16.460 Parlamentarische Initiative Abschaffung der Überbrückungshilfe für Ratsmitglieder Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 10. Oktober 2019

Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Parlamentsressourcengesetzes und der Verordnung der Bundesversammlung zum Parlamentsressourcengesetz.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

10. Oktober 2019

Im Namen der Kommission Der Präsident: Kurt Fluri

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Einführung der Überbrückungshilfe

Die Überbrückungshilfe für aus dem Rat ausgeschiedene Ratsmitglieder wurde im Jahr 2003 eingeführt. Damals fand eine umfassende Revision des Entschädigungsgesetzes (heute: Parlamentsressourcengesetz) statt. Ziel der Revision war «die Kompensation der finanziellen Nachteile, die ein berufstätiges Ratsmitglied aufgrund der durch das Mandat verursachten Reduktion seiner beruflichen Tätigkeit bei der beruflichen Vorsorge, im Falle von Alter, Krankheit, Unfall, Mutterschaft und beim unfreiwilligen Ausscheiden aus dem Amt erleidet» (Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 25. April 2002, BBl 2002 7082). Die Einführung der Überbrückungshilfe war Teil dieser Revision.

Die Überbrückungshilfe sollten Ratsmitglieder bei Bedürftigkeit oder für die Zeit nach der Ratstätigkeit als Starthilfe beim beruflichen Wiedereinstieg in Anspruch nehmen können. Es wurde festgelegt, dass diese maximal der einfachen AHV-Rente entsprechen soll (2019: max. CHF 2370 pro Monat) und längstens während zwei Jahren ausgerichtet werden kann.

Die Überbrückungshilfe nahm bei deren Einführung den Kerngedanken der sogenannten Härtefallklausel auf, die im Rahmen der Revision des Entschädigungsgesetzes 1988 gestrichen wurde. Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates stellte 2002 in ihrem Bericht zur parlamentarischen Initiative «Vorsorgeregelung für die Ratsmitglieder» (02.423) fest, dass es in der Praxis einige wenige Fälle gab, bei denen Ratsmitglieder zum Beispiel aus Krankheitsgründen oder weil sie nach der Wahl ihren Beruf aufgeben mussten, sowohl während ihrer aktiven Zeit als auch nach dem Ausscheiden aus dem Rat in Not gerieten. Mit der Überbrückungshilfe wollte man die Möglichkeit schaffen, in diesen Fällen gezielt helfen zu können.

1.2

Geltendes Recht und Praxis

Die Überbrückungshilfe ist in Artikel 8a des Parlamentsressourcengesetzes vom 18. März 19881 (PRG) geregelt und seit dem 1. Dezember 2003 in Kraft. Sie kann von Mitgliedern des Parlaments beantragt werden, die aus dem Rat ausgeschieden sind ­ sofern sie beim Ausscheiden aus dem Rat das 65. Altersjahr noch nicht vollendet haben und noch keine Altersrente beziehen ­ oder bedürftig sind. Bei aus dem Rat ausgeschiedenen Mitgliedern spielt es keine Rolle, ob sie sich freiwillig zurückgezogen haben oder nicht widergewählt wurden. Gemäss Artikel 8b der Verordnung der Bundesversammlung zum PRG vom 18. März 19882 (VPRG) darf die Überbrückungshilfe maximal 100 Prozent des Höchstbetrages der jährlichen Altersrente nach Artikel 34 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung 1 2

SR 171.21 SR 171.211

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vom 20. Dezember 19463 (AHVG) betragen. Die Überbrückungshilfe wird in der Praxis bemessen nach dem Jahreseinkommen und der durchschnittlichen Summe der während des letzten Kalenderjahres an das antragstellende Ratsmitglied entrichteten Taggelder.

