Ausnahmebewilligung des ESTI Abweichung von der Bestimmung über die Meldepflicht nach Art. 23 Abs. 1 NIV vom 30. November 2018

Das Eidgenössische Starkstrominspektorat ESTI gestützt auf: ­

Artikel 21 Ziffer 2 des Elektrizitätsgesetzes vom 24. Juni 1902 (EleG, SR 734.0)

­

Artikel 1 Absatz 4 der Verordnung über elektrische Niederspannungsinstallationen vom 7. November 2001 (NIV, SR 734.27);

erwägt:

1. Formelles Nach Artikel 1 Absatz 4 NIV kann die Abweichung von einzelnen Vorschriften der Verordnung bewilligt werden, wenn eine Bestimmung nur unter ausserordentlichen Schwierigkeiten befolgt werden kann oder sie sich für die technische Entwicklung als hinderlich erweist. Zuständig für die Erteilung solcher Bewilligungen ist das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK, oder in weniger bedeutenden Fällen das Eidgenössische Starkstrominspektorat ESTI. Zu beurteilen ist die Abweichung von der Pflicht, für alle Installationsarbeiten eine Installationsanzeige einzureichen, sofern nicht die Voraussetzungen von Artikel 23 Absatz 2 NIV kumulativ erfüllt sind (Art. 23 Abs. 1 NIV).

Diese Pflicht berührt nicht direkt sicherheitstechnische Aspekte, sondern dient vornehmlich als Unterstützung der Netzplanungs- und Kontrollaufgaben der Netzbetreiberinnen. Zudem ist die Tragweite der Bestimmung gemessen am Regelungsgegenstand der NIV (Sicherheit und Störungsfreiheit der elektrischen Installationen; vgl. Art. 3 und 4 NIV) gering. Die Abweichung zielt auf eine Vereinfachung der administrativen Abläufe für die Inhaber einer allgemeinen Installationsbewilligung (oder Ersatzbewilligung) ab und beeinflusst deren Rechte und Pflichten, wenn überhaupt, nur marginal. Aus diesen Gründen ist die Abweichung ein weniger bedeutender Fall im Sinne von Artikel 1 Absatz 4 NIV, weshalb das ESTI für die Ausnahmebewilligung zuständig ist.

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2. Materielles Mit der Revision der NIV auf den 1. Januar 2018 wurde für die Inhaber einer allgemeinen Installationsbewilligung und diejenigen einer Ersatzbewilligung neu die Pflicht eingeführt, sämtliche Installationsarbeiten vor der Ausführung der Netzbetreiberin, aus deren Niederspannungsverteilnetz die elektrische Installation mit Energie versorgt wird, zu melden (Art. 23 Abs. 1 NIV)1. Dies geschieht mit der Installationsanzeige. Ausgenommen davon bleiben einzig Installationsarbeiten, welche kumulativ weniger als vier Stunden dauern (Kleininstallationen) und eine Leistungssteigerung von weniger als 3.6 kVA bewirken (Art. 23 Abs. 2 NIV). Ziel dieser allgemeinen Meldepflicht ist es einerseits, dass grössere Installationstätigkeiten mit Leistungsänderungen <3.6 kVA (keine sogenannten Kleininstallationen) der Netzbetreiberin gemeldet werden, um ein besseres Bild über die im Netzgebiet getätigten Installationsarbeiten zu erhalten. Dies soll die Aufsichts- und Kontrollarbeit der Netzbetreiberinnen unterstützen. Andererseits geht es auch darum, der Installationstätigkeit von Personen und Betrieben, welche keine Installationsbewilligung besitzen, einen Riegel zu schieben oder diese zumindest zu erschweren.

Schliesslich will man damit auch die sicherheitstechnische Netzplanung der Netzbetreiberinnen vereinfachen.

Seit dem Inkrafttreten der revidierten NIV hat sich herausgestellt, dass diese umfassendere Meldepflicht auf wenig Akzeptanz in der Branche stösst, und zwar sowohl bei den Installateuren wie auch bei den Netzbetreiberinnen. Das Erstellen einer Installationsanzeige ist unbestrittenermassen mit einem gewissen administrativen Aufwand verbunden. Sehr schnell wurde aber klar, dass mit dieser umfassenderen Meldepflicht die angepeilten Ziele nicht erreicht werden können: Einerseits reichen Personen und Betriebe ohne Installationsbewilligung, die trotzdem Installationsarbeiten ausführen, ohnehin keine Installationsanzeige ein. Andererseits zeigt sich, dass die gegenüber der früheren Regelung zusätzlich einzureichenden Installationsanzeigen für die Netzbetreiberinnen z. T. einen erheblichen administrativen Mehraufwand bedeuten, ohne dass die Qualität ihrer Aufsichtstätigkeiten verbessert würde. Die zusätzlichen installationsanzeigen für Kleinstarbeiten belasten die Systeme und Ressourcen der
Netzbetreiberinnen was zu Lasten der Aufsicht von sicherheitstechnisch relevanten Installationsarbeiten geht. In der Praxis erhalten gewisse grössere Netzbetreiberinnen gemäss eigener Aussage schon jetzt eine grosse Anzahl von Installationsanzeigen für Elektroinstallationen untergeordneter Bedeutung (z. B.

