18.087 Botschaft zur Genehmigung und Umsetzung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Rechtsgrundlagen zur Errichtung und Nutzung des Einreiseund Ausreisesystems (EES) (Verordnungen [EU] 2017/2226 und 2017/2225; Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands) und Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) vom 21. November 2018

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung und die Umsetzung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Rechtsgrundlagen zur Errichtung und Nutzung des Einreise- und Ausreisesystems (EES) (Verordnungen [EU] 2017/2226 und 2017/2225) (Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands) und die damit erforderlichen Gesetzesanpassungen. Zudem unterbreiten wir Ihnen eine weitere Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

21. November 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2017-1120

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Übersicht Die vorliegende Botschaft bezieht sich auf die Genehmigung und Umsetzung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Rechtsgrundlagen zur Errichtung und Nutzung des Einreise- und Ausreisesystems (EES) (Verordnungen [EU] 2017/2226 und 2017/2225; Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands) und die damit notwendigen Anpassungen auf Gesetzesstufe. Unabhängig davon enthält sie eine weitere Anpassung des Ausländerund Integrationsgesetzes (AIG).

Ausgangslage Die Verordnungen (EU) 2017/2226 zur Errichtung eines EES und (EU) 2017/2225 zur Änderung des Schengener Grenzkodex (SGK) in Bezug auf die Nutzung des EES wurden am 30. November 2017 vom Europäischen Parlament und vom Rat der EU verabschiedet und der Schweiz am 17. Januar 2018 als Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands notifiziert. Das Parlament ist für die Übernahme und Genehmigung dieser Schengen-Weiterentwicklungen sowie deren Umsetzung im AIG zuständig.

Inhalt der Vorlage Die neuen EU-Verordnungen sollen die Sicherheit des Schengen-Raumes erhöhen, und durch die Automatisierung zahlreicher Prozesse die Grenzkontrolle effizienter gestalten, um die stetig steigende Zahl an Reisenden in den Schengen-Raum bewältigen zu können.

Das EES dient der elektronischen Erfassung der Ein- und Ausreisen von Drittstaatsangehörigen, die für einen kurzen Aufenthalt in den Schengen-Raum einreisen, und der Erfassung von Einreiseverweigerungen. Es berechnet dazu die effektive Aufenthaltsdauer im Schengen-Raum. Mit dem EES soll einerseits die irreguläre Migration einfacher entdeckt werden (insbesondere Personen, die sich zulange im Schengen-Raum aufhalten); andererseits sollen undokumentierte Reisende bei Kontrollen an den Schengen-Aussengrenzen und im Schengen-Binnenraum unter anderem mit der Hilfe von biometrischen Identifikatoren (Gesichtsbild und Fingerabdrücke) identifiziert werden.

Die Schengen-Staaten haben zusätzlich die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis ein nationales Erleichterungsprogramm (National Facilitation Programme, NFP) einzurichten und dieses gegenseitig anzuerkennen. Mit einem NFP sollen vielreisende Drittstaatsangehörige, die nach vorgängiger Sicherheitsüberprüfung den Status eines «registrierten Reisenden» erlangt haben, von einer erleichterten Grenzkontrolle profitieren können, da beim
Grenzübertritt nicht mehr zwingend nach dem Aufenthaltszweck und den finanziellen Mitteln gefragt werden muss.

Da der Aufbau eines NFP freiwillig ist, hat der Bundesrat beschlossen, dieses Projekt vorläufig auszusetzen, um die vorhandenen beschränkten Ressourcen auf das EES zu konzentrieren, das zwingend umgesetzt werden muss. Die Möglichkeit, ein

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NFP einzurichten, soll aber gestützt auf der Grundlage der Erfahrungen und Entwicklungen auf europäischer Ebene zu einem späteren Zeitpunkt erneut geprüft werden.

Neue Bestimmung im AIG Unabhängig von diesen Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands soll im AIG eine Gesetzeslücke geschlossen und die Kompetenz des Bundesrats geregelt werden, Ausnahmen von den Einreisevoraussetzungen vorzusehen (Art. 5 AIG). Diese Ausnahmen beschränken sich auf die Einreise aus humanitären Gründen, aus Gründen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen. Der Bundesrat macht heute schon von dieser Kompetenz auf Verordnungsstufe Gebrauch.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.2 Verlauf der Verhandlungen 1.3 Verfahren zur Übernahme der Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands 1.4 Überblick über den Inhalt der Vorlage

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Inhalt der Verordnungen 2.1 Übernahme der EES-Verordnung 2.1.1 Inhalt der EES-Verordnung 2.1.2 Neu beantragte Regelung 2.2 Übernahme der Verordnung (EU) 2017/2225 zur Änderung des SGK 2.2.1 Übersicht der Änderungen des SGK 2.2.2 Verwendung automatisierter Grenzkontrollsysteme an der Schengen-Aussengrenze (nArt. 8a, 8b und 8c SGK) 2.2.3 Freiwillige Einführung eines NFP (nArt. 8d SGK) 2.2.4 Weitere Änderungen des SGK 2.2.5 Neu beantragte Regelung

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3

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats 3.1 Im Allgemein 3.2 Datenschutz bei der EES-Verordnung 3.3 Verzögerungen bei der automatisierten Grenzkontrolle und Bedürfnisse der Flughäfen 3.4 Dauer der Datenspeicherung 3.5 Kosten für die Umsetzung der EES-Verordnung 3.6 NFP

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193 193 193 196 197 200 201 201 202 204 204 205 207

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Neue Bestimmung im AIG

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Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen 5.1 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des AIG (Art. 2 und Anhang Bundesbeschluss) 5.2 Erläuterungen zur Änderung des AIG

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Auswirkungen der Übernahme der Rechtsgrundlagen zum EES und der damit verbundenen Anpassungen im AIG 6.1 Auswirkungen auf den Bund 6.1.1 Finanzielle Auswirkungen 6.1.2 Personelle Auswirkungen

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6.2 6.3 6.4

Auswirkungen auf die Kantone Beiträge der Schweiz an EES auf EU-Ebene Unterstellung unter die Ausgabenbremse

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Auswirkungen der Änderung des AIG

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Verhältnis zur Legislaturplanung

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Rechtliche Aspekte 9.1 Verfassungsmässigkeit des Bundesbeschlusses 9.2 Erlassform 9.2.1 Erlassform des Vertrags 9.2.2 Erlassform des Umsetzungserlasses 9.3 Verfassungsmässigkeit der Änderung des AIG 9.4 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 9.5 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen 9.6 Verhältnis zum europäischen Recht

223 223 223 223 224 224 224 225 225

Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Rechtsgrundlagen zur Errichtung und Nutzung des Einreise-/Ausreisesystems (EES) (Verordnungen [EU] 2017/2226 und 2017/2225) (Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands) (Entwurf)

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Notenaustausch vom 15. Februar 2018 zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) 2017/2226 über ein Einreise- und Ausreisesystem (EES) und zur Änderung des Schengener Durchführungsübereinkommens sowie der Verordnungen (EG) Nr. 767/2008 und (EU) Nr. 1077/2011 (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands)

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Notenaustausch vom 15. Februar 2018 zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) 2017/2225 zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/399 in Bezug auf die Nutzung des Einreise- und Ausreisesystems (Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands)

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Änderung des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) (Entwurf)

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Im Rahmen des Schengen-Assoziierungsabkommens (SAA)1 zwischen der Schweiz und der EU/EG hat sich die Schweiz gegenüber der EU grundsätzlich zur Übernahme und zur Umsetzung aller Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands verpflichtet (Art. 2 Abs. 3 und Art. 7 SAA).

Im vorliegenden Fall wurden der Schweiz am 17. Januar 2018 zwei neue europäische Rechtsakte notifiziert, die Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands darstellen.

Es handelt sich einerseits um die Verordnung (EU) 2017/22262 (EES-Verordnung) über ein Einreise-/Ausreisesystem (Entry/Exit System, EES) zur Erfassung der Einund Ausreisedaten sowie der Einreiseverweigerungsdaten von Drittstaatsangehörigen an den Aussengrenzen der Mitgliedstaaten; die Verordnung legt zudem die Bedingungen für den Zugang zum EES zu Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecken fest und ändert das Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ)3 sowie die Verordnungen (EG) Nr. 767/2008 (VIS-Verordnung)4 und (EU) Nr. 1077/2011 (eu-LISA-Verordnung)5.

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Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands, SR 0.362.31.

Verordnung (EU) 2017/2226 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2017 über ein Einreise-/Ausreisesystem (EES) zur Erfassung der Einund Ausreisedaten sowie der Einreiseverweigerungsdaten von Drittstaatsangehörigen an den Aussengrenzen der Mitgliedstaaten und zur Festlegung der Bedingungen für den Zugang zum EES zu Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecken und zur Änderung des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen sowie der Verordnungen (EG) Nr. 767/2008 und (EU) Nr. 1077/2011, ABL L 327 vom 9.12.2017, S. 20.

Übereinkommen vom 19. Juni 1990 zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen; Amtsblatt der EU Nr. L 239 vom 22/09/2000 S. 19.

Verordnung (EG) Nr. 767/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über das Visa-Informationssystem (VIS) und den Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten über Visa für einen kurzfristigen Aufenthalt (VIS-Verordnung), ABl. L 218 vom 13. August 2008, S. 60; zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 610/2013, ABl. L 182 vom 29.6.2013, S. 1.

Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Grosssystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, ABl. L 286 vom 1.11.2011, S. 1.

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Andererseits wurde die Verordnung (EU) 2016/3996 (Schengener Grenzkodex, SGK) in Bezug auf die Nutzung des EES angepasst (Verordnung [EU] 2017/22257, vgl. Ziff. 2.2.3). Diese Änderung sieht zudem eine automatisierte Grenzkontrolle sowie ein fakultatives nationales Programm für Drittstaatsangehörige zur Erleichterung der Grenzkontrollen (National Facilitation Programme, NFP) vor.

Die Übernahme dieser Rechtsakte wurde vom Bundesrat am 14. Februar 2018 genehmigt, vorbehaltlich der Zustimmung des Parlaments (vgl. Ziff. 9.1).

1.2

Verlauf der Verhandlungen

Gestützt auf Artikel 4 des SAA sowie die Artikel 2 und 3 der sogenannten Komitologie-Vereinbarung8 mit der EU wirkt die Schweiz in den zuständigen Arbeitsgruppen des Rates der EU und in den Ausschüssen mit, die die Europäische Kommission bei der Ausübung ihrer Durchführungsbefugnisse unterstützen (Komitologie-Ausschüsse). Sie kann insbesondere Stellung nehmen und Anregungen anbringen. Über ein Stimmrecht verfügt die Schweiz jedoch nicht (vgl. Art. 7 Abs. 1 SAA bzw. Art. 5 Abs. 1 Komitologie-Vereinbarung).

Im Jahr 2013 unterbreitete die Europäische Kommission den Schengen-Staaten im Rahmen des Smart-Borders-Pakets je einen Verordnungsentwurf zu einem EES sowie einem Registrierungsprogramm für vielreisende Drittstaatsangehörige (Registered Traveller Programme, RTP). Weil die erste Lesung der Verordnungsentwürfe viele Fragen aufwarf, entschied die Kommission, einen Konzeptnachweis durchzuführen, bestehend aus einer technischen Studie im Jahr 2014 sowie einem Pilotprojekt im Jahr 2015.

Basierend auf den Resultaten dieser Arbeiten veröffentlichte die Kommission am 6. April 2016 einen Verordnungsvorschlag zur Schaffung eines Ein- und Ausreisesystems sowie einen Vorschlag zur entsprechenden Änderung des SGK infolge der Nutzung des EES. Auf das RTP wurde verzichtet zugunsten eines freiwilligen NFP.

Die Diskussionen begannen in der Ratsarbeitsgruppe Grenze im April 2016. Seither wurden die beiden Vorschläge auch in den politischen Gremien auf Ministerebene und Botschafter- sowie hoher Beamtenstufe diskutiert (Justiz und Inneres [JAI], Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten [COREPER], Strategischer Ausschuss für Einwanderungs-, Grenz- und Asylfragen [SAEGA]). Diese Gremien 6

7

8

Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex), ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1; zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2017/2225 ABl L 327 vom 9.12.2017, S. 1.

Verordnung (EU) 2017/2225 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2017 zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/399 in Bezug auf die Nutzung des Einreise-/Ausreisesystems, ABl. L 327 vom 9.12.2017, S. 1.

Vereinbarung vom 22. September 2011 zwischen der Europäischen Union sowie der Republik Island, dem Fürstentum Liechtenstein, dem Königreich Norwegen und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Beteiligung dieser Staaten an der Arbeit der Ausschüsse, die die Europäische Kommission bei der Ausübung ihrer Durchführungsbefugnisse in Bezug auf die Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des SchengenBesitzstands unterstützen, SR 0.362.11.

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tagten als gemischter Ausschuss (COMIX), das heisst im Beisein der an Schengen assoziierten Staaten. Die Vertreterinnen und Vertreter des Bundes und der Kantone brachten ihre Positionen zu den Verordnungsvorschlägen sowohl mündlich als auch schriftlich ein.

Umstritten war in den Diskussionen auf Ratsstufe insbesondere die Aufnahme derjenigen EU-Mitgliedstaaten, die den Schengen-Acquis noch nicht vollständig anwenden, jedoch die Schengen-Evaluation bereits bestanden haben (Bulgarien, Rumänien), in den räumlichen Geltungsbereich des EES.

Die slowakische Ratspräsidentschaft wollte durch einen einheitlichen Rechner die Kumulation der bewilligten Aufenthalte in diesen verschiedenen Ländern unterbinden. Mit diesem Rechner wird entgegen der aktuellen Praxis der Aufenthalt in den EU-Mitgliedstaaten, die den Schengen-Acquis noch nicht vollständig anwenden, an die maximale Aufenthaltsdauer von 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen angerechnet. Die Schweiz hat den Einbezug dieser Staaten in den territorialen Geltungsbereich des EES grundsätzlich unterstützt. Aus ihrer Sicht stellte dieser Vorschlag jedoch eine langjährig etablierte Praxis in Frage. Einige SchengenStaaten, darunter auch die Schweiz, äusserten sich deshalb kritisch. Am Schluss sprach sich dennoch eine Mehrheit der Delegationen für den Vorschlag der slowakischen Ratspräsidentschaft aus.

Ebenfalls lange wurde im Rat die Frage diskutiert, ob bestehende bilaterale Visabefreiungsabkommen, auf deren Basis sich Drittstaatsangehörige länger im entsprechenden Schengen-Staat aufhalten dürfen, als dies für einen Aufenthalt im Schengen-Raum eigentlich vorgesehen ist, beibehalten werden sollen, und wie diese Aufenthalte im Aufenthaltsrechner des EES nachvollziehbar zu dokumentieren sind.

Die Mehrheit sprach sich für die Beibehaltung der bilateralen Visabefreiungsabkommen aus. Infolgedessen wurde eine technische Lösung innerhalb des Systems vorgesehen.

Für umfangreiche Diskussionen sorgte ausserdem die Ausgestaltung des Zugriffs der Strafverfolgungsbehörden auf das EES. Ein Grossteil der Delegationen forderte mehr Flexibilität, wobei der Rechtsdienst des Rates sowie die Kommission vor einer zu offenen Regelung warnten, da diese am EuGH angefochten und allenfalls auch aufgehoben werden könnte.

Die Schweiz setzte sich im Rahmen der gesamten
Verhandlungen dafür ein, das System für die Grenzkontrollbehörden sowie für den Reisenden so einfach wie möglich zu halten. So machte sie Vorschläge zur Umsetzung der Dauer des Aufenthalts im Schengen-Raum im Rahmen der bilateralen Visabefreiungsabkommen innerhalb des EES. Aufgrund ihrer besonderen Situation hat die Schweiz wiederholt Vorschläge eingebracht, wie die Regelung zum Geltungsbereich ausgestaltet werden muss, damit Familienangehörige von Schweizerinnen und Schweizern sowie Familienangehörige von EU-Bürgerinnen und -Bürgern, die in der Schweiz leben, nicht darunterfallen.

Am 27. Februar 2017 verabschiedete der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE-Ausschuss) des Europäischen Parlaments das Verhandlungsmandat für den Trilog. Anlässlich des COREPER vom 2. März 2017 hat eine

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Mehrheit der Schengen-Staaten der maltesischen Präsidentschaft ein Verhandlungsmandat für den Trilog mit dem Europäischen Parlament erteilt.

Im Rahmen des Trilogs äusserte das Europäische Parlament insbesondere seine Besorgnis bezüglich des Datenschutzes. Länger diskutiert wurde deshalb der Zugriff der Strafverfolgungsbehörden sowie der Asylbehörden. Der Zugriff der Asylbehörden wurde gestrichen, obwohl die Schweiz sich für diesen Zugriff engagiert hat. Die beiden Verordnungen wurden schliesslich am 30. November 2017 mit ihrer Unterzeichnung durch die Präsidenten des Europäischen Parlaments und des Rates der EU formell verabschiedet.

1.3

Verfahren zur Übernahme der Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands

Gestützt auf Artikel 2 Absatz 3 SAA hat sich die Schweiz grundsätzlich verpflichtet, alle Rechtsakte, die die EU seit der Unterzeichnung des SAA am 26. Oktober 2004 als Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands erlassen hat, zu übernehmen und soweit erforderlich in das Schweizer Recht umzusetzen.

Artikel 7 SAA sieht ein spezielles Verfahren für die Übernahme und Umsetzung von Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands vor. Zunächst notifiziert die EU der Schweiz «unverzüglich» die Annahme eines Rechtsaktes, der eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands darstellt. Danach verfügt der Bundesrat über eine Frist von dreissig Tagen, um dem zuständigen Organ der EU (Rat der EU oder Kommission) mitzuteilen, ob und gegebenenfalls innert welcher Frist die Schweiz die Weiterentwicklung übernimmt. Handelt es sich wie vorliegend um einen Rechtsakt des Rates der EU und des Europäischen Parlaments, läuft die dreissigtägige Frist ab der Annahme des Rechtsakts durch die EU (Art. 7 Abs. 2 Bst. a SAA).

