18.082 Botschaft zur Umsetzung der Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke im Bericht zur Phase 2 der Länderüberprüfung der Schweiz vom 21. November 2018

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Bundesgesetzes zur Umsetzung von Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den Entwurf einer Änderung des Bundesgesetzes über die internationale Amtshilfe in Steuersachen, den wir Ihnen mit der Botschaft vom 10. Juni 2016 zu einer Änderung des Steueramtshilfegesetzes (BBl 2016 5137; Geschäftsnummer 16.050) vorgelegt haben, abzuschreiben.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

21. November 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2018-2489

279

Übersicht Mit dieser Vorlage sollen die Empfehlungen umgesetzt werden, die das Globale Forum über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke (Global Forum) in seinem Bericht zur Phase 2 der Länderüberprüfung der Schweiz (Informationsaustausch auf Ersuchen) abgegeben hat.

Ausgangslage Am 26. Juli 2016 hat das Global Forum den Bericht zur Phase 2 der Schweiz veröffentlicht. Die Schweiz hat darin die Gesamtnote «weitgehend konform» erhalten.

Der Bericht enthält verschiedene Empfehlungen betreffend die Transparenz juristischer Personen und den Informationsaustausch.

Ziel dieser Vorlage ist es, die zur Umsetzung der Empfehlungen erforderlichen Massnahmen zu ergreifen, damit die in Phase 2 erhaltene Gesamtnote in der nächsten Länderüberprüfung gehalten werden kann.

Die vorgeschlagenen Massnahmen betreffend die Transparenz juristischer Personen sind zur Umsetzung der Empfehlungen unabdingbar. Werden sie nicht ergriffen, so wird die Gesamtnote der Schweiz in der nächsten Länderüberprüfung auf «teilweise konform» herabgestuft, was ungenügend ist. Eine ungenügende Gesamtnote würde die Schweiz einem erhöhten Risiko aussetzen, dass andere Staaten Defensivmassnahmen gegen sie ergreifen. Die Massnahmen betreffend den Informationsaustausch sind aus Gründen der Rechtssicherheit sowie für die Praxis der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) unverzichtbar und stärken die Position der Schweiz in der nächsten Länderüberprüfung.

Die nächste Länderüberprüfung der Schweiz beginnt im vierten Quartal 2018. Die erforderlichen Gesetzesänderungen müssen gemäss aktuellem Prüfungskalender bis Oktober 2019 in Kraft treten, damit sie bei der nächsten Länderüberprüfung berücksichtigt werden.

Inhalt der Vorlage Der Gesetzesentwurf sieht in Bezug auf die Transparenz juristischer Personen im Wesentlichen vor, dass Inhaberaktien nur zulässig sind, wenn die Gesellschaft Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert hat oder die Inhaberaktien als Bucheffekten ausgestaltet sind. Weiter wird eine Verletzung der Pflichten, die wirtschaftlich berechtigten Personen zu melden und das Aktienbuch sowie das Verzeichnis über die an Aktien wirtschaftlich berechtigten Personen zu führen, unter Strafe gestellt.

Zum Informationsaustausch enthält der Gesetzesentwurf Bestimmungen über die Vertraulichkeit von Amtshilfeersuchen sowie
die Partei- und Prozessfähigkeit von Parteien, über die im Amtshilfeverfahren Informationen verlangt werden. Zudem wird die Bestimmung über Amtshilfeersuchen, die sich auf gestohlene Daten stützen, präzisiert.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Länderüberprüfung des Global Forum und Empfehlungen im Bericht zur Phase 2 der Schweiz 1.1.2 Mögliche Auswirkungen der Benotung durch das Global Forum 1.1.3 Bezug zu den Empfehlungen der GAFI 1.1.4 Bisherige Arbeiten 1.2 Vernehmlassung 1.2.1 Ergebnisse 1.2.2 Neuerungen gegenüber dem Vernehmlassungsentwurf 1.2.2.1 Wesentliche Anpassungen aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse 1.2.2.2 Gestohlene Daten 1.2.2.3 Weitere Anpassungen im Steueramtshilfegesetz 1.3 Ausblick: Nächste Länderüberprüfung der Schweiz 1.4 Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

283 283

Umsetzung der Empfehlungen 2.1 Einleitende Bemerkungen 2.2 Empfehlungen betreffend die Transparenz juristischer Personen 2.2.1 Erste Empfehlung 2.2.1.1 Ausgangslage 2.2.1.2 Massnahmen zur Umsetzung 2.2.1.3 Publikation einer Anleitung 2.2.2 Zweite Empfehlung 2.2.2.1 Ausgangslage 2.2.2.2 Massnahme zur Umsetzung 2.2.3 Dritte Empfehlung 2.2.3.1 Ausgangslage 2.2.3.2 Massnahme zur Umsetzung 2.3 Empfehlungen betreffend den Informationsaustausch 2.3.1 Empfehlung betreffend den Austausch von Informationen über verstorbene Personen 2.3.1.1 Ausgangslage 2.3.1.2 Massnahme zur Umsetzung 2.3.2 Empfehlung betreffend die Vertraulichkeit des Ersuchens 2.3.2.1 Ausgangslage 2.3.2.2 Massnahme zur Umsetzung

292 292 293 293 294 295 298 298 298 299 301 301 301 302

2

283 284 288 288 288 288 289 289 291 291 291 292

302 302 303 304 304 306

281

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2.3.3

2.4

Empfehlung betreffend gestohlene Daten 2.3.3.1 Ausgangslage 2.3.3.2 Massnahme zur Umsetzung Weitere Anpassungen am Steueramtshilfegesetz 2.4.1 Unmittelbare Postzustellung von Schriftstücken 2.4.2 Zugriff auf Daten im Abrufverfahren

306 307 308 309 309 310

3

Rechtsvergleich 3.1 Inhaberaktien/Sanktionen 3.2 Gestohlene Daten

310 310 312

4

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln 4.1 Obligationenrecht 4.2 Strafgesetzbuch 4.3 Steueramtshilfegesetz 4.4 Bucheffektengesetz

313 313 328 329 334

5

Auswirkungen 5.1 Auswirkungen auf Bund, Kantone und Gemeinden 5.2 Auswirkungen auf die Schweizer Volkswirtschaft 5.2.1 Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Schweiz und den Wettbewerb 5.2.2 Auswirkungen auf die betroffenen Unternehmen

334 334 335

Rechtliche Aspekte 6.1 Verfassungsmässigkeit 6.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

337 337 338

6

Bundesgesetz zur Umsetzung von Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke (Entwurf)

282

335 335

339

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Länderüberprüfung des Global Forum und Empfehlungen im Bericht zur Phase 2 der Schweiz

Das Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes (Global Forum) sorgt dafür, dass die internationalen Standards zum Informationsaustausch auf Ersuchen und zum automatischen Informationsaustausch auf internationaler Ebene in einheitlicher Weise umgesetzt werden.1 Das Global Forum überprüft die Umsetzung der Standards mittels Länderüberprüfungen (Peer Reviews).

Die erste Runde der Länderüberprüfungen betreffend den Informationsaustausch auf Ersuchen erfolgte in zwei Phasen. In Phase 1 wurde untersucht, ob auf nationaler Ebene die nötigen Rechtsgrundlagen für den Informationsaustausch auf Ersuchen nach dem internationalen Standard vorhanden sind. Phase 2 bewertete die Umsetzung der regulatorischen Rahmenbedingungen für den Informationsaustausch auf Ersuchen in der Praxis.

Das Global Forum wendet als Beurteilungskriterien zehn Elemente2 an, die den internationalen Standard bilden. Die Beurteilungsskala des Global Forum hat vier Stufen: «konform», «weitgehend konform», «teilweise konform» und «nicht konform». Nach bestandener Phase 2 wird eine Gesamtnote erteilt. Nur die Noten «weitgehend konform» und «konform» werden als genügend betrachtet; die Noten «teilweise konform» und «nicht konform» gelten gemäss den Vorgaben des Global Forum als ungenügend. Die Gesamtnote «nicht konform» führt nach der Beurteilung von G20/OECD und EU für sich allein zur Identifikation eines Staates als nicht kooperativ in Bezug auf Steuertransparenz, während die Gesamtnote «teilweise konform» in Kombination mit Defiziten in anderen Bereichen wie dem automatischen Informationsaustausch zum selben Resultat führen kann. Die Identifikation als nicht kooperativer Staat kann Defensivmassnahmen auslösen.3 Am 26. Juli 2016 hat das Global Forum den Bericht zur Phase 2 der Schweiz veröffentlicht.4 Die Schweiz hat darin die Gesamtnote «weitgehend konform» erhalten.

Zwei der zehn geprüften Beurteilungskriterien sind mit der ungenügenden Note «teilweise konform» bewertet und mit verschiedenen Empfehlungen versehen worden. Sie betreffen einerseits die Transparenz juristischer Personen (siehe Ziff. 2.2) und andererseits das Regime betreffend gestohlene Daten als eine Modalität des Informationsaustauschs (siehe Ziff. 1.1.4 und 2.3.3). Zwei weitere Beurteilungskrite1 2

3 4

Siehe www.oecd.org/tax/transparency.

Vgl. Bericht zur Phase 2 der Schweiz (www.sif.admin.ch > Multilaterale Beziehungen > Vertretung in internationalen Gremien > Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes > Dokumentation; englische Version), S. 143 ff.: Elemente A.1, A.2, A.3, B.1, B.2, C.1, C.2, C.3, C.4 und C.5.

Siehe Ziff. 1.1.2.

Vgl. Fn. 2.

283

BBl 2019

rien sind mit der Note «weitgehend konform» bewertet und ebenfalls mit zu beachtenden Empfehlungen versehen worden. Sie betreffen den Austausch von Informationen über verstorbene Personen (siehe Ziff. 2.3.1) sowie die Vertraulichkeit des Ersuchens (siehe Ziff. 2.3.2) als weitere Modalitäten des Informationsaustauschs.

Ziel dieser Vorlage ist es, die zur Umsetzung der Empfehlungen des Global Forum erforderlichen Massnahmen zu ergreifen, damit die Schweiz in der nächsten Länderüberprüfung die Gesamtnote «weitgehend konform» halten kann. Während dieses ­ auch als zweite Runde der Länderüberprüfungen bezeichneten ­ Prüfzyklus werden der rechtliche Rahmen und die praktische Umsetzung des Standards ein weiteres Mal geprüft, jedoch anhand der Terms of Reference des Global Forum von 2016, die überarbeitete Beurteilungskriterien betreffend die Erhältlichkeit von Informationen über wirtschaftlich berechtigte Personen und Gruppenersuchen enthalten.5 Die nächste Länderüberprüfung der Schweiz beginnt im vierten Quartal 2018. Die erforderlichen Gesetzesänderungen müssen gemäss aktuellem Prüfungskalender im Oktober 2019 in Kraft gesetzt werden, damit sie in der nächsten Länderüberprüfung berücksichtigt werden.

In dieser wird neu die Erhältlichkeit von Informationen über wirtschaftlich berechtigte Personen Prüfgegenstand sein, welcher das Global Forum eine hohe Bedeutung beimisst.6 Im Rahmen der vorliegenden Vorlage soll aber darauf verzichtet werden, eine allfällige Empfehlung dazu zu antizipieren (siehe Ziff. 1.3).

1.1.2

Mögliche Auswirkungen der Benotung durch das Global Forum

Die Noten des Global Forum werden von den G20, der OECD und der EU als Kriterien herangezogen zur Beurteilung, ob ein Staat in Bezug auf Steuertransparenz als nicht kooperativ zu identifizieren ist.

Im Juni 2018 hat die OECD folgende revidierte Beurteilungskriterien7 zur Identifizierung nicht kooperativer Staaten in Bezug auf Steuertransparenz verabschiedet, die

5

6

7

284

www.oecd.org/tax/transparency/about-the-global-forum/publications/ terms-of-reference.pdf.

Die Terms of Reference 2016 fokussieren auf die Erhältlichkeit von Informationen über die an juristischen Personen, Rechtsgebilden und Bankkonten wirtschaftlich berechtigten Personen für den Informationsaustausch zu Steuerzwecken, unabhängig vom Risikoprofil der juristischen Personen und Rechtsgebilden. Demgegenüber stehen die Standards der Groupe d'Action Financière GAFI im Zeichen der Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung, und bei der Beschaffung der erforderlichen Informationen ist aus Gründen der Verhältnismässigkeit ein risikobasierter Ansatz anwendbar. Daraus folgt, dass das Global Forum die Erhältlichkeit der betreffenden Informationen unter einem anderen Gesichtswinkel prüft als die GAFI. Dieser unterschiedliche Gesichtswinkel der beiden Gremien gilt allgemein für die Prüfung der Transparenz juristischer Personen.

Terms of Reference 2016 (Fn. 5), S. 19, Ergänzung des Elements A.1: «Jurisdictions should ensure that ownership and identity information, including information on legal and beneficial owners, for all relevant entities and arrangements is available to their competent authorities.» Erste Kriterien sind 2016 definiert worden.

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in der Folge von den G20-Finanzministerien und -Notenbanken gutgeheissen worden sind: a)

Im Informationsaustausch auf Ersuchen muss mindestens die Gesamtnote «weitgehend konform» erreicht werden.

b)

Im automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten (AIA) müssen bis Ende 2018 die erforderlichen Gesetzesbestimmungen eingeführt sein und muss mit dem Datenaustausch begonnen werden. Bis Ende 2019 müssen Abkommen mit im Wesentlichen allen interessierten und angemessenen Partnern aktiviert sein.

c)

Das Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen (Amtshilfeübereinkommen)8 oder ein ausreichend breites Austauschnetzwerk von bilateralen Abkommen, die sowohl den Informationsaustausch auf Ersuchen als auch den AIA zulassen, muss in Kraft sein.

Ein Staat gilt dann als kooperativ, wenn er mindestens zwei der drei Kriterien erfüllt.

Hingegen wird er, auch wenn er zwei der drei Kriterien erfüllt, als nicht kooperativ identifiziert, wenn er a) bezüglich Informationsaustausch auf Ersuchen die Gesamtnote «nicht konform» erhält oder b) das genannte AIA-Kriterium nicht erfüllt.

Die OECD wird am G20-Gipfeltreffen vom 30. November/1. Dezember 2018 über die Zahl der Staaten informieren, die potenziell als nicht kooperativ beurteilt werden könnten, weil sie die internationalen Standards im Bereich der Steuertransparenz nicht zufriedenstellend umgesetzt haben. Am G20-Gipfeltreffen vom 28./29. Juni 2019 wird über die erreichten Fortschritte dieser Staaten informiert und die Identität der Staaten offengelegt, die immer noch nicht kooperieren.9 Die EU hat in Bezug auf den Informationsaustausch auf Ersuchen und das Amtshilfeübereinkommen dieselben Kriterien festgelegt wie die OECD, während sie bezüglich AIA vorsieht, dass ein Staat 2018 für das Jahr 2017 einen ersten Informationsaustausch mit allen EU-Mitgliedstaaten durchführen und ab 201810 bezüglich AIA vom Global Forum mindestens die Note «weitgehend konform» erhalten muss.

Bis 30. Juni 2019 wird ein Staat als kooperativ beurteilt, wenn er mindestens zwei der drei Kriterien erfüllt. Hingegen wird er als nicht kooperativ beurteilt, wenn er bezüglich Informationsaustausch auf Ersuchen vom Global Forum die Note «nicht konform» oder bis 30. Juni 2018 nicht mindestens die Note «weitgehend konform» erhalten hat.11

8 9

10 11

SR 0.652.1 OECD Secretary-General Report to the G20 Finance Ministers and Central Bank Governors, Buenos Aires, Juli 2018, S. 7 Ziff. 2, 66 f.; www.oecd.org/tax/ oecd-secretary-general-tax-report-g20-finance-ministers-july-2018.pdf.

Nach aktuellen Informationen wird das Global Forum Benotungen bezüglich des AIA erst ab 2020 vornehmen.

Dokument FISC 345/ECOFIN 1088 «EU list of non-cooperative jurisdictions for tax purposes» vom 5. Dezember 2017 über die Schlüsse des Rates der Europäischen Union aus der EU-Steuerliste, S. 23 f.; http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ ST-15429-2017-INIT/en/pdf.

285

BBl 2019

Es ist möglich, dass die EU ein viertes Kriterium betreffend die Erhältlichkeit von Informationen über wirtschaftlich berechtigte Personen einführen wird. Über dessen Ausgestaltung ist aber noch nichts bekannt. Auch ist noch ungewiss, ob die EU bei der Beurteilung der Erfüllung des Kriteriums auf die Note des Global Forum betreffend die Erhältlichkeit von Informationen über wirtschaftlich berechtigte Personen12 abstellen wird.

Nicht kooperative Staaten werden auf Listen gesetzt, namentlich auf eine OECD/ G20-Liste13 und eine EU-Liste nicht kooperativer Staaten im Steuerbereich (EUSteuerliste), wobei die auf der OECD/G20-Liste figurierenden Staaten zur Aufnahme in die EU-Steuerliste in Betracht kommen, und zwar unabhängig davon, ob sie einer EU-eigenen Prüfung unterzogen werden oder nicht.14 In der EU sind gegen Länder, die auf der EU-Steuerliste figurieren, erst gemeinsame Defensivmassnahmen administrativer Natur festgelegt worden. Dazu gehört unter anderem die Erhöhung des Prüfungsrisikos bei gewissen Steuerzahlern, die Strukturen oder Arrangements benützen, in welche nicht kooperative Staaten involviert sind, oder die Erhöhung des Monitorings gewisser Transaktionen. Die EU-Mitgliedstaaten sollen mindestens eine dieser Massnahmen ergreifen. Zusätzlich sind Massnahmen gesetzlicher Natur in Diskussion wie etwa die Nichtabziehbarkeit von Kosten, die Erhebung von Quellensteuern oder Änderungen in der Beweislastverteilung. Solche gesetzlichen Massnahmen sollen bis Ende 2018 festgelegt werden; ihre Umsetzung durch die Mitgliedstaaten wird jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt erwartet. Weiter empfiehlt der Rat der Europäischen Union den EU-Mitgliedstaaten, Gebrauch von der EU-Steuerliste zu machen, um die Umsetzung der EU-Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken zu erleichtern.15 Darüber hinaus soll die EU-Steuerliste auch für die neu vorgesehene Prüfung der EU von Drittstaaten bezüglich ihrer Massnahmen zur Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung relevant sein. Aus dieser Prüfung soll bis Ende 2018 eine erste EU-Liste von Hochrisikostaaten resultieren. Länder, die auf der EU-Steuerliste figurieren, sollen zeitlich prioritär überprüft werden. Auf die Liste von Hochrisikostaaten sollen auch Staaten gesetzt werden, die von der GAFI nicht als hochriskant eingestuft,
aber gestützt auf andere Informationsquellen als Bedrohung für das Finanzsystem der EU identifiziert werden. Gegenüber Unternehmen, die in als hochriskant eingestuften Drittstaaten angesiedelt sind, müssen gemäss der am 30. Mai 2018 verabschiedeten 5. EU-Geldwäscherichtlinie16 erhöhte Sorgfaltspflichten erfüllt werden. Diese Unternehmen können zudem vom EU-Markt ausgeschlossen werden.

12 13 14 15 16

286

Zur Prüfung der Erhältlichkeit von Informationen über wirtschaftlich berechtigte Personen durch das Global Forum siehe Ziff. 1.3.

OECD Secretary-General Report to the G20 Finance Ministers and Central Bank Governors (Fn. 9), S. 7 Ziff. 2.

Dokument FISC 345/ECOFIN 1088 (Fn. 11), S. 23 f.

Dokument FISC 345/ECOFIN 1088 (Fn. 11), S. 18 f.

Richtlinie (EU) 2018/843 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zweck der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und zur Änderung der Richtlinien 2009/138/EG und 2013/36/EU. Die Richtlinie muss bis zum 10. Januar 2020 in nationales Recht umgesetzt werden.

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Auch andere Organisationen wie zum Beispiel die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung oder die Weltbank werden sich an diesen Listen orientieren. Es ist zu erwarten, dass die Banken wegen des Reputationsrisikos die Zusammenarbeit mit nicht kooperativen Staaten vermeiden und dass Unternehmen, die in diesen Staaten ansässig sind, sich nicht an deren Projekten beteiligen dürfen.

Neben den erwähnten Massnahmen werden auch einzelne Länder Defensivmassnahmen ergreifen, die sie mit der EU-Steuerliste rechtfertigen werden.17 Die luxemburgische Administration des contributions directes etwa hat am 7. Mai 2018 ein Zirkular18 erlassen, das luxemburgische Steuerzahler verpflichtet, über Transaktionen mit Unternehmen in Ländern Auskunft zu geben, die auf der EU-Steuerliste aufgeführt sind. Gemäss dem Zirkular führt die Benützung von Strukturen oder Arrangements mit solchen Ländern ausserdem zu verschärften Kontrollen.

Die Schweiz wurde in der Vergangenheit verschiedentlich auf schwarze Listen gesetzt, so von Brasilien, Italien und Portugal. Im Fall von Brasilien mussten sich in der Folge brasilianische Unternehmen, die Geschäftsbeziehungen mit Schweizer Unternehmen pflegten, die von dieser Liste betroffen waren, spezifischen Regeln betreffend Verrechnungspreise (auch wenn sie nicht derselben Gruppe zugehörten) und Unterkapitalisierung unterwerfen.19 Nicht zuletzt setzt eine ungenügende Note die Glaubwürdigkeit eines Landes in internationalen Gremien wie beispielsweise der OECD herab. Dies beeinträchtigt seine Möglichkeit, Allianzen zu bilden und seine Interessen wirksam und glaubhaft zu vertreten. Drohende Defensivmassnahmen beeinträchtigen ausserdem die Attraktivität eines Landes als Standort für ausländische Unternehmen.

Es liegt auf der Hand, dass um des Wirtschaftsstandorts Schweiz willen alles daran gesetzt werden muss, um in der nächsten Länderüberprüfung eine genügende Gesamtnote (mindestens «weitgehend konform») zu erzielen, damit die Aufnahme der Schweiz auf eine solche Liste verhindert werden kann.

Sollte die Schweiz die ungenügende Gesamtnote «teilweise konform» erhalten, bleibt der Druck von Seiten des Global Forum hoch, zusätzliche Massnahmen zu ergreifen, um die Note zu verbessern. Dies ist nur möglich, indem ein Zusatzbericht verlangt wird. Dafür müssen aber vorgängig die
erforderlichen Fortschritte vorgewiesen werden. Ein solches Szenario gilt es zu vermeiden, um auch im Ländervergleich20 nicht an Reputation einzubüssen. In der zweiten Runde der Länderüberprüfungen ist die grosse Mehrheit der bis anhin geprüften Staaten mit einer genügenden Gesamtnote beurteilt worden: 14 Staaten haben die Gesamtnote «konform» 17

18

19

20

Im Dokument FISC 345/ECOFIN 1088 (Fn. 11), S. 17 Ziff. 4, werden die EU-Mitgliedstaaten darauf hingewiesen, dass sie zusätzlich zu den gemeinsamen administrativen Massnahmen auch Massnahmen nach nationalem Recht ergreifen können.

Circulaire du directeur des contributions L.G. ­ no 64 du 7 mai 2018, «Mesures défensives en relation avec la liste de l'UE des pays et territoires non coopératifs à des fins fiscales»; https://impotsdirects.public.lu/fr/archive/newsletter/2018/nl_07052018.html.

