09.528 Parlamentarische Initiative Finanzierung der Gesundheitsleistungen aus einer Hand.

Einführung Monismus Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 5. April 2019

Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung1. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

5. April 2019

Im Namen der Kommission Der Präsident: Thomas de Courten

1

SR 832.10

2019-1400

3499

Übersicht Leistungen, die nach dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) vergütet werden, werden unterschiedlich finanziert, je nachdem, ob sie ambulant oder stationär erbracht werden. Leistungen im ambulanten Bereich werden vollständig von den Versicherern, also über Prämien, finanziert. Leistungen im stationären Bereich werden zu mindestens 55 Prozent von den Kantonen und zu höchstens 45 Prozent von den Versicherern bezahlt. Diese Regelung kann direkt und indirekt zu verschiedenen Fehlanreizen führen, die dem Ziel einer günstigen und guten Behandlung entgegenstehen.

Mit ihrer Vorlage zur Änderung des KVG «Einheitliche Finanzierung der Leistungen im ambulanten und stationären Bereich» verfolgt die Kommission drei Ziele.

Erstens will sie, wo medizinisch sinnvoll, die Verlagerung von stationär zu ambulant fördern. Da ambulante Behandlungen in der Regel günstiger sind, wird das Kostenwachstum insgesamt gebremst. Attraktiver wird auch eine koordinierte Versorgung, die Spitalaufenthalte durch rechtzeitige ambulante Behandlungen vermeidet. Zweitens will die Kommission die prämien- und steuerfinanzierten Anteile an den obligatorisch versicherten Krankheitskosten stabilisieren, wobei die Kosten der Langzeitpflege mangels zuverlässiger Daten in einer ersten Phase ausgeklammert und weiterhin nach den geltenden Regeln der Pflegefinanzierung vergütet werden.

Drittens soll eine sachgerechte Tarifierung gefördert werden.

Neu sollen die Krankenkassen alle ambulanten und stationären Behandlungen vergüten. An die Bruttokosten sollen die Kantone einen Beitrag von mindestens 22,6 Prozent leisten. Dieser Prozentsatz, der im Durchschnitt der Jahre 2012 bis 2015 rund 7,5 Milliarden Franken entsprochen hätte, wird so festgelegt, dass die Umstellung auf die einheitliche Finanzierung für die Kantone und die Versicherer insgesamt kostenneutral ausfällt.

Eine Minderheit will auf die Vorlage nicht eintreten, da diese neue Fehlanreize schaffe, den Anliegen der Kantone zu wenig Rechnung trage und deshalb nicht mehrheitsfähig sei. Eine weitere Minderheit will den Kantonsbeitrag aus Gründen des administrativen Aufwands und aus verfassungsrechtlichen Überlegungen aufgrund der Nettokosten festsetzen, die den Versicherern nach Abzug von Franchise und Selbstbehalt der Versicherten verbleiben. Eine andere Minderheit
will die Kantonsgelder den Versicherern nicht aufgrund der entstandenen Kosten, sondern als Pauschalbetrag pro Versicherten zuweisen; im Verbund mit dem Risikoausgleich führe dies dazu, dass die Versicherer einen stärkeren Anreiz hätten, sich für eine effiziente Versorgung einzusetzen. Zu einzelnen Bestimmungen liegen weitere Minderheitsanträge vor.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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Entstehungsgeschichte

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Ausgangslage 2.1 Terminologie 2.2 Geltende Regelung 2.3 Fehlanreize im heutigen System 2.4 Vorgeschichte 2.5 Vernehmlassungsverfahren

3503 3503 3504 3506 3508 3509

3

Die beantragte Neuregelung 3.1 Grundzüge der Vorlage 3.1.1 Geltungsbereich 3.1.2 Zahlstelle und Kostenteiler 3.1.3 Einspeisung der öffentlichen Gelder 3.1.4 Steuerungsmöglichkeiten für die Kantone im ambulanten Bereich 3.1.5 Übergangsfrist 3.1.6 Minderheitsanträge 3.2 Geprüfte, aber nicht weiter verfolgte Lösungen 3.2.1 Kantonal unterschiedliche Kostenteiler 3.2.2 Einspeisung der öffentlichen Gelder über die individuelle Prämienverbilligung 3.2.3 Korrektur der Kinderprämien 3.2.4 Korrektur der Kostenbeteiligung 3.3 Anliegen der Kantone

3511 3511 3512 3512 3514

4

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

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5

Auswirkungen 5.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen 5.2 Vollzugstauglichkeit 5.3 Andere Auswirkungen

3529 3529 3532 3532

6

Verhältnis zum europäischen Recht

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7

Rechtliche Grundlagen 7.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 7.2 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 7.3 Erlassform 7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse

3534 3534 3534 3534 3534

Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) (Einheitliche Finanzierung der Leistungen im ambulanten und im stationären Bereich) (Entwurf)

3515 3515 3515 3518 3518 3518 3519 3520 3521

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

Am 11. Dezember 2009 reichte Nationalrätin Ruth Humbel (CVP, AG) die parlamentarische Initiative 09.528 n mit folgendem Wortlaut ein: «Mit einer Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) soll ein monistisches Finanzierungssystem eingeführt werden. Damit die Kantone die Kontrolle über die öffentlichen Mittel behalten können, hat ein Modell insbesondere folgende Eckwerte zu berücksichtigen: 1. Die Gelder der öffentlichen Hand sind für Aus- und Weiterbildung der Medizinalpersonen, für den Risikoausgleich, für Public Health und gemeinwirtschaftliche Leistungen sowie für die Prämienverbilligung einzusetzen.

2. Der Anteil der öffentlichen Hand an der Finanzierung der grundversicherten Leistungen ist sicherzustellen und dem Kostenwachstum im Gesundheitswesen anzupassen. 3. Alle stationären und ambulanten Leistungen gemäss KVG werden von den Krankenversicherern finanziert.» In ihrer Begründung hielt die Initiantin fest, es sei unbestritten, dass grundlegende Fehlanreize im Gesundheitssystem auf die unterschiedliche Finanzierung des ambulanten und des stationären Bereichs zurückzuführen seien. Nur wenn diese Fehlanreize beseitigt würden, könne auch der stationäre Bereich in Managed Care eingeschlossen werden, was ein wesentlicher Faktor für ein erfolgreiches Managed-CareSystem sei. Damit die Kantone den Einfluss und die Kontrolle über die öffentlichen Gelder behielten, könne ein Monismusmodell so ausgestaltet werden, dass die Kantone ihre Mittel gezielt und kontrolliert einsetzen.

Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) gab der Initiative am 16. Februar 2011 mit 14 zu 10 Stimmen bei 1 Enthaltung Folge. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-SR) stimmte diesem Beschluss am 14. November 2011 mit 7 zu 1 Stimme zu.

Die SGK-NR beauftragte ihre Subkommission «KVG»2 mit der Erarbeitung eines Erlassentwurfes. Die Subkommission zog dafür ­ gestützt auf Artikel 112 Absatz 1 Parlamentsgesetz3 ­ Sachverständige des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) bei.

Am 17. Februar 2012 liess sie sich über die damals laufenden Gespräche zwischen dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) und der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und ­direktoren (GDK) informieren. Sie beschloss, erste Ergebnisse
dieser Arbeiten abzuwarten.

In den Jahren 2012 bis 2015 war die Subkommission durch andere Geschäfte stark ausgelastet. Am 26. August 2015 beschloss sie, die Arbeiten am Erlassentwurf zur vorliegenden Initiative wieder aufzunehmen. Am 11. November 2015 führte sie ein erstes Hearing mit Vertretungen der Kantone und Versicherer sowie Experten durch.

Mit Ende der 49. Legislatur wurde die Subkommission «KVG» aufgelöst.

2 3

Humbel, Bortoluzzi, Carobbio Guscetti, Cassis, Fehr Jacqueline, Frehner, Gilli, Moret, Schmid-Federer, Stahl, Steiert SR 171.10

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Am 23. August 2016 nahm die neue Subkommission «Monismus»4 ihre Arbeit auf und hörte Vertretungen der Leistungserbringer sowie der Patientinnen und Patienten sowie Experten an. Am 12. Oktober 2016, 11. Januar 2017 und 21. März 2017 diskutierte sie Eckwerte und Varianten für einen Vorentwurf zur Umsetzung der Initiative (insbesondere Zielsetzung, Zuweisung der Rolle des Monisten, Geltungsbereich, Steuerungsmöglichkeiten für die Kantone, Definition des Kostenteilers, Einspeisung der Beiträge der öffentlichen Hand). Gestützt darauf formulierte die Verwaltung zwei Varianten eines Vorentwurfs, dessen Beratung die Subkommission am 6. Juli 2017 aufnahm.

Nachdem die GDK am 19. Mai 2017 Alternativen zu der in der Subkommission diskutierten einheitlichen Finanzierung des ambulanten und stationären Bereichs publiziert hatte5, hörte die Subkommission am 22. August 2017 erneut eine Vertretung der GDK an. Am 1. November 2017 führte sie ihre Beratungen weiter. Am 22. Januar 2018 und 21. März 2018 bereinigte sie den Vorentwurf und Berichtsentwurf. Am 19. April 2018 beriet die SGK-NR den Vorentwurf und erläuternden Bericht, nachdem auch sie die GDK angehört hatte. Sie verabschiedete die Vorlage mit 15 zu 7 Stimmen für die Vernehmlassung.

Am 24. Januar 2019 liess sich die Kommission über die Ergebnisse der Vernehmlassung informieren und beauftragte die Subkommission mit einer vertieften Analyse.

Gleichzeitig beschloss sie mit 20 zu 3 Stimmen bei 1 Enthaltung, das Kommissionspostulat «19.3002 n Po. SGK-NR. Pflege und EFAS» einzureichen. Sie will den Bundesrat beauftragen, zusammen mit den Kantonen, den Versicherern und den Leistungserbringern die Grundlagen zu erarbeiten für den Entscheid, ob die einheitliche Finanzierung gegebenenfalls später auch für die Pflegeleistungen nach Artikel 25a KVG gelten soll. Der Nationalrat nahm das Postulat am 14. März 2019 mit 135 zu 36 Stimmen bei 6 Enthaltungen an.

Am 5. April 2019 beriet die Kommission ihren Erlassentwurf sowie den erläuternden Bericht und nahm die Vorlage in der Gesamtabstimmung mit 15 zu 7 Stimmen bei 2 Enthaltungen an.

2

Ausgangslage

2.1

Terminologie

Der Begriff «monistisch» beziehungsweise «Monismus» wird unterschiedlich verwendet. Die bekannten Konzepte eines monistischen Finanzierungssystems haben die Bedeutung, dass die Finanzierung aus einer Hand erfolgt, so dass den Leistungserbringern nur ein Kostenträger gegenübersteht. In einem «echten» Monismus werden 100 Prozent der Leistungen durch einen Träger finanziert. Beim «unechten» 4

5

Humbel, Brand, Carobbio Guscetti, Cassis (später ersetzt durch Nantermod), de Courten, Frehner, Häsler (später ersetzt durch Graf Maya), Hess Lorenz, Moret, Steiert (später ersetzt durch Gysi), Weibel Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren, Optimierung der Steuerung und Finanzierung in der Gesundheitsversorgung, Argumentarium, 19. Mai 2017

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Monismus steht dem Leistungserbringer zwar auch nur eine Partei gegenüber, hinter dieser steht jedoch eine weitere Instanz, welche die Leistungen mitfinanziert.6 Kennzeichnend für monistische Finanzierungsmodelle ist also, dass die formale Finanzierungsverantwortung (Zahllast) ausschliesslich bei einem Akteur liegt. Es gibt nur noch eine Zahlstelle, an welche eine Rechnung jeweils eingereicht werden kann und welche diese Rechnung nach erfolgter Kontrolle auch begleicht. Woher dieser Akteur seine Mittel bezieht, bleibt dabei offen. Möglich sind eine ausschliessliche Finanzierung über Prämien, eine ausschliessliche Finanzierung über Steuern oder eine Mischung zwischen Prämien- und Steuerfinanzierung, wie sie auch das KVG kennt.7 Da die uneinheitliche Verwendung des Begriffs «Monismus» Verwirrung stiften kann, wird im Zusammenhang mit dem vorliegenden Geschäft der Begriff der «einheitlichen Finanzierung der Leistungen im ambulanten und im stationären Bereich» ­ oder kurz: «einheitliche Finanzierung» ­ verwendet. Dabei war in der Kommission immer unbestritten, dass die Mittel für diese Finanzierung sowohl aus Prämien als auch Steuern stammen sollen.

2.2

Geltende Regelung

Am 1. Januar 2009 trat die KVG-Revision im Bereich der Spitalfinanzierung in Kraft. Damit wurde die früher vorherrschende Objektfinanzierung durch eine Subjektfinanzierung ersetzt. Die Vergütung der stationären Spitalleistungen erfolgt neu leistungsbezogen und pauschaliert. Die Investitionskosten sind in der Vergütung der stationären Spitalleistungen eingeschlossen.

Die Finanzierung der stationären Spitalleistungen erfolgt seit dem 1. Januar 2012 dual-fix. Die Kantone sind verpflichtet, die stationären Spitalleistungen anteilsmässig mitzufinanzieren (Art. 49a Abs. 1 KVG). Zuständig für die Mitfinanzierung ist der Wohnkanton der versicherten Person. Dieser setzt jährlich seinen Mitfinanzierungsanteil fest, welcher seit dem Ende der Übergangsperiode, also seit dem 1. Januar 2017, mindestens 55 Prozent betragen muss (Art. 49a Abs. 2 KVG). Die Kantone müssen nur die stationären Leistungen von Spitälern mitfinanzieren, die einer kantonalen Planung entsprechen (Listenspitäler). Die Versicherer können mit Spitälern und Geburtshäusern, welche nicht auf der Spitalliste aufgeführt sind, Verträge über die Vergütung von Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) abschliessen (Vertragsspitäler und -geburtshäuser) (Art. 49a Abs. 4 KVG).

