19.061 Botschaft zur Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Norwegen vom 6. November 2019

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Norwegen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

6. November 2019

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Übersicht Weil die Bekämpfung der ungerechtfertigten Steuervermeidung multinationaler Unternehmen zu einem zentralen Anliegen der internationalen Staatengemeinschaft geworden ist, leitete die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zusammen mit den G20-Staaten im Jahr 2013 ein Projekt zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und -verlagerung ein (Base Erosion and Profit Shifting; BEPS). Das Projekt mündete im Jahr 2015 in die Veröffentlichung mehrerer Berichte.

Einige dieser Berichte enthalten Bestimmungen zur Anpassung der bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), insbesondere solche zur Umsetzung der Mindeststandards gegen Abkommensmissbrauch und zur Verbesserung der Streitbeilegung. Mit dem Ziel, diese Anpassungen rasch und kosteneffizient umzusetzen, erarbeitete eine Gruppe von über 100 Staaten und Gebieten ­ darunter die Schweiz ­ ein multilaterales Instrument (BEPS-Übereinkommen). Am 7. Juni 2017 unterzeichneten knapp 70 Staaten und Gebiete ­ darunter die Schweiz ­ das BEPS-Übereinkommen.

Die Gespräche, die die Schweiz und Norwegen über die konkreten Auswirkungen des BEPS-Übereinkommens auf das DBA zwischen den beiden Staaten (DBA-NO) führten, offenbarten, dass sie nicht in der Lage sind, sich auf den genauen Wortlaut zu einigen, wie die Bestimmungen des DBA-NO durch das BEPS-Übereinkommen angepasst werden sollen. Aus diesem Grund wurde beschlossen, die Anpassung des DBA-NO an die abkommensbezogenen Resultate des BEPS-Projekts nicht über das BEPS-Übereinkommen, sondern über ein bilaterales Protokoll zur Änderung des DBA-NO vorzunehmen.

Dieses Änderungsprotokoll wurde am 20. Juni 2019 unterzeichnet. Die Kantone und die interessierten Wirtschaftsverbände begrüssten dessen Abschluss.

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Zwischen der Schweiz und Norwegen besteht ein Abkommen vom 7. September 19871 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-NO). Das Abkommen wurde seither mehrmals revidiert.

Am 7. Juni 2017 hat die Schweiz das multilaterale Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Massnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS-Übereinkommen)2 unterzeichnet. Das BEPS-Übereinkommen enthält eine Reihe von Bestimmungen zur Anpassung bestehender Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Einige dieser Bestimmungen dienen der Erfüllung der in den BEPS-Massnahmen 6 und 14 gesetzten Mindeststandards im Aktionsplan der OECD gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPSAktionsplan)3.

Im Hinblick auf die Unterzeichnung des BEPS-Übereinkommens haben die Schweiz und Norwegen die bilaterale Umsetzung des Übereinkommens besprochen. Norwegen war nicht bereit, sich mit der Schweiz auf den genauen Wortlaut zu einigen, wie die Bestimmungen des DBA-NO durch das BEPS-Übereinkommen angepasst werden sollen. Da dies eine Voraussetzung zur Anwendung des BEPS-Übereinkommens für die Schweiz ist, beschlossen beide Vertragsstaaten, die Anpassung des DBA-NO an die Resultate des BEPS-Projekts nicht über das BEPS-Übereinkommen, sondern über ein bilaterales Prototoll zur Änderung des DBA-NO vorzunehmen.

Die Verhandlungen zum Änderungsprotokoll und zur Verankerung der Neuerungen aus dem BEPS-Aktionsplan konnten im Mai 2018 in Oslo abgeschlossen werden.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftsverbände wurden über dessen Abschluss konsultiert und begrüssten diesen. Das Änderungsprotokoll wurde am 20. Juni 2019 unterzeichnet.

1.2

Würdigung

Das Änderungsprotokoll zum DBA-NO enthält fast ausschliesslich Bestimmungen, die in das DBA-NO eingeflossen wären, hätten die Schweiz und Norwegen das DBA-NO dem BEPS-Übereinkommen unterstellt. Zwischen dem Änderungsproto1 2 3

SR 0.672.959.81 BBl 2018 5447 Der französische Text des Aktionsplans ist einsehbar unter www.ocde.org > Thèmes > Fiscalité > Érosion de la base d'imposition et transfert de bénéfices > Documents clés.