Soweit die zu übernehmende Weiterentwicklung rechtlich verbindlicher Natur ist, bilden die Notifikation durch die EU und die Antwortnote der Schweiz einen Notenaustausch, der aus Sicht der Schweiz einen völkerrechtlichen Vertrag darstellt. Im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben muss dieser Vertrag entweder vom Bundesrat oder vom Parlament und, im Fall eines Referendums, vom Volk genehmigt werden.

Die beiden der Schweiz notifizierten EU-Verordnungen sind rechtsverbindlich.

Zudem ändern sie das SDÜ sowie drei EU-Verordnungen, die die Schweiz mittels Notenaustausch bereits übernommen hat. Die Übernahme der vorliegenden EUVerordnungen hat deshalb auch über den Abschluss eines Notenaustauschs zu erfolgen.

Im vorliegenden Fall ist die Bundesversammlung für die Genehmigung der Notenaustausche zuständig (vgl. Ziff. 9.1). Entsprechend muss die Schweiz der EU in ihren beiden Antwortnoten mitteilen, dass die betreffende Weiterentwicklung für sie erst «nach Erfüllung ihrer verfassungsrechtlichen Voraussetzungen» rechtsverbindlich wird (Art. 7 Abs. 2 Bst. b SAA). Ab der Notifizierung der Rechtsakte durch die EU verfügt die Schweiz für die Übernahme und Umsetzung der Weiterentwicklun-

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gen über eine Frist von höchstens zwei Jahren. Innerhalb dieser Frist muss eine allfällige Referendumsabstimmung stattfinden.

Ist das innerstaatliche Verfahren abgeschlossen und sind alle verfassungsrechtlichen Voraussetzungen im Hinblick auf die Übernahme und Umsetzung der beiden EUVerordnungen erfüllt, so unterrichtet die Schweiz den Rat und die Kommission unverzüglich in schriftlicher Form hierüber. Kommt kein Referendum zustande, erfolgt diese Mitteilung, die der Ratifizierung der Notenaustausche gleichkommt, unverzüglich nach Ablauf der Referendumsfrist.

Im vorliegenden Fall wurden die beiden Verordnungen am 30. November 2017 mit der Unterzeichnung durch die Präsidenten des Europäischen Parlaments und des Rates verabschiedet. Sie wurden der Schweiz am 17. Januar 2018 notifiziert. Die Frist für ihre Übernahme und Umsetzung beginnt somit am 17. Januar 2018 zu laufen und endet am 17. Januar 2020. Diese Frist wird jedoch verlängert, sofern die Umsetzung des Rechtsaktes innerhalb des Schengen-Raums für ein späteres Datum vorgesehen ist. Dies ist beim EES der Fall, da das System voraussichtlich nicht vor 2021 in Betrieb genommen wird. Eine parlamentarische Genehmigung soll jedoch innerhalb der Zweijahresfrist erfolgen.

Eine allfällige Nichtübernahme einer Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands könnte im äussersten Fall die Beendigung der Zusammenarbeit von Schengen insgesamt, und demzufolge auch von Dublin9, nach sich ziehen (Art. 7 Abs. 4 SAA).

1.4

Überblick über den Inhalt der Vorlage

Die Schaffung eines Systems zur Erfassung der Ein- und Ausreisen von Drittstaatsangehörigen, die für einen Kurzaufenthalt in den Schengen-Raum einreisen, ist notwendig, um verschiedenen Herausforderungen, mit denen die Schengen-Staaten konfrontiert sind, zu begegnen. Die Vorteile eines solchen Systems werden nachfolgend erläutert: Bessere Qualität der Kontrollen von Drittstaatsangehörigen an den Schengen-Aussengrenzen Die Anzahl Reisender nimmt ständig zu. Im Jahr 2025 dürfte die Gesamtzahl der regulären Grenzübertritte an den Schengen-Aussengrenzen 887 Millionen erreichen.

Rund ein Drittel dieser Grenzübertritte dürfte durch Drittstaatsangehörige erfolgen, die für einen Kurzaufenthalt in den Schengen-Raum einreisen.

Die Überprüfung von Drittstaatsangehörigen erfolgt zurzeit manuell. Die Abstempelung der Reisedokumente mit Angabe von Datum und Ort der Ein- und Ausreise ist das einzige Mittel, mit dem die Grenzkontrollbehörden und die Fluggesellschaften die zulässige Aufenthaltsdauer berechnen und überprüfen können, ob diese überschritten worden ist. Zudem sind Stempel fälschungsanfällig und teilweise schlecht 9

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Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags, SR 0.142.392.68.

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lesbar. Ein elektronisches System, das zudem biometrische Daten (Gesichtsbild und Fingerabdrücke) enthält, soll effizientere und zuverlässigere Kontrollen ermöglichen.

Personenidentifikation mittels biometrischer Daten Im EES werden vier Fingerabdrücke von nicht visumpflichtigen Drittstaatsangehörigen erfasst. Die biometrischen Daten der Visumgesuchstellerinnen und -gesuchsteller werden bereits heute im zentralen Visainformationssystem (VIS) erfasst, auf das über das EES zugegriffen werden kann. Ausserdem werden für das EES die Gesichtsbilder der Personen, die für einen Kurzaufenthalt in den Schengen-Raum einreisen, erfasst. Diese Elemente ermöglichen eine zuverlässige Kontrolle von Reisenden sowie die Identifikation von Personen mit irregulärem Aufenthalt im Schengen-Raum und eine wirksame Bekämpfung des Identitätsbetrugs.

Automatisiertes Berechnungssystem Das EES ermöglicht den Grenzkontrollbehörden und den Migrationsbehörden, mittels eines spezifischen automatisierten Berechnungssystems die zulässige Aufenthaltsdauer genau und rasch in Erfahrung zu bringen. Sie ist den betroffenen Reisenden mitzuteilen, damit diese darauf achten, die zulässige Aufenthaltsdauer nicht zu überschreiten.

Systematische und zuverlässige Identifikation von Personen, die die zulässige Aufenthaltsdauer überschritten haben Mit dem EES können Personen, die den Schengen-Raum nicht bis zum Ablauf der zulässigen Aufenthaltsdauer (das heisst 90 Tage in einem Zeitraum von 180 Tagen) verlassen haben, zuverlässig identifiziert werden. Die Migrations- und Polizeibehörden haben somit Zugang zu einer Liste der Drittstaatsangehörigen, die den Schengen-Raum hätten verlassen müssen, um diese Personen zu identifizieren und in ihren Herkunftsstaat wegzuweisen. Diese Liste soll den Behörden ermöglichen, optimale Kontrollen in ihrem Hoheitsgebiet durchzuführen und Personen mit irregulärem Aufenthalt aufzugreifen.

Erfassung von Einreiseverweigerungen Wenn die Grenzkontrollbehörde einem Drittstaatsangehörigen an einer Aussengrenze die Einreise verweigert, wird diese Einreiseverweigerung ebenfalls im System erfasst.

System zur automatisierten Grenzkontrolle (e-Gates und Self-Service-Systeme) Dieses System, das aus einem Self-Service-System und einem e-Gate besteht, ermöglicht einen automatisierten Grenzübertritt. Grundsätzlich können
neu alle Reisenden eine automatisierte Grenzkontrolle durchlaufen, wenn sie über einen Reisepass mit (biometrischem) Chip verfügen. Diese Möglichkeit besteht unabhängig davon, ob die betreffende Person im EES eingetragen werden muss oder nicht. Dies

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erleichtert die Arbeit der Grenzkontrollbehörden. Die Bereitstellung von e-Gates10 und Self-Service-Systemen11 ist für die Schengen-Staaten fakultativ. Die Grenzkontrollbehörden entscheiden selber, wann sie diese elektronischen Hilfsmittel einsetzen.

Verstärkung der inneren Sicherheit und Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität Das EES bietet grundlegende Unterstützung bei der Bekämpfung krimineller Aktivitäten wie Menschenhandel, Menschenschmuggel oder Handel mit illegalen Produkten sowie bei der Bekämpfung terroristischer Organisationen und radikalisierter Personen.

Das EES soll zur Verhütung, Aufdeckung und Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten beitragen (z. B. durch Abgleich von Fingerabdruckspuren mit den im EES gespeicherten Fingerabdruckdaten). Der Überblick über die Bewegungen der im System erfassten Personen ergänzt die Informationen, die im Schengener Informationssystem (SIS) verfügbar sind. Aus diesem Grund wurde den entsprechenden Behörden sowie Europol zur Gefahrenabwehr und zu Strafverfolgungszwecken Zugriff auf das EES gewährt.

Analyse gestützt auf EES-Daten Das EES kann wichtige Informationen für die Schengen-Politik und insbesondere die Visapolitik bereitstellen. Es liefert genaue Daten, anhand derer ermittelt werden kann, ob Personen mit einer bestimmten Staatsangehörigkeit ein besonderes Problem in Bezug auf die Überschreitung der zulässigen Aufenthaltsdauer darstellen, was sich auf die Visumpflicht für die Staatsangehörigen dieses Staates auswirken kann.

Dies kann auch für die Schweiz und die EU nützlich sein, um die Auswirkungen der mit Drittstaaten abgeschlossenen Visaliberalisierungsabkommen zu analysieren.

2

Inhalt der Verordnungen

2.1

Übernahme der EES-Verordnung

2.1.1

Inhalt der EES-Verordnung

Die EES-Verordnung regelt die technische Architektur des EES und seine Funktionalitäten sowie die verschiedenen Verfahren zum Austausch der Daten von visumpflichtigen und nicht visumpflichtigen Drittstaatsangehörigen, die für einen Kurzaufenthalt in den Schengen-Raum einreisen (Art. 2 EES-Verordnung). Im System

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11

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Das e-Gate, auch ABC-Gates (Automated Border Control) genannt, ist eine elektronisch betriebene Infrastruktureinrichtung, an der der eigentliche Grenzübertritt an einer Schengen-Aussengrenze oder an einer Binnengrenze, an der die Kontrollen noch nicht aufgehoben wurden, stattfindet.

Das Self-Service-System ist ein Kiosk, über den die Reisenden ihre Daten selber vorerfassen können. Es führt alle oder einige der bei einer Person vorzunehmenden Grenzübertrittskontrollen durch und dient zur Vorabeingabe von Daten in das EES.

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sind das Gesichtsbild aller Reisenden und die Fingerabdrücke der nicht visumpflichtigen Personen gespeichert.

Aufbau des EES Das EES wird an den Schengen-Aussengrenzen verwendet (Art. 4 EES-Verordnung; Spezialregelungen für Staaten, die den Schengen-Besitzstand nicht vollständig anwenden in Abs. 2­5) und von der Europäischen Agentur für IT-Grosssysteme (eu-LISA) betrieben (Art. 5 EES-Verordnung). Es besteht aus einem Zentralsystem und einheitlichen nationalen Schnittstellen in jedem Schengen-Staat (Art. 7 EESVerordnung). Das EES sieht unter anderem eine Interoperabilität mit dem VIS vor (Art. 8 EES-Verordnung). Dank dieser Interoperabilität können die Grenzkontrollbehörden via das EES Daten aus dem VIS einsehen und diese bei Bedarf aktualisieren. Visadaten werden automatisch aus dem VIS in das EES importiert und im EES aktualisiert. Auch die Visumbehörden können das EES ebenfalls aus dem VIS abfragen.

Die EES-Verordnung sieht ein Verfahren für die Datenerfassung vor (Art. 14 EESVerordnung). Erfasst werden namentlich die Personendaten der oder des Reisenden (Name, Staatsangehörigkeit, Geburtsdatum) und Informationen zu den Reisedokumenten. Damit wird ein persönliches EES-Dossier erstellt. Zuvor wird geprüft, ob bereits ein Dossier besteht. Falls eines besteht, wird es aktualisiert.

Die einheitliche nationale Schnittstelle (NUI) ist das Portal, über das sich die Schweiz an das Zentralsystem EES anbinden wird. Diese Schnittstelle muss eine temporäre Speicherung der Daten bei technischen Problemen mit dem EES ermöglichen (Art. 21 EES-Verordnung). Die Staaten müssen sicherstellen, dass eine solche Datenspeicherung an allen Grenzübergangsstellen technisch möglich ist.

Die EES-Verordnung sieht vor, dass die von jedem Staat erfassten Daten, mit Ausnahme der biometrischen Daten, in einem nationalen System oder in nationalen Dateien gespeichert werden können. Die Dauer der Speicherung darf jedoch die Datenspeicherfrist des Zentralsystems nicht überschreiten. Die Schweiz müsste die Daten somit auf eigene Kosten, auf eigenes Risiko und mit ihren eigenen technischen Mitteln speichern (Art. 40 EES-Verordnung). Zurzeit ist kurz- oder langfristig kein nationales EES geplant, da ein solches EES-System nur die eigenen Datensätze beinhalten würde und da jederzeit ein Zugriff auf das EES-Zentralsystem gewährleistet
ist, das sämtliche Daten enthält. Daher wird keine Gesetzesbestimmung zum nationalen EES geschaffen.

Datenerfassung und Erstellung des Dossiers Die personenbezogenen Daten von Visuminhaberinnen und -inhabern sowie von nicht visumpflichtigen Drittstaatsangehörigen sind zu erfassen (Art. 16 und 17 EESVerordnung). Um das persönliche EES-Dossier einer Visuminhaberin oder eines Visuminhabers zu erstellen oder zu aktualisieren, können die Daten von der Grenzkontrollbehörde aus dem VIS in das EES importiert werden (Art. 18bis VIS-Verordnung).

Grundsätzlich wird das Gesichtsbild vor Ort aufgenommen. In Ausnahmefällen wird das Gesichtsbild elektronisch aus dem Chip des maschinenlesbaren Reisedokuments

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(e-MRTD, electronic Machine Readable Travel Document) extrahiert (Art. 15 EESVerordnung). Im Fall von visumbefreiten Drittstaatsangehörigen werden vier Fingerabdrücke der rechten und, falls dies nicht möglich ist, die der linken Hand, erfasst.

Drittstaatsangehörige können ein Self-Service-System nutzen, um ihre Daten vorab im EES zu erfassen. Die Grenzkontrollbehörde überprüft dann die Datenerfassung, bevor die Daten in das EES Zentralsystem übermittelt werden.

Grenzkontrolle und Aufenthaltsdauer Bei jeder Einreise in den Schengen-Raum werden das Datum, die Zeit, die Grenzübergangsstelle und die Behörde, die die Einreise genehmigt hat, erfasst. Bei jeder Ausreise werden das Datum, die Zeit und die Grenzübergangsstelle erfasst. Bei der Ein- und Ausreise findet zudem jeweils ein Abgleich der Biometrie (Gesichtsbild oder Fingerabdrücke) zwecks Identifikation statt. Personen, die die zulässige Aufenthaltsdauer im Schengen-Raum überschritten haben, werden den Grenz- und Migrationsbehörden gemeldet. Die Behörden haben zudem die Drittstaatsangehörigen über die maximale Dauer des zulässigen Aufenthalts zu informieren (nArt. 8 Abs. 9 SGK). Diese Information erfolgt durch den Grenzkontrollbeamten bzw. die Grenzkontrollbeamtin. Die betroffenen Personen können sich selber mittels einer an der Grenzübergangsstelle installierten Einrichtung via einen Web-Dienst über die verbleibende zulässige Aufenthaltsdauer informieren (Art. 11 und 13 EES-Verordnung).

Die Beförderungsunternehmer benutzen diesen Web-Dienst ebenfalls, um zu überprüfen, ob Drittstaatsangehörige, die im Besitz eines Visums für einen kurzfristigen Aufenthalt sind, die Zahl der mit ihrem Visum zulässigen Einreisen bereits in Anspruch genommen haben (Art. 13 Abs. 3 EES-Verordnung i. V. m. Art. 26 Abs. 1 Bst. b SDÜ). Für die Einreise in die Schweiz betrifft dies lediglich die Fluggesellschaften.

Einreiseverweigerung und Anpassung des Dossiers Wenn die für die Grenzkontrolle zuständigen Behörden die Einreise nach Artikel 14 SGK verweigert, erstellt oder aktualisiert sie das persönliche EES-Dossier und vermerkt darin die Einreiseverweigerung (Art. 18 EES-Verordnung). Im System werden der Grund für die Einreiseverweigerung, die zuständige Behörde, die Grenzübergangsstelle sowie das Datum und die Zeit der verweigerten Einreise erfasst. Bei einem
Widerruf, einer Annullierung oder einer Verlängerung des zulässigen Aufenthalts oder des Visums (Art. 19 EES-Verordnung) sind verschiedene Daten dem Dossier beizufügen. Die Daten können falls nötig aus dem VIS importiert bzw. im VIS entsprechend aktualisiert werden.

Speicherdauer der Daten Die Daten werden während drei Jahren ab dem Datum des Ausreisedatensatzes oder des Einreiseverweigerungsdatensatzes gespeichert. Nach Ablauf der Speicherfrist werden die entsprechenden Daten automatisch aus dem EES gelöscht. Wenn keine Ausreise erfolgt, wird der Datensatz nach fünf Jahren gelöscht (Art. 34 EES-Verordnung).

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Abfrage des EES Das EES muss zur Prüfung von Visumgesuchen und zur Entscheidung über solche Gesuche abgefragt werden (Art. 24 EES-Verordnung). Der Zugriff auf das EES kann auch zwecks Verifizierung der Identität von Reisenden erfolgen oder um zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Einreise oder den Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten erfüllt sind. Ferner kann der Zugriff auf das EES zum Zweck der Identifizierung von Drittstaatsangehörigen erfolgen, die möglicherweise unter einer anderen Identität im EES erfasst wurden oder die die Voraussetzungen für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten oder den dortigen Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllen (Art. 26 und 27 EES-Verordnung).

