19.043 Botschaft zum Bundesgesetz über die Bekämpfung des missbräuchlichen Konkurses (Änderung, des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs, des Obligationenrechts, des Strafgesetzbuches, des Militärstrafgesetzes und des Strafregistergesetzes) vom 26. Juni 2019

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Bundesgesetzes über die Bekämpfung des missbräuchlichen Konkurses (Änderung des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes, des Obligationenrechts, des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Strafregistergesetzes).

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2011

M 11.3925

Missbrauch des Konkursverfahrens verhindern (S 29.09.11, Hess; N 28.02.12)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

26. Juni 2019

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2019-1022

5193

Übersicht Der Entwurf des Bundesrates verfolgt das Ziel, mit verschiedenen Massnahmen im Obligationenrecht, im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht und im Strafrecht zu verhindern, dass das Konkursverfahren von Schuldnerinnen und Schuldnern dazu missbraucht wird, sich ihrer Verpflichtungen zu entledigen.

Das Konkursrecht wird heute immer wieder dazu missbraucht, Konkurrentinnen und Konkurrenten zu unterbieten und Gläubigerinnen und Gläubiger zu schädigen.

Dabei wird ein Konkursverfahren bewusst in Kauf genommen, um Verpflichtungen nicht erfüllen zu müssen und diese den Sozialversicherungen, die für einen Teil der Ausfälle aufkommen müssen, aufzubürden. Das Konkursrecht lässt es zu, dass Unternehmerinnen und Unternehmer unmittelbar nach dem Konkurs ihrer Gesellschaft ein neues Unternehmen gründen können. Dabei übernehmen sie unter Umständen die bisherigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Arbeitsgeräte, um anschliessend neue Gläubigerinnen und Gläubiger und erneut die Sozialversicherungen auf die gleiche Art und Weise zu schädigen.

Das Konkursrecht und das Strafrecht stellen zwar bereits heute verschiedene Mittel zur Verfügung, um solche Missbräuche zu ahnden. Allerdings zeigt sich, dass in verschiedenen Bereichen die faktischen und rechtlichen Hürden für Gläubigerinnen und Gläubiger und Behörden zu hoch sind und deshalb auf eine konsequente Rechtsdurchsetzung selbst in offensichtlich missbräuchlichen Fällen verzichtet wird.

Der Bundesrat hat in den vergangenen Jahren im Rahmen verschiedener anderer Projekte zahlreiche Massnahmen vorgeschlagen, die missbräuchliche Konkurse und Gläubigerschädigungen verhindern sollen. Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf werden diese durch weitere Einzelmassnahmen ergänzt, um damit die Situation weiter zu verbessern.

Das Kernstück der Vorlage bildet die Verbesserung der Durchsetzbarkeit des strafrechtlichen Tätigkeitsverbotes, das es dem Gericht erlaubt, jemandem die Ausübung einer Funktion in einem Unternehmen zu verbieten. Hierzu soll eine Brücke zwischen Strafrecht und Handelsregisterrecht geschlagen werden, die es den Handelsregisterämtern ermöglicht, für den Vollzug der Tätigkeitsverbote im Handelsregister zu sorgen.

Ergänzend soll durch präventive Massnahmen die Gefahr von missbräuchlichen Konkursen verringert werden: Im Handelsregister soll der
Öffentlichkeit eine Personensuche ermöglicht werden. Es soll ersichtlich sein, welche Funktionen die gesuchte Person in welchen Unternehmen hat oder hatte. Weiter soll die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Verbot des Mantelhandels kodifiziert und die Möglichkeit des rückwirkenden Opting-out gestrichen werden. Schliesslich sollen im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht die Gläubigerinnen und Gläubiger für Forderungen aus öffentlichem Recht wählen können, ob eine Betreibung auf Pfändung oder auf Konkurs fortgesetzt wird.

5194

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Handlungsbedarf und Ziele

1.1.1

Motion Hess vom 29. September 2011 «Missbrauch des Konkursverfahrens verhindern»

Am 5. Dezember 2011 (Ständerat) und am 28. Februar 2012 (Nationalrat) nahmen die Räte die Motion 11.3925 Hess vom 29. September 2011 «Missbrauch des Konkursverfahrens verhindern» ohne Gegenstimme an. Mit der Motion wurde der Bundesrat beauftragt, «die rechtlichen Grundlagen dafür zu schaffen, dass Personen das Konkursverfahren nicht mehr dazu missbrauchen können, sich ihrer Verpflichtungen zu entledigen».

In der Begründung hielt der Motionär Folgendes fest: «Die Praxis zeigt, dass es immer wieder Fälle gibt, in denen der Konkurs einer Gesellschaft dazu benutzt wird, um bestehende Schulden loszuwerden und Löhne nicht bezahlen zu müssen. Kurze Zeit nach dem Konkurs wird dann eine neue Gesellschaft gegründet, die Arbeitnehmenden werden neu eingestellt und unter Umständen auch die Produktionsanlagen oder Warenlager billig aus der alten Konkursmasse herausgekauft. Auf diese Weise schädigen die betreffenden Personen ihre Gläubiger und verschaffen sich zugleich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Konkurrenten. Hinzu kommt, dass die Arbeitslosenkasse den Angestellten über die Insolvenzentschädigung die ausstehenden Monatslöhne vor dem Konkurs bezahlen muss; werden die Arbeitnehmenden anschliessend bei einer neuen Gesellschaft des Konkursiten angestellt, erhält sie dieses Geld nicht mehr zurück. Auch dies führt zu einer Wettbewerbsverzerrung und stellt zugleich einen Missbrauch von Steuergeldern dar.» Die Rechtskommission des Ständerates begründete ihren Antrag auf Zustimmung zur Motion mit folgenden Erwägungen: «Die Kommission ist sich bewusst, dass die vom Motionär beschriebenen Missbräuche des Konkursverfahrens leider der Realität entsprechen: Praktiken wie Flucht vor vertraglichen Verpflichtungen, Missbrauch von Insolvenzentschädigungen und Rückkauf der Überbleibsel der konkursiten Gesellschaft für einen Pappenstiel kommen bedauerlicherweise nur allzu häufig vor. Die Folgen sind in der Tat Wettbewerbsverzerrungen und Einbussen bei den öffentlichen Kassen. Aus diesem Grund beantragt die Kommission ohne Gegenstimme, dem Bundesrat und dem Ständerat zu folgen und die Motion anzunehmen. Die Kommission geht mit dem Bundesrat (AB 2011 S. 1054) einig, dass es nicht einfach sein wird, eine Lösung zu finden, wie Missbräuche des Konkursverfahrens verhindert werden können. Die Abhilfemassnahmen (strafrechtliche Sanktionen, Verbot von Neugründungen usw.) sind 5195

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mit Bedacht anzuwenden. Die Bekämpfung des Missbrauchs ist zwar ein wichtiges Ziel, darf aber nicht absolute Priorität haben: Viele Konkurse sind weder missbräuchlich noch nur verschuldet und die betroffenen Personen müssen das Anrecht auf eine «zweite Chance» haben. Bei der Umsetzung dieser Motion ist deshalb besonders darauf zu achten, dass die verschiedenen Interessen vernünftig gegeneinander abgewogen werden. Die im Ausland bestehenden Lösungen sollen als Anregung dienen, müssen aber zweifellos den Gegebenheiten unseres Landes angepasst werden, dies vor allem, um den wirtschaftskulturellen Unterschieden Rechnung zu tragen (Definition des Missbrauchs, gesellschaftliche Beurteilung des Konkurses, Anrecht auf eine «zweite Chance» usw.).»1

1.1.2

Das Problem der missbräuchlichen Konkurse

Hintergrund der Motion sind Fälle, in denen das Konkursrecht dazu missbraucht wird, Konkurrentinnen und Konkurrenten zu unterbieten und Gläubigerinnen und Gläubiger zu schädigen. Dabei wird ein Konkursverfahren bewusst in Kauf genommen, um Verpflichtungen nicht erfüllen zu müssen und diese den Sozialversicherungen ­ insbesondere der Insolvenzversicherung ­ aufzubürden. Das Konkursrecht erlaubt es dabei den fehlbaren Unternehmerinnen und Unternehmer grundsätzlich, sofort wieder ein neues Unternehmen zu gründen, dabei unter Umständen die bisherigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Arbeitsgeräte zu übernehmen, und anschliessend Sozialversicherungen sowie neue Gläubigerinnen und Gläubiger auf die gleiche Art und Weise erneut zu schädigen.

Das Konkursrecht und das Strafrecht stellen zwar bereits heute verschiedene Mittel zur Verfügung, um solche Missbräuche zu ahnden. Allerdings zeigt sich, dass in verschiedenen Bereichen die faktischen und rechtlichen Hürden für Gläubigerinnen und Gläubiger und Behörden zur Rechtsdurchsetzung zu hoch sind und deshalb auf eine konsequente Rechtsverfolgung selbst in offensichtlich missbräuchlichen Fällen verzichtet wird. Generell scheitert die Verfolgung von Konkursmissbräuchen weniger an den fehlenden rechtlichen Grundlagen als an der ­ nachvollziehbaren ­ fehlenden Bereitschaft der Geschädigten, weitere finanzielle Risiken in Form von Zivilprozessen einzugehen oder aufwendige Strafanzeigen zu verfassen.

1.1.3

Missbräuchliche Konkurse in Zahlen

In der Schweiz werden mehr als 15 000 Konkurse pro Jahr eröffnet. Wie viele dieser Konkurse als missbräuchlich zu qualifizieren sind, vermag die Statistik nicht zu sagen. Ein Indiz für eine zumindest wohl zu späte Anrufung des Konkursrichters gibt die Anzahl mangels Aktiver eingestellter Konkurse: Gemäss Ernst & Young (Studie von 2009) werden 41,4 Prozent der Konkursverfahren mangels Aktiven eingestellt. Gemäss der Staatsanwaltschaft Zürich gibt es pro Jahr nur eine einstellige Anzahl strafrechtlich verfolgter Konkursfälle. Die Anzahl strafrechtlicher Verurtei1

Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats vom 2. Febr. 2012.

5196

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lungen im Bereich der einschlägigen Konkursdelikte zeigt einen stetigen, jedoch moderaten Anstieg an Verurteilungen.