Vgl. dazu Botschaft des Bundesrates vom 23. März 2016 zur Genehmigung des Abkommens mit Brasilien über den Informationsaustausch in Steuersachen, BBl 2016 3496, Ziff. 1.1.

Eine Übersicht über die Ratings findet sich unter www.oecd.org/tax/transparency/ exchange-of-information-on-request/ratings/.

287

BBl 2019

und 21 die Gesamtnote «weitgehend konform» erhalten; lediglich Curaçao, Ghana und Kasachstan haben die Gesamtnote «teilweise konform» erhalten (Stand Oktober 2018).

1.1.3

Bezug zu den Empfehlungen der GAFI

Gewisse Empfehlungen des Global Forum betreffend die Transparenz juristischer Personen decken sich mit Empfehlungen im vierten Länderbericht der GAFI vom 7. Dezember 2016 zur Schweiz21. Die Umsetzung der Empfehlungen im vierten GAFI-Länderbericht wird im Rahmen dieser Vorlage an die Hand genommen (vgl.

Ziff. 2.2.2.2).

1.1.4

Bisherige Arbeiten

Der Bundesrat verabschiedete am 10. Juni 2016 die Botschaft zu einer Änderung des Steueramtshilfegesetzes22, die gestohlene Daten betraf. Die Anpassung an den Standard in diesem einen Punkt wurde dem Parlament insbesondere angesichts von Phase 2 der Prüfung, die im Oktober 2015 begonnen hatte und im Juli 2016 mit dem Bericht zur Phase 2 der Schweiz abgeschlossen werden sollte, aber auch im Hinblick auf die nächste Länderüberprüfung mit Beginn 2018 vorgeschlagen (siehe Ziff. 1.1.1).

Am 24. Oktober 2016 beschloss die erstberatende Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates, die Revisionsvorlage solle in eine Gesamtbotschaft des Bundesrates zur Umsetzung der Empfehlungen des Global Forum im Bericht zur Phase 2 der Schweiz ­ also in diese Vorlage ­ integriert werden.

Die Vorlage umfasst dementsprechend die Massnahmen zur Umsetzung aller Empfehlungen des Global Forum inklusive jener betreffend gestohlene Daten.23

1.2

Vernehmlassung

1.2.1

Ergebnisse

Vom 17. Januar bis 24. April 2018 war die Vorlage zur Umsetzung der Empfehlungen des Global Forum Gegenstand eines Vernehmlassungsverfahrens. Stellung genommen haben alle Kantone, sechs Parteien (CVP, FDP, GLP, Grüne, SP, SVP), sechs Organisationen (Economiesuisse, Schweizerischer Arbeitgeberverband, Schweizerische Bankiervereinigung, Schweizerischer Gewerbeverband, Schweizeri-

21 22 23

288

Der vierte GAFI-Länderbericht ist abrufbar unter: www.sif.admin.ch > Finanzmarktpolitik und Strategie > Integrität des Finanzplatzes > Berichte (englische Version).

BBl 2016 5137 Siehe Ziff. 2.3.3.

BBl 2019

scher Gewerkschaftsbund, Schweizerischer Städteverband) sowie 39 Vertreter interessierter Kreise24.

Zur Umsetzung der Empfehlungen des Global Forum sah die Vernehmlassungsvorlage acht Massnahmen vor: a)

Umwandlung der Inhaberaktien in Namenaktien;

b)

Übergangsbestimmungen betreffend in Umlauf befindliche Inhaberaktien;

c)

Sanktionssystem für den Fall von Pflichtverletzungen;

d)

Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften: Zugriff auf Informationen über den Hauptsitz im Ausland;

e)

Kontoverbindung bei einer schweizerischen Bank;

f)

Einsicht in die gesellschaftsrechtlich zu führenden Verzeichnisse;

g)

Bestimmung über den Austausch von Informationen über verstorbene Personen;

h)

Bestimmung über die Vertraulichkeit des Ersuchens.

Die Massnahmen ­ namentlich a) bis f) ­ sind kritisch aufgenommen worden. Während die Kantone ihnen grundsätzlich positiv gegenüberstehen, hat sich zu den einzelnen Massnahmen je eine beträchtliche Anzahl der restlichen Vernehmlassungsteilnehmer in unterschiedlicher Gruppierung negativ geäussert.

Der Bundesrat hält an den Massnahmen a) bis d), g) und h) fest. Die Massnahmen a) bis d) sind zur Umsetzung der Empfehlungen unabdingbar.25 Werden sie nicht ergriffen, so wird die Gesamtnote der Schweiz in der nächsten Länderüberprüfung des Global Forum von «weitgehend konform» auf «teilweise konform» herabgestuft, was ungenügend ist. Eine ungenügende Note würde die Schweiz einem erhöhten Risiko aussetzen, dass andere Staaten Defensivmassnahmen gegen sie ergreifen, und hätte einen beträchtlichen Reputationsschaden zur Folge. Die Massnahmen g) und h) sind aus Gründen der Rechtssicherheit sowie für die Praxis der ESTV ebenfalls unverzichtbar und stärken die Position der Schweiz in der nächsten Länderüberprüfung.26

1.2.2

Neuerungen gegenüber dem Vernehmlassungsentwurf

1.2.2.1

Wesentliche Anpassungen aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse

Aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse werden an den Massnahmen a) bis d) im Wesentlichen folgende Anpassungen vorgenommen:

24 25 26

Der Ergebnisbericht ist abrufbar unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2018 > EFD.

Zur Umsetzung der Empfehlungen siehe Ziff. 2.

Vgl. Ziff. 1.1.1, 1.1.2 und 2, Würdigungen der einzelnen Massnahmen.

289

BBl 2019

­

Massnahme a): Als Alternative zur Umwandlung der Inhaberaktien wird vorgesehen, dass Inhaberaktien als Bucheffekten ausgestaltet sein können.

­

Massnahme b): Die Umwandlung der Inhaberaktien geschieht nicht automatisch auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts hin, sondern 18 Monate nach Inkrafttreten bei Gesellschaften, die keine Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert haben und deren Inhaberaktien nicht als Bucheffekten ausgestaltet sind (die eine oder andere Tatsache muss im Handelsregister eingetragen werden, dann ist keine Umwandlung erforderlich).

Zudem wird die im Vernehmlassungsentwurf vorgesehene Frist von 18 Monaten ab Inkrafttreten des Gesetzes zum Nachholen der Pflicht, sich bei der Gesellschaft als Aktionär zu melden, verlängert. So können Aktionäre nach der Umwandlung ihrer Inhaberaktien in Namenaktien innert fünf Jahren nach Inkrafttreten des neuen Rechts ihre Eintragung in das Aktienbuch der Gesellschaft gerichtlich beantragen. Die Aktien von Aktionären, die sich nicht gemeldet haben, werden erst nach Ablauf der Frist von fünf Jahren auf Antrag der Gesellschaft durch Gerichtsentscheid vernichtet.

­

Massnahme c): In Hinsicht auf die vorgesehene Einführung einer Strafbestimmung für den Fall der Nichtmeldung der an Aktien wirtschaftlich berechtigten Person wird Artikel 697j des Obligationenrechts27 (OR) über die Pflicht zur Meldung der wirtschaftlich berechtigten Person präzisiert.

­

Massnahme d): Statt Zweigniederlassungen müssen Rechtseinheiten mit Hauptsitz im Ausland, die ihre tatsächliche Verwaltung in der Schweiz haben, am Ort der tatsächlichen Verwaltung ein Verzeichnis ihrer Inhaberinnen und Inhaber führen.

Bei den Massnahmen g) und h) besteht kein Anpassungsspielraum.

Auf die Massnahmen e) und f) wird verzichtet (die Massnahme e) hätte allerdings in Hinsicht auf die nächste Länderüberprüfung von Nutzen sein können; siehe Ziff. 1.1.1 und 1.3). Die Massnahmen sollten die vom Global Forum verlangte Aufsicht über die Gesellschaften in Form einer indirekten Kontrolle sicherstellen.

Die Idee von Massnahme e) war es, dass der Finanzintermediär prüft, ob die nach den Regeln zur Geldwäschereibekämpfung erhobenen Informationen über die Vertragspartei und die wirtschaftlich berechtigten Personen mit den Informationen in den Verzeichnissen übereinstimmen. Massnahme f) war als Gegenstück zu dieser Prüfung gedacht, indem unter anderem den Finanzintermediären ein Einsichtsrecht in die Verzeichnisse gewährt werden sollte. Eine Analyse der inzwischen durchgeführten weiteren Länderüberprüfungen ergibt aber, dass die beiden Massnahmen als Aufsichtsinstrumente den Anforderungen des Global Forum nicht vollumfänglich genügen.

Als Ersatz für diese beiden Massnahmen wird die ESTV anlässlich ihrer Kontrollen im Bereich der Verrechnungssteuer bei den im schweizerischen Handelsregister eingetragenen Aktien- bzw. Kommanditaktiengesellschaften prüfen, ob die gesellschaftsrechtlich zu führenden Verzeichnisse über die Aktionärinnen und Aktionäre 27

290

SR 220

BBl 2019

und über die wirtschaftlich berechtigten Personen vorhanden sind. Dadurch sollen die Gesellschaften angehalten werden, ihre diesbezüglichen Pflichten zu erfüllen.

1.2.2.2

Gestohlene Daten

Aus den in Ziffer 2.3.3. dargelegten Gründen wird Artikel 7 Buchstabe c des Steueramtshilfegesetzes vom 28. September 201228 (StAhiG) betreffend gestohlene Daten präzisiert.

1.2.2.3

Weitere Anpassungen im Steueramtshilfegesetz

In das StAhiG werden zwei neue Bestimmungen eingefügt, die den seit dem 1. Januar 2018 stattfindenden spontanen Informationsaustausch bzw. die Amtshilfe nach dem Amtshilfeübereinkommen betreffen, das ab dem Steuerjahr 2018 anwendbar ist.29

1.3

Ausblick: Nächste Länderüberprüfung der Schweiz

Die zweite Runde der Länderüberprüfungen erfolgt gestützt auf die Terms of Reference 201630, gemäss welchen neu die Erhältlichkeit von Informationen über wirtschaftlich berechtigte Personen Prüfgegenstand sein wird.31 Den bisherigen Berichten der zweiten Runde ist zu entnehmen, dass das Global Forum der korrekten Identifikation der wirtschaftlich berechtigten Personen von Gesellschaften, Stiftungen und Trusts eine hohe Bedeutung beimisst.32 Bestünde in der Schweiz für alle diese Rechtseinheiten die Pflicht zur Führung eines Kontos bei einer schweizerischen Bank, so würde den Anforderungen des Global Forum entsprochen, weil dieses in einer solchen Pflicht die Garantie dafür sieht, dass die wirtschaftlich berechtigten Personen tatsächlich festgestellt werden, und zwar durch die Bank im Rahmen der Erfüllung ihrer ordentlichen Sorgfaltspflichten.

Diese Vorlage verzichtet aber darauf, eine allfällige Empfehlung in diesem Punkt zu antizipieren, indem eine solche Kontopflicht eingeführt wird. Der Grund liegt nicht zuletzt darin, dass sich die Vernehmlassungsteilnehmer klar dagegen ausgesprochen haben. Die Aufgabe wird es sein, dem Global Forum in der nächsten Länderüberprüfung aufzuzeigen, dass der grösste Teil der betreffenden Rechtseinheiten bereits heute über eine Kontoverbindung bei einer schweizerischen Bank verfügt und die Identifikation der wirtschaftlich berechtigten Personen durch das geltende Recht ­ die Regeln zur Geldwäschereibekämpfung einerseits und die gesellschaftsrechtliche 28 29 30 31 32

SR 651.1 Siehe dazu Ziff. 2.4.

Siehe dazu Ziff.1.1.1.

Terms of Reference 2016, S. 19 A.1; vgl. Fn. 6.

Vgl. www.oecd.org/tax/transparency > Exchange of Information on Request > Peer Review Process > Peer Review Reports.

291

BBl 2019

Pflicht zur Führung eines entsprechenden Verzeichnisses und zur Meldung der an Aktien wirtschaftlich berechtigten Person ­ andererseits sichergestellt ist.33 Die Chance besteht, dass diese Argumentation bis zu einem gewissen Grad überzeugt, weil die Schweiz in der vierten GAFI-Länderprüfung34 betreffend die Identifikation der wirtschaftlich berechtigten Personen insgesamt gut abgeschnitten hat.

Auch wenn die Prüfung des Global Forum detaillierter sein dürfte als jene der GAFI, kann davon ausgegangen werden, dass seine Analyse nicht grundlegend anders ausfallen wird. Es muss aber mit einer Empfehlung gerechnet werden, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass das schweizerische Recht Stiftungen und Personengesellschaften nicht zur Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Personen verpflichtet. Die Einführung einer Kontopflicht, wie sie im Vernehmlassungsentwurf vorgesehen war, würde diese Empfehlung, wie bereits erwähnt, umsetzen. Wie stark die zu erwartende Empfehlung hinsichtlich der Gesamtnote in der nächsten Länderüberprüfung ins Gewicht fällt, ist noch ungewiss. Andere Länderberichte deuten darauf hin, dass die Empfehlung durch die Implementierung aller Massnahmen, die vorliegend vorgeschlagen werden, aufgewogen werden könnte.

1.4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 27. Januar 201635 über die Legislaturplanung 2015­2019 noch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 201636 über die Legislaturplanung 2015­2019 angekündigt. Der Grund liegt darin, dass sich das Erfordernis der vorgeschlagenen Gesetzesänderungen erst im unmittelbaren Vorfeld der Veröffentlichung des Berichts zur Phase 2 der Schweiz (26. Juli 2016)37 zeigte.

2

Umsetzung der Empfehlungen

2.1

Einleitende Bemerkungen

Die nachfolgend vorgeschlagenen Massnahmen dienen der Umsetzung der Empfehlungen des Global Forum im Bericht zur Phase 2. Sie sind je mit einer Würdigung hinsichtlich der Umsetzung der betreffenden Empfehlung versehen. Hervorzuheben ist, dass diese Würdigungen aus heutiger Sicht und aufgrund der bisherigen Län33

34 35 36 37

292

Die an die Hand genommene Änderung des Geldwäschereigesetzes vom 10. Oktober 1997 (GwG; SR 955.0) zur Umsetzung der Empfehlungen im vierten Länderbericht vom 7. Dezember 2016 der GAFI (die Vernehmlassung dauerte bis zum 21. September 2018; siehe www.sif.admin.ch > Finanzmarktpolitik und Strategie > Integrität des Finanzplatzes > Medien), durch welche unter anderem die Finanzintermediäre verpflichtet werden sollen, die Angaben zur wirtschaftlich berechtigten Person zu überprüfen, tritt voraussichtlich zu spät in Kraft, als dass sie in der nächsten Prüfungsrunde des Global Forum positiv ins Gewicht fallen könnte.

Siehe vierter GAFI-Länderbericht (Fn. 21), S. 238 f., Recommendations 24 und 25.

BBl 2016 1105 BBl 2016 5183 Vgl. Ziff. 1.1.1.

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derüberprüfungen des Global Forum erfolgen. Die Massnahmen bilden eine Gesamtheit, die es der Schweiz ermöglichen soll, in der nächsten Länderüberprüfung, die im vierten Quartal 2018 beginnt, ihre in Phase 2 erzielte Gesamtnote «weitgehend konform» zu halten.38 Dafür müssen sie allerdings rechtzeitig ­ nach aktueller Planung im Oktober 2019 ­ in Kraft treten. Ausserdem wird das Resultat der nächsten Länderüberprüfung auch von der innerhalb des Prüfungszeitraums ausgeübten Praxis abhängen. Dabei spielt eine wesentliche Rolle, wie sich der Informationsaustausch mit den Partnerstaaten konkret gestaltet. Isolierte Würdigungen, wie sie nachfolgend vorgenommen werden und zum gegenwärtigen Zeitpunkt einzig möglich sind, sind daher nur bedingt aussagekräftig. Sie sind aber nötig, wenn das Erfordernis einer Massnahme beurteilt werden soll.

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass es nicht möglich ist, den Einfluss jeder Massnahme auf die Gesamtnote einzeln zu beurteilen. Es ist aber festzuhalten, dass die Position der Schweiz jedenfalls dann erheblich geschwächt wird, wenn eine der Massnahmen zur Umsetzung der Empfehlungen betreffend die Transparenz juristischer Personen aus dem Paket herausgebrochen wird.39 Dies darf umso weniger riskiert werden, als bezüglich des Kriteriums der Erhältlichkeit von Informationen über wirtschaftlich berechtigte Personen, das in der nächsten Länderüberprüfung erstmals geprüft wird40, noch unklar ist, wie die Schweiz abschneiden wird.

2.2

Empfehlungen betreffend die Transparenz juristischer Personen

Zum Element A.141 hat die Schweiz vom Global Forum drei Empfehlungen erhalten. Gemäss diesem Element müssen die Länder sicherstellen, dass Informationen über die Identität aller relevanten Rechtsträger sowie über die Eigentumsverhältnisse verfügbar sind. Die drei Empfehlungen betreffen die Identifikation von Inhaberaktionärinnen und -aktionären, die Aufsicht über Aktien- und Kommanditaktiengesellschaften sowie die Erhältlichkeit von Eigentumsinformationen über im Ausland errichtete Rechtseinheiten mit tatsächlicher Verwaltung in der Schweiz.

2.2.1

Erste Empfehlung

Die Schweiz hat ein Meldesystem vorzusehen, das die Identifikation von Inhaberaktionären in jedem Fall sicherstellt.42

38 39 40 41 42

Zur Erforderlichkeit, die Empfehlungen umzusetzen, siehe Ziff. 1.1.1 und 1.1.2.

Zur Erforderlichkeit, die Empfehlungen umzusetzen, siehe Ziff. 1.1.1 und 1.1.2.

Siehe dazu Ziff. 1.3.

Vgl. Ziff. 1.1.1.

Empfehlung zu Element A.1, Bericht (Fn. 2) S. 143.

293

BBl 2019

2.2.1.1

Ausgangslage

Am 1. Juli 2015 sind durch das Bundesgesetz vom 12. Dezember 201443 zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d'action financière (GAFIGesetz) neue Bestimmungen im Obligationenrecht über die Transparenz juristischer Personen in Kraft getreten. So besteht bei nicht börsenkotierten Gesellschaften44 die Pflicht, innert Monatsfrist den Erwerb von Inhaberaktien (Art. 697i OR) und beim Erwerb von Aktien ab Erreichen eines Grenzwerts von 25 Prozent des Aktienkapitals die an Aktien wirtschaftlich berechtigte Person (Art. 697j OR) zu melden.

Solange die Aktionärin oder der Aktionär den Meldepflichten nicht nachgekommen ist, ruhen die mit den Aktien verbundenen Mitgliedschaftsrechte. Die Vermögensrechte, die mit den Aktien verbunden sind, kann die Aktionärin oder der Aktionär erst nach Erfüllung der Meldepflichten geltend machen. Kommt sie oder er diesen Pflichten nicht innert eines Monats nach dem Erwerb der Aktien nach, so sind die Vermögensrechte verwirkt. Holt sie oder er die Meldung zu einem späteren Zeitpunkt nach, so können die ab diesem Zeitpunkt entstehenden Vermögensrechte geltend gemacht werden (Art. 697m OR). Zudem haben die Gesellschaften neu die Pflicht, ein Verzeichnis über die Inhaberaktionärinnen und -aktionäre sowie über die der Gesellschaft gemeldeten wirtschaftlich berechtigten Personen zu führen (Art. 697l OR).

Der Bericht zur Phase 2 der Schweiz führt zur ersten Empfehlung aus, die neuen Bestimmungen stellten nicht ausreichend sicher, dass die Identifikation der Inhaberaktionärinnen und -aktionäre innerhalb des gesetzlich festgelegten Zeitrahmens erfolgt.45 Das Thema Inhaberaktien wird im Rahmen der Länderüberprüfungen des Global Forum stark gewichtet. Verlangt wird deren Immobilisierung durch Hinterlegung oder Eintragung bei einer den Regeln zur Geldwäschereibekämpfung unterstehenden Person oder deren Abschaffung.

Wird die erste Empfehlung nicht genügend umgesetzt, so muss die Schweiz in diesem Punkt mit der Note «nicht konform» rechnen, wodurch sie in der nächsten Länderüberprüfung höchstens die ungenügende Gesamtnote «teilweise konform» erreichen kann.46

43 44

45 46

294

AS 2015 1389 Die Bestimmungen wurden nur für nicht börsenkotierte Gesellschaften eingeführt, da die Transparenz von Gesellschaften, deren Aktien börsenkotiert sind, bereits aufgrund der in Art. 120 ff. des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes (FinfraG; SR 958.1) verankerten Meldepflichten gewährleistet ist; vgl. Botschaft zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d'action financière (GAFI), BBl 2014 605, hier 616 (im Folgenden: Botschaft GAFI).

Fn. 42, a. a. O.; vgl. auch Bericht (Fn. 2) Ziff. 150.

Zur Bewertung vgl. Ziff. 1.1.1.

BBl 2019

2.2.1.2

Massnahmen zur Umsetzung

1. Umwandlung der Inhaberaktien in Namenaktien oder deren Ausgestaltung als Bucheffekten Artikel 622 Absatz 1bis E-OR sieht vor, dass Inhaberaktien nur zulässig sind, wenn eine Gesellschaft Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert hat47 oder die Inhaberaktien als Bucheffekten nach dem Bucheffektengesetz vom 3. Oktober 200848 (BEG) ausgestaltet und bei einer von der Gesellschaft bezeichneten Verwahrungsstelle in der Schweiz hinterlegt sind.49 Gesellschaften mit Inhaberaktien müssen nach Artikel 622 Absatz 2bis E-OR im Handelsregister eintragen lassen, ob sie Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert haben oder ihre Inhaberaktien als Bucheffekten ausgestaltet sind.

Eine Pflicht zur Umwandlung von Inhaber- in Namenaktien war im Vorentwurf 2005 zur Revision des Aktienrechts vorgesehen.50 In der Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts (Aktienrecht und Rechnungslegungsrecht sowie Anpassungen im Recht der Kollektiv- und der Kommanditgesellschaft, im GmbH-Recht, Genossenschafts-, Handelsregister- sowie Firmenrecht) vom 21. Dezember 2007 wurde unter Berücksichtigung der klaren Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens aber an den Inhaberaktien festgehalten, obwohl davon ausgegangen wurde, «dass die Schweiz aufgrund der Möglichkeit der Ausgabe von Inhaberaktien auf internationaler Ebene zukünftig zunehmendem Druck ausgesetzt sein wird»51. Im Rahmen der Umsetzung der GAFI-Empfehlungen 2012 sprach sich der Bundesrat bereits in der Vernehmlassungsvorlage gegen eine Umwandlung der Inhaberaktien in Namenaktien aus.52 Allerdings führten die mit dem GAFI-Gesetz eingeführten neuen Bestimmungen zu einer starken Angleichung der Inhaberaktien an die Namenaktien, indem die wesentlichen Merkmale der Inhaberaktien, nämlich die verhältnismässige Anonymität und die Erleichterungen bei der Übertragung, erheblich reduziert wurden. Wie die untenstehende Tabelle zeigt, sind die Bestimmungen über 47

48 49

50

51 52

Die Transparenz von Gesellschaften, die Beteiligungsrechte an einer Börse kotiert haben, ist bereits aufgrund der in Art. 120 FinfraG verankerten Meldepflichten gewährleistet (vgl. auch Fn. 44).