Ein Zugriff zur Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten ist ebenfalls vorgesehen, ähnlich wie beim zentralen Schengener Visa-Informationssystem (Kap. IV). Um die Daten zu erhalten, müssen sich die berechtigten Behörden an eine zentrale nationale Zugangsstelle wenden, die prüft, ob die Voraussetzungen für den Zugriff erfüllt sind. Ist dies der Fall, greift die nationale zentrale Zugangstelle auf die Daten des EES zu und übermittelt sie den Behörden, die den Zugang beantragt haben (Art. 29 EES-Verordnung). Die zentrale Zugangsstelle in der Schweiz wird die Einsatzzentrale des Bundesamtes für Polizei (Fedpol) sein.

Der Zugriff auf die Daten des VIS zu Strafverfolgungszwecken hat sich bewährt.

Die Schengen-Staaten haben Fälle von Personen gemeldet, die gewaltsam ums Leben kamen und nur mit dem Zugriff auf das VIS identifiziert werden konnten.

Auch in Fällen von Menschenhandel, Terrorismus oder Drogenhandel hat der Zugriff auf die Daten des VIS bedeutende Fortschritte bei den Ermittlungen ermöglicht. Es ist deshalb absolut gerechtfertigt, einen ähnlichen Zugriff auf die Daten von Personen, die in den Schengen-Raum einreisen, vorzusehen.

Ausserdem wird Europol über ein Instrument verfügen, mit dem unbekannte Verdächtige, Kriminelle oder mutmassliche Opfer von terroristischen Handlungen oder anderen schweren Straftaten identifiziert werden können, falls die Datenbanken, die Europol zugänglich sind, keine Ergebnisse erbracht und keine Identifizierung einer dieser Kategorien von Verdächtigen ermöglicht haben (Art. 30 und 33 EES-Verordnung). Die
VIS-Abfrage kann gemäss dem Beschluss 2008/633/JAI12 (VIS-Beschluss) erfolgen (Art. 33 Abs. 2 EES-Verordnung).

Anpassung des SDÜ (Art. 60) Der Artikel 20 SDÜ wird dahingehend angepasst, dass die Schengen-Staaten den Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen in ihrem Hoheitsgebiet über 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen hinaus verlängern können, wenn sie vor dem Inkrafttreten des SDÜ entsprechende bilaterale Abkommen abgeschlossen haben. Der zulässige 12

Beschluss 2008/633/JI des Rates vom 23. Juni 2008 über den Zugang der benannten Behörden der Mitgliedstaaten und von Europol zum Visa-Informationssystem (VIS) für Datenabfragen zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung und Ermittlung terroristischer und sonstiger schwerwiegender Straftaten (Beschluss des Rates); (ABl. L 218 vom 13.8.2008, S. 129).

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Aufenthalt der oder des Drittstaatsangehörigen kann auf Antrag verlängert werden.

Wird er verlängert, darf die oder der betreffende Drittstaatsangehörige sich nur im Hoheitsgebiet dieses Schengen-Staates aufhalten, und die Ausreise muss über die Schengen-Aussengrenze dieses Schengen-Staates erfolgen (Abs. 2a­2d).

Anpassung der VIS-Verordnung Die VIS-Verordnung wird angepasst, um den Visumbehörden Abfragen des EES zu ermöglichen. Die angepassten Artikel 10, 13, 14 und 15 erlauben insbesondere den Export der Daten der Visumgesuchstellerinnen und -gesuchsteller in das EES. Ein neuer Artikel 17a befasst sich mit der Interoperabilität mit dem EES. Artikel 18 betreffend die Kontrollen an den Aussengrenzen des Schengen-Raums wird umformuliert. Ein neuer Artikel 18a befasst sich mit der Übernahme der Daten des VIS, um ein persönliches EES-Dossier zu erstellen oder zu aktualisieren oder um die Einreiseverweigerung einer Visuminhaberin bzw. eines Visuminhabers zu erfassen.

Die Daten des VIS können auch benutzt werden im Hinblick auf die Schaffung eines persönlichen EES-Dossiers eines nicht visumpflichtigen Reisenden insbesondere um zu prüfen, ob diese Person bereits zuvor im VIS erfasst worden ist (aufgrund seiner Nationalität). Ferner können die Daten des VIS benutzt werden bei der Einreise in einen Staat, der die VIS-Verordnung anwendet, wenn das persönliche EES-Dossier von einem Staat erstellt wurde, der die genannte Verordnung noch nicht anwendet (Art. 19a VIS-Verordnung). Die Artikel 20, 26 und 34 werden ebenfalls geringfügig geändert und stellen einen Bezug zum neuen EES her.

Anpassungen der eu-LISA-Verordnung Mit dem EES unterhält die Agentur eu-LISA ein weiteres schengenweites Informationssystem, weshalb deren Aufgaben ausgeweitet werden.

Insbesondere sind die Aufgaben im Zusammenhang mit Schulungen zur technischen Nutzung des Systems (nArt. 5a eu-LISA-Verordnung) auch auf das EES anzuwenden. Ausserdem sind die Aufgaben im Zusammenhang mit dem operativen Betrieb der Kommunikationsinfrastruktur (nArt. 7 Abs. 5 und 6 eu-LISA-Verordnung), beispielsweise die Verfolgung der Entwicklungen in der Forschung durch die Agentur (nArt. 8 Abs. 1 eu-Lisa-Verordnung), auch auf das EES anwendbar. Die Agentur muss namentlich Berichte über die Entwicklung und den Betrieb des EES annehmen, die Berichte des
Europäischen Datenschutzbeauftragten prüfen (nArt. 12 Abs. 1 eu-Lisa-Verordnung) und Statistiken erstellen. Ausserdem wird eine Beratergruppe für das EES ins Leben gerufen, wie sie bereits für die anderen Informationssysteme bestehen (nArt. 19 eu-Lisa-Verordnung).

Inbetriebnahme und Teilnehmer Wenn die Schengen-Staaten einerseits ihre technische und rechtliche Bereitschaft zur Datenübermittlung nach den Artikeln 16­20 der EES-Verordnung der Kommission mitgeteilt und andererseits die in Artikel 65 der EES-Verordnung vorgesehenen Notifikationen vorgenommen haben, bestimmt die Kommission das Datum der Inbetriebnahme des Systems (Art. 66 EES-Verordnung).

Die Inbetriebnahme ist zurzeit für 2021 geplant.

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Die Teilnehmerstaaten sind die Schengen-Staaten sowie die Staaten, die den Schengen-Besitzstand nicht vollständig anwenden, aber die Schengen-Evaluation bestanden haben und den Schengen-Besitzstand in Bezug auf das VIS und das SIS anwenden (Art. 66 Abs. 2 und 3 EES-Verordnung). Aufgrund dieser Bestimmungen können Rumänien und Bulgarien das EES an ihren Aussen- und Binnengrenzen einsetzen. Ungeachtet dessen bleiben jedoch die Grenzkontrollen zwischen diesen Ländern und den Staaten, die den Schengen-Besitzstand vollständig anwenden, bestehen. Unabhängig davon, ob die betroffene Person visumpflichtig ist und ob sie ein Schengen-Visum oder ein nationales rumänisches oder bulgarisches Visum besitzt, darf die höchstzulässige Aufenthaltsdauer von 90 Tagen in einem Zeitraum von 180 Tagen im gesamten Schengen-Raum nicht überschritten werden. Die EU hat hier ihren politischen Willen gezeigt, eine Kumulierung der Aufenthaltszeiten zwischen Rumänien, Bulgarien und den anderen Schengen-Staaten zu verhindern.

2.1.2

Neu beantragte Regelung

Die meisten Bestimmungen der EES-Verordnung sind direkt anwendbar und setzen keine Umsetzung im schweizerischen Recht voraus. Gewisse Bestimmungen sind dennoch zu konkretisieren und bedingen Anpassungen im Ausländergesetz vom 16. Dezember 200513 (AuG) bzw. ab 2019 im neuen Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG14). Bei den Bestimmungen, die neu zu ändern sind, wird die neue Kurzform «AIG» verwendet. Bei den Bestimmungen, die auf heute geltendes Recht verweisen, wird weiterhin die Kurzform «AuG» verwendet.

Die Schengen-Staaten müssen zunächst bestimmen, welche Behörden ein persönliches EES-Dossier erstellen und darin die massgeblichen Daten erfassen können (Art. 14­18 EES-Verordnung). Die Behörden, die die Daten ändern und löschen dürfen, sind ebenfalls zu definieren (Art. 19­20 EES-Verordnung). Eine Liste der benannten Behörden ist zudem an die Agentur eu-LISA zu übermitteln (Art. 9 Abs. 2 EES-Verordnung).

Nach Artikel 17 Absatz 2 des Bundesgesetzes über den Datenschutz vom 19. Juni 199215 (DSG) dürfen besonders schützenswerte Personendaten sowie Persönlichkeitsprofile nur bearbeitet werden, wenn ein Gesetz im formellen Sinn dies ausdrücklich vorsieht. Das EES ist ein System, das besonders schützenswerte Daten enthält. Dazu gehören insbesondere die Fingerabdrücke und das Gesichtsbild von Drittstaatsangehörigen, die für einen kurzfristigen Aufenthalt in den SchengenRaum einreisen. Für die Bearbeitung dieser Daten durch die Schweizer Behörden ist somit eine formelle Gesetzesgrundlage im AIG vorzusehen.

Der Artikel 103b E-AIG definiert das EES und seinen Inhalt. Eine angemessene Gesetzesgrundlage muss zudem die Schweizer Behörden bestimmen, die mit dem EES arbeiten werden. Der Artikel 103c E-AIG stellt diese Gesetzesgrundlage dar.

Diese muss auch festlegen, welche Schweizer Behörden auf das automatisierte 13 14 15

SR 142.20 SR 142.20, AS 2017 6521 SR 235.1

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Berechnungssystem zugreifen können, um die verbleibende zulässige Aufenthaltsdauer der Reisenden in Erfahrung zu bringen. Der Artikel 103c E-AIG befasst sich auch mit dem Zugriff auf das EES zur Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten und setzt Kapitel IV der EESVerordnung um.

Bei einer an der Schengen-Aussengrenze erlassenen Einreiseverweigerung sieht Artikel 18 der EES-Verordnung vor, dass diese im System erfasst wird. Es handelt sich hierbei um von der Schweiz erlassene Einreiseverweigerungen gestützt auf Artikel 65 AuG. Hier ist keine Anpassung des geltenden Rechts erforderlich.

Die EES-Verordnung (Art. 41) sieht zudem besondere Bedingungen für die Übermittlung von Daten des Systems an Dritte vor (Drittstaaten, internationale Organisationen, Private). Um das Staatssekretariat für Migration (SEM) entgegen dem geltenden Artikel 111d AuG zur Weitergabe von Informationen zu ermächtigen und ein grundsätzliches Verbot der Weitergabe von Informationen zu verankern, ist eine entsprechende Bestimmung im AIG vorgesehen. Der Artikel 103d E-AIG befasst sich somit mit der Übermittlung von EES-Daten. Der neue Artikel 103e AIG regelt den Informationsaustauch mit EU-Mitgliedstaaten, die die EES-Verordnung nicht oder noch nicht anwenden. Es handelt sich dabei um den Austausch von Informationen im Rahmen der Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten.

Ausserdem werden die Schengen-Staaten aufgrund der EU-Verordnung beauftragt, eine Regelung für Sanktionen bei missbräuchlicher Verwendung der im EES enthaltenen Daten zu bestimmen (Art. 48 EES-Verordnung). Dies ist im Artikel 120d E-AIG für alle Informationssysteme, einschliesslich Eurodac und VIS, vorgesehen.

Artikel 13 Absatz 3 der EES-Verordnung ermöglicht den Fluggesellschaften, über einen Web-Dienst die Gültigkeit und rechtmässige Benützung der von den Passagieren vorgelegten Visa zu überprüfen. Die Fluggesellschaften erhalten eine positive oder negative Antwort und können diese Daten aufbewahren. Artikel 92 Absatz 2 AuG sieht bereits heute vor, dass der Bundesrat den Umfang der Sorgfaltspflicht der Luftverkehrsunternehmen regelt. Somit kann die Pflicht oder die Möglichkeit, die rechtmässige Nutzung eines Visums zu überprüfen, auf Verordnungsstufe festgelegt werden.
Und schliesslich ist eine Delegationsnorm an den Bundesrat vorgesehen, damit dieser in Verordnungen verschiedene Aspekte im Zusammenhang mit dem EES regeln kann (Art. 103f E-AIG).

Die Anpassungen der VIS-Verordnung wirken sich lediglich auf die Verordnung über das zentrale Visa-Informationssystem und das nationale Visumsystem vom 18. Dezember 201316 (VISV) aus und sind nicht in das AIG zu übernehmen.

16

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SR 142.512

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2.2

Übernahme der Verordnung (EU) 2017/2225 zur Änderung des SGK

Mit der Verordnung (EU) 2017/2225 wird der SGK geändert. Die Änderungen gehen hauptsächlich auf die Einführung des Einreise-/Ausreisesystems (EES) zurück (siehe Ziff. 2.1).

2.2.1

Übersicht der Änderungen des SGK

Da mit dem EES die manuelle Abstempelung von Reisedokumenten entfällt und die Ein- und Ausreisedaten direkt im EES erfasst werden, besteht neu die Möglichkeit zur Automatisierung der Grenzkontrollen von Drittstaatsangehörigen, die für einen kurzfristigen Aufenthalt in den Schengen-Raum einreisen.

Die Schengen-Staaten können die Automatisierung der Grenzkontrolle unabhängig von der Aufenthaltsdauer für alle Reisenden einführen.

Sie können selbst entscheiden, ob und in welchem Ausmass sie automatische Grenzkontrollsysteme (Self-Service-Systeme und e-Gates) für die Kontrolle der SchengenAussengrenze nutzen möchten.

Die wichtigsten Änderungen des SGK betreffen die Verwendung von Self-ServiceSystemen und e-Gates bei Personen, die beim Grenzübertritt im EES zu erfassen sind (nArt. 8a und 8b), und das NFP, das die Schengen-Staaten auf freiwilliger Basis einrichten können, wobei ihnen die Möglichkeit offensteht, die NFP-Programme anderer Staaten anzuerkennen (nArt. 8d).

Zudem müssen Drittstaatsangehörige neu zum Zweck der Grenzübertrittskontrolle biometrische Daten bereitstellen (Erw. 4), und die Einreisevoraussetzungen werden entsprechend ergänzt. Weigern sich die Drittstaatsangehörigen, die biometrischen Daten für die Erstellung ihres persönlichen EES-Dossiers oder für die Durchführung der Grenzübertrittkontrollen bereitzustellen, verfügt die Behörde eine Einreiseverweigerung.

2.2.2

Verwendung automatisierter Grenzkontrollsysteme an der Schengen-Aussengrenze (nArt. 8a, 8b und 8c SGK)

Durch die Änderung des SGK sollen die Grenzkontrollverfahren mittels moderner Technologien für alle Reisenden mit einem biometrischen Reisepass, der einen Chip mit Gesichtsbild enthält, beschleunigt und vereinfacht werden.

Die neuen Artikel 8a und 8b SGK regeln die Möglichkeit der Verwendung von SelfService-Systemen und e-Gates zur Durchführung der Grenzübertrittskontrollen von Drittstaatsangehörigen, deren Daten im EES zu erfassen sind. Im Einzelnen haben Artikel 8a und 8b SGK folgenden Inhalt:

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Verwendung von Self-Service-Systemen zur Vorabeingabe von Daten in das EES (nArtikel 8a SGK) Der neue Artikel 8a SGK sieht für Personen, deren Grenzübertritt gemäss Artikel 6a SGK im EES zu erfassen ist, die Möglichkeit der Verwendung von Self-ServiceSystemen vor. Mit diesem Verfahren sollen diese Personen ihre Daten vorab im EES eingeben können (sog. «pre-enrollment»).

Die Betroffenen müssen insbesondere im Besitz eines biometrischen Reisedokuments sein, dessen Daten auf dem Chip mittels gültigem Zertifikat auf ihre Echtheit und Integrität zu überprüfen sind. Das auf dem Chip gespeicherte Gesichtsbild muss für das Self-Service-System technisch zugänglich sein, damit die Identität der Inhaberin oder des Inhabers des Reisedokuments überprüft werden kann. Dabei muss das Gesichtsbild auf dem Chip mit dem direkt vor Ort aufgenommenen Gesichtsbild der Inhaberin oder des Inhabers des Reisedokuments zwingend verglichen werden (Abs. 1).

Neben dem Gesichtsbild können wenn möglich auch die auf dem Chip gespeicherten Fingerabdrücke mit den vor Ort abgenommenen Fingerabdrücken verglichen werden. Dieses analoge Verfahren für den Abgleich der Fingerabdrücke erfolgt nur, wenn entsprechende nationale Rechtsgrundlagen bestehen und die Grenzkontrollorgane über die technische Infrastruktur und den entsprechenden Zertifikatsschlüssel verfügen.

In den Absätzen 2 und 3 sind die von den Self-Service-Systemen durchzuführenden Vorgänge beschrieben. Falls die Person bereits im EES erfasst ist, wird die Identitätskontrolle gestützt auf die vorhandenen Daten vorgenommen (vgl. Art. 23 Abs. 2 EES-Verordnung). Die Identifizierung im EES erfolgt gemäss den Vorgaben von Artikel 23 Absatz 4 und Artikel 27 EES-Verordnung. Zur Identifizierung mittels Fingerabdrücken von visumpflichtigen und nicht visumpflichtigen Drittstaatsangehörigen kann auch auf die VIS-Daten zugegriffen werden, falls sie aufgrund ihrer früheren Nationalität oder Visumpflicht im VIS geführt werden (Art. 19a und Art. 20 der VIS-Verordnung).

Wenn das Self-Service-System feststellt, dass eine Person unabhängig von der Visumpflicht nicht im EES erfasst ist, werden die erforderlichen Daten erhoben und mithilfe des Self-Service-Systems vorab in das EES eingegeben (Abs. 4 Bst. a).

Anschliessend wird die betreffende Person an einen Grenzkontrollbeamten verwiesen. Wurden
nicht alle Daten mithilfe des Self-Service-Systems erhoben, muss der Grenzkontrollbeamte diese eingeben und überprüfen, ob das im Self-Service-System verwendete Reisedokument dem Dokument entspricht, das die Person mit sich führt, und ob die im EES erfassten biometrischen Identifikatoren (Gesichtsbild) mit den vor Ort erfassten biometrischen Identifikatoren der Person übereinstimmen. Wenn eine visumpflichtige Person nicht im Besitz des notwendigen Visums ist, muss der Abgleich der im Self-Service-System abgenommenen Fingerabdrücke mit denjenigen des Reisenden erfolgen.