1.2

Gewählte Lösung und geprüfte Alternativen

Das Phänomen der missbräuchlichen Konkurse ist seit längerer Zeit bekannt, und der Handlungsbedarf ist grundsätzlich unbestritten. Schwieriger ist es dagegen, konkrete Massnahmen vorzusehen, mit denen das Problem wirksam bekämpft werden kann, ohne dass sich unerwünschte Nebeneffekte einstellen, welche die wirtschaftliche Tätigkeit behindern oder sogar unterbinden. Es muss nach wie vor zulässig sein können, mit einer Geschäftsidee zu scheitern. Allein die Tatsache, dass jemand mit einem Unternehmen in einen Konkurs gerät, soll keine rechtlichen Nachteile für die Zukunft nach sich ziehen, namentlich kein Verbot, erneut ein Unternehmen zu gründen oder zu führen. Dies entspricht dem Grundgedanken der freien Marktwirtschaft.

Die Schwierigkeit für den Gesetzgeber besteht nun darin zu definieren, wann ein Konkurs als missbräuchlich anzusehen ist und diese missbräuchlichen Konkurse zu identifizieren. Aufgrund der grossen Zahl von Konkursverfahren ist es nicht möglich, in jedem Einzelfall zu beurteilen, ob und aus welchem Grund der Konkurs missbräuchlich ist oder nicht. Bei der einzelfallweisen Betrachtung könnte es aufgrund allfällig ergriffener Rechtsmittel zu einer grossen Zunahme von Verwaltungsund Gerichtsverfahren kommen. Es ist deshalb erforderlich, nach einfacheren, objektiven Kriterien zu suchen, um zwischen dem zulässigen Konkurs und dem eigentlichen Missbrauch zu unterscheiden. Dabei bietet es sich an, auf die bereits bestehenden Instrumente zurückzugreifen, namentlich auf das Strafrecht. Artikel 67 des Strafgesetzbuches (StGB)2 regelt das sogenannte Tätigkeitsverbot: Das Gericht kann im Rahmen einer strafrechtlichen Verurteilung unter gewissen Voraussetzungen einer Person bestimmte Tätigkeiten verbieten. Die vorausgesetzte strafrechtliche Verurteilung schafft so den objektiven Filter, um die Grenze zwischen missbräuchlichen und nicht missbräuchlichen Konkursen festzulegen.

Um dieses Konzept zu stärken, werden zwei konkrete Massnahmen vorgeschlagen: Einerseits sollen die Konkursämter dazu angehalten werden, in allen Konkursfällen, in denen Hinweise auf eine Straftat vorliegt, eine entsprechende Strafanzeige zu erstatten. Dies kann durch eine Weisung der Dienststelle Oberaufsicht für Schuldbetreibung und Konkurs, die beim Bundesamtamt für Justiz angegliedert ist, erreicht werden. Damit sollen
diejenigen Fälle, in denen es zu einer strafrechtlich relevanten Handlung gekommen ist, auch tatsächlich verfolgt werden. Neue Straftatbestände müssen dafür nicht geschaffen werden, das bestehende Instrumentarium erscheint als ausreichend. Kommt es zu einer Verurteilung, ist darauf zu achten, dass jeweils auch die Anordnung eines strafrechtlichen Tätigkeitsverbots zumindest geprüft wird.

Andererseits soll die bessere Durchsetzung der angeordneten strafrechtlichen Tätigkeitsverbote durch verschiedene neue Bestimmungen gefördert werden. Mit einer letztlich geringfügigen Intervention werden mit diesen Massnahmen die wirklich 2

SR 311.0

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missbräuchlichen Fälle identifiziert, und es wird verhindert, dass die betroffenen Personen in der Zukunft weitere Schädigungen verursachen.

Ergänzend schlägt der Bundesrat verschiedene Massnahmen vor, mit denen die Gefahr von missbräuchlichen Konkursen weiter verringert wird, namentlich die Einführung der Möglichkeit, im Handelsregister eine Personensuche zu tätigen, die Kodifikation der Nichtigkeit des Mantelhandels sowie die Abschaffung des rückwirkenden Opting-out. Schliesslich soll mit der Revision von Artikel 43 des Bundesgesetzes vom 11. April 18893 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) den Gläubigerinnen und Gläubigern, die bislang nur auf Pfändung betreiben konnten, in Zukunft die Möglichkeit verschafft werden, ein überschuldetes Unternehmen in ein Konkursverfahren zu zwingen. Damit wird verhindert, dass ein überschuldetes Unternehmen weitere Verbindlichkeiten eingehen kann und so zusätzliche Gläubigerinnen und Gläubiger zu Schaden kommen.

Der Bundesrat hat in den vergangenen Jahren im Rahmen verschiedener Projekte Massnahmen vorgeschlagen, von denen er sich ebenfalls eine Wirkung erhofft, um missbräuchliche Konkurse und Gläubigerschädigungen zu verhindern. Mit dem vorliegenden Entwurf werden nun in Ergänzung zu den bereits in die Wege geleiteten Änderungen weitere Einzelmassnahmen vorgeschlagen, mit denen die Situation verbessert werden soll.

1.3

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

1.3.1

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 27. Januar 20164 zur Legislaturplanung 2015­2019 noch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 20165 über die Legislaturplanung 2015­2019 angekündigt. Die Vorlage wurde zur Umsetzung der Motion 11.3925 Hess vom 29. September 2011 «Missbrauch des Konkursverfahrens verhindern» ausgearbeitet.

1.3.2

Verhältnis zu Strategien des Bundesrates

Die E-Government-Strategie Schweiz6 hat sich zum Ziel gesetzt, mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) Wirtschaft und Bevölkerung von besseren Dienstleistungen und einer effizienteren Verwaltung profitieren zu lassen.

E-Government dient dabei dem elektronischen Verkehr zwischen den Behörden und externen Anspruchsgruppen.

3 4 5 6

SR 281.1 BBl 2016 1105 BBl 2016 5183 www.egovernment.ch > Umsetzung > Strategie

5198

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Die Verknüpfung des Strafregisters mit den zentralen Datenbanken des Handelsregisters zur Durchsetzung von Tätigkeitsverboten fügt sich in diese Strategie ein, die gemeinsam vom Bund, den Kantonen und Gemeinden verfolgt wird. Zudem ist sie im Einklang mit dem Ziel, dass die Behörden ihre Geschäftsprozesse modernisieren und untereinander elektronisch verkehren.

Auch die Einführung der Personensuche im Handelsregister verfolgt Ziele dieser Strategie, indem der Öffentlichkeit auf elektronischem Weg Zugang zu den gesammelten Daten ermöglicht wird und die Abfrage der Daten unbürokratisch mittels einer Internetsuche erfolgen kann.

1.4

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Die Motion 11.3925 Hess vom 29. September 2011 «Missbrauch des Konkursverfahrens verhindern» wird mit der vorliegenden Vorlage weitgehend umgesetzt. Verschiedene Aspekte der Motion wurden bereits in anderen Rechtsetzungsprojekten berücksichtigt. Die Motion kann abgeschrieben werden.

1.5

Vom Parlament noch nicht behandelte Vorstösse

Seit der Durchführung der Vernehmlassung sind im Parlament weitere Vorstösse eingereicht worden, die sich mit dem gleichen Thema befassen: ­

Motion 16.4017 Bourgeois vom 14.12.2016 «Möglichkeit, die Wiedereintragung in das Handelsregister zu verweigern»;

­

Motion 17.3758 Pardini vom 27.09.2017 «Stopp den Kettenkonkursen.

Handel mit überschuldeten Gesellschaften erschweren»;

­

Motion 17.3759 Schwaab vom 27.09.2017 «Ein Ende für die missbräuchlichen Konkurse. Den Meistern der organisierten Insolvenz das Handwerk legen»;

­

Motion 17.3760 Feller vom 27.09.2017 «Unmittelbarer Haftungsanspruch gewöhnlicher Gläubiger gegenüber der Geschäftsleitung eines Unternehmens, das ihnen Schaden verursacht»;

­

Motion 18.3991 Roduit vom 27.09.2018 «Den Handlungsspielraum für die Handelsregisterämter vergrössern»;

­

Motion 18.3993 Roduit vom 27.09.2018 «Mehrfachkonkursen einen Riegel schieben».

Der Bundesrat hat in seinen Stellungnahmen zu diesen Vorstössen jeweils auf die laufenden Arbeiten zu dieser Vorlage hingewiesen. Mit der Vorlage werden auch die in den noch nicht behandelten Vorstössen beantragten Massnahmen weitgehend umgesetzt oder nach eingehender Prüfung verworfen.

5199

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2

Vorverfahren

2.1

Vernehmlassungsvorlage

Der Bundesrat eröffnete am 22. April 2015 ein Vernehmlassungsverfahren über eine Änderung des SchKG. Der Vorentwurf enthielt eine Reihe von Vorschlägen, die primär darauf ausgerichtet waren, faktische und rechtliche Hürden, welche geschädigte Gläubigerinnen und Gläubiger bei der Rechtsdurchsetzung gegen eine konkursite Schuldnerin oder einen konkursiten Schuldner vorfinden, zu beseitigen oder zu senken. Die Vorlage wies folgende zwei Kernelemente auf: ­

Öffentlich-rechtlichen Gläubigerinnen und Gläubigern, beispielsweise Steuerverwaltungen oder Sozialversicherungen sollte es erlaubt werden, einen Konkursantrag zu stellen. Nach geltendem Recht (Art. 43 Abs. 1 Ziff. 1 und 1bis SchKG) ist ihnen dies verwehrt, wodurch andere Gläubigerinnen und Gläubiger den Konkursantrag stellen und das damit einhergehende Kostenrisiko tragen müssen.

­

Die Mitglieder des obersten Verwaltungsorgans einer konkursiten Gesellschaft sollten grundsätzlich für die ungedeckten Kosten eines Konkursverfahrens persönlich und solidarisch haften. Weiterhin soll aber die antragsstellende Gläubigerin oder der antragstellende Gläubiger vorschusspflichtig bleiben. Ihr oder ihm sollte für einen allfälligen Ausfall ein Regressrecht zustehen.

Das Vernehmlassungsverfahren dauerte bis zum 14. August 2015. Stellung genommen haben 26 Kantone, 4 politische Parteien und 36 Organisationen sowie weitere Teilnehmende.

2.2

Zusammenfassung der Vernehmlassungsergebnisse

Die vorgeschlagene Revision des SchKG wurde in der Vernehmlassung kontrovers aufgenommen.7 Die Zielsetzung der Vorlage, missbräuchliche Konkurse zu verhindern, wurde zwar generell begrüsst. Viele der vorgeschlagenen Massnahmen wurden aber als ungenügend, untauglich oder ausserhalb des Missbrauchskontextes gar als schädlich beurteilt. Auf Kritik gestossen ist insbesondere der Vorschlag, öffentlichrechtlichen Gläubigerinnen und Gläubigern zu erlauben, ein Konkursbegehren zu stellen. Der Vorschlag, wonach die Mitglieder des obersten Verwaltungsorgans einer konkursiten Gesellschaft künftig persönlich und solidarisch für die ungedeckten Kosten eines Konkursverfahrens haften sollen, stiess ebenfalls auf Kritik.