SR 957.1 Aufgrund von Art. 656a Abs. 2 OR sind Partizipationsscheine von dieser Gesetzesänderung mit umfasst. Somit sind Inhaber-Partizipationsscheine bei Gesellschaften ohne börsenkotierte Beteiligungspapiere nur zulässig, sofern sie als Bucheffekten ausgestaltet sind (vgl. dazu Basler Kommentar Wertpapierrecht-Bärtschi, Art. 6 BEG N 92).

Für Inhaber-Partizipationsscheine gelten damit die Art. 4 ff. der Übergangsbestimmungen zum E-OR gleichermassen. Vgl. auch Praxismitteilung EHRA 1/15 vom 24. Juni 2015 «Gesellschaftsrechtliche Umsetzung des Bundesgesetzes zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d'action financière (GAFI)», abrufbar unter: https://ehra-fenceit.ch > Praxismitteilungen.

Begleitbericht vom 2. Dezember 2005 zum Vorentwurf zur Revision des Aktien- und Rechnungslegungsrechts im Obligationenrecht, Ziff. 2.3.5 (www.bj.admin.ch > Wirtschaft > Abgeschlossene Rechtsetzungsprojekte > Revision des Aktien- und Rechnungslegungsrechts).

BBl 2008 1618 Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d'action financière, Erläuternder Bericht vom 27. Februar 2013 zur Vernehmlassungsvorlage, Ziff. 1.2.1.2 (www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2013 > EFD).

295

BBl 2019

die Inhaberaktien und die Namenaktien praktisch identisch. Entscheidet sich eine betroffene Gesellschaft zur Umwandlung ihrer Inhaberaktien in Namenaktien, so werden somit die Rechte und Pflichten ihrer Aktionärinnen und Aktionäre nicht grundlegend verändert.

Namenaktien (Art. 684 ff. OR)

Inhaberaktien (Art. 683 OR)

Meldepflicht

Die Erwerber müssen sich bei der Gesellschaft melden und ihre Eintragung in das Aktienbuch beantragen, damit sie als Aktionäre anerkannt werden (686 OR).

Die Erwerber müssen sich bei der Gesellschaft (697i OR) bzw.

beim Finanzintermediär (697k OR) melden.

Die Meldepflicht besteht nicht, wenn die Inhaberaktien börsenkotiert (vgl. Fn. 44) bzw. als Bucheffekten ausgestaltet sind (697i Abs. 1 und 4 OR).

Eingetragene Informationen

Im Aktienbuch über die Namenaktionäre (686 OR) ­ Namen und Adressen der Aktionäre ­ jederzeitige Zugriffsmöglichkeit in der Schweiz

Im Verzeichnis über die Inhaberaktionäre (697l OR): ­ Vornamen, Nachnamen/Firma und Adressen der Aktionäre ­ jederzeitige Zugriffsmöglichkeit in der Schweiz

Belege

­ Beleg, der den Erwerb des Eigentums am Titel nachweist

­ Beleg, der den Erwerb des Titels nachweist (Vorlage der Originaltitel oder von Kopien derselben) ­ Offizielle Bescheinigung für natürliche Personen/Handelsregisterauszug für juristische Personen

Folgen der Nichtregistrierung des Aktionärs/Gesellschafters

Der Erwerber gilt gegenüber der Gesellschaft nicht als Aktionär und kann keine an die Gesellschaftsanteile geknüpften Mitgliedschafts- und Vermögensrechte ausüben.

Der Erwerber kann keine an die Gesellschaftsanteile geknüpften Mitgliedschafts- und Vermögensrechte ausüben (697m OR).

Seit der Einführung der neuen Bestimmungen ist die Anzahl der Inhaberaktien rückläufig: Der Anteil von neuen Aktiengesellschaften, deren Aktienkapital ausschliesslich aus Namenaktien besteht, ist von 73 Prozent im Jahr 2014 auf 89,8 Prozent im Jahr 2018 gestiegen. Gleichzeitig haben nach einer Schätzung des Bundesamts für Justiz über tausend Gesellschaften ihre Inhaberaktien freiwillig in Namenaktien umgewandelt.

Eine Pflicht zur Ausgestaltung der Inhaberaktien als Bucheffekten wurde im Rahmen der Vorarbeiten zur Umsetzung der GAFI-Empfehlungen 2012 diskutiert und verworfen, weil man keine faktische Abschaffung der Inhaberaktien wollte.53

53

296

Vgl. erläuternder Bericht zur Vernehmlassungsvorlage (Fn. 52), S. 9 Ziff. 1.2.1.2.

BBl 2019

Würdigung: Die erste Empfehlung kann nur umgesetzt werden, indem die Inhaberaktien entweder in Namenaktien umgewandelt oder als Bucheffekten ausgestaltet werden.

Massnahme 1 ist entsprechend angelegt. Durch sie wird das Thema Identifikation von Inhaberaktionärinnen und -aktionären gegenstandslos. Die Massnahme setzt ein starkes Signal gegenüber dem Global Forum. Die Schweiz gesellt sich damit zu anderen wichtigen Finanzplätzen, die die Inhaberaktien ebenfalls abgeschafft (UK, USA, Singapur, Hongkong, Belgien, Österreich) oder immobilisiert haben (Deutschland, Liechtenstein, Luxemburg)54. Die Massnahme ist eine deutliche Abkehr vom erst 2015 eingeführten System gesellschaftsrechtlicher Meldepflichten und Pflichten zur Führung von Verzeichnissen. Sie stellt aber sicher, dass die Identifikation von Inhaberaktionärinnen und -aktionären auch nach der 2018 beginnenden nächsten Länderüberprüfung des Global Forum für die Schweiz kein Thema mehr sein wird.

Wird die erste Empfehlung nicht umgesetzt, so muss die Schweiz in diesem Punkt mit der Note «nicht konform» rechnen, wodurch sie in der nächsten Länderüberprüfung höchstens die ungenügende Gesamtnote «teilweise konform» erreichen kann.55 Die Massnahme ist zur Umsetzung der ersten Empfehlung unabdingbar, weil keine Alternative zur Verfügung steht.

2. Übergangsbestimmungen betreffend in Umlauf befindliche Inhaberaktien Artikel 697m OR sieht vor, dass die Vermögensrechte eines Aktionärs verwirkt sind, wenn er seinen Meldepflichten nach den Artikeln 697i, 697j und 697k OR56 nicht innert eines Monats nach Aktienerwerb nachkommt. Holt er die Meldung später nach, kann er die ab diesem Zeitpunkt entstehenden Vermögensrechte geltend machen.

Das Wiederaufleben von Rechten nach verspäteter Wahrnehmung von Melde- oder Umwandlungspflichten in Bezug auf Inhaberaktien ist Gegenstand jeder Überprüfung des Global Forum. Der Bericht zur Phase 2 der Schweiz bemängelt, Inhaberaktionäre könnten aufgrund der bestehenden Möglichkeit, ihre Aktionärsrechte zu einem späteren Zeitpunkt zu reaktivieren, anonym bleiben, bis sie ihre Rechte gegenüber der Gesellschaft geltend machen wollen.57 Eine Korrektur des geltenden Rechts in dieser Hinsicht ist unumgänglich.

Die Übergangsbestimmungen lösen das Problem stufenweise. Bei Gesellschaften ohne börsenkotierte Beteiligungspapiere
und mit nicht als Bucheffekten ausgestalteten Inhaberaktien fordert der Verwaltungsrat Aktionärinnen und Aktionäre, die ihre Meldepflicht nach bisherigem Recht nicht erfüllt haben, auf, ihrer Meldepflicht nachzukommen. Die Aufforderung muss den Hinweis enthalten, dass Aktionärinnen und Aktionäre, die ihrer Meldepflicht nicht nachkommen, ihre Rechte endgültig verlieren und ihre Einlagen an die Gesellschaft fallen (Art. 4 E-UeB). Haben Gesellschaften ohne börsenkotierte Beteiligungspapiere 18 Monate nach Inkrafttreten von 54 55 56

57

Siehe Ziff. 3.

Siehe Ziff. 1.1.1.

Art. 697i und 697k OR betreffend Inhaberaktien sollen mit der vorliegenden Vorlage aufgehoben werden, Art. 697j OR betreffend wirtschaftlich berechtigte Personen bleibt bestehen und soll ergänzt werden.

Bericht (Fn. 2) Ziff. 150.

297

BBl 2019

Artikel 622 Absatz 1bis E-OR noch Inhaberaktien, die nicht Gegenstand eines Eintrags nach Artikel 622 Absatz 2bis E-OR sind, so werden diese von Gesetzes wegen in Namenaktien umgewandelt (Art. 5 Abs. 1 E-UeB). Nach der Umwandlung der Inhaberaktien in Namenaktien können säumige Aktionärinnen und Aktionäre sich nicht mehr direkt durch die Gesellschaft in das Aktienbuch eintragen lassen, sondern müssen innerhalb einer Frist von fünf Jahren ab Inkrafttreten von Artikel 622 Absatz 1bis OR beim Gericht einen Antrag auf Eintragung stellen (Art. 8 Abs. 1 E-UeB). Nach Ablauf der Frist werden, auf Antrag der Gesellschaft, Aktien von Aktionärinnen und Aktionären, die sich nicht gemeldet und nicht beim Gericht ihre Eintragung in das Aktienbuch beantragt haben, durch Gerichtsentscheid vernichtet.

Diese Aktionärinnen und Aktionäre verlieren ihre Rechtsansprüche endgültig, und die Einlagen fallen an die Gesellschaft (Art. 9 Abs. 3 E-UeB).

Würdigung: Die Meldepflichten der Inhaberaktionäre sind 2015 eingeführt worden. Zusammen mit der weiteren Frist von fünf Jahren ab Inkrafttreten von Artikel 622 Absatz 1bis OR ergibt sich ein komfortabler Zeitraum für säumige Inhaberaktionärinnen und -aktionäre, um sich als Aktionärinnen und Aktionäre zu identifizieren, bevor sie ihre Rechtsansprüche endgültig verlieren. Die Implementierung einer Massnahme zur Unterbindung des Wiederauflebens der Vermögensrechte der Aktionärinnen und Aktionäre nach verspäteter Erfüllung der Meldepflichten ist zur Umsetzung der ersten Empfehlung unabdingbar.

2.2.1.3

Publikation einer Anleitung

Um die Implementierung in der Praxis zu vereinfachen, wird das Eidgenössische Finanzdepartement in Zusammenarbeit mit den zuständigen Bundesämtern auf das Inkrafttreten des neuen Rechts hin eine Anleitung für die Umwandlung der Inhaberaktien in Namenaktien bzw. deren Ausgestaltung als Bucheffekten publizieren.

2.2.2

Zweite Empfehlung

Die Schweiz hat eine wirksame Aufsicht über Aktiengesellschaften und Kommanditaktiengesellschaften sicherzustellen.58

2.2.2.1

Ausgangslage

Der Bericht zur Phase 2 der Schweiz führt zur zweiten Empfehlung aus, dass in der Schweiz die Kontrolle der Einhaltung der Pflicht von Aktiengesellschaften und Kommanditaktiengesellschaften, ein Aktienbuch zu führen, und die Wirksamkeit der

58

298

Empfehlung zu Element A.1; Bericht (Fn. 2) S. 144.

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entsprechenden Durchsetzungsmassnahmen zu verbessern sind, da klare Sanktionen für den Fall eines Regelverstosses fehlen.59 Die Länderüberprüfungen anderer Staaten zeigen, dass das Global Forum unter wirksamer Aufsicht über Gesellschaften ein griffiges Sanktionssystem für den Fall von Pflichtverletzungen sowie Kontrollen der gesellschaftsrechtlich zu führenden Verzeichnisse vor Ort oder Kontrollen der Aktionärinnen und Aktionäre einer Gesellschaft durch deren Bekanntgabe gegenüber einer Behörde versteht. Nachfolgend wird ein Sanktionssystem vorgeschlagen. Zudem wird die ESTV anlässlich ihrer gestützt auf Artikel 40 Absatz 2 des Verrechnungssteuergesetzes vom 13. Oktober 196560 durchgeführten Kontrollen im Bereich der Verrechnungssteuer bei den im schweizerischen Handelsregister eingetragenen Aktien- und Kommanditaktiengesellschaften prüfen, ob die gesellschaftsrechtlich zu führenden Verzeichnisse vorhanden sind. Dadurch sollen die Gesellschaften angehalten werden, ihre diesbezüglichen Pflichten zu erfüllen. Mit diesen Massnahmen dürfte es der Schweiz möglich sein, in Kombination mit den anderen vorgeschlagenen Massnahmen ihre Position zu stärken und die gute Note der letzten Länderüberprüfung zu verteidigen.

2.2.2.2

Massnahme zur Umsetzung

Einführung von Sanktionen (Art. 327 und 327a E-StGB, Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 und 4 E-OR) Wie in Ziffer 2.2.2.1 ausgeführt, ist zu einer wirksamen Aufsicht über Gesellschaften unter anderem ein Sanktionssystem für den Fall von Pflichtverletzungen erforderlich. Pflichtverletzungen können auf Stufe der Gesellschaft oder auf Stufe des Gesellschafters eintreten. Das Sanktionssystem hat beide Ebenen zu umfassen.

Eine Überprüfung des Sanktionssystems ist auch zur Umsetzung der Empfehlungen im vierten GAFI-Länderbericht61 vorzunehmen. Zur Wirksamkeit der ergriffenen Massnahmen betreffend die Transparenz der juristischen Personen und der wirtschaftlich berechtigten Personen hält der Bericht fest, dass die Massnahmen ungenügend und diverse Verbesserungen notwendig seien. Insbesondere seien die gesellschaftsrechtlichen Sanktionen für den Fall einer Nichtwahrnehmung der vorgesehenen Meldepflichten der Aktionärinnen und Aktionäre und der Pflichten zur Führung von Verzeichnissen nicht griffig genug.62 In diesem Punkt decken sich somit der vierte GAFI-Länderbericht und der Bericht des Global Forum zur Phase 2 der Schweiz. In der 2021 stattfindenden Folgeprüfung durch die GAFI muss die Schweiz die Wirksamkeit der mit dem GAFI-Gesetz eingeführten Bestimmungen nachweisen können. Da die Schweiz keine gesellschaftsrechtliche Aufsicht und keine allgemeine Revisionspflicht für die Gesellschaften kennt ­ die am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Neuerungen im Revisionsrecht hatten zur Folge, dass heute eine Mehrheit der schweizerischen Gesellschaften keine 59 60 61 62

Fn. 59, a. a. O.; siehe auch Bericht (Fn. 2) Ziff. 150.

SR 642.21 Siehe Fn. 21.

Siehe vierter GAFI-Länderbericht (Fn. 21), S. 127, 204 Criterion 24.13.

299

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Revisionsstelle mehr hat (Opting-out-Möglichkeit) ­, dürfte dieser Nachweis ohne die Einführung von Strafbestimmungen schwierig sein. Im Februar 2018 musste die Schweiz die GAFI im Rahmen eines Folgeberichts über die angestrebten Massnahmen informieren. Bis Februar 2019 muss die GAFI über die seitdem erzielten Fortschritte informiert werden.

Zum einen nimmt der Gesetzesentwurf Strafbestimmungen auf, wie sie im Entwurf des GAFI-Gesetzes vorgesehen waren.63 So wird mit den Artikeln 327 und 327a des Strafgesetzbuchs64 (StGB) die Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Pflicht zur Meldung der wirtschaftlich berechtigten Personen (Stufe Gesellschafter) und die Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Pflicht zur Führung von Verzeichnissen oder der damit verbundenen gesellschaftsrechtlichen Pflichten (Stufe Gesellschaft) unter Strafe gestellt. Im Zusammenhang mit der Einführung dieser Strafbestimmungen wird, einer in der Vernehmlassung erhobenen Forderung entsprechend, Artikel 697j OR über die Meldung der an Aktien wirtschaftlich berechtigten Person präzisiert.

Der Bundesrat erachtete in der Botschaft GAFI Strafbestimmungen als erforderlich, um den internationalen Standards zu entsprechen, die ein Spektrum abschreckender Sanktionen verlangen, damit die Zuverlässigkeit der Informationen und die Wirksamkeit des Systems insgesamt sichergestellt werden können.65 In der parlamentarischen Beratung wurde aber die im neuen Artikel 697m OR vorgesehene Sistierung bzw. Verwirkung der Vermögensrechte des Aktionärs für den Fall der Nichteinhaltung der Meldepflichten als ausreichend erachtet. Die Strafbestimmungen wurden für unverhältnismässig befunden und gestrichen.66.

Zum andern sieht Artikel 731b Absatz 1 Ziffern 3 und 4 E-OR vor, dass die nicht rechtmässige Führung des Aktienbuchs oder des Verzeichnisses über die der Gesellschaft gemeldeten wirtschaftlich berechtigten Personen oder die Ausgabe von Inhaberaktien durch eine Gesellschaft, die keine Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert hat und deren Inhaberaktien nicht als Bucheffekten ausgestaltet sind, einen Mangel in der Organisation der Gesellschaft darstellt, womit ein Aktionär oder ein Gläubiger dem Gericht beantragen kann, die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen.

Würdigung: Die Massnahme stellt ein Rückkommen auf die erst 2015 eingeführten neuen
Bestimmungen über die Transparenz juristischer Personen dar. Die zweite Empfehlung verlangt eine wirksame Aufsicht über Aktien- und Kommanditaktiengesellschaften.

Darunter versteht das Global Forum unter anderem ein griffiges Sanktionssystem für den Fall von Pflichtverletzungen. Sanktionen sind auch zur Umsetzung der Empfehlungen im vierten Länderbericht der GAFI erforderlich. Diese kürzlich durchgeführ-

63 64 65 66

300

Vgl. BBl 2014 712.

SR 311.0 BBl 2014 605, hier 640 f.

Hingegen wurde mit Art. 149 Abs. 1 Bst. f des Kollektivanlagengesetzes vom 23. Juni 2006 (KAG, SR 951.31) eine die Investmentgesellschaften mit variablem Kapital (SICAV) betreffende Strafbestimmung für den Fall des nicht korrekten Führens des Aktienbuchs eingeführt.

BBl 2019

ten Länderüberprüfungen haben also gezeigt, dass die Massnahme unter beiden Gesichtspunkten unabdingbar ist.

Die Massnahme soll in Kombination mit den anderen vorgeschlagenen Massnahmen dazu dienen, die gute Note der letzten Länderüberprüfung zu verteidigen. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Prüfung des Vorhandenseins der gesellschaftsrechtlich zu führenden Verzeichnisse, die die ESTV im Rahmen ihrer Kontrollen im Bereich der Verrechnungssteuer durchführt, vom Global Forum als nicht genügend systematisch kritisiert wird.

2.2.3

Dritte Empfehlung

Die Schweiz hat sicherzustellen, dass Eigentumsinformationen von ausländischen Gesellschaften mit tatsächlicher Verwaltung in der Schweiz erhältlich sind.67

2.2.3.1

Ausgangslage

Die gesellschaftsrechtlichen Meldepflichten nach schweizerischem Recht sind nur auf Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz anwendbar. Sollen Informationen von Gesellschaften mit Hauptsitz im Ausland erhältlich sein, so muss dies spezifisch geregelt werden.

2.2.3.2

Massnahme zur Umsetzung

Einführung von Artikel 22ibis E-StAhiG über die Transparenz von Rechtseinheiten mit Hauptsitz im Ausland und tatsächlicher Verwaltung in der Schweiz Zur Umsetzung der dritten Empfehlung sieht Artikel 22ibis StAhiG vor, dass Rechtseinheiten mit Hauptsitz im Ausland, die ihre tatsächliche Verwaltung in der Schweiz haben, am Ort ihrer tatsächlichen Verwaltung in der Schweiz ein Verzeichnis ihrer rechtlichen Inhaberinnen und Inhaber führen müssen. Das Verzeichnis muss den Vor- und den Nachnamen oder die Firma sowie die Adresse der Inhaber enthalten.

67

Empfehlung zu Element A.1, Bericht (Fn. 2) S. 143. Fn. 9 der Terms of Reference 2016 (Fn. 5) führt dazu aus: «... where a company or body corporate has a sufficient nexus to another jurisdiction, including being resident there for tax purposes (for example by reason of having its place of effective management or administration there), or, where the concept of residence for tax purposes is not relevant in that other jurisdiction, one possible alternative nexus is that the company has its headquarters there, that other jurisdiction will also have the responsibility of ensuring that legal ownership information is available». Es geht also um die rechtlichen Inhaber solcher Rechtseinheiten, nicht um deren wirtschaftlich berechtigte Personen.

301

BBl 2019

Würdigung: Die dritte Empfehlung ist bereits in Phase 1 an die Schweiz gerichtet worden. Es ist angezeigt, sie jetzt umzusetzen. Die Massnahme dient dazu, das Massnahmenpaket zur Umsetzung der Empfehlungen zum Element A.1 zu vervollständigen. Damit erhöht sich die Chance, dass für das Element A.1 die Note «weitgehend konform» erreicht wird. Die Massnahme gleicht im Übrigen die Pflichten für Rechtseinheiten, die ihre tatsächliche Verwaltung in der Schweiz haben, den Pflichten für schweizerische Gesellschaften an. Die Massnahme ist zur Umsetzung der Empfehlung unabdingbar.

2.3

Empfehlungen betreffend den Informationsaustausch

Bei der Länderüberprüfung des Global Forum sind auch Beurteilungskriterien zum Zugang und zum Austausch von Informationen geprüft worden. Die Schweiz hat dazu drei Empfehlungen erhalten, die einer Umsetzung bedürfen.

2.3.1

Empfehlung betreffend den Austausch von Informationen über verstorbene Personen

Die Schweiz hat sicherzustellen, dass Informationen über verstorbene Personen in jedem Fall ausgetauscht werden können.68

2.3.1.1

Ausgangslage

Mangels Partei- und Prozessfähigkeit kann gemäss schweizerischem Recht keine Amtshilfe für verstorbene Personen geleistet werden. Dasselbe gilt auch für den Nachlass.69 Um in Amtshilfeverfahren, die eine verstorbene Person betreffen, dennoch Amtshilfe leisten zu können, entspricht es der aktuellen Praxis der ESTV, allfällige Rechtsnachfolgerinnen oder -nachfolger in Erfahrung zu bringen, die als Verfügungsadressaten dienen können. Dies ist aber nur dann möglich, wenn diesen Personen gemäss schweizerischem Recht Partei- und Prozessfähigkeit zukommt.

Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, dass es der ESTV (auch über den Informationsinhaber) nicht in jedem Fall gelingt, Rechtsnachfolgerinnen oder -nachfolger zu identifizieren. Zu denken ist insbesondere an die Situation, in der das Amtshilfeersuchen eine dem ersuchenden Staat namentlich unbekannte Person betrifft, die beispielsweise über ein Verhaltensmuster (Gruppenersuchen) identifizierbar ist und über die sich herausstellt, dass sie verstorben ist. Auch können die Rechtsnachfolgerinnen oder -nachfolger in einem solchen Fall nicht über die ersuchende Behörde in Erfahrung gebracht werden, da die betroffene Person dem ersuchenden Staat unbe68 69

302

Empfehlung zu Element B.2, Bericht (Fn. 2) S. 145.

Vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-6829/2010 vom 4. Februar 2011, E. 3.1; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-6630/2010 vom 19. Juli 2011, E. 3.1.

