19.077 Botschaft zum Bundesgesetz über die pauschale Vergütung der Mehrwertsteuer auf den Empfangsgebühren für Radio und Fernsehen vom 27. November 2019

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Bundesgesetzes über die pauschale Vergütung der Mehrwertsteuer auf den Empfangsgebühren für Radio und Fernsehen.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2018

M

15.3416

Rückzahlung der unrechtmässig erhobenen Mehrwertsteuer auf Radio- und Fernsehgebühren (N 04.05.17, Flückiger; S 12.09.18)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

27. November 2019

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2019-0329

8167

Übersicht Alle Haushalte sollen eine pauschale Vergütung von 50 Franken für die vom Bund ohne Rechtsgrund erhobene Mehrwertsteuer auf den Radio- und Fernsehempfangsgebühren erhalten. Eine pauschale Vergütung an die Unternehmen ist nicht angezeigt.

Ausgangslage Das Bundesgericht entschied im April 2015 in einem Grundsatzurteil, dass die Empfangsgebühr für Radio und Fernsehen nicht der Mehrwertsteuerpflicht untersteht. Der Entscheid wurde von den zuständigen Bundesämtern (Eidgenössische Steuerverwaltung und Bundesamt für Kommunikation) unverzüglich umgesetzt.

Seither wird den Gebühren- bzw. Abgabepflichtigen keine Mehrwertsteuer mehr in Rechnung gestellt. Offen liess das Bundesgericht zunächst die Frage der Rückerstattung der bereits erhobenen Mehrwertsteuer, was zu Folgeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesgericht führte. Insgesamt wurden rund 30 000 Gesuche um Rückerstattung der Mehrwertsteuer eingereicht.

Das Bundesgericht ordnete im November 2018 in vier Einzelfällen die Rückerstattung der Mehrwertsteuer auf den Radio- und Fernsehempfangsgebühren für die Zeit von 2010 bis 2015 an. Der Anspruch auf Rückerstattung für die Mehrwertsteuer, die vor dem 1. Januar 2010 bezahlt wurde, ist gemäss Bundesgericht verjährt. Die Urteile des Bundesgerichts beziehen sich nur auf Privathaushalte. Sie haben Leitcharakter.

Die vom Parlament überwiesene Motion Flückiger-Bäni vom 5. Mai 2015 verlangt die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage, die eine Rückerstattung der Mehrwertsteuer an alle Haushalte und Unternehmen ermöglicht.

Am 1. Januar 2019 wurde der Systemwechsel von den geräteabhängigen Empfangsgebühren zur geräteunabhängigen Abgabe für Radio und Fernsehen vollzogen. Das Inkasso der Abgabe stellt mit rund 3,57 Millionen abgabepflichtigen Haushalten (Stand 30. September 2019) ein Massengeschäft dar. Eine individuelle Rückerstattung der Mehrwertsteuer an die Haushalte würde ebenfalls ein Massengeschäft darstellen. Sie wäre sogar noch anspruchsvoller als die Erhebung der Abgabe für Radio und Fernsehen, weil die Verhältnisse in der Vergangenheit rekonstruiert werden müssten. Der damit verbundene Verwaltungsaufwand würde in einem offensichtlichen Missverhältnis zu den zurückzuzahlenden Beträgen stehen.

Inhalt der Vorlage Aus den dargelegten Gründen sieht der Gesetzesentwurf eine pauschale
Vergütung an alle Haushalte vor. Diese erfolgt über eine einmalige Gutschrift von 50 Franken auf den Abgaberechnungen der Erhebungsstelle Serafe AG. Die Höhe der Vergütung orientiert sich am Gesamtbetrag der von 2010 bis 2015 bei den Haushalten erhobenen Mehrwertsteuer und der voraussichtlichen Anzahl abgabepflichtiger Haushalte im Vergütungsjahr. Vom 1. Januar 2010 bis zum 31. März 2015 wurden

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vom Bund rund 170 Millionen Franken Mehrwertsteuer erhoben. Davon entfallen rund 165 Millionen Franken auf die Haushalte und 5 Millionen Franken auf die Unternehmen.

Die pauschale Vergütung tritt an die Stelle der Rückforderung im Einzelfall. Wer bereits ein Gesuch um Rückerstattung der Mehrwertsteuer eingereicht hat, wird die Vergütung ebenfalls als Gutschrift auf der Abgaberechnung erhalten. Privatpersonen können keine individuellen Rückforderungsansprüche für bis zum Jahr 2015 ohne Rechtsgrund bezahlte Mehrwertsteuern auf den Empfangsgebühren und allfällige damit zusammenhängende Ansprüche geltend machen.

Mit dieser Vorlage soll die Mehrwertsteuer auf den Radio-und Fernsehempfangsgebühren den Haushalten auf einfache und effiziente Weise zurückgegeben und damit der rechtmässige Zustand hergestellt werden.

Keine pauschale Vergütung ist hingegen für die Unternehmen vorgesehen, insbesondere da diese in aller Regel dank des Vorsteuerabzugs nicht mit der Mehrwertsteuer belastet waren.

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BBl 2019

Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

Das Bundesgericht entschied 2015 in einem Grundsatzurteil1, dass die Empfangsgebühr für Radio und Fernsehen nicht der Mehrwertsteuerpflicht untersteht. Es nahm eine Änderung seiner eigenen Praxis zur Charakterisierung der Empfangsgebühren vor und kam zum Schluss, dass es sich nicht wie bisher um eine Regalabgabe, sondern «eher um eine Zwecksteuer oder eine Abgabe sui generis» handle. Damit liege kein mehrwertsteuerpflichtiges Austauschverhältnis zwischen Staat und Gebührenzahlenden vor. Seit Einführung der Mehrwertsteuer waren die Empfangsgebühren mit Mehrwertsteuer erhoben worden (zuerst durch die PTT, ab 1998 durch die Billag AG).

Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) und das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) setzten das Urteil des Bundesgerichts sofort um: Seit April 2015 wird keine Mehrwertsteuer mehr auf der Empfangsgebühr bzw. der Abgabe für Radio und Fernsehen erhoben.

Offen liess das Bundesgericht zunächst die Frage der Rückerstattung der bereits abgerechneten Mehrwertsteuer, was zu Folgeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesgericht sowie zu knapp 30 000 derzeit beim BAKOM hängigen Rückerstattungsgesuchen führte.

In einem zweiten Urteil von 20182 ordnete das Bundesgericht die Rückerstattung der von 2010 bis 2015 erhobenen Mehrwertsteuer auf den Radio- und Fernsehempfangsgebühren, plus Zins «ab Verzug», an vier Einzelpersonen an, weil die Belastung mit der Mehrwertsteuer ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Diese Urteile haben Leitcharakter, da alle Gebührenzahlenden Mehrwertsteuer auf den Empfangsgebühren bezahlt haben und diese zurückfordern könnten. Ebenfalls im Jahr 2018 wurde der Bundesrat beauftragt, die gesetzlichen Grundlagen für die Rückerstattung der Mehrwertsteuer an alle Haushalte und Unternehmen zu schaffen (Motion FlückigerBäni vom 5. Mai 20153). Diese Vorlage ist auch erforderlich, um die zahlreichen potenziell gleichgelagerten Fälle ohne unverhältnismässig hohen Aufwand zu behandeln.

Die Vorlage verfolgt somit einerseits das Ziel, einen unverhältnismässigen Verwaltungsaufwand zu verhindern, der bei einer Einzelfallabwicklung entstehen würde.

Andererseits stellt die Vorlage aber auch für Gebührenzahlerinnen und Gebührenzahler eine Vereinfachung dar: Sie müssen keine individuellen Gesuche einreichen und ihre Forderung weder begründen noch belegen.

1 2 3

BGE 141 II 182 ff.

BGE 144 II 412 sowie Urteil 2C_355/2017 vom 2. November 2018 15.3416 «Rückzahlung der unrechtmässig erhobenen Mehrwertsteuer auf Radio- und Fernsehgebühren»

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1.2

Gewählte Lösung und geprüfte Alternativen

1.2.1

Gewählte Lösung

Um die genannten Ziele zu erreichen, sollen an Stelle einer individuellen Rückerstattung alle Haushalte eine pauschale Vergütung erhalten. Diese erfolgt über eine einmalige Gutschrift von 50 Franken auf einer Abgaberechnung der Erhebungsstelle Serafe AG. Diese Lösung ist einfach umsetzbar, der Verwaltungsaufwand beim BAKOM und der Erhebungsstelle bleibt verhältnismässig. Die meisten Haushalte werden überdies von dieser Lösung «profitieren», da sie kein Gesuch einreichen und den Anspruch nicht belegen müssen. Ausserdem müssen sie sich auch eine allfällige Verjährung ihrer Ansprüche nicht entgegenhalten lassen (zu den Einzelheiten vgl. Ziff. 4 ff.).

1.2.2

Geprüfte Alternativen

Private/Haushalte Für eine individuelle Rückzahlung der Mehrwertsteuer auf den Gebühren für den privaten Empfang braucht es keine eigene gesetzliche Grundlage. Die Ansprüche der Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller müssten aber im Einzelfall und unter Berücksichtigung von lange zurückliegenden Mutationen (z.B. wegen Tod, Scheidung, Heirat, Auflösung einer Wohngemeinschaft, Wegzug ins Ausland) überprüft werden. Die Fragen der Verzinsung und der Verjährung müssten ebenfalls einzeln geklärt werden. Es würde sowohl für die Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller wie für die Verwaltung ein Aufwand entstehen, der im Vergleich zur individuellen Rückerstattungssumme offensichtlich unverhältnismässig ist. Ein solches Vorgehen ist für den Bundesrat wie auch für sämtliche Vernehmlassungsteilnehmer keine gangbare Option. Da es auch im Widerspruch zur Motion Flückiger-Bäni steht, wurde es vom Bundesrat nicht weiterverfolgt.

Gleiches gilt für verschiedene Kombinationsmöglichkeiten von individueller Rückerstattung und pauschaler Vergütung. Hier stünde in den zu behandelnden Einzelfällen der Aufwand ebenfalls in einem Missverhältnis zur Rückerstattungssumme.

Auch die Ergebnisse der Vernehmlassung geben dem Bundesrat keinen Anlass, solche Alternativen weiter zu verfolgen.

Unternehmen Dem Auftrag der Motion Flückiger-Bäni vom 5. Mai 2015 folgend, hat der Bundesrat eine pauschale Vergütung an die Unternehmen geprüft. Von den zwischen 2010 und 2015 erhobenen Mehrwertsteuern auf den Empfangsgebühren von rund 170 Millionen Franken stammen insgesamt rund 5 Millionen Franken von den Unternehmen.

Eine pauschale Vergütung in Form einer Gutschrift auf der Abgaberechnung wäre organisatorisch zwar machbar. Der Bundesrat lehnt eine solche Pauschallösung aber aus inhaltlichen Gründen ab, die nachfolgend dargelegt werden.

8171

BBl 2019

Das Bundesgesetz vom 24. März 20064 über Radio- und Fernsehen (RTVG) unterschied vor dem Systemwechsel am 1. Januar 2019 bei Unternehmen zwischen einer gewerblichen und einer kommerziellen Empfangsgebühr. Unternehmen, welche Radio- und Fernsehprogramme lediglich für ihr eigenes Personal verwendeten (z.B.