Schliesslich werden die für die Genehmigung oder die Verweigerung der Einreise notwendigen Daten in das EES eingegeben (Bst. b; vgl. dazu Art. 16 Abs. 2 Bst. a und b und Art. 18 Abs. 6 Bst. a­d EES-Verordnung).

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Die Absätze 5 und 6 beziehen sich auf Fälle, in denen vom Self-Service-System festgestellt wird, dass die betreffende Person bereits im EES erfasst ist, ihr Dossier jedoch aktualisiert werden muss.

Absatz 7 schreibt die Überwachung der Verwendung des Self-Service-Systems durch die Grenzkontrollorgane vor.

Verwendung von Self-Service-Systemen und e-Gates beim Grenzübertritt von Personen, deren Grenzübertritt im EES zu erfassen ist (nArtikel 8b SGK) Der neue Artikel 8b SGK gibt Drittstaatsangehörigen, deren Grenzübertritt im EES zu erfassen ist, die Möglichkeit, das Self-Service-System und das e-Gate zur Durchführung der Grenzübertrittskontrollen zu verwenden.

Im Rahmen dieses zweistufigen Verfahrens können sich die Schengen-Staaten für ein vollautomatisiertes Grenzkontrollsystem (bei dem auf die Verwendung des SelfService-Systems die Möglichkeit zur Benutzung eines e-Gates folgt) oder für ein teilautomatisiertes Grenzkontrollsystem entscheiden (sofern keine e-Gates geplant sind und der Grenzübertritt einer Person stets von einem Grenzkontrollbeamten genehmigt werden muss).

Drittstaatsangehörige, die noch nicht im EES erfasst sind, müssen jedoch stets an einen Grenzkontrollbeamten verwiesen werden (auch wenn sie ein Self-ServiceSystem für die Vorabeingabe ihrer Daten verwenden), damit ihre Erfassung im EES abgeschlossen werden kann. Für diese Reisenden kann daher nur ein teilautomatisiertes Grenzkontrollsystem vorgesehen werden.

In Absatz 1 sind die kumulativen Bedingungen aufgeführt, die Personen erfüllen müssen, damit sie zur Durchführung der Grenzübertrittskontrollen ein Self-ServiceSystem verwenden können (Besitz eines biometrischen Reisedokuments mit Gesichtsbild). Schliesslich muss die Person bereits im EES erfasst sein, oder ihre Daten müssen vorab eingegeben worden sein.

Absatz 2 enthält Einzelheiten zu den Grenzübertrittskontrollen, die bei der Einreise in und der Ausreise aus dem Schengen-Raum über das Self-Service-System oder das automatisierte System vorzunehmen sind.

Die Überwachung der Ergebnisse der automatisierten Grenzkontrolle durch den Grenzkontrollbeamten wird in den Absätzen 3­5 geregelt. Der Grenzkontrollbeamte überwacht die Ergebnisse der Grenzübertrittskontrollen (die mithilfe des SelfService-Systems durchgeführt werden) und genehmigt auf der Grundlage dieser Ergebnisse
die Ein- bzw. Ausreise oder verweist die Person an einen Beamten, der zusätzliche Kontrollen vornimmt.

Absatz 6 sieht vor, dass Personen, die im EES erfasst sind und die für die Grenzkontrolle ein Self-Service-System benutzt haben, e-Gates benutzen können. Er regelt, welche Verbindung zwischen den e-Gates und dem EES herzustellen ist. SchengenStaaten, die sich für die Einrichtung von e-Gates entscheiden, können zudem wählen, ob sie die e-Gates mit den Self-Service-Systemen verknüpfen wollen oder nicht.

Sind die e-Gates und Self-Service-Systeme physisch getrennt, bedeutet dies, dass der Überprüfungsprozess und der eigentliche Grenzübertritt an unterschiedlichen Orten stattfinden. Zudem prüft das e-Gate anhand eines biometrischen Indikators, ob

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die Person, die den Grenzübertritt vornimmt, identisch ist mit der Person, die sich über das Self-Service-System vorregistriert hat.

Absatz 7 betrifft Fälle, in denen eine Person kein biometrisches Reisedokument besitzt oder die Echtheit des Reisedokuments beziehungsweise die Identität der Inhaberin oder des Inhabers nicht verifiziert werden kann. In einem solchen Fall kann das Self-Service-System nur bestimmte Überprüfungen vornehmen. Der Grenzkontrollbeamte darf somit nur die Überprüfungen vornehmen, die nicht mithilfe des Self-Service-Systems durchgeführt werden konnten. Er muss sich auf jeden Fall anhand des Reisedokuments vergewissern, dass die ihm gegenüberstehende Person identisch ist mit der Person, die das Self-Service-System verwendet hat.

Absatz 8 schreibt die Überwachung der Verwendung des Self-Service-Systems und der e-Gates durch die Grenzkontrollorgane vor.

Absatz 9 sieht schliesslich vor, dass die Schengen-Staaten die Verwendung der automatischen Grenzkontrolle auch Unionsbürgerinnen und -bürgern, Staatsangehörigen der an Schengen assoziierten Staaten sowie den Drittstaatsangehörigen, deren Grenzübertritt nicht im EES erfasst werden muss, gestatten können.

Standards für automatisierte Grenzkontrollsysteme (nArtikel 8c SGK) Der neue Artikel 8c SGK regelt, welche Standards für die automatisierten Grenzkontrollsysteme einzuhalten sind. So dürfen Reisende erst ab dem 12. Altersjahr automatisierte Grenzkontrollsysteme verwenden.

2.2.3

Freiwillige Einführung eines NFP (nArt. 8d SGK)

Das NFP kann durch die Schengen-Staaten freiwillig auf nationaler Stufe eingeführt werden (Abs. 1). Zielgruppe eines solchen Systems sind vielreisende Drittstaatsangehörige, die sich nicht auf das Recht auf freien Personenverkehr berufen können und die nach vorgängiger Sicherheitsüberprüfung den Status eines «registrierten Reisenden» erlangen und ­ durch Wegfall der Fragen nach dem Zweck und der Dauer des Aufenthalts, dem Zielort und den notwendigen finanziellen Mitteln ­ von einer erleichterten Grenzübertrittskontrolle profitieren können. Somit entfallen die Überprüfungen nach Artikel 8 Absatz 3 iv und v des SGK17 (Abs. 2).

Damit ein Drittstaatsangehöriger in das NFP aufgenommen werden kann, muss vorab eine Sicherheitsüberprüfung durchgeführt werden (Abs. 3).

17

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Die folgenden Bedingungen sind nicht zwingend zu überprüfen (Art. 8 Abs. 3 Bst. a Schengener Grenzkodex): iv) Überprüfung der Abfahrts- und Zielorte des betreffenden Drittstaatsangehörigen sowie des Zwecks des beabsichtigten Aufenthalts und, soweit erforderlich, Überprüfung der entsprechenden Belege; v) Überprüfung, ob der betreffende Drittstaatsangehörige über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts für die beabsichtigte Dauer und den beabsichtigten Zweck des Aufenthalts, für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügt oder in der Lage ist, diese Mittel rechtmässig zu erwerben.

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Absatz 4 (i. V. m. Abs. 8) führt die Mindestanforderungen auf, die ein Drittstaatsangehöriger erfüllen muss, um Zugang zum NFP zu erhalten (beispielsweise Erfüllung der Einreisevoraussetzungen, gültiges und nicht falsches, verfälschtes oder gefälschtes Visum, Beleg der Absicht oder der Notwendigkeit, häufig in den SchengenRaum zu reisen, Abfrage im SIS).

Die erstmalige Teilnahme am NFP ist auf höchstens ein Jahr beschränkt. Sie kann auf weitere fünf Jahre oder bis zum Ende der Gültigkeitsdauer des Reisedokuments, eines Schengen-Visums für mehrere Einreisen (Kat. C), eines nationalen Visums (Kat. D) oder eines Aufenthaltstitels verlängert werden. Wird die Teilnahme am NFP verlängert, hat jedes Jahr eine Neubewertung der Situation der oder des Drittstaatsangehörigen stattzufinden. Damit wird geprüft, ob die Drittstaatsangehörigen, die Zugang zum NFP erhalten haben, die Mindestanforderungen gemäss Absatz 4 dieser Bestimmung immer noch erfüllen. Es können zudem im Rahmen der Ein- und Ausreise vollständige Überprüfungen stichprobenartig auf der Grundlage einer Risikoanalyse durchgeführt werden (Abs. 6).

Absatz 7 regelt, in welchen Fällen der Zugang zum NFP widerrufen werden kann.

Absatz 9 sieht vor, dass zwei oder mehr Schengen-Staaten, die jeweils eigene NFP eingerichtet haben, Vereinbarungen untereinander abschliessen können, denen zufolge Personen, die in das eigene NFP aufgenommen wurden, auch die im Rahmen der NFP der anderen Schengen-Staaten gewährten Erleichterungen erhalten. Eine Kopie einer solchen Vereinbarung ist der Europäischen Kommission innerhalb eines Monats nach Abschluss zuzustellen.

Die Schengen-Staaten haben bei der Einführung eines NFP sicherzustellen, dass die Datensicherheitsstandards eingehalten werden (Abs. 10).

Die Kommission wird nach drei Jahren der Anwendung von Artikel 8d SGK dem Europäischen Parlament und dem Rat eine Bewertung der Umsetzung vorlegen.

Gestützt darauf können das Europäische Parlament und der Rat die Kommission ersuchen, die Einrichtung eines Unionsprogramms für vielreisende Drittstaatsangehörige vorzuschlagen.

2.2.4

Weitere Änderungen des SGK

Des Weiteren nimmt die vorliegende Verordnung (EU) 2017/2225 folgende Änderungen in den SGK auf: Zusätzliche Begriffsbestimmungen (Art. 2) In den SGK werden unter anderem folgende zusätzliche Begriffsbestimmungen aufgenommen: «Einreise-/Ausreisesystem (EES)», «Self-Service-System», «e-Gate» und «automatisiertes Grenzkontrollsystem».

Abgabe von biometrischen Daten (nArt. 6 Abs. 1 Bst. f) Drittstaatsangehörige haben die für das persönliche Dossier im EES sowie, falls nötig, die für Grenzübertrittskontrollen erforderlichen biometrischen Daten abzugeben.

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Berechnung Zeitraum für Aufenthalt im Schengen-Raum (nArt. 6 Abs. 1a) Der Kurzaufenthalt wird in denjenigen Schengen-Staaten (inkl. Rumänien und Bulgarien), die am EES-Betrieb beteiligt sind, gemeinsam berechnet. Für jene europäischen Staaten, die noch nicht am EES-Betrieb beteiligt sind, wird der Aufenthaltszeitraum gesondert berechnet.

Im EES erfasste Drittstaatsangehörige und Ausnahmeregelungen (nArt. 6a) Der Geltungsbereich des EES ist im SGK festgelegt. Drittstaatsangehörige, die für einen Kurzaufenthalt in den Schengen-Raum zugelassen wurden (Abs. 1) oder denen die Einreise in den Schengen-Raum verweigert wurde (Abs. 2), sind grundsätzlich im EES zu erfassen. Von dieser Pflicht sind gewisse Personengruppen ausgenommen (Abs. 3).

Grenzübertrittskontrolle von Personen (Art. 8) Die Grenzkontrollbeamten haben neu die Echtheit und die Integrität der Daten aller biometrischen Reisedokumente zu prüfen, einschliesslich der europäischen Bürgerinnen und Bürger (nAbs. 2 Bst. a Unterabs. 2 und Bst. b nUnterabs. sowie nAbs. 3 Bst. a Ziff. i Unterabsatz 2).

Zudem ist bei Drittstaatsangehörigen das auf dem Chip gespeicherte Gesichtsbild zu kontrollieren, sofern sie nicht bereits im EES registriert sind. Bei den bereits im EES registrierten Drittstaatsangehörigen findet die Überprüfung des auf dem Chip des Reisedokuments gespeicherten Gesichtsbilds stattdessen bei ihrer Erfassung im EES oder bei der Registrierung eines neuen elektronischen Reisepasses im EES statt (etwa wenn ein alter Reisepass abgelaufen ist).

Der neue Absatz 3 Buchstabe a Ziffer iii regelt die Pflicht, die Überprüfung der Identität von Drittstaatsangehörigen vorzunehmen, deren Einreise bzw. Einreiseverweigerung im EES zu erfassen ist. Diese Überprüfung wird im Einklang mit Artikel 23 Absatz 2 und Absatz 4 der EES-Verordnung durchgeführt.

Die Überprüfung der biometrischen Identifikatoren hat mit denjenigen, die auf dem Chip des Reisedokuments gespeichert sind, zu erfolgen. Bei der Ein- und Ausreise ist die Identität von Drittstaatsangehörigen durch Abfrage des EES und gegebenenfalls des VIS zu verifizieren (nAbs. 2 Bst. b, nAbs. 3 Bst. a Ziff. iii und Bst. g Ziff. iv). Neu wird die Möglichkeit geschaffen, das EES zusätzlich zum VIS zur Identifizierung von Personen zu verwenden, die die Voraussetzungen für die Einreise in das Hoheitsgebiet
der Schengen-Staaten oder den Aufenthalt in diesem Gebiet nicht bzw. nicht mehr erfüllen (neuer Abs. 3 Bst. i Absatz 2).

Die Überprüfung, ob der in den Schengen-Raum einreisende Drittstaatsangehörige die zulässige Höchstdauer des Aufenthalts überschritten hat, erfolgt anstatt durch eine Prüfung der Stempel im Reisepass neu durch die Abfrage im EES (nAbs. 3 Bst. a Ziff. iii a). Ferner wird bei der Einreise überprüft, ob ein Drittstaatsangehöriger, der im Besitz eines für eine oder mehrere Einreisen ausgestellten Visums ist, die maximal zulässige Zahl der Einreisen eingehalten hat (nAbs. 3 Bst. a Ziff. iii a und Bst. g Ziff. iii und iv und Streichung von Bst. h Ziff. ii).

Zur Überprüfung der Echtheit und Gültigkeit der Reisedokumente ist ausdrücklich die Abfrage der einschlägigen Datenbanken vorgesehen (insbesondere des SIS, der 198

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Interpol-Datenbank für verlorene und gestohlene Reisedokumente sowie nationaler Datenbanken mit Angaben zu gestohlenen, missbräuchlich verwendeten, abhanden gekommenen und für ungültig erklärten Reisedokumenten).

Pflicht, auch bei einer Lockerung der Grenzübertrittskontrollen Daten in das EES einzugeben (nArt. 9 Abs. 3) Der bestehende Wortlaut von Artikel 9 SGK wird angepasst, um der Einführung des EES Rechnung zu tragen. Bei der Ein- und Ausreise in den Schengen-Raum sind stets die Daten des Reisenden in das EES einzugeben; dies gilt auch bei Lockerung der Grenzübertrittskontrollen (nAbs. 3).

Einrichtung getrennter Kontrollspuren und Beschilderung (nArt. 10 Abs. 3a und 3b und Anhang III nTeil D) Es werden neu Beschilderungen der Kontrollspuren für automatisierte Grenzkontrollsysteme eingeführt. Im Interesse eines einheitlichen Vorgehens haben alle Schengen-Staaten in diesen Fällen die Schilder in Anhang III nTeil D und Teil E zu verwenden.

Ausnahmen vom Wegfall des Abstempelns der Reisedokumente (nArt. 11 i. V. m. nAnhang IV) Das Abstempeln der Reisedokumente entfällt, da es durch elektronische Einträge zur Einreise in bzw. Ausreise aus dem Schengen-Raum ersetzt wird. Ausgenommen davon sind unter anderem Reisedokumente für den erleichterten Transit (FTD) und für den erleichterten Transit im Eisenbahnverkehr (FRTD) gemäss der EG-Verordnung Nr. 693/200318. Diese Dokumente sind weiterhin bei der Einreise in bzw.

Ausreise aus dem Schengen-Raum abzustempeln. Zudem gibt der neue Artikel 11 den Schengen-Staaten die Möglichkeit, die Reisedokumente von Drittstaatsangehörigen, die einen von dem betreffenden Schengen-Staat ausgestellten Aufenthaltstitel oder ein Visum D besitzen, bei der Ein- und Ausreise abzustempeln, sofern dies im nationalen Recht ausdrücklich vorgesehen ist. Die Schweiz verzichtet darauf, hier Ausnahmeregelungen vorzusehen.

Annahme hinsichtlich der Erfüllung der Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer (nArt. 12) Der bestehende Wortlaut von Artikel 12 SGK wird angepasst, um der Einführung des EES Rechnung zu tragen. In diesem sind gegenwärtig die Verfahren zur Widerlegung der Annahme eines irregulären Aufenthalts im Falle fehlender Ein- oder Ausreisestempel geregelt. In dieser Bestimmung wird neu festgehalten, dass beim Fehlen der entsprechenden Einträge im EES ein irregulärer Aufenthalt
(über 90 Tage in einem Zeitraum von 180 Tagen) angenommen werden kann (Abs. 1); festgehalten werden zudem die Möglichkeiten, diese Annahme zu widerlegen (Abs. 2 und

18

Verordnung (EG) Nr. 693/2003 des Rates vom 14. April 2003 zur Einführung eines Dokuments für den erleichterten Transit (FTD) und eines Dokuments für den erleichterten Transit im Eisenbahnverkehr (FRTD) sowie zur Änderung der Gemeinsamen Konsularischen Instruktion und des Gemeinsamen Handbuchs; ABl. L 99 vom 17.4.2003, S. 8.

199

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Abs. 3). Absatz 4 regelt die Möglichkeit, einen Rückkehrentscheid gegenüber dieser Person zu fällen.