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kannt ist und ihm auch nicht mitgeteilt werden dürfte. Schliesslich erweist es sich als schwierig, Amtshilfe betreffend Rechtsnachfolgerinnen oder -nachfolger zu leisten, wenn das Amtshilfeersuchen auf einem steuerstrafrechtlich relevanten Verhalten der verstorbenen Person beruht, da in der Amtshilfe grundsätzlich nur gegen jene Person verfügt werden darf, der das Verhalten persönlich vorwerfbar ist.70 Gemäss Artikel 26 Absatz 1 des OECD-Musterabkommens (OECD-MA)71 tauschen die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten jene Informationen aus, die zur Durchführung des Abkommens oder zur Anwendung oder Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts voraussichtlich erheblich sind. Mit dem Begriff der voraussichtlichen Erheblichkeit soll ein möglichst umfassender Informationsaustausch garantiert werden, ohne den Vertragsstaaten damit jedoch zu erlauben, Informationen aufs Geratewohl (fishing expeditions) oder Auskünfte zu verlangen, bei denen wenig wahrscheinlich ist, dass sie zur Aufklärung von Steuerangelegenheiten einer bestimmten steuerpflichtigen Person beitragen würden.72 Entsprechend wird in den standardkonformen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) der Schweiz jeweils festgehalten, dass die im ersuchten Staat geltenden Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensrechts über die Rechte der Steuerpflichtigen zwar vorbehalten sind, jedoch nicht dazu führen dürfen, den wirksamen Informationsaustausch zu verhindern oder übermässig zu verzögern.73 Anders gesagt, darf die gemäss schweizerischem Recht fehlende Partei- und Prozessfähigkeit nicht dazu führen, dass die staatsvertraglich geschuldete Leistung von Amtshilfe allein aus diesem Grund verunmöglicht wird, zumal mit dem Amtshilfeverfahren dem ausländischen Recht zur Durchsetzung verholfen werden soll. Entsprechend hat die Schweiz sicherzustellen, dass Informationen über verstorbene Personen in jedem Fall ausgetauscht werden können.

2.3.1.2

Massnahme zur Umsetzung

Einführung von Artikel 18a E-StAhiG über Partei- und Prozessfähigkeit Zur Lösung des Problems sieht Artikel 18a E-StAhiG vor, dass Personen (einschliesslich Verstorbener), Sondervermögen und andere Rechtseinheiten, über die im Amtshilfeersuchen Informationen verlangt werden, Parteistellung erhalten. Damit soll sichergestellt werden, dass auch Amtshilfe betreffend diese Personen (einschliesslich Verstorbener), Sondervermögen und anderen Rechtseinheiten geleistet werden kann, denen nach schweizerischem Recht keine Partei- und Prozessfähigkeit zukommen würde (z. B. Verstorbene oder Nachlass). Die Berechtigung, für eine Partei zu handeln, die nach den übrigen Bestimmungen des schweizerischen Rechts keine Parteistellung hat, soll sich nach dem Recht des ersuchenden Staates bestimmen. In Amtshilfeverfahren betreffend Verstorbene erhalten deren Rechtsnachfolgerinnen und -nachfolger Parteistellung und sind beschwerdeberechtigt.

70 71 72 73

Vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-6829/2010 vom 4. Februar 2011, E. 2.1.4.

www.oecd.org > Topics > Tax > Model Tax Convention on Income and Capital.

Vgl. BGE 141 II 436, E. 4.4.3.

Vgl. auch BGE 143 II 510, E. 4.

303

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Würdigung: In der Praxis kann eine Lösung für die mit Partnerstaaten bestehenden Probleme gefunden werden, wenn Rechtsnachfolgerinnen und -nachfolger von verstorbenen Personen bekannt sind, ihnen nach schweizerischem Recht Partei- und Prozessfähigkeit zukommt und es sich nicht um steuerstrafrechtlich relevante Sachverhalte handelt. Um Rechtssicherheit zu erlangen und damit die ESTV in allen Fällen standardkonform Amtshilfe leisten kann, in denen die schweizerische Rechtsordnung und jene des ersuchenden Staates hinsichtlich der Partei- und Prozessfähigkeit auseinanderfallen, ist eine Regelung im vorgeschlagenen Sinn aber unerlässlich.

Durch die breit angelegte Bestimmung soll verhindert werden, dass sich die Schweiz innert kurzer Zeit erneut mit dem Vorwurf konfrontiert sieht, nicht standardkonform zu sein, wenn sie die Amtshilfe aufgrund fehlender Partei- und Prozessfähigkeit in anderen möglichen Fallkonstellationen, die nicht verstorbene Personen betreffen, ablehnen muss.

Im Rahmen von Phase 2 der Länderüberprüfung wurden lediglich Amtshilfeverfahren betreffend verstorbene Personen evaluiert. Hätte die Evaluation auch andere mögliche Konstellationen erfasst, wären diese in der Empfehlung74 adressiert worden. Der auf verstorbene Personen beschränkte Wortlaut der Empfehlung kann mithin nicht als Grund herangezogen werden, Artikel 18a StAhiG ebenfalls nur auf verstorbene Personen auszurichten. Die Massnahme ist aus Gründen der Rechtssicherheit und für die Praxis der ESTV unverzichtbar.

2.3.2

Empfehlung betreffend die Vertraulichkeit des Ersuchens

Die Schweiz hat sicherzustellen, dass die Vorgaben des internationalen Standards zur Vertraulichkeit eingehalten werden.75

2.3.2.1

Ausgangslage

Der Kommentar zu Artikel 26 Absatz 2 OECD-MA76 führt zum in der Amtshilfe geltenden Grundsatz der Vertraulichkeit aus, dass auch die Korrespondenz zwischen den zuständigen Behörden der Partnerstaaten, inklusive des Amtshilfeersuchens selbst, vertraulich zu behandeln ist und nur jene Informationen aus dem Ersuchen bekannt gegeben werden dürfen, die erforderlich sind, um die ersuchten Informationen zu beschaffen. Soweit «Gerichts- oder ähnliche Verfahren» des ersuchten Staates vorsähen, dass das Ersuchen selber zugänglich zu machen sei, könne der ersuchte Staat dies tun, sofern der ersuchende Staat es nicht ablehne.

74 75 76

304

Vgl. Fn. 68.

Empfehlung zu Element C.3; Bericht (Fn. 2) S. 146.

www.oecd-ilibrary.org/taxation/model-tax-convention-on-income-and-on-capital-2015full-version_9789264239081-en

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Nach dem Global Forum ist dies so zu verstehen, dass das Ersuchen selber im erstinstanzlichen Verfahren (Verfügungsverfahren der ESTV) in jedem Fall vertraulich zu behandeln ist und nicht zugänglich gemacht werden darf.

Nach der schweizerischen Rechtsprechung muss das Ersuchen demgegenüber gemäss den Artikeln 14­15 StAhiG nach Abschluss der Informationsbeschaffung, aber vor Eröffnung der Schlussverfügung der voraussichtlich beschwerdeberechtigten Person zugänglich gemacht werden, sofern nicht ein Ausnahmegrund nach Artikel 27 Absatz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 196877 (VwVG) gegeben ist.78 Dies folgt aus dem Akteneinsichtsrecht, welches aus dem verfassungsmässig garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör nach Artikel 29 Absatz 2 der Bundesverfassung79 (BV) fliesst. Artikel 27 Absatz 1 VwVG sieht vor, dass die Behörde die Einsichtnahme in die Akten nur verweigern darf, wenn wesentliche öffentliche Interessen des Bundes, der Kantone oder der Gegenpartei oder das Interesse einer noch nicht abgeschlossenen amtlichen Untersuchung die Geheimhaltung erfordern. Wird die Einsichtnahme verweigert, so darf zum Nachteil der Partei auf diese Akten nur abgestellt werden, wenn ihr die Behörde den für die Sache wesentlichen Inhalt mündlich oder schriftlich zur Kenntnis gebracht hat und die Partei Gelegenheit hatte, sich zu äussern und Gegenbeweismittel zu bezeichnen (Art. 28 VwVG).

Will eine betroffene Person ihr Akteneinsichtsrecht ausüben, so gibt die ESTV dem ersuchenden Staat gestützt auf Artikel 15 Absatz 2 StAhiG vorab Gelegenheit, zur Offenlegung des Ersuchens und der Behördenkorrespondenz Stellung zu nehmen und wesentliche Geheimhaltungsgründe hinsichtlich gewisser Aktenstücke geltend zu machen. Dazu hält der Bericht zur Phase 2 der Schweiz80 fest, dass die Praxis der ESTV, obwohl geltend gemachte Geheimhaltungsgründe wohlwollend geprüft würden, dem Standard nicht entspreche. Dieser verlange nämlich, dass das Ersuchen generell vertraulich zu behandeln sei, und lasse abgesehen von öffentlichen Gerichtsverfahren oder Gerichtsentscheiden keine Ausnahmen zu.

Etliche Partnerstaaten der Schweiz widersetzen sich prinzipiell einer Zugänglichmachung des Ersuchens als Ganzes oder von Teilen davon. Sie berufen sich dabei auf den Kommentar zu Artikel 26 OECD-MA. Konkret wird geltend gemacht,
dass eine Offenlegung den Erfolg der Untersuchung im ersuchenden Staat gefährde.

Weiter enthielten Ersuchen oftmals Informationen, die nach dem Recht des ersuchenden Staates als vertraulich zu qualifizieren seien. Eine Offenlegung dieser Informationen im schweizerischen Verfahren führe zu einer Verletzung der Vertraulichkeitsnormen des ersuchenden Staates. Als Konsequenz daraus haben diverse Partnerstaaten Ersuchen unter Protest sistiert oder zurückgezogen und auf eine Amtshilfeleistung verzichtet. Weiter haben Partnerstaaten vermehrt darauf hingewiesen, dass das Amtshilfeverfahren als Hilfsverfahren zur Durchsetzung des innerstaatlichen (ausländischen) Rechts zu verstehen sei, welches den Informationsaustausch unter Staaten zur Klärung offener Fragen im Steuerbereich bezwecke. Die Mitwirkungsrechte ihrer Steuerpflichtigen würden im anschliessenden innerstaatli77 78 79 80

SR 172.021 Vgl. Urteil des BGer 2C_112/2015, E. 4.4.

SR 101 Bericht (Fn. 2) S. 128 Ziff. 419.

305

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chen Verfahren, in welches die amtshilfeweise erhaltenen Informationen einflössen, vollständig gewährt.

Eine solch generelle Forderung nach Einschränkung des Akteneinsichtsrechts könnte aus Sicht des schweizerischen Rechts als willkürlich betrachtet werden. Um den Empfehlungen bzw. dem Standard so weit wie möglich zu entsprechen und die Beziehungen zu den Partnerstaaten nicht weiter zu belasten, muss aber von schweizerischer Seite eine Lösung angeboten werden.

2.3.2.2

Massnahme zur Umsetzung

Änderung von Artikel 15 Absatz 2 StAhiG betreffend Akteneinsicht Als Massnahme soll Artikel 15 Absatz 2 StAhiG umformuliert werden, sodass der Standard so weit wie möglich berücksichtigt und gleichzeitig der Eingriff in den Schutzbereich von Artikel 29 Absatz 2 BV (rechtliches Gehör) möglichst gering gehalten wird. So soll Einsicht in das Amtshilfeersuchen selbst und in die Korrespondenz mit der ausländischen Behörde nur gewährt werden, wenn diese damit einverstanden ist. Andernfalls informiert die ESTV die beschwerdeberechtigte Person über den wesentlichen Inhalt des Ersuchens und der Korrespondenz.

Würdigung: Die Schweiz hat für das betreffende Element in diesem Punkt die Note «weitgehend konform» erhalten, aber erst nach langwierigen Diskussionen und nachdem das Verständnis dafür geschaffen werden konnte, dass sich die Akteneinsicht in der Praxis ohne übermässige Hürden beschränken lässt. Es ist unsicher, ob sich das Global Forum ein zweites Mal überzeugen lässt. Deshalb ist es unerlässlich, eine klare Regelung zu schaffen, wenn die erhaltene Note gewahrt werden soll. Die Massnahme ist aus Gründen der Rechtssicherheit bzw. für die Praxis der ESTV unverzichtbar.

Ob die vorgesehene Bestimmung als standardkonform beurteilt wird, ist allerdings nicht sicher, da sie aufgrund des verfassungsmässig garantierten rechtlichen Gehörs eine Einsicht in das Ersuchen und die Korrespondenz nicht generell ausschliesst.

2.3.3

Empfehlung betreffend gestohlene Daten

Die Schweiz hat ihr Recht oder ihre Praxis dahingehend anzupassen, dass sie ihren Verpflichtungen nach dem Standard für den Informationsaustausch nachkommen kann.81

81

306

Empfehlung zu Element C.4; Bericht (Fn. 2) S. 147.

BBl 2019

2.3.3.1

Ausgangslage

Der Bericht zur Phase 2 der Schweiz führt zu dieser Empfehlung aus, die Handhabung des Grundsatzes von Treu und Glauben durch die Schweiz habe einen wesentlichen Einfluss auf ihre Praxis zum Informationsaustausch gehabt.82 Gemäss dem geltenden Artikel 7 Buchstabe c StAhiG wird auf ein Ersuchen nicht eingetreten, wenn es den Grundsatz von Treu und Glauben verletzt, insbesondere wenn es auf Informationen beruht, die durch nach schweizerischem Recht strafbare Handlungen erlangt worden sind.

Nach der bisherigen Praxis der ESTV spielte es keine Rolle, ob der ersuchende Staat solche Informationen aktiv oder passiv erlangt hat. Diese Praxis, die einen gestützt auf ein internationales Abkommen um Amtshilfe ersuchenden Staat mit einem in eine strafbare Handlung verwickelten Staat gleichsetzte, wurde als zu restriktiv und nicht standardkonform beurteilt.

Der Bundesrat schlug mit seiner Botschaft vom 10. Juni 2016 zu einer Änderung des Steueramtshilfegesetzes83 eine Lockerung der Praxis vor. So sollte auf Ersuchen eingetreten werden können, wenn ein ausländischer Staat illegal erworbene Daten auf dem ordentlichen Amtshilfeweg oder aus öffentlich zugänglichen Quellen erhalten hat.84 Die 2015 durchgeführte Vernehmlassung hatte ergeben, dass die Kantone praktisch geschlossen hinter der Vorlage standen, während sich Befürworter und Gegner bei den politischen Parteien und Organisationen in etwa die Waage hielten. Der Bundesrat hielt angesichts dieses Ergebnisses am Revisionsprojekt fest, da er es zur Wahrung der Interessen der Schweiz als erforderlich erachtete.

In seinem Urteil 2C_648/2017 vom 17. Juli 2018 führt das Bundesgericht aus, einem ersuchenden Staat könne die unilaterale Ausformulierung der Anwendung des Vertrauensprinzips (d. h. dessen Ausformulierung im nationalen Recht) nur entgegengehalten werden, wenn a) ein entsprechender Verweis in das bilaterale Abkommen oder in Protokolle dazu aufgenommen worden sei, d. h. der Vertragsstaat diesen Vorbehalt akzeptiert habe, oder b) feststehe, dass der Vertragsstaat den Grundsatz von Treu und Glauben verletzt habe. Ob eine solche Verletzung vorliege, beurteile sich nach dem Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 196985 über das Recht der Verträge (VRK). Ein Staat, der schweizerische Bankdaten kaufe, um sie danach für Amtshilfeersuchen zu verwenden, lege ein Verhalten
an den Tag, das nicht mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (im Sinne der VRK) vereinbar sei. Grundsätzlich dürfe aber auch auf Ersuchen eingetreten werden, die sich auf Daten deliktischen Ursprungs stützten, solange sie der ersuchende Staat nicht gekauft habe, um sie danach für ein Amtshilfeersuchen zu verwenden. Die Frage, ob ein Staat den Grundsatz von Treu und Glauben bei von Artikel 7 Buchstabe c StAhiG erfassten Konstellationen verletzt habe, sei dann nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (E. 2.3.1 und 3.3). Treuwidrigkeit ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts 82 83 84 85

Fn. 81, a. a. O.

BBl 2016 5137 Siehe dazu Ziff. 1.1.4.

SR 0.111

307

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etwa dann gegeben, wenn der ersuchende Staat sich über eine von ihm abgegebene Zusicherung hinwegsetzt (E. 2.3.4). Artikel 7 Buchstabe c StAhiG kommt demzufolge nur eine beschränkte Bedeutung zu; massgebend ist primär das anwendbare DBA als völkerrechtlicher Vertrag zwischen der Schweiz und dem ersuchenden Staat. Zwar weist die Schweiz seit Frühjahr 2010 in DBA-Verhandlungen darauf hin, dass sie keinen Informationsaustausch gewährt bei Ersuchen, die auf illegal erworbenen Daten beruhen86, aber in DBA oder Protokolle dazu hat dieser Grundsatz keinen Eingang gefunden.

Bereits aus den Erläuterungen zu Artikel 7 Buchstabe c StAhiG in der Botschaft vom 6. Juli 201187 zum Erlass eines Steueramtshilfegesetzes geht hervor, dass der in der Bestimmung erwähnte Grundsatz von Treu und Glauben so zu verstehen ist, wie er in Artikel 31 VRK verankert ist. Beim Erlass von Artikel 7 Buchstabe c StAhiG wollte der Gesetzgeber also nicht vom Völkerrecht abweichen. Nach dem zitierten bundesgerichtlichen Urteil ist ein Kauf von Bankdaten durch einen ersuchenden Staat zum Zweck von deren Verwendung für ein Amtshilfeersuchen treuwidrig im völkerrechtlichen Sinn, nicht aber deren Verwendung durch einen Drittstaat, der die Daten nicht selber gekauft hat.

Durch eine völkerrechtskonforme Auslegung von Artikel 7 Buchstabe c StAhiG, wie sie das Bundesgericht im zitierten Urteil vornimmt, kann der Empfehlung des Global Forum entsprochen werden. Die Bestimmung ist aber irreführend und soll daher mit dieser Vorlage präzisiert werden.

Mit der Vorlage wird im Übrigen beantragt, den Entwurf einer Änderung des StAhiG, der mit der Botschaft vom 10. Juni 2016 zu einer Änderung des Steueramtshilfegesetzes88 vorgelegt worden ist, abzuschreiben.

2.3.3.2

Massnahme zur Umsetzung

Änderung von Artikel 7 Buchstabe c StAhiG betreffend Treu und Glauben Artikel 7 Buchstabe c StAhiG, wonach ein Ersuchen generell treuwidrig ist, wenn es auf Informationen beruht, die durch nach schweizerischem Recht strafbare Handlungen erlangt worden sind, ist vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen irreführend. Indem lediglich statuiert wird, dass auf ein Ersuchen nicht eingetreten wird, wenn es dem Grundsatz von Treu und Glauben widerspricht, soll dies präzisiert werden.

Würdigung: Eine Lösung in Bezug auf gestohlene Daten ist ein zentraler Punkt für diverse im Global Forum einflussreiche Staaten. Eine Nichtumsetzung der Empfehlung des Global Forum in diesem Punkt hätte die Note «nicht konform» zur Folge, womit

86 87 88

308

Vgl. Interpellation 12.3302 «Verwendung von gestohlenen Bankdaten in Steuerverfahren», Antwort des Bundesrates auf Frage 3.

BBl 2011 6193, hier 6208 BBl 2016 5137

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die Schweiz höchstens die ungenügende Gesamtnote «teilweise konform» erzielen könnte.89 Der Empfehlung des Global Forum kann bereits durch eine völkerrechtskonforme Auslegung von Artikel 7 Buchstabe c StAhiG, wie sie das Bundesgericht im zitierten Urteil vornimmt, entsprochen werden. Auf Ersuchen, die sich auf gestohlene Daten stützen, kann nämlich eingetreten werden, wenn der ersuchende Staat sie nicht gekauft und er sich nicht aus anderen Gründen treuwidrig verhalten hat. Diese Auslegung erlaubt die Deblockierung jener Amtshilfeersuchen, die Anlass zur Empfehlung gegeben haben. Der bekannteste Fall ist Indien, das gestützt auf die Liste der in Genf gestohlenen HSBC-Kundendaten, welche es auf dem Amtshilfeweg erhalten haben dürfte, Amtshilfeersuchen stellte.90 Es ist aber sinnvoll, Artikel 7 Buchstabe c StAhiG im dargelegten Sinn zu präzisieren, um Klarheit über die Tragweite des Grundsatzes von Treu und Glauben zu schaffen.

2.4

Weitere Anpassungen am Steueramtshilfegesetz

2.4.1

Unmittelbare Postzustellung von Schriftstücken

Gemäss Artikel 17 Absatz 3 des Amtshilfeübereinkommens kann eine Vertragspartei die Zustellung von Schriftstücken an eine Person im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei unmittelbar durch die Post vornehmen. Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe e des Amtshilfeübereinkommens sieht vor, dass ein Staat sich das Recht vorbehalten kann, diese unmittelbare Zustellung von Schriftstücken nicht zu gestatten.

Die Schweiz hat keinen solchen Vorbehalt angebracht.

Welche Behörde innerhalb einer Vertragspartei Schriftstücke zustellen kann, ist eine innerstaatlich zu regelnde Angelegenheit. Gemäss Artikel 2 StAhiG ist die ESTV für den Vollzug der Amtshilfe zuständig. Den Erläuterungen zu Artikel 2 StAhiG in der Botschaft vom 6. Juli 201191 zum Erlass eines Steueramtshilfegesetzes ist zu entnehmen, dass der Begriff Amtshilfe, für die einheitlich die ESTV zuständig ist, unter anderem auch die Unterstützung bei der Zustellung von amtlichen Schriftstücken und Dokumenten betreffend die Eintreibung der unter ein Abkommen fallenden Steuern umfasst, wenn das Abkommen dies vorsieht. Die unmittelbare Postzustellung ist eine Modalität einer solchen Zustellungshilfe. Damit neben der ESTV auch schweizerische Gerichte und die nach kantonalem oder kommunalem Recht zuständigen Steuerbehörden gestützt auf Artikel 17 Absatz 3 des Amtshilfeübereinkommens unmittelbare Postzustellungen ins Ausland vornehmen können, soll Artikel 2 Absatz 2 E-StAhiG eingeführt werden, der diesen Behörden die entsprechende Kompetenz verleiht.

89 90

91

Vgl. Ziff. 1.1.1.

Die Anzahl der an die Schweiz gerichteten Ersuchen, die auf gestohlenen Daten beruhen, wird nicht veröffentlicht (vgl. dazu Urteil 1C_296/2015 des Bundesgerichts vom 18. Mai 2016).

BBl 2011 6193, hier 6204

309

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2.4.2

Zugriff auf Daten im Abrufverfahren

Für den spontanen Informationsaustausch, der seit dem 1. Januar 2018 stattfindet, soll Artikel 22g Absatz 3bis StAhiG eingeführt werden, welcher der ESTV die Kompetenz einräumt, den schweizerischen Steuerbehörden, denen sie vom Ausland spontan übermittelte Informationen weiterleitet, im Abrufverfahren Zugriff auf die in ihrem Informationssystem gespeicherten Daten zu gewähren. Dadurch soll die Zusammenarbeit zwischen diesen Behörden erleichtert werden. Eine entsprechende Norm besteht auch für den automatischen Informationsaustausch.

3

Rechtsvergleich

3.1

Inhaberaktien/Sanktionen

Bei den Länderüberprüfungen richtet das Global Forum einen starken Fokus auf den Umgang mit Inhaberaktien. Rechtsordnungen, welche die Ausgabe oder den Weiterbestand von Inhaberaktien gestatten, werden dabei besonders kritisch gewürdigt.