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koll und dem BEPS-Übereinkommen besteht somit ein inhaltlicher Zusammenhang, aber keine unmittelbare Verbindung.

Das DBA-NO wird in der mit dem Protokoll geänderten Fassung die im Rahmen des BEPS-Aktionsplans gesetzten Mindeststandards in Bezug auf Doppelbesteuerungsabkommen erfüllen. Die Schweiz als Mitgliedstaat der OECD hat sich verpflichtet, jene DBA-bezogenen Bestimmungen, die Teil eines BEPS-Mindeststandards sind, in ihre Doppelbesteuerungsabkommen zu übernehmen. Mit dem Abschluss des Änderungsprotokolls zum DBA-NO erfolgt ein weiterer Schritt in diese Richtung.

Dies gilt auch für Element 3.3 des Mindeststandards zur BEPS-Massnahme 144.

Dieses Element verlangt die Aufnahme des zweiten Satzes von Artikel 25 Absatz 2 des OECD-Musterabkommens5 in die Doppelbesteuerungsabkommen. Gemäss dieser Bestimmung sind Verständigungslösungen ungeachtet der Fristen des innerstaatlichen Rechts umzusetzen. Ist ein Staat nicht bereit, die Bestimmung zu vereinbaren, so muss er, damit der Mindeststandard erfüllt ist, im Rahmen von DBA-Verhandlungen zur Aufnahme von Bestimmungen bereit sein, die die Frist für die Vornahme von Gewinnaufrechnungen bei Betriebsstätten und bei verbundenen Unternehmen zeitlich beschränken. Dieses alternative Vorgehen kann nicht über das BEPS-Übereinkommen erfolgen.

Die Schweiz vereinbart den zweiten Satz von Artikel 25 Absatz 2 des OECD-Musterabkommens üblicherweise nicht in ihren DBA. Infolgedessen hat die Schweizer Verhandlungsdelegation anlässlich der Verhandlungen, die zum Änderungsprotokoll DBA-NO führten, der norwegischen Verhandlungsdelegation die Aufnahme von Bestimmungen über die zeitliche Beschränkung zur Vornahme von Gewinnaufrechnungen bei Betriebsstätten und verbundenen Unternehmen vorgeschlagen. Die norwegische Seite war jedoch nicht bereit, die Gewinnaufrechnungen zeitlich zu beschränken. Das Protokoll enthält demzufolge keine entsprechende Bestimmung.

Dass die Schweiz ihre Bereitschaft zeigte, eine solche Bestimmung zu vereinbaren, ist jedoch ausreichend, damit die Kriterien von Element 3.3 der BEPS-Massnahme 14 als erfüllt gelten. Die Schweiz hat guten Willen gezeigt. Infolgedessen erfüllt das DBA-NO diesen Mindeststandard.

4

5

OECD (2016), Verbesserung der Wirksamkeit von Streitbeilegungsmechanismen, Aktionspunkt 14 ­ Abschlussberichte 2015, OECD/G20 Projekt Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung, Éditions OCDE, Paris, S. 26 (liegt nur in französischer und englischer Sprache vor).

Der französische Text des Musterabkommens ist einsehbar unter www.ocde.org > Thèmes > Fiscalité > Conventions fiscales > Modèle OCDE de Convention fiscale concernant le revenu et la fortune.

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Erläuterungen zu einzelnen Bestimmungen des Änderungsprotokolls

Art. I des Änderungsprotokolls zum DBA-NO betreffend Präambel des DBA-NO Artikel I ersetzt die Präambel zum DBA-NO durch eine neue Präambel, die im Rahmen der BEPS-Massnahme 6 erarbeitet wurde und im BEPS-Übereinkommen in Artikel 6 Absatz 1 enthalten ist.

Mit der neuen Präambel wird klargestellt, dass die Schweiz und Norwegen nicht die Absicht haben, durch das Doppelbesteuerungsabkommen Möglichkeiten zur Nichtbesteuerung oder reduzierten Besteuerung durch Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung zu schaffen. Vereinfacht ausgedrückt: Die Vermeidung von sogenannt doppelter Nichtbesteuerung ist auch Zweck des DBA-NO. Dies gilt aber nicht generell, sondern nur dann, wenn Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung Ursache dafür sind. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es Situationen von gewollter doppelter Nichtbesteuerung gibt. Dazu zählt beispielsweise die Besteuerung von Dividenden an Gesellschaften des gleichen Konzerns. Die doppelte Nichtbesteuerung verhindert in solchen Situationen ungewollte wirtschaftliche Mehrfachbelastungen.