Übergangszeitraum und Übergangsmassnahmen (nArt. 12a) Es ist ein Übergangszeitraum von 180 Tagen nach Inbetriebnahme des EES mit Übergangsmassnahmen vorgesehen. Während diesem Übergangszeitraum müssen die Grenzkontrollbehörden sowohl die in den Reisedokumenten angebrachten Stempel als auch die im EES erfassten Daten prüfen.

Einreiseverweigerung (Art. 14) Die Daten von Drittstaatsangehörigen, denen die Einreise für einen Kurzaufenthalt verweigert wurde, sind wie bereits erwähnt in das EES einzutragen (nAbs. 2).

Wurde in einem Rechtsmittelverfahren festgestellt, dass die Entscheidung über die Einreiseverweigerung unbegründet war, sind die in das EES eingegebenen Daten zu berichtigen (nAbs. 3).

Übergangsmassnahmen für die Schengen-Staaten, die noch nicht am Betrieb des EES beteiligt sind (nArt. 42a) Die Reisedokumente werden bei der Ein- und Ausreise abgestempelt, bis die betreffenden Staaten sich am EES beteiligen (Abs. 1). Absatz 2 regelt die Ausnahmen. Es gelten die in Anhang IV aufgeführten Bestimmungen über das Abstempeln (Abs. 5).

2.2.5

Neu beantragte Regelung

Gegenwärtig regelt Artikel 7 AuG die Grenzübertrittskontrolle an den schweizerischen Aussengrenzen und verweist auf die Schengen-Assoziierungsabkommen.

Automatisierte Grenzkontrollsysteme an der Schengen-Aussengrenze (neue Art. 8a­8c SGK) Seit Januar 2011 regelt Artikel 103a AuG die freiwillige Nutzung eines automatisierten Grenzkontrollsystems am Flughafen. Dieses automatisierte Grenzkontrollsystem dient der zuständigen Grenzkontrollbehörde zur Vereinfachung der Kontrolle von Einreisenden aus Drittstaaten in die Schweiz (und damit in den SchengenRaum) und von Ausreisenden der Schweiz in Drittstaaten (und damit aus dem Schengen-Raum). Bisher war die automatisierte Grenzkontrolle jedoch nicht Teil des Schengen-Besitzstands.

Die Teilnahme an diesen automatisierten Grenzkontrollen gestützt auf Artikel 103a AuG war bisher ausschliesslich für Schweizer Bürgerinnen und Bürger möglich sowie für Personen, die sich auf das Abkommen vom 21. Juni 199919 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen) oder das Übereinkommen vom 4. Januar 196020 zur Errichtung der Euro19 20

200

SR 0.142.112.681 SR 0.632.31

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päischen Freihandelsassoziation (EFTA-Übereinkommen) berufen konnten. Der Ausschluss von Drittstaatsangehörigen von der Teilnahmemöglichkeit berücksichtigte die bisherigen Vorgaben des SGK, wonach dieser Personenkreis beim Grenzübertritt einer eingehenden Kontrolle zu unterziehen ist.

Angesichts der Änderung des SGK sind einerseits der Personenkreis, der automatisierte Grenzkontrollsysteme an den Flughäfen verwenden kann, und andererseits die konkreten Bedingungen für die Nutzung der elektronischen Gates und der SelfService-Systeme (nArt. 103g E-AIG) anzupassen.

Die automatisierte Grenzkontrolle ist bisher in der Verordnung über die Einreise und Visumerteilung vom 22. Oktober 200821 (VEV) konkretisiert. Die entsprechenden Bestimmungen in der VEV müssen angepasst werden.

NFP (neuer Art. 8d SGK) Derzeit gibt es auf Gesetzesstufe keine Bestimmungen, die eine ähnliche Vereinfachung der Grenzkontrolle für Drittstaatsangehörige, die in den Schengen-Raum einoder ausreisen, vorsieht. Sollte die Schweiz beschliessen, diese Möglichkeit umzusetzen, sind die Modalitäten und die Voraussetzungen für diese Erleichterungen zu nennen. Da der Bundesrat entschieden hat, die Einführung des NFP zu sistieren, wird keine neue Regelung in diesem Zusammenhang beantragt. Die im Rahmen der Vernehmlassung vorgeschlagenen Bestimmungen wurden entsprechend aus dem Gesetzesentwurf gestrichen.

3

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens und Haltung des Bundesrats

3.1

Im Allgemein

Gestützt auf Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c und Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben c à e des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 200522 (VlG) wurde eine Vernehmlassung23 durchgeführt.

Zur Vorlage sind 41 Rückmeldungen eingegangen. Insgesamt haben sich 23 Kantone, 4 politische Parteien, drei Dachverbände, das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) sowie 10 weitere interessierte Kreise schriftlich geäussert. Davon haben 4 Teilnehmer ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet (OW, Fédération des Entreprises Romandes, BVGer, Schweizerische Vereinigung der Richterinnen und Richter). GL hat keine Bemerkungen zur Vorlage anzubringen.

Einige Teilnehmer (AR, BS, SG, SH, TG, ZG) begrüssen die Vorlage und damit auch die notwendigen Gesetzesanpassungen und haben keine weiteren Anmerkungen anzubringen.

21 22 23

SR 142.204 SR 172.061, www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2018 > EJPD) www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2018 > EJPD

201

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Die Mehrheit der Teilnehmer (AI, BL, FR, GE, GR, JU, LU, NE, NW, SO, TI, VD, VS, Aerosuisse, Vereinigung der Kantonalen Migrationsbehörden [VKM], Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren [KKJPD], CP, Flughafen Zürich, Flughafen Genf, Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten [KKPKS], Schweizerischer Städteverband [SSV] sowie CVP, FDP und SP) äussern sich grundsätzlich positiv zur gesamten Vorlage und haben einige Bemerkungen.

Viele Teilnehmer (BL, BE, FR, GE, JU, NE, NW, SO, TI, VD, VS, Aerosuisse, CP, VKM, KKJPD, KKPKS, SSV, Flughafen Zürich und Flughafen Genf) haben Anmerkungen zu den finanziellen Auswirkungen des EES auf die Kantone und wünschen entsprechende Präzisierungen.

AI, CVP und FDP sehen in den zu erwartenden Verbesserungen bei der Grenzkontrolle von Drittstaatsangehörigen einen Mehrwert. Die Modernisierung und Automatisierung der Grenzkontrolle wird von zahlreichen Vernehmlassungsteilnehmern ebenfalls positiv hervorgehoben. Aerosuisse ist überzeugt, dass das EES und das Erleichterungsprogramm NFP geeignet sind, die stetig steigende Anzahl der Grenzübertritte zu erleichtern und die Grenzverwaltung zu modernisieren.

Aerosuisse und der Flughafen Genf verlangen eine Koordination mit der auf den 1. Januar 2021 geplanten Umsetzung des europäischen Projekts für eine elektronische Einreisebewilligung (European Travel Information and Authorisation System, ETIAS)24, oder gar eine gleichzeitige Umsetzung.

Asylex bringt einige Kritikpunkte an. Die SVP steht der Vorlage kritisch gegenüber und unterstützt sie nur mit Vorbehalt.

Angesichts der insgesamt positiven Stellungnahmen wird der Entwurf im Wesentlichen beibehalten. Einige Punkte, die Fragen aufgeworfen haben, werden nachfolgend erläutert.

3.2

Datenschutz bei der EES-Verordnung

Einige Vernehmlassungsteilnehmer kritisieren, dass der Datenschutz im Rahmen von EES nicht genügend gewährleistet sei (Asylex, SP). Zu viele Behörden hätten Zugriff auf diese Daten. VD stellt ebenfalls fest, dass insbesondere einige der Zugriffsrechte, die der Bundesrat regelt (Art. 103e Bst. a­k), heikel seien, und verlangt klare und strenge Rechtsgrundlagen. Die Behörden sollten nur auf massgebende Daten zugreifen dürfen. VD schlägt zudem vor, dass nur die Migrationsbehörden Zugang zur Liste der Personen mit unrechtmässigem Aufenthalt haben sollen (Bst. k).

Die SP fordert bei der Umsetzung der EES-Verordnung und der Änderung des SGK, dass die Oberaufsicht über die Einhaltung des Datenschutzes verstärkt, die Normdichte deutlich erhöht und die entsprechenden Interaktionen mit der EU geklärt 24

202

Verordnung (EU) 2018/1240 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. September 2018 über die Einrichtung eines Europäisches Reiseinformations- und -genehmigungssystems (ETIAS) und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1077/2011, (EU) Nr. 515/2014, (EU) 2016/399, (EU) 2016/1624 und (EU) 2017/2226, Fassung gemäss ABL L 236 vom 19.9.2918, S. 1.

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werden. Die SP erachtet es als falsch, den EU-Institutionen die Oberaufsicht über die Einhaltung des Datenschutzes zu überlassen. Zudem werde das Recht von Personen an ihren Daten und deren Bearbeitung lediglich im Zusammenhang mit dem EES erwähnt und fehle mit Blick auf andere Informationssysteme. Asylex verlangt zudem mehr Sicherheit für Personendaten im schweizerischen Recht (Art. 43 EESVerordnung).

Ausserdem sprechen sich Asylex und andere Vernehmlassungsteilnehmer dafür aus, dass das Datenschutzniveau der EU, das heisst die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)25, die seit dem 25. Mai 2018 in Kraft ist, massgebend sein soll.

Die SP schlägt in Bezug auf die Benutzung des EES zwecks Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten vor, zu definieren, was unter einer solchen Straftat zu verstehen sei. Sie schlägt zudem vor, dass in Artikel 103c E-AIG ein neuer Absatz hinzugefügt wird, der festhält, dass jede zuständige Behörde sicherzustellen habe, dass die Datenbearbeitung in einem angemessenen Verhältnis zu den verfolgten Zielen stehe und nur erfolge, soweit sie für die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich sei.

Haltung des Bundesrates Die EES-Verordnung sieht spezifische Vorschriften zum Datenschutz vor (Art. 39, 43 und 55 ff.). So hat die Schweiz, wie die anderen Schengen-Staaten, sicherzustellen, dass die erhobenen und im EES erfassten Daten rechtmässig verarbeitet werden.

Zudem verweist die EES-Verordnung auf die Regelungen in der DSGVO. Obwohl diese Verordnung gemäss der Europäischen Union keine Schengen-Weiterentwicklung darstellt, hat die schweizerische Gesetzgebung faktisch den Anforderungen dieser Verordnung in dem Sinne zu entsprechen, dass sie einen gleichwertigen Schutz in Datenschutzbelangen gewährleistet.

Dies ist auch deshalb notwendig, um auch weiterhin eine Bestätigung über das angemessene Datenschutzniveau von der EU zu erhalten (sog. Angemessenheitsbeschluss). Die Revision des DSG, die diese Anforderungen berücksichtigt, befindet sich derzeit in parlamentarischer Beratung.

Wie bereits bei der rechtlichen Umsetzung der VIS-Verordnung und des VISBeschlusses werden bestimmte Punkte, die in der EES-Verordnung geregelt sind, im Hinblick auf den Datenschutz auf Verordnungsstufe konkretisiert (Art. 103e E-AIG). So werden
beispielsweise die Datensicherheit (Art. 43 EES-Verordnung), die Datenschutzrechte (Zugriff, Berechtigung und Löschung der Daten) und die Rolle der Überwachungsbehörde in der Ausführungsverordnung näher geregelt (Art. 50 ff. Kap. 7 EES). Wie bei VIS wird jedoch das Recht von Personen an ihren Daten direkt auf Verordnungsstufe geregelt. Die Aufsicht über den Datenschutz wird ebenfalls auf Verordnungsstufe geregelt. Sie obliegt auch dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten und nicht allein der EU.

25

Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung); ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1.

203

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Besonderes Augenmerk gilt zudem der strikten Einhaltung der in der EES-Verordnung vorgesehenen Zugriffsrechte der Behörden. Der Bundesrat wird sicherstellen, dass die Behörden nur auf zweckdienliche Daten zugreifen können. Eine Zugangsbeschränkung, die der EES-Verordnung nicht entspricht, ist jedoch nicht gerechtfertigt.

Zudem sollen die massgebenden Verbrechen und schweren Straftaten auf Verordnungsstufe näher definiert werden ­ so wie dies auch beim VIS der Fall ist. Es ist festzulegen, welche in der Schweiz geahndeten Straftaten den Vorgaben von Schengen entsprechen. Die EES-Verordnung regelt die Zugriffsrechte auf das System abschliessend. Der Zugriff auf die Daten muss immer begründet und verhältnismässig sein. Eine Wiederholung dieses Grundsatzes im Gesetz ist nicht notwendig. Das Anliegen einzelner Vernehmlassungsteilnehmer, wonach die Bearbeitung der Daten im EES in einem angemessenen Verhältnis zu den verfolgten Zielen stehen muss und nur erfolgt, soweit sie für die Erfüllung der Aufgaben der zuständigen Behörden erforderlich ist, wird demgegenüber neu in Artikel 120d E-AIG übernommen.

3.3

Verzögerungen bei der automatisierten Grenzkontrolle und Bedürfnisse der Flughäfen

Der Flughafen Zürich unterstreicht, dass es in den ersten Monaten oder Jahren nach der Einführung von EES zu Verzögerungen und Komplikationen bei der Grenzkontrolle kommen werde, wie dies auch die bisherigen Erfahrungen an den Flughäfen von Zürich und Frankfurt mit einer automatisierten Grenzkontrolle zeigen würden.

Um dennoch eine optimale Umsetzung zu gewährleisten, seien die Schweizer Flughäfen möglichst rasch in die weiteren Vorarbeiten einzubeziehen, da Änderungen eine lange Planung erfordern. Um eine effiziente Umsetzung zu ermöglichen, müssten die Kantone und der Bund zudem über ausreichende finanzielle Mittel verfügen.

Der Flughafen Genf geht von erheblichen Investitionen der Flughäfen aus, die frühzeitig geplant werden müssen.

Haltung des Bundesrates Der Bundesrat ist sich bewusst, dass Anpassungen der Flughafeninfrastruktur einer Planung bedürfen und dass die nötigen Ressourcen verfügbar sein müssen. Die Flughäfen müssen frühzeitig über die Änderungen bei der Grenzkontrolle informiert werden. Eine enge Zusammenarbeit mit den Kantonen und der EZV ist notwendig.

3.4

Dauer der Datenspeicherung

VKM, KKJPD und GR erachten die Dauer von drei Jahren für die Datenaufbewahrung als etwas kurz. Für andere ist diese Dauer demgegenüber zu lange (SP, Asylex).

Die SP schlägt in Bezug auf die Aufbewahrung und die Löschung der Daten vor, die Grundsätze auf Gesetzesstufe festzuhalten. Zudem sei ausdrücklich zu regeln, dass

204

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auch mit diesen Datensätzen verbundene allfällige zusätzliche eigene Dokumente der Schweiz derselben Löschungspflicht unterstehen.

Haltung des Bundesrates Die Dauer der Datenspeicherung im EES ist auf europäischer Ebene geregelt und kann nicht geändert werden. Da die Schweiz über kein nationales EES verfügt, ist im nationalen Recht keine Regelung der Datenaufbewahrung vorgesehen. Wenn Daten aus dem EES in Informationssystemen der Kantone oder des Bundes gespeichert werden, sind die entsprechenden Gesetzesgrundlagen namentlich zur Datenaufbewahrung anwendbar. Die EES-Verordnung sieht jedoch vor, dass in nationalen Informationssystemen gespeicherte Daten nicht länger gespeichert werden dürfen, als dies im EES der Fall ist (Art. 40 Abs. 2).

3.5

Kosten für die Umsetzung der EES-Verordnung

Für die Flughäfen Aerosuisse und der Flughafen GE lehnen die Ausführungen zu den Kosten im Kommentar zum Vernehmlassungsentwurf ab. Deren Formulierung lasse darauf schliessen, dass die Kantone die Kosten für die Infrastruktur, Anpassung operationeller Prozesse sowie Schulungen des Personals auf die Flughafenbetreiber übertragen könnten. Diese Sicherheitskosten sollten von den Standortkantonen getragen werden, die auch für die Gewährleistung der Sicherheit verantwortlich sind. Nach Ansicht von GE sollten diese Kosten von allen Kantonen getragen werden.

Für die Kantone KKJPD, BL, FR, GE, NW und SO nehmen zur Kenntnis, dass die Kantone in die Entwicklung von Systemen zur Grenzkontrolle und in qualifiziertes Personal investieren müssen. Nach Ansicht von VKM, KKJPD, KKPKS und SSV sind die Kosten für die Informatiksysteme, die gemäss dem erläuternden Bericht von den Kantonen zu tragen sind, nicht nachvollziehbar, da ein Zugriff über das Single Sign-on Portal (SSO-Portal) genügen sollte. Sie verlangen, dass die erforderlichen Anpassungen und die Kosten angegeben werden, damit die Kantone und die Städte die nötigen finanziellen Mittel einplanen können. JU, NE, TI und VS fordern ebenfalls, dass die geschätzten Kosten für die Kantone angegeben werden.

Für JU und VD wäre es zudem angemessener, wenn der Bund sämtliche Kosten übernimmt. Mehrere Kantone fragen sich, wer für die Schulung der Benutzer des EES verantwortlich ist.

Benutzung des Fonds für die Innere Sicherheit (ISF-Grenze) BE beantragt, dass die Kosten, die den Kantonen mit der Einführung von EES entstehen, mehrheitlich durch den Fonds für die innere Sicherheit im Bereich Aussengrenzen und Visa (ISF-Grenze) zu übernehmen sind.

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Haltung des Bundesrates Die Einführung des EES ist mit Kosten verbunden: einerseits für die Flughäfen, die eine Schengen-Aussengrenze haben, andererseits für die Kantone, um die verschiedenen Zugriffe auf das System zu ermöglichen, namentlich für die kantonalen und kommunalen Polizeibehörden und die Migrationsbehörden.

An den Schengen-Aussengrenzen Die Flughäfen müssen die Kosten im Zusammenhang mit der praktischen Organisation der Einführung des EES, beispielsweise die Einrichtung getrennter Kontrollspuren, übernehmen. Die mit der Einführung des EES verbundenen Kosten obliegen jedoch in erster Linie den Kantonen, die eine Schengen-Aussengrenze haben.

