18.092 Botschaft zur Änderung des Erwerbsersatzgesetzes (Mutterschaftsentschädigung bei längerem Spitalaufenthalt des Neugeborenen) vom 30. November 2018

Sehr geehrter Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit der vorliegenden Botschaft den Entwurf zur Änderung des Erwerbsersatzgesetzes mit dem Antrag auf Zustimmung.

Gleichzeitig beantragen wir, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2017

M

16.3631

Länger dauernde Mutterschaftsentschädigung bei längerem Spitalaufenthalt des Neugeborenen (SR 13.12.16, Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit SR; NR 7.6.17)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

30. November 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2018-2916

141

Übersicht Mit der Änderung soll in der Erwerbsersatzordnung eine Bestimmung eingeführt werden, die für Fälle, in denen ein Neugeborenes mindestens drei Wochen im Spital verbleiben muss, eine länger dauernde Mutterschaftsentschädigung vorsieht.

Ausgangslage Die Revisionsvorlage geht zurück auf die Motion der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats (16.3631) «Länger dauernde Mutterschaftsentschädigung bei längerem Spitalaufenthalt des Neugeborenen». Der Ständerat hat die Motion am 13. Dezember 2016, der Nationalrat am 7. Juni 2017 angenommen.

Der Bundesrat wird in der Motion beauftragt, im Rahmen des Erwerbsersatzgesetzes (EOG) eine Lösung vorzuschlagen, die für Fälle, in denen ein Neugeborenes über drei Wochen im Spital verbleiben muss, eine länger dauernde Mutterschaftsentschädigung vorsieht.

Gemäss geltendem Recht kann die Mutter bei einem über dreiwöchigen Spitalaufenthalt des neu geborenen Kindes eine Aufschiebung der Mutterschaftsentschädigung und somit auch des Mutterschaftsurlaubs beantragen (Art. 16c Abs. 2 EOG).

Für die betroffenen Frauen stellt sich in dieser Zeitspanne die Frage der Lohnfortzahlung, umso mehr als das Arbeitsgesetz vorsieht, dass Mütter während acht Wochen nach der Niederkunft nicht beschäftigt werden dürfen (Art. 35a Abs. 3). Die aktuelle Rechtslage bietet keine Sicherheit und es gibt keine einheitliche Anwendung. Das EOG sieht während der Dauer des Aufschubs der Mutterschaftsentschädigung keine Leistungen vor, und auch keine andere soziale oder private Versicherung vermag eine ausreichende Deckung zu garantieren. Der Lohnanspruch nach Artikel 324a des Obligationenrechts (OR) bei Verhinderung des Arbeitnehmers ist im ersten Dienstjahr auf drei Wochen beschränkt und liegt danach im Ermessen der Gerichte, was in gewissen Fällen zu Unsicherheiten und Lücken führt. Was die Gesamtarbeitsverträge (GAV) anbelangt, so gelten diese nicht für alle Frauen und nicht alle sehen eine Deckung bei Lohnausfall in einem solchen Fall vor.

Inhalt der Vorlage Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die aktuelle Situation, die auf eine Lücke bei der Einführung der Mutterschaftsentschädigung zurückzuführen ist, unbefriedigend ist und dass Massnahmen ergriffen werden müssen. Er schlägt vor, den Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung infolge der Hospitalisierung des
Neugeborenen im EOG zu verlängern. Die Mutterschaftsentschädigung ist auf 98 Tage beschränkt und auch die Verlängerung soll befristet werden. Dazu werden 56 zusätzliche Entschädigungstage vorgeschlagen. Zudem werden im OR die nötigen Anpassungen vorgenommen: Der Mutterschaftsurlaub und der Schutz vor Kündigung zur Unzeit werden im gleichen Umfang verlängert wie der Entschädigungsanspruch. In Bezug auf die Verlängerung des Urlaubs kann auf die aktuelle Formulierung zur Kürzung der Ferien abgestützt werden.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

Ausgangslage 1.1 Ursprung der Vorlage 1.1.1 Vorgeschlagene und gewählte Lösung 1.1.2 Entwicklung der Mutterschaftsentschädigung 1.1.3 Längerer Spitalaufenthalt des neugeborenen Kindes 1.1.4 Weitere Vorlagen im Rahmen des EOG 1.2 Geltendes Recht 1.2.1 Aufschub der Mutterschaftsentschädigung im EOG 1.2.2 Lohnfortzahlung gemäss OR 1.2.3 Lohnfortzahlung gemäss GAV 1.2.4 Lohnersatz 1.2.5 Weitere Leistungen 1.3 Handlungsbedarf 1.4 Verhältnis zur Legislaturplanung 1.5 Erledigung eines parlamentarischen Vorstosses

145 145 145 146 147 148 149 149 150 153 154 155 155 157 157

2

Vernehmlassungsverfahren

157

3

Vergleich mit ausländischem Recht

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4

Grundzüge der Vorlage 4.1 Vorgeschlagene Regelung 4.1.1 Längere Auszahlung der Mutterschaftsentschädigung im EOG 4.1.2 Dauer der längeren Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung 4.1.3 Bezügerinnenkreis 4.1.4 Längerer Mutterschaftsurlaub im OR 4.1.5 Kündigungsschutz 4.2 Umsetzung

159 159

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

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6

Auswirkungen 6.1 Finanzielle Auswirkungen für die EO 6.2 Auswirkungen auf Bund und Kantone 6.2.1 Finanzielle Auswirkungen 6.2.2 Auswirkungen auf den Personalbedarf 6.3 Wirtschaftliche Auswirkungen

165 165 166 166 166 166

7

Rechtliche Aspekte 7.1 Verfassungsmässigkeit 7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen

166 166 167

159 160 160 161 161 162

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7.3

7.4 7.5 7.6 7.7

Vereinbarkeit mit anderen Gesetzen 7.3.1 Koordination mit dem Arbeitsgesetz 7.3.2 Koordination mit der Alters- und Hinterlassenenversicherung 7.3.3 Koordination mit der beruflichen Vorsorge 7.3.4 Koordination mit der Unfallversicherung 7.3.5 Koordination mit der Arbeitslosenversicherung Erlassform Ausgabenbremse Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen Datenschutz

168 168 168 168 169 169 170 170 170 170

Anhang: EO-Finanzhaushalt

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Bundesgesetz über den Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft (Erwerbsersatzgesetz, EOG) (Entwurf)

173

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Ursprung der Vorlage

1.1.1

Vorgeschlagene und gewählte Lösung

Die Revisionsvorlage geht zurück auf die Motion der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats (SGK-S) (16.3631) «Länger dauernde Mutterschaftsentschädigung bei längerem Spitalaufenthalt des Neugeborenen». Der Ständerat hat die Motion am 13. Dezember 2016, der Nationalrat am 7. Juni 2017 angenommen. Der Bundesrat wird in der Motion beauftragt, im Rahmen des Erwerbsersatzgesetzes vom 25. September 19521 (EOG) eine Lösung vorzuschlagen, die für Fälle, in denen ein Neugeborenes über drei Wochen im Spital verbleiben muss, eine länger dauernde Mutterschaftsentschädigung vorsieht.

Muss ein Neugeborenes unmittelbar nach der Geburt für längere Zeit im Spital verbleiben, so kann die Mutter einen Aufschub der Mutterschaftsentschädigung beantragen (Art. 16c Abs. 2 EOG). Während dieser Zeit erhält die Mutter keine Entschädigung. Auch ein Lohnanspruch nach Artikel 324a des Obligationenrechts2 (OR) ist während dieser Zeit nicht in allen Fällen gewährleistet. Das Arbeitsgesetz vom 13. März 19643 (ArG), unter das die meisten erwerbstätigen Frauen fallen, sieht vor, dass Mütter während acht Wochen nach der Niederkunft nicht und danach bis zur 16. Woche nur mit ihrem Einverständnis beschäftigt werden dürfen (Art. 35a Abs. 3). Folglich hat die Mutter, obwohl sie sich in einer schwierigen Situation befindet, zwischen dem Zeitpunkt der Geburt und der Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung kein gesichertes Einkommen.

In seinem Bericht4 in Beantwortung zweier Postulate weist der Bundesrat auf das Risiko von Einkommenslücken während der Dauer des Aufschubs der Mutterschaftsentschädigung hin (10.3523 Maury Pasquier «Welches Einkommen während des achtwöchigen Arbeitsverbots nach der Geburt, wenn der Anspruch auf Entschädigung durch die Mutterschaftsversicherung infolge der Hospitalisierung des Neugeborenen aufgeschoben wird?» und 10.4125 Teuscher «Anspruch auf angemessenen Lohnersatz bei Aufschub des Mutterschaftsurlaubs»). Ausserdem zeigt er Möglichkeiten für eine Änderung des geltenden Rechts auf. Der Motion der SGK-S (16.3631) zufolge besteht die Variante, mit der Ungleichbehandlungen am besten verhindert werden könnten, die zudem am wenigsten kosten würde und bei welcher der Arbeitgeber nicht alleine für die Lohnfortzahlung aufkommen müsste, darin, im EOG eine längere Ausrichtung der derzeit auf 98 Tage beschränkten Mutterschaftsentschädigung zu verankern.

1 2 3 4

SR 834.1 SR 220 SR 822.11 Bericht des Bundesrates vom 20. April 2016: «Einkommen der Mutter bei Aufschub der Mutterschaftsentschädigung infolge längeren Spitalaufenthalts des neugeborenen Kindes».

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Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die aktuelle Situation, die auf eine Lücke bei der Einführung der Mutterschaftsentschädigung zurückzuführen ist, unbefriedigend ist und dass Massnahmen ergriffen werden müssen. Er unterstützt deshalb die in der Motion vorgeschlagene Lösung.