Die Rechnungsstellung durch die Leistungserbringer erfolgt sowohl an die Versicherer wie auch an den Kanton. Letzterer leistet seinen Anteil direkt dem Spital, Versi6

7

Einheitliche Finanzierung von Spital- und ambulanten Leistungen durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung, Bericht des Bundesrates zu Motion 06.3009 der ständerätlichen Kommission für Gesundheit und soziale Sicherheit und in Erfüllung des Postulates Grin 10.3137, 13. Dezember 2010, S. 4 Volkswirtschaftliches Institut der Universität Bern, Center for Studies in Public Economics, Robert E. Leu, Monistische Spitalfinanzierung, Grundlagen zur 3. KVG-Revision, Teilprojekt, Herausgeber: Bundesamt für Gesundheit, Bern, Februar 2004, S. 29

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cherer und Kanton können aber vereinbaren, dass der Kanton seinen Anteil dem Versicherer leistet und dieser dem Spital beide Anteile überweist (Art. 49a Abs. 3 KVG).

Die Kantone haben die Möglichkeit, als finanzielles Steuerungsinstrument einen Gesamtbetrag für die Finanzierung der Spitäler (und auch der Pflegeheime) festzusetzen (Art. 51 KVG). Die oben erwähnte Kostenaufteilung bleibt aber vorbehalten.

Die Vergütungen nach KVG dürfen keinen Anteil für die Vergütung von gemeinwirtschaftlichen Leistungen wie beispielsweise Forschung und universitäre Lehre enthalten. Diese Leistungen werden zusätzlich zu den oben erwähnten, gemäss KVG geschuldeten Vergütungen finanziert, in der Regel von den Kantonen.

Im ambulanten Bereich sind heute ausschliesslich die Versicherer für die Finanzierung von Leistungen zuständig. Ambulante Leistungen werden also vollständig über Prämien finanziert, die Kantone beteiligen sich nicht an der Finanzierung.

Für die Finanzierung der Langzeitpflege (ambulant und stationär) leisten die OKP und die Pflegebedürftigen seit der am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Neuordnung der Pflegefinanzierung8 Beiträge, die Kantone sind für die Restfinanzierung zuständig. Die OKP leistet dabei einen vom Bundesrat in Franken festgelegten Beitrag, der nach Pflegebedarf abgestuft ist (Art. 25a Abs. 1 KVG). Der versicherten Person dürfen maximal 20 Prozent des höchsten vom Bundesrat festgelegten Pflegebeitrags überwälzt werden, und die Restfinanzierung ist Sache der Kantone (Art. 25a Abs. 5 KVG).

Die geltende Regelung ist geprägt durch eine unterschiedliche Finanzierung von stationären und ambulanten Leistungen. Eine tendenzielle Verlagerung von stationärer zu ambulanter Behandlung, wie sie der medizinische Fortschritt mit sich bringt, führt zu einer Entlastung der Kantone in diesem Bereich und kann mit einer Mehrbelastung der Versicherer und damit der Prämienzahlenden verbunden sein. Die Verantwortung der Kantone für die Restfinanzierung der Langzeitpflege kann einen Teil dieses Effekts kompensieren.

Die Wirkungen der KVG-Revision im Bereich der Spitalfinanzierung werden im Rahmen einer Evaluation untersucht. Definitive Resultate sind im Jahr 2019 zu erwarten. Bereits untersucht wurde, ob die Einführung der leistungsbezogenen Fallpauschalen zu Leistungsverlagerungen geführt hat.9 Die
akutsomatischen Spitäler haben gemäss den Ergebnissen dieser Studie zwar strategisch Leistungen in den vor- und nachgelagerten spitalambulanten Bereich und zu Pflegeheimen verlagert.

Diese Verlagerungen sind insgesamt aber derzeit noch unbedeutend, könnten jedoch mittelfristig deutlich stärker ausfallen. Weitere Ergebnisse der Evaluation zeigen, dass der Anteil der Patientinnen und Patienten seit 2009 angestiegen ist, die nach dem akutsomatischen Spitalaufenthalt von nachgelagerten Einrichtungen wie Pfle-

8 9

AS 2009 3517 Widmer, P, Hochuli, P, Telser H., Reich, O., Früh, M. (2017). Erwünschte und unerwünschte Optimierungen betreffend Leistungsmengen und -verlagerungen im stationären Spitalbereich. 2. Teilstudie: Leistungsverlagerungen unter SwissDRG. Olten: Polynomics.

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geheimen oder Organisationen der Krankenpflege und Hilfe zu Hause behandelt werden.10

2.3

Fehlanreize im heutigen System

Die geltende Regelung ist geprägt durch eine unterschiedliche Finanzierung von stationären und ambulanten Leistungen. Dies kann direkt und indirekt zu verschiedenen Fehlanreizen führen, welche dem Ziel einer kosteneffizienten und qualitativ hochstehenden Behandlung entgegenstehen.

Durch die unterschiedliche Finanzierung von stationären und ambulanten Leistungen haben Versicherer heute nur dann einen Anreiz, die Verlagerung von stationären zu ambulanten Leistungen zu fördern, wenn die ambulante Leistungserbringung mindestens 55 Prozent günstiger ist als die stationäre. In den anderen Fällen resultieren für die Gesellschaft insgesamt zwar in den meisten Fällen deutliche Einsparungen, die von den Versicherern zu übernehmenden Kosten steigen aber. Umgekehrt haben die Kantone aus Sicht ihrer Kosten einen Anreiz, die Attraktivität von ambulanten Leistungen zu steigern. Die Versicherer haben somit einen Anreiz, die Tarife mit den Leistungserbringern so auszuhandeln, dass ihre Interessen gefördert werden.

Die Versicherer können beispielsweise versucht sein, im stationären Bereich für die Leistungserbringer grosszügige Tarife auszuhandeln, damit die Leistungserbringer bevorzugt stationär behandeln. Auch die Kantone können, wenn sich die Tarifpartner nicht einigen oder wenn ein ausgehandelter Tarif vom Kanton nicht genehmigt wird, die Tarife so festsetzen, dass sie dadurch begünstigt werden. Durch beide Effekte kann es zu Verzerrungen in der Wahl der Therapieform durch die Leistungserbringer kommen. Dies ist vor allem bei kleineren chirurgischen Eingriffen relevant, welche sowohl ambulant als auch stationär durchgeführt werden können. In solchen Situationen führt die heute uneinheitliche Finanzierung von stationären und ambulanten Leistungen dazu, dass die Verlagerung von stationären zu ambulanten Leistungen durch tarifliche Fehlanreize behindert wird. Dies resultiert in unnötig hohen Kosten zulasten der Gesamtgesellschaft, und allenfalls in einer tieferen medizinischen Qualität und gleichzeitig reduzierten Patientensicherheit in gewissen Fällen.

Betrachtet man den Anteil der stationären Kosten an den Gesamtkosten, liegt die Schweiz ­ gemäss Kostendaten zum Beispiel der OECD ­ im Mittelfeld, bezogen auf weitere europäische Länder. Ein solcher Vergleich ist jedoch für eine Aussage über das in der Schweiz
ungenutzte Verlagerungspotential von stationären zu ambulanten Leistungen nicht sinnvoll. Die Gründe für international abweichende Anteile von stationären und ambulanten Behandlungen sind dafür zu vielfältig. Ein vergleichsweise hoher Anteil von Kosten für stationäre Behandlungen kann, neben einem ungenutzten Verlagerungspotential, auch auf hohe Tarife in der stationären Behandlung beziehungsweise günstige in der ambulanten Behandlung, auf anders 10

Hedinger, D., Tuch, A. & Widmer, M. (2017). Qualität der stationären Leistungen unter der neuen Spitalfinanzierung. Monitoring der Qualitätsindikatoren 2009­2015. (Obsan Bulletin 2/2017). Neuchâtel: Schweizerisches Gesundheitsobservatorium. Erstellt im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit (BAG).

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aufgebaute medizinische Versorgungsstrukturen oder auf anders gelagerte medizinische Bedürfnisse und weitere Gründe zurückzuführen sein.

Eine spezifische Untersuchung einzelner chirurgischer Verfahren in der Schweiz hat jedoch ein Verlagerungspotential von stationären Leistungen zu ambulanten Leistungen aufgezeigt11. Eine weitere Studie verweist auf den mit 17 % im internationalen Vergleich tiefen Anteil der spitalambulanten chirurgischen Eingriffe an allen chirurgischen Eingriffen (z.B. Niederlanden 51 %, USA 62 %) und schätzt das Einsparungspotenzial einer Verlagerung auf bis zu einer Milliarde Franken pro Jahr.12 Ein weiterer Aspekt ist die koordinierte Versorgung. Diese kann einen massgeblichen Beitrag dazu leisten, unnötige Hospitalisationen zu vermeiden und den Gesundheitszustand von Versicherten zu verbessern, beispielsweise durch rechtzeitige ambulante Behandlungen. Die koordinierte Versorgung birgt somit ein Potential zu Kostenreduktionen und gleichzeitigen Qualitätssteigerungen. Allerdings können dadurch die ambulanten Kosten in geringerem Ausmass ansteigen. Die unterschiedliche Finanzierung von stationären und ambulanten Leistungen bringt es heute mit sich, dass Einsparungen im stationären Bereich nicht voll den Versicherern zugutekommen, allfällige zusätzliche Kosten im ambulanten Bereich müssen aber voll von den Versicherern und damit den Prämienzahlenden getragen werden. Die Kostenvorteile der koordinierten Versorgung werden damit nicht voll prämienwirksam, was die Attraktivität solcher Versicherungsmodelle für die Versicherten reduziert. Das Kostensparpotential solcher Modelle wird daher von Versicherern und Versicherten heute nicht im vollen Umfang genutzt.

Die tendenzielle Verlagerung von stationärer zu ambulanter Behandlung, wie sie der medizinische Fortschritt mit sich bringt, führt im Zeitverlauf zu einer Entlastung der Kantone im Bereich der Mitfinanzierung von Spitalleistungen. Gleichzeitig führt die Verlagerung in den ambulanten Bereich zu einer Mehrbelastung der Versicherer und damit der Prämienzahlenden, weil diese die ambulanten Leistungen vollständig finanzieren. Damit sinkt der durch die Kantone geleistete steuerfinanzierte Anteil an den Leistungen nach KVG, unter Ausschluss des Bereichs der Langzeitpflege. Für diesen leisten die Versicherer beziehungsweise Prämienzahlenden
sowie die Patientinnen und Patienten mit der Neuordnung der Pflegefinanzierung Beiträge, die Kantone sind für die Restfinanzierung zuständig. Damit steigt im Bereich der Langzeitpflege die anteilsmässige Belastung der Kantone tendenziell an. Ein Rückgang des steuerfinanzierten Anteils an den Leistungen nach KVG und eine damit einhergehende Steigerung der Kopfprämien führen zu einer Verschiebung der gesamthaften Belastung von verschiedenen Einkommensgruppen. Steigende Kopfprämien bedeuten vor allem für tiefere und mittlere Einkommen eine zusätzliche Belastung.

Dies ist sozialpolitisch unerwünscht. Es ist anzustreben, dass der steuerfinanzierte Anteil an den Leistungen nach KVG mittel- und langfristig nicht sinkt. Eine einheitliche Finanzierung von stationären und ambulanten Leistungen kann einen Beitrag leisten zu diesem Ziel.

11 12

Roth, S. & Pellegrini, S. (2015). Virage ambulatoire. Transfert ou expansion de l'offre de soins? (Obsan Rapport 68). Neuchâtel: Observatoire suisse de la santé.

PWC (2016). Ambulant vor stationär. Oder wie sich eine Milliarde Franken jährlich einsparen lassen.

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2.4

Vorgeschichte

Die vorliegende Initiative ist nicht der erste Versuch, eine einheitliche Finanzierung des ambulanten und stationären Bereichs einzuführen. In der Beratung der 2. KVGRevision13 sprachen sich beide Räte für eine Übergangsbestimmung aus, wonach der Bundesrat innerhalb weniger Jahre eine Gesetzesrevision für eine einheitliche Finanzierung vorlegen sollte. Die 2. KVG-Revision scheiterte jedoch in der Wintersession 2003 im Nationalrat.

Parallel zu diesen Beratungen liess der Bundesrat Grundlagen für eine 3. KVGTeilrevision erarbeiten. In diesem Rahmen entstand der Expertenbericht «Monistische Spitalfinanzierung» von Professor Robert E. Leu (siehe Fussnote 7), der Modellvarianten entwickelte und bewertete.

Nach dem Scheitern der 2. KVG-Revision wurden die Vorarbeiten für die 3. KVGRevision abgebrochen. Der Bundesrat legte dem Parlament am 15. September 2004 seine Botschaft zur KVG-Revision im Bereich der Spitalfinanzierung14 vor. Er verzichtete dabei auf einen sofortigen Übergang zu einem monistischen Finanzierungssystem, da der nötige politische Konsens nicht gegeben sei. Die SGK-SR erarbeitete daraufhin ein Modell für eine monistische Finanzierung. Demnach sollten alle Leistungen, ob ambulant oder stationär, ob in einem öffentlichen oder einem privaten Spital erbracht, nach dem gleichen Schlüssel finanziert werden: Grundsätzlich sollten die Versicherer 70 Prozent der Leistungen bezahlen und die Kantone 30 Prozent, wobei auch die Beiträge der Kantone via Versicherer an die Leistungserbringer fliessen sollten. In einer gemeinsamen Stellungnahme vom 17. November 2005 lehnten 24 Kantone diesen Entwurf entschieden ab. Die Kantone bemängelten insbesondere folgende Punkte: ­

Verletzung des Grundsatzes der fiskalischen Äquivalenz, wenn Steuergelder ohne adäquate Steuerungsmöglichkeiten gewinnorientierten Leistungserbringern zufliessen würden;

­

keine adäquaten Instrumente zur Kostensteuerung, namentlich im ambulanten Bereich;

­

keine kostenneutrale Überführung ins neue Finanzierungssystem;

­

fehlende Anreize zur Kostendämpfung.

Angesichts des massiven Widerstands gab die SGK-SR ihr Konzept auf und erarbeitete zusammen mit der Verwaltung einen Kompromissvorschlag, der die Grundlage für die weiteren Beratungen über die Spitalfinanzierung (siehe auch Ziffer 2.2) bildete.