Die für die Grenzkontrolle zuständigen Kantone müssen die Kosten für mögliche Anpassungen der Informatiksysteme sowie für den Kauf von Kameras und biometrischen Geräten übernehmen.

Zudem ist die Beschaffung von E-Gates und Self-Service-Systemen nur erforderlich, wenn der Flughafen dies als sinnvoll erachtet. Dies hängt insbesondere von der Grösse des Flughafens und der Passagierströme aus Staaten ausserhalb des Schengen-Raums ab.

In gewissen Kantonen, in denen die EZV für die Grenzkontrolle zuständig ist, übernimmt diese die mit der Einführung des EES verbundenen Kosten (vgl. Ziff. 6.1.1).

Auf dem Schweizer Hoheitsgebiet Auf dem Schweizer Hoheitsgebiet muss der Zugang zum EES zwecks Datenabfrage und Änderung für alle betroffenen Behörden gewährleistet sein. Der Zugriff durch die Visumbehörden erfolgt über das nationale Visa-Informationssystem (ORBIS), die kantonalen Polizeibehörden greifen über andere Systeme auf das EES zu. Es müssen die für die Abfrage von Fingerabdrücken im EES benötigten technischen Mittel vorhanden sein. Die Kosten dafür sind von den Kantonen zu tragen. Wenn die EZV für die Personenkontrolle im Schweizer Hoheitsgebiet zuständig ist, fallen bei ihr ähnliche Kosten an (vgl. Ziff. 6.1.1 und 6.2).

ISF-Grenze Es ist möglich, eine Finanzierung durch den ISF-Grenze zu beantragen. Neben dem Bund können auch die Kantone entsprechende Projektanträge im Hinblick auf die Errichtung des EES an das SEM stellen (vgl. Ziff. 6.3).

Bund Der Bund stellt Schnittstellen zur Anbindung der verschiedenen IT-Systeme der Kantone und des Bundes am nationalen Teil des EES-Systems sowie dessen Anbindung am zentralen EES-System sicher und übernimmt
die entsprechenden Kosten sowie die Kosten im Zusammenhang mit Informatikprojekten des SEM und der EZV. Zudem übernimmt das SEM grösstenteils die Kosten für den Schulungsbedarf der Botschaften, der Kantone und der Grenzkontrollbehörden.

206

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3.6

NFP

Viele Vernehmlassungsteilnehmer begrüssen grundsätzlich die Vorlage und haben keine besonderen Anmerkungen zum NFP (AI, AR, BL, BS, FR, GE, GL, GR, JU, LU, NW, SG, SO, TG, VS, ZG, VKM, KKPKS, KKJPD, SSV, FDP, Flughafen Zürich).

Einige Vernehmlassungsteilnehmer begrüssen explizit die Einführung eines NFP (AG, NE, VS, Flughafen Genf, SP, CP, CVP, Eoconomiesuisse, Aerosuisse). Gemäss AG ist das NFP eine sehr wichtige und notwendige Ergänzung für die Schweiz, da diese Reisenden schneller kontrolliert werden können und die Behörden so mehr Zeit für die «problematischen» Fälle haben. Der Flughafen Genf spricht sich sogar dafür aus, die Zugriffsrechte auf das NFP-System für Strafverfolgungszwecke zu erweitern. Der Flughafen Genf ist ausserdem bereit, sich für Studien zu einem solchen Projekt zur Verfügung zu stellen. Das CP erachtet das Programm zur Vereinfachung der Formalitäten für häufige Besucherinnen und Besucher als eine sinnvolle Neuerung, die sich nicht negativ auf die Sicherheit auswirken wird. Bei der Erteilung des Status eines registrierten Reisenden sollen gemäss Eoconomiesuisse insbesondere ausländische Geschäftspartner von Schweizer Unternehmen, die aufgrund ihrer Geschäftsbeziehungen häufig in die Schweiz reisen müssen, profitieren. VS merkt an, dass der Entwurf eine einfachere Ein- und Ausreise bestimmter visumpflichtiger Personenkategorien, die regelmässig im Schengen-Raum reisen, ermöglicht. Dies sei positiv zu werten.

VD beurteilt die Delegation an Dritte zur Einreichung der Gesuche im Rahmen des NFP kritisch. Die SVP steht der ganzen Vorlage kritisch gegenüber.

BE und TI sprechen sich dafür aus, aufgrund eines erhöhten Personalbedarfs mit dem NFP zuzuwarten.

Haltung des Bundesrates Das SEM hat eine Studie zu NFP erstellen lassen. Gestützt darauf hat der Bundesrat entschieden, die Einführung eines NFP in der Schweiz aus folgenden Gründen zu sistieren: Da in naher Zukunft parallel noch weitere Informatiksysteme insbesondere der Grenzkontrollorgane aufgebaut werden müssen (z. B. ETIAS, Anpassungen von SIS, allenfalls Interoperabilität zwischen allen Informatiksystemen von Schengen, gesamtheitliches Transformationsprogramm der Eidgenössischen Zollverwaltung [DaziT]), verzichtet der Bundesrat vorderhand auf dieses freiwillige Informatikprojekt. Auch aufgrund der in Frage stehenden
Wirtschaftlichkeit und des zusätzlichen Personalaufwands sowohl für den Bund wie auch für die Kantone legt der Bundesrat die Priorität auf die Einführung des EES in der Schweiz.

Unabhängig davon wird die Europäische Kommission drei Jahre nach Einführung des EES den Bedarf eines schengenweiten NFP erneut prüfen. Es wird vorgeschlagen, die Resultate dieser Analyse auf europäischer Ebene abzuwarten und allenfalls von den Erfahrungen anderer Schengen-Staaten zu profitieren.

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4

Neue Bestimmung im AIG

Unabhängig von der Übernahme dieser Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands wird eine weitere Anpassung des AIG vorgeschlagen. Sie betrifft den Artikel 5 AIG, der sich mit den Voraussetzungen für die Einreise in die Schweiz befasst.

Die Kompetenz des Bundesrats, Ausnahmen von den abschliessend geregelten Einreisevoraussetzungen vorzusehen, soll formell geregelt werden (Art. 5 Abs. 3 E-AIG).

Diese Ausnahmen beziehen sich hinsichtlich der Einreise von Drittstaatsangehörigen für einen kurzfristigen Aufenthalt im Schengen-Raum auf Artikel 6 Absatz 5 Buchstabe c des SGK, der Ausnahmen aus humanitären Gründen, aus Gründen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen vorsieht.

Artikel 5 AuG enthält die allgemeinen Einreisevoraussetzungen für alle Drittstaatsangehörigen unabhängig von der Aufenthaltsdauer in der Schweiz. Die Formulierung des SGK wird übernommen und bezieht sich auf Drittstaatsangehörige, die direkt aus einem Staat ausserhalb des Schengen-Raums einreisen oder die sich bereits im Schengen-Raum befinden.

Dieser Absatz formalisiert die bereits bestehende Praxis, die in der am 15. September 2018 in Kraft getretenen Verordnung vom 15. August 201826 über die Einreise und die Visumerteilung (VEV) konkretisiert wird. Diese Gesetzeslücke wurde vom BVGer bereits in der Vernehmlassung zur Totalrevision der VEV festgestellt. Bei einer Vernehmlassung zu dieser neu vorgeschlagenen Bestimmung wären somit keine neuen Erkenntnisse zu erwarten. Deshalb ist auch keine Vernehmlassung nach Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b des VIG erforderlich.

5

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

5.1

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des AIG (Art. 2 und Anhang Bundesbeschluss)

Art. 7 Abs. 3 Da der SGK angepasst wird, ist die Fussnote in Artikel 7 Absatz 3 AuG entsprechend zu aktualisieren. Zudem verweist dieser Absatz neu allgemein auf den SGK, und nicht mehr auf einzelne Artikel.

Art. 103a Artikel 103a übernimmt den Inhalt des bestehenden Artikels 103b ohne materielle Anpassung. Dieser Artikel befasst sich mit dem Informationssystem über die von der Schweiz verfügten Einreiseverweigerungen (INAD-System). Dieses System wird vorerst unverändert beibehalten, und die Übernahme dieser Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands wirkt sich in keiner Weise auf das System aus.

26

208

SR 142.204

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Art. 103b

Einreise- und Ausreisesystem

Abs.1 Absatz 1 erläutert das Einreise- und Ausreisesystem für den Schengen-Raum und hält fest, dass es die persönlichen Daten der Reisenden aus Nicht-Schengen-Staaten enthält, die für einen Aufenthalt von höchstens 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen in den Schengen-Raum einreisen. Einreiseverweigerungen werden ebenfalls im System erfasst.

Nach Artikel 6a des SGK müssen Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige von Bürgerinnen oder -Bürgern eines Mitgliedstaats der EU und der EFTA sind, aber keine Aufenthaltskarte im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG27 besitzen, oder Staatsangehörige, die Familienangehörige von freizügigkeitsberechtigten Drittstaatsangehörigen sind, aber keine Aufenthaltskarte im Sinne der genannten Richtlinie besitzen, ebenfalls im EES erfasst werden.

Abs. 2 Dieser Absatz legt fest, welche Daten zu Drittstaatsangehörigen die Schweizer Behörden an das EES übermitteln werden. Es sind vier Datenkategorien vorgesehen: ­

alphanumerische Daten wie zum Bespiel Name und Vorname sowie Informationen zum Reisedokument und zu erteilten Visa;

­

das Gesichtsbild der oder des Reisenden, das bei der Ersteinreise aufgenommen und im EES gespeichert wird; es wird nicht aus dem VIS übernommen;

­

Datum der Einreise und der Ausreise aus dem Schengen-Raum und die Grenzübergangsstelle;

­

die Einreiseverweigerungen, die auch im EES eingetragen werden; es handelt sich für die Schweiz um die Einreiseverweigerungen nach Artikel 65 AuG.

Abs. 3 Dieser Absatz legt fest, dass bei Drittstaatsangehörigen, die nicht der Visumpflicht unterstehen, zusätzlich die Fingerabdrücke zu erfassen sind. Die Behörden verfügen in diesem Fall über keine biometrischen Daten (namentlich Fingerabdrücke), die im VIS erfasst sind. Diese Daten werden wie in Absatz 2 festgelegt über die nationale Schnittstelle an das EES geliefert.

27

Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. L 158 vom 30.04.2004, S. 77.

209

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Art. 103c

Erfassung, Bearbeitung und Abfrage der Daten im EES

Abs. 1 In diesem Absatz werden die verschiedenen Behörden genannt, die Daten im EES eingeben und ändern können: ­

Das Grenzwachtkorps und die kantonalen Grenzkontrollbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben an den Schengen-Aussengrenzen und zur Erfassung von Einreiseverweigerungen (Art. 18 EES-Verordnung). Gegenwärtig wird Artikel 65 AuG, der dem SEM ermöglicht, an den Flughäfen innerhalb von 48 Stunden Einreiseverweigerungen und Wegweisungen am Flughafen zu verfügen, angepasst, damit die Grenzkontrollbehörden direkt im Namen des SEM entscheiden können. Durch diese Gesetzesanpassung28 kann die Behörde Einreiseverweigerungen verfügen und im EES erfassen, ohne den formellen Entscheid des SEM einzuholen.

­

Das SEM, die Schweizer Auslandvertretungen und Missionen sowie die kantonalen und kommunalen Visum- und Ausländerbehörden im Rahmen der Aufhebung, Annullierung oder Verlängerung des Visums oder des zulässigen Aufenthaltes von höchstens 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen (Art. 19 EES-Verordnung). Im letzteren Fall handelt es sich um visumbefreite Personen, deren Aufenthalt unterbrochen oder auf Antrag verlängert werden kann.

­

Das Grenzwachtkorps, die kantonalen und kommunalen Polizeibehörden sowie die kantonalen und kommunalen Migrationsbehörden, um den rechtmässigen Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz zu überprüfen und falls nötig ein persönliches EES-Dossier zu erstellen (Art. 20 EES).

Es kann vorkommen, dass die betreffende Person kein persönliches EES-Dossier hat oder dass das Datum der Ausreise aus dem Schengen-Raum darin nicht aufgeführt ist. In diesem Fall, und wenn der Drittstaatsangehörige nachweist, dass er die zulässige Aufenthaltsdauer eingehalten hat, kann die Behörde gemäss den Artikeln 16 und 17 der EES-Verordnung ein persönliches EES-Dossier erstellen oder die fehlenden Daten aktualisieren. Drittstaatsangehörige können durch jedweden glaubhaften Nachweis, insbesondere durch Belege wie Beförderungsnachweise oder Nachweise über ihre Anwesenheit ausserhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten, beweisen, dass sie die Voraussetzungen hinsichtlich der Dauer eines kurzfristigen Aufenthalts eingehalten haben (Art. 12 Abs. 2 SGK).

Wenn ein Drittstaatsangehöriger ein Self-Service-System zur Voreingabe der in Artikel 16 der EES-Verordnung genannten Daten verwendet, findet Artikel 8a SGK Anwendung. Der Drittstaatsangehörige kann dann die Daten des persönlichen EESDossiers oder allenfalls die zu aktualisierenden Daten vorerfassen. Der Grenzkontrollbeamte bzw. die Grenzkontrollbeamtin bestätigt die Daten, wenn die Einreise gemäss SGK bewilligt oder verweigert worden ist. Die Überprüfung erfolgt durch das Self-Service-System. Für die Eingabe oder Aktualisierung des Ein-/Ausreise28

210

Botschaft vom 2. März 2018 zur Revision des Ausländergesetzes (AuG) (Verfahrensnormen und Informationssysteme); BBl 2018 1685.

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datensatzes eines visumpflichtigen Drittstaatsangehörigen können die in Artikel 16 Absatz 2 Buchstabe c­f genannten Daten aus dem VIS abgerufen und in das EES importiert werden (Art. 18a VIS-Verordnung).

Wenn ein Drittstaatsangehöriger ein Self-Service-System für die Durchführung der Grenzkontrollen verwendet, findet zudem Artikel 8b SGK Anwendung. In diesem Fall erfolgt die Überprüfung nach Artikel 16 Absatz 1 der EES-Verordnung durch das Self-Service-System.

Drittstaatsangehörige können zum Überschreiten einer Aussengrenze auch ein eGate verwenden, wobei ebenfalls Artikel 8b SGK Anwendung findet. In diesem Fall erfolgen die entsprechende Erfassung des Einreise- und Ausreisedatensatzes und die Verknüpfung dieses Datensatzes mit dem betreffenden persönlichen Dossier über das e-Gate.

Die Behörden müssen zudem im EES einen Einreisedatensatz anlegen, wenn sich die betreffende Person bereits in der Schweiz aufhält und ihr Kurzaufenthalt nach einem längeren bewilligten Aufenthalt beginnt (Aufenthaltsbewilligung oder nationales Visum; Art. 14 Ziff. 8 EES-Verordnung).

In der EES-Verordnung wird der Zugang für gerichtliche Stellen im Rechtsmittelverfahren nicht explizit erwähnt. Ein direkter Zugriff auf die Daten des EES durch das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) ist auch nicht notwendig. Gemäss der heutigen Regelung werden die Unterlagen, die zu einer Einreiseverweigerung bzw. zu einer Ablehnung des Visumsgesuch geführt haben, im Zentralem Migrationsinformationssystem ZEMIS in einem Personaldossier abgelegt. Das BVGer hat Zugriff auf diese Personaldossiers.

Abs. 2 Absatz 2 nennt die Behörden, die das EES im Rahmen ihrer Aufgaben abfragen können: ­

Die Grenzkontrollbehörden für die Überprüfungen, die an den Aussengrenzen bei der Einreise in und Ausreise aus dem Schengen-Raum erfolgen müssen (Art. 23 EES-Verordnung).

Bei einer Überprüfung an den Aussengrenzen sind die biometrischen Daten, das heisst in erster Linie die Fingerabdrücke des Reisenden, mit den Daten im EES und im VIS abzugleichen. Alternativ dazu kann die Grenzkontrollbehörde das Gesichtsbild der betreffenden Person mit dem nach Artikel 16 der EES-Verordnung erfassten Bild abgleichen.

Zudem hat die Behörde bei visumbefreiten Reisenden eine Abfrage im VIS gemäss dem neuen Artikel 19a der VIS-Verordnung vorzunehmen, um zu überprüfen, ob eine Person bereits im VIS erfasst ist.

­

Alle Visumbehörden können im Rahmen des Visumverfahrens auf das EES zugreifen, um zu prüfen, ob die betreffende Person bei einer früheren Reise die zulässige Aufenthaltsdauer eingehalten hat (Art. 24 EES-Verordnung).

Die Behörde kann die biometrischen Daten sowie die Visumdaten im EES abfragen. Falls ein persönliches EES-Dossier (inkl. Ein-/Ausreisedaten-

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sätzen) besteht, kann dieses abgefragt werden. Das Gleiche gilt für die darin aufgeführten Einreiseverweigerungen.

­

Das Grenzwachtkorps, die kantonalen und kommunalen Polizeibehörden sowie die kantonalen und kommunalen Migrationsbehörden können das EES abfragen, um zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Einreise oder den Aufenthalt in der Schweiz weiterhin erfüllt sind. Diese Kontrolle findet auf dem Hoheitsgebiet der Schweiz statt (Art. 26 EES-Verordnung). Subsidiär können auch die Grenzkontrollbehörden und die Migrationsbehörden auf das EES zugreifen, um Ausländerinnen und Ausländer zu identifizieren, die möglicherweise unter einer anderen Identität im EES erfasst sind oder die die Voraussetzungen zur Einreise oder zum Aufenthalt im SchengenRaum nicht oder nicht mehr erfüllen (Art. 27 EES-Verordnung). Dieser Zugriff zu Identifikationszwecken kann entweder an den Aussengrenzen des Schengen-Raums oder im Hoheitsgebiet der Schweiz erfolgen.