7

www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2015 > EJPD

5200

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2.3

Würdigung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Angesichts der relativ breiten Kritik am Vorentwurf und den diversen vorgeschlagenen Alternativen wurden die gewählten Ansätze noch einmal grundsätzlich überprüft. Daraufhin hat der Bundesrat entschieden, die Vorlage neu auszurichten und einerseits auf verschiedene Teile des Vorentwurfs zu verzichten und andererseits eine Reihe neuer Massnahmen in die Vorlage aufzunehmen. Die Vernehmlassung hat deutlich gemacht, dass die solidarische Kostentragungspflicht für die Mitglieder des obersten Leitungs- und Verwaltungsorgans in der Umsetzung kompliziert und aufwendig sein würde, ohne dass damit die angestrebten Ziele erreicht würden.

Dieser Vorschlag erscheint damit politisch kaum mehrheitsfähig.

Zahlreiche Vernehmlassungsteilnehmende schlugen Alternativen vor. Die im Rahmen einer anderen Vorlage in Aussicht gestellte Verbesserung der Information über «Konkursreiter» wurde begrüsst. Auch wurde die Ansicht geäussert, dass aufgrund beschränkter Möglichkeiten im Rahmen des Verfahrensrechts als «ultima ratio» Anpassungen im Strafrecht ins Auge gefasst werden müssten. In der Vernehmlassung wurde zudem von verschiedener Seite die Einführung eines Tätigkeitsverbots für die Organe konkursiter Gesellschaften gefordert. Mit der vorgeschlagenen Stärkung der bestehenden strafrechtlichen Instrumente kommt der Bundesrat diesem Anliegen nach, ohne dass übermässig in die Wirtschaftsfreiheit eingegriffen wird.

Schliesslich wird auch dem Ruf nach einem Ausbau präventiver Massnahmen Rechnung getragen, indem eine Personensuche im Handelsregister ermöglicht und die Nichtigkeit des Mantelhandels gesetzlich geregelt wird.

Gemäss Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 20058 (VlG) kann auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet werden, wenn keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind, weil die Positionen der interessierten Kreise bekannt sind, insbesondere weil über den Gegenstand des Vorhabens bereits eine Vernehmlassung durchgeführt worden ist. Der Entwurf entspricht teilweise dem Vorentwurf und übernimmt diverse Anträge der Vernehmlassungsteilnehmerinnen und Vernehmlassungsteilnehmer. Gleichzeitig berücksichtigt der Entwurf die Anliegen mehrerer parlamentarischer Vorstösse zum gleichen Thema, die nach der Vernehmlassung eingereicht wurden. Deshalb wurde auf die Durchführung einer weiteren Vernehmlassung zum vorliegenden Entwurf verzichtet.

3

Grundzüge der Vorlage

3.1

Die beantragte Neuregelung

3.1.1

Durchsetzung des Tätigkeitsverbots verbessern

Das Kernstück des vorliegenden Entwurfs bildet die Verbesserung der Durchsetzung des strafrechtlichen Tätigkeitsverbots.

8

SR 172.061

5201

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Damit es zu einer strafrechtlichen Verurteilung kommen kann, sollen die Konkursämter angehalten werden, in allen Konkursfällen, in denen Hinweise auf strafbare Handlungen vorliegen, eine Strafanzeige zu erstatten. Hierfür ist keine Anpassung des Gesetzes erforderlich. Das Ziel kann durch eine Weisung der Dienststelle Oberaufsicht für Schuldbetreibung und Konkurs, die beim Bundesamt für Justiz angegliedert ist, erreicht werden.

Kommt es zu einer Verurteilung, kann das Gericht gestützt auf die geltenden Artikel 67 StGB, Artikel 50 des Militärstrafgesetzes vom 13. Juni 19279 (MStG) und Artikel 16a Absatz 1 des Jugendstrafgesetzes vom 20. Juni 200310 (JStG) der Täterin oder dem Täter die Ausübung einer bestimmten beruflichen oder ausserberuflichen Tätigkeit für eine gewisse Zeit untersagen. Ein Tätigkeitsverbot kann auch aufgrund eines Konkurs- oder Betreibungsdeliktes angeordnet werden.

Gestützt auf Artikel 67a Absatz 2 StGB sind grundsätzlich alle Tätigkeitsverbote nach Artikel 67 Absätze 1 bis 4 StGB handelsregisterrelevant, denn sie umfassen in jedem Fall «die Tätigkeiten, welche die Täterin oder der Täter selbstständig, als Organ einer juristischen Person oder Handelsgesellschaft, als Beauftragte oder Beauftragter oder als Vertreterin oder Vertreter einer anderen Person ausübt oder durch eine weisungsabhängige Person ausüben lässt».

Das Verbot, sich beispielsweise als Ärztin oder Arzt, Lehrerin oder Lehrer oder Vermögensberaterin oder Vermögensberater zu betätigen, umfasst immer auch das Verbot, in diesen Bereichen Organ einer juristischen Person oder Handelsgesellschaft zu sein. Sofern die Täterin oder der Täter noch keine solche Funktion innehat, wird ihr oder ihm diese für die Dauer des Tätigkeitsverbots untersagt.

Nach Artikel 67a Absatz 2 StGB ist das Tätigkeitsverbot auf Situationen ausgerichtet, in denen die Täterin oder der Täter die Tätigkeit selbstständig, ohne Weisungen und Kontrollen einer Aufsichtsperson, ausübt. Nur wenn die Gefahr besteht, dass die Täterin oder der Täter ihre oder seine Tätigkeit auch dann zur Begehung von Straftaten missbraucht, wenn sie oder er sie nach Weisungen und unter Kontrolle ausübt, wird dieser Person die Tätigkeit ganz untersagt (Art. 67a Abs. 3 StGB). Tätigkeitsverbote aufgrund bestimmter Sexualstraftaten nach Artikel 67 Absätze 3 und 4 StGB umfassen
immer die ganze Tätigkeit.

Vor diesem Hintergrund ist das Verbot, «Organ einer juristischen Person oder Handelsgesellschaft» zu sein, zu eng gefasst. Es gibt verschiedenste Funktionen mit selbstständigen Tätigkeiten in einer Unternehmung, die nicht unbedingt von Organen wahrgenommen werden müssen. Zu nennen sind beispielsweise die Funktion der Direktorin oder des Direktors, der Geschäftsführerin oder des Geschäftsführers, der Leiterin oder des Leiters einer Zweigniederlassung oder Personen mit Unterschriftsberechtigung oder Prokura. Der Begriff der Selbstständigkeit ist dabei weit auszulegen.

Nicht alle diese Funktionen mit einer selbstständigen Tätigkeit müssen im Handelsregister eingetragen werden. Sie fallen als selbstständige Tätigkeiten trotzdem unter das Verbot. Andererseits kann man davon ausgehen, dass alle im Handelsregister 9 10

SR 321.0 SR 311.1

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eingetragenen Funktionen selbstständige Tätigkeiten im Sinne von Artikel 67a Absatz 2 StGB umfassen und vom Tätigkeitsverbot erfasst werden. Die Publizitätswirkung des Handelsregisters bringt für Dritte zum Ausdruck, dass eine Person für eine Rechtseinheit handeln und diese gegen aussen vertreten kann und somit eine gewisse selbstständige Vertretungsmacht hat.

Es wird daher vorgeschlagen, den Umfang des Tätigkeitsverbots nach Artikel 67a Absatz 2 StGB zu präzisieren: Das Verbot soll für jede Tätigkeit gelten, die in einer Funktion ausgeübt wird, die im Handelsregister einzutragen ist. Eine analoge Präzisierung wird für das Tätigkeitsverbot nach Artikel 50a Absatz 2 MStG vorgeschlagen, wenn auch dessen Bedeutung zur Verhinderung des Missbrauchs des Konkursverfahrens eher gering ist.

Das Tätigkeitsverbot nach Artikel 16a Absatz 1 JStG wird hingegen nicht angepasst.

Dieses Tätigkeitsverbot ist bewusst offen formuliert, um den Jugendstrafbehörden einen möglichst grossen Ermessensspielraum zu geben. So wird nicht zwischen selbstständiger und unselbstständiger Tätigkeit unterschieden und die Tätigkeit als Organ einer juristischen Person wird nicht erwähnt. Von einer Präzisierung, wie sie für Artikel 67a Absatz 2 StGB und Artikel 50a Absatz 2 MStG vorgeschlagen wird, soll daher abgesehen werden. Das Tätigkeitsverbot nach Artikel 16a Absatz 1 JStG ist jedoch in Bezug auf das Handelsregister nicht ohne Bedeutung. Es soll daher auch von den Neuerungen im Handelsregisterrecht und im Strafregisterrecht erfasst werden.

Um sicherzustellen, dass keine Person im Handelsregister eingetragen bleibt, wenn ihre Funktion mit einem Tätigkeitsverbot unvereinbar ist, soll die Oberaufsichtsbehörde des Bundes über das Handelsregister, das Eidgenössische Amt für das Handelsregister (EHRA), entsprechende Prüfpflichten erhalten. Ein effizientes Meldeverfahren soll ferner gewährleisten, dass sich diese Überprüfung mit vernünftigem Aufwand umsetzen lässt.

Bei Verdacht auf eine Verbotsverletzung informiert das EHRA aufgrund von Artikel 22a des Bundespersonalgesetzes vom 24. März 200011 (BPG) auch die Strafverfolgungsbehörden. Diese sanktionieren entsprechende Verstösse in Anwendung von Artikel 294 StGB. Eine konsequente Verzeigungspraxis dürfte eine grosse präventive Wirkung haben und dazu führen, dass Verstösse gegen
strafrechtliche Tätigkeitsverbote im Anwendungsbereich des Handelsregisters eine absolute Ausnahme bleiben. Die Tatsache, dass eine Kontrolle erst im Nachhinein erfolgt, sollte sich somit nicht negativ auswirken.

3.1.2

Personensuche

Neu soll eine Suche nach im Handelsregister eingetragenen natürlichen Personen ermöglicht werden. Die Suche wird über die Webseite des zentralen Firmenindexes (Zefix)12 erfolgen. Dort gibt es heute bereits die Möglichkeit, nach Rechtseinheiten und nach Publikationen im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) zu suchen.