1.1.2

Entwicklung der Mutterschaftsentschädigung

Am 1. Juli 2005 traten die neuen Bestimmungen des EOG zur Mutterschaftsentschädigung für erwerbstätige Frauen in Kraft. Parallel dazu erfolgten eine Änderung des OR (Art. 324a Abs. 3 OR: Streichung des Ausdrucks Niederkunft) und die Einführung eines neuen Artikels 329f OR zum Mutterschaftsurlaub, worin präzisiert wird, dass die Arbeitnehmerin nach der Niederkunft Anspruch auf einen Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen hat.

Die Einrichtung einer Mutterschaftsversicherung ist seit 1945 in der Bundesverfassung5 (BV) verankert; jedoch erforderte ihre Konkretisierung sehr viel Zeit. Bis zur Umsetzung 2005 gab es mehrere Gelegenheiten, die Mutterschaft abzusichern, aber entweder wurden die Vorlagen in der Vorprüfungsphase abgelehnt, oder sie sind im Parlament oder schliesslich in der Volksabstimmung gescheitert.

Das heutige System geht auf eine parlamentarische Initiative aus dem Jahre 2001 zurück (Triponez 01.426), diese war bescheidener ausgestaltet als frühere Vorlagen.

Um ein erneutes Scheitern zu verhindern, waren die Anspruchsvoraussetzungen strenger, die Leistungen geringer und plafoniert sowie auf erwerbstätige Frauen beschränkt; Adoptionen wurden ausgeklammert. Vorgesehen war ein gesetzlicher Anspruch auf einen bezahlten Mutterschaftsurlaub von 14 Wochen mit einer Entschädigung von 80 Prozent des Erwerbseinkommens. Das Parlament hat die Vorlage in der Schlussabstimmung vom 3. Oktober 2003 verabschiedet, woraufhin das Referendum mit der Begründung ergriffen wurde, die Sozialversicherungen seien zu konsolidieren und es seien keine neuen Leistungen zu schaffen. Eine weitere Kritik betraf die Diskriminierung, da nichterwerbstätigen Frauen der Leistungsanspruch verwehrt wurde. Im September 2004 wurde die Vorlage zur Revision des EOG mit 55,5 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Damit wurden die Erwerbsersatzansprüche auf erwerbstätige Mütter ausgeweitet. Die Mutterschaftsentschädigung trat am 1. Juli 2005 in Kraft treten. Im Jahr 2016 haben über 80 000 Frauen eine Mutterschaftsentschädigung bezogen.

Sechzig Jahre nach der Aufnahme in die Bundesverfassung wurde die Mutterschaftsversicherung schliesslich auf einfache und effiziente Weise umgesetzt. Sie wurde in die Erwerbsersatzordnung für Dienstleistende EOG integriert, indem deren Anwendungsbereich auf erwerbstätige Mütter ausgeweitet wurde;
gleichzeitig wurde der Mutterschaftsurlaub im OR verankert. Die zur Finanzierung der Mutterschaftsentschädigung notwendige Erhöhung des EO-Beitragssatzes um 0,1 Prozent wurde durch das Gesetz ermöglicht, aber der EO-Fonds verfügte über genügend hohe Reserven, um die Finanzierung der Versicherung in den ersten Jahren sicherzustellen. Deshalb musste der EO-Beitragssatz erst 2011 erhöht werden (von 0,3 auf 5

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SR 101

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0,5 %). Per 1. Januar 2016 wurde der Satz befristet für fünf Jahre, d. h. bis 31. Dezember 2020, auf 0,45 Prozent gesenkt. Der Bundesrat wird die Situation vor Ablauf dieser Frist neu beurteilen und die nötigen Massnahmen für die Zeit nach 2020 treffen.

1.1.3

Längerer Spitalaufenthalt des neugeborenen Kindes

Seit 2014 werden in der Schweiz rund 85 000 Kinder pro Jahr geboren. Obwohl Geburtshäuser im Trend sind, kommen die meisten Kinder (97 %) im Spital zur Welt. Bei einer normal verlaufenden Geburt wird in der Regel von einem zwei- bis dreitätigen Spitalaufenthalt ausgegangen. Bei einem Kaiserschnitt sind es rund fünf Spitaltage. In gewissen Fällen ist aufgrund des Gesundheitszustandes des Neugeborenen jedoch ein längerer Spitalaufenthalt erforderlich, insbesondere bei Frühgeburten.

Im Jahr 2016 machten Frühgeburten 7 Prozent aller Geburten in der Schweiz aus.6 Als Frühgeburten gelten Geburten vor der 37. Schwangerschaftswoche. Sehr frühe Frühgeburten (d. h. vor der vollendeten 32. Schwangerschaftswoche geborene Kinder) machen einen Anteil von 1 Prozent der Neugeborenen aus.

Ein Aufenthalt von drei Wochen oder mehr im Spital berechtigt zum Aufschub der Mutterschaftsentschädigung. Derzeit liegen keine administrativen Daten zur Anzahl Mütter vor, die die Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung verschieben, und auch nicht zur Dauer des Aufschubs. Aus den Spitalstatistiken lässt sich indes der Kreis der Mütter ableiten, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen könnten.

Allerdings ist die Schätzung der potenziellen Fälle nur beschränkt aussagekräftig: Zunächst gilt es nämlich zu bedenken, dass nicht jede Geburt in der Schweiz einen Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung auslöst; insbesondere nichterwerbstätige Mütter sind durch die Mutterschaftsversicherung nicht abgedeckt. Zudem besteht für Frauen, die sich dazu entschliessen, ihre Erwerbstätigkeit nach der Geburt zu unterbrechen, keine Notwendigkeit, die Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung zu verlängern, da sie nichts daran hindert, ihre Zeit auch nach Ablauf der 14 Wochen zu einem wesentlichen Teil beim Neugeborenen verbringen. Schliesslich ist es schwierig festzustellen, wie sich selbstständigerwerbende Mütter verhalten.

2015 waren 1326 Neugeborene während 21 Tagen und länger hospitalisiert. Dies ergibt ein Total von 58 410 Tagen.7 Von den Neugeborenen, die 21 Tage und länger hospitalisiert waren, verbrachten 80 Prozent weniger als 56 Tagen im Spital. Diese Zahlen sind seit 2009 relativ konstant.

6 7

Gesundheit der Neugeborenen 2016, BFS.

Medizinische Statistik der Krankenhäuser 2017, BFS.

147

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Anzahl Neugeborene mit Spitalaufenthalten von über 21 Tagen (2015)

Laut medizinischer Statistik der Krankenhäuser liegt die Dauer der Spitalaufenthalte von Neugeborenen in rund 60 Prozent der Fälle nicht über 35 Tagen. Je länger der Spitalaufenthalt, umso weniger Fälle werden verzeichnet: Eine Hospitalisierung von über 95 Tagen betrifft nur etwa 6 Prozent der Fälle; im Jahr 2015 entsprach dies rund 80 Neugeborenen. Bei sehr schweren Fällen (rund 60 Kinder) dauert der Spitalaufenthalt zwischen 100 und 366 Tage. Die Anzahl der Kinder, die aufgrund ihres Gesundheitszustands sehr lange im Spital bleiben müssen, ist folglich eher gering.

1.1.4

Weitere Vorlagen im Rahmen des EOG

Derzeit sind verschiedene Vorlagen, die das EOG betreffen, in Bearbeitung. Die parlamentarische Initiative Romano (13.478) verlangt die Einführung einer Adoptionsentschädigung. Heute haben nach Bundesrecht Eltern, die ein Kind adoptieren, nach der Aufnahme des Kindes keinen Anspruch auf einen spezifischen Urlaub. Die Initiative schlägt vor, im EOG einen Adoptionsurlaub einzuführen, um den Bedürfnissen der Familie, die das Kind bei sich aufnimmt, und des Kindes Rechnung zu tragen. Die zweite Vorlage betrifft die Unterstützung von pflegenden Angehörigen.

Der Bundesrat hat 2014 im Rahmen seiner umfassenden Strategie «Gesundheit 2020» den Aktionsplan zur Unterstützung und Entlastung pflegender Angehöriger verabschiedet. Der Aktionsplan umfasst vier Handlungsfelder. Einer der Bereiche betrifft die Prüfung der Möglichkeit, einen Urlaub für Eltern von schwerkranken oder verunfallten Kindern einzuführen. Gegenstand einer dritten Vorlage ist die Einführung eines Vaterschaftsurlaubs. Die Volksinitiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub ­ zum Nutzen der ganzen Familie» ist im August 2017 zustande gekommen. Sie verlangt die Einführung eines Vaterschaftsurlaubs von mindestens 148

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vier Wochen. Die Vaterschaftsentschädigung soll nach dem Vorbild der Mutterschaftsentschädigung im EOG geregelt werden. Am 1. Juni 2018 hat der Bundesrat die Botschaft über die Einführung eines Vaterschaftsurlaubs im Rahmen des EOG verabschiedet. Er beantragt dem Parlament, die Initiative abzulehnen. Der Bundesrat anerkennt zwar das Anliegen eines Vaterschaftsurlaubs; der Ausbau eines bedarfsgerechten familienergänzenden Kinderbetreuungsangebots hat für ihn jedoch Priorität.

An ihrer Sitzung vom 21. August 2018 hat die SGK-S einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative vorgelegt, der einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub vorsieht.