Die Aufnahme dieser Bestimmung in das Änderungsprotokoll zum DBA-NO ist notwendig, um den im Rahmen der BEPS-Massnahme 6 gesetzten Mindeststandard zu erfüllen.

Art. II des Änderungsprotokolls zum DBA-NO betreffend Artikel 9 DBA-NO (Verbundene Unternehmen) Artikel 9 des DBA-NO (Verbundene Unternehmen) wird mit einem Absatz 2 über die Verpflichtung zu Gegenberichtigungen bei Gewinnaufrechnungen ergänzt. Der Wortlaut dieses Absatzes stimmt mit demjenigen der einschlägigen Bestimmungen des OECD-Musterabkommens (Art. 9 Abs. 2) sowie des BEPS-Übereinkommens (Art. 17 Abs. 1) überein.

Die Änderung dieser Bestimmung hat grundsätzlich keine praktischen Auswirkungen auf die Schweiz: Die Schweiz ist weiterhin zu keinen automatischen Gegenberichtigungen bei Gewinnaufrechnungen durch ausländische Steuerbehörden verpflichtet. Vielmehr muss die Schweiz Gegenberichtigungen nur dann vornehmen, wenn diese der Lösung im Rahmen eines Verständigungsverfahrens zwischen den zuständigen Behörden von Norwegen und der Schweiz entsprechen.

Die Änderung dieser Bestimmung entspricht der Best-Practice-Empfehlung der BEPS-Massnahme 14 und der aktuellen schweizerischen Abkommenspolitik in diesem Bereich.

Art. III des Änderungsprotokolls zum DBA-NO betreffend Artikel 23 DBA-NO (Vermeidung
der Doppelbesteuerung) Der neue Absatz 3 von Artikel 23 DBA-NO (Vermeidung der Doppelbesteuerung) ergänzt die Bestimmung, die die Art der Vermeidung der Doppelbesteuerung durch

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den Ansässigkeitsstaat festlegt, durch eine Bestimmung, die die Nichtbesteuerung oder reduzierte Besteuerung in Fällen von Qualifikationskonflikten vermeiden soll.

Demzufolge muss die Schweiz als Ansässigkeitsstaat einer Person, die zur Nutzung von Einkünften oder Vermögen aus Norwegen berechtigt ist, die gemäss DBA-NO in Norwegen besteuert werden dürfen, diese Einkünfte oder Vermögen dann nicht von der Besteuerung ausnehmen, wenn Norwegen keine ­ oder bei Dividenden eine bloss reduzierte ­ Besteuerung vornimmt, weil Norwegen der Auffassung ist, es sei durch das DBA-NO zur Befreiung oder zu einer reduzierten Besteuerung verpflichtet. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn Norwegen als Quellenstaat Einkünfte einer in der Schweiz ansässigen Person als Kapitalgewinn behandelt, während die Schweiz als Ansässigkeitsstaat sie als Einkommen aus einer in Norwegen ausgeübten unselbstständigen Erwerbstätigkeit erachtet. Ohne die neue Bestimmung würde die Schweiz das Einkommen von der Besteuerung ausnehmen, obwohl Norwegen aufgrund seiner steuerlichen Qualifikation des Einkommens das Besteuerungsrecht in der Schweiz sieht (Art. 13 Abs. 4 DBA-NO) und deshalb nicht besteuert. Nach der neuen Bestimmung muss die Schweiz solches Einkommen nicht mehr freistellen (Art. 23 Abs. 2 Bst. a DBA-NO), sondern kann es als Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit besteuern.

Die Bestimmung verhindert eine ungewollte doppelte Nichtbesteuerung aufgrund einer unterschiedlichen Qualifikation von Sachverhalten oder einer unterschiedlichen Auslegung von Begriffen des DBA-NO durch die Schweiz und Norwegen. Die Bestimmung ist im OECD-Musterabkommen (Art. 23A Abs. 4) und im BEPS-Übereinkommen (Art. 5 Abs. 2) enthalten. Sie ist nicht Teil eines Mindeststandards im BEPS-Aktionsplan.