11 12

SR 172.220.1 www.zefix.admin.ch

5203

BBl 2019

Mit der Änderung des Obligationenrechts (Handelsregisterrecht) vom 17. März 2017 wurde die Schaffung einer zentralen Datenbank Personen beschlossen. 13 Diese enthält Angaben über die im Handelsregister eingetragenen natürlichen Personen, insbesondere über ihre Funktion innerhalb einer Unternehmung. Durch die Verwendung der AHV-Versichertennummer (AHVN13) in dieser Datenbank können natürliche Personen künftig einheitlich in den kantonalen Handelsregistern erfasst und gesamtschweizerisch identifiziert werden.14 Mit dieser Vorlage sollen nun die öffentlichen Daten aus der zentralen Datenbank Personen über die Onlinedatenbank des Zefix für Suchabfragen ausdrücklich zur Verfügung gestellt werden. Nicht in den Suchresultaten erscheinen wird die AHVN13. Diese wird auch nicht als Suchkriterium genutzt werden können. Die AHVN13 dient in der zentralen Datenbank Personen nur als Personenidentifikator im Hintergrund und wird nicht öffentlich zugänglich gemacht. 15 Die öffentlichen Personendaten werden mit den Daten der Rechtseinheiten verknüpft. Dadurch wird ersichtlich, in welcher Rechtseinheit und in welcher Funktion die gesuchte Person im Handelsregister eingetragen ist oder war. Somit wird auch ersichtlich sein, ob die gesuchte Person bei einer Rechtseinheit eingetragen ist oder war, über die ein Konkursverfahren eröffnet wurde. Die Personensuche ermöglicht es, Informationen zum wirtschaftlichen Werdegang und zu Verwicklungen in Konkursverfahren von potenziellen Vertragspartnerinnen und Vertragspartnern zu erhalten. Auf der Grundlage der Suchresultate kann die an einer Geschäftsbeziehung interessierte Person oder Unternehmung sodann abwägen, ob sie bereit ist, eine vertragliche Beziehung mit der gesuchten Person einzugehen. Andererseits soll diese Suchmöglichkeit auch abschreckend auf Personen wirken, die Konkursverfahren bewusst und wiederholt herbeiführen. Neu wird es möglich sein, solche Verhaltensmuster mit einer einfachen Suchabfrage aufzudecken.

Auch Behörden können von der Personensuche Gebrauch machen und diese für die effiziente Erledigung ihrer Aufgaben nutzen. Die Personensuche ermöglicht es zum Beispiel einem Strafgericht, zu prüfen, in welchen Gesellschaften die Täterin oder der Täter in welcher Funktion eingetragen ist oder war. Entsprechend kann sich das Gericht ein Gesamtbild der wirtschaftlichen Tätigkeit der Täterin oder des Täters machen und ein spezifisches Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 StGB anordnen.

3.1.3

Nichtigkeit des Mantelhandels

Als Massnahme gegen die «organisierte Firmenbestattung» soll die langjährige Rechtsprechung des Bundesgerichts zum sogenannten «Mantelhandel» kodifiziert werden.

13 14 15

BBl 2017 2433 Botschaft vom 15. April 2015 zur Änderung des Obligationenrechts (Handelsregisterrecht), BBl 2015 3624.

Botschaft vom 15. April 2015 zur Änderung des Obligationenrechts (Handelsregisterrecht), BBl 2015 3636.

5204

BBl 2019

Mantelgesellschaften sind faktisch liquidierte Gesellschaften ohne jegliche geschäftliche Aktivitäten, die nur noch aus dem Aktienmantel bestehen. Seit Jahrzehnten betrachtet das Bundesgericht den Handel mit Mantelgesellschaften als nichtiges Rechtsgeschäft.16 Diese Tatsache ist in der Praxis nicht überall bekannt oder wird bewusst ignoriert. Im Internet und in Zeitungen finden sich häufig Inserate, in denen der Verkauf von Mantelgesellschaften angepriesen wird. Käuferinnen und Käufer sowie Verkäuferinnen und Verkäufer des Aktienmantels wollen damit Kosten für Liquidation, Löschung und Neugründung sowie Steuern und Zeit sparen. Ausserdem ermöglicht der Mantelhandel der Käuferin oder dem Käufer auch, einen bereits bekannten Firmennamen weiterzuführen.17 Der Mantelhandel dient jedoch auch der «organisierten Firmenbestattung». Typischerweise handelt es sich dabei um Gesellschaften von Kleinunternehmerinnen oder Kleinunternehmern, die ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können oder sogar bereits überschuldet sind. In Zeiten der Not nehmen sie die Hilfe eines sogenannten «Vermittlers» in Anspruch. Bevor über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet wird, vermittelt letzterer der Unternehmerin oder dem Unternehmer gegen Gebühr von einigen tausend Franken einen sogenannten «Firmenbestatter». Dieser erklärt sich bereit, gegen Entschädigung die konkursreife Gesellschaft zu übernehmen. Zusätzlich berät der «Vermittler» sowohl die Unternehmerin oder den Unternehmer als auch den «Firmenbestatter», wie sie in diesem Prozess den grösstmöglichen Profit erwirtschaften können. So wird die Unternehmerin oder der Unternehmer unter Umständen versuchen, vor der Übergabe der Mantelgesellschaft deren Aktiven zu mindern, indem die Gesellschaft ausgehöhlt wird und alle noch brauchbaren Materialien und Geräte in eine Auffanggesellschaft übertragen werden. Möglicherweise erhöht sie oder er auch die Schulden der Gesellschaft oder bestellt auf Rechnung der überschuldeten Gesellschaft Waren für den Privatgebrauch. Zusätzlich werden anlässlich der Übertragung der Gesellschaft auch die vorhandenen Geschäftsunterlagen entsorgt, um Beweise zu vernichten, sodass die tatsächliche Vermögenslage und vor allem auch der Zeitpunkt der Überschuldung später nicht mehr festgestellt werden kann. Sobald der «Firmenbestatter» im Handelsregister
als Organ der Gesellschaft eingetragen ist, verlegt er typischerweise den Sitz der Gesellschaft in einen anderen Kanton und ändert den Zweck und den Firmennamen. Anstatt die marode Gesellschaft zu liquidieren, zögert er den Konkurs der Gesellschaft hinaus und kauft im Namen des Unternehmens ein, ohne die Rechnungen dafür zu bezahlen. Oftmals werden zusätzlich Angestellte oder Ausgleichskassen geschädigt,

16 17

Urteil des BGer 4C.19/2001 vom 25. Mai 2001; BGE 123 III 473, E. 5c); 80 I 60 E. 2a); 80 I 30 E. 1; 67 I 36 f.; 65 I 139 E. 3; 64 II 361, E. 1; 55 I 134 ff.

Carl Baudenbacher, Art. 620 N 8, in: Honsell, Heinrich/Vogt, Nedim Peter/Watter, Rolf (Hrsg.), Basler Kommentar Obligationenrecht II. 4. Auflage, Basel 2012. Gaspard Couchepin, Le transfert d'actions d'une société dormante (Manteau d'actions): Situation actuelle et perspectives, in SJ 2014 II p. 202; Florian S. Jörg, Gründerhaftung: Vorratsgründung und Mantelhandel, Mantelhandel in Entwicklungen im Gesellschaftsrecht IX, Kunz Peter V./Florian, S. Jörg/Arter, Oliver (Hrsg.), Bern 2014, S. 61 ff.; Peter Jung, Art. 620 N 78, in: Zürcher Kommentar Die Aktiengesellschaft, Allgemeine Bestimmungen, Art. 620­659b OR, 2. Auflage, Zürich 2016; Duri F. Prader, die Vorrats- oder Mantelgesellschaft im schweizerischen Aktienrecht, Diss. Fribourg 1995, S. 15 ff.

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wenn die Unternehmerin oder der Unternehmer die Lohnabzüge nicht weitergeleitet hat.18 Dieses ganze Prozedere dient den Unternehmerinnen oder Unternehmern, den «Firmenbestattern» und den «Vermittlern» dazu, sich persönlich zu bereichern und hat zur Konsequenz, dass die Gläubigerinnen und Gläubiger nicht mehr oder nur erschwert auf die Vermögenswerte der Gesellschaft zugreifen können. Wird schliesslich der Konkurs über die Gesellschaft eröffnet, wird dieser in der Regel sogleich mangels Aktiven wieder eingestellt.

Die Vorlage schafft nun eine gesetzliche Grundlage im Obligationenrecht, die explizit festhält, dass diese Umgehungsgeschäfte nichtig sind. Dadurch wird einerseits die Sensibilität für diese Thematik gesteigert, andererseits wird für die betroffenen Gesellschaften und insbesondere deren Organe verdeutlicht, dass der Abschluss von solchen Umgehungsgeschäften eine Verletzung der Sorgfalts- und Treuepflichten bedeuten kann. Insgesamt gehen die vorgeschlagenen Gesetzesbestimmungen jedoch nicht weiter als die Rechtsprechung des Bundesgerichts.

3.1.4

Abschaffung des rückwirkenden Opting-out

Aktiengesellschaften, die der Pflicht der eingeschränkten Revision unterstehen, jedoch höchstens zehn Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt haben, können mit Zustimmung sämtlicher Aktionärinnen und Aktionäre auf die Durchführung der eingeschränkten Revision verzichten. Dieser Verzicht wird als «Opting-out» bezeichnet.

Nach geltendem Recht gilt ein rechtsgültig erklärtes Opting-out sofort. Wenn die Erklärung vor Ablauf der Sechsmonatsfrist seit Abschluss des Geschäftsjahres und vor der Genehmigung der Jahresrechnung des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres abgegeben wird, entfällt auch das Erfordernis, die Jahresrechnung des abgeschlossenen Geschäftsjahres durch die Revisionsstelle prüfen lassen zu müssen. Die Anmeldung zur Eintragung des Opting-out darf erst nach Ablauf der Sechsmonatsfrist und nach Genehmigung der Jahresrechnung durch die Generalversammlung beim kantonalen Handelsregisteramt eingereicht werden.19 Gemäss Handelsregistereintrag haben die Gesellschaften eine Revisionsstelle. In der Praxis wurde festgestellt, dass gewisse Gesellschaften die Möglichkeit des rückwirkenden Opting-out folgendermassen ausnützen: ­

18

19

Die Revisionsstelle prüft die Jahresrechnung, macht jedoch in ihrem Bericht gewisse Vorbehalte;

Daniel Nussbaumer, Mit neuen Methoden gegen Konkursverschleppungen ­ wie sich Strafverfolger, Handelsregister-, Betreibungs- sowie Notariats- und Konkursbeamte im Kampf gegen Misswirtschaft gegenseitig unterstützen können, in: Blätter für Schuldbetreibung und Konkurs, 4/2016, S. 125 ff.