Die Länder müssen grundsätzlich sicherstellen, dass die Inhaberaktionärinnen und -aktionäre identifiziert werden können. Um diesem Erfordernis nachzukommen, haben die einzelnen Länder folgende Massnahmen ergriffen: a)

Umwandlung der Inhaberaktien in Namenaktien;

b)

Immobilisierung der Inhaberaktien.

Damit diese Konzepte in der Praxis wirksam sind, wird ihre Umsetzung in den meisten Ländern durch Sanktionen strafrechtlicher oder administrativer Natur flankiert.

Zu Massnahme a): In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Finanzplätze die Inhaberaktien abgeschafft. In Hongkong beispielsweise sind sie seit 2014 gänzlich untersagt, im Vereinigten Königreich seit 2015 für die Mehrzahl der Gesellschaften. In den USA lässt kein Bundesstaat die Ausgabe von Inhaberaktien mehr zu. Als letzte Bundesstaaten schafften Nevada und Wyoming sie 2007 ab. Auf anderen Finanzplätzen wie z. B.

Singapur ist die Ausgaben von Inhaberaktien bereits seit 1967 nicht mehr zulässig.

In Bezug auf Inhaberaktien in Umlauf sind verschiedene Lösungen getroffen worden. Im Vereinigten Königreich etwa wurde den 1300 Gesellschaften mit Inhaberaktien ab Inkrafttreten des neuen Rechts für deren Umwandlung in Namenaktien eine Frist von neun Monaten eingeräumt. Nach Fristablauf mussten noch bestehende Inhaberaktien gerichtlich annulliert werden. Aus der Annullation anfallende Vermögenswerte mussten auf ein Konto überwiesen werden für den Fall, dass frühere Aktionärinnen und Aktionäre sich melden sollten. Dies war innerhalb einer Frist von drei Jahren nach erfolgter Annullation möglich, und die früheren Aktionärinnen und Aktionäre mussten vor Gericht den Nachweis ihrer Aktionärseigenschaft erbringen. Das Vereinigte Königreich erhielt eine Empfehlung des Global Forum betreffend rund 500 Gesellschaften, die von der neuen Regelung nicht erfasst wurden. In der Praxis war es diesen Gesellschaften jedoch gar nicht mehr möglich, Inhaber310

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aktien auszugeben. Dies illustriert, welche Bedeutung das Global Forum dem Thema Inhaberaktien beimisst.

In Österreich, wo die Inhaberaktien 2014 abgeschafft wurden, änderten die Gesellschaften während der Übergangsfrist die entsprechenden Statutenbestimmungen und forderten die Aktionärinnen und Aktionäre auf, ihre Inhaberaktienzertifikate gegen Namenaktienzertifikate einzutauschen. Danach wurden noch existierende Inhaberaktienzertifikate auf Antrag der Gesellschaft hin gerichtlich für ungültig erklärt.

Inhaberaktionärinnen und -aktionäre können unter Vorlage entsprechender Beweismittel entweder aufgrund eines Beschlusses der Gesellschaft oder im Zweifelsfall aufgrund eines Gerichtsentscheids wieder in ihre Rechte eingesetzt und in das Aktienregister eingetragen werden. In Anbetracht der begrenzten Anzahl Gesellschaften (ca. 1400), die unter dem alten Recht Inhaberaktien ausgegeben hatten, akzeptierte das Global Forum, dass darauf verzichtet wurde, die Geltendmachung von Aktionärsrechten zu befristen.

Belgien, das die Inhaberaktien 2008 abschaffte, räumte den Gesellschaften eine Frist von fünf Jahren ein, um ihre Inhaberaktien in Namenaktien umzuwandeln. Aktien, bezüglich deren sich innert Frist keine Aktionärinnen und Aktionäre meldeten, wurden zu eigenen Namenaktien der Gesellschaft und mussten bis 31. Dezember 2015 verkauft werden. Der Erlös (oder die nicht verkauften Aktien) mussten an die Caisse des dépôts et consignations, die offizielle Depotstelle der Regierung, überwiesen werden. Säumige Aktionärinnen und Aktionäre können sich den Erlös aus dem Verkauf ihrer Aktien bis 2026 rückerstatten lassen, abzüglich 10 Prozent des Aktienwerts pro Jahr seit 2016.

Zu Massnahme b): In Deutschland dürfen nicht börsenkotierte Gesellschaften Inhaberaktien nur ausgeben, wenn diese bei einem zugelassenen Verwahrer hinterlegt werden. Die Regelung ist nicht auf Gesellschaften anwendbar, die vor dem 31. Dezember 2015 gegründet worden sind. Da aber alle Gesellschaften verpflichtet sind, der Steuerbehörde ein Verzeichnis der Aktionärinnen und Aktionäre mit mindestens 1 Prozent Kapitalanteil einzureichen, ist die Identifikation der Inhaberaktionärinnen und -aktionäre grundsätzlich sichergestellt.

In Liechtenstein mussten Inhaberaktien nicht börsenkotierter Gesellschaften bis 1. März 2014 bei einem zugelassenen
Verwahrer hinterlegt werden. Nach Ablauf der Frist können Inhaberaktien nur noch hinterlegt werden, wenn die betroffene Aktionärin oder der betroffene Aktionär gerichtlich feststellen lässt, dass sie bzw. er die Aktien rechtmässig besitzt. Nicht bis 1. März 2024 hinterlegte Aktien müssen durch die Gesellschaft für nichtig erklärt werden, und es können aus solchen Aktien keine Rechte mehr geltend gemacht werden.

In Luxemburg besteht seit 2014 die Pflicht, Inhaberaktien zu immobilisieren und ein Register der Inhaberaktionärinnen und -aktionäre zu führen. Gesellschaften, die Inhaberaktien ausgeben, müssen einen Verwahrer bezeichnen, bei dem alle Inhaberaktien zu hinterlegen sind. Der Verwahrer führt das Verzeichnis der Inhaberaktionärinnen und -aktionäre. Die Übertragung von Inhaberaktien und die Ausübung der mit ihnen verbundenen Mitgliedschafts- und Vermögensrechte ist rechtlich nur möglich, wenn die Inhaberaktien beim Verwahrer hinterlegt sind. Innerhalb einer Frist 311

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von 18 Monaten nach Inkrafttreten des neuen Rechts nicht immobilisierte Inhaberaktien mussten annulliert und das Aktienkapital entsprechend herabgesetzt werden.

Daraus freiwerdende Mittel mussten der Caisse des dépôts et consignations, der offiziellen Depotstelle der Regierung, überwiesen werden. Aktionärinnen und Aktionäre können gegen Nachweis ihrer Aktionärseigenschaft den Erlös aus ihren Aktien rückfordern.

Alle Staaten, die die Inhaberaktien zum Zeitpunkt der Länderüberprüfung abgeschafft oder immobilisiert hatten, bekamen für das Element A.192 mindestens die Note «weitgehend konform».

3.2

Gestohlene Daten

In den letzten Jahren haben einige Staaten die Rechtslage hinsichtlich der Verwendung illegal erlangter Daten im Steuerbereich geklärt. Im April 2015 beurteilte der Corte Suprema di Cassazione in Italien die Verwendung der Daten der FalcianiListe durch die italienische Steuerverwaltung als zulässig, da diese die Informationen passiv auf dem Amtshilfeweg erhalten hatte. Frankreich hat die Praxis bezüglich gestohlener Daten mit der Verabschiedung des Gesetzes 2013­1117 vom 6. Dezember 2013 zur Bekämpfung von Steuerbetrug sowie Wirtschafts- und Finanzkriminalität geklärt. Nach dessen Artikel 37 darf die Steuerverwaltung Beweisstücke oder Informationen, die sie im Rahmen der Amtshilfe erhält, nicht allein deshalb für unzulässig erklären, weil sie illegaler Herkunft sind. Das französische Verfassungsgericht hat diese Bestimmung mit Entscheid vom 4. Dezember 2013 für gültig erklärt. Es hat aber eine Bestimmung für ungültig erklärt, wonach solche Beweismittel der Steuerverwaltung als Begründung für Hausdurchsuchungen dienen dürfen.

Das deutsche Bundesverfassungsgericht hatte bereits 2010 die Verwertbarkeit rechtswidrig (im betreffenden Fall aufgrund eines Datendiebstahls in Liechtenstein) erworbener Daten in Steuerstrafverfahren für rechtmässig befunden.93 Die Abstützung auf gestohlene Daten zur Begründung eines Anfangsverdachts und zur Anhebung einer Untersuchung sei möglich, solange keine schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverletzungen vorlägen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmässig oder systematisch ausser Acht gelassen worden seien, und sofern eine Abwägung der Interessen im Einzelfall vorgenommen werde. Beweismittel dürften nicht von vornherein nur deshalb ausgeschlossen werden, weil sich die Person, die sie beschaffte, strafbar gemacht habe; solche Beweismittel seien also grundsätzlich verwertbar. Ein absolutes, unmittelbar aus den Grundrechten abgeleitetes Beweisverwertungsverbot besteht gemäss Entscheid des Bundesverfassungsgerichts nur in Fällen, in denen der absolute Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt ist. In anderen europäischen Ländern beruht die Rechtsprechung auf einem ähnlichen Ansatz.

92 93

312

Vgl. Ziff. 2.2.1 und Fn. 42.

BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. November 2010 ­ 2 BvR 2101/09 ­ Rn (1­62).

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4

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

4.1

Obligationenrecht

Art. 622 Abs. 1bis Die Bestimmung sieht vor, dass Inhaberaktien nur zulässig sind, wenn die Gesellschaft mindestens einen Teil ihrer Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert hat oder die Inhaberaktien als Bucheffekten im Sinne des BEG ausgestaltet und gemäss Artikel 697j Absatz 5 E-OR bei einer von der Gesellschaft bezeichneten Verwahrungsstelle in der Schweiz hinterlegt sind. Die anderen Gesellschaften dürfen nur Namenaktien ausgeben.

Die Transparenz von Gesellschaften mit börsenkotierten Beteiligungspapieren ist aufgrund der in den Artikeln 120 ff. FinfraG verankerten Meldepflichten gewährleistet.94 Zwar gilt die Meldepflicht gemäss Artikel 120 FinfraG erst ab einem Grenzwert von drei Prozent der Stimmrechte. Die Befreiung börsenkotierter Gesellschaften von den gesellschaftsrechtlichen Transparenzvorschriften (der Meldepflicht beim Erwerb von Inhaberaktien nach Artikel 697i OR und der Pflicht zur Meldung der an Aktien wirtschaftlich berechtigten Person nach Artikel 697j OR) ist aber im Rahmen der Länderüberprüfungen der GAFI nicht infrage gestellt worden. Die Transparenz börsenkotierter Gesellschaften kann demnach als zufriedenstellend betrachtet werden, was ihre Befugnis zur Ausgabe von Inhaberaktien rechtfertigt.

Die Begriffe Börse, Kotierung und Beteiligungspapiere bestimmen sich nach den Definitionen des Börsenrechts.95 Die Ausgabe von Inhaberaktien ist nicht nur zulässig, wenn Beteiligungsrechte an einer Schweizer Börse kotiert sind, sondern auch im Fall der Kotierung an einer ausländischen Börse, sofern das ausländische Börsenrecht ein gleichwertiges Transparenzniveau gewährleistet wie das schweizerische.

Der Gesetzesentwurf sieht aufgrund entsprechender Anträge in der Vernehmlassung vor, dass neben der Umwandlung von Inhaberaktien in Namenaktien auch deren Ausgestaltung als Bucheffekten zulässig ist.

Sind Inhaberaktien als Bucheffekten ausgestaltet, so wird die erforderliche Transparenz dadurch sichergestellt, dass die Informationen über die Rechtszuständigkeit an den Bucheffekten und über die an ihnen wirtschaftlich berechtigte Person bei der nach Artikel 697j Absatz 5 E-OR von der Gesellschaft bezeichneten Verwahrungsstelle erhältlich sind. Konkret ergibt sich die Rechtszuständigkeit an den Bucheffekten, denen die Inhaberaktien einer bestimmten Gesellschaft zugrunde liegen96,
aus den Effektenkonten, welche die Verwahrungsstelle für die Aktionärinnen und Aktionäre führt. Die Verwahrungsstelle identifiziert weiter die an den Aktien wirtschaftlich berechtigte Person. Daher besteht bei als Bucheffekten ausgestalteten Inhaberaktien keine Pflicht zur Meldung der an den Aktien wirtschaftlich berechtigten Person an die Gesellschaft (Art. 697j Abs. 5 E-OR). Nach Artikel 23a BEG muss die 94 95 96

Vgl. auch Fn. 47.

Art. 2 Bst. f und i und Art. 26 Bst. b FinfraG.

Vgl. Erläuterungen zu Art. 8a E-BEG.

313

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von der Gesellschaft bezeichnete Verwahrungsstelle im Übrigen sicherstellen, dass ihr die in der Kette nachgelagerten Verwahrungsstellen auf Anfrage den Namen oder die Firma sowie die Adresse der Aktionärin oder des Aktionärs und Namen und Adresse der wirtschaftlich berechtigten Person weiterleiten. Artikel 23a BEG geht damit als Spezialbestimmung den Geheimhaltungsvorschriften in Artikel 47 des Bankengesetzes vom 8. November 193497 und Artikel 147 FinfraG vor. Der Erhältlichkeit der erforderlichen Informationen dient auch die Regelung in Artikel 697j Absatz 5 E-OR, dass die Verwahrungsstelle in der Schweiz sein muss, weil damit ein rascherer und einfacherer Zugriff auf die Informationen möglich ist, als wenn eine Institution im Ausland angegangen werden müsste.

Abs. 2bis Nach Absatz 2bis sind Gesellschaften mit Inhaberaktien verpflichtet, im Handelsregister eintragen zu lassen, ob sie Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert haben oder ihre Inhaberaktien als Bucheffekten ausgestaltet sind. Diese Bestimmung soll dem Handelsregisteramt und Dritten ermöglichen, zu überprüfen, ob die Gesellschaften, die Inhaberaktien ausgeben, dazu berechtigt sind. Gemäss dem «Belegprinzip»98 müssen bei der Anmeldung geeignete Dokumente vorgelegt werden, welche die einzutragenden Tatsachen belegen.

Im Fall der Kotierung an einer inländischen Börse kann das Handelsregisteramt die Eintragung gestützt auf die Auskünfte der Gesellschaft vornehmen, ohne dass besondere Belege in Bezug auf die Existenz der Börse erforderlich wären. Bestehen Zweifel hinsichtlich der Kotierung, so kann das Handelsregisteramt eine schriftliche Bestätigung der Börse verlangen. Die Kotierung an einer ausländischen Börse, deren Existenz und deren Transparenzniveau können durch jedes geeignete Beweismittel belegt werden, so z. B. durch eine schriftliche Bestätigung der ausländischen Börse, der FINMA oder ein rechtsvergleichendes Gutachten eines anerkannten Instituts.

Bei Gesellschaften, deren Inhaberaktien als Bucheffekten ausgestaltet sind, muss der Anmeldung der Verwaltungsratsbeschluss beigelegt werden, aus dem die Bezeichnung der Verwahrungsstelle hervorgeht, und eine Bestätigung derselben, dass die Inhaberaktien der Gesellschaft hinterlegt oder in das Hauptregister eingetragen worden sind (Art. 697j Abs. 5 E-OR).

Abs. 2ter Diese Bestimmung
regelt die Handhabung bestehender Inhaberaktien im Fall der Dekotierung einer Gesellschaft. Die Gesellschaft muss die bestehenden Inhaberaktien innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Dekotierung in Namenaktien umwandeln oder als Bucheffekten ausgestalten. Die Umwandlung bedarf eines öffentlich beurkundeten und mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefassten Beschlusses der Generalversammlung.99 Werden die Inhaberaktien in vinkulierte

97 98

99

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SR 952.0 Vgl. Art. 15 Abs. 2 der Handelsregisterverordnung (HRegV, SR 221.411) und Art. 929 Abs. 2 OR, der im Rahmen der Modernisierung des Handelsregisters eingeführt, aber noch nicht in Kraft getreten ist (BBl 2017 2433).

Art. 647, 704a OR

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Namenaktien umgewandelt, so bedarf es eines qualifizierten Mehrs.100 Die Dekotierung der Titel muss dem Handelsregisteramt gemeldet werden, damit dieses den entsprechenden Eintrag löschen und gegebenenfalls die Umwandlung der Inhaberaktien in Namenaktien bzw. deren Ausgestaltung als Bucheffekten eintragen kann.

Eine Gesellschaft, die nach Ablauf der Frist von sechs Monaten die Regelung in Absatz 2ter nicht erfüllt hat, weist einen Mangel in ihrer Organisation im Sinne von Artikel 731b Absatz 1 Ziffer 4 E-OR auf (vgl. die Erläuterungen zu dieser Bestimmung).

Absatz 2ter betrifft nur den Fall der Dekotierung sämtlicher Beteiligungspapiere einer Gesellschaft. Eine entsprechende Regel für den Fall, dass die Inhaberaktien ihre Eigenschaft als Bucheffekten verlieren, ist nicht erforderlich. In der Tat können Inhaberaktien von Gesellschaften ohne börsenkotierte Beteiligungsrechte ihre Eigenschaft als Bucheffekten nur verlieren, wenn sie in Namenaktien umgewandelt werden. Dies bestimmt Artikel 8a Buchstabe b E-BEG (vgl. die Erläuterungen zu dieser Bestimmung). Für die Umwandlung der Inhaberaktien in Namenaktien sowie das Verfahren beim Handelsregisteramt gelten die vorstehenden Erläuterungen zur Dekotierung sinngemäss.

Art. 697i und 697k Infolge des Verbots der Ausgabe von Inhaberaktien durch Gesellschaften, die keine Aktien an einer Börse kotiert haben oder ihre Inhaberaktien nicht als Bucheffekten ausgestalten, werden diese durch das GAFI-Gesetz eingeführten Bestimmungen gegenstandslos. Künftig müssen sich alle Aktionärinnen und Aktionäre von Gesellschaften, die keine Aktien an einer Börse kotiert haben und ihre Inhaberaktien nicht als Bucheffekten ausgestaltet haben, im Hinblick auf ihre Eintragung im Aktienbuch gegenüber der Gesellschaft nach dem für Namenaktien vorgesehenen Verfahren identifizieren (Art. 686 OR).

Art. 697j Abs. 1 In Artikel 697j Absatz 1 wird der Begriff «Aktien» durch «Beteiligungsrechte» ersetzt, was dem Wortlaut von Artikel 120 Absatz 1 FinfraG entspricht. Bereits die Kotierung einer Art von Beteiligungspapieren führt zur Anwendbarkeit der Offenlegungspflicht nach Artikel 120 FinfraG auf sämtliche Beteiligungspapiere der Gesellschaft, weshalb Artikel 697j OR im Gegenzug nur Anwendung finden muss auf Gesellschaften, die keine Beteiligungsrechte an einer Börse kotiert haben. Weiter
wird der Begriff «Stimmen» durch «Stimmrechte» ersetzt, um klarzustellen, dass nicht die Stimmen ausschlaggebend sind, die tatsächlich an einer Generalversammlung abgegeben werden, sondern die Stimmmöglichkeit. Mit dieser Formulierung wird ebenfalls Artikel 120 Absatz 1 FinfraG entsprochen, der bezüglich der Pflicht zur Offenlegung von Beteiligungen auch an den Begriff der Stimmrechte anknüpft.

100

Art. 704 Abs. 1 Ziff. 3 OR

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Abs. 2 Die Absätze 2 und 3 gehen auf die in der Vernehmlassung erhobene Forderung zurück, vor der Einführung von Strafbestimmungen für den Fall einer Verletzung der Pflicht zur Meldung der wirtschaftlich berechtigten Person Artikel 697j OR zu konkretisieren, da die Norm in der Praxis erhebliche Probleme bereite.

Bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen, also immer dann, wenn der erwerbende Aktionär eine juristische Person oder Personengesellschaft ist, und insbesondere bei Konzernsachverhalten führt die Meldepflicht nach Artikel 697j in der Praxis zu Unklarheiten. Für solche Fälle sieht Absatz 2 vor, dass jede natürliche Person gemeldet werden muss, die den meldepflichtigen Aktionär in sinngemässer Anwendung von Artikel 963 Absatz 2 OR kontrolliert. Nach der Definition dieser Bestimmung kontrolliert eine juristische Person ein anderes Unternehmen, wenn sie a) direkt oder indirekt über die Mehrheit der Stimmen im obersten Organ verfügt, b) direkt oder indirekt über das Recht verfügt, die Mehrheit der Mitglieder des obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgans zu bestellen oder abzuberufen, oder c) aufgrund der Statuten, der Stiftungsurkunde, eines Vertrags oder vergleichbarer Instrumente einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. In sinngemässer Anwendung von Artikel 963 Absatz 2 OR sieht Artikel 697j Absatz 2 E-OR vor, dass als wirtschaftlich berechtigte Person im Sinne vom Absatz 1 die natürliche Person gilt, die (a) direkt oder indirekt die Mehrheit der Stimmrechte am meldepflichtigen Aktionär hält, (b) direkt oder indirekt über das Recht verfügt, die Mehrheit der Mitglieder des obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgans des Aktionärs zu bestellen oder abzuberufen,

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oder (c) aufgrund der Statuten, der Stiftungsurkunde, eines Vertrags oder vergleichbarer Instrumente einen beherrschenden Einfluss auf den Aktionär ausüben kann.101 Gibt es keine solche Person, so muss der Aktionär dies der Gesellschaft melden.102 Dadurch kann die Gesellschaft feststellen, dass der Aktionär seine Meldepflicht erfüllt hat.

Abs. 3 Bei börsenkotierten Gesellschaften ist die Transparenz über die Identität der wirtschaftlich berechtigten Person durch die börsenrechtliche Meldepflicht nach Artikel 120 ff. FinfraG sichergestellt. Absatz 3 folgt diesem Ansatz. Ist der erwerbende Aktionär eine Kapitalgesellschaft, deren Beteiligungsrechte an einer Börse kotiert sind, wird er von einer solchen Gesellschaft im Sinne von Artikel 963 Absatz 2 OR kontrolliert oder kontrolliert er in diesem Sinne eine solche Gesellschaft, so muss er nur diese Tatsache sowie die Firma und den Sitz der Kapitalgesellschaft melden.

