezogenen Angestellten werden vor allem in der Rekrutierung, im Finanzwesen, bei der Planung, in der Führungsunterstützung, im Nachschub, in der Instandhaltung und in der Ausbildung eingesetzt. Aktuell entspricht der Personalbestand 32 Vollzeitstellen (FTE).

Dazu unterstützen sechs Zeitmilitärs in Stans die Ausbildung. Dies ist nötig, weil jedes Kontingent zuerst auf den militärischen Ausbildungsstand in der Einheit gebracht und anschliessend funktionsbezogen ausgebildet und mit den Besonderheiten des Einsatzraums vertraut gemacht werden muss. Die Vorbereitung der Kontingente ist insofern aufwendig, als die Inhalte stets den Veränderungen der Lage vor Ort und der Auftragslage anzupassen sind. Mit der Reduktion des maximalen Kontingentsbestands von 235 auf 165 Armeeangehörige während des laufenden Mandats wurden fünf projektbezogene FTE abgebaut, sodass heute insgesamt 32 FTE in Stans projektbezogen der Swisscoy zugeteilt sind. Mit der vorgesehenen Erhöhung des Kontingentsbestands muss das projektbezogene Personal um drei FTE aufgestockt werden. Die entsprechenden Mittel werden ebenfalls dem ordentlichen Armeebudget entnommen.

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6.3

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Die Fortführung des Swisscoy-Einsatzes bedeutet für den Kanton Nidwalden als Standortkanton des Kompetenzzentrums Swissint keine Veränderung.

7

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 27. Januar 201615 zur Legislaturplanung 2015­2019 noch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 201616 über die Legislaturplanung 2015­2019 angekündigt. Der vorliegende Beschluss entspricht jedoch dem Ziel 16 der Botschaft über die Legislaturplanung 2015­2019 «Die Schweiz engagiert sich aktiv für die internationale Stabilität», in dem es heisst: «Die Schweiz engagiert sich weiterhin an militärischer Friedensförderung im Ausland.»17 Mit dem vorliegenden Bundesbeschluss soll der Einsatz der Swisscoy in der KFOR bis zum 31. Dezember 2023 verlängert werden, wobei die Schweiz jederzeit die Möglichkeit hat, den Einsatz zu beenden.

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Vernehmlassung

Zum vorliegenden Geschäft wurde keine Vernehmlassung durchgeführt, da es weder von grosser politischer oder finanzieller Tragweite im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe d des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 2005 (VlG)18 ist, noch die Kantone in erheblichem Mass betrifft (Art. 3 Abs. 1 Bst. e VlG).

9

Rechtliche Aspekte

9.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

In Artikel 58 Absatz 2 gibt die Bundesverfassung (BV)19 der Armee folgenden Auftrag: «Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.» Artikel 1 Absatz 4 MG20 führt denn auch aus, dass die Armee im Rahmen ihrer Aufgaben friedensfördernde Beiträge im internationalen Rahmen zu leisten hat.

15 16 17 18 19 20

BBl 2016 1105 BBl 2016 5183 BBl 2016 1105, hier 1189 f.

SR 172.061 SR 101 SR 510.10

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Die Verfassungsmässigkeit des Friedensförderungsdienstes wurde bereits mehrfach geprüft und bejaht, soweit die Einsätze auf Freiwilligkeit beruhen.21 Keine Rolle spielt dabei, welche Massnahmen zum Schutz von Personen, Truppen und zur Auftragserfüllung vorgenommen werden, z. B. die Frage der Bewaffnung. Der Bundesrat ist jedoch verpflichtet, Einsätze im Einzelfall auf die Vereinbarkeit mit den aussen- und sicherheitspolitischen Maximen, dem Neutralitätsrecht sowie der Neutralitätspolitik hin zu prüfen.

Die Voraussetzungen für Einsätze zur Friedensförderung sind in Artikel 66 MG aufgeführt: Ein solcher Einsatz kann auf der Grundlage eines UNO- oder OSZEMandates angeordnet werden und muss den Grundsätzen der schweizerischen Aussen- und Sicherheitspolitik entsprechen; er muss von Personen geleistet werden, die eigens dafür ausgebildet sind; und die Teilnahme ist freiwillig. Im Fall der Swisscoy sind diese Voraussetzungen erfüllt: Die KFOR handelt auf der Grundlage der Resolution 1244 des UNO-Sicherheitsrates, und ihr Personal besteht ausschliesslich aus Freiwilligen, die vorgängig durch das Kompetenzzentrum Swissint spezifisch ausgebildet werden.

9.2

Zuständigkeit

Der Bundesrat ist für die Führung der Aussen- und Sicherheitspolitik zuständig; er kann Friedensförderungseinsätze anordnen und die notwendige Ausrüstung und Bewaffnung sowie weitere Massnahmen festlegen. Da der Swisscoy-Einsatz bewaffnet erfolgt, mehr als 100 Angehörige der Armee umfasst und länger als drei Wochen dauert, bedarf die Weiterführung des Swisscoy-Einsatzes, wie er mit dieser Botschaft vorgeschlagen wird, der Zustimmung der Bundesversammlung (Art. 66b Abs. 4 MG).

9.3

Erlassform

Der vorliegende Erlass stellt einen Einzelakt der Bundesversammlung dar, der in einem Bundesgesetz ausdrücklich vorgesehen ist (Art. 173 Abs. 1 Bst. h BV). Artikel 66b Absatz 4 MG sieht die Bewilligung der Bundesversammlung vor für einen bewaffneten Einsatz mit mehr als 100 Angehörigen der Armee oder einer Dauer von länger als drei Wochen. Dem fakultativen Referendum unterliegen Bundesbeschlüsse, soweit Verfassung und Gesetz dies vorsehen (Art. 141 Abs. 1 Bst. c BV). Weil im vorliegenden Fall weder die Verfassung noch das Gesetz ein fakultatives Referendum vorsehen, wird der Erlass in die Form eines einfachen Bundesbeschlusses gekleidet (Art. 163 Abs. 2 BV).

21

vgl. insbesondere Botschaft vom 8. Dezember 1993 betreffend das Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung sowie den Bundesbeschluss über die Organisation der Armee, BBl 1993 IV 1, Ziff. 61; H. Meyer/R. P. Müller, St. Galler Kommentar zu Art. 58 BV, Rz. 37.

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