Praxismitteilung EHRA 2/09 vom 2. Juli 2009, Ziff. 2.1; Praxismitteilung EHRA 2/08 vom 28. November 2008, Ziff. 1; Peter Böckli, Schweizer Aktienrecht, 4. Auflage, Zürich 2009, § 15 N 528; Florian Zihler, 62 N 14, in Siffert, Rino/Turin Nicholas (Hrsg.), Stämpflis Handkommentar, Handelsregisterverordnung (HRegV), Bern, 2012.

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­

die Revisionsstelle hält in ihrem Bericht fest, dass bei der Gesellschaft ein Fall der Überschuldung nach Artikel 725 Absatz 2 des Obligationenrechts 20 (OR) vorliegt und der Verwaltungsrat die Bilanz beim Richter deponieren muss, ansonsten die Revisionsstelle dies vornehmen werde ­ oder aber dass es Anzeichen gibt, dass die Gesellschaft überschuldet sein könnte, die Gesellschaft sich aber weigert, der Revisionsstelle die Konten offenzulegen; oder

­

die Revisionsstelle ist während dem laufenden Geschäftsjahr zurückgetreten.

Vor diesem Hintergrund beschliessen die Aktionärinnen und Aktionäre noch vor Ablauf der Sechsmonatsfrist für die Durchführung der ordentlichen Generalversammlung das Opting-out. Allerdings wird die Löschung der Revisionsstelle zu diesem Zeitpunkt dem Handelsregisteramt nicht angemeldet. Die Revisionsstelle bleibt im Handelsregister eingetragen. Anschliessend stimmt die Generalversammlung über die Jahresrechnung ab. Im Zeitpunkt der Abstimmung hat die Gesellschaft keine Revisionsstelle mehr. Danach wählt die Generalversammlung eine neue Revisionsstelle. Erst jetzt meldet sie die Löschung der alten Revisionsstelle und die Wahl der neuen Revisionsstelle dem Handelsregisteramt. Aus dem Handelsregistereintrag wird ersichtlich, dass die Aktionärinnen und Aktionäre eine neue Revisionsstelle gewählt haben. Hingegen ist nicht erkennbar, dass die Gesellschaft im Zeitpunkt der Abstimmung über die Jahresrechnung über keine Revisionsstelle verfügte und möglicherweise über eine nicht revidierte Jahresrechnung abgestimmt hat.

Der Entwurf sieht vor, dass das Opting-out erst für das nachfolgende Geschäftsjahr gilt. Das rückwirkende Opting-out ­ auch für das laufende Geschäftsjahr ­ soll künftig nicht mehr möglich sein.

3.1.5

Wahlrecht der Gläubigerinnen und Gläubiger bei der Fortsetzung der Betreibung

Konkrete Missbrauchsfälle zeigen, dass Unternehmen nach geltendem Recht trotz chronischer Nichtzahlung öffentlich-rechtlicher Schulden wie beispielsweise Steuern oder Prämien für die obligatorische Unfallversicherung weiterexistieren können.

Die Steuerverwaltung ist aufgrund von Artikel 43 Ziffer 1 SchKG, die SUVA aufgrund von Artikel 43 Ziffer 1bis SchKG, nicht berechtigt, die Konkurseröffnung zu beantragen. Das führt bei überschuldeten Unternehmen zum sachfremden Anreiz, öffentlich-rechtliche Schulden nicht zu bezahlen, um die anderen Gläubiger befriedigen zu können. Die Weiterführung eines derart überschuldeten Unternehmens ist missbräuchlich und verzerrt den Wettbewerb. Dass in solchen Konstellationen der Konkurs häufig zu spät kommt oder gar nicht eröffnet wird, hat oft auch negative Folgen für den Insolvenzversicherungsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Der Vorentwurf hat deshalb vorgeschlagen, die Ziffern 1 und 1bis von Artikel 43 SchKG ersatzlos zu streichen und die betreffenden Forderungen der Konkursbetreibung zu unterstellen.

20

SR 220

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Die Rückmeldungen aus der Vernehmlassung haben aber gezeigt, dass eine solche Massnahme von betroffenen öffentlich-rechtlichen Körperschaften abgelehnt wird.

Die Pfändung sei für die Gläubigerinnen und Gläubiger oftmals vorteilhafter als der Konkurs. Zudem wurde die Befürchtung geäussert, die vorgeschlagene Anpassung führe zu höheren Kosten für die Konkursämter und für die Gläubigerinnen und Gläubiger sowie zu einer längeren Verfahrensdauer. Schliesslich biete bereits die Konkurseröffnung ohne vorgängige Betreibung gegen einen Schuldner, der seine Zahlungen einstellt (Art. 190 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG) ein taugliches Mittel, um gegen renitente Schuldnerinnen und Schuldner eine Konkurseröffnung zu erlangen . Von anderer Seite wurde der Vorschlag aber auch begrüsst.

Im Sinne eines Kompromisses und um allen Interessen gerecht zu werden, schlägt der Bundesrat nun vor, dass öffentlich-rechtliche Gläubigerinnen und Gläubiger im Rahmen des Fortsetzungsbegehrens wählen können, ob die Betreibung auf Pfändung oder auf Konkurs fortgesetzt wird. Die Einführung eines solchen Wahlrechts wurde auch in der Vernehmlassung vorgeschlagen.

Kommt es zu einer fruchtlosen Pfändung, soll es ausserdem möglich sein, gestützt auf den Pfändungsverlustschein beim zuständigen Gericht ohne vorgängige Betreibung die Konkurseröffnung zu verlangen. Artikel 190 SchKG wird in diesem Sinne ergänzt.

3.2

Massnahmen in verschiedenen laufenden Gesetzgebungsprojekten

Seit der Einreichung der Motion 11.3925 Hess am 29. September 2011 hat der Bundesrat bereits in verschiedenen laufenden und abgeschlossenen Rechtsetzungsprojekten Massnahmen vorgesehen, die zum Ziel haben, missbräuchliche Konkurse zu verhindern. Die Massnahmen werden nachfolgend kurz dargestellt.

3.2.1

Aktienrechtsrevision

Am 23. November 2016 hat der Bundesrat die Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts (Aktienrecht)21 verabschiedet. Die Vorlage ist zurzeit im Parlament hängig. Im Rahmen der Aktienrechtsrevision hat der Bundesrat verschiedene Massnahmen vorgeschlagen, die auch im Zusammenhang mit der Verhinderung des Missbrauchs von Konkursverfahren stehen, und die Rechte der Gläubigerinnen und Gläubiger der betroffenen Gesellschaften stärken sollen.

Revision des Sanierungsrechts Der Bundesrat hat auch eine Revision des Sanierungsrechts vorgeschlagen. Den Kern der sanierungsrechtlichen Neuerungen im Obligationenrecht bilden dabei die Artikel 725­725c E-OR. Der Zweck dieser Revision besteht darin, präzisere und 21

Botschaft vom 23. Nov. 2016 zur Änderung des Obligationenrechts (Aktienrecht), BBl 2017 399.

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zum Teil neue Handlungspflichten für die Gesellschaften und deren Verwaltungsrat einzuführen, damit möglichst frühzeitig Sanierungsschritte erfolgen können. Vorgeschlagen wurde dabei eine Neugestaltung der «Frühwarnsysteme»: Das Bewusstsein des Verwaltungsrats bezüglich Liquidität und Kapitaldeckung soll geschärft werden, indem einerseits seine Handlungsspielräume erweitert und andererseits seine Pflichten konkretisiert werden.

Anpassung der Bestimmung zum Opting-out Der Bundesrat hat vorgeschlagen, die Bestimmung zum Opting-out anzupassen. So soll das Opting-out nicht möglich sein, wenn die Statuten die Möglichkeit von Zwischendividenden vorsehen. Zudem dürfen die Statuten im Falle des Kapitalbandes nur die Möglichkeit zur Erhöhung des Aktienkapitals vorsehen, ansonsten ein Opting-out ausgeschlossen ist.22 Präzisierung und Anpassung der Rückerstattungsklage Die Vorlage sieht auch punktuelle Änderungen der Rückerstattungsklage vor mit dem Zweck, die Klage griffiger zu gestalten. Mittels Rückerstattungsklage kann ein ungerechtfertigter Abfluss von Gesellschaftsvermögen an Aktionärinnen und Aktionäre, Verwaltungsratsmitglieder sowie diesen nahestehenden Personen rückgängig gemacht werden. Mit der Rückerstattungsklage werden präventiv und repressiv die Eigentumsrechte der Aktionärinnen und Aktionäre geschützt. Die Rückerstattungsklage liegt jedoch auch im Interesse der Gläubigerinnen und Gläubiger, denn mit der Klage wird das Haftungssubstrat der Gesellschaft geschützt. Die Vorlage sieht insbesondere vor, dass die Position der Gläubigerinnen und Gläubiger gestärkt wird, indem ihnen die Aktivlegitimation zur Klage zukommen soll, sofern die in Frage stehenden Leistungen innerhalb eines Konzerns erfolgt sind.23 Stand der Beratungen im Parlament Die obengenannten Änderungsvorschläge fanden im Parlament bisher keinen grossen Anklang. Mit Beschluss vom 15. Juni 2018 hat der Nationalrat die Vorschläge zur Revision des Sanierungsrechts teilweise verwässert. Die Anpassung der Bestimmung zum Opting-out hat er ebenso abgelehnt wie auch die Einführung der Aktivlegitimation der Gläubigerinnen und Gläubiger zur Rückerstattungsklage. Der Entscheid des Ständerates zur Vorlage ist für die Sommersession 2019 traktandiert.

3.2.2

Modernisierung des Handelsregisterrechts

Am 15. April 2015 hat der Bundesrat die Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts (Handelsregisterrecht)24 verabschiedet, mit dem Ziel, das Handelsregister punktuell zu modernisieren. Diese Vorlage wurde am 17. März 2017 in der Schluss22 23 24

Botschaft vom 23. Nov. 2016 zur Änderung des Obligationenrechts (Aktienrecht), BBl 2017 581.

Botschaft vom 23. Nov. 2016 zur Änderung des Obligationenrechts (Aktienrecht), BBl 2017 528.