Art. IV des Änderungsprotokolls zum DBA-NO betreffend Artikel 25 DBA-NO (Verständigungsverfahren) Dieser Artikel sieht erstens eine Anpassung von Artikel 25 Absatz 1 DBA-NO vor, der die Ersuchen um ein Verständigungsverfahren regelt. Insbesondere geht es um die Frage, bei welcher der beiden zuständigen Behörden die Einleitung eines Verständigungsverfahrens zu beantragen ist.

Unter der geltenden Bestimmung muss sich eine Person, wenn sie der Auffassung ist, dass Massnahmen eines Vertragsstaats oder beider Vertragsstaaten für sie zu einer Besteuerung
führen oder führen werden, die dem DBA-NO nicht entspricht, an die zuständige Behörde desjenigen Vertragsstaats richten, in dem sie ansässig ist.

Mit der Anpassung von Artikel 25 Absatz 1 des DBA-NO wird eine Person bei der Wahl der zuständigen Behörde für die Einleitung eines Verständigungsverfahrens nicht mehr eingeschränkt. Sie kann sich in Zukunft an die zuständige Behörde des Vertragsstaats ihrer Wahl wenden.

Hintergrund für die Anpassung dieser Bestimmung bildet Element 3.1 des MindestStandards zur BEPS-Massnahme 14. Gemäss diesem Element sollen die zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten über die Einleitung eines Ersuchens um ein Verständigungsverfahren informiert werden. Beide zuständigen Behörden sollen je für sich darüber befinden können, ob dem Ersuchen stattgegeben werden soll oder ob es abzuweisen ist.

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Die angepasste Bestimmung über die Einleitung eines Verständigungsverfahrens ist auch im OECD-Musterabkommen (Art. 25 Abs. 1 erster Satz) und im BEPS-Übereinkommen (Art. 16 Abs. 1 erster Satz) enthalten.

Zweitens wird die Schiedsklausel um einen weiteren Ausschlussgrund vom Schiedsverfahrens ergänzt. Artikel 25 Absatz 6 Buchstabe c DBA-NO sieht neu vor, dass der Zugang zum Schiedsverfahren ausserdem in bestimmten Situationen der Verjährung im Zusammenhang mit der Übertragung von Immaterialgütern verwehrt ist.

Art. V und VI des Änderungsprotokolls zum DBA-NO betreffend Artikel 28a DBA-NO (Anspruch auf Vorteile) Mit Artikel 28a (Anspruch auf Vorteile) wird eine Missbrauchsklausel eingeführt, die auf dem hauptsächlichen Zweck einer Gestaltung oder Transaktion abstellt.

Aufgrund dieser Klausel werden die Vorteile des DBA-NO nicht gewährt, wenn das Erlangen dieser Vorteile einer der hauptsächlichen Zwecke der entsprechenden Gestaltung oder Transaktion war; es sei denn, es wird nachgewiesen, dass das Gewähren dieser Vorteile in Einklang mit dem Ziel und Zweck der entsprechenden Bestimmungen des DBA-NO steht.

Diese Missbrauchsklausel ist zwar neu, sie entspricht aber in ihren Grundzügen den Missbrauchsklauseln, die die Schweiz in den letzten Jahren in einer Vielzahl ihrer DBA vereinbart hat. Anders ist indessen, dass die Missbrauchsklausel nicht auf gewisse Arten von Einkünften wie Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren beschränkt ist. Vielmehr findet sie in Bezug auf sämtliche Bestimmungen des Abkommens Anwendung. Alle Abkommensvorteile unterliegen damit dem Vorbehalt einer missbräuchlichen Inanspruchnahme.

Vom Wortlaut her unterscheidet sich die Missbrauchsklausel gegenüber jenen, die in vielen jüngeren Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz enthalten sind, noch in einem weiteren Punkt. So ist nach dem Text der Klausel Missbrauch nicht auf Situationen beschränkt, bei denen der Hauptzweck der entsprechenden Gestaltung oder Transaktion im Erlangen der Abkommensvorteile lag. Vielmehr besteht Missbrauch auch dann, wenn bloss einer der Hauptzwecke dafür verantwortlich war. Vom Resultat her besteht indessen keine Differenz. Denn der zweite Teil der Missbrauchsklausel sieht vor, dass die Abkommensvorteile dennoch gewährt werden, wenn dies in Einklang mit dem Ziel und Zweck der entsprechenden Bestimmungen
des Abkommens steht. Dies sollte grundsätzlich dann der Fall sein, wenn das Erlangen der entsprechenden Abkommensvorteile nicht der Hauptzweck der Gestaltung oder Transaktion war.