Hintergrundmusik in einer Werkstatt), schuldeten die gewerbliche Gebühr. Jene Betriebe, welche Empfangsgeräte zu Zwecken der Unterhaltung oder der Information für ihre Kundschaft (z.B. Hotelzimmer) bereitstellten, hatten eine kommerzielle Empfangsgebühr zu entrichten. Betriebe, die eine erhebliche Zahl von Kundinnen und Kunden erreichten, bezahlten aus Gründen der Rechtsgleichheit einen höheren Tarif. Es gab deshalb im Bereich der kommerziellen Empfangsgebühren drei Kategorien mit drei unterschiedlichen Tarifen. Seit dem 1. Januar 2019 bezahlen nur noch Unternehmen eine Abgabe für Radio und Fernsehen, welche bei der ESTV im Register der mehrwertsteuerpflichtigen Personen eingetragen sind und einen Umsatz von mehr als 500 000 Franken erzielen. Mehr als 75 Prozent der Schweizer Unternehmen sind entweder nicht mehrwertsteuerpflichtig oder haben einen Umsatz von unter 500 000 Franken und sind infolgedessen nicht abgabepflichtig.

Der Kreis der bis zum 31. Dezember 2018 gebührenpflichtigen Betriebe und der Kreis der ab dem 1. Januar 2019 abgabepflichtigen Unternehmen sind somit nicht identisch. Betriebe, die der gewerblichen bzw. kommerziellen Gebühr unterlagen, müssen heute möglicherweise keine Abgabe bezahlen. Eine Kompensation mittels Gutschrift auf einer nächsten Abgaberechnung wäre für sie nicht mehr möglich. Bei einer pauschalen Gutschrift an alle abgabepflichtigen Unternehmen würden unverhältnismässig viele Betriebe profitieren, die keine Empfangsgebühr und damit auch keine Mehrwertsteuer bezahlt hatten. Empfangsgebühren bezahlt haben rund 110 000 Betriebe inkl. Filialen, während der Abgabepflicht neu rund 140 000 Unternehmen unterliegen. Insbesondere kleine Betriebe, die heute aus Gründen ihrer Umsatzgrenze nicht der Abgabepflicht unterliegen, aber eine gewerbliche bzw.

kommerzielle Empfangsgebühr zahlen mussten und den Vorsteuerabzug nicht geltend machten, würden leer ausgehen. Demgegenüber würden Unternehmen profitieren, welche den Vorsteuerabzug geltend gemacht haben, und denen aus der
Bezahlung der Mehrwertsteuer auf den Empfangsgebühren kein finanzieller Nachteil entstanden ist.

In Bezug auf die Unternehmen weicht der Bundesrat somit bewusst von den in der Motion Flückiger-Bäni vom 5. Mai 2015 gemachten Vorgaben ab. Allfällige Rückforderungsansprüche von Unternehmen bestehen aber weiter. Sie können im Einzelfall geltend gemacht werden. Zur Erledigung der Gesuche wird das BAKOM ein einfaches Verfahren vorsehen und die Unternehmen entsprechend informieren.

Damit eine Rückerstattung erfolgen kann, ist entscheidend, dass der Gesuchsteller von 2010 bis 2015 die Abgabe bezahlt hat und keine Vorsteuern geltend machen konnte, weil er nicht im Mehrwertsteuerregister eingetragen war, oder dass er die Vorsteuern nicht vollständig geltend machen konnte. Letzteres ist dann der Fall, wenn von der Mehrwertsteuer ausgenommene Leistungen erbracht wurden oder wenn das Unternehmen Subventionen erhalten hat.

4

SR 784.40

8172

BBl 2019

1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Der vorliegende Gesetzesentwurf ist weder in der Botschaft vom 27. Januar 20165 zur Legislaturplanung 2015­2019 noch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 20166 über die Legislaturplanung 2015­2019 angekündigt. Der Bundesrat wurde erst im Jahr 2018 beauftragt, die Motion Flückiger-Bäni vom 5. Mai 2015 umzusetzen.

Das Geschäft wurde in den Voranschlag 2020 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan aufgenommen: Der Transferkredit im Bereich der Medien im Jahr 2021 wird um 186 Millionen Franken erhöht. Davon stehen 185 Millionen für den Ausgleich der Mindereinnahmen aus der Haushaltsabgabe zur Verfügung und eine Million zur Begleichung allfälliger Rückforderungsansprüche von Unternehmen.

Diese Vorlage weist keine Schnittstellen mit einer Strategie des Bundesrates auf.

1.4

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Mit dieser Gesetzesvorlage wird die Motion Flückiger-Bäni vom 5. Mai 2015 weitgehend erfüllt. Mit dem Bundesgesetz über die pauschale Vergütung der Mehrwertsteuer auf den Empfangsgebühren für Radio und Fernsehen wird die gesetzliche Grundlage für eine pauschale Gutschrift an alle Haushalte geschaffen. Eine Rückerstattung an alle Unternehmen ­ wie sie das Parlament mit der Motion ebenfalls fordert ­ ist demgegenüber nicht vorgesehen. Die Gründe für diesen Verzicht werden in Ziffer 0 ausführlich dargelegt.

2

Vernehmlassungsverfahren

Vom 17. April 2019 bis zum 5. August 2019 war die Vorlage zum neuen Bundesgesetz über die pauschale Vergütung der Mehrwertsteuer auf den Empfangsgebühren für Radio und Fernsehen Gegenstand eines Vernehmlassungsverfahrens. Insgesamt sind 43 Eingaben eingegangen. Stellung genommen haben 24 Kantone, vier politische Parteien (SVP, SP, FDP die Liberalen, CVP), ein gesamtschweizerischer Dachverband der Gemeinden, Städte und Berggebiete, drei gesamtschweizerische Dachverbände der Wirtschaft, fünf zusätzliche Vernehmlassungsadressaten sowie sechs nicht offiziell eingeladene Teilnehmer.

5 6

BBl 2016 1105 BBl 2016 5183

8173

BBl 2019

2.1

Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Insgesamt heissen 39 Teilnehmende die Vorlage gut, 32 davon ohne Vorbehalte bzw. ohne vom Vorentwurf abweichende Änderungsvorschläge. Das gilt für alle 24 teilnehmenden Kantone, zwei der vier an der Vernehmlassung teilnehmenden politischen Parteien (SP, FDP die Liberalen) und die meisten der Vernehmlassungsteilnehmenden aus dem Kreis der Dachverbände und der weiteren interessierten Kreise (Schweizerischer Gewerkschaftsbund, Schweizerischer Städteverband, Travail Suisse, SRG SSR, Telesuisse, Centre Patronal).