1.2

Geltendes Recht

1.2.1

Aufschub der Mutterschaftsentschädigung im EOG

Der Entschädigungsanspruch entsteht am Tag der Niederkunft (Art. 16c Abs. 1 EOG). Er besteht ab der Geburt des Kindes während 98 Tagen. Die Mutter kann sich von der Schwangerschaft und der Geburt erholen und verfügt in den ersten Lebensmonaten über die nötige Zeit, sich um das Neugeborene zu kümmern. Muss das Neugeborene aus gesundheitlichen Gründen länger im Spital bleiben, so verkürzt sich für die Mutter die Dauer des Mutterschaftsurlaubs und damit die Zeit, in der sie sich ausschliesslich dem Kind widmen kann. Deshalb wurde eine Bestimmung vorgesehen (Art. 16c Abs. 2 EOG), die es der Mutter ermöglicht, bei längerem Spitalaufenthalt des neugeborenen Kindes den Beginn der Entschädigung auf den Tag zu verschieben, an dem das Kind nach Hause kommt. Zu erwähnen ist, dass einzig der Gesundheitszustand des Kindes und nicht jener der Mutter den Aufschub begründen kann, selbst wenn die Konsequenzen eines längeren Spitalaufenthalts der Mutter die gleichen sind, nämlich, dass sie sich nicht um das Neugeborene kümmern kann. Doch in diesem Fall schliesst die Mutterschaftsentschädigung Taggeldzahlungen anderer Sozialversicherungen (z. B. Invalidenversicherung oder Unfallversicherung) aus. Die anderen Versicherungen kommen erst zum Tragen, wenn der Anspruch auf die Mutterschaftsentschädigung erloschen und die Mutter immer noch arbeitsunfähig ist.

Der Anspruch auf Aufschub der Mutterschaftsentschädigung setzt voraus, dass das Neugeborene nach der Geburt mindestens drei Wochen im Spital verbleiben muss (Art. 24 Abs. 1 der Verordnung vom 24. November 20048 zum Erwerbsersatzgesetz; EOV). Erkrankt das Kind erst einige Tage nachdem es nach Hause gekommen ist und ist ein längerer Spitalaufenthalt erforderlich, ergibt sich daraus kein Anspruch auf Aufschub der Mutterschaftsentschädigung. Ausserdem muss der Gesundheitszustand mit einem ärztlichen Zeugnis nachgewiesen werden. Die Mutter muss schliesslich auf dem entsprechenden Formular ausdrücklich beantragen, dass sie die Mutterschaftsentschädigung aufschieben will. Sind alle Voraussetzungen erfüllt oder wird der Aufschub widerrufen, bevor das Kind nach Hause zurückkehrt, wird die Mutterschaftsentschädigung ab dem Ende des Aufschubs ausbezahlt, d. h. ab dem Tag, an dem das Kind das Spital verlässt, oder ab Datum des Widerrufs. Unter diesen Um-

8

SR 834.11

149

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ständen erfolgt wird die Entschädigung nicht mehr ab dem Tag der Niederkunft ausgerichtet.

Artikel 24 EOV hält fest, dass die Dauer im Spital nach der Geburt mindestens drei Wochen betragen muss. Eine maximale Dauer für den Aufschub des Mutterschaftsurlaubs wurde nicht vorgesehen; er endet indes am Tag, an dem das Neugeborene zur Mutter zurückkehrt. Nach heutiger allgemeiner Auslegung geht der Aufschub der Mutterschaftsentschädigung mit dem Aufschub des Mutterschaftsurlaubs nach Artikel 329f OR einher. Obwohl die OR-Bestimmung dies nicht ausdrücklich vorsieht, wollte der Gesetzgeber den Mutterschaftsurlaub mit der Mutterschaftsentschädigung koordinieren. Somit hat der Aufschub der Mutterschaftsentschädigung auch den Aufschub des Mutterschaftsurlaubs zur Folge. Da derzeit der Aufschub der Mutterschaftsentschädigung zeitlich nicht befristet ist, kann der Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit nicht bestimmt werden.

Bei der Einführung der Mutterschaftsentschädigung war sich der Gesetzgeber der speziellen Situation von Müttern bewusst, deren Neugeborenes länger im Spital bleiben muss. Deshalb hat er für die Mütter, die dies wünschen, die Möglichkeit des Aufschubs der Mutterschaftsentschädigung, bis das Kind nach Hause kommt, vorgesehen. Hingegen wollte er die längere Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung bei einem Aufschub nicht ausdrücklich regeln und auch nicht die Frage der Lohnfortzahlung in diesen Fällen. Während des Spitalaufenthalts des Kindes, also ab dem ersten Tag nach der Niederkunft bis zur Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung, sieht das EOG somit keine Leistung vor.

1.2.2

Lohnfortzahlung gemäss OR

Da im EOG kein Lohnersatz vorgesehen ist, stellt sich die Frage nach einer Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber nach Obligationenrecht.

Eine Lohnfortzahlungspflicht besteht nach Artikel 324a OR dann, wenn der Arbeitnehmer ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert ist. Eine Ausnahme ist in Artikel 324b Absatz 1 OR vorgesehen: Ist der Arbeitnehmer auf Grund gesetzlicher Vorschrift gegen die wirtschaftlichen Folgen unverschuldeter Arbeitsverhinderung aus Gründen, die in seiner Person liegen, obligatorisch versichert, so hat der Arbeitgeber den Lohn nicht zu entrichten, wenn die für die beschränkte Zeit geschuldeten Versicherungsleistungen mindestens vier Fünftel des darauf entfallenden Lohnes decken.

In Bezug auf die Anwendbarkeit dieser Artikel bei Frauen nach der Geburt sind die Lehrmeinungen geteilt. Einige argumentieren9, dass die Arbeitsverhinderung infolge Niederkunft nicht in den Anwendungsbereich der Artikel 324a und 324b OR fällt, seit mit der Revision eine Mutterschaftsentschädigung eingeführt und der Ausdruck «Niederkunft» aus Artikel 324a OR gestrichen wurde. Die neuen Bestimmungen des 9

150

Zürcher Kommentar-Staehelin, Nr. 16a ad Art. 324a OR; Berner Kommentar-Rehbinder/ Stöckli, Nr. 6 ad Art. 324a OR; Streiff/von Kaenel/Rudolph, Nr. 16 ad Art. 324a/b OR; Vischer/Müller, § 12 Nr. 9, 38 und 39; CHK-Emmel, Nr. 9 ad Art. 324a OR; Commentaire romand-Aubert, Nr. 24 ad Art. 324a OR.

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EOG, die den Anspruch auf die Mutterschaftsentschädigung festlegen, werden daher nicht mehr als obligatorische Versicherung im Sinne von Artikel 324b OR verstanden; dieser gilt nun einzig für Arbeitsverhinderungen nach Artikel 324a OR. Somit muss der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin die Lohndifferenz zwischen 80 Prozent des tatsächlichen Lohnes und dem maximalen Taggeld (Art. 324b Abs. 2 OR) oder die 80 Prozent des Lohnes während des Aufschubs, in dem keine Leistung ausgerichtet wird (Art. 324a Abs. 3 OR), nicht bezahlen. Nicht alle gehen mit dieser Auslegung einig.10 Auch wurde sie nicht in die kantonale Rechtsprechung übernommen.11 Das Bundesgericht hat sich zu diesem Punkt noch nicht geäussert, jedoch kürzlich in einem Urteil bekräftigt, dass der eigentliche Zweck der Mutterschaftsentschädigung, nämlich die Mutter finanziell abzusichern, der Absicht des Bundesgesetzgebers vorgeht, die Arbeitgeber zu entlasten12; diese Absicht wurde geltend gemacht, um die Nichtanwendung der Artikel 324a und 324b OR bei Mutterschaft zu rechtfertigen.

Ein längerer Spitalaufenthalt des Neugeborenen hält die Mutter zwar nicht vom Arbeiten ab, aber von Belang ist die gesetzliche Pflicht der Eltern, ihr krankes Kind zu betreuen. Die Wahrnehmung dieser gesetzlichen Pflicht gilt als Verhinderung an der Arbeitsleistung im Sinne von Artikel 324a Absatz 1 OR. Eine Verhinderung wird von der Rechtsprechung jedoch nur für die Zeit angenommen, die für die Organisation einer Ersatzlösung, z. B. eines Pflegedienstes, erforderlich ist.13 Von dieser Einschränkung werden allerdings auch Ausnahmen gemacht: Ist die Anwesenheit der Eltern beim Kind nötig, so bejaht die kantonale Rechtsprechung das Bestehen einer Arbeitsverhinderung auch dann, wenn sich das Pflegepersonal des Spitals grundsätzlich um das Kind kümmert.14 Artikel 324a Absatz 2 OR legt für den Lohnanspruch des Arbeitnehmers eine jährliche Höchstdauer fest. Diese Dauer gilt für sämtliche Verhinderungsgründe nach Artikel 324a OR. Im ersten Dienstjahr hat der Arbeitgeber den Lohn für drei Wochen zu entrichten. Ab dem zweiten Dienstjahr ist die Gesamtdauer nicht mehr gesetzlich festgelegt. Gemäss Artikel 324a Absatz 2 OR muss es sich um eine angemessene längere Zeit handeln, je nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses und den besonderen Umständen. Somit ist es Sache der Gerichte,
in angemessener Weise die Dauer festzulegen, während der eine Lohnfortzahlungspflicht besteht. Einige Gerichte haben Skalen entwickelt, in denen die Dauer der Lohnfortzahlungspflicht nach Dienstjahren der Arbeitnehmenden festgesetzt ist. So gibt es eine Berner, eine Basler und eine Zürcher Skala. Diese Skalen werden von den Schweizer Gerichten 10

11 12 13 14

Basler Kommentar-Portmann/Rudolph, Nr. 39 ad Art. 324a OR; Wyler/Heinzer, 218­219; Subilia/Duc, Nr. 164­168 ad Art. 324a OR; Brühwiler, Nr. 22b ad Art. 324a OR; Carruzzo, Nr. 7, 9 und 11 ad Art. 324b OR; Subilia, 1475­1476; Duc, 1010­1011; Bruchez, 267; Brunner/Bühler/Waeber/Bruchez, Nr. 26 ad Art. 324a OR; Cerottini, Nr. 13 ad Art. 329f OR, Perrenoud, 1155.