Gleichzeitig reichte die SGK-SR die Motion «Einheitliche Finanzierung von Spitalund ambulanten Leistungen» (06.3009) ein, mit der sie den Bundesrat beauftragen wollte, dem Parlament bis Ende 2008 eine entsprechende Vorlage auf der Grundlage ihrer Vorarbeiten vorzulegen. Der Bundesrat lehnte es ab, einen neuen Entwurf zu 13 14

Bundesgesetz über die Krankenversicherung. Teilrevision. Spitalfinanzierung (00.079 s) Bundesgesetz über die Krankenversicherung. Teilrevision. Spitalfinanzierung (BBl 2004 5551; 04.061 s)

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unterbreiten, bevor die damals diskutierte Vorlage umgesetzt sei und ihre Wirkung entfalten könne. Stände- und Nationalrat hielten an ihrem Auftrag fest, erstreckten die Frist aber bis Ende 2010. Der Bundesrat kam dem Auftrag nicht vollumfänglich nach, legte aber am 13. Dezember 2010 einen ersten Bericht (siehe Fussnote 6) vor, in dem er den Stand der Diskussion und mögliche Finanzierungsmodelle erläuterte.

Er kam darin zu folgendem Schluss: «Der Übergang zu einer einheitlichen Finanzierung ist längerfristig anzustreben, insbesondere, wenn eine neue Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen in Betracht gezogen wird. Indessen soll die Diskussion über die möglichen Änderungen bald beginnen. Nur wenn eine Lösung auf einem breiten Konsens beruht, kann erwartet werden, dass sie tragfähig sein wird.»15 Der Bund und die Kantone gingen die Diskussion im Rahmen des Dialogs Nationale Gesundheitspolitik an. Sie zogen dazu den Experten Markus Moser bei, der die vom Bundesrat und der GDK dargestellten Lösungsansätze und Argumente beurteilen und vorschlagen sollte, welche Lösungsansätze weiter zu verfolgen seien. 16 Aus diesen Arbeiten hat bisher keine konkrete Vorlage für eine einheitliche Finanzierung von ambulantem und stationärem Bereich resultiert.

Im September 2011 und im Dezember 2011 beauftragte das Parlament den Bundesrat mit zwei weiteren Motionen17, eine einheitliche Finanzierung des ambulanten und stationären Bereichs vorzuschlagen. Der Bundesrat will aber das Ergebnis der Beratungen über die vorliegende Initiative abwarten.18

2.5

Vernehmlassungsverfahren

Mit Schreiben vom 15. Mai 2018 unterbreitete die SGK-NR ihren Vorentwurf mit dem erläuternden Bericht den Kantonen, politischen Parteien, gesamtschweizerischen Dachverbänden der Gemeinden, Städte und Berggebiete sowie der Wirtschaft, der Konsumenten, der Leistungserbringer, der Versicherer und weiteren interessierten Organisationen zur Vernehmlassung. Sie lud die 122 Adressaten ein 19, bis am 15. September 2018 Stellung zu nehmen. Insgesamt gingen 110 Stellungnahmen ein.

Grundsätzlich befürwortend äusserten sich die Kantone GL und teilweise auch TG, die Parteien BDP, CVP, FDP, GLP und SVP, die Wirtschaftsdachverbände economiesuisse und Schweizerischer Gewerbeverband (sgv) sowie alle teilnehmenden Versicherer ausser Assura. Auch bei den Verbänden der Leistungserbringer überwog die grundsätzliche Zustimmung. Hingegen äusserten sich folgende Vernehmlassungsteilnehmende ablehnend oder forderten eine vollständige Überarbeitung der Vorlage: alle Kantone ausser GL und TG, die SP und Gewerkschaften sowie die 15 16 17 18 19

Bericht Bundesrat S. 18 Moser Markus, Tarife und Eckwerte einer künftigen Finanzierung der Krankenversicherung im Rahmen einer Nationalen Gesundheitsstrategie, 22. März 2012 Motion 09.3535 «Leistungsfinanzierung nach dem KVG vereinheitlichen» und Motion 09.3546 «Transparente Finanzierung der sozialen Grundversicherung» Bericht des Bundesrates vom 3. März 2017 über Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte im Jahr 2016, S. 38 Bericht über die Ergebnisse der Vernehmlassung, Finanzierung der Gesundheitsleistungen aus einer Hand. Einführung des Monismus, Bundesamt für Gesundheit, Januar 2019, publiziert unter www.parlament.ch > Curia Vista Suche > 09.528 > Vernehmlassung

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Konsumentenverbände ACSI, FRC und SKS. Die Patientenverbände waren geteilter Meinung.

Die befürwortenden Gruppen versprechen sich von der Vorlage unter anderem bessere Voraussetzungen, um eine sachgerechte Tarifierung im ambulanten Bereich zu erreichen, eine dadurch beschleunigte und sozialverträgliche Verlagerung vom stationären in den ambulanten Bereich mit kostensenkender Wirkung sowie einen Schub für die koordinierte Versorgung. Kosteneinsparungen im stationären Bereich kämen neu vollumfänglich den Prämien zugute, was die Attraktivität solcher Modelle steigere.

Die meisten Kantone und weitere skeptische bis ablehnende Teilnehmende sind der Ansicht, dass eine einheitliche Finanzierung als Einzelmassnahme keinen massgeblichen Effekt auf die Kosteneindämmung hat und Fehlanreize primär in der Tarifierung zu suchen seien. Die Verlagerung stationär ­ ambulant könne schneller mit Operationslisten erreicht werden. Die Stärkung der Rolle der Versicherer schwäche dagegen die Möglichkeiten der Kantone zur Kostensteuerung, etwa über die Relativierung der Spitalplanung. Einige ablehnende Teilnehmende kritisieren auch die Schwächung der demokratischen Kontrolle.

Fast alle Kantone sowie die meisten skeptischen bis ablehnenden Teilnehmenden bezeichnen es als zwingend, dass zu einer Mitfinanzierung von ambulanten Leistungen auch entsprechende Steuerungsmöglichkeiten der Kantone für das ambulante Angebot gegeben sind. Verschiedene Leistungserbringer sowie die Parteien FDP und SVP unterstützen eine Steuerung der Zulassung, machen diese aber teilweise von einer einheitlichen Finanzierung und einer schlanken Ausgestaltung abhängig.

Andere Leistungserbringer sind hingegen skeptisch bis ablehnend gegenüber zusätzlichen Steuerungsmöglichkeiten. Die Wirtschaftsdachverbände economiesuisse und sgv wiederum lehnen zusätzliche Steuerungselemente ab, befürworten aber eine Lockerung des Vertragszwangs.

Die Mehrheit der Kantone fordert, dass im stationären Bereich die Rechnungen wie bis anhin abgewickelt werden und dass im ambulanten Bereich eine Kontrollmöglichkeit für die Rechnungen besteht, etwa mit einem gemeinsamen Organ.

Verschiedene Leistungserbringer begrüssen hingegen, dass die Rechnungen über die Versicherer abgewickelt werden. Auch die Versicherer, welche sich dazu äussern, lehnen eine dual-fixe Finanzierung
ab. Einzelne Versicherer (Groupe Mutuel, SWICA) zeigen sich allerdings offen für Kontrollmöglichkeiten der Kantone, etwa über Stichproben.

Während einige Versicherer (Curafutura, Helsana, kpt, sanitas, Visana, SWICA) wie die Kommissionsminderheit eine Verteilung der Kantonsbeiträge via Risikoausgleich wünschen, bevorzugen andere (Mehrheit der Mitglieder von santésuisse, u.a.

Assura, Groupe Mutuel) wie die Kommissionsmehrheit eine Verteilung basierend auf den entstandenen Kosten. Eine Mehrheit der Versicherer spricht sich dafür aus, dass die gemeinsame Einrichtung der Versicherer für die Verteilung der Kantonsbeiträge zuständig sein soll. Einzelne Versicherer (Assura, Groupe Mutuel) möchten direkt mit den Kantonen abrechnen. Dies erleichtere auch die Prüfung des Wohnsitzes durch den Kanton.

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Der sgv, sowie verschiedene Versicherer (Santésuisse, Assura, Groupe Mutuel, SGV) sprechen sich für eine Bemessung des Kantonsbeitrags an den Brutto- statt an den Nettokosten aus, so wie heute im spitalstationären Bereich, um eine Benachteiligung höherer Franchisen zu vermeiden. Curafutura, CSS, SWICA und Visana bevorzugen die Nettokosten, wie in der Vernehmlassungsvorlage vorgesehen.

Der erwartete leichte Anstieg der Kostenbeteiligung wird von verschiedener Seite ­ unter anderen von der SP ­ kritisch beurteilt. Deshalb verlangt unter anderen Santésuisse, dass die Kostenbeteiligung wie heute nur auf dem prämienfinanzierten Anteil erhoben wird.

Fast alle Kantone sowie ein Teil der Leistungserbringer sowie der Patientenorganisationen verlangen einen Einbezug der Langzeitpflege in eine einheitliche Finanzierung. Einige Kantone (BL, GL, TG) sind offen für einen späteren Einbezug, der aber schon mit dieser Vorlage verbindlich vorgespurt werden müsste. Verschiedene Leistungserbringer (namentlich Curaviva, H+ und Spitex) finden einen Einbezug zu einem späteren Zeitpunkt nach Klärung offener Fragen sinnvoller. Santésuisse und weitere Organisationen sind explizit mit der Ausklammerung der Langzeitpflege einverstanden.

Eine grosse Mehrheit der Kantone sowie die SP, Curaviva und senesuisse fordern, dass eine paritätisch besetzte nationale Organisation für ambulante Tarife ähnlich der SwissDRG AG geschaffen wird.

Die Mehrheit der Kantone verlangt einen kostenneutralen Übergang für jeden einzelnen Kanton. Verschiedene Teilnehmende halten unter anderem wegen der finanziellen Mehr- und Minderbelastung der einzelnen Kantone Übergangsfristen wie bei der KVG-Revision Spitalfinanzierung für notwendig.

Die Hälfte der Kantone verlangt explizit, dass Fehlanreize durch die Verknüpfung von Grund- und Zusatzversicherung konsequent eliminiert werden. Auch andere Vernehmlassungsteilnehmende formulieren Anliegen in diesem Bereich.

Die Erhöhung des Finanzierungsanteils der OKP für Vertragsspitäler wird von einer Mehrheit der Kantone, der SP, verschiedenen Leistungserbringern und weiteren Organisationen abgelehnt, einige Kantone fordern die Abschaffung dieses Instituts.

Die GLP, Wirtschaftsdachverbände und andere sind mit diesem Punkt der Vernehmlassungsvorlage einverstanden.

3

Die beantragte Neuregelung

3.1

Grundzüge der Vorlage

Die Vorlage für eine einheitliche Finanzierung der Leistungen im ambulanten und im stationären Bereich verfolgt drei Ziele. Erstens soll sie, wo medizinisch sinnvoll, die Verlagerung von Leistungen aus dem stationären in den ambulanten Bereich fördern. Da ambulant erbrachte Leistungen in der Regel günstiger sind als stationär erbrachte, wird das Kostenwachstum insgesamt gebremst. 20 Die Prämien steigen 20

Siehe Ziffer 2.3

3511

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ebenfalls weniger schnell, da der Kantonsbeitrag neu auch für die ambulant erbrachten Leistungen vorgesehen ist. Unter diesen Rahmenbedingungen wird auch eine qualitativ hochstehende koordinierte Versorgung, die unnötige Hospitalisationen durch rechtzeitige ambulante Behandlungen vermeidet, finanziell attraktiver für die Versicherten.

Zweitens soll die Umstellung auf eine einheitliche Finanzierung sicherstellen, dass die steuer- und die prämienfinanzierten Finanzierungsanteile an den OKPLeistungen ­ vorerst unter Ausschluss der Langzeitpflege ­ stabilisiert werden.

Drittens soll die einheitliche Finanzierung die Finanzierungsträger ­ also Versicherer und Kantone ­ veranlassen, stärker auf eine sachgerechte Tarifierung der ambulant und der stationär erbrachten Leistungen hinzuwirken.

3.1.1

Geltungsbereich

Die einheitliche Finanzierung soll für alle stationären und ambulanten OKPLeistungen mit Ausnahme der Pflegeleistungen gelten. Sie umfasst damit insbesondere auch die Psychiatrie, die Rehabilitation sowie die Akut- und Übergangspflege.

Die Pflegeleistungen nach Artikel 25a Absätze 1 und 5 (siehe auch Ziff. 2.2) sollen vorerst von der einheitlichen Finanzierung ausgenommen werden. Bevor ein Entscheid über den Einbezug der Pflegeleistungen gefällt werden kann, müssen verschiedene Grundlagen erarbeitet werden. Der Nationalrat hat den Bundesrat am 14. März 2019 mit einem Postulat (19.3002) beauftragt, diese Grundlagen zusammen mit der GDK sowie den Verbänden der Leistungserbringer und der Versicherer zu erarbeiten. Insbesondere geht es um die Herstellung der Kostentransparenz, die Definition und Stabilisierung der Anteile der verschiedenen Kostenträger, die Definition der Pflegeleistungen in Abgrenzung zu Betreuungsleistungen, eine einheitliche Definition der Pflegestufen ambulant und stationär, eine Harmonisierung der Vergütungsregeln von ambulant und stationär sowie die Schaffung eines nationalen Gremiums für Tarifstrukturfragen in der Pflegefinanzierung.

Sobald die notwendigen Grundlagen vorhanden sind, soll der Bundesrat dem Parlament eine Gesetzesrevision zum Einbezug der Langzeitpflege in die einheitliche Finanzierung vorlegen. Einen entsprechenden Auftrag hat die Kommission in Ziffer II des Erlassentwurfs aufgenommen.

3.1.2

Zahlstelle und Kostenteiler

Neu sollen einzig die Versicherer die ambulanten und stationären Leistungen vergüten. Sie sind ideal geeignet für diese Aufgabe einer Zahlstelle, da die Abwicklung und Kontrolle der Rechnungen der Leistungserbringer eine Kernaufgabe der Versicherer ist. Die Versicherer sind an einer effizienten und wirksamen Rechnungskontrolle interessiert, da sie gegenüber ihren Mitbewerbern einen Vorteil haben, wenn sie unnötige Ausgaben vermeiden und so den Prämienanstieg dämpfen können.

3512

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Die einheitliche Finanzierung soll die Finanzflüsse verändern, um Fehlanreize zu beseitigen. Die Umstellung an sich soll aber sowohl für die Versicherer als auch für die Kantone insgesamt kostenneutral erfolgen. Gemäss einer nicht publizierten Spezialauswertung des Bundesamtes für Statistik (BFS) auf Basis der Statistik «Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens» leisteten Kantone und Gemeinden in den Jahren 2012 bis 2015 Beiträge für die stationären Leistungen nach KVG von jeweils zwischen 7,0 und 7,4 Milliarden Franken an Akutspitäler, Psychiatrien sowie Rehabilitations- und andere Spezialkliniken (exklusive gemeinwirtschaftliche Leistungen). Die Spezialauswertung unterscheidet sich vor allem in der Feinheit der Aufgliederung von den publizierten Standardtabellen der Statistik «Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens». Um eine Unterscheidung von ambulanten und stationären Behandlungen sowie Langzeitpflege zu ermöglichen, wurden einzelne Kategorien von Leistungserbringern und Leistungen feiner aufgegliedert.