In sechs Eingaben werden Vorbehalte und Änderungswünsche deponiert (Konsumentenorganisationen acsi, FRC und SKS, Vereinigung für kritische Mediennutzung ARBUS, Pensionskassenverband, ein privater Vernehmlassungsteilnehmer).

Vier Teilnehmende (SVP, Schweizerischer Gewerbeverband, Aktion Medienfreiheit und ein privater Vernehmlassungsteilnehmer) lehnen den Vorentwurf in der vorliegenden Form ab.

In der Vernehmlassung werden insbesondere folgende Änderungswünsche bzw.

grundsätzliche Vorbehalte angebracht: ­

Eine gesetzliche Regelung auch für Unternehmen (SVP, Schweizerischer Gewerbeverband, Schweizerischer Pensionskassenverband, Aktion Medienfreiheit, eine Privatperson)

­

Ausdehnung bzw. Begrenzung des Kreises der berechtigten Privatpersonen in bestimmten Konstellationen (Konsumentenverbände, Verein für kritische Mediennutzung ARBUS, SVP)

­

Erhöhung der Pauschale für Private, da Verzugszinse einzuberechnen seien (Konsumentenverbände, eine Privatperson)

­

Keine Finanzierung der aus der Gutschrift resultierenden Mindereinnahmen bei der Abgabe für Radio und Fernsehen aus Bundesmitteln (Schweizerischer Gewerbeverband, eine Privatperson)

Die Einzelheiten sind im Vernehmlassungsbericht7 aufgeführt.

2.2

Würdigung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse besteht aus Sicht des Bundesrates kein Anlass für eine grundlegende Anpassung der Vorlage. Der Gesetzestext bleibt gegenüber der Vernehmlassungsvorlage unverändert. Mit Bezug auf die wichtigsten Vorbringen ist Folgendes zu bemerken: ­

7

Eine gesetzliche Grundlage auch für die Unternehmen fordern nur fünf Vernehmlassungsteilnehmende. Demgegenüber lehnt die CVP sowohl eine PauAbrufbar unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2019 > UVEK.

8174

BBl 2019

schallösung wie auch eine Rückvergütung an die Unternehmen im Einzelfall und auf Gesuch hin ab. Der Bundesrat hat die Gründe gegen eine pauschale Vergütung und für eine individuelle Rückzahlung an die Unternehmen bereits ausführlich dargelegt (vgl. Ziff. 1.2.2). Es besteht kein Anlass, auf diese Begründung zurückzukommen. Soweit in der Vernehmlassung ein einfaches Verfahren für die Behandlung von Rückerstattungsgesuchen von Unternehmen gefordert wird, ist darauf hinzuweisen, dass das BAKOM die bestehenden Spielräume des geltenden Rechts nutzen wird, um ein einfaches Vorgehen zu ermöglichen.

­

Aus Sicht des Bundesrates ist es zugunsten einer einfachen und effizienten Lösung hinzunehmen, dass einige der rund 30 000 Gebührenzahlenden, die bereits ein Rückerstattungsgesuch eingereicht haben, keine Gutschrift erhalten werden (z.B. wegen Wegzugs ins Ausland). Eine zusätzliche, individuelle Behandlung von «Härtefällen» wäre mit einem beträchtlichen administrativen Aufwand verbunden, der durch dieses Gesetz gerade vermieden werden soll. Als Folge des Systemwechsels von der geräteabhängigen Radio- und Fernsehempfangsgebühr zur geräteunabhängigen Radio- und Fernsehabgabe ergibt sich überdies, dass auch Haushalte von der einmaligen Gutschrift profitieren können, welche keine Empfangsgebühren bezahlt haben oder bei denen es zu Mutationen gekommen ist (z.B. Bezahlung nur von Radio- oder nur von Fernsehempfangsgebühren, Unterbrechungen bei der Gebührenpflicht, neuer Haushalt etc.; vgl. zum Ganzen auch die Erläuterungen zu Art. 3 und die rechtlichen Aspekte in Ziff. 7).

Eine Ausklammerung der nach 2015 neu gegründeten Haushalte aus dem Kreis der Berechtigten, wie sie die SVP fordert, ist wegen des erwähnten Systemwechsels nicht möglich. Die Datenbank der neuen Erhebungsstelle (Serafe AG) unterscheidet sich wesentlich von derjenigen der Billag AG, so dass ein Abgleich der Daten nicht möglich ist.

­

Eine Verzinsung der vom Bund zwischen 2010 und 2015 eingenommenen Mehrwertsteuerbeträge auf den Empfangsgebühren für Radio und Fernsehen hat das UVEK nach den entsprechenden Forderungen in der Vernehmlassung nochmals geprüft. Sie war im Vorentwurf nicht vorgesehen. Das Bundesgericht hatte in seinen Urteilen eine Zinspflicht des Bundes ab Verzug bestätigt. Für das Eintreten des Verzugs braucht es grundsätzlich eine Mahnung durch die Gläubiger, welche hier in den allermeisten Fällen nicht erfolgt ist. Allerdings hat das BAKOM nach den Urteilen des Bundesgerichts am 14. November 2018 eine Medienmitteilung veröffentlicht, wonach nun eine gesetzliche Grundlage für die Rückerstattung «an alle» erarbeitet werde, und die Berechtigten nicht aktiv werden müssten. Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist ein Verzug des Bundes gegenüber allen Berechtigten zu bejahen. Zwar treten die Pauschalen für die Haushalte an die Stelle aller individuellen Ansprüche und eine Aufteilung dieser Pauschalen in einzelne Bestandteile ist nicht angezeigt. Ein Verzicht auf eine Verzinsung der fälligen Forderung von 165 Millionen Franken (zwischen 2010 und 2015 eingenommene Mehrwertsteuer auf den Gebühren für privaten Empfang) lässt sich aber im vorliegenden Geschäft aufgrund des Bundesgerichtsurteils und 8175

BBl 2019

des besonderen Vorgehens bei der Rückzahlung nicht stichhaltig begründen.