Urteil des Appellationsgerichts Genf vom 17. Oktober 2008, CAPH/184/2008, E. 2.1.2.

BGE 142 II 425 E. 5.4 Urteil des Bundesgerichts vom 7. April 1998, 4C.459/1997, JAR 1999, 232 ff., E. 4b.

Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen vom 10. Juni 1992, JAR 1994, 147 f., 148 (letzter Abschnitt); Urteil des Obergerichts des Kantons Bern vom 27. Juli 2004, JAR 2005, 352 ff., E. 5; Urteil des Appellationsgerichts Genf vom 17. Oktober 2008, CAPH/184/2008, E. 2.1.4; Regionalgericht Bern-Mittelland, CIV 12 6727 BAK, Urteil vom 24. Januar 2013, E. 3.4.6.

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allgemein angewandt, sind jedoch nicht verbindlich. Der Gesetzgeber hat vielmehr ausdrücklich darauf verzichtet, eine schematische Abhängigkeit der Lohnfortzahlung von der Dauer des Arbeitsverhältnisses vorzusehen.15 Entsprechend der Absicht des Gesetzgebers weichen die Gerichte bei Vorliegen besonderer Umstände von den Skalen ab.

Auch ist darauf hinzuweisen, dass Arbeitgeber, die für bestimmte Verhinderungsgründe eine über die gesetzliche Regelung hinausgehende Deckung gewähren und andere Gründe dafür ausschliessen, keine gleichwertige Deckung im Sinne von Artikel 324a Absatz 4 OR bieten.16 Demnach befreit eine grosszügige Deckung bei Krankheit, Unfall und Mutterschaft den Arbeitgeber nicht von der gesetzlichen Pflicht, den Lohn im Fall der Pflege eines kranken Kindes zu bezahlen.

Unabhängig davon, ob ein Neugeborenes im Spital verbleiben muss, folgt auf die Niederkunft eine Schutzfrist von 16 Wochen, die beinhaltet, dass Wöchnerinnen während acht Wochen nach der Niederkunft nicht und danach bis zur 16. Woche nur mit ihrem Einverständnis beschäftigt werden dürfen (Art. 35a Abs. 3 ArG). Die Lohnfortzahlung in dieser Zeit ist nicht durch das ArG geregelt. Das während acht Wochen nach der Niederkunft bestehende Arbeitsverbot wird in Lehre und Rechtsprechung als in der Person der Arbeitnehmerin begründete Arbeitsverhinderung im Sinne von Artikel 324a Absatz 1 OR anerkannt.17 Dagegen gilt das Recht der Mutter, zwischen der 9. und 16. Woche die Arbeit zu verweigern, nach herrschender Meinung nicht als Verhinderung im Sinne dieser Bestimmung.18

15

16 17

18

152

Botschaft des Bundesrates vom 25. August 1967 an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Revision des Zehnten Titels und des Zehnten Titelsbis des Obligationenrechts (Der Arbeitsvertrag), BBl 1967 II 241, 333.

Streiff/von Kaenel/Rudolph, Nr. 24 ad Art. 324a/b OR: Berner Kommentar-Rehbinder/ Stöckli, Nr. 31 ad Art. 324a OR.

Vor Inkrafttreten der Mutterschaftsversicherung: Bundesgerichtsentscheid vom 6. April 1994, JAR 1995, 128 ff., E. 3d, cc; Urteil des Appellationsgerichts Genf vom 20. August 2002, JAR 2003, 180 f., E. 4. Nach Inkrafttreten der Mutterschaftsversicherung: Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Tessin vom 31. Juli 2014, 16.2013.11, E. 6; ebenso wie: Streiff/von Kaenel/Rudolph, Nr. 16 ad Art. 324a/b OR; Basler KommentarPortmann/Rudolph, Nr. 41 ad Art. 324a OR.

Fernbleiben der Arbeit während Schwangerschaft (Art. 35a Abs. 1 und 2 ArG): BGE 118 II 58 E. 2b; Urteil des Appellationsgerichts Genf, JAR 2003, S. 180, E. 4; Geiser/Müller, Nr. 1051­1052; Streiff/von Kaenel/Rudolph, Nr. 16 ad Art. 324a/b OR; Berner Kommentar- Rehbinder/Stöckli, Nr. 6 ad Art. 324a OR; Basler KommentarPortmann/Rudolph, Nr. 35 ad Art. 324a OR; Wyler/Heinzer, 220­221; Brühwiler, Nr. 22b ad Art. 324a OR.

BBl 2019

1.2.3

Lohnfortzahlung gemäss GAV

Die Lohnfortzahlung könnte in einem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) festgehalten werden. Der Bericht des Bundesrates vom 20. April 2016 hat die Regeln von GAV, die für mindestens 5000 Personen gelten, detailliert geprüft.19 Dabei hat sich gezeigt, dass zahlreiche GAV einen mehrtätigen bezahlten Urlaub für die Betreuung eines kranken Kindes vorsehen.

Die gesamtarbeitsvertraglichen Bestimmungen dürfen nicht zuungunsten der Arbeitnehmenden von Artikel 324a OR abweichen. Artikel 324a Absätze 1 und 3 OR stehen nämlich in der Liste der relativ zwingenden Bestimmungen nach Artikel 362 Absatz 1 OR, und gemäss Artikel 324a Absatz 2 OR sind ausschliesslich längere Zeitabschnitte zugelassen. Die Lohnfortzahlungspflicht könnte somit trotz der vertraglich festgehaltenen Höchstwerte während eines längeren Zeitraums bestehen, wenn die Voraussetzungen nach Artikel 324a OR erfüllt sind. Diese Regelung wird indessen durch Artikel 324a Absatz 4 OR gelockert: Danach ist es zulässig, eine vom gesetzlichen Minimum abweichende Regelung zu treffen, wenn sie für die Arbeitnehmenden mindestens gleichwertig ist.

Zwei GAV sehen bei einem Aufschub der Mutterschaftsentschädigung eine Lohnfortzahlung während acht Wochen nach der Niederkunft vor.20 Zwei GAV bieten die Möglichkeit, den Mutterschaftsurlaub aufzuschieben, und koordinieren damit die vertragliche Regelung mit dem EOG.21 Gemäss diesen GAV wird von der Geburt bis zum Beginn des aufgeschobenen Mutterschaftsurlaubs jedoch kein Lohn entrichtet. Diese und 15 andere GAV bieten bei Mutterschaft umfassendere Leistungen als die vom EOG garantierten, indem sie eine längere Dauer für die Entschädigung oder höhere Entschädigungen vorsehen22. Nicht geregelt ist in den 15 anderen GAV aber die Frage des Aufschubs der Mutterschaftsentschädigung.

19

20 21 22

Siehe Kap. 2.2.2 und 6.1 des Berichts des Bundesrates vom 20. April 2016: «Einkommen der Mutter bei Aufschub der Mutterschaftsentschädigung infolge längeren Spitalaufenthalts des neugeborenen Kindes». Seit Veröffentlichung des Berichts wurden in den folgenden Sektoren und Unternehmen neue GAV verabschiedet: Hotel- und Gastgewerbe; Personalverleih; Bauhauptgewerbe; Uhren- und Mikrotechnikindustrie; Reinigungsbranche in der Deutschschweiz; SBB; Swisscom; Maler- und Gipsergewerbe.

Hauptsitz von COOP; GAV Swisscom 2018. Der GAV Hauptsitz COOP beschränkt die Lohnfortzahlung auf acht Wochen nach der Niederkunft.

GAV der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie; GAV der Schweizerischen Uhrenund Mikrotechnikindustrie GAV der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie; GAV Bauhauptgewerbe; GAV der Schweizerischen Uhren- und Mikrotechnikindustrie; GAV Bankangestellte; GAV Reinigungsbranche Deutschschweiz; GAV für die grafische Industrie; GAV Kaufmännischtechnische Angestellte, AG; GAV Dienstleistungsbereich, Region Basel; L-GAV für die Migros-Gruppe; GAV Post CH AG; GAV SBB; GAV des Schweizerischen Elektro- und Telekommunikations-Installationsgewerbes; GAV in der Schweizerischen Gebäudetechnikbranche; GAV für das Maler- und Gipsergewerbe; GAV Basler Pharma-, Chemie-, und Dienstleistungsunternehmen; GAV SRG SSR idée suisse; GAV für das Innendekorationsgewerbe und den Möbelfachhandel.

153

BBl 2019

1.2.4

Lohnersatz

Ein Lohnersatz kann auch im Rahmen der Krankentaggeldversicherung oder einer Privatversicherung gewährt werden.

Die durch das Bundesgesetz vom 18. März 199423 über die Krankenversicherung (KVG) geregelte soziale Krankenversicherung umfasst eine obligatorische Krankenpflegeversicherung und eine freiwillige Taggeldversicherung. Es werden Leistungen erbracht bei Krankheit, Unfall oder Mutterschaft (Art. 1a Abs. 2 KVG). Die Taggeldversicherung (Art. 67 ff. KVG) deckt bei Krankheit und Unfall ausschliesslich den Erwerbsausfall in Verbindung mit einer Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit der versicherten Person (Art. 3 und 4 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 200024 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts; ATSG). Folglich entsteht der Taggeldanspruch nur, wenn die Mutter aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung arbeitsunfähig ist (Art. 72 Abs. 2 KVG und Art. 6 ATSG). Ist die Anwesenheit der Mutter aufgrund einer Erkrankung ihres Kindes erforderlich, so ist dies dementsprechend nicht gedeckt. Ebenso stellt die Mutterschaft, welche die Schwangerschaft und Niederkunft sowie die nachfolgende Erholungszeit umfasst (Art. 5 KVG), ausschliesslich auf die Situation der Mutter ab. Bei Mutterschaft ist während 16 Wochen Taggeld zu leisten, wovon mindestens acht Wochen nach der Niederkunft liegen müssen (Art. 74 Abs. 2 KVG).