Abs. 3 Dieser Absatz legt fest, welche Behörden auf das automatisierte Berechnungssystem im EES zugreifen können, um zu ermitteln, ob eine ausländische Person die zulässige Aufenthaltsdauer überschritten hat (Art. 11 EES-Verordnung). Zudem müssen die Behörden die betroffenen Personen auf Anfrage über die verbleibende Aufenthaltsdauer informieren.

Es handelt sich hierbei um die Visumbehörden, die Grenzkontrollbehörden an den Aussengrenzen des Schengen-Raums sowie die Migrations- und Polizeibehörden, die Kontrollen im Hoheitsgebiet der Schweiz durchführen.

Zugriff auf das EES zur Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten (Abs. 4 und 5) Die Absätze 4 und 5 regeln den Zugriff auf das EES zur Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten. Zu diesem Zweck ist ein begründeter Antrag elektronisch an eine benannte zentrale Zugangsstelle zu richten (Art. 29 Abs. 3 EES-Verordnung). Nur wenn die in der EES-Verordnung festgehaltenen Bedingungen erfüllt sind, werden die genannten EES-Daten der antragstellenden Behörde übermittelt. In dringenden Ausnahmefällen kann die zentrale Zugangsstelle auch mündlich gestellte Anträge entgegennehmen und unverzüglich bearbeiten. Sie überprüft erst nachträglich, ob alle genannten Bedingungen erfüllt sind und ob tatsächlich ein dringender Ausnahmefall gegeben war. Die nachträgliche Überprüfung ist innerhalb einer nützlichen Frist nach der Bearbeitung des Antrags durchzuführen.

Abs. 4 In diesem Absatz werden die Behörden festgelegt, die bestimmte Daten im Sinne der EES-Verordnung beantragen können. Es sind dies das fedpol, der Nachrichtendienst des Bundes (NDB), die Bundesanwaltschaft, die kantonalen Polizei- und Strafverfolgungsbehörden sowie die Polizeibehörden der Städte Zürich, Winterthur, Lausanne, Chiasso und Lugano. Die aufgeführten kommunalen Polizeibehörden sind ebenfalls berechtigt, da sie gleich wie die Kantonspolizeien kriminalpolizeiliche

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Aufgaben im Rahmen der Verhütung, Aufdeckung und Ermittlung schwerer Straftaten im Sinne der EES-Verordnung wahrnehmen.

Abs. 5 Die in Absatz 4 genannten Behörden können ihren Antrag an die zentrale Zugangsstelle, das heisst die Einsatzzentrale des fedpol, richten. Die zentrale Zugangsstelle hat direkten Zugriff auf die Daten des EES und prüft im Einzelfall, ob die Bedingungen für den Erhalt der Daten des Systems erfüllt sind. Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein (Art. 31 i. V. m. Art. 32 EES-Verordnung): ­

Der Zugang zum Zweck der Datenabfrage ist erforderlich für die Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung einer terroristischen oder sonstigen schweren Straftat.

­

Der Zugang zum Zweck der Datenabfrage ist im Einzelfall erforderlich und verhältnismässig.

­

Es liegen Beweise oder hinreichende Gründe für die Annahme vor, dass die Abfrage der EES-Daten zur Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung der betreffenden Straftaten beitragen kann, insbesondere wenn der begründete Verdacht besteht, dass der Täter oder das Opfer einer terroristischen oder sonstigen schweren Straftat einer Personengruppe angehört, die unter die EES-Verordnung fällt.

Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, fragt die zentrale Zugangsstelle das EES ab und übermittelt bei einem Treffer diese Daten den antragstellenden Behörden gemäss Absatz 4.

Art. 103d

Bekanntgabe von EES-Daten

Abs. 1 Die Daten des EES dürfen grundsätzlich nicht übermittelt werden an Staaten, die nicht durch ein Schengen-Assoziierungsabkommen gebunden sind sowie an internationale Organisationen und an private Stellen, seien dies Institutionen oder Einzelpersonen (Art. 41 EES-Verordnung).

Abs. 2 Diese Ausnahme von Absatz 1 sieht vor, dass die Daten an bestimmte Organisationen und Staaten von den Grenzkontrollbehörden oder Migrationsbehörden übermittelt werden dürfen, um die Rückkehr der betroffenen Person in einen Staat zu ermöglichen, der durch keines der Schengen-Assoziierungsabkommen gebunden ist (Drittstaat). Voraussetzung dafür ist, dass die Bedingungen von Artikel 41 Absatz 2 der EES-Verordnung erfüllt sind. Konkret müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: ­

Die Kommission hat einen Beschluss über die Angemessenheit des Datenschutzniveaus in diesem Drittstaat gemäss Artikel 45 Absatz 3 der Ver-

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ordnung (EU) 2016/67929) gefällt, oder es ist ein Rückübernahmeabkommen oder ein ähnliches Instrument zwischen der Europäischen Gemeinschaft oder einem Mitgliedstaat und diesem Drittstaat in Kraft, oder es bestehen geeignete Garantien im Sinne des Artikels 46 der Verordnung (EU) 2016/679. Ausserdem könnte Artikel 49 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung (EU) 2016/679 Anwendung finden, wenn die Übermittlung aus wichtigen Gründen des öffentlichen Interesses notwendig ist.

­

Der betreffende Schengen-Staat informiert den Drittstaat oder die internationale Organisation über die Pflicht, die Daten nur zur Erfüllung des Zwecks zu verwenden, zu dem sie zur Verfügung gestellt wurden.

­

Die Daten werden gemäss den einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts, insbesondere betreffend die Rückübernahmeabkommen und die Übermittlung personenbezogener Daten, sowie dem nationalen Recht des SchengenStaats, der die Daten übermittelt oder zur Verfügung gestellt hat, einschliesslich der rechtlichen Bestimmungen über die Datensicherheit und den Datenschutz, übermittelt oder zur Verfügung gestellt.

Nur folgende Organisationen können Daten erhalten: UN-Organisationen wie der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), die Internationale Organisation für Migration (IOM) und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (Anhang 1 EES-Verordnung).

Dieser Artikel regelt auch die Weitergabe von persönlichen Daten aus dem EES zu Sicherheitszwecken. Auch hier gilt grundsätzlich ein Verbot der Datenbekanntgabe an Drittstaaten, und zwar auch dann, wenn die Daten auf nationaler Ebene von den Polizei-, Justiz- oder Strafverfolgungsbehörden verwendet werden. Nur ausnahmsweise dürfen bestimmte Daten von den benannten Behörden nach Artikel 29 EESVerordnung an eine von einem Drittstaat bezeichnete Behörde übermittelt werden, wenn ein dringender Ausnahmefall vorliegt, der eine ernsthafte und unmittelbare Bedrohung durch eine terroristische oder andere schwere Straftat darstellt oder wenn eine unmittelbar bevorstehende Gefahr für das Leben einer Person besteht und diese Gefahr mit einer schweren Straftat verbunden ist (Art. 41 Abs. 6 EES-Verordnung).

In der Schweiz werden die Daten von den in Artikel 103c Absatz 4 aufgeführten Behörden übermittelt.

Zudem muss die Datenbekanntgabe unter Einhaltung der Bedingungen des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI30 erfolgen. Dieser Rahmenbeschluss war nur bis am 6. Mai 2018 in Kraft, er wurde durch die Richtlinie (EU) 2016/68031 ersetzt. Es muss ein 29

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Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung); ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1.

Rahmenbeschluss 2008/977/JI des Rates vom 27. November 2008 über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden, ABl. L 350 vom 30. 12 2008, S. 60.

Richtlinie (EU) 2016/680 vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates, ABl. L 119 vom 4.05.2016, S. 89.

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begründetes schriftliches Ersuchen des Drittstaates vorliegen, und die gegenseitige Bereitstellung aller Informationen über Ein- und Ausreisedatensätze ist seitens des ersuchenden Drittstaates zu gewährleisten.

Folgende Daten dürfen bekanntgegeben werden (Art. 16 Abs. 1 Bst. a­c, Abs. 2 Bst. a und b, Abs. 3 Bst. a und b, sowie Art. 17 Abs. 1 Bst. a; i. V. m. Art. 41 Abs. 1 EES-Verordnung): Die Personendaten, die Daten des Reisedokuments sowie das Datum der Einreise in bzw. der Ausreise aus dem Schengen-Raum von visumpflichtigen sowie nicht visumpflichtigen Staatsangehörigen. Von Letzteren dürfen zusätzlich das Gesichtsbild und die Fingerabdrücke bekanntgegeben werden.

Art. 103e

Informationsaustausch mit EU-Mitgliedstaaten, für welche die Verordnung (EU) 2017/2226 noch nicht anwendbar ist

Die Übermittlung von Daten an einen Mitgliedstaat der EU oder an einen Staat, der sich noch nicht am EES-Betrieb beteiligt, sowie an einen Mitgliedstaat, für den diese Verordnung nicht anwendbar ist, ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich (Art. 42 EES-Verordnung).

Dabei handelt es sich um eine Datenübermittlung in dringlichen Ausnahmefällen, wenn eine unmittelbar bevorstehende Gefahr in Verbindung mit einer terroristischen Straftat oder einer anderen schweren Straftat besteht. Die Bedingungen für den Zugriff durch die zentrale nationale Zugangsstelle müssen erfüllt sein.

Die Behörden der EU-Mitgliedstaaten, für die die Verordnung (EU) 2017/2226 noch nicht in Kraft getreten ist oder für die sie nicht anwendbar ist, können ihre Anträge um Informationen an die berechtigten Behörden nach Artikel 103c Absatz 4 richten.

Die Einzelheiten dieses Verfahrens werden auf Verordnungsstufe geregelt.

Art. 103f

Ausführungsbestimmungen zum EES

Mehrere wichtige Elemente der EES-Verordnung sind auf Verordnungsstufe umzusetzen. Dazu soll eine Delegationsnorm im AIG geschaffen werden. Mit dieser Bestimmung wird dem Bundesrat die Kompetenz erteilt, die Einheiten der Behörden nach Artikel 103c Absätze 1 und 2 zu benennen, also jener Behörden, die Daten im EES erfassen und abfragen dürfen (Bst. a). Ferner soll der Bundesrat die Zugangsberechtigungen zum EES und den Katalog der darin enthaltenen Daten näher festlegen (Bst. c) sowie die Aufbewahrung, die Löschung und die vorzeitige Löschung der Daten regeln (Bst. d, Art. 35 EES-Verordnung). Es ist vorgesehen, dass die Datenspeicherfrist drei Jahre ab dem Datum der Eingabe des Ausreisedatensatzes oder des Einreiseverweigerungsdatensatzes beträgt (Art. 34 Abs. 1 EES-Verordnung). Eine mögliche vorzeitige Löschung bei Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung oder bei Erwerb des Schweizer Bürgerrechts erfolgt durch die zuständigen Behörden, die in den Ausführungsverordnungen genannt werden.

Das Verfahren für die Weitergabe der Daten an die berechtigten Sicherheitsbehörden ist durch den Bundesrat festzulegen (Bst. b). Vorgesehen ist ein ähnliches Verfahren wie für das Schengener Visa-Informationssystem gemäss VISV. Ausserdem ist der Katalog der schwerwiegenden Straftaten nach Artikel 103c Absatz 4 zu

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erstellen (Bst. h). Das Verfahren für den Informationsaustausch nach Artikel 103f E-AIG ist ebenfalls näher festzulegen (Bst. i).

Die Zuständigkeit betreffend die Verarbeitung personenbezogener Daten im EES (Art. 39 EES-Verordnung) sowie die Datensicherheit (Art. 43 EES-Verordnung) ist ebenfalls zu regeln.

Eine Besonderheit des EES ist, dass automatisch Listen erstellt werden von Personen, die die zulässige Höchstdauer des Aufenthalts im Schengen-Raum überschritten haben (Art. 12 Abs. 3 EES-Verordnung). Diese Liste soll von den Schweizer Behörden genutzt werden. Der Bundesrat legt fest, welche Behörden diese Listen erhalten und die notwendigen Massnahmen einleiten, damit die Rückkehr dieser Personen erfolgen kann (Bst. j).

Weiter ist zum Beispiel die biometrische Erfassung oder das Einsichtsrecht der betroffenen Personen in ihre Daten zu regeln. Diese Präzisierungen sind in einer neuen schweizerischen EES-Verordnung gestützt auf die massgebenden EU-Verordnungen vorgesehen. Dabei handelt es sich um rechtsetzende Bestimmungen, die für den Vollzug der Gesetzgebung nötig sind (Sekundärnormen nach Art. 182 BV32).

Art. 103g

Automatisierte Grenzkontrolle am Flughafen

Abs. 1 Die zuständigen Grenzkontrollbehörden am Flughafen können zur Vereinfachung der Kontrolle von Einreisenden in den Schengen-Raum und von Ausreisenden aus dem Schengen-Raum ein automatisiertes Grenzkontrollverfahren durch ein e-Gate und ein Self-Service-System betreiben. Die Reisenden können sich im Self-ServiceSystem vorregistrieren und ihre Daten werden im Hinblick auf den Grenzübertritt überprüft (siehe dazu Ausführungen in Ziff. 2.2.2).

Die Einrichtung, der Betrieb und die Finanzierung eines automatisierten Grenzkontrollverfahrens fallen grundsätzlich in die Zuständigkeit des jeweiligen Flughafenstandortkantons. Die Änderungen des SGK und die vorgeschlagene Bestimmung im AIG gewährleisten, dass die wesentlichen Verfahrensabläufe an allen in Frage kommenden Schweizer Flughäfen einheitlich umgesetzt werden.

Der Ablauf an der Grenze könnte zum Beispiel wie folgt aussehen (e-Gates und Self-Service-Systeme physisch nicht getrennt; keine Erfassung von Daten im EES erforderlich): Phase 1 (wird von einem nachgelagerten Überwachungsarbeitsplatz mit Sicht auf die e-Gates überwacht): ­

Der Passagier begibt sich zum e-Gate/Self-Service-System und legt den Reisepass auf das Dokumentenlesegerät.

­

Der Pass wird elektronisch ausgelesen (Auslesen der maschinenlesbaren Zone eMRZ, Auslesen und Prüfung Chip).

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SR 101

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­

Wenn der Pass nicht lesbar ist oder der Reisende die Zutrittsvoraussetzungen nicht erfüllt, wird er an einen besetzten Schalter verwiesen.

Phase 2 (wird von einem nachgelagerten Überwachungsarbeitsplatz mit Sicht auf die e-Gates überwacht): ­

Wenn der Pass lesbar ist und die Zutrittsvoraussetzungen erfüllt sind, kann der Passagier das e-Gate/Self-Service-System betreten. Gleichzeitig werden die Daten mit externen Systemen abgeglichen (EES, automatisiertes Polizeifahndungssystem RIPOL, SIS, ZEMIS und Datenbanken ASF-STD von Interpol).

­

Befindet sich der Reisende im e-Gate/Self-Service-System, werden Fotoaufnahmen gemacht und die Gesichtserkennung durchgeführt.

­

Findet das System keinen Treffer in den Datenbanken und stimmen Person und Reisepass überein, kann der Passagier das e-Gate/Self-Service-System ohne weitere Kontrollen verlassen.

­

Findet das System einen Treffer im EES, ist der Gesichtsbildabgleich nicht eindeutig oder besteht ein Verdacht auf Verfälschung des Reisepasses, wird der Reisende an einen nachgelagerten Kontrollarbeitsplatz verwiesen oder wenn nötig im e-Gate/Self-Service-System blockiert und durch anwesendes Personal einem Kontrollarbeitsplatz oder der zweiten Kontrolllinie zugeführt.

Abs. 2 Die Nutzung der automatisierten Grenzkontrolle ist gemäss SGK für alle Reisenden unabhängig von ihrer Nationalität (auch Drittstaatsangehörige) möglich, sofern: ­

sie 12 Jahre alt oder älter sind;

­

sie über ein Reisedokument verfügen, auf welchem ein Gesichtsbild und Fingerabdrücke auf dem Datenchip gespeichert sind (biometrisches Reisedokument); zudem muss die Echtheit und die Integrität der Daten anhand der vollständigen gültigen Zertifikatkette bestätigt werden können;

­

die Personen, die im EES registriert werden müssen, bereits im EES erfasst sind oder ihre Daten vorab eingegeben wurden.

Beim Grenzübertritt erfolgt immer eine Überprüfung der Identität der Person anhand der biometrischen Daten. Das heisst, die im biometrischen Reisedokument gespeicherten Daten werden mit den entsprechenden biometrischen Merkmalen der reisenden Person abgeglichen. Der Abgleich erfolgt in Echtzeit, und es werden keine Daten dieses Abgleichs gespeichert.

Die vorgängigen Überprüfungen im Rahmen der Grenzkontrollen erfolgen gemäss Artikel 8 SGK.

Abs. 3 Der Bundesrat regelt die Einzelheiten der automatisierten Grenzkontrolle auf Verordnungsstufe.

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Abs. 4 Gemäss Artikel 8a Absatz 1 Buchstabe b SGK können bei dem automatisierten Grenzkontrollverfahren die Fingerabdrücke und das Gesichtsbild der Person mit den Daten des Reisedokuments, das mit einem Datenchip versehen ist, abgeglichen werden. Da es sich hierbei um biometrische Daten handelt, wird diese Möglichkeit auf Gesetzesstufe vorgesehen. Die biometrischen Daten können auch mit denjenigen abgeglichen werden, die im Self-Service-System vorerfasst wurden, wie dies auch der SGK vorsieht (Art. 8a).

Art. 109a Abs. 1

Konsultation C-VIS

Da die Abkürzung in Artikel 103c Absatz 2 Buchstabe b E-AIG eingeführt wurde, ist in Artikel 109a Absatz 1 AuG der Ausdruck «zentrales Visa-Informationssystem» durch «C-VIS» zu ersetzen.

Art. 120d

Zweckwidriges Bearbeiten von Personendaten in Informationssystemen des SEM

Der Wortlaut von Artikel 120d AuG wird aufgrund der Einführung des EES angepasst. Es gilt, Artikel 48 der EES-Verordnung umzusetzen, wonach mit angemessenen Sanktionen die missbräuchliche Verwendung der Daten des EES verhütet und unter Strafe gestellt werden soll.