Es ist mit Bezug auf die überwiegende Mehrheit der Berechtigten und im Sinne einer Pauschallösung von einem Verzug von rund zwei Jahren auszugehen (Ende 2018 bis Ende 2020; Gutschriften auf den Serafe-Rechnungen beginnen voraussichtlich im Jahr 2021). Bejaht man eine solche Verzugszinspflicht, beläuft sich der auf alle Haushalte gleichmässig zu verteilende Betrag neu auf rund 182 Millionen Franken (Zinssatz: 5 %).

­

3

Über die Kompensation der aus den Gutschriften auf den Abgaberechnungen resultierenden Ausfälle aus der Bundeskasse besteht weitgehender Konsens.

Der auf den Empfangsgebühren erhobene Mehrwertsteuerbetrag wurde in der Bundesrechnung vereinnahmt (vgl. die Erläuterungen zu Art. 4). Auf die von zwei Teilnehmern vorgebrachten alternativen «Finanzierungsoptionen» zulasten der abgabefinanzierten Veranstalter kann deshalb nicht eingegangen werden und es ist am in der Vernehmlassung vorgeschlagenen Modell festzuhalten.

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Die Vorlage bezieht sich auf eine einmalige Konstellation. Aus einem Rechtsvergleich können keine Schlussfolgerungen gezogen werden.

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

Die pauschale Vergütung der vom Bund von 2010 bis 2015 erhobenen Mehrwertsteuer auf der Empfangsgebühr für Radio und Fernsehen erfolgt in Form einer einmaligen Gutschrift auf den Abgaberechnungen der Erhebungsstelle Serafe AG.

Eine Gutschrift erhalten alle Privat- und Kollektivhaushalte (z.B. Alters- und Pflegeheime, Spitäler, Internate), welche im Vergütungsjahr eine Rechnung der Serafe AG erhalten, und somit zu diesem Zeitpunkt nicht gemäss Artikel 69b oder Artikel 109c RTVG von der Abgabepflicht befreit sind.

Alle Haushalte erhalten eine einmalige, gleich hohe Gutschrift. Die Höhe der Gutschrift von 50 Franken orientiert sich ­ wie bereits im Vorentwurf ­ am Gesamtbetrag der von 2010 bis 2015 bei den Haushalten erhobenen Mehrwertsteuer (165 Millionen Franken), zusätzlich Verzugszinsanteil seit Ende 2018 (17 Millionen Franken) und der voraussichtlichen Anzahl abgabepflichtiger Haushalte im Vergütungsjahr 2021 (182 Millionen Franken geteilt durch 3,6 Millionen abgabepflichtige Haushalte im Gutschriftsjahr).

Die pauschale Vergütung tritt an die Stelle einer individuellen Rückzahlung. Allfälligen Rückerstattungsansprüchen wird mit der Inkraftsetzung der vorgeschlagenen Regelung die Grundlage entzogen. Wer bereits vor der Inkraftsetzung dieser Rege-

8176

BBl 2019

lung ein Gesuch um Rückerstattung der Mehrwertsteuer eingereicht hat (derzeit rund 30 000 Personen), wird gleichbehandelt wie alle anderen Haushalte.

4.2

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Diese Vorlage sieht eine pauschale Vergütung an die Haushalte für vom Bund ohne Rechtsgrund in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerzahlungen im Zeitraum von 2010 bis 2015 vor. Die Höhe der Ausgleichszahlung des Bundes an die Empfänger von Anteilen des Abgabeertrags orientiert sich an der zwischen 2010 und 2015 erhobenen Mehrwertsteuer auf den Empfangsgebühren, zusätzlich Verzugszinsanteil seit Ende 2018.

Es entstehen keine zusätzlichen Personalkosten zulasten des Bundes. Die Leistungen werden innerhalb der Bundesverwaltung in erster Linie durch das BAKOM getragen.

4.3

Umsetzungsfragen

Für die Bereitstellung der Mittel aus der Bundeskasse und die Abläufe bei der Kompensation gegenüber den berechtigen Radio- und Fernsehveranstaltern sind die zuständigen Bundesbehörden unter Federführung des BAKOM verantwortlich.

Zur Erledigung der individuellen Gesuche von Unternehmen (vgl. Ziff. 1.2) wird das BAKOM ein einfaches Verfahren vorsehen und die Unternehmen entsprechend informieren.

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Art. 1

Grundsatz

Das Bundesgericht ordnete in vier Einzelfällen die Rückerstattung der Mehrwertsteuer auf den Radio- und Fernsehempfangsgebühren für die Zeit von 2010 bis 2015 an.8 Die Vorlage orientiert sich an dieser Zeitspanne. Der Anspruch auf Rückerstattung für die Mehrwertsteuer, die vor dem 1. Januar 2010 bezahlt wurde, ist gemäss Bundesgericht verjährt.

Die Haushalte, die eine Gutschrift erhalten werden, sind nicht zwingend identisch mit denjenigen, die zwischen 2010 und 2015 die Mehrwertsteuer auf der Empfangsgebühr bezahlt haben. Dies ergibt sich unter anderem als Folge des zwischenzeitlich erfolgten Systemwechsels von der geräteabhängigen Empfangsgebühr zur Abgabe für Radio und Fernsehen, die von jedem Haushalt zu entrichten ist. Von der einmaligen Gutschrift können demnach auch Haushalte profitieren, welche keine Empfangsgebühren bezahlt haben oder bei denen es zu Mutationen gekommen ist (z.B. Bezahlung nur von Radio- oder nur von Fernsehempfangsgebühren, Unterbre8

Urteil 2C_355/2017 vom 2. November 2018

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BBl 2019

chungen bei der Gebührenpflicht, neuer Haushalt etc.). Umgekehrt sind Fälle denkbar, in denen Personen, welche die Mehrwertsteuer auf den Empfangsgebühren in der massgeblichen Periode von 2010 bis 2015 bezahlt haben, diese nicht oder zumindest nicht unmittelbar vergütet bekommen. Dies zum Beispiel bei Auflösung des Haushalts nach April 2015 (Wegzug ins Ausland, Zusammenlegung von Haushalten, Eintritt in einen Kollektivhaushalt etc.).