Diese Missbrauchsklausel wurde im Rahmen der BEPS-Massnahme 6 entwickelt.

Sie ist im OECD-Musterabkommen (Art. 29 Abs. 9) und im BEPS-Übereinkommen (Art. 7 Abs. 1) enthalten. Um dem im Rahmen der BEPS-Massnahme 6 gesetzten Mindeststandard Genüge zu tun, reicht die Aufnahme dieser Missbrauchsklausel in die Doppelbesteuerungsabkommen. Es bedarf in einem solchen Fall keiner weiteren Missbrauchsbestimmung.

Die ursprünglich in Artikel 2 des Protokolls zum DBA-NO vorgesehene Missbrauchsbestimmung wird deshalb aufgehoben (Art. VI des Änderungsprotokolls).

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Art. VII des Änderungsprotokolls zum DBA-NO (Inkrafttreten) Die Bestimmungen des Änderungsprotokolls zum DBA-NO finden grundsätzlich Anwendung auf Steuerjahre, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten folgenden Kalenderjahres beginnen.

Was hingegen die Einleitung von Verständigungsverfahren angeht, findet Artikel IV Absatz 1 ungeachtet der Steuerperiode, auf die sich die Sache bezieht, vom Tag des Inkrafttretens des Änderungsprotokolls zum DBA-NO an Anwendung.

3

Finanzielle Auswirkungen

Das Änderungsprotokoll sieht keine Änderung bei den Zuteilungsnormen der Besteuerungsrechte zwischen der Schweiz und Norwegen vor. Vielmehr enthält es Bestimmungen zur Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme des DBA-NO und zur Verbesserung der Verständigungsverfahren als Mittel zur Streitbeilegung bei Doppelbesteuerungen. Das Änderungsprotokoll dürfte somit keinen namhaften Einfluss auf die Steuereinnahmen des Bundes, der Kantone und der Gemeinden haben. Das revidierte DBA-NO kann im Rahmen der bestehenden Personalressourcen umgesetzt werden.

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Rechtliche Aspekte

Das Änderungsprotokoll stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung6 (BV), wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Nach Artikel 184 Absatz 2 BV ist der Bundesrat ermächtigt, die Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist gemäss Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung der Verträge zuständig; ausgenommen sind die Verträge, für deren Abschluss aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (siehe auch Art. 7a Abs. 2 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 19977). Im vorliegenden Fall gibt es kein Gesetz und keinen völkerrechtlichen Vertrag, die dem Bundesrat die Kompetenz verleihen, einen Vertrag wie das Änderungsprotokoll abzuschliessen. Das Parlament ist somit für die Genehmigung des Änderungsprotokolls zuständig.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unter anderem wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten. Gemäss Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20028 (ParlG) gelten Bestimmungen als rechtsetzend, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen.

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SR 101 SR 172.010 SR 171.10

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Das Änderungsprotokoll enthält Bestimmungen, die den Schweizer Behörden Pflichten auferlegen sowie den Schweizer Behörden und den Privatpersonen (natürliche und juristische Personen) Rechte verleihen. Das Änderungsprotokoll enthält somit wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 22 Absatz 4 ParlG und Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV.

Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Änderungsprotokolls untersteht deshalb dem fakultativen Staatsvertragsreferendum für völkerrechtliche Verträge nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV.

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Vernehmlassungsverfahren

Das Änderungsprotokoll untersteht dem Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV. Gestützt auf 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 20059 (VlG) besteht damit an sich die Pflicht zur Durchführung einer Vernehmlassung. Zum Änderungsprotokoll wurde eine Orientierung durchgeführt. Dabei wurde im Februar 2019 den Kantonen und den am Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen interessierten Wirtschaftskreisen eine Erläuterung zum Änderungsprotokoll vorgelegt. Das Änderungsprotokoll wurde positiv und ohne Einwände aufgenommen. Die Positionen der interessierten Kreise sind entsprechend bekannt und belegt. Gestützt auf Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VlG konnte deshalb auf eine Vernehmlassung verzichtet werden.

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SR 172.061

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