Botschaft vom 15. April 2015 zur Änderung des Obligationenrechts (Handelsregisterrecht), BBl 2015 3617.

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abstimmung von beiden Räten angenommen. 25 Das Datum für die Inkraftsetzung wurde vom Bundesrat noch nicht festgelegt. Im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Konkursmissbrauches wurden im Rahmen dieser Vorlage diverse Massnahmen ausgearbeitet.

Konkurseröffnung bei Verfahren wegen Organisationsmängeln Fehlt einer Gesellschaft ein vorgeschriebenes Organ, führt dies zu einem Organisationsmängelverfahren nach Artikel 731b OR. Auch wenn die Gesellschaft überschuldet ist, kommt es im Rahmen des Organisationsmängelverfahrens nicht zu einer Konkurseröffnung. Dies hat zur Folge, dass den Gläubigerinnen und Gläubigern ein Verantwortlichkeitsprozess gegen die Mitglieder des Verwaltungsrates, der Geschäftsführung oder den mit der Liquidation befassten Personen verwehrt ist (Art. 757 OR). Wird kein Konkurs eröffnet, scheitern strafrechtliche Verurteilungen wegen Konkursverbrechen oder -vergehen (Art. 165 ff. StGB) zudem an der objektiven Strafbarkeitsbedingung der Konkurseröffnung.

Nach dem neuen Absatz 4 von Artikel 731b nOR müssen die zur Liquidation der Gesellschaft nach den Vorschriften über den Konkurs eingesetzten Liquidatorinnen und Liquidatoren das Gericht benachrichtigen, sobald sie eine Überschuldung der Gesellschaft feststellen. Das Gericht eröffnet sodann den Konkurs.

Verlust des Rechtsdomizils als Organisationsmangel Das Fehlen des Rechtsdomizils oder eines Domizilhalters bei juristischen Personen und Personengesellschaften gilt neu ebenfalls als Mangel in der gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Organisation.

Nach einer ergebnislosen Aufforderung durch das Handelsregisteramt, den Mangel zu beheben, wird das Handelsregisteramt die Angelegenheit dem Gericht überweisen. Das Gericht wird sodann die erforderlichen Massnahmen ergreifen, die bis hin zur Liquidation der Gesellschaft gehen können. Dabei wird es auch zur Konkurseröffnung kommen, wenn die Liquidatorinnen und Liquidatoren anschliessend eine Überschuldung feststellen und das Konkursgericht benachrichtigen.

3.2.3

Revision der Handelsregisterverordnung

Aufgrund der Modernisierung des Handelsregisterrechts im OR wird auch die Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 200726 (HRegV) revidiert. Der Bundesrat hat am 20. Februar 2019 eine Vernehmlassung dazu eröffnet.

Im Rahmen dieser Revision wird vorgeschlagen, die Rechtsdurchsetzung bei Abtretung eines Anspruches nach Artikel 260 SchKG zu erleichtern. Nach geltendem Recht wird eine Gesellschaft, bei welcher der Konkurs mangels Aktiven eingestellt wurde, nach Ablauf von drei Monaten seit Publikation der Einstellung des Verfahrens im Handelsregister gelöscht. Diese Regelung kann dazu führen, dass einer Gläubigerin oder einem Gläubiger die beklagte oder einzuklagende Gesellschaft 25 26

BBl 2017 2433 SR 221.411

5210

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«weggelöscht» wird. Ein Verfahren auf Wiedereintragung der gelöschten Gesellschaft ist vergleichsweise aufwendig.

Es wird daher vorgeschlagen, die Frist für die Löschung der konkursen Gesellschaft in Übereinstimmung mit Artikel 230 Absatz 3 SchKG von 3 Monaten auf 2 Jahre zu verlängern. Damit wird eine effektivere Rechtsverfolgung möglich, die heute unter Umständen durch die rasche Löschung vereitelt wird. Zudem entfaltet die spätere Löschung der Gesellschaft im Handelsregister eine wichtige Informationswirkung gegenüber Dritten.

3.3

Geprüfte Alternativen

Im Anschluss an die Vernehmlassung wurden sowohl die in der Vernehmlassung vorgeschlagenen Massnahmen ausgewertet als auch diverse Alternativen vertieft geprüft. Nachfolgend werden einige der vertieft geprüften Massnahmen erläutert.

3.3.1

Revision des Sanierungsrechts

Die Artikel 725 und 725a OR sollen gewährleisten, dass die Organe einer Aktiengesellschaft dem Gericht die Nachlassstundung oder die Konkurseröffnung so frühzeitig beantragen, dass die Gesellschaft noch über genügend Vermögenswerte verfügt, um ihre Schulden möglichst weitgehend zu decken.

Der vom Bundesrat im Rahmen der Aktienrechtsrevision unterbreitete Vorschlag zur Revision des Sanierungsrechts wurde vom Parlament noch nicht abschliessend beraten. Zum heutigen Zeitpunkt kommt aus diesem Grund ein erneuter Änderungsvorschlag des Sanierungsrechts nicht in Frage.

3.3.2

Abschaffung des Opting-Systems und Einführung der Pflicht zur Publikation der Jahresrechnung

Das Opting-out erfreut sich grosser Beliebtheit. Im Jahr 2018 hatten ungefähr 86 Prozent der neueingetragenen Aktiengesellschaften (AG) und 98 Prozent der neueingetragenen Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) keine Revisionsstelle gewählt.27 Faktisch besteht heute bei KMU keine gesetzliche Revisionspflicht mehr.

Ohne Revisionspflicht besteht keine Gewähr, dass die Gesellschaft überhaupt Buch führt. Ohne Buchführung ist die Gesellschaft nicht in der Lage, die eigene wirtschaftliche Situation einzuschätzen. Zudem ist es ihr so auch nicht möglich, die Pflichten des Sanierungsrechts zu erfüllen. Wird die Überschuldung dem Gericht zu spät angezeigt, ist für eine Sanierung kein Substrat mehr übrig. Möglicherweise wird die Konkursmasse nicht einmal mehr ausreichen, um die Kosten für ein summari27

Zahlen stammen aus einer internen Auswertung des Eidgenössischen Amts für das Handelsregister.

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sches Konkursverfahren zu decken, was eine Konkurseinstellung mangels Aktiven zur Folge hat. Den Schaden tragen die Gläubigerinnen und Gläubiger.

Als Alternative zur Abschaffung des Opting-Systems wurde die Einführung einer Pflicht geprüft, wonach alle Unternehmen die Jahresrechnung publizieren müssen.

Zum Beispiel könnte vorgesehen werden, dass die Jahresrechnung dem zuständigen Handelsregisteramt eingereicht werden muss und dieses dann die Unterlagen im Internet zugänglich macht. Dabei könnte die Publikationspflicht auf diejenigen Gesellschaften beschränkt werden, die von der Möglichkeit des Opting-out Gebrauch gemacht haben. Diese Pflicht würde auch ermöglichen, eine Unterlassung der Buchführungspflicht frühzeitig zu erkennen und aufgrund dessen ein Strafverfahren einzuleiten.

Auch die in den EU-Mitgliedsstaaten ansässigen Kapitalgesellschaften unterstehen einer Offenlegungspflicht für ihren Jahresabschluss und der damit verbundenen Berichte.28 In Anbetracht der anhaltenden und grossen Popularität des Opting-out erscheinen jedoch sowohl die komplette Abschaffung des Opting-out als auch die Einführung einer alternativen Offenlegungspflicht der Jahresrechnung zum heutigen Zeitpunkt ­ obwohl von der Sache her geboten ­ politisch nicht mehrheitsfähig. Deshalb wird auf diese Vorschläge verzichtet. An ihrer Stelle wird vorgeschlagen, die Möglichkeit des rückwirkenden Opting-out abzuschaffen.

3.3.3

Eintragungsverbot im Handelsregister

Ebenfalls geprüft wurde die Einführung eines Verbots, nach dem eine Person sich nicht mehr in einer Exekutivfunktion ins Handelsregister eintragen lassen kann, wenn mehrmals während ihren «Amtszeiten» als Leitungs- oder Verwaltungsorgan der Konkurs über die entsprechenden Gesellschaften eröffnet wurde. Das gleiche soll gelten, wenn bei einem Konkurs einer Gesellschaft, bei der die Person in einer Leitungs- oder Verwaltungsfunktion tätig war, ein grosser Gläubigerschaden entstanden ist. Dabei wurde sowohl die automatische Auslösung als auch die Anordnung eines solchen Verbots durch das Gericht geprüft.

Mit Blick auf die Wirtschaftsfreiheit erweist sich die Festlegung der Tatbestände, an die das Verbot geknüpft werden könnte, als besonders heikel. Es muss betroffenen Personen weiterhin möglich sein, Konkurs anzumelden, ohne im Geschäftsleben zu sehr eingeschränkt zu werden. Ziel des Konkurses ist es gerade, einen Schlussstrich zu ziehen.

28

Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates, Art. 30.

5212

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Zudem sind personenbezogene Berufsverbote dem Zivilrecht fremd. Hingegen existieren Tätigkeitsverbote im Strafrecht und im Finanzmarktrecht. Es drängt sich daher auf, am bereits bestehenden strafrechtlichen Tätigkeitsverbot anzuknüpfen.

Für den Vollzug der Verbote können zivil- und verwaltungsrechtliche Massnahmen hinzugezogen werden.

3.3.4

Massnahmen im Strafrecht

Um den Missbrauch des Konkursverfahrens zu verhindern, wurden auch strafrechtliche Massnahmen geprüft. Im Vordergrund stand das geltende Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 StGB. Geprüft wurde, ob dieses Verbot zur Verhinderung von «missbräuchlichen Konkursen» geeignet ist und inwieweit es allenfalls ausgebaut werden könnte.

Gegen Personen, die ein Verbrechen oder Vergehen begangen haben, kann das Gericht gestützt auf Artikel 67 Absatz 1 StGB ein Tätigkeitsverbot von höchstens 5 Jahren verhängen. Konkurse, bei denen keine strafbaren Handlungen begangen wurden, sind nicht strafbar. Das strafrechtliche Tätigkeitsverbot wirkt daher nur in den Fällen, in denen im Zusammenhang mit dem missbräuchlichen Konkurs auch ein Verbrechen oder Vergehen begangen wird wie beispielsweise ein Betrug oder ein Konkurs- oder Steuerdelikt.