Das RTVG verweist für die Definition der Privat- und Kollektivhaushalte auf die Gesetzgebung über die Registerharmonisierung9 (Art. 69a Abs. 2 RTVG und Art. 69c Abs. 2 RTVG).

Art. 2

Höhe, Form und Zeitpunkt der Vergütung

Trotz der im Vorentwurf noch nicht berücksichtigten Verzinsung der ohne Rechtsgrundlage eingenommenen Mehrwertsteuer wird die auf jeden einzelnen Haushalt entfallende pauschale Vergütung von 50 Franken nicht verändert. Dies weil die Prognose der gutschriftsberechtigten Haushalte nach den ersten Erfahrungen der Serafe AG von 3,4 auf knapp 3,6 Millionen (Stand 30. September 2019: 3,57 Millionen Haushalte) korrigiert werden muss. Teilt man den durch den Verzugszins erweiterten Mehrwertsteuerbetrag von 182 Millionen Franken durch 3,6 Millionen Haushalte, erhält man ­ unter Berücksichtigung einer kleinen Reserve für mögliche weitere Veränderungen bei der Zahl der berechtigten Haushalte ­ erneut eine Pauschale von 50 Franken pro Haushalt. Dieser Betrag entspricht auch dem politischen Willen der Vernehmlassungsteilnehmer: Er stiess auf weitgehende Zustimmung und wurde von den Konsumentenverbänden als Minimum bezeichnet.

Die pauschale Vergütung wird jedem Haushalt auf der ersten Rechnung gutgeschrieben, die er im Auszahlungsjahr erhält, unabhängig davon, ob eine Jahres- oder Dreimonatsrechnung zugestellt wird und wie lange der Haushalt bzw. die Abgabepflicht im Auszahlungsjahr besteht.

Das Auszahlungsjahr ist nicht zwingend identisch mit einem Kalenderjahr. Barauszahlungen sowie Gutschriften auf Post- und Bankkonten sind ausgeschlossen.

Art. 3

Ausschluss von Rückforderungsansprüchen

Eine pauschale Vergütung der Mehrwertsteuer an alle Haushalte ist nur effizient, wenn sie an die Stelle der individuellen Rückzahlung tritt. Nur so kann ein grosser, unverhältnismässiger Verwaltungsaufwand verhindert und Rechtssicherheit geschaffen werden.

Personen, die ein Rückerstattungsgesuch gestellt haben, erhalten dieselbe Pauschale wie alle andern, sofern sie im Vergütungsjahr abgabepflichtig sind. Ihre Gesuche werden von Gesetzes wegen hinfällig, in besonderen Einzelfallkonstellationen ist auch denkbar, dass sie ­ weil sie nicht mehr Mitglied eines Haushalts sind ­ gar keine Vergütung erhalten. Die Regelung in Artikel 3 wirkt sich auf sämtliche nicht rechtskräftig entschiedenen Rückzahlungsgesuche vor allen Rechtsinstanzen aus.

9

Bundesgesetz vom 23. Juni 2006 über die Harmonisierung der Einwohnerregister und anderer amtlicher Personenregister (Registerharmonisierungsgesetz, RHG, SR 431.02).

8178

BBl 2019

Auch allfälligen künftigen, mit der Mehrwertsteuer auf den Empfangsgebühren für privaten Empfang zusammenhängenden Forderungen wird mit der Inkraftsetzung dieses Gesetzes endgültig die Anspruchsgrundlage entzogen. Eine Durchsetzungsmöglichkeit ist damit auch nach dem Ausserkrafttreten dieses befristeten Gesetzes nicht mehr gegeben.

Für etliche der rund 30 000 Gebührenzahlenden, die aktiv ein Gesuch um Rückerstattung gestellt haben, dürfte die einmalige Gutschrift etwas unter dem Betrag liegen, den sie ohne die Pauschallösung erstreiten könnten. Dies ist aber im Sinn des Verhältnismässigkeitsprinzips in einem Massengeschäft mit gut 3,5 Millionen gutschriftsberechtigten Haushalten hinzunehmen, zumal es um Beträge im Bagatellbereich geht, wie aus der nachfolgenden Tabelle hervorgeht.

Tabelle Mehrwertsteuer auf den Radio- und Fernsehgebühren 2010-2015 Radio und TV Zeitraum

MWST-Satz

Monate

R+TV-Gebühr, inkl.

MWST

Bezahlte MWST

1.1.­31.12.2010

2.40 %

12

462.00

10.83

1.1.­31.12.2011

2.50 %

12

462.40

11.28

1.1.­31.12.2012

2.50 %

12

462.40

11.28

1.1.­31.12.2013

2.50 %

12

462.40

11.28

1.1.­31.12.2014

2.50 %

12

462.40

11.28

1.1.­31.03.2015

2.50 %

3

115.60

2.82

Total Radio+TV

58.77

Nur TV Zeitraum

MWST-Satz

Monate

TV-Gebühr, inkl.

MWST

1.1.­31.12.2010

2.40 %

12

293

6.87

1.1.­31.12.2011

2.50 %

12

293.25

7.15

1.1.­31.12.2012

2.50 %

12

293.25

7.15

1.1.­31.12.2013

2.50 %

12

293.25

7.15

1.1.­31.12.2014

2.50 %

12

293.25

7.15

1.1.­31.03.2015

2.50 %

3

73.31

1.79

Total nur TV

Bezahlte MWST

37.26 8179

BBl 2019

Nur Radio Zeitraum

MWST-Satz

Monate

R -Gebühr, inkl.