Anträge zur Inanspruchnahme der Überbrückungshilfe werden der Bereichsleiterin oder dem Bereichsleiter Infrastruktur der Parlamentsdienste zur Vorprüfung vorgelegt. Diese oder dieser hat Kenntnis von den Entschädigungen, die der antragstellenden Person während der letzten zwei Kalenderjahre ausbezahlt wurden. Zusätzlich zum Überbrückungshilfegesuch muss ein Auszug des Steuerausweises eingereicht werden, der die Vermögens- und Einkommenssituation offenlegt.

Nach der Vorprüfung unterbreitet die Bereichsleiterin oder der Bereichsleiter Infrastruktur die einzelnen Gesuche der oder dem Delegierten der Verwaltungsdelegation. Sie oder er stellt anschliessend der Verwaltungsdelegation in anonymisierter Form Antrag. Diese entscheidet auf Grundlage der ebengenannten Unterlagen abschliessend über den Antrag und die Höhe der Überbrückungshilfe.

In den Jahren 2004 bis 2018 haben 22 Personen die Überbrückungshilfe in Anspruch genommen. Die bewilligten Unterstützungsbeiträge beliefen sich zwischen 2004 und 2018 auf insgesamt CHF 923 000.

Nebst der Möglichkeit zur Beantragung einer Überbrückungshilfe hat jedes Ratsmitglied Anspruch auf Geld aus der Arbeitslosenversicherung (ALV). Aus dem Rat ausgeschiedene Mitglieder können sich beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) melden und Arbeitslosengeld, verbunden mit den entsprechenden Auflagen, beantragen. Gemäss geltender Regelung ist es möglich, dass ein ehemaliges Ratsmitglied gleichzeitig Überbrückungshilfe und ALV-Geld bezieht, da die Arbeitslosenkasse die Überbrückungshilfe im Sinne einer Abgangsentschädigung behandelt. In der Praxis wurden im Gegenzug die erhaltenen ALV-Taggelder von der Überbrückungshilfe abgezogen.

1.3

Entstehung der Vorlage

Am 21. September 2016 hat Nationalrätin Natalie Rickli (SVP/ZH) die parlamentarische Initiative «Abschaffung der Überbrückungshilfe für Ratsmitglieder» (16.460) eingereicht. Sie fordert die Aufhebung von Artikel 8a PRG und somit die Abschaffung der Überbrückungshilfe für Ratsmitglieder.

Am 20. Januar 2017 wurde die Initiative von der SPK des Nationalrates vorgeprüft, welche dieser mit 17 zu 7 Stimmen Folge gab. Die Kommission begründete ihren Entscheid damit, dass die Überbrückungshilfe eine nicht gerechtfertigte Besserstellung der Ratsmitglieder zur Folge hat, da diese wie alle anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch Leistungen der ALV in Anspruch nehmen können. Ausserdem fördert die Überbrückungshilfe die Tendenz der unerwünschten Entwicklung zu einem Berufsparlament.

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SR 831.10

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Anders als in der SPK-NR fand die parlamentarische Initiative in der SPK des Ständerates keine Mehrheit. Mit 7 zu 6 Stimmen sprach sich die Kommission am 19. Juni 2017 dagegen aus. Sie vertrat die Auffassung, dass die Abschaffung der Überbrückungshilfe zu weit geht, gerade auch weil die ausbezahlten Beträge sehr bescheiden sind.

Trotz der ablehnenden Haltung der SPK-SR hielt die Schwesterkommission des Nationalrates an der parlamentarischen Initiative fest. Am 10. November 2017 bekräftigte sie mit 15 zu 6 Stimmen bei einer Enthaltung ihren Entscheid, der Initiative Folge zu geben. Der Nationalrat folgte anschliessend in seiner Sitzung vom 1. März 2018 der Empfehlung der SPK-NR und stimmte der Initiative zur Abschaffung der Überbrückungshilfe mit 115 zu 66 Stimmen bei 2 Enthaltungen zu.