Lampeninstallationen in Industrie und Gewerbe).

Die mit der Revision der Regelung der Ausnahme von der Meldepflicht für Kleininstallationen angestrebten Ziele können nicht oder zumindest nur sehr bedingt erreicht werden. Demgegenüber steht ein Aufwand, welcher sich zur neu eingeführten allgemeinen Dokumentationspflicht aller Kontrollmessungen wie z. B. die Erstprüfung gesellt. Im Gegensatz zur letzteren Pflicht kann dieser Aufwand, wenn überhaupt, nur in geringem Masse sicherheitstechnisch motiviert werden.

Von der Branche wird deshalb vorgeschlagen, zur Regelung zurückzukehren, welche bis 31. Dezember 2017 gültig war. Diese sah vor, dass eine Installationsanzeige 1

Die Meldepflicht gilt auch für die Inhaber einer eingeschränkten Installationsbewilligung (vgl. Art. 25 Abs. 1 NIV).

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nur dann notwendig war, wenn mit der vorgesehenen Installationsarbeit eine Leistungssteigerung von 3.6 kVA oder mehr einherging. Dieser Vorschlag würde jedoch bedeuten, den Verordnungstext anzupassen, was Sache des Verordnungsgebers ist.

Auf dem Weg der Ausnahmeverfügung kann jedoch erreicht werden, dass der Entscheid darüber, ob eine Installationsanzeige notwendig ist, bis zu einer Leistungssteigerung von weniger als 3.6 kVA den Netzbetreiberinnen überlassen wird. Als Entscheidgrundlage kann dabei die Branchenempfehlung des VSE, Werkvorschriften CH / Technische Anschlussbedingungen (WV-CH)2, dienen. Die Netzbetreiberinnen hätten sich dabei auf Ziffer 2.4 WV-CH zu stützen und müssten mindestens in folgenden Fällen eine Installationsanzeige verlangen: ­

Neuinstallationen und Installationserweiterungen gemäss NIV

­

Erstellung eines neuen Netzanschlusses sowie Erweiterung oder Änderung des bestehenden Netzanschlusses

­

Anschluss von Geräten und Anlagen gemäss WV-CH2 8.2 / 8.3

­

Anschluss von Energieerzeugungsanlagen mit Verbindung zum Niederspannungsverteilnetz (Parallel- und Inselbetrieb)

­

Anschluss Elektrischer Energiespeicher

­

Anschluss von Ladestationen für Elektrofahrzeuge

­

Neuerstellung, Änderung oder Erweiterung von Hausleitungen, Steuerleitungen sowie von Messeinrichtungen

­

Installationen, die eine Anpassung, eine Montage, Demontage oder Auswechslung von Mess- und Steuerapparaten bedingen

­

Provisorische und temporäre Anlagen wie Baustellen, Schaustelleranlagen, Festbetriebe usw.

Damit werden einerseits die Anliegen der kleineren Netzbetreiberinnen berücksichtigt, welche bei Bedarf trotzdem in jedem Fall eine Installationsanzeige verlangen können. Andererseits wäre die Regelung so auch für die Elektroinstallateure (und -kontrolleure) nachvollziehbar und vor allem klar definiert. Zudem bleibt die Bestimmung von Artikel 23 Absatz 2 NIV bestehen. Damit bleibt sichergestellt, dass die Installationsbetriebe bei Kleininstallationen in jedem Fall von der Meldepflicht ausgenommen bleiben.

verfügt: 1.

2

In Abweichung von Artikel 23 Absatz 1 der Verordnung über elektrische Niederspannungsinstallationen (NIV; SR 734.27) können die Netzbetreiberinnen bis zu einer Leistungssteigerung von weniger als 3.6 kVA auf eine Meldung der Installationsarbeit nach Massgabe von Ziffer 2.4 der Branchen-

Branchenempfehlung Werkvorschriften CH, Technische Anschlussbedingungen (TAB) für den Anschluss von Verbraucher-, Energieerzeugungs- und Speicheranlagen an das Niederspannungsnetz, Ausgabe 2018, herausgegeben vom Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE.

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empfehlung des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE, «Werkvorschriften CH / Technische Anschlussbedingungen», verzichten.

2.

Sofern die Voraussetzungen von Artikel 23 Absatz 2 NIV erfüllt sind, muss nach wie vor keine Meldung erstattet werden.

3.

Diese Verfügung gilt bis zu ihrem Widerruf oder bis zum Inkrafttreten der revidierten Verordnungsbestimmungen.

4.

Diese Verfügung wird gestützt auf Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe c und Absatz 3 des Publikationsgesetzes (SR 170.512) und Artikel 22 Buchstabe a der Publikationsverordnung (SR 170.512.1) im Bundesblatt publiziert.

5.

In Anwendung von Artikel 35 Absatz 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (SR 172.021) können Betroffene eine Verfügung mit einer Rechtsmittelbelehrung verlangen.

6.

Mitteilung an: ­ Bundesamt für Energie BFE ­ Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen ­ Verband Schweizerischer Elektro-Installationsfirmen ­ Verband Schweizerischer Elektrokontrollen ­ ODEC Schweizerischer Verband der dipl. Absolventinnen und Absolventen höherer Fachschulen

5. Februar 2019

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Bundesamt für Energie