MWST

1.1.­31.12.2010

2.40 %

12

169.00

3.96

1.1.­31.12.2011

2.50 %

12

169.15

4.13

1.1.­31.12.2012

2.50 %

12

169.15

4.13

1.1.­31.12.2013

2.50 %

12

169.15

4.13

1.1.­31.12.2014

2.50 %

12

169.15

4.13

1.1.­31.03.2015

2.50 %

3

42.29

1.03

Total nur Radio

Bezahlte MWST

21.51

Die überwiegende Mehrheit der Haushalte hat hingegen keine Rückforderungsansprüche gegenüber dem Bund geltend gemacht. Sie wird mit Blick auf die Verjährung von der Gutschrift profitieren und mehr erhalten, als sie auf dem gerichtlichen Weg noch durchsetzen könnte.

Art. 4

Finanzierung

Als Folge der Gutschrift auf den Abgaberechnungen werden bei der Erhebung der Haushaltabgabe insgesamt maximal 185 Millionen Franken weniger eingenommen (unter Berücksichtigung einer Reserve von 3 Million Franken als Reserve für den Fall einer weiteren Zunahme der Privathaushalte). Entlang der gesamten Wertschöpfungskette, die unternehmens- und branchenübergreifend zu betrachten ist, geht der Nettoertrag aus allen Mehrwertsteuer-Abrechnungen im Endeffekt immer an den Bund. Dies ist auch dann der Fall, wenn branchenweise oder auch temporär Vorsteuerüberhänge an Steuersubjekte ausbezahlt werden, wie dies im Zusammenhang mit den Radio- und Fernsehempfangsgebühren der Fall war.

Das BAKOM rechnete als Steuersubjekt auf den jährlichen Gebühreneinnahmen (Umsatz im Sinne der Mehrwertsteuer) die Mehrwertsteuer ab. Dabei kam aufgrund des anwendbaren Mehrwertsteuerrechts der reduzierte Steuersatz von 2,4 bzw. 2,5 Prozent zur Anwendung. Systembedingt konnte das BAKOM die Mehrwertsteuer auf seinen Aufwänden (Gebührenverteilung), welche bei den Destinatären wiederum mit der Mehrwertsteuer belastet worden sind, als Vorsteuer in Abzug bringen. Der Saldo aus der Mehrwertsteuer auf den Gebühreneinnahmen (Umsatz) abzüglich der Vorsteuer wurde der ESTV überwiesen. Bestand ein Vorsteuerüberhang, wurde dieser durch die ESTV an das Steuersubjekt vergütet. Im konkreten Fall waren es Vorsteuerüberhänge, die dem BAKOM (Steuersubjekt) überwiesen wurden. Diese Beträge wies das BAKOM dem «Gebührentopf» (Total der an die Destinatäre zu überweisenden Gebührenanteile) zu. Das BAKOM hat die Gebührenanteile den Radio- und Fernsehveranstaltern überwiesen. Diese haben ihrerseits ihre Einnahmen (Umsatz) mit der ESTV abgerechnet; wiederum zum reduzierten Steuersatz von 2,4 bzw. 2,5 Prozent. Gleichzeitig konnten die Radio- und Fernsehveranstalter für die 8180

BBl 2019

Vorsteuer, welche ihnen ihre Lieferanten überwälzten, den Vorsteuerabzug geltend machen. Da die Lieferungen teilweise mit dem Normalsteuersatz von 7,6 bzw. 8,0 Prozent besteuert wurden, fiel der Vorsteuerabzug wiederum grösser aus als die Steuerschuld, woraus ein Vorsteuerüberhang zugunsten der Radio- und Fernsehveranstalter resultierte.

Dem Mehrwertsteuerprinzip des Netto-Allphasensystems mit Vorsteuerabzug folgend wurden somit die Gebühren auf dem Weg vom Gebührenzahler über das BAKOM zu den Destinatären und letztlich zu den Lieferanten der Destinatäre per Saldo (dank dem Vorsteuerabzug) nur einmal mit der Mehrwertsteuer belastet.

Der auf den Empfangsgebühren erhobene Mehrwertsteuerbetrag wurde in der Bundesrechnung vereinnahmt. Die Gutschrift für die Haushalte kann deshalb nicht zu Lasten der abgabefinanzierten Radio- und Fernsehveranstalter gehen. Deshalb werden die Mindereinnahmen von maximal 185 Millionen Franken aus allgemeinen Bundesmitteln ausgeglichen.

Art. 5

Referendum, Inkrafttreten und Geltungsdauer

Gemäss Artikel 141 Absatz 2 Buchstabe aquater des revidierten Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200210 ist eine Befristung von Erlassen zu prüfen. Im Sinne der angestrebten konstanten Bereinigung der Gesetzgebung ist dieses Gesetz auf drei Jahre befristet.

6

Auswirkungen auf den Bund und weitere Bereiche

Die Gutschriften an die Haushalte führen zu Mindererträgen aus der Haushaltabgabe von maximal 185 Millionen Franken. Der Bedarf der Abgabeempfänger ist deshalb im Vergütungsjahr nicht vollständig durch Abgabeerträge gedeckt. Zum Ausgleich dieser Mindererträge leistet der Bund gestützt auf diese Vorlage einen einmaligen Beitrag von maximal 185 Millionen Franken aus allgemeinen Bundesmitteln. Für die mit der Gutschrift verbundenen Aufwände der Erhebungsstelle und des BAKOM sind keine zusätzlichen Mittel aus der Bundeskasse erforderlich. Das BAKOM wird dies auf der Basis der bestehenden Mandate mit der Erhebungsstelle regeln. Sollten für die Umsetzung wider Erwarten Ausführungsbestimmungen notwendig sein, kann der Bundesrat diese gestützt auf Artikel 182 Bundesverfassung11 (BV) erlassen.