Das Tätigkeitsverbot könnte eine grössere Wirkung haben, wenn der missbräuchliche Konkurs zu einem eigenständigen Straftatbestand erhoben würde. Der missbräuchliche Konkurs umfasst indessen verschiedene Aspekte, die sich kaum in einer allgemeingültigen Definition umschreiben lassen. Dieser Umstand ist eines der Hauptprobleme bei der Suche nach effizienten Massnahmen gegen missbräuchliche Konkurse. Ein Problem des Tätigkeitsverbots besteht auch darin, dass es von den Strafvollzugsbehörden kaum überwacht und durchgesetzt wird. Der Vollzug wird weitgehend Privaten überlassen, die beispielweise von einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer einen Strafregisterauszug verlangen können, aus dem eine Verurteilung und ein allfälliges Tätigkeitsverbot ersichtlich sind.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass Tätigkeitsverbote im Handelsregister zumeist nicht umgesetzt werden können. Ein Tätigkeitsverbot kann heute im Handelsregister nur vollzogen werden, wenn es sich auf eine Funktion in einer eingetragenen Unternehmung bezieht und das Urteil dem zuständigen Handelsregisteramt mitgeteilt wird. Demgegenüber lässt sich ein allgemeines Verbot, eine Funktion in einer Unternehmung auszuüben, nicht umsetzen. Im Handelsregister ist keine Personensuche möglich, um mit einem Tätigkeitverbot belegte Personen aus dem Handelsregister zu löschen.

Es ist somit nicht notwendig, ein neues strafrechtliches «Verbot, sich im Handelsregister eintragen zulassen» einzuführen. Es sollen jedoch Massnahmen getroffen
werden, damit das vom Gericht angeordnete Tätigkeitsverbot, das die Ausübung einer bestimmten Funktion in einer Unternehmung verbietet, im Handelsregister vollzogen werden kann. Es gilt, eine Brücke zwischen Straf- und Handelsregisterrecht zu schlagen.

5213

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4

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

4.1

Massnahmen im Obligationenrecht

4.1.1

Gesellschaftsrecht

Art. 684a

Nichtigkeit des Mantelhandels

Der vorgeschlagene Artikel 684a E-OR statuiert die Nichtigkeit des Mantelhandels: neu soll die Übertragung von Aktien nichtig sein, wenn die Gesellschaft ohne vorgängige Auflösung liquidiert und aufgegeben wurde.

Das Bundesgericht beschreibt den Aktienmantel als «eine wirtschaftlich vollständig liquidierte und von den Beteiligten aufgegebene, juristisch aber noch nicht aufgelöste Gesellschaft»29. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist in diesem Stadium der Widerruf des Auflösungsbeschlusses nicht mehr zulässig. 30 Es besteht hingegen die Pflicht, die Mantelgesellschaft im Handelsregister zu löschen.31 In der Unterlassung der Löschung der Mantelgesellschaft liegt eine Umgehung der gesetzlichen Vorschriften über die Gründung von Aktiengesellschaften 32 und eine Missachtung und eine Vereitelung des Zweckes der Löschungspflicht. 33 Entsprechend qualifiziert das Bundesgericht den Mantelhandel als rechtsmissbräuchlich. Artikel 684a E-OR soll die Rechtsprechung des Bundesgerichts auf Gesetzesstufe verankern.

Die Nichtigkeit trifft das Rechtsgeschäft, den Kauf- oder den Abtretungsvertrag, der als obligatorisches Grundgeschäft zum Erwerb der Aktien dient. Der Erwerb der Aktien kann nicht als Grundlage für einen Handelsregistereintrag dienen.34 Daher soll auch in der HRegV eine neue Bestimmung aufgenommen werden: Das Handelsregisteramt soll bei einem konkreten Verdacht auf Mantelhandel die betroffene Gesellschaft auffordern können, eine aktuelle Bilanz einzureichen. Kommt das Handelsregisteramt bei der Prüfung zum Schluss, dass die Gesellschaft nur noch als Mantel besteht, hat es die angemeldete Eintragung abzulehnen. Mögliche Indizien für das Vorliegen eines Mantelhandels können sein: Änderung des Gesellschaftszwecks, Sitzverlegung, Änderung der Firma oder Auswechslung aller Organe. 35

29 30 31 32 33 34 35

BGE 55 I 134; 64 II 361 E. 1; Bundesgerichtsentscheid vom 4. September 1989 E. 1b publ. in: SJ 1990 S. 108.

BGE 123 III 473 E. 5c.

BGE 64 II 361 E. 1; Urteil 4C.19/2001 vom 25. Mai 2001, E. 2a.

BGE 55 I 134 BGE 64 II 361 E. 1; BGE 80 I 60, E. 3.

BGE 67 I 36 Florian S. Jörg, Gründerhaftung: Vorratsgründung und Mantelhandel, Mantelhandel in Entwicklungen im Gesellschaftsrecht IX, Kunz Peter V./Florian, S. Jörg/Arter, Oliver (Hrsg.), Bern 2014, S. 27; Daniel Nussbaumer, Mit neuen Methoden gegen Konkursverschleppungen ­ wie sich Strafverfolger, Handelsregister-, Betreibungs- sowie Notariatsund Konkursbeamte im Kampf gegen Misswirtschaft gegenseitig unterstützen können, in: Blätter für Schuldbetreibung und Konkurs, 4/2016, S. 127.

5214

BBl 2019

Art. 727a Abs. 2

Eingeschränkte Revision

Mit der vorgeschlagenen Bestimmung soll das rückwirkende Opting-out künftig ausgeschlossen werden.

Folgendes Beispiel soll der Veranschaulichung der Neuerung dienen: Wird im Laufe des Geschäftsjahres 2019 ein Opting-out beschlossen und beim Handelsregisteramt eingereicht, so soll der Beschluss seine Wirkung erst ab dem Geschäftsjahr 2020 entfalten. Die Jahresrechnung für das Geschäftsjahr 2019 sowie die Jahresrechnungen der vorangehenden Geschäftsjahre müssen somit einer eingeschränkten Revision unterzogen werden. Wird die Anmeldung erst im Geschäftsjahr 2020 beim Handelsregister eingereicht, so gilt das Opting-out neu erst für das Geschäftsjahr 2021.

Zur Umsetzung dieser Massnahme, ist auch eine Präzisierung der HRegV geplant.

Im Handelsregister wird in der Rubrik «Bemerkungen» der Zeitpunkt, ab dem das Opting-out gelten wird, eingetragen. Bei einem späteren Verzicht auf das Optingout, wird ebenfalls in der Rubrik «Bemerkungen» eingetragen, ab wann die Revisionspflicht wieder gilt. Die Eintragung des Verzichts auf das Opting-out kann jederzeit erfolgen. Ausserdem bleibt das Opting-out im Zeitpunkt der Gründung der Gesellschaft wie bis anhin zulässig.

Art. 787a

Nichtigkeit des Mantelhandels

Der vorgeschlagene Artikel 787a E-OR statuiert die Nichtigkeit des Mantelhandels im Zusammenhang mit GmbH-Stammanteilen: Die Ausführungen zu Artikel 684a E-OR gelten sinngemäss.

4.1.2 Art. 928a

Handelsregisterrecht Zusammenarbeit zwischen den Behörden

Jedes Urteil, das ein strafrechtliches Tätigkeitsverbot enthält, wird heute im Strafregister-Informationssystem «VOSTRA» erfasst. Durch Erteilung eines Zugangsrechts zu VOSTRA können auch Verwaltungsbehörden Kenntnis vom Vorliegen solcher Verbote erhalten.

Eine elektronische Schnittstelle zwischen der zentralen Datenbank Personen des Handelsregisters und VOSTRA sorgt neu für einen effizienten Abgleich der Daten.

Dies bedingt jedoch, dass eine korrekte Personenidentifikation in beiden Systemen erfolgt, was voraussetzt, dass in beiden Systemen die Personen mittels AHVN13 identifiziert werden. Im Handelsregister wird dieser Prozess voraussichtlich im Jahr 2023 abgeschlossen sein. Im VOSTRA wird die Identifikation im Zeitpunkt der Inkraftsetzung des neuen Strafregistergesetzes vom 17. Juni 201636 (StReG) im Jahr 2023 ebenfalls abgeschlossen sein. Aus diesem Grund wird das StReG noch vor dem Inkrafttreten geändert.

36

BBl 2016 4871

5215

BBl 2019

Das EHRA wird periodisch und für jeden Einzelfall prüfen, ob das Tätigkeitsverbot mit Handelsregistereintragungen unvereinbar ist. Falls das Tätigkeitsverbot im Handelsregister umgesetzt werden muss, wird das EHRA die kantonalen Handelsregisterämter informieren. Die Vorprüfung durch eine einzige Behörde gewährleistet, dass die Strafregisterdaten in unproblematischen Fällen nur einem begrenzten Personenkreis bekannt werden.

Zur Umsetzung des Tätigkeitsverbots im Handelsregister fordern die Handelsregisterämter anschliessend die Gesellschaft auf, die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen. Die Gesellschaft kann beispielsweise die Löschung der betroffenen Person im Handelsregister anmelden oder belegen, dass die Funktion der Person mit dem Berufsverbot vereinbar ist. Weigert sich die Gesellschaft, eine erforderliche Löschung anzumelden, löscht das Handelsregisteramt die Gesellschaft von Amtes wegen.

Art. 928b

Zentrale Datenbanken

Die Suchabfrage kann ohne Interessensnachweis gebührenfrei durch Einzelabfragen erfolgen. Die Umsetzung erfordert auch eine Anpassung der HRegV, damit das EHRA Daten aus der zentralen Datenbank Personen zur gebührenfreien Nutzung öffentlich zur Verfügung stellen kann.

Art. 942

Rechtsschutz

Der Begriff «Oberaufsichtsbehörde des Bundes» wird mit «Oberaufsichtsbehörde des Bundes über das Handelsregister» ersetzt.

4.2 Art. 43

Massnahmen im Bundesgesetz über Schuldbetreibungs- und Konkurs Ausnahmen von der Konkursbetreibung

Bereits heute besteht bei öffentlich-rechtlichen Gläubigerinnen und Gläubigern teilweise der Wunsch, gestützt auf Artikel 190 Absatz 1 Ziffer 2 SchKG eine Konkurseröffnung beantragen zu können. Das führt allerdings zu einem gewissen Mehraufwand im Vergleich zur nun vorgeschlagenen Lösung: Artikel 43 E-SchKG führt neu die Möglichkeit ein, dass öffentlich-rechtliche Gläubigerinnen oder Gläubiger für im öffentlichen Recht begründete Forderungen erklären können, das Verfahren als Betreibung auf Konkurs fortsetzen zu wollen. Sie haben damit die Wahl, ob eine Betreibung wie bisher auf Pfändung oder aber auf Konkurs fortgesetzt werden soll.