Titel Neu werden im Titel allgemein die Informationssysteme des SEM genannt, nicht nur die Visainformationssysteme; auf diese Weise ist auch das EES mit eingeschlossen.

Abs. 1 Wie von einigen Vernehmlassungsteilnehmern gewünscht, werden in Absatz 1 neu die Grundsätze genannt, die bei der Bearbeitung von Daten in den Informatiksystemen des SEM, einschliesslich des EES, zu beachten sind.

Abs. 2 Bst. a Der neue Buchstabe a entspricht dem bisherigen Wortlaut von Artikel 120d AuG.

Bst. b Durch die Einführung des EES wird neu festgehalten, dass auch bei diesen beiden Informationssystemen das zweckwidrige Bearbeiten der Personendaten mit Busse bestraft wird.

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5.2

Erläuterungen zur Änderung des AIG

Art. 5 Abs. 3 Dieser Artikel wird angepasst, um die Kompetenz des Bundesrats zu regeln, Ausnahmen von den Einreisevoraussetzungen aus humanitären Gründen, aus Gründen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen vorzusehen.

Der Bundesrat regelt bereits heute in der VEV, in welchen Fällen auf gewisse Einreisevoraussetzungen nach Artikel 5 Absatz 1 AuG verzichtet werden kann (vgl.

Ziff. 4). Diese Ausnahmen betreffen sowohl kurzfristige als auch längerfristige Aufenthalte in der Schweiz.

Die internationalen Verpflichtungen beziehen sich beispielsweise auf internationale Abkommen über Privilegien und Immunitäten. Ein nationales Interesse an der Einreise besteht zum Beispiel bei der Einreise von ausländischen Regierungsmitgliedern und von Personen, die im Rahmen von Gerichts- oder Schiedsverfahren in die Schweiz kommen müssen. Die humanitären Gründe beziehen sich beispielsweise auf eine Gefährdung von Personen, auf eine nachgewiesene Schutzbedürftigkeit oder auf eine medizinische Notlage.

Der Bundesrat macht bereits in der VEV von dieser Kompetenz Gebrauch. So sieht Artikel 4 Absatz 2 VEV vor, dass Ausländerinnen und Ausländern, die gewisse Voraussetzungen nicht erfüllen, in begründeten Fällen aus humanitären Gründen die Einreise in die Schweiz für einen längerfristigen Aufenthalt bewilligt werden kann.

Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn die betreffende Person im Herkunftsstaat unmittelbar, ernsthaft und konkret an Leib und Leben gefährdet ist. Von dieser Ausnahmenmöglichkeit hat der Bundesrat auch für einen kurzfristigen Aufenthalt Gebrauch gemacht (Art. 3 Abs. 4 VEV).

Das SEM ist zuständig für die Bewilligung der Einreise in die Schweiz gestützt auf diese Artikel der VEV.

6

Auswirkungen der Übernahme der Rechtsgrundlagen zum EES und der damit verbundenen Anpassungen im AIG

6.1

Auswirkungen auf den Bund

6.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Kosten beim SEM Der Bund hat die Kosten für das nationale Umsetzungsprojekt EES sowie den Anschluss der Schweiz an das EES zu tragen. Das SEM übernimmt die Entwicklungskosten für die Anbindung an das EES von 11,9 Millionen Franken sowie die durch die Anbindung entstehenden jährlichen Betriebskosten von 2,1 Millionen Franken.

Diese Mittel sind im Voranschlag 2018 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2019­2021 eingestellt. Der Betrag war ursprünglich Bestandteil des Verpflichtungskredits Schengen/Dublin II (VK II; 2012­2017) und ist nun neu Bestandteil des

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Verpflichtungskredits für die weitere Umsetzung von Schengen/Dublin im SEM für den Zeitraum 2018­2021 (VK III).

Die Schweiz hat sich gegenüber der EU verpflichtet, Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands grundsätzlich zu übernehmen. Ab der Notifizierung der Rechtsakte durch die EU verfügt die Schweiz für die Übernahme und Umsetzung der Weiterentwicklungen über eine Frist von höchstens zwei Jahren, sofern die Umsetzung des Rechtsaktes innerhalb des Schengen-Raums nicht für ein späteres Datum vorgesehen ist. Gemäss der aktuellen Planung der EU soll das EES 2021 in Betrieb genommen werden. Aus diesem Grund müssen die Vorbereitungen vor der Genehmigung durch das Parlament an die Hand genommen werden.

Kosten bei der EZV Die einmalig anfallenden Projektausgaben dürften im hohen einstelligen Millionenbereich liegen. Diese Kosten stellen nach heutigem Kenntnisstand Teile des Programms DaziT der EZV dar und werden dem entsprechenden Gesamtkredit angerechnet, da dort die Anpassung der Grenzkontrollsysteme vorgesehen ist. Der genaue Zeitpunkt dieser Anpassung war bei der Ausarbeitung der Botschaft zum Programm DaziT noch nicht bekannt. Diese und weitere Anpassungen der DaziTPlanung führen voraussichtlich zu einer Neustrukturierung des Gesamtkredits DaziT. Aus heutiger Sicht sind dadurch im Programm DaziT jedoch keine Mehrkosten und keine zeitliche Verzögerung zu erwarten. Die jährlichen Betriebskosten werden einige Hunderttausend Franken betragen.

Neben den Kosten für die Planung und Umsetzung der IT-Lösungen sind auch Kosten hinsichtlich Infrastruktur und baulicher Massnahmen zu erwarten. Damit der Grenzübertritt so effizient wie möglich gestaltet werden kann, wird die Möglichkeit geprüft, den Reisenden Geräte zur Verfügung zu stellen, mit denen sie ihre biometrischen Daten selbst erfassen können. Diese Kosten werden aus heutiger Sicht im mittleren einstelligen Millionenbereich liegen.

6.1.2

Personelle Auswirkungen

Kosten bei der Einsatzzentrale von fedpol Die Möglichkeit verschiedener Behörden, darunter der Strafverfolgungsbehörden, über einen schriftlichen Antrag an die Einsatzzentrale fedpol auf bestimmte Daten im EES zuzugreifen, wird zusätzlichen Personalbedarf generieren.

Da die Anträge für das EES ähnlich sind wie jene, die bereits heute für den Zugriff auf Daten des zentralen Visainformationssystems (C-VIS) gestellt werden, lässt sich anhand der Zahlen von 2017 für das C-VIS der zusätzliche Personalbedarf einschätzen. Die Einsatzzentrale fedpol hat im C-VIS rund 5500 Anträge pro Jahr bearbeitet.

Da die Prozesse für den Zugriff der berechtigten Behörden auf die Daten der Systeme VIS, EES und ETIAS über die Einsatzzentrale fedpol ähnlich sind, wird der zusätzliche Personalbedarf im Rahmen der späteren Übernahme der ETIASVerordnung gesamthaft ermittelt. Dadurch können sämtliche Aufgaben der Einsatzzentrale fedpol berücksichtigt und allenfalls Synergien geschaffen werden.

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6.2

Auswirkungen auf die Kantone

Die Kantone, die selber die Grenzkontrolle an der Schengen-Aussengrenze durchführen (Kantone BE, SO und ZH sowie für einzelne Flüge auch GL und NW), müssen ihre Grenzkontroll- und Abfragesysteme an das EES anpassen und haben diese Kosten selber zu tragen (wie auch die EZV, siehe Ziff. 6.1.1). Zusätzlich haben sie die Gerätekosten (Fotoapparat und Fingerabdruckscanner) selber zu beschaffen.

Die Beschaffung von e-Gates und Self-Service-Systemen ist fakultativ. Eine entsprechende Anpassung der Infrastruktur ist dort sinnvoll, wo ein hohes Passagieraufkommen von Drittstaatsangehörigen an der Schengen-Aussengrenze zu erwarten ist. Die Kantone entscheiden (je nach Konstellation mit der EZV) und den Flughäfen über den Einsatz und die Anzahl der e-Gates und Self-Service-Systeme. In den Kantonen, in welchen die EZV die Grenzkontrolle durchführt, regelt die Vereinbarung nach Artikel 97 Zollgesetz33 zwischen dem EFD und dem Kanton, wer die Kosten trägt.

Ausserdem müssen die operationellen Prozesse der Grenzkontrollbehörden neu gestaltet werden. Entsprechend sind Schulungen des Personals notwendig. Diese Aufwände sind ebenfalls (je nach Zuständigkeit der Personenkontrolle) durch die Kantone oder die EZV zu tragen.

Die Kosten für die Anpassung der Polizeikontrollsysteme für die Abfrage im Inland sind durch die Kantone zu tragen.

Da der Zugriff auf das EES bei den Migrationsbehörden und die Visumbehörden über Bundessysteme (z. B. ORBIS) erfolgt, führt dies zu keinen zusätzlichen Kosten für die Kantone. Es sind zwar Schulungen des Personals notwendig, diese Kosten werden jedoch vom Bund getragen.

6.3

Beiträge der Schweiz an EES auf EU-Ebene

Die Beteiligung der Schweiz an der Finanzierung des EES-Projekts läuft über zwei Wege: einerseits über die Beteiligung am ISF-Grenze und andererseits über einen Finanzierungsbeitrag an eu-LISA.

Die Schweiz muss einen jährlichen Finanzierungsbeitrag an eu-LISA für das EES leisten, wie sie dies bereits für die anderen IT-Grosssysteme der Schengen/DublinKooperation tut (VIS, SIS, Eurodac). Diese Verpflichtung sowie die dazugehörige Berechnungsmethode sind ebenfalls im SAA34 (Art. 11) geregelt.

Im Voranschlag 2018 und im Finanzplan 2020­2022 hat das SEM in seinem Budget rund 12 Millionen Franken zur Deckung dieser künftigen Kosten vorgesehen.

Zusätzlich beteiligt sich die Schweiz indirekt an der Finanzierung des EES-Projekts über ihre Beteiligung am Fonds ISF-Grenze. Die Schweiz wird sich über die sieben 33 34

SR 631.0 SR 0.362.31

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Jahre Laufzeit des Fonds schätzungsweise mit durchschnittlich 20,6 Millionen Franken (18,7 Millionen Euro) pro Jahr daran beteiligen. Im Voranschlag 2018 sowie im Finanzplan 2019­2021 sind insgesamt 144 Millionen Franken für den Fonds eingestellt. Die Schweiz wird ihrerseits aus diesem Fonds über die gesamte Laufzeit hinweg Zuweisungen von rund 20 Millionen Franken erhalten.

Das nationale Projekt Smart Borders wird als ISF-Projekt geführt. Dies bedeutet, dass eine Förderung über den ISF-Grenze beantragt wird. Aus dem ISF-Grenze kann die Schweiz mit Fördermitteln rechnen. Neben dem Bund können auch die Kantone entsprechende Projektanträge stellen. Zusätzlich will die Europäische Kommission allen Schengen-Staaten bis Ende 2018 rund 6,4 Millionen Euro für die Errichtung des EES zur Verfügung stellen.

6.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Diese Vorlage untersteht nicht der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV, da sie weder Subventionsbestimmungen noch die Grundlage für die Schaffung eines Verpflichtungskredites oder Zahlungsrahmens enthält.

7

Auswirkungen der Änderung des AIG

Die neue Bestimmung im AIG hat keine finanziellen und personellen Auswirkungen für den Bund und die Kantone.

8

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 27. Januar 201635 zur Legislaturplanung 2015­2019 noch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 201636 über die Legislaturplanung 2015­2019 angekündigt.

Die Übernahme der Verordnung über das EES und die Anpassung des SGK fallen jedoch unter das Ziel Nr. 4 des genannten Programms, das der Bundesrat dem Parlament unterbreitet hat, wonach die Schweiz ihre politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zur Europäischen Union erneuert und entwickelt.

Die integrierte Grenzverwaltung verfolgt die Ziele 13 und 14 des Bundesrats: Die Schweiz steuert die Migration und nutzt deren wirtschaftliches und soziales Potenzial; die Schweiz will Gewalt, Kriminalität und Terrorismus vorbeugen und wirksam bekämpfen. Letzteres Ziel wird insbesondere durch den Zugriff auf die EES-Daten zur Verhütung, Aufdeckung oder Ermittlung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten erfüllt.

35 36

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BBl 2016 1105 BBl 2016 5183

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Auch die Anpassung des AIG ist nicht in der Legislaturplanung vorgesehen. Sie erfolgt jedoch im Rahmen von Ziel 13.

9

Rechtliche Aspekte

9.1

Verfassungsmässigkeit des Bundesbeschlusses

Der Bundesbeschluss über die Genehmigung der Notenaustausche zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der EES-Verordnung und der Verordnung zur Änderung des SGK stützt auf Artikel 54 Absatz 1 BV, wonach der Bund für auswärtige Angelegenheiten zuständig ist. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtig den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren.

Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge zuständig, sofern für deren Abschluss nicht aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (Art. 7a Abs. 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199737).

Im vorliegenden Fall würde der Bundesrat mit Artikel 100 Absatz 2 Buchstabe a AuG zwar über die Kompetenz zur Übernahme dieser EU-Verordnungen verfügen.

Da die Umsetzung dieser Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands jedoch Anpassungen auf Gesetzesstufe bedingt, muss die Vorlage dem Parlament zur Genehmigung unterbreitet werden (vgl. Ziff. 1.3 und 5.1).

9.2

Erlassform

9.2.1

Erlassform des Vertrags

Die Übernahme der Verordnungen ist nicht mit dem Beitritt zu einer Organisation für kollektive Sicherheit oder zu einer supranationalen Gemeinschaft verbunden.

Der Bundesbeschluss über die Genehmigung der entsprechenden Notenaustausche untersteht somit nicht dem in Artikel 140 Absatz 1 Buchstabe b BV vorgesehenen obligatorischen Referendum.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziff. 3 BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Nach Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200238 (ParlG) sind unter rechtsetzenden Normen jene Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten schliesslich Bestimmungen, die im innerstaatlichen Recht auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssen.

37 38

SR 172.010 SR 171.10

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Die durch die Notenaustausche übernommenen Verordnungen enthalten wichtige rechtsetzende Bestimmungen wie Zugriffsrechte auf Informationssysteme und Sanktionen bei missbräuchlicher Verwendung der EES-Daten. Zudem erfordert die Übernahme der Verordnungen Anpassungen im AIG. Demzufolge muss der Bundesbeschluss über die Übernahme und Umsetzung der europäischen Rechtsgrundlagen zum EES dem fakultativen Referendum gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstellt werden.

Die Bundesversammlung genehmigt völkerrechtliche Verträge, die dem Referendum unterliegen, in der Form eines Bundesbeschlusses (Art. 24 Abs. 3 ParlG).

9.2.2

Erlassform des Umsetzungserlasses

Nach Artikel 141a BV können die Verfassungs- oder Gesetzesänderungen, die der Umsetzung eines völkerrechtlichen Vertrags dienen, der dem Referendum untersteht, in den Genehmigungsbeschluss aufgenommen werden.

Die im Entwurf vorgeschlagenen Gesetzesbestimmungen dienen der Umsetzung der Rechtsgrundlagen zum EES und ergeben sich unmittelbar aus den darin enthaltenen Verpflichtungen. Der Entwurf des Umsetzungserlasses kann deshalb in den Genehmigungsbeschluss aufgenommen werden.

9.3

Verfassungsmässigkeit der Änderung des AIG

Die Änderung des AIG stützt sich auf Artikel 121 Absatz 1 BV (Gesetzgebungskompetenz des Bundes über die Gewährung von Asyl sowie Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern). Sie ist mit der Verfassung vereinbar.

9.4

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Art. 5 AIG Nach Artikel 164 Absatz 2 BV kann der Gesetzgeber an den Bundesrat die Kompetenz delegieren, Normen zu erlassen, die an die Stelle von Gesetzesbestimmungen treten. Der Bundesrat ist beauftragt, die im AIG vorgesehenen Ausnahmen von den Einreisevoraussetzungen in bestimmten Fällen, insbesondere aus humanitären Gründen, zu regeln (vgl. Ziff. 4 und 5.2). Diese Kompetenzdelegation entspricht der bereits bestehenden Praxis. Der Bundesrat macht in der VEV von dieser Kompetenz Gebrauch.

Art. 103f AIG Diese Kompetenzdelegation an den Bundesrat stützt sich auf Artikel 182 Absatz 1 BV, wonach der Bundesrat rechtsetzende Bestimmungen in der Form der Verordnung erlassen kann. Hierbei handelt es sich um rechtsetzende Bestimmungen, die

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zur Umsetzung der Rechtsvorschriften wie auch der EES-Verordnung erforderlich sind.

9.5

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen

Die Übernahme der beiden EU-Verordnungen und die damit verbundenen Gesetzesänderungen sind mit dem Völkerrecht vereinbar.

Die Änderung des AIG, die unabhängig von der Übernahme der vorliegenden Weiterentwicklungen des Schengen-Besitzstands erfolgt, ist ebenfalls mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar.

9.6

Verhältnis zum europäischen Recht

Mit der Übernahme der beiden vorliegenden Weiterentwicklungen des SchengenBesitzstands erfüllt die Schweiz ihre Verpflichtungen gegenüber der EU, die sie im Rahmen des Schengen-Assoziierungsabkommens eingegangen ist. Mit der Übernahme des EES gewährleistet die Schweiz einheitliche Kontrollen an den Schengen-Aussengrenzen. Die übernommenen Verordnungen wirken sich auf weitere Schengen-Rechtsakte wie die VIS-Verordnung39, die Verordnung über die Agentur eu-Lisa40 und den Schengener-Grenzkodex41 aus. Sie verweisen betreffend Datenschutz zudem auf die Richtlinie 95/46/EG42 sowie die Verordnung (EU) 2016/67943.

Die Änderung des AIG, die unabhängig von der Übernahme der Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands ist, ist ebenfalls mit dem EU-Recht und dem SchengenAssoziierungsabkommen vereinbar.

39 40 41 42

43

Vgl. Fussnote 3.

Vgl. Fussnote 5.

Vgl. Fussnote 6.

Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. EG L 281 vom 23.11.1995, S. 31­50.

Vgl. Fussnote 27.

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