Nach der Zustimmung der grossen Kammer zur parlamentarischen Initiative von Natalie Rickli befasste sich die SPK-SR am 20. April 2018 noch einmal mit der Thematik. Entgegen ihres Entscheides vom 19. Juni 2017 stimmte die Kommission diesmal mit 6 zu 4 Stimmen dem Beschluss des Nationalrates zu. Die SPK des Nationalrates erhielt somit den Auftrag, eine entsprechende Vorlage auszuarbeiten.

Die Überbrückungshilfe wird von der Kommission hinterfragt, da aus dem Rat ausgeschiedene Ratsmitglieder nebst der Überbrückungshilfe auch Anrecht auf Leistungen der ALV haben. Ein Teil der zustimmenden Mehrheit behält sich allerdings vor, im Rahmen der späteren Beratung der Gesetzesänderung nicht die von der Initiative verlangte Abschaffung der Überbrückungshilfe zu befürworten, sondern lediglich die Voraussetzungen für die Ausrichtung dieser Hilfe zu verschärfen.

Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates hat die Vorlage am 16. August 2019 behandelt und sich mit 14 zu 11 Stimmen für die vollständige Abschaffung der Überbrückungshilfe entschieden. Sie hat die Vorlage in der provisorischen Gesamtabstimmung mit 18 zu 6 Stimmen angenommen und sie zur Stellung der Verwaltungsdelegation und dem Büro des Nationalrates übermittelt.

An ihrer Sitzung vom 10. Oktober 2019 hat die Kommission von der Stellungnahme des Büros und der Verwaltungsdelegation Kenntnis genommen. Sie hat aufgrund der Stellungnahme Ergänzungen im Bericht vorgenommen und die Vorlage mit 14 zu 7 Stimmen bei 2 Enthaltungen zuhanden des Rates verabschiedet und sie gleichzeitig dem Bundesrat zur Stellungnahme unterbreitet.

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Grundzüge der Vorlage

Die Formulierung der parlamentarischen Initiative ist eindeutig: Artikel 8a PRG soll aufgehoben werden, was gleichbedeutend ist mit der Abschaffung der Überbrückungshilfe für Ratsmitglieder. Ratsmitglieder bezahlen Beiträge an die ALV und haben im Falle der Arbeitslosigkeit auch Anspruch auf deren Leistungen. Entsprechend sind Ratsmitglieder beim Verlust ihres Parlamentsmandates bereits durch die ALV abgesichert, weshalb das System der Überbrückungshilfe nicht nachvollziehbar ist. Das jetzige System hat eine Besserstellung der Ratsmitglieder gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zur Folge, was nicht gerechtfertigt ist.

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Vorschlag der Minderheit Aufgrund der Diskussionen in der Kommission des Ständerates schlägt die Minderheit (Streiff, Barrile, Flach, Glättli, Humbel, Marti Samira, Masshardt, Pfister Gerhard, Piller Carrard, Romano, Wermuth) eine Lösung vor, bei welcher die Überbrückungshilfe nicht abgeschafft wird, sondern die Voraussetzungen für deren Bezug verschärft werden. Gemäss diesem Vorschlag können die Ratsmitglieder nur bei einer verpassten Wiederwahl eine Überbrückungshilfe beantragen und können sie diese nur noch während höchstens den ersten sechs Monaten nach dem Ausscheiden aus dem Rat beziehen. Wie bisher ist dies nur möglich, sofern das Ratsmitglied zu diesem Zeitpunkt das 65. Altersjahr noch nicht vollendet hat und noch keine Altersrente bezieht. Gemäss Vorschlag der Minderheit soll es auch weiterhin möglich sein, eine Überbrückungshilfe bei Bedürftigkeit zu beantragen.

3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

3.1

Parlamentsressourcengesetz vom 18. März 1988

Art. 8a Artikel 8a PRG bildet die rechtliche Grundlage für das Beantragen und Entrichten der Überbrückungshilfe. Diesen Artikel gilt es zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative aufzuheben.