Mit dieser Lösung werden die in der Vernehmlassung geäusserten Anliegen aller betroffenen Parteien aufgenommen.

Sofern Gläubigerinnen und Gläubiger die Betreibung auf Konkurs fortsetzen wollen, haben sie dies gegenüber dem Betreibungsamt im Rahmen des Fortsetzungsbegehrens ausdrücklich festzuhalten. Ohne eine solche Erklärung wird die Betreibung wie bisher auf Pfändung fortgesetzt. Ein Zurückkommen auf die Erklärung ist nur durch Rückzug und Stellen eines neuen Fortsetzungsbegehrens möglich.

5216

BBl 2019

Art. 190 Abs. 1 Ziff. 3

Auf Antrag eines Gläubigers

Kommt es bei einer Betreibung auf Pfändung zu einem Pfändungsverlustschein, sollen die öffentlich-rechtlichen Gläubigerinnen und Gläubiger auch noch nachträglich die Möglichkeit haben, beim Gericht die Konkurseröffnung zu verlangen. Damit soll verhindert werden, dass zahlungsunfähige Schuldnerinnen und Schuldner ihren Geschäftsbetrieb weiterführen, neue Schulden machen und so zusätzliche Gläubigerinnen und Gläubiger zu Schaden kommen. Selbstverständlich steht diese Möglichkeit nur gegenüber Schuldnerinnen und Schuldner zur Verfügung, gegen die gemäss Artikel 39 SchKG eine Betreibung auf Konkurs überhaupt möglich ist.

4.3

Massnahmen im Strafrecht

4.3.1

Strafgesetzbuch

Art. 67a Abs. 2

Tätigkeitsverbot, Kontakt- und Rayonverbot / Inhalt und Umfang

Absatz 2 präzisiert den Umfang des Tätigkeitsverbots insoweit, als es nicht nur für jede Tätigkeit, welche die Täterin oder der Täter als «Organ einer juristischen Person oder Handelsgesellschaft» ausübt, gelten soll, sondern grundsätzlich auch für jede andere Tätigkeit in einer Funktion, die im Handelsregister eingetragen wird.

Weil das Tätigkeitsverbot grundsätzlich jede selbständige Tätigkeit untersagt, gilt es auch für alle faktischen Organe, die nicht im Handelsregister eingetragen sind.

4.3.2 Art. 50a Abs. 2

Militärstrafgesetz Tätigkeitsverbot, Kontakt- und Rayonverbot / Inhalt und Umfang

Der Umfang des Tätigkeitsverbots wird gleich wie in Artikel 67a Absatz 2 StGB präzisiert.

4.3.3 Art. 47 Bst. e

Strafregistergesetz Online abfragende Behörde mit Zugang zum Behördenauszug

Damit das EHRA im Rahmen der Vorprüfung nach Artikel 928a E-OR Zweifel an der Korrektheit der gemeldeten Strafdaten beseitigen kann, soll dem EHRA ein Online-Zugangsrecht zum Behördenauszug 3 von VOSTRA gewährt werden. In diesem Auszug sind alle Urteile mit einem Tätigkeitsverbot enthalten, aber bewusst keine Daten über hängige Strafverfahren. Somit verfügt das EHRA über die Möglichkeit, sich zusätzliche Informationen für eine effiziente Fallabwicklung zu beschaffen.

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Art. 64a

Meldung an die Oberaufsichtsbehörde des Bundes über das Handelsregister

Es soll ein periodischer Abgleich zwischen VOSTRA und der zentralen Datenbank Personen des Handelsregisters stattfinden. Dabei prüfen die Systeme in regelmässigen Abständen selbstständig, ob eine Person, die in VOSTRA mit einem gültigen Tätigkeitsverbot erfasst ist, auch in der anderen Datenbank erscheint. Ist dies der Fall, wird mit den Angaben zum Tätigkeitsverbot automatisch eine entsprechende Meldung aufbereitet. Diese Meldungen werden von der «registerführenden Stelle» von VOSTRA an das EHRA weitergeleitet.

Initial und einmalig werden alle im VOSTRA mit gültigen Tätigkeitsverboten erfassten Personen mit der zentralen Datenbank Personen des Handelsregisters abgeglichen. Bei den nachfolgenden periodischen Abgleichungen werden die Systeme jedoch in der Lage sein, zu erkennen, ob eine Meldung bereits einmal erfolgt ist, ohne dass inzwischen in einem der beiden Systeme eine Mutation stattgefunden hat.

Solche Doppelmeldungen sind «nicht relevant» und werden automatisch aussortiert.

5

Auswirkungen

5.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund

Für die Einführung der Personensuche im Handelsregister muss, neben der Anpassung der Webapplikation, die Datenbank entsprechend ausgebaut und eine Schnittstelle zwischen der zentralen Datenbank Personen und der Onlinedatenbank des Zefix eingerichtet werden. Die Investitionskosten für die Entwicklung der Software betragen ungefähr 100 000 Franken. Der Ausbau der Infrastruktur erfolgt durch das Informatik-Service-Center des EJPD, das ebenfalls die zentrale Datenbank Personen als Leistungserbringer betreibt. Die Kosten dafür betragen ungefähr 130 000 Franken. Somit liegen die Investitionskosten insgesamt bei rund 230 000 Franken. Der dadurch anfallende Zusatzaufwand erfordert kein zusätzliches Personal beim Bund und kann innerhalb des Globalbudgets des Bundesamtes für Justiz aufgefangen werden.

Für den Abgleich des Handelsregisters mit dem Strafregister werden die Kosten für die Entwicklung der Software zur Sicherstellung der Schnittstelle und für den Ausbau der Infrastruktur durch das Informatik-Service-Center des EJPD auf ungefähr 120 000 Franken geschätzt. Der dadurch anfallende Zusatzaufwand erfordert kein zusätzliches Personal beim Bund und kann innerhalb des Globalbudgets des Bundesamtes für Justiz aufgefangen werden.

5.2

Auswirkungen auf Kantone

Der Vollzug der Tätigkeitsverbote im Handelsregister und die Durchsetzung des Verbotes des Mantelhandels wird bei den kantonalen Handelsregisterämtern zu einer

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leicht grösseren Arbeitslast führen. Bei der Umsetzung dieser Bestimmungen werden die kantonalen Handelsregisterämter vom EHRA unterstützt.

Durch den Datenabgleich zur Feststellung von Tätigkeitsverboten wird der Druck auf die betroffenen Personen erhöht. Es ist anzunehmen, dass diese Löschungen oder Änderungen von sich aus melden werden. Zwangsverfahren sollten die Ausnahme bleiben. Der Mehraufwand der Kantone sollte sich deshalb in Grenzen halten.

5.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Das Wahlrecht von Artikel 43 SchKG wird dazu führen, dass über überschuldete Gesellschaften vermehrt der Konkurs eröffnet wird. Dadurch wird verhindert, dass sich der Schaden der öffentlich-rechtlichen Gläubigerinnen und Gläubiger vergrössert. Allerdings kann nicht abgeschätzt werden, in wie vielen Fällen die Gläubigerinnen und Gläubiger in Zukunft von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen werden.

Die personenbezogene Suche im Handelsregister führt zu mehr Transparenz und vereinfacht die Informationsbeschaffung für Unternehmen, Gläubigerinnen und Gläubiger, Behörden und interessierte Personen.

Die Abschaffung des rückwirkenden Opting-out führt ebenfalls zu mehr Transparenz und verstärkt den Schutz der Gläubigerinnen und Gläubiger. Es wird ersichtlich, ob die Geschäftsbücher einer Gesellschaft tatsächlich einer Revision unterzogen werden.

Die Kodifikation der Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Mantelhandel erleichtert den zuständigen Behörden das Vorgehen gegen das Phänomen der «organisierten Firmenbestattung» und hilft, den Missbrauch von Konkursverfahren zu verhindern.

Die Verbesserung des Vollzugs der Tätigkeitsverbote nach Artikel 67 StGB bietet Rechtssicherheit für Unternehmen und alle weiteren Beteiligten, weil Personen mit einem Tätigkeitsverbot konsequent aus dem Handelsregister gelöscht werden.

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit

Der Entwurf stützt sich auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach den Artikeln 122 und 123 der Bundesverfassung (BV)37 in den Bereichen des Zivil- und Zivilprozessrechts sowie des Strafrechts. Obschon Registersachen grundsätzlich öffentlich-rechtlicher Natur sind, stützt sich der vorliegende Gesetzesentwurf auch diesbezüglich auf Artikel 122 BV. Die Bestimmungen zum Handelsregister stehen in einem engen Zusammenhang mit dem Zivilrecht, da sie dem wirksamen Vollzug und der einheitlichen Anwendung insbesondere des Vereins-, Stiftungs-, Gesellschafts- und Firmenrechts dienen. Das Bundesgericht qualifiziert sie deshalb als 37

SR 101

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ergänzendes öffentliches Recht beziehungsweise als formelles Bundeszivilrecht und zählt sie zur Zivilrechtsgesetzgebung.38

6.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Der Entwurf berührt die internationalen Verpflichtungen der Schweiz nicht.

6.3

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden weder neue Subventionsbestimmungen, die Ausgaben über einem der Schwellenwerte nach sich ziehen, geschaffen noch neue Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen mit Ausgaben über einem der Schwellenwerte beschlossen.

6.4

Datenschutz

Die Grundlage für die Einführung der öffentlichen Personensuche wurde bereits mit der Einführung der zentralen Datenbank Personen geschaffen. Die Suchabfrage über die Onlinedatenbank des zentralen Firmenindexes wird keine Suche mittels oder nach der AHVN13 der gesuchten Person erlauben.

Über die Verknüpfung des VOSTRA mit der zentralen Datenbank Personen werden zukünftig Daten verwaltungsintern ausgetauscht. Die Personen werden mittels der AHVN13 identifiziert. Eine entsprechende gesetzliche Grundlage ist vorhanden. Für die Übermittlung der Personendaten an die kantonalen Handelsregisterämter ist keine elektronische Schnittstelle vorgesehen. In der zentralen Datenbank Personen und in den kantonalen Handelsregistern soll kein «Schattenregister» zum VOSTRA entstehen. Auch soll in den Handelsregisterauszügen nicht vermerkt werden, dass über eine Person ein Tätigkeitsverbot verhängt wurde.

38

BGE 137 III 217 E. 2.

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