Dabei kann eine Kotierung auch an einer ausländischen Börse gegeben sein, wenn

101

Dieser Ansatz ist auch der Vereinbarung über die Standesregeln zur Sorgfaltspflicht der Banken 2016 (VSB 16) zu entnehmen (siehe Kommentar zu Art. 20). Die Terms of Reference 2016 verweisen bezüglich der Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person auf die GAFI (Fn. 8). Die FATF Recommendations (Updated February 2018) enthalten keine fixen Regeln, die umzusetzen wären, sondern Beispiele, wie wirtschaftlich berechtigte Personen festgestellt werden können (vgl. Interpretative Note to Recommendation 24, Fn. 39: «Beneficial ownership information for legal persons is the information referred to in the interpretive note to Recommendation 10, paragraph 5(b)(i). Controlling shareholders as referred to in paragraph 5(b)(i) of the interpretive note to Recommendation 10 may be based on a threshold, e.g. any persons owning more than a certain percentage of the company (e.g. 25 %).» Der FATF Guidance on Transparency and Beneficial Ownership, 2014, ist zu entnehmen, dass zur Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person neben dem Schwellenwert von 25 % (bei natürlichen Personen, die direkt oder indirekt eine Beteiligung an der Gesellschaft halten) das Kriterium der Kontrolle (bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen) als Ansatz gewählt werden kann: «The following are some examples of natural persons who could be considered as beneficial owners on the basis that they are the ultimate owners/controllers of the legal person, either through their ownership interests, through positions held within the legal person or through other means: a) The natural person(s) who directly or indirectly holds a minimum percentage of ownership interest in the legal person (the threshold approach) (...); b) Shareholders who exercise control alone or together with other shareholders, including through any contract, understanding, relationship, intermediary or tiered entity (a majority interest approach) (...).» Art. 3(6)(a)(i) der EU-Richtlinie 2015/849 vom 20. Mai 2015 definiert als «wirtschaftlichen Eigentümer» alle natürlichen Personen, in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle der Kunde letztlich steht (...), wozu bei Gesellschaften «zumindest folgender Personenkreis» gehört: «Hält eine natürliche Person einen Aktienanteil von 25 % zuzüglich einer Aktie oder eine Beteiligung von mehr als 25 % am Kunden, so gilt dies
als Hinweis auf direktes Eigentum. Hält eine Gesellschaft, die von einer oder mehreren natürlichen Personen kontrolliert wird, oder halten mehrere Gesellschaften, die von derselben natürlichen Person oder denselben natürlichen Personen kontrolliert werden, einen Aktienanteil von 25 % zuzüglich einer Aktie oder eine Beteiligung von mehr als 25 % am Kunden, so gilt dies als Hinweis auf indirektes Eigentum. Dies gilt unbeschadet des Rechts der Mitgliedstaaten zu beschliessen, dass ein niedrigerer Prozentsatz als Hinweis auf Eigentum oder Kontrolle gelten kann.» (Hervorhebungen hinzugefügt.)

102 So bereits die Botschaft GAFI (Fn. 44), BBl 2014 605, hier 659.

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diese Offenlegungsvorschriften untersteht, die den Artikeln 120 ff. FinfraG gleichwertig sind.103 Abs. 4 Absatz 4 entspricht Artikel 697j Absatz 2 des geltenden Rechts, ausser dass neu zur Meldung von Änderungen des Vor- oder des Nachnamens oder der Adresse der wirtschaftlich berechtigten Person analog Absatz 1 eine Frist von einem Monat vorgesehen wird. Damit wird den FATF Recommendations 24 und 25 entsprochen, wonach die Informationen über die wirtschaftliche Berechtigung an juristischen Personen und Rechtsgebilden «adequate, accurate and timely» sein sollen.

Abs. 5 Absatz 5 entspricht inhaltlich Artikel 697j Absatz 3 des geltenden Rechts; er wurde lediglich einfacher formuliert.

Art. 697l Abs. 1­4 In den Absätzen 1­4 wurde der Bezug auf die Inhaberaktionäre gestrichen.

Das Verzeichnis über die der Gesellschaft gemeldeten wirtschaftlich berechtigten Personen muss nach Absatz 2 den Vor- und den Nachnamen sowie die Adresse der wirtschaftlich berechtigten Personen enthalten. Da als wirtschaftlich berechtigte Personen nur natürliche Personen infrage kommen (Art. 2a Abs. 3 GwG), ist die in Artikel 697l Absatz 2 OR des geltenden Rechts aufgeführte Firma, die im Zusammenhang mit den Inhaberaktionären eine Rolle spielt (Art. 697i Abs. 3 OR des geltenden Rechts), nicht aufzunehmen.

Gesellschaften, die aufgrund einer Dekotierung keine Aktien mehr an einer Börse kotiert haben (vgl. Art. 622 Abs. 2ter E-OR), müssen das Verzeichnis über die wirtschaftlich berechtigten Personen auf das Wirksamwerden der Dekotierung hin erstellen.

Art. 731b In Artikel 731b OR werden zwei neue Mangeltatbestände eingeführt (siehe Erläuterungen zu Abs. 1 Ziff. 3 und 4). Im Zug dieser Änderung wurde die Bestimmung auch redaktionell überarbeitet.

Der geltende Artikel 731b OR hat bereits im Rahmen der Modernisierung des Handelsregisters104 eine Änderung erfahren, die aber noch nicht in Kraft getreten ist.

So wurde das Antragsrecht des Handelsregisterführers gestrichen (stattdessen sieht Art. 939 Absatz 2 E-OR vor, dass das Handelsregisteramt die Angelegenheit dem Gericht überweist, wenn der Mangel nicht fristgemäss behoben wird) und ein neuer 103

Dieser Ansatz entspricht dem GwG, der VSB 16 und den GAFI-Empfehlungen (Art. 4 Abs. 1 GwG; Art. 63 Abs. 4 der Geldwäschereiverordnung-FINMA [SR 955.033.0]; Art. 22 VSB 16; FATF Recommendations [Updated February 2018], Interpretative Note to Recommendation 10, Rz 5).

104 BBl 2017 2433

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Tatbestand des mangelnden Rechtsdomizils am Sitz der Gesellschaft eingeführt.

Diesbezüglich besteht voraussichtlich Koordinationsbedarf.

Abs. 1 Ziff. 3 und 4 Die Eintragung in das Aktienbuch und das Verzeichnis über die wirtschaftlich berechtigten Personen ist für die Aktionärinnen und Aktionäre der Nachweis, dass sie ihre Meldepflichten erfüllt haben und somit ihre Mitgliedschafts- und Vermögensrechte ausüben dürfen (Art. 689a Abs. 1 OR). Das Bestehen des Aktienbuches und des Verzeichnisses über die wirtschaftlich berechtigten Personen sowie deren vorschriftsgemässe Führung sind für die Ausübung der Aktionärsrechte in der Gesellschaft somit unerlässlich. Die geltenden Bestimmungen sehen keine Rechte für die Aktionärin oder den Aktionär vor für den Fall, dass der Verwaltungsrat seinen Pflichten nicht nachkommt. Die in Artikel 731b Absatz 1 Ziffer 3 E-OR vorgesehene Ergänzung der Liste der Organisationsmängel (nicht vorschriftsgemässes Führen des Aktienbuchs oder des Verzeichnisses über die der Gesellschaft gemeldeten wirtschaftlich berechtigten Personen) soll diesen Mangel beheben. Das Gericht kann auf entsprechenden Antrag hin die erforderlichen Massnahmen ergreifen, um die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen sicherzustellen (731b Abs. 1bis E-OR). So kann es der Gesellschaft beispielsweise eine Frist zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ansetzen oder sogar die Auflösung der Gesellschaft verfügen.

Ziffer 4 führt einen neuen Mangeltatbestand ein betreffend Gesellschaften mit Inhaberaktien, welche die gesetzlichen Bestimmungen nicht erfüllen, indem sie keine Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert haben oder ihre Inhaberaktien nicht als Bucheffekten ausgestaltet sind. In einem solchen Fall kann das Gericht die erforderlichen Massnahmen zur Herstellung des rechtmässigen Zustandes ergreifen. So kann es insbesondere die Umwandlung der Inhaberaktien in Namenaktien anordnen.

Die Massnahmen bei Organisationsmängeln werden prozessual im summarischen Verfahren nach den Artikeln 248 ff. der Zivilprozessordnung105 (ZPO) behandelt.

Artikel 250 Buchstabe c Ziffer 6 ZPO nennt zwar den hier neu eingeführten Tatbestand der nicht vorschriftsgemäss geführten Verzeichnisse nicht. Dass das summarische Verfahren angezeigt ist, ergibt sich jedoch aus den Ausgangslagen und Interessen, die gleich
gelagert sind wie die explizit genannten Tatbestände, sowie aus der nicht abschliessenden Natur der Aufzählungen in den Artikeln 249­251 ZPO.

Im Rahmen der laufenden Arbeiten zur Anpassung der ZPO soll Artikel 250 Buchstabe c Ziffer 6 ZPO dahingehend revidiert werden, dass künftig allgemein für Massnahmen bei Mängeln in der Organisation der Gesellschaft gemäss Artikel 731b OR das summarische Verfahren explizit vorgesehen wird.106 Bei dieser Ausgangslage kann vorliegend auf eine formelle Nachführung der ZPO verzichtet werden.

105 106

SR 272 Vgl. dazu Vorentwurf und erläuternder Bericht für eine Anpassung der Zivilprozessordnung (Verbesserung der Praxistauglichkeit und der Rechtsdurchsetzung) vom 2. März 2018, abrufbar unter www.bj.admin.ch/bj/de/home/staat/gesetzgebung/ aenderung-zpo.html.

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Art. 790a Die Absätze 1­4 dieses Artikels sind analog zu Artikel 697j Absätze 1­4 E-OR ausgestaltet worden (siehe dortige Erläuterungen). Absatz 5 entspricht Artikel 790a Absatz 3 OR des geltenden Rechts.

Übergangsbestimmungen Art. 1 Abs. 1 Unter Vorbehalt der besonderen Übergangsbestimmungen nach den Artikeln 2­9 sind im Rahmen der vorliegenden Gesetzesrevision die allgemeinen Übergangsregelungen nach den Artikeln 1­4 des Schlusstitels des Zivilgesetzbuches107 anwendbar.

Abs. 2 Das neue Recht ist ab Inkrafttreten auf alle bestehenden Gesellschaften anwendbar.

Das für Gesellschaften ohne börsenkotierte Beteiligungspapiere geltende Verbot nach Artikel 622 Absatz 1bis E-OR, neue Inhaberaktien anders als in Form von Bucheffekten auszugeben, tritt demnach sofort in Kraft. Den Gesellschaften, welche die Bestimmung verletzen, steht eine Übergangsfrist von 18 Monaten zu, um sie zu erfüllen (vgl. Art. 2 E-UeB). So lange können sie die vor dem Inkrafttreten von Artikel 622 Absatz 1bis E-OR ausgegebenen Inhaberaktien behalten. Allerdings sind die Transparenzbestimmungen des alten Rechts einzuhalten.

Der Gesetzesentwurf sieht in der Inkraftsetzungsbestimmung (Ziff. II Abs. 2) vor, dass die Änderungen betreffend die Artikel 697i, 697k, 697l, 697m und 731b Absatz 1 Ziffer 4 OR 18 Monate nach dem Inkrafttreten von Artikel 622 Absatz 1bis OR in Kraft gesetzt werden.

Abs. 3 Die Übergangsbestimmungen finden keine Anwendung auf Gesellschaften in Liquidation. Die Übergangsbestimmungen regeln das Schicksal von Inhaberaktien, die nicht nach Artikel 697i OR gemeldet wurden, indem sie bestimmte Pflichten zulasten der betreffenden Gesellschaften vorsehen. Der reibungslose Ablauf des Verfahrens ist nur sichergestellt, wenn sich die Gesellschaften aktiv daran beteiligen, was voraussetzt, dass sie darin einen konkreten Nutzen sehen. Bei Gesellschaften in Liquidation wird dies in der Regel nicht der Fall sein, weshalb sie den Übergangsbestimmungen nicht unterstellt werden. Gesellschaften, die sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens von Artikel 622 Absatz 1bis E-OR in Liquidation befinden, können daher die Inhaberaktien bis zu ihrer Löschung im Handelsregister behalten. Wird die Liquidation jedoch widerrufen, so müssen die Inhaberaktien durch Beschluss der Generalversammlung in Namenaktien umgewandelt werden. Dies gilt nicht,
sofern die Inhaberaktien durch Beschluss der Generalversammlung als Bucheffekten ausgestaltet werden oder die Gesellschaft börsenkotierte Beteiligungspapiere hat und ein entsprechender Eintrag nach Artikel 622 Absatz 2bis OR erfolgt.

107

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SR 210

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Art. 2 Gesellschaften, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens von Artikel 622 Absatz 1bis E-OR Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert haben oder deren Inhaberaktien als Bucheffekten ausgestaltet sind, müssen diese Tatsache innerhalb einer Frist von 18 Monaten gemäss Artikel 622 Absatz 2bis E-OR in das Handelsregister eintragen lassen. Innerhalb dieser Frist können die Gesellschaften, die keine börsenkotierten Beteiligungsrechte haben und deren Inhaberaktien nicht als Bucheffekten ausgestaltet sind, die Inhaberaktien noch nach dem ordentlichen Verfahren gemäss Artikel 704a OR in Namenaktien umwandeln. Wird die Umwandlung vor Ablauf der Frist von 18 Monaten in das Handelsregister eingetragen, so unterstehen sie den Artikeln 4­9 E-UeB nicht. Bis zum Ablauf dieser Frist ist auch eine Kotierung von Beteiligungsrechten an einer Börse und eine Ausgestaltung der Inhaberaktien als Bucheffekten möglich.

Art. 3 Artikel 3 klärt den Geltungsbereich der folgenden Bestimmungen. Die Artikel 4­9 E-UeB sind nur anwendbar auf Gesellschaften, die keine Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert haben und deren Inhaberaktien nicht als Bucheffekten ausgestaltet sind, sowie für Gesellschaften, die keinen Eintrag nach Artikel 622 Absatz 2bis OR vornehmen liessen.

Die Artikel 4­9 UeB gelten auch für den Fall, dass nur ein Teil der Aktien einer Gesellschaft Inhaberaktien sind, die nicht die Eigenschaft als Bucheffekten aufweisen.

Art. 4 Abs. 1 Artikel 4 regelt die erste Phase des Verfahrens betreffend nicht gemeldete Inhaberaktien. Absatz 1 verpflichtet die Gesellschaften, die betreffenden Inhaberaktionärinnen und -aktionäre aufzufordern, ihrer Meldepflicht nach Artikel 697i OR nachzukommen.

Abs. 2 Der Verwaltungsrat fordert die ihm bekannten Aktionärinnen und Aktionäre durch besondere Mitteilung auf; an die ihm nicht bekannten richtet er die Aufforderung in der statutarisch vorgesehenen Form und durch öffentliche Bekanntmachung im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB). Er ist nicht verpflichtet, aktiv nach Aktionärinnen und Aktionären zu suchen, die sich nicht gemeldet haben. Er muss jedoch jene Personen, bei denen er davon ausgeht, dass sie Aktionärin oder Aktionär sein könnten, direkt informieren. Insbesondere muss er jene Personen kontaktieren, die zuletzt die mit den nicht gemeldeten Aktien verknüpften Rechte
wahrgenommen haben, sei es durch eine Teilnahme an der Generalversammlung oder durch die Entgegennahme von Dividenden. Sind diese Rechte durch einen dem Verwaltungsrat bekannten Vertreter wahrgenommen worden, so ist die besondere Mitteilung diesem zuzustellen mit der Aufforderung, die Mitteilung an die Aktionärin oder den

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Aktionär weiterzuleiten. Hat der Verwaltungsrat weiter Kenntnis einer Rechtsstreitigkeit über die Inhaberschaft an Aktien, so ist die besondere Mitteilung den Personen zuzustellen, die ihre Aktionärseigenschaft geltend machen. Aus Beweisgründen ist die besondere Mitteilung per Einschreiben zu verschicken. Gegebenenfalls ist auch die statutarisch vorgeschriebene Mitteilungsform einzuhalten. Leistet die Aktionärin oder der Aktionär der besonderen Mitteilung nicht Folge ­ sei es, weil der Zustellungsversuch fehlgeschlagen ist oder weil sie oder er die Mitteilung bewusst ignoriert ­, so ist die Aufforderung im SHAB zu publizieren.

Abs. 3 Die Aufforderung muss die Nummern der betreffenden nicht gemeldeten Aktien sowie den Hinweis enthalten, dass Aktionärinnen und Aktionäre, die ihrer Meldepflicht nicht nachkommen, ihre Rechte endgültig verlieren und ihre Einlagen an die Gesellschaft fallen. Damit wird sichergestellt, dass die Aktionärinnen und Aktionäre tatsächlich auf ihre Meldepflicht und die Folgen einer allfälligen Nichterfüllung aufmerksam gemacht worden sind.

Die Bestimmung sieht keine spezifische Frist für die Meldung vor. Aktionärinnen und Aktionäre, die ihrer Meldepflicht erst nach der Umwandlung ihrer Inhaberaktien in Namenaktien ­ d. h. nach Ablauf der Frist von 18 Monaten gemäss Artikel 5 Absatz 1 E-UeB ­ nachkommen, müssen das in Artikel 8 E-UeB festgelegte Verfahren befolgen und ihre Eintragung in das Aktienbuch der Gesellschaft gerichtlich beantragen. Im Übrigen gilt für den Kauf von Inhaberaktien bis zum Ablauf der Frist von 18 Monaten die Meldefrist von einem Monat gemäss Artikel 697i Absatz 1 OR.

Art. 5 Abs. 1 Artikel 5 regelt die zweite Phase des Verfahrens betreffend nicht gemeldete Inhaberaktien. Nach Ablauf einer Frist von 18 Monaten nach Inkrafttreten von Artikel 622 Absatz 1bis E-OR werden die Inhaberaktien der Gesellschaften, die keine Eintragung gemäss Artikel 622 Absatz 2bis E-OR vornehmen liessen, automatisch in Namenaktien umgewandelt. Ein Zutun der Gesellschaft oder der Aktionärinnen und Aktionäre ist dafür nicht erforderlich. Die Umwandlung entfaltet Wirkung gegenüber allen, unabhängig von allfälligen anderslautenden Statutenbestimmungen oder Handelsregistereinträgen und unabhängig davon, ob Aktientitel ausgegeben worden sind oder nicht.

Die Umwandlung findet auch statt,
wenn die Gesellschaft börsenkotierte Beteiligungspapiere hat oder ihre Inhaberaktien als Bucheffekten ausgestaltet sind, sie es jedoch versäumt hat, diese Tatsache nach Artikel 622 Absatz 2bis E-OR in das Handelsregister eintragen zu lassen. Will die Gesellschaft die Inhaberaktien behalten, so muss sie die von Gesetzes wegen in Namenaktien umgewandelten Aktien nach dem in Artikel 6 Absatz 3 E-UeB festgelegten Verfahren erneut in Inhaberaktien umwandeln.

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Die automatische Umwandlung weist gewichtige Vorteile auf, so insbesondere hinsichtlich der Einfachheit des Verfahrens und der Kostenersparnis. Sie dient im Übrigen der Vorhersehbarkeit und der Rechtssicherheit. Da die Umwandlung in Namenaktien die Rechte und Pflichten der Aktionärinnen und Aktionäre gegenüber der Gesellschaft faktisch nicht verändert, und angesichts der vorstehend erwähnten Vorteile kann auf die Mitwirkung der Aktionärinnen und Aktionäre bei der Umwandlung verzichtet werden. Insbesondere ist es nicht erforderlich, vorgängig ihre Zustimmung einzuholen und ihnen die Möglichkeit einzuräumen, ihre Beteiligung zu veräussern.

Abs. 2 Die von Gesetzes wegen erfolgende Umwandlung von Inhaberaktien nach Absatz 1 hat zur Folge, dass die Statutenbestimmungen über das Aktienkapital und die entsprechenden Einträge im Handelsregister nicht mehr der Realität entsprechen. Absatz 2 bezweckt eine rasche Korrektur dieser Diskrepanz. Das Handelsregisteramt nimmt die sich aus Absatz 1 ergebenden Änderungen der Einträge von Amtes wegen vor. Es trägt auch eine Bemerkung ein, dass die Belege vom Eintrag abweichende Angaben enthalten. Diese Bemerkung wird beibehalten, solange die Gesellschaft die erforderliche Statutenanpassung gemäss Artikel 6 Absatz 1 E-UeB nicht vorgenommen hat.

Abs. 3 Die umgewandelten Aktien behalten ihren Nennwert, ihre Liberierungsquote und ihre Eigenschaften in Bezug auf das Stimmrecht und die vermögensrechtlichen Ansprüche (vgl. Art. 654 OR). Ihre Übertragbarkeit ist nicht beschränkt.

Art. 6 Abs. 1 Die Gesellschaften, deren Aktien nach Artikel 5 Absatz 1 E-UeB umgewandelt worden sind, müssen ihre Statuten bei der nächsten Statutenänderung anpassen. Aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse wird darauf verzichtet, den Gesellschaften dafür eine Frist zu setzen. Eine solche ist deshalb nicht erforderlich, weil die Umwandlungen infolge der von Amtes wegen erfolgenden Änderungen der Einträge im Handelsregister (Art. 5 Abs. 2 E-UeB) klar ersichtlich sind.

Da die Gesellschaften die nächste Statutenänderung abwarten können, um die Statutenbestimmungen über das Aktienkapital zu aktualisieren, erwachsen ihnen aus der Umwandlung keine zusätzlichen Kosten.

Abs. 2 Das Handelsregisteramt weist jede andere Statutenänderung zurück, solange die Statuten nicht an das neue Recht angepasst worden
sind. Die Rückweisung betrifft nur Statutenänderungen, nicht aber die anderen Arten von Handelsregistereinträgen.

Mit Absatz 2 wird sichergestellt, dass die Statutenbestimmungen über das Aktienkapital anlässlich der ersten Statutenänderung nach dem Inkrafttreten von Artikel 622 Absatz 1bis E-OR tatsächlich aktualisiert werden.

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Abs. 3 Die Umwandlung von Inhaberaktien in Namenaktien nach Artikel 5 Absatz 1 E-UeB findet von Gesetzes wegen statt. Will eine Gesellschaft, welche die Eintragung nach Artikel 622 Absatz 2bis E-OR bzw. Artikel 2 E-UeB nicht vornehmen liess, ihre Inhaberaktien behalten, muss sie diese wieder umwandeln. Entsprechend sieht Absatz 3 vor, dass Gesellschaften, die börsenkotierte Beteiligungspapiere haben oder deren umgewandelte Aktien als Bucheffekten ausgestaltet sind, ihre Statuten nicht anpassen müssen, sofern a) die Generalversammlung beschliesst, die umgewandelten Aktien in Inhaberaktien umzuwandeln, ohne die Anzahl, den Nennwert oder die Aktienkategorie zu ändern, und b) die Gesellschaft die Eintragung nach Artikel 622 Absatz 2bis vornehmen lässt.

Die Möglichkeit einer erneuten Umwandlung steht auch Gesellschaften offen, die sich im Nachhinein für eine Börsenkotierung oder eine Ausgestaltung der Inhaberaktien als Bucheffekten entscheiden. Absatz 3 ist sinngemäss auf sie anwendbar.

Abs. 4 Das Handelsregisteramt löscht die gemäss Artikel 5 Absatz 2 E-UeB eingetragene Bemerkung, dass die Belege vom Eintrag abweichende Angaben enthalten, nachdem die Gesellschaft die Statuten gemäss Artikel 6 Absatz 1 E-UeB an die Umwandlung angepasst hat oder sofern eine Anpassung nach Absatz 3 nicht erforderlich ist.

Art. 7 Abs. 1 Die Gesellschaft ist verpflichtet, alle Inhaberaktionärinnen und -aktionäre in das Aktienbuch einzutragen, welche die durch das GAFI-Gesetz eingeführte Meldepflicht (Art. 697i OR) erfüllt haben. Inhaberaktionärinnen und -aktionäre, die ihre Aktien kurz vor der Umwandlung nach Artikel 5 E-UeB erworben haben, können sich bis zum Ablauf der Frist von einem Monat nach Artikel 697i OR melden. Die Informationen, die im Aktienbuch über die Namenaktionäre enthalten sein müssen, sind auch für das Verzeichnis über die Inhaberaktionärinnen und -aktionäre erforderlich. Somit können die in diesem Verzeichnis enthaltenen Informationen in das Aktienbuch übertragen werden, ohne dass die Aktionärinnen und Aktionäre zusätzliche Auskünfte erteilen müssen.