Die Taggeldversicherung nach KVG bietet der Mutter somit mindestens während der ersten acht Wochen nach der Niederkunft ein Erwerbseinkommen. Dieses Einkommen ist auch bei einem Aufschub der Mutterschaftsentschädigung geschuldet.

Für die Taggelder gelten jedoch verschiedene Einschränkungen: Zunächst handelt es sich um eine freiwillige Versicherung. Die Mutter profitiert davon nur, wenn sie eine Einzeltaggeldversicherung oder der Arbeitgeber eine kollektive Taggeldversicherung nach KVG abgeschlossen hat. Des Weiteren muss die Mutter nach Artikel 74 Absatz 1 KVG bereits seit mindestens 270 Tagen versichert sein. Schliesslich sind die ausbezahlten Taggelder der Einzelversicherung nach KVG in der Praxis meistens sehr tief (zwischen 5 und 40 Franken), und die Krankentaggeldversicherung nach KVG hat gegenüber der Krankentaggeldversicherung nach dem Versicherungsvertragsgesetz vom 2. April 190825 (VVG) nur eine geringe Bedeutung.26 Einen
Anspruch auf Taggelder kann auch eine freiwillige Taggeldversicherung nach VVG begründen. In diesem Rahmen kann die Versicherungsdeckung von den Parteien frei bestimmt werden. Somit kann der Lohnausfall bei Arbeitsausfall wegen Betreuung eines kranken Kindes oder Spitalaufenthalt eines Neugeborenen theoretisch gedeckt sein. Die üblichen Angebote bieten jedoch nur eine Deckung bei Krankheit, Unfall und Mutterschaft. Im Gegensatz zur Regelung nach KVG (Art. 72 Abs. 1) kann das Mutterschaftsrisiko bei einer Versicherung nach VVG ohne Einschränkung ausgeschlossen werden. Der Anspruch auf eine Entschädigung nach der Niederkunft ist ebenfalls nicht für eine bestimmte Zeit garantiert. Zudem ist die Frist, während der die Versicherung bereits bestehen muss, länger als die in Artikel 23 24 25 26

154

SR 832.10 SR 830.1 SR 221.229.1 Siehe Bericht des Bundesrates vom 30. September 2009: «Evaluation und Reformvorschläge zur Taggeldversicherung bei Krankheit», Kap. 4.1 bzw. 4.4.

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74 Absatz 1 KVG vorgesehenen 270 Tage.27 Aufgrund der hohen Prämien schliessen die Arbeitnehmerinnen letztlich aber nur selten eine zusätzliche Einzeltaggeldversicherung ab.

1.2.5

Weitere Leistungen

Seit dem 1. Januar 2009 gewährt der Kanton Waadt selbstständigerwerbenden Frauen sowie Arbeitnehmerinnen mit Wohnsitz im Kanton Waadt, die keine EOGUnterstützung erhalten, eine Mutterschaftsentschädigung. Auch nichterwerbstätige Frauen, deren Ressourcen unter einer bestimmten Grenze liegen, erhalten diese Mutterschaftsentschädigung. Die Regelung sieht je nach Gesundheitszustand der Mutter oder des Kindes, sofern dieser die ständige Anwesenheit der Mutter zuhause erfordert, eine Verlängerung der kantonalen Mutterschaftsentschädigung von einem auf sechs Monate vor. Bei einer starken Beeinträchtigung, die die ständige Anwesenheit eines Elternteils zuhause erfordert, kann die Entschädigung für einen zusätzlichen Zeitraum von bis zu zwölf Monaten gewährt werden.

Der Kanton Neuenburg hat im Juni 2011 in der öffentlichen Verwaltung einen Urlaub bei verlängertem Spitalaufenthalt eines Neugeborenen eingeführt. Der Urlaub wird für die Dauer des Spitalaufenthalts gewährt, höchstens aber für vier Monate.

Der Urlaub kann mit Zustimmung der Mutter auch zwischen beiden Elternteilen aufgeteilt werden, sofern die Mutter selbst mindestens acht Wochen bezieht.

1.3

Handlungsbedarf

Durch die Möglichkeit, die Mutterschaftsentschädigung aufzuschieben, entstehen während der Aufschubsdauer Lücken bei der Ausrichtung des Lohnes oder eines Lohnersatzes.

Artikel 324a OR findet in der Rechtspraxis in Fällen des Aufschubs immer häufiger Anwendung; das Bundesgericht hat sich allerdings noch nicht dazu geäussert. Obwohl die Betreuung eines kranken Kindes unbestritten als Arbeitsverhinderung gilt, bleiben diverse Fragen offen. So musste das Bundesgericht bisher noch nicht darüber befinden, ob die Anwesenheit der Mutter während des längeren Spitalaufenthalts eines Neugeborenen notwendig ist. Die kantonalen Rechtsprechungen, die in eine andere Richtung gehen, dürfen nicht ausser Acht gelassen werden.

Im ersten Dienstjahr besteht durch die in Artikel 324a OR genannten Verhinderungsgründe Anspruch auf Lohnfortzahlung während höchstens drei Wochen. Bei einem Aufschub erhält die Mutter somit während höchstens drei Wochen einen Lohn, sofern dieses Zeitguthaben nicht bereits angebrochen oder anderweitig ausgeschöpft wurde. Nach dem ersten Dienstjahr wird die Dauer der Lohnfortzahlungspflicht von den Gerichten nach Ermessen festgesetzt. Die von den Schweizer Ge27

Siehe Bericht des Bundesrates vom 20. April 2016: «Einkommen der Mutter bei Aufschub der Mutterschaftsentschädigung infolge längeren Spitalaufenthalts des neugeborenen Kindes», Kap. 2.2.2.2.

155

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richten entwickelten und angewandten Skalen erhöhen die Berechenbarkeit. Halten sich die Gerichte an diese Skalen, so erhält die Mutter allerdings keinen Lohn, wenn das jährliche Zeitguthaben aufgrund früherer Abwesenheiten bereits aufgebraucht ist. Im Übrigen unterbrechen rund 80 Prozent der schwangeren Frauen ihre Erwerbstätigkeit während der Schwangerschaft aus gesundheitlichen Gründen. Das geht aus dem für das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) erstellten Forschungsbericht des Büros für arbeits- und sozialpolitische Studien BASS «Erwerbsunterbrüche vor der Geburt»28 hervor. Solche Unterbrüche dauern im Mittel sechs Wochen. Aus diesem Grund ist das Zeitguthaben im Zeitpunkt der Geburt oftmals bereits aufgebraucht.

Die Gerichte können indes von den Skalen abweichen. Die Hospitalisierung von Säuglingen könnte so als besonderer Fall eingestuft werden, in dem eine über die maximalen Fristen der Skalen hinausgehende Lohnfortzahlungspflicht gerechtfertigt wäre. Die Mutter könnte somit während der gesamten Dauer des Spitalaufenthalts in den Genuss einer weitgehenden Deckung des Lohnausfalls kommen. Dennoch verbleiben eine gewisse Rechtsunsicherheit und eine mangelnde Einheitlichkeit der von den Gerichten getroffenen Lösungen. Die Rolle des Bundesgerichts ist überdies eingeschränkt, da es nach Ermessen gefällte letztinstanzliche kantonale Urteile nur zurückhaltend korrigiert. So schreitet es nur dann ein, wenn die Vorinstanz grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen abgewichen ist, wenn sie Tatsachen berücksichtigt hat, die für den Entscheid im Einzelfall keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn sie umgekehrt Umstände ausser Betracht gelassen hat, die zwingend hätten beachtet werden müssen. Ausserdem greift das Bundesgericht in Ermessensentscheide ein, wenn sich diese als offensichtlich unbillig oder in stossender Weise ungerecht erweisen.29 Ein kantonaler Entscheid wird also nicht unbedingt korrigiert, nur weil er strenger ist als andere Entscheide.

Auch wenn das im ArG vorgesehene Arbeitsverbot in den ersten acht Wochen nach der Niederkunft eine Arbeitsverhinderung darstellt, muss zudem festgehalten werden, dass dieses Gesetz, das zahlreiche Ausnahmen von seinem Anwendungsbereich vorsieht (Art. 2­4 ArG), nicht für alle Frauen gilt.

Die Leistungen gemäss GAV bieten
keine ausreichende Deckung; in erster Linie deshalb, weil nicht alle Erwerbstätigen einem GAV unterstehen. Ausserdem werden in diesen Fällen die vertraglichen Leistungen bei Mutterschaft in den GAV nur selten mit der Mutterschaftsentschädigung des Bundes koordiniert. Und selbst wenn der Aufschub der vertraglichen Leistungen geregelt ist, sieht nur ein einziger GAV eine Lohnfortzahlung vor.

Schliesslich bietet die Krankentaggeldversicherung nach KVG einen gewissen Schutz, allerdings ist dieser aus verschiedenen Gründen begrenzt und unbefriedigend: Die Versicherung ist freiwillig, die Taggelder sind sehr niedrig, und verglichen mit der VVG-Regelung ist der Schutz über die Krankentaggeldversicherung marginal. Die privaten Taggeldversicherungen decken allfällige Aufschübe oder 28

29

156

Rudin, Melania; Stutz, Heidi; Bischof, Severin; Jäggi, Jolanda; Bannwart Livia (2018): Erwerbsunterbrüche vor der Geburt; [Bern: BSV]. Beiträge zur sozialen Sicherheit; Forschungsbericht Nr. 2/18.

Z. B. wenn die Gründe für eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sind.: BGE 130 III 28, E. 4.1; BGE 137 III 303, E. 2.1.1.

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Spitalaufenthalte von Neugeborenen in der Regel nicht. Die Versicherungsdeckung kann überdies frei bestimmt werden, wodurch die Lösungen uneinheitlich und die Tarife nicht für alle Arbeitnehmerinnen bezahlbar sind.