In der Übergangsperiode nach der KVG-Revision im Bereich der Spitalfinanzierung hatten noch nicht alle Kantone den Anteil von 55 Prozent im stationären Bereich erreicht. In der besagten Auswertung des BFS betrug dieser Anteil im Durchschnitt der Jahre 2012-2015 52,7 Prozent. Eine Plausibilisierung dieser Werte auf Basis von Angaben der GDK zu den von den einzelnen Kantonen festgelegten Finanzierungsteilern21, welche mit dem stationären Kostenvolumen der einzelnen Kantone gewichtet wurden, ergab für dieselbe Periode 52,5 Prozent. Die Grössenordnungen scheinen somit vergleichbar. Um zu vermeiden, dass der Finanzierungsteiler für eine einheitliche Finanzierung ausgehend von einem tieferen Wert als dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Anteil von 55 Prozent nach Abschluss der Übergangsperiode festgelegt wird, werden die aus der BFS-Statistik «Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens» hergeleiteten tatsächlichen Beiträge der Kantone so hochgerechnet, dass der Anteil von 55 Prozent in jedem Kanton in allen Jahren jeweils genau erreicht, aber auch nicht überschritten wird. Auf diese Weise resultieren für die einzelnen Jahre 2012 bis 2015 hochgerechnete Kantonsbeiträge von jeweils zwischen 7,3 und 7,7 Milliarden Franken.

Die Versicherer bezahlten laut der erwähnten Auswertung des BFS auf
Basis der Statistik «Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens» für alle Arten von Leistungserbringern ­ abgesehen von ambulanter Krankenpflege und Pflegeheim ­ insgesamt jeweils zwischen 23,5 und 27,6 Milliarden Franken (inklusive Kostenbeteiligung). Dies ergibt kombiniert mit den hochgerechneten Werten für die Kantonsbeiträge (siehe oben) einen Anteil der öffentlichen Finanzierung von im Durchschnitt 22,6 Prozent. Dieser Kostenteiler soll für die einheitliche Finanzierung des ambulanten und des stationären Bereichs massgebend sein.

Die Vorlage sieht einen landesweit einheitlichen minimalen Kantonsbeitrag von 22,6 Prozent der Bruttoleistungen der Versicherer vor, also inklusive der Kostenbeteiligung der Versicherten. Die Bemessung des Kantonsbeitrags an den Bruttokosten stellt insbesondere sicher, dass alle Versicherten unabhängig von ihrer gewählten Franchise in gleichem Mass vom Kantonsbeitrag profitieren. Die Vorlage führt damit die Logik der seit 1. Januar 2009 geltenden Spitalfinanzierung22 fort, mit 21 22

www.gdk-cds.ch/fileadmin/docs/public/gdk/themen/spitalfinanzierung/ TB_Zusammenstellung_Kostenteiler_20180718.pdf AS 2008 2049

3513

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welcher der kantonale Anteil an den Abgeltungen für stationäre Leistungen landesweit einheitlich auf mindestens 55 Prozent festgelegt wurde. Neu wird die Kostenbeteiligung allerdings nicht mehr nur auf dem prämienfinanzierten Anteil der Kosten erhoben, sondern auf den Gesamtkosten der Leistungen. Der Beitrag des Kantons an die Versicherer ist deshalb auch auf Kosten zu leisten, welche den Versicherern gar nicht entstanden sind, weil sie von den versicherten Personen über die Kostenbeteiligung getragen werden. Um den Kantonsbeitrag auch auf dem Teil zu erhalten, welcher der Kostenbeteiligung unterliegt, ist davon auszugehen, dass die Versicherer versuchen werden, die Versicherten dazu zu bewegen, möglichst alle Rechnungen an sie einzusenden, auch wenn die von der versicherten Person gewählte Franchise noch nicht erreicht ist, oder aber mit den Leistungserbringern den tiers payant zu vereinbaren. Das Volumen der über die Versicherer abgewickelten Rechnungen und deren administrative Belastung dürfte sich dadurch erhöhen.

3.1.3

Einspeisung der öffentlichen Gelder

Die Kantone entrichten ihren Anteil an die gemeinsame Einrichtung nach Artikel 18 KVG. Diese überträgt den kantonalen Beitrag den Versicherern, basierend auf den Kosten pro Versicherten, welche den einzelnen Versicherern entstanden sind. Der Kanton leistet damit ähnlich wie heute einen Beitrag an die Kosten, neu jedoch nicht mehr beschränkt auf den stationären Bereich. Die Rechnungsstellung erfolgt zudem im Unterschied zu heute nicht mehr an den Kanton, sondern ausschliesslich an den Versicherer (beziehungsweise im System des Tiers garant an die versicherte Person).

Der Risikoausgleich sorgt wie heute dafür, dass die unterschiedliche Morbidität der Versichertenbestände unter den Versicherern teilweise ausgeglichen wird. Ausgeglichen werden jeweils diejenigen Risikounterschiede, welche von den Versicherern getragen werden (also abzüglich der Kantonsanteile). Die Versicherer werden somit für einen Teil der ihnen entstandenen Kosten entschädigt. Wie heute untersteht damit ein Teil der Kosten nicht dem unternehmerischen Risiko der Versicherer. Auf diesem Teil besteht folglich gegenüber heute kein zusätzlicher Anreiz für eine effiziente Versorgung. Im Gegenzug ist aber auch nicht zu erwarten, dass sich ein allenfalls unbefriedigend funktionierender Risikoausgleich ungünstiger auswirkt als im heutigen System, weil das vom Risikoausgleich berücksichtigte Volumen unverändert bleibt.

Gegenüber dem heutigen Zustand werden damit die Fehlanreize in der Wahl zwischen stationärer und ambulanter Behandlung beseitigt, das Ziel einer einheitlichen Finanzierung wird also erreicht. Auch für Tarifverhandlungen bestehen ­ unter Ausklammerung von Wechselwirkungen mit dem Zusatzversicherungsbereich ­ keine Anreize mehr zur Bevorzugung des einen oder anderen Bereichs. Versicherungsmodelle der Versicherer, die auf eine Verlagerung von stationär zu ambulant hinwirken, sind im Gegensatz zu heute voll prämienwirksam. Der Wettbewerbsdruck für die Versicherer und die Anreize, innerhalb des stationären und ambulanten Bereichs auf eine effiziente Versorgung hinzuwirken, bleiben hingegen im Durchschnitt über alle Versicherer gegenüber heute unverändert.

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3.1.4

Steuerungsmöglichkeiten für die Kantone im ambulanten Bereich

Die Kantone verlangen, das ambulante Versorgungsangebot gezielt steuern zu können, wenn sie die ambulanten Leistungen mitfinanzieren. Die Kommission trug dem Anliegen, die Steuerungsmöglichkeiten der Kantone im ambulanten Bereich zu stärken, bei der Beratung der Vorlage «KVG. Zulassung von Leistungserbringern» (18.047 n) Rechnung, und zwar in Artikel 55a KVG23. Weiter beschloss sie, dass die vorliegende Gesetzesrevision nur zusammen mit der Vorlage über die Zulassung von Leistungserbringern in Kraft treten soll (siehe Schlussbestimmungen Ziff. IV Abs. 2).

3.1.5

Übergangsfrist

Für den Übergang zur einheitlichen Finanzierung soll genügend Zeit eingeplant werden. Die Kantone und die Versicherer sollen drei Jahre Zeit erhalten, um den Systemwechsel vorzubereiten. Das Gesetz soll deshalb erst drei Jahre nach seiner definitiven Annahme in Kraft treten (siehe Schlussbestimmungen Ziff. IV Absätze 3 und 4). Anschliessend sollen die Kantone weitere drei Jahre Zeit erhalten, um den minimalen Beitrag von 22,6 Prozent zu erreichen (siehe Übergangsbestimmungen, Ziff. III).

3.1.6

Minderheitsanträge

Eine Minderheit (Gysi, Barrile, Carobbio Guscetti, Feri Yvonne, Heim, Schenker Silvia, Töngi) beantragt, auf die Vorlage nicht einzutreten. Die Vorlage trage den Anliegen der Kantone zu wenig Rechnung und sei deshalb nicht mehrheitsfähig.

Auch entfalte die Vorlage in der vorliegenden Form zu wenig Wirkung, um das Kosten- und damit das Prämienwachstum zu dämpfen. Insbesondere würden die Fehlanreize nicht angegangen, die durch die Zusatzversicherungen entstünden und sich auf die OKP auswirkten. Auch bleibe unberücksichtigt, dass die Tarifgestaltung für die Verlagerung von stationär zu ambulant entscheidender sei als die einheitliche Finanzierung.

Bei Artikel 16 Absatz 3bis und Artikel 60a beantragt eine Minderheit (Nantermod, Ammann, de Courten, Hess Lorenz, Humbel, Pezzatti, Roduit, Sauter, Weibel), den Kantonsbeitrag als pauschalen Betrag pro versicherte Person einzuspeisen, was in Verbindung mit dem Risikoausgleich zu einer risikogerechten Zuteilung an die Versicherer führt. Der Kanton entrichtet seinen Anteil an die gemeinsame Einrichtung nach Artikel 18 KVG. Diese überträgt den kantonalen Beitrag den Versicherern, basierend auf der Anzahl Versicherten. Der Kantonsbeitrag gelangt damit als Pauschalbetrag pro Kopf an die Versicherer. Der Pauschalbetrag wird differenziert 23

Das Geschäft wurde am 12. Dezember 2018 vom Nationalrat beraten und ist zurzeit hängig in der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates.

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nach Erwachsenen, Kindern und weiteren Gruppen von Versicherten mit gesonderter Prämie, wie Asylsuchende und im Ausland wohnhafte Versicherte. Junge Erwachsene sollten hingegen denselben Pauschalbetrag erhalten wie Erwachsene, da sie demselben Risikoausgleich unterstehen wie Erwachsene und dort lediglich einen Rabatt geniessen. Erhielten sie einen tieferen Pauschalbetrag als Erwachsene, würde die am 17. März 201724 beschlossene und am 1. Januar 2019 in Kraft getretene Entlastung von jungen Erwachsenen teilweise zunichte gemacht. Die Höhe des Pauschalbetrags entspricht jeweils mindestens 22,6 Prozent (siehe Ziffer 3.1.2.) der im Durchschnitt für diese Gruppen (Erwachsene, Kinder, etc.) entstandenen Kosten.

Die Morbidität der Versicherten spielt in diesem ersten Schritt keine Rolle. In einem zweiten Schritt sorgt jedoch der Risikoausgleich unter den Versicherern dafür, dass die Gelder zu denjenigen Versicherern gelangen, welche aufgrund ihrer Versichertenstruktur (Morbidität) darauf angewiesen sind. Dieser Risikoausgleich besteht bereits, die damit umverteilten Beträge passen sich dynamisch an die neuen, höheren Beträge an. Die Auszahlung eines Pauschalbetrags pro Kopf entspricht damit nicht, wie auf den ersten Blick vermutet werden könnte, einer undifferenzierten Zahlung ungeachtet der Bedürfnisse, sondern sie führt im Verbund mit dem Risikoausgleich unter den Versicherern zu einer bedürfnisgerechten Zuteilung an die Versicherer.

Die Versicherer erhalten die Kantonsbeiträge somit nicht auf Basis der entstandenen Kosten, sondern (im Verbund mit dem Risikoausgleich) aufgrund des erwarteten Risikos. Es ist den Versicherern somit selbst überlassen, wie sie sicherstellen, dass der aufgrund des erwarteten Risikos erhaltene Betrag ausreicht, um die effektiv entstehenden Kosten zu decken. Die Versicherer haben damit neben den behobenen Fehlanreizen zwischen stationärer und ambulanter Versorgung zusätzlich auch innerhalb des stationären beziehungsweise ambulanten Bereichs einen gegenüber heute verstärkten Anreiz, sich für eine effiziente Versorgung zu engagieren, weil diese stark prämienwirksam wird. Voraussetzung dafür ist, dass der Risikoausgleich zufriedenstellend funktioniert und diejenigen Kostenunterschiede möglichst vollständig abbildet, welche auf medizinische Notwendigkeit zurückzuführen sind und
durch eine effiziente Versorgung nicht zu beeinflussen sind.

Bei Artikel 18 Absatz 2sexies und Artikel 60 Absatz 5 beantragt eine Minderheit (Aeschi Thomas, Brand, Clottu, de Courten, Giezendanner, Herzog, Hess Erich) dass nur der Bund seinen Beitrag nach Artikel 60 Absatz 4 den Versicherern via die Gemeinsame Einrichtung überweist. Die Kantone sollen ihren Beitrag hingegen direkt den Versicherern entrichten. Die Versicherer können den Kantonsbeitrag basierend auf ihren ausgewiesenen Kosten direkt bei den Kantonen einfordern und sind dafür nicht auf die gemeinsame Einrichtung angewiesen.

Bei Artikel 18 Absatz 2octies beantragt eine Minderheit (Carobbio Guscetti, Barrile, Feri Yvonne, Gysi, Heim, Schenker Silvia, Töngi), dass die gemeinsame Einrichtung nach Artikel 18 KVG die Rechnungen der Leistungserbringer kontrolliert. Die Rechnungskontrolle sei ein zentrales Anliegen der Kantone.

Zu Artikel 49a wurden zwei Minderheitsanträge eingereicht, die beide von den gleichen Kommissionsmitgliedern unterstützt werden (Gysi, Barrile, Carobbio Guscetti, Feri Yvonne, Heim, Schenker Silvia, Töngi). Die Minderheit I beantragt 24

BBl 2017 2389; AS 2018 1843

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bei Absatz 2, dass die OKP wie bisher höchstens 45 Prozent der Kosten der Leistungen von Vertragsspitälern und ­geburtshäusern vergütet. Die Versicherer können mit Spitälern und Geburtshäusern, welche die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, aber nicht auf einer Spitalliste stehen, Verträge über die Vergütung der Leistungen aus der OKP abschliessen. Wenn die Vergütung aus der OKP von bisher höchstens 45 Prozent auf neu höchstens 77,4 Prozent steigt, fliessen zusätzliche Mittel in unbekannter Höhe aus der OKP zu diesen Leistungsanbietern. Das führt dazu, dass die Prämien der Zusatzversicherung sinken und Zusatzversicherte finanziell entlastet werden. Dieser Effekt ist nach Ansicht der Minderheit unerwünscht. Die Minderheit II beantragt, Artikel 49a aufzuheben und somit im KVG keine Vergütung der OKP für Vertragsspitäler und ­geburtshäuser vorzusehen. Deren Leistungen wären somit vollumfänglich aus einer Zusatzversicherung oder von den Patientinnen und Patienten selbst zu vergüten.