Abs. 2 Die Mitgliedschaftsrechte der Aktionärinnen und Aktionäre, die sich gegenüber der Gesellschaft nicht nach Artikel 697i Absatz 2 OR des bisherigen Rechts identifiziert haben, ruhen, und die Vermögensrechte verwirken. Der Verwaltungsrat stellt sicher,
dass keine Aktionärinnen und Aktionäre unter Verletzung dieser Bestimmung ihre Rechte ausüben. Diese Bestimmung entspricht Artikel 697m OR, welche die Verletzung der Meldepflichten sanktioniert.

Abs. 3 Die Gesellschaft muss im Aktienbuch die Nummern der Aktien, die nicht gemäss Artikel 697i OR gemeldet wurden, eintragen und mit dem Vermerk versehen, dass 324

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diese Aktionärinnen und Aktionäre ihrer Meldepflicht nicht nachgekommen sind und die mit den Aktien verbundenen Rechte nicht ausgeübt werden können. Das Aktienbuch muss ebenfalls das Datum der besonderen Mitteilung und der öffentlichen Bekanntmachung im SHAB nach Artikel 4 Absatz 2 E-UeB enthalten. Dadurch sollen Personen, die Einsicht in das Aktienbuch verlangen, prüfen können, ob die Aufforderungen an die Aktionärinnen und Aktionäre, die ihren Meldepflichten nicht nachgekommen sind, tatsächlich erfolgt sind.

Art. 8 Abs. 1 Aktionärinnen und Aktionäre, deren Inhaberaktien gemäss Artikel 5 UeB in Namenaktien umgewandelt worden sind, können sich nicht mehr direkt durch die Gesellschaft in das Aktienbuch eintragen lassen, sondern müssen ihre Eintragung beim Gericht beantragen. Sie können dies innert fünf Jahren nach Inkrafttreten von Artikel 622 Absatz 1bis E-OR tun. Im Antrag ist die Aktionärseigenschaft durch Präsentation des Titels (Aktie oder Aktienzertifikat) oder auf eine andere Art nachzuweisen. Das Gericht heisst den Antrag nur dann gut, wenn die Gesellschaft sich der Eintragung in das Aktienbuch nicht widersetzt. Andernfalls muss die Aktionärin oder der Aktionär vorgängig gegen die Gesellschaft vorgehen, um ihre bzw. seine Rechte anerkennen zu lassen.

Die Pflicht, die Eintragung in das Aktienbuch gerichtlich beantragen zu müssen, um die mit den nicht gemeldeten Aktien verbundenen Mitgliedschafts- und Vermögensrechte ausüben zu können, soll für die Aktionärinnen und Aktionäre einen Anreiz setzen, ihre Meldepflicht zu erfüllen, bevor die Übergangsfristen ablaufen. Die Bestimmung gewährleistet die Wirksamkeit des vorgesehenen Mechanismus und entspricht auch den Anforderungen des Global Forum. Dieses hat in seinem Bericht zur Phase 2 der Schweiz bemängelt, Inhaberaktionärinnen und -aktionäre könnten aufgrund der gegebenen Möglichkeit, ihre Aktionärsrechte zu einem späteren Zeitpunkt zu reaktivieren, anonym bleiben, bis sie ihre Rechte gegenüber der Gesellschaft geltend machen wollen.108 Das vorgesehene Gerichtsverfahren entspricht auch der Empfehlung im Bericht zur Phase 2 der Schweiz, ein Meldesystem vorzusehen, das die Identifikation von Inhaberaktionärinnen und -aktionären in jedem Fall sicherstellt.109 Aus demselben Grund ist die den Aktionärinnen und Aktionären eingeräumte Frist auf fünf
Jahre beschränkt. Läuft die Frist ab, werden es voraussichtlich knapp zehn Jahre her sein, seit die per 1. Juli 2015 mit dem GAFI-Gesetz eingeführte Pflicht zur Meldung des Erwerbs von Inhaberaktien nach Artikel 697i Absatz 1 OR in Kraft getreten ist. Würde es den Aktionärinnen und Aktionären erlaubt, noch länger anonym zu bleiben, verstiesse dies gegen die erwähnten Anforderungen des Global Forum. Überdies kann davon ausgegangen werden, dass Aktien, die nach zehn Jahren noch nicht gemeldet worden sind, vernichtet wurden oder verloren gingen oder von Personen gehalten werden, die lieber auf die mit den Aktien verbundenen Rechte verzichten, als sich gegenüber der Gesellschaft zu identifizieren.

108 109

Fn. 58, a. a. O.

Fn. 42, a. a. O.

325

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Abs. 2 und 3 Das Verfahren nach Absatz 1 gehört zur freiwilligen Gerichtsbarkeit, und über den Antrag wird im summarischen Verfahren entschieden (Art. 252 ff. ZPO). Die Kosten gehen zulasten der antragstellenden Person. Nachdem das Gericht verifiziert hat, dass diese Person die Aktionärin oder der Aktionär ist, und wenn die Gesellschaft sich dem Antrag nicht entgegengestellt hat, ordnet es die Eintragung der Aktionärin oder des Aktionärs in das Aktienbuch an. Das Gericht muss der Gesellschaft seinen Entscheid mitteilen; ab diesem Datum endet die Sistierung der Mitgliedschaftsrechte und die Verwirkung der Vermögensrechte. Die Aktionärin oder der Aktionär kann ihre bzw. seine Rechte wieder ausüben.

Art. 9 Abs. 1 Artikel 9 regelt die dritte Phase des Verfahrens betreffend nicht gemeldete Inhaberaktien. Nach unbenütztem Ablauf der in Artikel 8 Absatz 1 E-UeB vorgesehenen Frist von fünf Jahren muss die Gesellschaft beim Gericht die Vernichtung der nicht gemeldeten Aktien beantragen. Das Gericht ordnet die Vernichtung an, sofern aus dem Aktienbuch und den von der Gesellschaft vorgelegten Belegen hervorgeht, dass die Aufforderungen nach Artikel 4 E-UeB erfolgt sind. Andernfalls kann es die erforderlichen Massnahmen treffen, um die Unterlassung zu beheben. Es kann insbesondere anordnen, dass die Aufforderung im SHAB publiziert wird, und den Aktionärinnen und Aktionären eine neue Frist setzen, damit diese beim Gericht ihre Eintragung in das Aktienbuch beantragen können. Dadurch wird verhindert, dass infolge des Versäumnisses der Gesellschaft, die Aktionärinnen und Aktionäre zur Meldung aufzufordern, Aktien vernichtet werden.

Der Ablauf der Frist von fünf Jahren hat nicht zur Folge, dass die mit den nicht gemeldeten Aktien verbundenen Rechte untergehen. Aber nach Ablauf der Frist haben Aktionärinnen und Aktionäre keine Möglichkeit mehr, die Reaktivierung ihrer Rechte zu bewirken, weil ein Antrag auf Eintragung in das Aktienbuch nach Artikel 8 E-UeB nicht mehr möglich ist. Formell gehen die Rechtsansprüche der Aktionärinnen und Aktionäre aber erst mit Eintritt der Rechtskraft des gerichtlichen Entscheids über die Vernichtung der Aktien endgültig unter (Abs. 3).

Bezüglich des Antrags der Gesellschaft auf Vernichtung von Aktien, bezüglich deren keine Meldung erfolgt ist, ist weder eine Frist noch sind
spezifische Sanktionen für den Fall der Nichterfüllung dieser Pflicht durch die Gesellschaft vorgesehen. Behält eine Gesellschaft Aktien, statt sie pflichtgemäss zu vernichten, so kann dies aber gleichgesetzt werden mit einer Verletzung der Pflicht zur Führung des Aktienbuchs nach Artikel 731b Absatz 1 Ziffer 3 E-OR. Nach dieser Bestimmung kann eine Aktionärin oder ein Aktionär, eine Gläubigerin oder ein Gläubiger, eine Handelsregisterführerin oder ein Handelsregisterführer, die oder der diesen Mangel feststellt, dem Gericht beantragen, die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen. Dieses kann z. B. der Gesellschaft Frist zur Stellung des Antrags auf Vernichtung der Aktien setzen. Darüber hinaus kann gegen ein Verwaltungsratsmitglied, das nach Ablauf der Frist keinen Antrag auf Vernichtung nicht gemeldeter Aktien stellt, der Vorwurf

326

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einer Pflichtverletzung nach Artikel 754 OR erhoben werden, was eine persönliche Haftung nach sich ziehen kann.

Abs. 2 Wie das Verfahren nach Artikel 8 E-UeB zur Eintragung einer Aktionärin oder eines Aktionärs in das Aktienbuch der Gesellschaft gehört auch das Verfahren zur Vernichtung nicht gemeldeter Aktien zur freiwilligen Gerichtsbarkeit, und das Gericht entscheidet im summarischen Verfahren (Art. 252 ff. ZPO).

Abs. 3 Die Vernichtung nicht gemeldeter Aktien hat zur Folge, dass die Aktionärinnen und Aktionäre die mit den Aktien verbundenen Vermögens- und Mitgliedschaftsrechte endgültig verlieren. Die im Zeitpunkt der Liberierung eingebrachten Einlagen fallen an die Gesellschaft. Der Verwaltungsrat gibt anstelle der vernichteten Aktien aus den an die Gesellschaft gefallenen Einlagen neue Aktien aus. Der Beschluss des Verwaltungsrates erfordert keine öffentliche Beurkundung. Soweit das Aktienkapital unverändert bleibt, ist keine Statutenänderung oder Genehmigung der Generalversammlung erforderlich. Die Gesellschaft kann über die neuen Aktien frei verfügen.

Je nach finanzieller Lage und Bilanz kann sie diese beispielsweise behalten, den Aktionärinnen und Aktionären ausschütten, sie verkaufen oder zum Zweck der Kapitalherabsetzung vernichten (Art. 732 ff. OR). Überschreitet aufgrund der Ausgabe dieser neuen Aktien der Nennwert der eigenen Aktien die Schwelle von 10 Prozent des Aktienkapitals gemäss Artikel 659 Absatz 1 OR, so muss der den Schwellenwert überschreitende Anteil der Aktien veräussert oder durch ein Herabsetzungsverfahren vernichtet werden. Der in diesem Artikel vorgesehene endgültige Verlust der Aktionärseigenschaft soll die Nichteinhaltung der Meldepflichten wirksam sanktionieren und damit die Umsetzung der mit dem GAFI-Gesetz eingeführten Bestimmungen sicherstellen. Es soll auch jenen Gesellschaften eine Lösung bieten, die «Phantomaktionäre» loswerden wollen. Tatsächlich können Gesellschaften ausserstande sein, die Identität all ihrer Aktionärinnen und Aktionäre festzustellen. Dies kann zu Blockierungen führen, wenn statutarische Beschlussquoren in der Generalversammlung nicht erreicht werden können oder die Genehmigung einer Fusion oder Umwandlung der Gesellschaft nicht eingeholt werden kann. Falls der Anteil nicht gemeldeter Aktien 25 Prozent des Aktienkapitals erreicht oder
übersteigt, ist es einer Gesellschaft im Übrigen unmöglich, die an ihr wirtschaftlich berechtigten Personen zu identifizieren, was bei der Durchführung von Finanztransaktionen ein schwerwiegendes Hindernis darstellt. Das Problem der «Phantomaktionäre» führt bei betroffenen Gesellschaften zu ernsthafter Rechtsunsicherheit oder sogar zu deren kompletter Lähmung. Das geltende Recht bietet für solche Situationen keine Lösung. Die Gesellschaften werden zu rechtswidrigem Handeln gezwungen, indem sie nicht gemeldete Aktien bei der Stimmenzählung an der Generalversammlung nicht berücksichtigen oder die Aktien auf unzulässige Weise annullieren.

In der Vernehmlassung ist die Forderung erhoben worden, für die Annullation der Titel, welche die Inhaberaktien verkörpern, sei ein Gerichtsverfahren und eine mehrmalige Publikation im SHAB vorzusehen. Ein solches Verfahren, das zum Verfahren zur Vernichtung nicht gemeldeter Aktien nach Artikel 9 E-UeB hinzukäme, hätte für die betroffenen Gesellschaften beträchtliche zusätzliche Kosten zur Folge, 327

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ohne den Personen, welche ihre Aktionärseigenschaft geltend machen, wirkliche Vorteile zu bieten. Das Verfahren würde sich ausserdem schlecht in das Aktienrecht eingliedern. Tatsächlich ist es nicht aussergewöhnlich, dass mit Aktien verbundene Rechte nachträgliche Änderungen erfahren oder sogar aufgehoben werden. Beispiele dafür sind die Kaduzierung bei nicht rechtzeitiger Erfüllung der Liberierungspflicht nach Artikel 681 OR oder die Vernichtung von Aktien im Fall einer Sanierung nach Artikel 732a OR. Die ordentliche Kapitalherabsetzung oder -erhöhung, die Umwandlung von Aktien, deren Zusammenlegung oder Zerlegung, die Einführung oder Aufhebung von Privilegien oder auch die Auflösung einer Aktiengesellschaft sind weitere Beispiele von deutlichen Veränderungen der mit den Aktien verbundenen Rechte. In keinem dieser Fälle geht das Aktienrecht jedoch auf die Folgen für bereits in Umlauf befindliche Titel ein, auch sieht es keine richterliche Intervention vor. Es ist kein Grund ersichtlich, warum es beim vorliegend vorgesehenen Verfahren anders sein sollte. Was die Artikel 981 ff. OR über die Kraftloserklärung von Inhaberpapieren betrifft, so beziehen sich diese auf das Wertpapier im Fall von dessen Verlust und nicht auf den Verlust des Rechts, das sich aus dem Wertpapier ableitet.

Eine Anwendung dieser Bestimmungen, ob direkt oder sinngemäss, kommt daher vorliegend nicht in Betracht.

4.2

Strafgesetzbuch

Art. 327 Die vorsätzliche Verletzung der Pflichten nach Artikel 697j Absätze 1­4 oder Artikel 790a Absätze 1­4 E-OR zur Meldung der an den Aktien oder Stammanteilen wirtschaftlich berechtigten Person wird mit Busse bestraft. Dies gilt sowohl für eine Unterlassung der Meldung als auch für eine Meldung falscher Angaben.

Für die Busse gilt gemäss Artikel 106 Absatz 1 i. V. m. Artikel 333 Absatz 1 StGB ein Höchstbetrag von 10 000 Franken.

Art. 327a Mit Busse bestraft wird, wer vorsätzlich eines der folgenden Verzeichnisse nicht vorschriftsgemäss führt oder die damit verbundenen gesellschaftsrechtlichen Pflichten verletzt (auch durch Unterlassung): ­

Buchstabe a: bei einer Aktiengesellschaft das Aktienbuch nach Artikel 686 Absätze 1­3 und 5 OR (Abs. 4 betrifft nicht die Pflicht zur Führung des Verzeichnisses) oder das Verzeichnis über die an Aktien wirtschaftlich berechtigten Personen nach Artikel 697l OR;

­

Buchstabe b: bei einer GmbH das Anteilbuch nach Artikel 790 Absätze 1­3 und 5 OR (Abs. 4 betrifft nicht die Pflicht zur Führung des Verzeichnisses) oder das Verzeichnis über die an Stammanteilen wirtschaftlich berechtigten Personen nach Artikel 790a Absatz 5 E-OR i. V. m. Artikel 697l OR;

328

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­

Buchstabe c: bei einer Genossenschaft das Verzeichnis über die Genossenschafterinnen und Genossenschafter nach Artikel 837 Absatz 1 und 2 OR;

­

Buchstabe d: bei einer SICAV: das Aktienbuch über die Unternehmeraktionärinnen und -aktionäre oder das Verzeichnis der Personen, die an den Aktien der Unternehmeraktionärinnen und -aktionäre wirtschaftlich berechtigt sind, nach Artikel 46 Absatz 3 KAG.

Zum Höchstbetrag der Busse siehe die Erläuterungen zu Artikel 327 E-StGB.

4.3

Steueramtshilfegesetz

Art. 2 Abs. 2 Artikel 17 Absatz 3 des Amtshilfeübereinkommens sieht vor, dass eine Vertragspartei die Zustellung von Schriftstücken an eine Person im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei unmittelbar durch die Post vornehmen kann. Die Schweiz hat diesbezüglich keinen Vorbehalt gemäss Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe e des Amtshilfeübereinkommens angebracht. Die postalische Zustellung kann ausserdem in DBA spezifisch geregelt sein.110 Gemäss Artikel 2 StAhiG ist die ESTV für den Vollzug der Amtshilfe zuständig.

Nach der Botschaft zu Artikel 2 StAhiG111 umfasst der Begriff Amtshilfe im Einzelfall unter anderem auch die Gewährung von Unterstützung bei der Zustellung von amtlichen Schriftstücken und Dokumenten betreffend die Eintreibung der unter ein Abkommen fallenden Steuern, wenn das Abkommen dies vorsieht. Die unmittelbare Postzustellung von Schriftstücken in das Ausland ist eine Modalität einer solchen Zustellungshilfe. Damit darf nach aktuellem Recht nur die ESTV gestützt auf Artikel 17 Absatz 3 des Amtshilfeübereinkommens (oder das anwendbare DBA) unmittelbare Postzustellungen vornehmen. Nach Artikel 2 Absatz 2 E-StAhiG können auch schweizerische Gerichte und die nach kantonalem oder kommunalem Recht zuständigen Steuerbehörden eine nach dem anwendbaren Abkommen zulässige unmittelbare Zustellung von Schriftstücken an Personen in einem ausländischen Staat durch die Post vornehmen. Diese Bestimmung ermöglicht es beispielsweise kantonalen oder kommunalen Steuerverwaltungen, ihre Veranlagungen direkt an eine Person in einem Vertragsstaat zu schicken. Auch können Gerichte Schriftstücke in Rechtsmittelverfahren direkt an Personen in einem Vertragsstaat senden.

Die Bestimmungen über die Amtshilfe im Amtshilfeübereinkommen, namentlich betreffend Besteuerungszeiträume (Art. 28 Abs. 6 f.) und Vorbehalte (Art. 30), sind auch auf die unmittelbare Postzustellung anwendbar.112

110 111

Z. B. in Art. 28bis des DBA zwischen der Schweiz und Frankreich (SR 0.672.934.91).

Botschaft vom 6. Juli 2011 zum Erlass eines Steueramtshilfegesetzes, BBl 2011 6193, hier 6204.

112 Siehe dazu die Botschaft vom 5. Juni 2015 zur Genehmigung des Übereinkommens des Europarats und der OECD über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen und zu seiner Umsetzung (Änderung des Steueramtshilfegesetzes), BBl 2015 5585, hier 5619, 5621.

329

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Art. 7 Bst. c In dieser Bestimmung wird nur noch statuiert, dass auf ein Ersuchen nicht eingetreten wird, wenn es den Grundsatz von Treu und Glauben verletzt.

Nach dem Urteil 2C_648/2017 des Bundesgerichts vom 17. Juli 2018 ist der Grundsatz von Treu und Glauben im völkerrechtlichen Sinn auszulegen (E. 3.3).113 Dies ist bereits in der Botschaft zu Artikel 7 Buchstabe c StAhiG so festgehalten.114 Der Grundsatz von Treu und Glauben ist im Völkerrecht allgemein anerkannt. Er stellt ein allgemeines Rechtsprinzip gemäss Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe c des Statuts des Internationalen Gerichtshofs vom 26. Juni 1945115 dar und wird auch als gewohnheitsrechtliches Prinzip gehandelt. In abstrakter Weise kombiniert er moralische Elemente wie Vertrauen, Ehrlichkeit, Fairness, Loyalität und Angemessenheit.

Rechtliche Konkretisierungen des Grundsatzes von Treu und Glauben finden sich in verschiedenen anderen völkerrechtlich anerkannten Grundsätzen, wie z. B.: ­

dem Schutz des berechtigten Vertrauens («legitimate expectations»), wonach ein Vertragsstaat ein berechtigtes Vertrauen geltend machen kann, dass der andere Vertragsstaat seine sich aus einem Vertrag ergebenden Rechte und Pflichten gutgläubig umsetzt;

­

dem Estoppel-Prinzip, das sich aus dem Schutz des berechtigten Vertrauens ergibt und besagt, dass ein Staat an die Erwartungen gebunden ist, die er durch sein Verhalten geweckt hat, und dass andere Staaten nach Treu und Glauben auf diese Erwartungen vertrauen können;

­

dem Rechtsmissbrauchsgrundsatz («abuse of rights»), der die Grenze definiert, ab welcher eine Missachtung von Treu und Glauben zu einer Verletzung des Völkerrechts führt, und Staaten darauf beschränkt, ihre Rechte innerhalb der Grenzen des berechtigten Vertrauens der anderen Staaten auszuüben.

Der Grundsatz von Treu und Glauben ergibt sich im Übrigen direkt aus dem in Artikel 26 VRK festgehaltenen Prinzip «pacta sunt servanda», wonach Verträge einzuhalten sind. Auf den Grundsatz von Treu und Glauben wird weiter auch in Artikel 31 VRK verwiesen. Nach dieser Bestimmung ist ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Ziels und Zwecks auszulegen. Daraus ergibt sich, dass Vertragsparteien verpflichtet sind, ihre aus einem Vertrag fliessenden völkerrechtlichen Verpflichtungen nach Treu und Glauben zu erfüllen und den Vertrag entsprechend auch nach Treu und Glauben auszulegen. Aus diesen allgemeinen Erwägungen zum völkerrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben kann für die Amtshilfe in Steuersachen der Schluss gezogen werden, dass ein ersuchender Staat sich treuwidrig verhält, wenn er sein Amtshilfeersuchen auf gestohlene Daten stützt, welche er aktiv erworben hat, um sie für ein Amtshilfeersuchen zu verwenden. Aktiv verhält sich der ersuchende Staat nament113 114

Siehe auch Urteil 2C_1044/2016 des Bundesgerichts vom 6. August 2018, E. 5.3.1.

Botschaft vom 6. Juli 2011 zum Erlass eines Steueramtshilfegesetzes, BBl 2011 6193, hier 6208.

115 SR 0.193.501

330

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lich dann, wenn er einer Drittpartei einen Vorteil gewährt oder direkt oder über eine Drittpartei Vorkehrungen trifft, um in strafbarer Weise in den Besitz der Informationen zu gelangen. Hat der ersuchende Staat solche Informationen aktiv erlangt und damit Amtshilfe geleistet, um die Informationen auf dem Amtshilfeweg «legalisiert» wieder zurückzuerhalten und gestützt darauf ein Ersuchen stellen zu können, so ist sein Verhalten ebenfalls als treuwidrig zu betrachten. Die Treuwidrigkeit liegt darin, dass ein solches Verhalten zu einer Umgehung des Abkommen über den Informationsaustausch zwischen dem ersuchenden und dem ersuchten Staat führt. Nimmt der ersuchende Staat Informationen hingegen bloss entgegen, ohne hierfür Anreize zu setzen oder einen Vorteil auszurichten, so ist dies nicht als aktives, sondern als passives Verhalten zu betrachten. Passiv verhält sich ein Staat auch dann, wenn er die Informationen öffentlich zugänglichen Quellen ­ beispielsweise den Medien ­ entnimmt. In einem solchen Verhalten ist für sich allein keine Treuwidrigkeit zu erblicken, die einem Eintreten auf das Ersuchen entgegenstehen würde.116 Diese Schlüsse decken sich auch mit dem Urteil 2C_648/2017 des Bundesgerichts vom 17. Juli 2018. Im Übrigen hält das Bundesgericht fest, dass die Frage, ob ein Staat den Grundsatz von Treu und Glauben gemäss Artikel 7 Buchstabe c StAhiG verletzt hat, nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist (E. 3.3).