Die derzeitige Situation ist aufgrund der möglichen Lücken, der fehlenden Vorhersehbarkeit und der rechtlichen Uneinheitlichkeit unbefriedigend. Der Bundesrat hält es deshalb für angezeigt, die für betroffene Frauen ohnehin schon äusserst schwierige Situation zu regeln, damit nicht auch noch finanzielle Probleme hinzukommen und sie ihren Lohnanspruch auf zivilrechtlichem Weg geltend machen müssen.

1.4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage wurde weder in der Botschaft vom 27. Januar 2016 zur Legislaturplanung 2015­201930, noch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 2016 über die Legislaturplanung 2015­201931 angekündigt. Der Entwurf geht auf die Motion der SGK-S (16.3631) «Länger dauernde Mutterschaftsentschädigung bei längerem Spitalaufenthalt des Neugeborenen» zurück. Der Ständerat hat die Motion am 13. Dezember 2016, der Nationalrat am 7. Juni 2017 angenommen.

1.5

Erledigung eines parlamentarischen Vorstosses

Der vorliegende Entwurf erfüllt die Motion der SGK-S (16.3631) «Länger dauernde Mutterschaftsentschädigung bei längerem Spitalaufenthalt des Neugeborenen». Der Bundesrat beantragt, die Motion abzuschreiben.

2

Vernehmlassungsverfahren

Der Bundesrat hat den Vorentwurf am 2. März 2018 verabschiedet und vom 2. März 2018 bis 12. Juni 2018 in die Vernehmlassung geschickt.32 Alle Kantone sowie die meisten Parteien und Verbände haben den Vorentwurf grundsätzlich sehr positiv aufgenommen, sowohl in Bezug auf die längere Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung als auch bezüglich des im OR vorgesehenen Schutzes. Die überwiegende Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsst den Vorschlag, der sich in einen klar umrissenen Rahmen fügt, nur geringfügig höhere EO-Ausgaben verursacht und die Rechtssicherheit erhöht. Einzig die Schweizerische Volkspartei (SVP) und der Schweizerische Gewerbeverband (sgv) sprechen sich aufgrund des Leistungsausbaus gegen die Vorlage aus. Der SVP zufolge kann in den seltenen betroffenen Fällen von der Mutter erwartet werden, dass sie eigenverantwortlich mit dem Arbeitgeber eine Lösung findet. Nach Meinung des sgv sind die durch die Vorlage verursachten Kosten keinesfalls vernachlässigbar; ausserdem hält der sgv 30 31 32

BBl 2016 1105 BBl 2016 5183 Der Ergebnisbericht ist abrufbar unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2018 > EDI.

157

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die Voraussetzung, dass die Mutter nach dem Mutterschaftsurlaub wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen muss, für schwer umsetzbar.

Einige Vernehmlassungsteilnehmende, insbesondere der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) und Travail.Suisse, sind der Ansicht, die Vorlage gehe nicht weit genug und fülle nicht alle bestehenden Lücken. Lösungen brauche es insbesondere für Fälle, in denen ein Kind länger als 98 Tage im Spital verbleiben oder nach der Rückkehr nach Hause erneut hospitalisiert werden muss.

Mehrere Vernehmlassungsteilnehmende haben die Voraussetzungen in Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit nach Ende des Mutterschaftsurlaubs kommentiert oder kritisiert. Einige Kantone und die Konferenz der kantonalen Ausgleichskassen verlangen, die Vorlage sei auf Gesetzes- oder Verordnungsstufe noch zu präzisieren, beispielsweise in Bezug auf die Art des Nachweises für die Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit (Beschäftigungsgrad, Bestätigung des Arbeitgebers, Arbeitsvertrag). Auch die Frist, innerhalb der eine Mutter ihr Recht auf Verlängerung ausüben muss, die Regelung für arbeitslose Mütter, das Vorgehen bei Meinungsänderungen nach der Niederkunft und das Anspruchsende seien noch genauer auszuführen.

Einige Vernehmlassungsteilnehmende weisen auf die Komplexität hin, die Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit als Voraussetzung zu verankern. Sie fordern, diese Voraussetzung zu streichen, während insbesondere die Kantone Waadt und Genf sowie die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) vorschlagen, die längere Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung auf alle Frauen mit Anspruch auf diese Entschädigung auszuweiten, unabhängig davon, ob sie ihre Erwerbstätigkeit nach dem Mutterschaftsurlaub fortsetzen oder nicht.

3

Vergleich mit ausländischem Recht

Die wichtigsten Nachbarländer der Schweiz verfügen über keinen Mechanismus, der mit der angestrebten Regelung vergleichbar wäre. Italien kennt eine Sonderregelung bei Spitalaufenthalt des Neugeborenen; allerdings wird der Mutterschaftsurlaub dabei nur aufgeschoben und ausgesetzt, nicht aber verlängert. In Frankreich wird die Dauer des Mutterschaftsurlaubs und der Mutterschaftsentschädigung nur bei einer Frühgeburt verlängert, sofern das Kind mehr als sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin zur Welt kommt und in einer Spezialklinik zur Pflege von Frühgeburten untergebracht werden muss. Auch in Österreich sind nur Sonderbestimmungen für den Fall einer Frühgeburt vorgesehen. Einzig Deutschland berücksichtigt im Rahmen der Mutterschaftsleistungen, dass auch zum Geburtstermin geborene Kinder in einem fragilen Zustand sein können. So kann die Dauer der Mutterschaftsleistungen nicht nur bei einer Frühgeburt verlängert werden, sondern auch bei einer Behinderung des Kindes. In einem solchen Fall hat die Mutter anstatt während der üblichen acht Wochen während insgesamt zwölf Wochen nach der Geburt Anspruch auf Mutterschaftsleistungen (zusätzlich zu den sechs Wochen vor der Geburt). Die Behinderung muss von einem Arzt oder einer Ärztin innerhalb von acht Wochen nach der Niederkunft bestätigt werden. Dabei wird die allgemeine Definition von Behinderung herangezogen: Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sin158

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nesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können.

Ausserdem sieht kein für die Schweiz unverbindliches Instrument Bestimmungen ähnlich der angestrebten Regelung vor.33

4

Grundzüge der Vorlage

Zur Schliessung der Einkommenslücke während des Aufschubs wird vorgeschlagen, im EOG eine Verlängerung der Mutterschaftsentschädigung einzuführen und die Koordination mit dem Arbeitsrecht sowie mit den anderen Sozialversicherungen zu regeln.

4.1

Vorgeschlagene Regelung

4.1.1

Längere Auszahlung der Mutterschaftsentschädigung im EOG

Der Bundesrat hat sich für die Lösung einer Taggeldversicherung entschieden: Das EOG wird dahingehend angepasst, dass bei einem längeren Spitalaufenthalt des Neugeborenen die Mutterschaftsentschädigung länger ausgezahlt wird. Diese Lösung ist günstiger als eine Verankerung der Lohnfortzahlungspflicht im OR.

Zudem bietet sie den Vorteil, dass sie auch für selbstständigerwerbende Frauen gilt und nicht ausschliesslich durch den Arbeitgeber getragen wird. In Beantwortung der Motion will der Bundesrat die längere Auszahlung der Mutterschaftsentschädigung auf eine Höchstzahl an Taggeldern beschränken und den Anspruch auf Frauen begrenzen, die nach dem Mutterschaftsurlaub weiterarbeiten. Damit wird eine angemessene Deckung für die Mehrheit der Fälle gewährleistet.

Aktuell wird für einen Aufschub des Entschädigungsanspruchs vorausgesetzt, dass das Neugeborene mindestens drei Wochen im Spital verbleiben muss (Art. 24 EOV).

Die Voraussetzung der Mindestdauer des Spitalaufenthalts bleibt bestehen und ist künftig im Gesetz verankert. Dauert der Spitalaufenthalt des Neugeborenen nicht länger als 21 Tage, so beträgt die Zahl der Taggelder bei Mutterschaft weiterhin 98 Tage. Ebenfalls kein Anspruch auf Verlängerung der Mutterschaftsentschädigung besteht, wenn der Gesundheitszustand des Kindes nach der Rückkehr nach Hause einen erneuten Spitalaufenthalt erfordert. Das heutige Gesetz begrenzt die Dauer des Aufschubs nicht. So endet der Anspruch auf Aufschub im Zeitpunkt, in dem das Neugeborene das Spital verlässt. Es ist nicht wünschenswert, die Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung und den Anspruch auf Mutterschaftsurlaub zeitlich unbegrenzt zu verlängern. Es gilt somit, einen angemessenen Zeitraum festzulegen, der die meisten Fälle abdeckt. Eine vollständige Übernahme aller Fälle ist nicht möglich, denn längere Spitalaufenthalte können bis zu einem Jahr oder mehr dauern.

In solchen besonders schweren Fällen kann erwartet werden, dass andere Lösungen 33

Siehe Ziff. 7.2

159

BBl 2019

gefunden werden. Versicherungsleistungen zu gewähren, ohne eine Frist dafür festzulegen, würde überdies dem System der Taggeldversicherungen widersprechen.

Wie die Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung auf 98 Tage beschränkt ist, so soll auch die Verlängerung zeitlich begrenzt werden. Zur Ermittlung der geeigneten Dauer des Aufschubs stützt sich die Vorlage auf die statistischen Daten zur Hospitalisierung von Neugeborenen.

4.1.2

Dauer der längeren Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung

Zur Deckung der Einkommenslücken wird vorgeschlagen, die Entschädigung bei längerem Spitalaufenthalt des Neugeborenen auf höchstens 56 Tage zu begrenzen, was dem achtwöchigen Arbeitsverbot nach Artikel 35a Absatz 3 ArG entspricht.