Bei Artikel 60 Absätze 2bis, 3 und 4 beantragt eine Minderheit (Humbel, Ammann, Hess Lorenz, Pfister Gerhard, Roduit, Weibel), dass der Kantonsbeitrag als Anteil der Nettokosten berechnet wird, die den Versicherern nach Abzug von Franchise und Selbstbehalt der Versicherten verbleiben. Wird der Kantonsbeitrag ­ wie von der Kommissionsmehrheit beantragt ­ als Anteil der Bruttokosten berechnet, steigt für die Versicherer der Anreiz, jede einzelne Rechnung einzuverlangen, auch wenn die von der versicherten Person gewählte Franchise noch nicht erreicht ist, oder mit den Leistungserbringern den tiers payant zu vereinbaren. Damit dürfte der administrative Aufwand für die Versicherer erheblich steigen. Zudem ist es verfassungsrechtlich fragwürdig, den Kanton gesetzlich zu verpflichten, dem Versicherer einen Beitrag an Kosten auszurichten, die dem Versicherer gar nicht entstanden sind, weil der Versicherte die Leistung im Rahmen seiner Franchise selbst bezahlt hat25.

Eine Minderheit (Gysi, Aeschi Thomas, Barrile, Carobbio Guscetti, de Courten, Feri Yvonne, Heim, Hess Erich, Schenker Silvia) beantragt, den in Ziffer II festgehaltenen Auftrag an den Bundesrat zu streichen. Es lägen bei weitem nicht genügend Informationen vor, um den Bundesrat jetzt schon zu verpflichten, dem Parlament eine Vorlage zum Einbezug der Langzeitpflege
in eine einheitliche Finanzierung zu unterbreiten.

Eine Minderheit (Aeschi Thomas, Brand, Clottu, Herzog, Hess Erich, Moret, Pezzatti, Stahl) lehnt es ab, in Ziffer IV Absatz 2 das Inkrafttreten der vorliegenden Revision mit dem Inkrafttreten der KVG-Revision «Zulassung von Leistungserbringern» zu verknüpfen. Eine einheitliche Finanzierung soll auch unabhängig von der Neuregelung der Zulassung der Leistungserbringer in Kraft treten können.

25

Siehe auch Gutachten des Bundesamtes für Justiz vom 15. Januar 2018, publiziert auf www.parlament.ch > Kommissionen > Sachbereichskommissionen > Kommissionen für soziale Sicherheit und Gesundheit > Berichte und Vernehmlassungen > Weitere Berichte

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3.2

Geprüfte, aber nicht weiter verfolgte Lösungen

3.2.1

Kantonal unterschiedliche Kostenteiler

Die Kommission prüfte, ob der Kostenteiler zwischen Versicherern und Kantonen landesweit einheitlich oder differenziert nach Kantonen festgelegt werden soll. Sie lehnte es ab, es vollständig den einzelnen Kantonen zu überlassen, welchen Anteil sie an der einheitlichen Finanzierung des ambulanten und des stationären Bereichs übernehmen wollen. Eine solche Lösung würde das Risiko bergen, dass einzelne Kantone ihren Finanzierungsbeitrag an die OKP-Leistungen zu Lasten der Versicherer und damit der Prämienzahlenden reduzieren würden. Das Ziel einer Stabilisierung des steuer- und des prämienfinanzierten Anteils an den OKP-Kosten ­ unter Ausschluss der Langzeitpflege ­ könnte so nicht erreicht werden. Zudem bestünde, wenn jeder Kanton selbst den Finanzierungsanteil festlegen könnte, die Gefahr, dass die Versicherten nur schon aus diesem Grund unterschiedliche Prämien bezahlen, was der Gleichbehandlung der Versicherten zuwiderliefe.

Die Kommission diskutierte auch, ob der Bund den Kostenteiler differenziert für jeden einzelnen Kanton festlegen sollte. Die Kommission sah jedoch von einer solchen Differenzierung ab, da sie den Kantonen wie bisher lediglich einen Mindestanteil vorgeben will. Da die Bedeutung des stationären Spitalsektors heute je nach Kanton unterschiedlich ist, ist die vorgeschlagene Regelung nicht für jeden einzelnen Kanton kostenneutral. Diejenigen Kantone, welche heute eine unterdurchschnittliche Bedeutung des stationären Sektors im Vergleich zum ambulanten Sektor aufweisen, werden durch die vorgeschlagene Regelung einen höheren Kantonsbeitrag bezahlen müssen als heute. Umgekehrt könnten diejenigen Kantone, welche heute eine überdurchschnittliche Bedeutung des stationären Sektors aufweisen, gegenüber heute ihren Kantonsbeitrag etwas senken, wenn sie dies möchten.

3.2.2

Einspeisung der öffentlichen Gelder über die individuelle Prämienverbilligung

Die Kommission prüfte eine Einspeisung des kantonalen Anteils über die individuelle Prämienverbilligung, wie sie auch in den Berichten der Experten Leu und Moser sowie des Bundesrates26 diskutiert worden war.

Würden die Beiträge der Kantone an die stationär erbrachten Leistungen vollumfänglich ins System der individuellen Prämienverbilligung eingespeist, würde sich deren Volumen von rund 4 auf rund 11 Milliarden Franken nahezu verdreifachen (bezogen auf das Jahr 2014). Um sicherzustellen, dass sich das Verhältnis zwischen steuer- und prämienfinanzierten Anteilen an der einheitlichen Finanzierung des ambulanten und des stationären Bereichs nicht verändert, müsste der Bund den Kantonen genauere Vorgaben für die Ausgestaltung der Prämienverbilligung machen. Dies würde eine teilweise Abkehr von der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) bedeuten, mit der den Kantonen ein grosser Ermessensspielraum gewährt wurde in der Frage, wie 26

Siehe Fussnoten 6, 7 und 16

3518

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stark sie die Prämien von verschiedenen Kategorien von Versicherten in ihrem Kantonsgebiet verbilligen.

Zusätzlich zu diesen föderalistischen Erwägungen sprechen weitere Gründe gegen eine Einspeisung des kantonalen Anteils über die Prämienverbilligung. Würde die einkommensabhängige Prämienverbilligung weiterhin auf Versicherte «in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen»27 konzentriert, würden die Prämien von rund einem Drittel der Bevölkerung fast vollständig verbilligt. Dies würde zu unerwünschten starken Schwelleneffekten führen. Würde hingegen der Empfängerkreis wesentlich ausgedehnt und auf Teile des Mittelstandes ausgeweitet, stellt sich die Frage, wie effizient ein System wäre, das einkommensunabhängige Prämien erhebt und diese für mehr als die Hälfte der Bevölkerung mit öffentlichen Geldern verbilligt. Würde der kantonale Anteil mittels Voucher auf die einzelnen Versicherten im Kanton verteilt, wäre dies administrativ aufwändiger als die direkte Einspeisung über die Versicherer.

Die Kommission prüfte auch zwei Varianten, in denen 10 Prozent oder 20 Prozent des kantonalen Anteils über die individuelle Prämienverbilligung und die restlichen Gelder über den Risikoausgleich oder direkt an die Versicherer ausbezahlt würden.

Auch in diesen Varianten müsste der Bund den Kantonen jedoch genauere Vorgaben machen, was der NFA zuwiderläuft.

3.2.3

Korrektur der Kinderprämien

Die Umstellung auf die einheitliche Finanzierung des ambulanten und des stationären Bereichs wirkt sich auf die Prämien von Kindern anders aus als auf die Prämien von Erwachsenen. Ein Grund liegt darin, dass Kinder weniger stationäre Leistungen benötigen als Erwachsene. Bezogen auf das Jahr 2014 betrug der Anteil der stationären Leistungen an allen Leistungen bei den Kindern rund 17 Prozent, bei den Erwachsenen rund 24 Prozent.

Kinder, die wegen des tieferen Anteils stationärer Leistungen im bisherigen System weniger stark vom Kanton mitfinanziert werden als die Erwachsenen, profitieren von einer einheitlichen Finanzierung. Bezogen auf das Jahr 2014 könnten die Prämien der Kinder um rund 9 Prozent sinken, während die Prämien der Erwachsenen um ungefähr ein halbes Prozent steigen würden.

Neben den Kindern und Erwachsenen gibt es noch eine dritte Alterskategorie von Versicherten, nämlich die jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren. Diese haben einen tieferen Anteil von stationären Leistungen an den Gesamtkosten als Erwachsene. Die jungen Erwachsenen unterstehen heute dem gleichen Risikoausgleich wie die Erwachsenen. Ab 2019 werden sie im Risikoausgleich jedoch entlastet, damit die Versicherer die Prämien für junge Erwachsene senken können.28 Neu müssen die Versicherer für junge Erwachsene nur noch die Hälfte des Betrags einbezahlen, welcher ohne Rabatt fällig würde. Weil junge Erwachsene ebenfalls einen tiefen Anteil an stationären Kosten aufweisen, wären sie neu, wenn der Kan27 28

Artikel 65 Absatz 1 KVG Änderung des KVG vom 17. März 2017 (BBl 2017 2389)

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tonsbeitrag auch ambulante Behandlungen abdeckt, gegenüber dem heutigen Zustand noch günstigere Risiken. Der Abstand von jungen Erwachsenen zu durchschnittlichen Risiken steigt und damit auch der vorgesehene Rabatt im Risikoausgleich, weil dieser abhängig ist von der Höhe der eigentlich fälligen Risikoausgleichszahlung. Mit der Einführung der einheitlichen Finanzierung würden die Prämien der jungen Erwachsenen leicht sinken, diejenige der übrigen Erwachsenen leicht steigen. Die beiden Effekte (Entlastung von Kindern und jungen Erwachsenen durch die einheitliche Finanzierung des ambulanten und des stationären Bereichs) dürften bei Erwachsenen eine Prämiensteigerung von zusammen weniger als einem Prozent bewirken.

Die Kommission diskutierte mögliche Korrekturmechanismen, welche sicherstellen würden, dass sich die Umstellung auf die einheitliche Finanzierung des ambulanten und des stationären Bereichs nicht auf die Prämien für Kinder, junge Erwachsene und Erwachsene auswirkt (separate Berechnung des Finanzierungsanteils für Kinder, junge Erwachsene und Erwachsene; reduzierte Entlastung der jungen Erwachsenen im Risikoausgleich). Sie kam dabei zum Schluss, es sei vorrangig, die wesentlichen Elemente der einheitlichen Finanzierung einzuführen, ohne sie mit untergeordneten Verfeinerungen komplizierter zu machen und zu belasten. Zudem sind die zu erwartenden Prämiensteigerungen für Erwachsene deutlich unterhalb der durchschnittlichen jährlichen Prämiensteigerungen.

3.2.4

Korrektur der Kostenbeteiligung

Wenn stationäre Leistungen nicht mehr direkt von den Kantonen mitfinanziert, sondern mit der Umstellung auf die einheitliche Finanzierung den Versicherern vollumfänglich in Rechnung gestellt werden, steigt der Betrag, auf dem die Kostenbeteiligung der Versicherten (Franchise, Selbstbehalt) berechnet wird. Im Gegenzug würden die Prämien und Kantonsbeiträge im gleichen Ausmass sinken. Es ist zu vermuten, dass sich dies in der Praxis kaum auf die Versicherten auswirken wird.

Jene Versicherten, die eine Spitalbehandlung benötigen, weisen im Laufe des Jahres vermutlich auch in ambulanter Behandlung so hohe Kosten auf, dass die maximale Kostenbeteiligung erreicht wird. Die einheitliche Finanzierung könnte aber in Fällen, in denen ansonsten gesunde Versicherte kurz hospitalisiert werden müssen, zu einer gegenüber heute höheren Kostenbeteiligung und entsprechend tieferen Prämien und Kantonsbeiträgen führen. Die maximale Kostenbeteiligung pro versicherte Person bleibt aber unverändert.

Die Kommission prüfte, ob dieser Effekt korrigiert werden sollte. Dazu könnte der Prozentsatz des Selbstbehalts so reduziert werden, dass die Umstellung auf die einheitliche Finanzierung des ambulanten und des stationären Bereichs für die Versicherten kostenneutral bleibt. Die Kommission verzichtete auf einen Korrekturmechanismus, da die Umstellung vermutlich nur marginale Auswirkungen auf die Kostenbeteiligung der Versicherten hat.

3520

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3.3

Anliegen der Kantone

Die Kommission befasste sich eingehend mit den Bedenken und Anliegen im Hinblick auf die Einführung der einheitlichen Finanzierung des ambulanten und des stationären Bereichs, wie sie die Kantone bereits 200529, in mehreren Anhörungen30 sowie in einem Argumentarium der GDK31 formuliert hatten:

29 30 31

­

Kontrolle über die Leistungsabrechnung: Aus finanzrechtlichen Gründen verlangen die Kantone, kontrollieren zu können, ob die Leistungen für die Kantonsbevölkerung korrekt abgerechnet werden. Als Möglichkeit stellen sie die Schaffung eines gemeinsamen Organs der Versicherer und Kantone zur Diskussion, das diese Kontrolle sicherstellen würde. Das Anliegen stiess in der Kommission auf Verständnis. Allerdings geht sie davon aus, dass die Rechnungskontrolle grundsätzlich die Aufgabe der Versicherer ist. Auch die meisten Kantone hätten mit den Versicherern vereinbart, dass diese die Rechnungen kontrollieren, welche die Spitäler nach Artikel 49a Absatz 3 KVG den Kantonen stellen. Die Versicherer wiederum werden vom BAG beaufsichtigt. Die Kommission nahm zur Kenntnis, dass das BAG bei Verdacht und zusätzlich stichprobenweise prüft, ob die Versicherer die rechtlichen Vorgaben bei der Vergütung von Leistungen einhalten. Die Kommission sieht angesichts der hohen Zahl von Rechnungen im ambulanten und stationären Bereich ein Risiko, dass ein enormer administrativer Zusatzaufwand entstehen könnte, wenn die Kantone direkt in die Rechnungskontrolle einbezogen werden sollten.