Art. 15 Abs. 2 In Bezug auf die Akteneinsicht in das Amtshilfeersuchen selbst und die Korrespondenz mit der ausländischen Behörde vor Eröffnung der Schlussverfügung wird eine stärker einschränkende Regelung eingeführt. Neu gewährt die ESTV Einsicht nur, wenn die ausländische Behörde damit einverstanden ist. Dabei obliegt es der ESTV, das Einverständnis bzw. dessen Fehlen festzustellen.

Ist die ausländische Behörde nicht einverstanden, so informiert die ESTV die beschwerdeberechtigte Person über die wesentlichen Teile des Ersuchens und der Korrespondenz. Eine Einsicht in das Ersuchen selbst (wie auch in die übrige Korrespondenz) ist ausgeschlossen. Die erhaltenen Informationen erlauben es der beschwerdeberechtigten Person, sich zur Sache zu äussern und die Verfügung sachgerecht anzufechten.

Art. 18a Abs. 1 Personen (einschliesslich Verstorbener), Sondervermögen oder andere
Rechtseinheiten (Parteien), über die im Amtshilfeersuchen Informationen verlangt werden, erhalten Parteistellung. Der Begriff «Rechtseinheit» ist im vorliegenden internationalen Kontext als allgemeiner, offener Begriff zu verstehen und nicht etwa im Sinn der präzisen Definition des Handelsregisterrechts (Art. 2 Bst. a HRegV). Es soll allgemein die Möglichkeit geschaffen werden, Amtshilfe betreffend Personen (einschliesslich Verstorbener), Sondervermögen und andere Rechtseinheiten zu leisten, die als Rechtsgebilde dem schweizerischen Recht unbekannt bzw. nach schweizeri116

So bereits die Botschaft vom 10. Juni 2016 zu einer Änderung des Steueramtshilfegesetzes, BBl 2016 5137, hier 5148 f.

331

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schem Recht nicht partei- und prozessfähig sind. Mit dieser Bestimmung soll vermieden werden, dass ein Auseinanderfallen der schweizerischen Rechtsordnung und jener des ersuchenden Staats hinsichtlich der Partei- und Prozessfähigkeit dazu führt, dass allein aus diesem Grund keine Amtshilfe geleistet werden kann. Dies ist insofern gerechtfertigt, als das Amtshilfeverfahren ein Hilfsverfahren ist, das dem ausländischen Recht zur Durchsetzung verhelfen soll, weshalb es nicht auf die Parteiund Prozessfähigkeit gemäss schweizerischem Recht ankommen darf. Massgebend soll einzig sein, ob die Informationen voraussichtlich erheblich sind, um die Steuersituation der Person, des Sondervermögens oder der anderen Rechtseinheit, bezüglich deren um Amtshilfe ersucht wird, im Ausland zu beurteilen. Artikel 18a E-StAhiG bezieht sich deshalb allein auf die Person, das Sondervermögen oder die andere Rechtseinheit, die Gegenstand einer Prüfung oder Untersuchung im ersuchenden Staat ist. Andere Personen sollen hingegen, auch wenn über sie im Amtshilfeersuchen Informationen verlangt werden, von der Bestimmung nicht erfasst werden. So ist es beispielsweise nicht Sinn und Zweck dieser Bestimmung, einer bereits gelöschten Schweizer Aktiengesellschaft, über die im Ersuchen zum Zweck der Besteuerung der Partei im Ausland Informationen verlangt werden, Partei- und Prozessfähigkeit einzuräumen.

Absatz 1 stellt sodann auch sicher, dass Amtshilfe betreffend verstorbene Personen geleistet werden kann. Von der Bestimmung werden auch Fälle erfasst, in denen um Amtshilfe betreffend eine namentlich unbekannte verstorbene Person ersucht wird.

Zu denken ist an Fälle, in denen die Identifikation auf andere Weise als über den Namen erfolgt. Beispielsweise kann ein Gruppenersuchen vorliegen, wo die namentlich unbekannten Personen über ein Verhaltensmuster identifiziert werden. In solchen Fällen ermöglicht es die Bestimmung, auch dann Amtshilfe zu leisten, wenn die Rechtsnachfolgerinnen oder -nachfolger der namentlich unbekannten Person unbekannt sind. Die unbekannten Rechtsnachfolgerinnen und -nachfolger werden via Bundesblatt über das laufende Amtshilfeverfahren bzw. die ergangene Schlussverfügung informiert. Ferner verschafft die Bestimmung der ESTV in jenen Fällen einen rechtsgültigen Verfügungsadressaten, in denen allfälligen
Rechtsnachfolgerinnen und -nachfolgern gemäss schweizerischem Recht keine Partei- und Prozessfähigkeit zukäme (weshalb sie unter geltendem Recht nicht als Verfügungsadressaten in Frage kämen, genauso wenig wie die verstorbene Person). Dabei ist beispielsweise an die Konstellation zu denken, in der die Erbmasse einer verstorbenen Person auf einen Nachlass (estate) des common law mit eigener Rechtspersönlichkeit übergeht, der eine rechtlich und wirtschaftlich selbstständige und eigenständige Vermögensmasse bildet. Absatz 1 ermöglicht es, Amtshilfe auch in Fällen zu leisten, die ein steuerstrafrechtlich relevantes Verhalten der verstorbenen Person zum Gegenstand haben.

Abs. 2 Das schweizerische Recht kann nicht regeln, wer für eine Partei nach Absatz 1, der es keine Parteistellung einräumt bzw. die es gar nicht kennt, handlungsberechtigt ist. Entsprechend statuiert Absatz 2, dass die Berechtigung, für eine Partei nach Absatz 1 zu handeln, die nach den übrigen Bestimmungen des schweizerischen Rechts keine Parteistellung hat, sich nach dem Recht des ersuchenden Staats bestimmt.

332

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Abs. 3 In Fällen, in denen um Amtshilfe für eine verstorbene Person ersucht wird, sollen deren Rechtsnachfolgerinnen und -nachfolger Parteistellung erhalten und beschwerdeberechtigt sein, unabhängig davon, ob das schweizerische Recht ihnen Partei- und Prozessfähigkeit einräumt.

Ein Beispiel zur Rechtswirkung von Artikel 18a: Bildet ein US-amerikanischer Nachlass Gegenstand eines Ersuchens, so bedeutet die vorgesehene Regelung, dass die ESTV den Nachlass über das ihn betreffende laufende Amtshilfeverfahren gemäss Artikel 14 oder 14a StAhiG informiert. Dabei bestimmt das US-amerikanische Recht, wer im Amtshilfeverfahren die Verfahrensrechte des Nachlasses wahrnehmen kann (z. B. der Nachlassverwalter). Die Leistung von Amtshilfe bzw. die Eröffnung der Schlussverfügung nach Artikel 17 StAhiG erfolgt gegenüber dem Nachlass. Dieser kann, handelnd durch die gemäss US-amerikanischem Recht dazu befugte Person (z. B. den Nachlassverwalter), Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht bzw. das Bundesgericht erheben.

Art. 22g Abs. 3bis Durch diese Bestimmung erhält die ESTV die Kompetenz, den schweizerischen Steuerbehörden, denen sie nach Artikel 22e Absatz 1 StAhiG vom Ausland spontan übermittelte Informationen weiterleitet, im Abrufverfahren Zugriff auf die in ihrem Informationssystem gespeicherten Daten zu gewähren. Das heisst, sie übermittelt die Daten nicht an die schweizerischen Steuerbehörden, sondern diese werden befugt, auf die Daten der ESTV zuzugreifen. Artikel 22g Absatz 3bis E-StAhiG ist erforderlich, um den seit dem 1. Januar 2018 stattfindenden spontanen Informationsaustausch abzuwickeln.

Auch im Rahmen des automatischen Informationsaustauschs stellt die ESTV den schweizerischen Behörden die vom Ausland automatisch übermittelten Daten im Abrufverfahren zur Verfügung (Art. 24 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 2015117 über den internationalen automatischen Informationsaustausch in Steuersachen.

Art. 22ibis Diese Bestimmung soll sicherstellen, dass Informationen über Rechtseinheiten mit Hauptsitz im Ausland, die ihre tatsächliche Verwaltung in der Schweiz haben, erhältlich sind. So muss die Rechtseinheit am Ort der tatsächlichen Verwaltung ein Verzeichnis ihrer rechtlichen Inhaber (legal owners, nicht beneficial owners) führen.

Das Verzeichnis muss den Vor- und den Nachnamen oder die
Firma sowie die Adresse dieser Personen enthalten. Rechtseinheiten, die keine Inhaber haben, werden von der Bestimmung nicht erfasst.

Der Begriff der tatsächlichen Verwaltung richtet sich nach Artikel 50 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990118 über die direkte Bundessteuer, wonach juristische 117 118

SR 653.1 SR 642.11

333

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Personen aufgrund persönlicher Zugehörigkeit steuerpflichtig sind, wenn sich ihr Sitz oder ihre tatsächliche Verwaltung in der Schweiz befindet.

Artikel 22ibis E-StAhiG ist eine Ordnungsvorschrift; für den Fall ihrer Nichtbeachtung wird keine Sanktion vorgesehen. Kann die Rechtseinheit am Ort ihrer tatsächlichen Verwaltung das erforderliche Verzeichnis aber nicht vorweisen, so dürfte dies indessen für einen Finanzintermediär ein Signal sein, keine Geschäftsbeziehung mit der Rechtseinheit am Ort ihrer tatsächlichen Verwaltung einzugehen.

4.4

Bucheffektengesetz

Art. 8a Bucheffekten entstehen nach Artikel 6 BEG mit der Hinterlegung von Wertpapieren oder Globalurkunden bei einer Verwahrungsstelle bzw. mit der Eintragung von Wertrechten im Hauptregister einer Verwahrungsstelle und deren Gutschrift in einem oder mehreren Effektenkonten. Das BEG ist als offenes System konzipiert. Es stellt die rechtliche Infrastruktur zur Verfügung, damit Wertpapiere bzw. Wertrechte in das System der mediatisierten Wertpapierverwahrung gelangen (Art. 6 BEG) und dieses wieder verlassen können (Art. 8 BEG).119 Für Gesellschaften ohne börsenkotierte Beteiligungspapiere, deren Inhaberaktien als Bucheffekten ausgestaltet sind, darf diese offene Architektur nicht gelten, da sonst die durch das neue Recht angestrebte Transparenz bezüglich Inhaberaktien durchbrochen wird. Artikel 8a E-BEG führt aus diesem Grund abschliessend die Fälle auf, in denen die Wertpapiere (die physischen Titel, die den Bucheffekten zugrunde liegen) im Sinne von Artikel 8 BEG ausgeliefert werden dürfen. Die nach Artikel 697j Absatz 5 E-OR von der Gesellschaft bezeichnete Verwahrungsstelle muss dies sicherstellen. So darf die Verwahrungsstelle die Wertpapiere nur wie folgt ausliefern: a.

bei Beendigung ihrer Funktion: an die Verwahrungsstelle in der Schweiz, die von der Gesellschaft als Ersatz bezeichnet worden ist;

b.

bei Umwandlung der Inhaberaktien in Namenaktien: an die Gesellschaft;

c.

bei Vernichtung der Inhaberaktien: an die Gesellschaft.

5

Auswirkungen

5.1

Auswirkungen auf Bund, Kantone und Gemeinden

Die Umwandlung der Inhaberaktien in Namenaktien führt beim Bund und hauptsächlich bei den Kantonen vorübergehend zu einem höheren Aufwand, wenn keine zu einem anderen Zweck erfolgende Statutenänderung benützt wird, um die Statuten dem neuen Recht anzupassen. Dieser höhere Aufwand wird jedoch mit den beste119

334

Vgl. Botschaft vom 15. November 2006 zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen, BBl 2006 9315, hier 9348.

BBl 2019

henden Ressourcen bewältigt werden können, sodass keine neuen Stellen geschaffen werden müssen. Die kantonalen Behörden verfügen über einen beträchtlichen Gestaltungs- und Organisationsspielraum und dürften deshalb nicht unter Druck geraten.

Die Bearbeitung von Amtshilfeersuchen, die sich auf gestohlene, vom ersuchenden Staat aber passiv erworbene Daten stützen, kann mit einem erheblichen Mehraufwand für den Bund verbunden sein. Da die Bearbeitung solcher Amtshilfeersuchen aber bereits gestützt auf den geltenden Artikel 7 Buchstabe c StAhiG und nicht erst aufgrund der vorgeschlagenen Änderung der Bestimmung zulässig ist, dürfte die Änderung keine finanziellen und personellen Auswirkungen haben. Dies gilt auch hinsichtlich der anderen vorgesehenen Änderungen des StAhiG.

5.2

Auswirkungen auf die Schweizer Volkswirtschaft

5.2.1

Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Schweiz und den Wettbewerb

Die vorgeschlagenen Massnahmen stärken die Rechtssicherheit und werden zu einem Reputationsgewinn für die Schweiz führen, was sich vorteilhaft auf die Schweizer Wirtschaft auswirken wird. Sie verfolgen den Zweck, dass die Schweiz in der nächsten Länderüberprüfung eine genügende Gesamtnote erhält und mögliche Defensivmassnahmen ­ auch von Ländern, zu denen die Schweiz traditionell enge wirtschaftliche Beziehungen pflegt ­ verhindert werden können. Solche Gegenmassnahmen wären für Unternehmen und Erwerbstätige und letztlich auch für die Steuerpflichtigen von potenziell grossem, wenn auch schwer quantifizierbarem Nachteil.

Es besteht deshalb ein starkes öffentliches Interesse, die Schweizer Wirtschaft davor zu verschonen.

Die Wettbewerbsintensität wird durch die Vorlage kaum tangiert. Das Marktverhalten von Gesellschaften hängt nicht davon ab, ob sie Inhaber- oder Namenaktien emittiert haben oder ihre Aktien als Bucheffekten ausgestaltet haben. Eine Reduktion der Anzahl Gesellschaften in der Schweiz ist ebenfalls nicht zu erwarten.

5.2.2

Auswirkungen auf die betroffenen Unternehmen

Gesellschaften, die nicht als Bucheffekten ausgestaltete Inhaberaktien ausgegeben haben und keine Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert haben, werden Massnahmen ergreifen müssen. Sowohl die Umwandlung der Inhaberaktien in Namenaktien als auch deren Ausgestaltung als Bucheffekten sind für die betroffenen Gesellschaften mit Kosten verbunden, wobei erstere Option mittel- bis längerfristig günstiger ist.

­

Bei der Umwandlung der Inhaberaktien in Namenaktien kann innerhalb der vorgesehenen Fristen eine Statutenänderung in anderer Sache benützt werden, um die Statuten dem neuen Recht anzupassen. Andernfalls fallen einer betroffenen Gesellschaft Notariatskosten zur Beglaubigung der angepassten 335

BBl 2019

Statuten in Höhe von 700 bis 900 Franken sowie Kosten von rund 200 bis 300 Franken für die Eintragung der Statutenänderung im Handelsregister an, total also 900 bis 1200 Franken.120 Aufgrund der eher geringen Komplexität des Geschäfts ist nicht mit zusätzlichen Rechtsberatungskosten zu rechnen.

Über die Häufigkeit von Statutenänderungen bei Gesellschaften können keine quantitativen Angaben gemacht werden. Die insgesamt anfallenden Kosten können deshalb nur grob geschätzt werden. Falls alle betroffenen Gesellschaften sich für eine Umwandlung entscheiden, dürften sich die Kosten auf 42 bis 60 Millionen Franken belaufen. Von 60 Millionen Franken121 ist auszugehen im unwahrscheinlichen Fall, dass keine der Gesellschaften eine Statutenänderung in anderer Sache benützt, um das neue Recht umzusetzen. Die Zahl von 42 Millionen Franken122 beruht auf der Annahme, dass 30 Prozent der Gesellschaften eine andere Statutenänderung benützen. Sowieso anfallende Kosten, die nicht unmittelbar auf die Vorlage zurückzuführen sind, werden nicht hinzugerechnet.

­

Bei der Ausgestaltung der Inhaberaktien als Bucheffekten fallen im Gegensatz zu deren Umwandlung hauptsächlich periodisch wiederkehrende Kosten an, etwa in Form von Depotgebühren der Verwahrungsstelle. Gesellschaften, die sich für eine Ausgestaltung der Inhaberaktien als Bucheffekten entscheiden, können sich diesen Gebühren nicht entziehen. Entsprechend kann dies die Preissetzungsmacht der Verwahrungsstellen erhöhen. Die jährlich anfallenden Depotgebühren bei 100 000 Franken Depotwert123 können sich auf bis zu 350 Franken belaufen.124 Falls alle betroffenen Gesellschaften für eine Ausgestaltung ihrer Inhaberaktien als Bucheffekten optieren, belaufen sich ihre jährlich anfallenden Kosten somit auf insgesamt bis zu 20 Millionen Franken. Hinzu könnten gewisse einmalige Kosten im Zusammenhang mit der Ausgestaltung der Inhaberaktien als Bucheffekten kommen.

Die Pflicht von Gesellschaften ohne börsenkotierte Beteiligungspapiere, ihre Inhaberaktien entweder in Namenaktien umzuwandeln oder als Bucheffekten auszugestalten, entzieht den Gesellschaften eine Wahlmöglichkeit bezüglich der Ausgestaltung ihrer Aktien. Knapp 57 000 oder 26 Prozent aller heute in der Schweiz bestehenden Aktiengesellschaften haben Inhaberaktien emittiert; von ihnen sind 5200 oder 9 Prozent in Liquidation. Inhaberaktien sind in der Schweiz also nach wie vor gefragt. Es zeigt sich aber, dass seit der mit dem GAFI-Gesetz eingeführten Meldepflicht für Inhaberaktionärinnen und -aktionäre die Verwendung von Inhaberaktien rückläufig ist. Die Anzahl neuer Gesellschaften, die Inhaberaktien ausgegeben haben, ist gesunken. Von den zwischen dem 1. Januar und dem 30. Juni 2018 eingetragenen neuen Gesellschaften haben nur 471 oder 10 Prozent Inhaberaktien 120 121 122 123

124

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Die Notariatstarife können sich von Kanton zu Kanton unterscheiden. Die angegebenen Tarife gelten im Kanton Bern.

1050 Fr. × 57 000 = 60 Mio. Fr.

1050 Fr. × 57 000 × (1 ­ 0.3) = 42 Mio. Fr.

Die Vergleichsgrösse von 100 000 Franken wird herangezogen, weil das Aktienkapital einer Gesellschaft mindestens 100 000 Franken betragen muss und eine beträchtliche Anzahl Gesellschaften mit Inhaberaktien ­ namentlich KMU ­ über das Mindestkapital verfügen dürfte.

Quelle: Vergleichsportal Moneyland.ch.

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emittiert. Zudem ist die Anzahl Gesellschaften gestiegen, die freiwillig auf ihre Inhaberaktien verzichten, indem sie diese in Namenaktien umwandeln. Zwischen Juli 2016 und Juni 2018 war dies bei mehr als 1400 Gesellschaften der Fall. Dies dürfte ein Hinweis darauf sein, dass zahlreiche Gesellschaften den administrativen Aufwand und die Kosten zur Führung des Verzeichnisses über die Inhaberaktionärinnen und -aktionäre höher einschätzen als den Aufwand und die Kosten der Führung des Aktienbuchs.

Sofern die Inhaberaktionärinnen und -aktionäre ihre Meldepflichten wahrgenommen haben, verfügen die Gesellschaften bereits über die Informationen, die im Fall der Umwandlung der Aktien in Namenaktien in das Aktienbuch eingetragen werden müssen. Das Aktienbuch wird somit zu geringeren Kosten erstellt werden können.

Das Sanktionssystem für den Fall von Pflichtverletzungen der Gesellschaft oder von Anteilseignerinnen und -eignern erhöht die Wirksamkeit der bestehenden Regeln.

Die Aktionärinnen und Aktionäre, die ihren Meldepflichten nicht nachgekommen sind, verlieren nach Ablauf von fünf Jahren nach Inkrafttreten des neuen Rechts auf gerichtlichen Entscheid hin ihre Rechtsansprüche endgültig, und die Einlagen fallen an die Gesellschaft. Die vorgesehene Vernichtung nicht gemeldeter Aktien durch gerichtlichen Entscheid löst das Problem jener Gesellschaften, denen es nicht gelungen ist, die Identität ihrer Aktionärinnen und Aktionäre festzustellen, und die daher beispielsweise gesetzliche oder statutarische Quoren nicht einhalten können.

Da die Meldepflichten bereits 2015 eingeführt worden sind und das neue Recht den Inhaberaktionärinnen und -aktionären ab seinem Inkrafttreten zusätzliche 18 Monate zu ihrer Identifizierung gegenüber der Gesellschaft sowie fünf Jahre zur Beantragung ihrer Eintragung in das Aktienbuch der Gesellschaft einräumt, steht den Aktionärinnen und Aktionären genügend Zeit zur Verfügung, bevor betreffende Aktien im Fall der Nichtbeachtung dieser Fristen durch gerichtlichen Entscheid vernichtet werden. Es ist unwahrscheinlich, dass Inhaberaktionärinnen und -aktionäre keine Kenntnis vom neuen Recht erhalten werden. Informierte Inhaberaktionärinnen und -aktionäre werden auf ihre Aktionärsrechte nicht freiwillig verzichten. Solche, die sich gegenüber der Gesellschaft nicht innerhalb der zur
Verfügung stehenden Fristen identifizieren, werden keine Kenntnis von ihrer Aktionärseigenschaft haben, da sie z. B. die Aktien vergessen haben oder diese im Zusammenhang mit einer Erbschaft verlegt oder zerstört worden sind oder da sie sich gegenüber der Gesellschaft nicht identifizieren wollen.

Die Änderungen des StAhiG haben auf Unternehmen und deren Aktionärinnen und Aktionäre keine Auswirkungen.

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage sieht die Anpassung von vier Gesetzen (OR, StGB, StAhiG, BEG) vor.

Die Zuständigkeit des Bundes, die erfassten Materien zu regeln, ergibt sich aus den Verfassungsgrundlagen dieser Gesetze, wie sie in den jeweiligen Ingressen genannt und in den Botschaften dazu dargestellt werden. Im Vordergrund stehen Artikel 122 337

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Absatz 1 BV betreffend die Änderung des OR und des BEG sowie Artikel 123 Absatz 1 BV betreffend die Strafbestimmungen. Das StAhiG stützt sich auf eine implizite Bundeskompetenz. Stellvertretend für diese wird Artikel 173 Absatz 2 BV genannt, wonach die Bundesversammlung Geschäfte behandelt, die in die Zuständigkeit des Bundes fallen und keiner anderen Behörde zugewiesen sind.

Artikel 15 Absatz 2 E-StAhiG greift in Artikel 29 Absatz 2 BV (rechtliches Gehör) ein, indem der ersuchende Staat die Einsicht in das Amtshilfeersuchen und die Korrespondenz mit der ausländischen Behörde ohne Angabe von Gründen ausschliessen kann. Ziel der Bestimmung ist es, den Eingriff so gering wie möglich zu halten.

6.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Durch die Vorlage sollen die Empfehlungen des Global Forum im Bericht zur Phase 2 der Schweiz umgesetzt werden.

338