Wie bei der Mutterschaftsentschädigung ohne längeren Spitalaufenthalt handelt es sich bei den 56 Tagen nicht um Arbeitstage, sondern sie setzen sich aus Wochentagen, Feiertagen und Wochenende zusammen. Ab einem Spitalaufenthalt von drei Wochen oder mehr verlängert sich die Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung somit um die Dauer der Hospitalisierung, höchstens aber um 56 Tage bzw. um 8 Wochen. Die Dauer der Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung wird in diesem Fall von 98 auf 154 aufeinanderfolgende Tage verlängert. Mit dieser Lösung kann der Lohnausfall in rund 80 Prozent der Fälle mit längerem Spitalaufenthalt ausgeglichen werden. In den restlichen 20 Prozent der Fälle müssten Arbeitnehmerin und Arbeitgeber gemeinsam eine allfällige Verlängerung des Urlaubs über die 56 Tage hinaus vereinbaren (beispielsweise unbezahlter Urlaub), bei der keine gesetzliche Abdeckung durch das EOG bestünde; gegebenenfalls kann der Anspruch auf längeren Urlaub durch Artikel 324a OR entstehen, wenn diese Bestimmung eine Lohnfortzahlungspflicht begründet.

4.1.3

Bezügerinnenkreis

Die Zahl der Mütter, deren Kind längere Zeit im Spital verbleiben muss und die somit Anspruch auf eine längere Auszahlung der Mutterschaftsentschädigung hätten, wird auf 1000 bis 1200 Frauen pro Jahr geschätzt. Da es sich lediglich um eine längere Ausrichtung der ohnehin gewährten Mutterschaftsentschädigung handelt, ändert sich an den Anspruchsvoraussetzungen und der Berechnung der Entschädigung nichts (siehe Art. 16b EOG). Wie aus dem Bundesratsbericht34 hervorgeht und auch entsprechend dem Wunsch des Parlaments bei Annahme der Motion35 lässt es sich begründen, die verlängerte Auszahlungsdauer auf Frauen zu beschränken, die nach dem Mutterschaftsurlaub weiterarbeiten. Denn ein Erwerbsatz ist nur dann gerechtfertigt, wenn der längere Spitalaufenthalt einen Lohnausfall über den 14-wöchigen Urlaub hinaus zur Folge hat.

34

35

160

Bericht des Bundesrates vom 20. April 2016: «Einkommen der Mutter bei Aufschub der Mutterschaftsentschädigung infolge längeren Spitalaufenthalts des neugeborenen Kindes».

AB 2017 N 937

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Zurzeit haben jene erwerbstätigen Frauen Anspruch auf die Mutterschaftsentschädigung, die im Zeitpunkt der Niederkunft unselbstständig oder selbstständig erwerbstätig bzw. arbeitsunfähig (Krankheit, Unfall) oder arbeitslos sind. Nichterwerbstätige Mütter, die die Voraussetzungen für die Arbeitslosenentschädigung erfüllen, sind ebenfalls anspruchsberechtigt. Der Anspruch auf die Mutterschaftsentschädigung hängt nicht von der Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit nach dem Mutterschaftsurlaub ab, aber jegliche Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit beendet den Anspruch auf die Mutterschaftsentschädigung. In der Praxis entscheidet sich ein Teil der Frauen dazu, ihre Erwerbstätigkeit nach der Geburt zu unterbrechen. In diesem Fall, und wenn das Neugeborene mindestens drei Wochen im Spital verbleiben muss, ist die Erweiterung des Anspruchs auf Urlaub und auf Auszahlung der Mutterschaftsentschädigung nicht angezeigt, da die betroffenen Frauen bereits weitgehend frei über ihre Zeit verfügen können. Das Ziel der EO besteht darin, einen Lohnausfall zu entschädigen. Hatte die Mutter ohnehin vor, nach dem Mutterschaftsurlaub nicht mehr zu arbeiten, so kommt es bei längerem Spitalaufenthalt des Neugeborenen zu keinem Lohnausfall.

Demnach müssen die Voraussetzungen für den längeren Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung bei längerem Spitalaufenthalt ausschliesslich auf jene Frauen beschränkt werden, die nach dem Mutterschaftsurlaub weiterhin erwerbstätig sind.

4.1.4

Längerer Mutterschaftsurlaub im OR

In der Lehre herrscht Einigkeit darüber, dass der Aufschub der Mutterschaftsentschädigung auch Aufschub des Mutterschaftsurlaubs beinhaltet; im OR ist dies jedoch nicht explizit festgehalten. Die Vorlage sieht vor, dass der längere Mutterschaftsurlaub bei einem Spitalaufenthalt des Neugeborenen von mindestens drei Wochen aus Gründen der Transparenz und der Rechtssicherheit in Artikel 329f OR explizit geregelt wird. Der Mutterschaftsurlaub muss sich um die effektive Dauer des Spitalaufenthalts erweitern, darf die Höchstdauer gemäss EOG aber nicht überschreiten. Sowohl Bundesrat als auch Parlament halten diese Anpassung des Mutterschaftsurlaubs im OR für notwendig.36

4.1.5

Kündigungsschutz

Aktuell sieht Artikel 336c Absatz 1 Buchstabe c OR einen Kündigungsschutz während der Schwangerschaft und in den 16 Wochen nach der Niederkunft vor. Die Vorlage schlägt vor, den Kündigungsschutz bei längerem Spitalaufenthalt des Neugeborenen zu verlängern, denn ohne diese Anpassung hätte die Arbeitnehmerin während des Mutterschaftsurlaubs keine Arbeitsplatzsicherheit. Müsste ein Neugeborenes länger als drei Wochen in Spital verbleiben, so würde der Mutterschaftsurlaub den aktuell 16-wöchigen Kündigungsschutz gemäss Artikel 336c Absatz 1 36

Bericht des Bundesrates vom 20. April 2016: «Einkommen der Mutter bei Aufschub der Mutterschaftsentschädigung infolge längeren Spitalaufenthalts des neugeborenen Kindes», S. 23 und AB 2017 N 937.

161

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Buchstabe c OR überschreiten. Mit der vorgeschlagenen Änderung gilt der Kündigungsschutz somit bis zum Ende der Mutterschaftsentschädigung. Sowohl Bundesrat als auch Parlament halten diesen Schutz für notwendig.37

4.2

Umsetzung

Die vorgeschlagene Änderung führt keine neue Leistung ein, sondern sieht eine Ausweitung der Ausrichtungsdauer der bestehenden Mutterschaftsentschädigung auf klar definierte Situationen vor. Die für die Umsetzung der Vorlage erforderlichen Mittel entsprechen dem angestrebten Ziel.

Gemäss Artikel 21 ATSG sind die AHV-Ausgleichskassen für die Auszahlung der Mutterschaftsentschädigung zuständig. Sie werden prüfen müssen, ob die Voraussetzung der Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit erfüllt ist. Dazu können sie sich auf die vom Arbeitgeber und von der Mutter gelieferten Angaben beziehen. Ausserdem haben sie die Möglichkeit, die Voraussetzung auch nachträglich anhand der entrichteten AHV-Beiträge zu prüfen. Mütter, die im Zeitpunkt der Niederkunft arbeitsunfähig sind, sind erwerbstätigen Müttern gleichgestellt.

Da die Zahl der Mütter mit Anspruch auf eine längere Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung recht begrenzt ist, werden die Anpassungen aufgrund der Gesetzesänderung keinen Anstieg der Aufgaben für die Ausgleichskassen und somit auch keinen zusätzlichen Personalbedarf zur Folge.

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Änderung des Erwerbsersatzgesetzes (EOG) Art. 16b Abs. 3 Bst. a Mit dieser Änderung wird ein falscher Verweis korrigiert. Absatz 3 Buchstabe a muss auf Absatz 1 Buchstabe b dieses Artikels verweisen und nicht auf Absatz 1 Buchstabe a. Hierbei handelt es sich um die Voraussetzung, mindestens fünf Monate lang eine Erwerbstätigkeit ausgeübt zu haben, die durch Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit beeinträchtigt werden könnte. Diese Bestimmung wurde bereits sinngemäss angewandt; materiell gesehen ändert sich dementsprechend nichts.

Art. 16c Sachüberschrift und Abs. 2­4 Beginn des Anspruchs und Dauer der Ausrichtung der Entschädigung Die Sachüberschrift wird geändert, da dieser Artikel künftig nicht nur den Beginn des Anspruchs regelt, sondern auch die Dauer der Ausrichtung.

37

162

Bericht des Bundesrates vom 20. April 2016, a.a.O., S. 23 und AB 2017 N 937.

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Abs. 2: Dieser Absatz regelt die Dauer der Ausrichtung. Die Rechnung beginnt an dem Tag, an dem der Anspruch entsteht. Da Absatz 1 nicht geändert wird, entsteht der Anspruch nach wie vor am Tag der Niederkunft. Da die Vorlage eine längere Auszahlung der Mutterschaftsentschädigung vorsieht, wenn ein Neugeborenes unmittelbar nach der Geburt längere Zeit im Spital verbleiben muss, ist die aktuell in Absatz 2 geregelte Bestimmung hinsichtlich des Aufschubs obsolet. In der französischen Version wird der Begriff «ajournement» somit gestrichen.

Abs. 3: Der neue Absatz 3 legt die Dauer der Verlängerung der Mutterschaftsentschädigung bei längerem Spitalaufenthalt des Neugeborenen sowie die materiellen Anspruchsvoraussetzungen fest. Die längere Ausrichtung entspricht grundsätzlich der Dauer der Hospitalisierung des Neugeborenen, bis es nach Hause gehen kann.

Sie kommt zu den 98 Taggeldern hinzu, die grundsätzlich allen Müttern gewährt werden, welche die Voraussetzungen nach Artikel 16b EOG erfüllen. Allerdings begrenzt Absatz 3 die Verlängerung auf höchstens 56 Tage. Die kumulativen materiellen Voraussetzungen für die längere Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung sind unter den Buchstaben a und b aufgeführt.