­

Keine Fehlanreize bei Zusatzversicherung: Die Kantone verlangen, dass Fehlanreize infolge der Verknüpfung der vertraglichen Vereinbarungen der Tarifpartner im Grund- und Zusatzversicherungsbereich konsequent eliminiert werden. Auch dieses Anliegen teilt die Kommission. Sie sieht zurzeit aber keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf, da die zuständigen Behörden bereits gestützt auf das geltende Recht tätig werden. Sie nahm zur Kenntnis, dass das BAG und die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) auf eine grössere Transparenz bei den Kosten in der Grund- und der Zusatzversicherung hinarbeiten. Insbesondere geht es darum zu verhindern, dass stationäre Leistungen, die bereits mit den Pauschalen nach Artikel 49 KVG vergütet werden, auch noch der Zusatzversicherung in Rechnung gestellt werden. Zudem hat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) am 12. Februar 2018 eine Änderung der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) per 1. Januar 2019 beschlossen, wonach bestimmte Eingriffe von der OKP grundsätzlich nur vergütet werden, wenn sie ambulant durchgeführt werden. Dies sollte dazu führen, dass für die Leistungserbringer die Anreize sinken, zusatzversicherte Patientinnen und Patienten aus finanziellen Gründen stationär zu behandeln.

­

Aufsicht über die Versicherer: Die Kantone verlangen eine verstärkte Mitsprache bei der Aufsicht über die Versicherer. Die Kommission sieht jedoch Siehe Ziffer 2.4 Siehe Ziffer 1 Siehe Fussnote 5

3521

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keinen Anlass, die geltenden Zuständigkeiten zu verändern. Die Aufsicht obliegt gemäss dem Krankenversicherungsaufsichtsgesetz32 dem BAG, das den kantonalen Unterschieden nach Einschätzung der Kommission genügend Rechnung trägt. Die Kantone können zudem vor der Genehmigung des Prämientarifs zu den für ihren Kanton geschätzten Kosten Stellung nehmen.

Zweck der Aufsicht durch das BAG ist es, die Interessen der Versicherten zu schützen. Eine korrekte Verwendung der Mittel, welche der Kanton zur Deckung der Kosten bezahlt, ist auch im Interesse der Versicherten, weshalb diese Mittel ebenfalls von der Aufsicht erfasst werden. Die Versicherer dürfen die Mittel der sozialen Krankenversicherung, worunter auch die Beiträge der Kantone fallen, nur zu deren Zwecken verwenden. Die Einhaltung dieser Bestimmung ist eine Voraussetzung, um die soziale Krankenversicherung überhaupt durchführen zu können. Die Aufsicht sorgt für die dauerhafte Einhaltung der Bewilligungsvoraussetzungen durch die Versicherer und verlangt bei Nichteinhaltung die Wiederherstellung des gesetzlichen Zustandes.

Bei Missachtung der Voraussetzungen können Sanktionen ergriffen werden bis hin zum Entzug der Bewilligung. Eine Ergänzung der gesetzlichen Bestimmungen erweist sich deshalb als nicht nötig.

­

Kantonaler Finanzierungsanteil: Die Kantone verlangen Gewähr, dass die einheitliche Finanzierung des ambulanten und des stationären Bereichs nicht zu einer Zunahme des kantonalen Finanzierungsanteils an den Gesamtkosten des Gesundheitssystems führt. Diesem Anliegen hat die Kommission Rechnung getragen, indem sie einen Kostenteiler vorschlägt, der konstant bleibt (siehe Ziffer 3.1.2).

­

Steuerung des ambulanten Bereichs: siehe Ziff. 3.1.4.

4

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Art.16 Abs. 3bis Der Risikoausgleich läuft zwar grundsätzlich unverändert weiter aufgrund der gleichen massgebenden Elemente. Allerdings ist eine Ergänzung von Artikel 16 notwendig, damit die sogenannte Risiko-Neutralität gewahrt bleibt. Ein neuer Absatz 3bis legt fest, dass für die Berechnung der Risikoabgaben und Ausgleichsbeiträge des Risikoausgleichs die Nettoleistungen der Versicherer unter Abzug des Kantonsbeitrags, relevant sind. Nur die Leistungen nach Abzug des Kantonsbeitrags sind Kosten, welche schlussendlich vom Versicherer getragen werden müssen und demzufolge vom Risikoausgleich berücksichtigt werden sollten. Würde auf eine solche Anpassung verzichtet, würden Versicherer, welche Versicherte mit hohen Kosten versichern, für die entstandenen Kosten doppelt entschädigt: einmal vom Kantonsbeitrag und ein zweites Mal vom Risikoausgleich. Mit Versicherten mit hohen Kosten wäre es damit möglich, systematisch Gewinn zu erzielen, was Risikoselektion ermöglichen würde. Auch eine solche negative Risikoselektion wäre problematisch.

32

SR 832.12, in Kraft seit 1. Januar 2016.

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Art.18 Abs. 2sexies Die Zuweisung des Kantonsbeitrags an die Versicherer wird der gemeinsamen Einrichtung der Versicherer übertragen. Dieses Vorgehen ist zweckmässig, weil die Kantone andernfalls mit einer Vielzahl von Versicherern abrechnen müssten. Die gemeinsame Einrichtung kennt ­ unter anderem aus ihrer bereits bestehenden Aufgabe beim Risikoausgleich ­ bereits die meisten massgeblichen Daten der Versicherer, namentlich Versichertenbestände und Kostendaten der Versicherer. Gegenüber heute muss die gemeinsame Einrichtung bei den Versicherern zusätzlich die Kosten der Versicherer für Beiträge an die Langzeitpflege nach Artikel 25a Absatz 1 KVG und Leistungen an Vertragsspitäler gemäss heutigem Artikel 49a Absatz 4 KVG erheben sowie auch Daten zu Kindern, Asylsuchenden, Grenzgängern, Rentnern im Ausland und weiteren Versicherten, welche heute nicht Teil des Risikoausgleichs sind.

Abs. 2octies Der neue Absatz 2octies übernimmt unverändert den Wortlaut des bisherigen Absatzes 2sexies. Damit können der gemeinsamen Einrichtung von den Kantonen gegen Entschädigung weitere Aufgaben übertragen werden, wenn die Kantone dies wünschen. Darunter könnte beispielsweise auch eine Kontrolle der Daten fallen, welche die Versicherer den Kantonen nach Artikel 60 Absatz 5 übermitteln.

Abs. 5 Im ersten Satz von Absatz 5 wird ergänzt, dass die Versicherer auch die der gemeinsamen Einrichtung der Versicherer neu zugewiesene Aufgabe der Verteilung der Kantonsbeiträge finanzieren müssen. Die Finanzierung wird den Versicherern übertragen, weil diese von der Zuteilung des Kantonsbeitrags profitieren und weil die gemeinsame Einrichtung eine Einrichtung der Versicherer ist. Mit dieser Regelung kann vermieden werden, dass neben dem Bund weitere zusätzliche Partner wie die Kantone die gemeinsame Einrichtung mitfinanzieren müssen. Die Kantone finanzieren die gemeinsame Einrichtung wie bisher lediglich, falls sie ihr aus eigenen Stücken zusätzliche Aufgaben übertragen (neu Artikel 18 Absatz 2octies). Die Versicherer werden damit gegenüber heute zusätzlich belastet, für die Kantone fällt demgegenüber der heutige Aufwand für die Bearbeitung der Rechnungen der Leistungserbringer weg.

Art.25a Abs. 2 Weil die Akut- und Übergangspflege neu wie alle Leistungen, welche von der einheitlichen Finanzierung erfasst werden, nur noch von
den Versicherern direkt vergütet wird, werden einige Anpassungen notwendig. Der Hinweis auf die kantonale Mitfinanzierung wird daher gestrichen. Die Kantone finanzieren die Akut- und Übergangspflege aber nach wie vor über den Kantonsbeitrag mit, im gleichen Ausmass wie alle Leistungen, welche von der einheitlichen Finanzierung erfasst werden (siehe Artikel 60).

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Art.41 Abs. 1bis, 1ter, 2bis bis 2quater, 3, 3bis und 4 zweiter bis fünfter Satz Neu wird die direkte Finanzierung der stationären Behandlungen vollständig vom Versicherer geleistet. Dies führt zu einem Anpassungsbedarf bei den Bestimmungen zur Wahl des Leistungserbringers und der Kostenübernahme. Dies betrifft die Absätze 1bis, 1ter, 2bis, 2ter, 3 und 3bis. Die Verweise auf den Kanton bzw. die kantonale Mitfinanzierung werden jeweils entfernt. Der Artikel wird zudem neu strukturiert.

Die Definition des ambulanten Notfalls im bisherigen Absatz 3 bis kann entfernt werden, weil seit der entsprechenden Anpassung des KVG per 1. Januar 2018 33 im ambulanten Bereich auch in anderen als Notfällen die volle Freizügigkeit der Patienten gilt. Aus dem gleichen Grund wird Absatz 4 angepasst, indem dort der frühere Verweis auf den mittlerweile aufgehobenen Absatz 2 ausformuliert wird. Die Bestimmungen zur Wahl des Leistungserbringers und Ausnahmen davon aus medizinischen Gründen im stationären Bereich sind neu alle direkt im neu formulierten Absatz 1bis enthalten, deshalb können die Absätze 3 und 3bis aufgehoben werden.

Absatz 2bis hält fest, dass die Regeln von Absatz 1bis sinngemäss auch für Versicherte mit Wohnsitz im Ausland gelten, welche einen Anknüpfungspunkt an einen bestimmten Kanton haben. Absatz 2ter bezeichnet den Kanton, an den diese Versicherten einen Anknüpfungspunkt haben, neu explizit als Wohnkanton im Sinne des Gesetzes. Im neuen Absatz 2quater wird die Kostenübernahme für Versicherte im Ausland ohne Anknüpfungspunkt an einen Kanton sinngemäss wie bisher im per 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Absatz 2ter geregelt, und es wird neu präzisiert, welche Regeln im Notfall bei diesen Versicherten gelten.

Art.42 Abs. 2 und 3 Bei stationärer Behandlung gilt nach wie vor das System des Tiers payant. Da der Versicherer neu den vollen Betrag der stationären Behandlung schuldet und nicht mehr nur den auf ihn entfallenden Anteil, wird die Formulierung von Absatz 2 angepasst. Aus dem gleichen Grund ist es auch nicht mehr notwendig, dass bei stationärer Behandlung der Leistungserbringer die auf Kanton und Versicherer entfallenden Anteile im Rahmen der Rechnungsstellung gesondert ausweist. Deshalb wird der entsprechende Satz in Absatz 3 gestrichen.

Art.49a

Vertragsspitäler und -geburtshäuser

Die Sachüberschrift dieses Artikels wird geändert, da neu nur noch die Vertragsspitäler und -geburtshäuser in diesem Artikel geregelt werden.

Heute sieht Artikel 49a Absatz 4 KVG vor, dass Versicherer mit Spitälern oder Geburtshäusern, welche nicht auf der Spitalliste stehen, aber die Voraussetzungen nach Artikel 38 und 39 Absatz 1 Buchstabe a bis c und f erfüllen, Verträge über die Vergütung der Leistungen aus der OKP abschliessen können. Diese Bestimmung wird nun in den Absatz 1 überführt. Die Versicherer dürfen Vertragsspitälern aus Mitteln der OKP weiterhin lediglich denjenigen Anteil vergüten, welcher von ihnen nach Berücksichtigung des Kantonsbeitrags effektiv getragen wird, also neu 77,4 Prozent des Betrags, welcher einem Listenspital zustünde (Absatz 2).

33

AS 2017 6717

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Zu beachten ist, dass damit gegenüber heute das Instrument der Vertragsspitäler sowie -geburtshäuser etwas attraktiver werden dürfte, da Versicherer neu bis zu 77,4 Prozent statt wie bisher nur 45 Prozent der Vergütung eines Listenspitals aus Mitteln der OKP leisten dürfen. Der allenfalls von einer Zusatzversicherung oder vom Patienten zu übernehmende Anteil sinkt damit von 55 Prozent auf 22,6 Prozent, was die Prämien in den Zusatzversicherungen entlasten könnte. Damit sinkt die Relevanz der kantonalen Spitalplanung gegenüber heute in einem gewissen Ausmass, weil Spitäler ausserhalb von Spitallisten neu für Zusatzversicherte oder Selbstzahler nicht mehr im selben Ausmass teurer sind wie unter der bisherigen Regelung.

Art.51 Abs. 1 zweiter Satz Bei den Bestimmungen zu Globalbudgets für Spitäler wird der Vorbehalt der Kostenaufteilung nach Artikel 49a ersetzt durch den Vorbehalt des Kantonsbeitrags nach Artikel 60.

Art.60 In diesem Artikel mit neuem Abschnittstitel Kantonsbeitrag wird neu die Berechnung des Kantonsbeitrags geregelt. Der Artikel ersetzt damit zusammen mit Artikel 60a grosse Teile des heutigen Artikels 49a.

Abs. 1 Dieser Absatz bestimmt den Grundsatz, dass sich die Kantone an der Finanzierung der Leistungen nach KVG beteiligen. Dazu entrichten die Kantone einen Kantonsbeitrag. Im Unterschied zum bisherigen Artikel 49a wird nicht mehr von einer Mitfinanzierung von Leistungen gesprochen, weil sich der Beitrag des Kantons neu auf die Kosten der Versicherer für Leistungen nach KVG bezieht.

Abs. 2 Absatz 2 bestimmt die Kosten, welche für die Berechnung des Kantonsbeitrags massgebend sind. Es muss sich um Leistungen nach den Artikeln 25 bis 31 handeln.

Von der Berechnung dieser Kosten und damit des Kantonsbeitrags ausgenommen sind die Kosten für Leistungen nach Artikel 25a Absatz 1 (Langzeitpflege), für welche die Versicherer nach wie vor lediglich Beiträge leisten. Die Kantone übernehmen bei diesen Leistungen die Restfinanzierung. Diese Leistungen sind heute somit grundsätzlich anders finanziert als die anderen Leistungen nach KVG. Dieser Unterschied soll vorerst beibehalten werden (siehe auch Ziffer 3.1.1.).