Vorschlag der Minderheit Die Minderheit (Streiff, Barrile, Flach, Glättli, Humbel, Marti Samira, Masshardt, Pfister Gerhard, Piller Carrard, Romano, Wermuth) schlägt vor, die Kriterien für den Bezug der Überbrückungshilfe zu verschärfen. So ist Artikel 8a Absatz 1 Buchstabe a dahingehend anzupassen, dass nur Ratsmitglieder die Überbrückungshilfe beantragen können, die die Wiederwahl in den National- oder Ständerat verpasst haben.

Ratsmitglieder, die freiwillig zurücktraten, sind entsprechend von der Überbrückungshilfe ausgeschlossen. Dies deshalb, weil sie ihren beruflichen Wiedereinstieg im Voraus planen können.

In Artikel 8a Absatz 2 soll die Bezugsdauer der Überbrückungshilfe den Lohnersatzansprüchen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angepasst werden, die eine ungerechtfertigte fristlose Kündigung (Art. 337c OR) durch die Arbeitgeberin oder den Arbeitgeber erhalten haben. Betroffene Arbeitnehmende können Anspruch auf bis zu sechs Monatslöhne erheben, weshalb die maximale Bezugsdauer der Überbrückungshilfe ebenfalls auf sechs Monate nach dem Ausscheiden aus dem Rat zu beschränken ist.

Artikel 8a Absatz 2bis ist neu einzufügen. Die Überbrückungshilfe wird nur an ehemalige Ratsmitglieder ausgerichtet, die keine ALV-Beiträge beziehen.

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3.2

Verordnung zum Parlamentsressourcengesetz

Art. 8b Dieser Artikel ist als Folge der Aufhebung von Artikel 8a PRG ebenfalls aufzuheben, sofern die Überbrückungshilfe wegfällt. Im Vorschlag der Minderheit ist diese Bestimmung unverändert zu belassen.

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Auswirkungen

4.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Bei einer Abschaffung der Überbrückungshilfe werden zukünftige Kosten ausschliesslich bei der ALV anfallen.

Von 2004 bis 2018 wurden Überbrückungshilfen in der Höhe von CHF 923 000 ausbezahlt. Die Höhe der Unterstützungsbeiträge variierte dabei stark von Jahr zu Jahr, erreichte ihre Spitzen aber immer im Jahr nach den eidgenössischen Wahlen.

So wurden 2004 CHF 179 000 ausbezahlt, 2008 waren es CHF 124 000, im Jahr 2012 wiederum CHF 179 000 und zuletzt im Jahr 2016 CHF 94 000. In der 49. Legislaturperiode (2011­2015) haben sieben abgewählte Ratsmitglieder und eine nicht mehr antretende Person eine Überbrückungshilfe erhalten. In der 50. Legislaturperiode (2015­2019) betraf es zwei abgewählte und zwei nicht mehr antretende Ratsmitglieder. Es wurden keine Gesuche aufgrund von Bedürftigkeit gestellt.

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Abschaffung der Überbrückungshilfe sich nicht sofort auf das Budget des Parlamentes auswirken wird, da die vor der Aufhebung von Artikel 8a PRG gewährten Überbrückungshilfen weiterhin ausgerichtet werden müssen (erworbene Ansprüche). Die Kosten werden in den zwei Jahren nach Inkrafttreten also schrittweise sinken.

Die Abschaffung der Überbrückungshilfe hat keine personellen Auswirkungen. Der aktuelle Aufwand für die Abwicklung durch die Parlamentsdienste ist zu gering, als dass ein Wegfall zu Einsparungen führen würde.

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Rechtliche Grundlagen

Das PRG und dessen hier vorgeschlagene Änderungen stützen sich auf Artikel 164 Absatz 1 Buchstabe g Bundesverfassung, wonach die grundlegenden Bestimmungen über die Organisation und das Verfahren der Bundesbehörden in einem Bundesgesetz erlassen werden müssen. Die VPRG stützt sich auf Artikel 70 Absatz 1 ParlG: die Bundesversammlung erlässt die rechtsetzenden Ausführungsbestimmungen über die Parlamentsverwaltung in der Form von Verordnungen der Bundesversammlung.

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