Es ist offensichtlich, dass die Vorlage keine spezifischen Auswirkungen auf Kantone, Gemeinden, urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete oder auf die Volkswirtschaft, Gesellschaft und Umwelt hat. Die entsprechenden Fragen wurden daher nicht vertieft untersucht.

Auf einen besonderen Aspekt ist der Vollständigkeit halber hinzuweisen: Diejenigen Kantone und Gemeinden, welche die Mehrwertsteuer auf der Empfangsgebühr bezahlt haben, werden wie Unternehmen behandelt und können allfällige Rückforderungsansprüche im Einzelfall geltend machen.

10 11

SR 171.10 SR 101

8181

BBl 2019

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Die Grundlagen für den Erlass dieses Gesetzes bilden die Artikel 93 und 130 BV.

Das Gesetz bezieht sich auf Sachverhalte, welche sich deutlich vor seiner voraussichtlichen Inkraftsetzung ereignet haben. Seit April 2015 wird die Mehrwertsteuer auf den Empfangsgebühren nicht mehr erhoben. Die vorgesehene Regelung kann je nach Konstellation zu einer echten Rückwirkung führen, insbesondere indem Rückerstattungsansprüche, die nach der Rechtsprechung bestehen, beseitigt oder durch einen unter Umständen etwas niedrigeren Pauschalanspruch ersetzt werden. Wer zum Zeitpunkt der Gutschrift keine Abgaberechnung erhält, geht leer aus. Auch wenn in den meisten Konstellationen höchstens eine unechte Rückwirkung resultiert (vgl. die Botschaft vom 15. Februar 2012 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung, betreffend die Korrektur der zwischen 1996 und 2011 bezahlten Prämien12,), muss die Gesamtregelung die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine echte Rückwirkung erfüllen. Diese ist hier gewollt. Der Bund will die Grundlage für eine pauschale Vergütung der Mehrwertsteuer schaffen, die er von 2010 bis 2015 erhoben hat.

Zwar geht die echte Rückwirkung hier zeitlich weit über die in der Regel als noch zulässig betrachtete Dauer von einem Jahr hinaus. Aufgrund der besonderen Natur dieser Vorlage rechtfertigt es sich aber, den hinter dem Kriterium der zeitlichen Mässigkeit stehenden Verhältnismässigkeitsgrundsatz (Art. 5 Abs. 2 BV) auf einer allgemeineren Ebene anzuwenden. Aus dieser Warte erscheint der Ersatz individueller Forderungen durch eine pauschale Vergütung nicht als unverhältnismässig: Keine andere Option führt zu einem vergleichbaren, vernünftigen Verhältnis zwischen den Abwicklungskosten und dem angestrebten Ziel (vgl. Ziff. 1.2).

Die in Ziff. 1.2 dargelegten Gründe für die vorgeschlagene Pauschallösung begründen auch das überwiegende öffentliche Interesse an einer Rückwirkung. Die meisten Haushalte werden profitieren, da sie kein Gesuch einreichen und den Anspruch nicht belegen müssen. Ausserdem müssen sie sich auch eine allfällige Verjährung ihrer Ansprüche nicht entgegenhalten lassen. Die administrativen Kosten für die Rückerstattung der Mehrwertsteuer können minimiert werden.

Es ist unvermeidlich, dass eine einfache und effiziente Pauschallösung, die notwendigerweise einen
gewissen Schematismus aufweist, nicht jedem Einzelfall völlig gerecht werden kann. Die pauschale Vergütung entspricht zwar nicht dem jeder einzelnen Personen genau zustehenden Betrag, doch geht es hier um Bagatellbeträge. Weiter ist es nach Rechtsgleichheitskriterien vertretbar, die Gleichbehandlung aller Empfängerinnen und Empfänger der pauschalen Vergütung daran anzuknüpfen, wer im Zeitpunkt der Vergütung zur Gruppe der Abgabepflichtigen gehört, die im Grossen und Ganzen der Gesamtbevölkerung entspricht. Insgesamt kann das Kriterium, wonach bei einer Rückwirkung keine stossenden Rechtsungleichheiten resultieren dürfen, als erfüllt betrachtet werden. Dass die Unternehmen nicht in die Pauschallösung einbezogen werden, ihre individuellen Ansprüche aber nicht verlieren, 12

BBl 2012 1923, Ziff. 5.1

8182

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lässt sich unter Gleichbehandlungsgrundsätzen ebenfalls nicht beanstanden (vgl.

Ziff. 1.2).

Wohlerworbene Rechte stehen der vorgeschlagenen Pauschallösung keine entgegen.

Zusammengefasst ergibt sich, dass die Voraussetzungen für eine Rückwirkung gegeben sind und die vorgeschlagene Pauschallösung verfassungsrechtlich zulässig ist.

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage steht in keinem Spannungsverhältnis zum zwingenden Völkerrecht.

7.3

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Gutschriften an die Haushalte sollen nicht zu Lasten der Begünstigten aus der Abgabe (Radio- und Fernsehveranstalter, Nutzungsforschung etc.) gehen, weshalb die daraus resultierenden Mindereinnahmen aus allgemeinen Bundesmitteln ausgeglichen werden.

Subventionsbestimmungen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, bedürfen gemäss Artikel 159 BV der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder jedes der beiden Räte (Ausgabenbremse). Artikel 4 des Gesetzesentwurfs untersteht daher der Ausgabenbremse.

7.4

Datenschutz

Die pauschale Gutschrift auf einer künftigen Haushaltabgaberechnung wird durch die Erhebungsstelle (Serafe AG) veranlasst. Diese ist bei der Erfüllung ihres ordentlichen Inkassomandats an die Datenschutzbestimmungen gebunden (vgl.

Art. 69f RTVG13). Zusätzliche Anforderungen an den Datenschutz sind nicht angezeigt.

13

SR 784.40

8183

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