Ebenfalls ausgenommen von der Berechnung des Kantonsbeitrags sind Kosten für Vertragsspitäler sowie -geburtshäuser. Diese sind nicht Teil der kantonalen Spitalplanung, und die
Kantone müssen Leistungen dieser Einrichtungen heute nicht mitfinanzieren. Die Versicherer dürfen aus den Mitteln der OKP lediglich Beiträge in der Höhe des Anteils der Krankenversicherung bei einem Listenspital leisten. Es soll auch bei einer einheitlichen Finanzierung ausgeschlossen werden, dass Mittel der Kantone zur Mitfinanzierung von Leistungen nach KVG an Spitäler oder Geburtshäuser fliessen, welche nicht auf einer kantonalen Spitalliste aufgeführt sind.

Diesem Zweck dient die Bestimmung in Artikel 49a Absatz 1. Die Versicherer 3525

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dürfen die Gelder, welche sie aus Mitteln der OKP an Vertragsspitäler sowie geburtshäuser fliessen lassen, nicht in die Berechnung der anrechenbaren Kosten für die Bestimmung der Höhe des Kantonsbeitrags einfliessen lassen. Die Leistungen müssen ferner für im betreffenden Kanton wohnhafte Versicherte erbracht werden oder für im Ausland wohnhafte Versicherte, welche einen Anknüpfungspunkt an diesen Kanton haben. Im Ausland wohnhafte Versicherte ohne Anknüpfungspunkt an einen Kanton fallen somit nicht unter die Regelung in Absatz 2. Die Leistungen müssen in der Schweiz erbracht worden sein, damit sie für die Berechnung des Kantonsbeitrags relevant sind. Dies entspricht der heutigen Regelung im stationären Bereich.

Abs. 3 Wie bereits heute ist der Kanton verpflichtet, spätestens neun Monate vor Beginn eines Jahres den Prozentsatz für den Kantonsbeitrag festzulegen. Neu bezieht sich dieser Kantonsbeitrag nicht mehr nur auf stationäre Leistungen, sondern auf alle Leistungen nach KVG mit Ausnahme der Langzeitpflege und von Leistungen in Vertragsspitälern und ­geburtshäusern. Der vom Kanton festzulegende Anteil muss mindestens 22,6 Prozent betragen. Der Mindestanteil im Gesetz wurde so gewählt, dass der Anteil der kantonalen Mitfinanzierung von allen Leistungen nach KVG über alle Kantone hinweg auf dem gleichen Niveau bleibt, bezogen auf die Referenzjahre 2012 bis 2015 (siehe Ziffer 3.1.2.).

Abs. 4 Bei im Ausland wohnhaften Versicherten ohne Anknüpfungspunkt an einen Kanton übernimmt neu der Bund bei Behandlung in der Schweiz einen Beitrag. Im Sinne einer möglichst geringfügigen Anpassung des Gesetzes gilt weiterhin die Regel, dass für die Höhe des Beitrags der durch den Standortkanton des Leistungserbringers festgelegte Prozentsatz nach Absatz 3 massgebend ist. Der Bundesbeitrag bezieht sich auf dieselben Leistungen, an welche der Kanton nach Absatz 2 einen Beitrag leistet. Der Bund leistet seinen Beitrag, weil die einzelnen Kantone wie bereits heute keinen Anknüpfungspunkt zu den in diesem Absatz angesprochenen Versicherten haben. Heute leisten die Kantone für diese Versicherten eine gemeinsame Mitfinanzierung lediglich der stationären Leistungen. Für die Versorgung mit diesen Leistungen haben die Kantone traditionell eine starke Verantwortung. Für den ambulanten Bereich gilt diese Verantwortung nicht
im gleichen Mass. Da neu auch Beiträge für ambulante Leistungen geleistet werden müssen, fehlt somit einerseits bei diesen Versicherten der Bezug eines einzelnen Kantons zu den einzelnen Versicherten, andererseits ist die Verantwortung zur Versorgung mit diesen Leistungen weniger stark ausgeprägt. Aus diesen Gründen übernimmt bei diesen Versicherten neu der Bund für stationäre und ambulante Leistungen den Beitrag, den im stationären Beitrag bisher die Kantone geleistet haben. Vorgeschlagen wird damit eine Regelung, wie sie bereits für die Prämienverbilligung für im Ausland wohnhafte Versicherte ohne Anknüpfungspunkt an einen Kanton getroffen wurde (Art. 66a KVG).

Der Bund wird dadurch etwas belastet, die Kantone im Gegenzug entlastet (siehe Ziffer 5.1.).

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Abs. 5 Die Versicherer müssen den Kantonen und dem Bund die Daten übermitteln, welche für die Berechnung der Kantons- und Bundesbeiträge nötig sind. Die Leistungserbringer stellen neu für die gesamte Vergütung dem Versicherer Rechnung. Dieser tritt neu als einziger direkter Zahler auf, auch im stationären Bereich. Die Kantone entrichten ihren Anteil der gemeinsamen Einrichtung. Dies ist der administrativ einfachste Weg, den Kantonsbeitrag auf die einzelnen Versicherer zu übertragen. So wird vermieden, dass die Kantone mit einer Vielzahl von Versicherern abrechnen müssen (siehe dazu die Ausführungen zu Art. 18).

Es ist ferner vorgesehen, dass der Bundesrat festlegt, wie die Daten übermittelt werden und die Kantone ihre Kantonsbeiträge der gemeinsamen Einrichtung zu übertragen haben. Verschiedene methodische Details sind zu regeln, unter anderem die Periodizität der kantonalen Zahlungen (pro Quartal, jährlich, monatlich, etc.), ob der Behandlungsbeginn oder das Abrechnungsdatum für die Berechnung des Kantonsbeitrags massgebend sein soll, wie der Zahlungsprozess ausgestaltet werden soll mit Akontozahlungen und nachträglicher definitiver Verrechnung, sobald die Kostendaten bekannt sind, und welcher Zeitrahmen für diesen Prozess vorzusehen ist.

Art.60a Dieser neue Artikel regelt die Aufteilung der Kantonsbeiträge auf die einzelnen Versicherer. Der Kantons- und der Bundesbeitrag sollen nach Massgabe der anrechenbaren Kosten (siehe Art. 60 Abs.2) an die Versicherer aufgeteilt werden. Damit wird wie heute ein Teil der Kosten vom Kanton getragen, neu allerdings nicht mehr nur Kosten für stationäre Behandlungen, sondern Kosten für alle Leistungen nach KVG unter Ausschluss von Langzeitpflege und Vertragsspitälern (siehe Art. 60 Abs. 2). Das heisst auch, dass weiterhin ein Teil der Kosten entschädigt wird und dieser Teil nicht dem Risikoausgleich der Versicherer untersteht (siehe Ausführungen zu Art. 16). Damit bleibt das Ausmass der Risikoselektion gegenüber heute unverändert, aber auch die Prämienwirksamkeit einer effizienten Versorgung, letzteres abgesehen von der Beseitigung der kostensteigernden Fehlanreize in der Wahl zwischen stationärer und ambulanter Behandlung.

Art.79a Dieser Artikel bezieht sich neu nur noch auf die Beiträge, welche der Kanton nach Artikel 25a leistet. Da die Kantone nicht mehr
Leistungen direkt mitfinanzieren, sondern ihre Mittel den Versicherern überweisen, ist ein direktes Rückgriffsrecht für die Kantone nicht mehr sinnvoll. Der Versicherer kann dieses Rückgriffsrecht geltend machen.

II

Auftrag an den Bundesrat

Der Bundesrat wird beauftragt, eine Gesetzesrevision zu beantragen, sobald die notwendigen Grundlagen vorhanden sind, namentlich die erforderliche Kostentransparenz. Diese Gesetzesrevision soll den Einbezug der Langzeitpflege in eine einheitliche Finanzierung vorsehen. Mangels zuverlässiger Daten sollen die Kosten der 3527

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Langzeitpflege in einer ersten Phase ausgeklammert werden und weiterhin nach den geltenden Regeln der Pflegefinanzierung vergütet werden. Bevor ein Entscheid über den Einbezug der Pflegeleistungen gefällt werden kann, müssen verschiedene Grundlagen erarbeitet werden. Insbesondere geht es um die Herstellung der Kostentransparenz, die Definition und Stabilisierung der Anteile der verschiedenen Kostenträger, die Definition der Pflegeleistungen in Abgrenzung zu Betreuungsleistungen, eine einheitliche Definition der Pflegestufen ambulant und stationär, eine Harmonisierung der Vergütungsregeln von ambulant und stationär sowie die Schaffung eines nationalen Gremiums für Tarifstrukturfragen in der Pflegefinanzierung.

III

Übergangsbestimmungen

Den Kantonen wird nach Inkrafttreten eine Übergangsfrist von drei Jahren eingeräumt, um den Finanzierungsanteil für den Kantonsbeitrag zu erreichen. Der festgelegte Kostenteiler muss spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten in allen Kantonen mindestens erreicht werden. Kantone, in welchen der Anteil der Kosten von spitalstationären Leistungen im Vergleich zu den Kosten aller Leistungen, welche einheitlich finanziert werden, drei Jahre vor Inkrafttreten unter dem Durchschnitt liegt, können zur Vermeidung einer sprunghaften Mehrbelastung in der Übergangsperiode einen tieferen Finanzierungsanteil vorsehen, ausgehend von einem nicht zu unterschreitenden Minimalanteil von 18,1 Prozent, welcher jährlich erhöht werden muss.

Umgekehrt dürfen Kantone, in welchen der Anteil der Kosten von spitalstationären Leistungen im Vergleich zu den Kosten aller Leistungen, welche einheitlich finanziert werden, über dem Durchschnitt liegt, ihren Finanzierungsanteil zur Vermeidung eines sprunghaften Prämienanstiegs höchstens um 1.5 Prozentpunkte jährlich senken.

IV Die Änderung kann nur zusammen mit der Änderung des Bundesgesetzes vom 18.

März 1994 über die Krankenversicherung vom ... (Zulassung von Leistungserbringern) in Kraft.treten. Zudem ist zur Vorbereitung der Umstellung der Finanzierung eine Wartefrist von drei Jahren nach Annahme der Änderung durch das Parlament oder das Volk vorgesehen, bis die Änderung in Kraft tritt. Falls bis zu diesem Zeitpunkt die Gesetzesänderung im Bereich der Zulassung von Leistungserbringern noch nicht in Kraft treten kann, tritt die vorliegende Änderung ebenfalls erst gleichzeitig mit dieser auf Jahresbeginn in Kraft. Während der dreijährigen Frist bis zum Inkrafttreten können sämtliche Beteiligte die notwendigen Vorbereitungsarbeiten leisten. Nach Ablauf der drei Jahre ist eine weitere Übergangsfrist von nochmals drei Jahren vorgesehen, während welcher der Finanzierungsanteil sukzessive angepasst werden kann (siehe III).

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5

Auswirkungen

5.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Finanzielle Auswirkungen auf die Versicherten Der von den Kantonen neu zu leistende Kantonsbeitrag an stationäre und ambulante Leistungen ist so berechnet, dass eine im Übergangsjahr prämienneutrale Einführung einer einheitlichen Finanzierung erwartet werden kann. Dennoch gibt es einige Abweichungen von diesem Grundsatz.

Kinder und junge Erwachsene weisen einen tieferen Anteil an stationären Leistungen an allen konsumierten Leistungen auf. Aus diesem Grund profitieren sie heute in vergleichsweise geringem Ausmass von der Mitfinanzierung der stationären Leistungen der Kantone. Gilt neu ein einheitlicher Finanzierungsanteil auch für ambulante Leistungen, werden sie im selben Mass wie die Erwachsenen vom Kantonsbeitrag begünstigt. Durch die im Vergleich zum status quo stärkere Mitfinanzierung sinken die Prämien von Kindern und jungen Erwachsenen. Die Prämien von Erwachsenen werden im Gegenzug leicht ansteigen (siehe Ziffer 3.2.3.).

Neu sind die Versicherer als alleiniger Direktzahler von Leistungen vorgesehen.

Entsprechend werden sie auf den gesamten Kosten, welche sie tragen, die Kostenbeteiligung der Versicherten einfordern. Bei stationärer Behandlung wird heute auf dem Kantonsanteil keine Kostenbeteiligung erhoben. Deshalb wird neu in solchen Fällen, in denen die maximale Kostenbeteiligung noch nicht ausgeschöpft ist, eine höhere Kostenbeteiligung der Versicherten als heute fällig (siehe Ziffer 3.2.4.). Da die Prämien jeweils immer gerade kostendeckend sein dürfen, ist zu erwarten, dass ein leichter Anstieg der Kostenbeteiligung zu einer leichten Prämiensenkung führt.

Die Kantonsbeiträge hingegen könnten leicht steigen, weil die neuen ausgewiesenen Bruttoleistungen etwas höher liegen könnten als die heutige Summe aus Bruttoleistungen und Kantonsbeitrag. Dies könnte dann der Fall sein, wenn die Versicherer es schaffen, die Versicherten dazu zu bewegen alle oder jedenfalls mehr Rechnungen als heute im ambulanten Bereich einzusenden oder mit den Leistungserbringern den tiers payant zu vereinbaren, um so den Kantonsbeitrag zu vergrössern (siehe Ziffer 3.1.2.). Dies würde bewirken, dass die heute statistisch nicht fassbaren, von den Versicherten geleisteten direkten Zahlungen an die Leistungserbringer, welche bisher nicht den Versicherern eingesendet wurden, neu ebenfalls über die Versicherer laufen,
einen zusätzlichen Kantonsbeitrag auslösen und im Gegenzug die Prämien senken. Die Senkung der Prämien entspricht dem Anstieg der Kostenbeteiligung und des Kantonsbeitrags. Der Effekt kann allerdings nicht quantifiziert werden.

Der stationäre Bereich, in welchem die Kantone heute Leistungen mitfinanzieren, nimmt an relativer Bedeutung ab, bezogen auf alle Leistungen nach KVG. Der ambulante Bereich, welcher an Bedeutung zunimmt, wird dagegen heute nicht von den Kantonen mitfinanziert. Die Versicherten tragen den dortigen Kostenanstieg daher heute alleine. Mit einer einheitlichen Finanzierung beteiligen sich die Kantone auch an der Finanzierung der ambulanten Leistungen. Das Wachstum der Belastung der Versicherten wird daher im Vergleich zu einer Fortführung des heutigen Systems reduziert.

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Schliesslich kann eine einheitliche Finanzierung insgesamt zu sinkenden beziehungsweise weniger schnell ansteigenden Prämien führen, wenn durch den Wegfall von Fehlanreizen zwischen stationärer und ambulanter Behandlung die Verlagerung von stationärer zu ambulanter Behandlung beschleunigt wird und wenn eine steigende Verbreitung und Effektivität von Versicherungsmodellen mit koordinierter Versorgung zu einer Reduktion des Kostenwachstums führt.

Finanzielle Auswirkungen auf die Kantone Die Kantone werden von der direkten Mitfinanzierung von stationären Leistungen nach KVG entlastet. Sie leisten neu ihren Kantonsbeitrag in (im Übergangsjahr) derselben Höhe an die gemeinsame Einrichtung. Der neue Kantonsbeitrag ist so bemessen, dass ein für alle Kantone zusammen kostenneutraler Übergang zu einer einheitlichen Finanzierung erwartet werden kann. Auf der Ebene einzelner Kantone ist allerdings zu erwarten, dass der Übergang zu einer einheitlichen Finanzierung nicht völlig kostenneutral erfolgt. Dies ist dann der Fall, wenn ein Kanton heute Versorgungs-, Patienten- und Behandlungsstrukturen aufweist, welche überdurchschnittlich stark auf ambulante Behandlung ausgelegt sind. In diesem Fall kann der Anteil der stationären Kosten im schweizweiten Vergleich relativ tief liegen. Da die Kantone heute nur stationäre Behandlungen mitfinanzieren, neu aber auch ambulante Behandlungen vom Kantonsbeitrag abgedeckt werden, wird die Belastung eines solchen Kantons ansteigen. Umgekehrt können Kantone, welche heute aus den erwähnten Gründen einen hohen Anteil an stationären Behandlungen aufweisen, mit einer einheitlichen Finanzierung entlastet werden. Die beiden Effekte heben sich über alle Kantone betrachtet gegenseitig auf, wenn die Kantone jeweils genau den gesetzlichen Mindestanteil festlegen.

Der minimale Prozentsatz für den Kantonsbeitrag wird auf dem Verhältnis der heutigen Kantonsbeiträge zur Summe aus den heutigen Kantonsbeiträgen und Bruttoleistungen der Versicherer berechnet. Da die Versicherer Anreize haben, alle Rechnungen einzuverlangen, auch wenn die Franchise noch nicht erreicht ist, oder mit den Leistungserbringern den tiers payant zu vereinbaren (siehe Ziffer 3.1.2.), werden die heute statistisch nicht sichtbaren Direktzahlungen der Versicherten sichtbar und auch darauf ein Kantonsbeitrag fällig. Dadurch
werden die Kantonsbeiträge leicht steigen. Der Effekt kann allerdings nicht quantifiziert werden.

Die Kantone leisten heute gemeinsam eine Mitfinanzierung der stationären Behandlungen in der Schweiz von im Ausland wohnhaften Versicherten ohne Anknüpfungspunkt an einen Kanton. Die Kantone werden mit der vorgeschlagenen Regelung von diesen Beiträgen entlastet. Daraus ist gemäss Schätzungen des BAG eine Entlastung der Kantone im Umfang von ungefähr 12 Millionen Franken pro Jahr (Basisjahr 2019) zu erwarten.

In den Folgejahren nach der Einführung wird sich der von den Kantonen zu leistende Kantonsbeitrag als Anteil an den kombinierten stationären und ambulanten Kosten nach Artikel 60 Absatz 2 weiterentwickeln. Im heutigen Zustand finanzieren die Kantone lediglich die stationären Leistungen mit, deren Anteil an den Gesamtkosten rückläufig ist. Gegenüber der heutigen Regelung ist deshalb ein etwas schnellerer Anstieg des Kantonsbeitrags an die Leistungen nach KVG zu erwarten.

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Dieser Effekt könnte etwas abgeschwächt werden, wenn eine steigende Verbreitung und Effektivität von Versicherungsmodellen mit koordinierter Versorgung sowie neu gesetzte Anreize im Tarifbereich zu einer verstärkten Verlagerung von stationären zu ambulanten Leistungen führen. Von den dadurch sinkenden Kosten für die gesamte OKP werden im Vergleich zum status quo auch die Kantone begünstigt.

Zudem werden die Kantone im Vergleich zum heutigen System von der Rechnungsprüfung und Zahlungsabwicklung für die einzelnen stationären Leistungen entlastet.

Durch eine einheitliche Finanzierung mit identischen Kostenteilern für Kinder und Erwachsene werden die Prämien von Kindern und jungen Erwachsenen sinken, diejenigen von Erwachsenen leicht steigen (siehe Ziffer 3.2.3.). Die Kantone werden dadurch bei der Prämienverbilligung für Kinder leicht entlastet. Allerdings verfügen die Kantone über eine grosse Autonomie im Bereich der Prämienverbilligung, weshalb nicht absehbar ist, wie die Kantone auf die veränderte Situation reagieren werden.

Finanzielle Auswirkungen auf den Bund Der gesetzlich vorgeschriebene Beitrag des Bundes an die Prämienverbilligung der Kantone bleibt unverändert. Der Bund hat jeweils 7,5 Prozent der Bruttokosten der OKP als Prämienverbilligung zu leisten (Art. 66 Abs. 2 KVG). Sollte eine einheitliche Finanzierung zu einer im Vergleich zum heutigen System verringerten Zunahme der Bruttokosten führen, beispielsweise durch eine beschleunigte Verlagerung von stationären zu ambulanten Behandlungen oder durch Kosteneinsparungen bei Modellen der koordinierten Versorgung, würde der Bund im Vergleich zu einer Fortführung des status quo finanziell entlastet, beziehungsweise würde das Wachstum der Belastung weniger stark ausfallen. Dieser Effekt kann allerdings nicht quantifiziert werden.

Durch den neuen Bundesbeitrag für im Ausland wohnhafte Versicherte ohne Anknüpfungspunkt an einen Kanton wird der Bund zusätzlich belastet. Gemäss Schätzungen des BAG werden die Kantone im Jahr 2019 Beiträge für die stationäre Behandlung dieser Versicherten in der Schweiz von 12 Millionen Franken leisten müssen. Wenn davon ausgegangen wird, dass das Verhältnis von ambulanten und stationären Behandlungen in der Schweiz für diese Versicherten gerade dem durchschnittlichen Verhältnis von ambulanten und stationären
Behandlungen aller Versicherten entspricht, ist mit jährlich wiederkehrenden zusätzlichen Ausgaben für den Bund von jährlich ebenfalls 12 Millionen Franken zu rechnen. Falls die im Ausland wohnhaften Versicherten primär für stationäre Behandlungen in die Schweiz kommen und ambulant vor allem im Ausland behandelt werden, ist mit tieferen Mehrkosten zu rechnen, und umgekehrt.

Personelle Auswirkungen Personelle Auswirkungen beim Bund ergeben sich durch die notwendig werdende Administration des neuen Bundesbeitrags für Versicherte mit Wohnsitz im Ausland ohne Anknüpfungspunkt an einen Kanton. Im Gegenzug werden die Kantone von der Administration der Mitfinanzierung von Leistungen für diese Versichertengruppe entlastet. Da die Prüfung und Bezahlung der Rechnungen der Leistungserbringer

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bei den Kantonen wegfällt, werden diese insoweit personell entlastet, als dafür heute personelle Ressourcen vorgesehen sind.

Der gemeinsamen Einrichtung nach Artikel 18 KVG entsteht mit der Verteilung der Kantonsanteile auf die Versicherer ein Mehraufwand. Für diese Vollzugsaufgabe wird die gemeinsame Einrichtung durch die Versicherer entschädigt.

5.2

Vollzugstauglichkeit

Die Kantone bleiben nach wie vor zuständig für die teilweise Finanzierung von Leistungen nach KVG, neu erstreckt sich diese Finanzierungspflicht nicht mehr nur auf stationäre Leistungen, sondern auch auf ambulante Leistungen. Für die Kantone fällt die separate Prüfung von Rechnungen für stationäre Behandlungen weg, weil die Rechnungsstellung neu ausschliesslich an die Versicherer erfolgt. Die Kantone werden daher von dieser Vollzugsaufgabe entlastet. Im Gegenzug wird die gemeinsame Einrichtung der Versicherer neu mit dem Vollzug der Zuteilung der Kantonsbeiträge an die einzelnen Versicherer betraut. Die Versicherer entschädigen die gemeinsame Einrichtung dafür.

Der Wegfall der Rechnungsprüfung bei den Kantonen ist kein Hindernis für den Vollzug von Regelungen zu Listen von im Regelfall ambulant zu erbringenden Leistungen. Die Rechnungsprüfung wird weiterhin durch die Versicherer durchgeführt, auch vorgängige Kostengutsprachen durch die Versicherer etc. sind beispielsweise weiterhin möglich.

Der Bundesrat regelt das Verfahren zur technischen Bestimmung der Höhe der Kantonsbeiträge sowie zu deren Verteilung auf die einzelnen Versicherer. Beim Vollzug dieser neuen Aufgaben der gemeinsamen Einrichtung ist nicht mit grösseren Schwierigkeiten zu rechnen.

5.3

Andere Auswirkungen

Globalbudgets Die Kantone haben gemäss Artikel 51 KVG die Möglichkeit, als finanzielles Steuerungsinstrument einen Gesamtbetrag für die Finanzierung der Spitäler festzusetzen.

Die Kostenaufteilung nach dem (heutigen) Artikel 49a bleibt dabei vorbehalten.

Das Bundesgericht hat in einem Urteil34 das Verhältnis von Artikel 49a und 51 so ausgelegt, dass der Gesetzgeber bei der KVG-Revision im Bereich der Spitalfinanzierung durch die Beibehaltung von Artikel 51 bewusst darauf verzichtet habe, das Konzept der Leistungsfinanzierung ganz konsequent umzusetzen. Der Vorbehalt von Artikel 49a in Artikel 51 lasse sich daher nur so verstehen, dass der Globalbeitrag mindestens 55 Prozent der Kosten der Leistungen betragen muss, ohne dass er für jeden einzelnen Fall separat ausgerichtet werden muss.

34

Urteil des Bundesgerichts in Sachen 2C_796/2011 vom 10. Juli 2012.

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Die geltende gesetzliche Regelung kann unverändert beibehalten werden, der Gehalt der Bestimmung bleibt auch mit Verweis auf den neuen Artikel 60 derselbe. Die konkrete Umsetzung der Bestimmung ist heute wie auch mit einer einheitlichen Finanzierung den Kantonen überlassen und wird im Bundesrecht nicht näher präzisiert.

Die konkrete Umsetzung durch die Kantone wird sich jedoch der geänderten Situation anpassen. Neu fliessen keine Vergütungen für KVG-Leistungen mehr direkt von den Kantonen an die Leistungserbringer. Die Kantone können deshalb ihren Beitrag nicht mehr in Form eines Gesamtbetrags direkt an die Leistungserbringer überweisen. Vielmehr sind sie verpflichtet, ihren Beitrag an die gemeinsame Einrichtung zu überweisen. Die Kantone sind somit gefordert, eine Umsetzung von Artikel 51 zu finden, welche der geänderten Situation Rechnung trägt. Zahlungen der Kantone für gemeinwirtschaftliche Leistungen stehen ausserhalb des KVG und sind von dieser Vorlage nicht betroffen. Sie sind unverändert möglich.

Zusatzversicherungen Neu finanziert die OKP nicht mehr nur höchstens 45 Prozent, sondern 77,4 Prozent der Leistungen von Spitälern. Die OKP kann daher auch für Vertragsspitäler und ­ geburtshäuser ausserhalb von kantonalen Spitallisten einen höheren Anteil der Kosten bezahlen. Die restlichen Kosten, welche in solchen Fällen von den Patientinnen und Patienten oder einer Zusatzversicherung zu tragen sind, werden daher sinken. Dies könnte die Prämien von Zusatzversicherungen senken (siehe Ziffer 4, Ausführungen zu Art. 49a).

6

Verhältnis zum europäischen Recht

Die Europäische Ordnung der sozialen Sicherheit bezweckt im Hinblick auf die Garantie der Personenfreizügigkeit keine Harmonisierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit. Die Mitgliedstaaten können im Rahmen der Koordinationsgrundsätze (z.B. Diskriminierungsverbot, Anrechnung der Versicherungszeiten, grenzüberschreitende Leistungserbringung, usw.) die in der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (SR 0.831.109.268.1) zum Ausdruck kommen, und die durch die entsprechende Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 (SR 0.831.109.268.11) geregelt werden, über die konkrete Ausgestaltung ihres Systems der sozialen Sicherheit weitgehend frei bestimmen. Seit dem Inkrafttreten des Abkommens über die Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft (SR 0.142.112.681) am 1. Juni 2002 sind diese Koordinationsgrundsätze auch für die Schweiz massgebend.

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7

Rechtliche Grundlagen

7.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Dieses Gesetz stützt sich auf Artikel 117 der Bundesverfassung, der dem Bund eine umfassende Kompetenz zur Einrichtung der Krankenversicherung verleiht. 35

7.2

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die zur Durchführung der sozialen Krankenversicherung notwendigen Regelungskompetenzen werden dem Bundesrat in Artikel 96 KVG delegiert.

Die Vorlage beinhaltet eine neue Delegationsnorm, welche den Erlass von Ausführungsbestimmungen an den Bundesrat delegiert. In Artikel 60 Absatz 5 wird vorgesehen, dass der Bundesrat die Einzelheiten für die Berechnung und Entrichtung des Kantons- und des Bundesbeitrags regelt.

7.3

Erlassform

Dieses Gesetz ergeht in der Form des ordentlichen Bundesgesetzes nach Artikel 164 der Bundesverfassung.

7.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b der Bundesverfassung bedürfen Subventionsbestimmungen sowie Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder jedes der beiden Räte (Ausgabenbremse). Da durch die Übernahme der Beiträge für im Ausland wohnhafte Versicherte ohne Anknüpfungspunkt an einen Kanton wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken zu erwarten sind, untersteht Artikel 60 Absatz 5 der Ausgabenbremse.

35

Siehe auch Gutachten des Bundesamtes für Justiz vom 15. Januar 2018, publiziert auf www.parlament.ch > Kommissionen > Sachbereichskommissionen > Kommissionen für soziale Sicherheit und Gesundheit > Berichte und Vernehmlassungen > Weitere Berichte

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