Bst. a: Das Neugeborene muss unmittelbar nach der Geburt ununterbrochen während mindestens drei Wochen im Spital verweilen. Die für die längere Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung vorausgesetzte Mindestdauer der Hospitalisierung des Neugeborenen entspricht dem, was aktuell für den Aufschub der Mutterschaftsentschädigung gemäss Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe b EOV gilt. Da die Dauer des Spitalaufenthalts des Neugeborenen künftig eine Voraussetzung für die längere Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung von höchstens 56 Tagen darstellt, wird sie unter dem neuen Absatz 3 Buchstabe a im Gesetz verankert. Die Anforderungen in Bezug auf die Form des Gesuchs um Verlängerung und die erforderlichen Belege werden auf Verordnungsstufe geregelt, wie dies aktuell beim Aufschub der Mutterschaftsentschädigung der Fall ist.

Bst. b: Die längere Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung ist Frauen vorbehalten, die im Zeitpunkt der Niederkunft erwerbstätig sind und direkt nach Ende des Mutterschaftsurlaubs wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Ob die Frau in ihre bisherige Erwerbstätigkeit zurückkehrt
oder eine neue Erwerbstätigkeit aufnimmt, spielt keine Rolle.

Während der Schwangerschaft sowie in den 16 Wochen nach der Niederkunft darf der Arbeitgeber einer Arbeitnehmerin nicht kündigen. Hingegen kann die Arbeitnehmerin freiwillig aufhören zu arbeiten und beschliessen, nach dem Mutterschaftsurlaub nicht weiterzuarbeiten. Frauen, die im Zeitpunkt der Niederkunft bereits beschlossen haben, nach Ende des Mutterschaftsurlaubs keine Erwerbstätigkeit mehr auszuüben, haben somit keinen Anspruch auf eine längere Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung. Diese Bestimmung soll der Mutter durch ein Ersatzeinkommen einen besseren Schutz während des Spitalaufenthalts des Neugeborenen gewähren und dementsprechend den Anspruch auf Mutterschaftsurlaub sowie den Kündigungsschutz verlängern. Insofern ist es gerechtfertigt, dass die Regelung Frauen vorbehalten ist, die nach Ende des Mutterschaftsurlaubs wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Will eine Mutter beispielsweise ihre Erwerbstätigkeit nach dem Mutterschaftsurlaub aufgeben und hat sie ihr Arbeitsverhältnis vor der Niederkunft beendet oder endet ihr befristeter Arbeitsvertrag während des Mutter163

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schaftsurlaubs, so gilt der längere Spitalaufenthalt des Neugeborenen nicht als Lohnausfall, der über das EOG auszugleichen ist.

Diese neue Voraussetzung wird von den AHV-Ausgleichskassen geprüft werden, wobei sie sich auf die jeweilige Situation im Zeitpunkt der Niederkunft stützen werden. Geprüft wird insbesondere, ob bei unselbstständig erwerbstätigen Müttern im Zeitpunkt der Niederkunft ein nach Ende des Mutterschaftsurlaubs gültiges Arbeitsverhältnis besteht. Dazu wird die Mutter eine Bestätigung ihres Arbeitgebers liefern müssen, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst wurde und dass sie vorhat, ihre Erwerbstätigkeit nach Ende des Mutterschaftsurlaubs fortzusetzen. Ob die Mutter geplant hat, nach dem Mutterschaftsurlaub Ferien oder unbezahlten Urlaub zu nehmen oder ihren Beschäftigungsgrad zu senken, ist nicht massgebend. Wenn die Mutter eine Erwerbstätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber aufnehmen will, wird sie auch dafür den Nachweis zu erbringen haben. Bei selbstständigerwerbenden Müttern wird sich die Ausgleichskasse darauf stützen, ob sie nach Ende des Mutterschaftsurlaubs über den Selbstständigenstatus im Sinne der AHV verfügen.

Nicht massgebend ist, ob die Mutter nach der Niederkunft, insbesondere infolge längeren Spitalaufenthalts des Neugeborenen, letztlich beschliesst, ihre Erwerbstätigkeit zu unterbrechen.

Abs. 4: Mit dieser Bestimmung erhält der Bundesrat die Kompetenz, die Voraussetzungen für die längere Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung für Frauen zu regeln, die im Zeitpunkt der Niederkunft arbeitsunfähig oder arbeitslos sind und die direkt nach dem Mutterschaftsurlaub keine Erwerbstätigkeit aufnehmen können. Auf diese Weise kann der Bundesrat auf Verordnungsstufe vorsehen, dass Frauen, die nach dem Mutterschaftsurlaub wegen Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit nicht wieder erwerbstätig sein können, nicht benachteiligt werden.

Art. 16d

Ende des Anspruchs

Artikel 16d über das Ende des Anspruchs auf die Entschädigung wird neu strukturiert. Der Anspruch kann aus folgenden drei Gründen enden: nach Ablauf der Ausrichtungsdauer von 98 Tagen (Abs. 1), nach der verlängerten Ausrichtungsdauer infolge der Hospitalisierung des Neugeborenen (Abs. 2), wenn die Mutter ihre Erwerbstätigkeit wieder aufnimmt oder wenn sie stirbt (Abs. 3).

Abs. 1: Der Anspruch auf Entschädigung endet nach Ablauf der Ausrichtungsdauer.

Wie bereits jetzt erlischt der Anspruch nach dem 98. Tag nach seinem Beginn, sofern die Mutterschaftsentschädigung nicht verlängert wird.

Abs. 2: Bei Hospitalisierung des Neugeborenen wird der Anspruch um die Tage des effektiven Spitalaufenthalts verlängert, wenn dieser mindestens drei Wochen dauert.

Der Anspruch erlischt jedoch in jedem Fall nach dem 154. Tag nach der Niederkunft, auch wenn das Neugeborene noch im Spital verbleiben muss.

Abs. 3: Dieser neue Absatz übernimmt den zweiten Satz vom aktuell geltenden Artikel. In jedem Fall endet der Anspruch auf die Mutterschaftsentschädigung vor Ablauf der unter den Absätzen 1 und 2 vorgesehenen Ausrichtungsdauer, wenn die Mutter ihre Erwerbstätigkeit wieder aufnimmt oder wenn sie stirbt.

164

BBl 2019

Änderungen des Obligationenrechts (OR) Art. 329f Abs. 2 Artikel 329f OR wird dahingehend geändert, dass der Mutterschaftsurlaub bei Hospitalisierung des Neugeborenen im Sinne von Artikel 16c Absatz 3 E-EOG verlängert werden kann. Der Mutterschaftsurlaub wird also an die Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung angepasst.

Art. 336c Abs. 1 Bst. cbis Die vorgeschlagene Änderung verlängert den Kündigungsschutz um die längere Dauer des Mutterschaftsurlaubs bei mindestens dreiwöchigem Spitalaufenthalt gemäss EOG. Der Kündigungsschutz wird folglich um die effektive Dauer des Spitalaufenthalts des Neugeborenen verlängert, höchstens aber um acht zusätzliche Wochen gegenüber der heutigen Regelung.

Der Kündigungsschutz kann nur dann über die 16. Woche hinaus verlängert werden, wenn der Spitalaufenthalt des Neugeborenen gemäss EOG mindestens drei Wochen dauert. Sieht ein Arbeitsvertrag oder ein GAV einen Mutterschaftsurlaub von 16 Wochen und eine mögliche Verlängerung bei einem Spitalaufenthalt ab zwei Wochen vor, so entsteht durch diese zwei Wochen kein Anspruch auf einen Urlaub nach Artikel 329f E-OR und in der 17. und 18. Woche besteht kein Kündigungsschutz, ausser dieser ist im Arbeitsvertrag oder GAV vorgesehen.

6

Auswirkungen

6.1

Finanzielle Auswirkungen für die EO

Die durch die längere Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung von 56 Tagen verursachten Kosten werden auf 5,9 Millionen Franken pro Jahr geschätzt.

Seit dem 1. Juli 2005 sind die Aufwendungen für die EO infolge der Einführung der Mutterschaftsentschädigung und der Anhebung der Leistungen für Dienstleistende stark angestiegen. Deshalb hatte der Gesetzgeber ursprünglich vorgesehen, den Beitragssatz im Jahr 2008 von 0,3 auf höchstens 0,5 Prozent anzuheben. Da die Einnahmen der EO wegen der guten Wirtschaftsentwicklung in diesen Jahren höher ausfielen als erwartet, hat der Bundesrat die vorübergehende Erhöhung aber erst 2010 beschlossen. Der Beitragssatz wurde vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2015 um den gesetzlich vorgesehenen Höchstansatz angehoben. Die Erhöhung des Beitragssatzes hat die finanzielle Situation verbessert, sodass die Liquidität gesichert und die Reserven des Fonds wieder aufgebaut werden konnten.

2015 schloss die EO mit einem positiven Ergebnis, woraufhin der EO-Beitragssatz für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2020 auf 0,45 Prozent gesenkt werden konnte. Der Bundesrat wird die Situation vor Ablauf dieser Frist neu beurteilen müssen, um die nötigen Massnahmen für die Zeit nach 2020 zu treffen.

165

BBl 2019

Die geringen Kosten, welche die längere Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung verursacht, erfordern keine zusätzlichen Finanzierungsquellen und können über die aktuellen EO-Ressourcen finanziert werden.

6.2

Auswirkungen auf Bund und Kantone

6.2.1

Finanzielle Auswirkungen

Die längere Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung im EOG hat kleinere finanzielle und rechtliche Auswirkungen auf Bund oder Kantone. Als Arbeitgeber werden sie ihre Personalreglemente im Bereich Mutterschaftsurlaub anpassen müssen. Für den Bund bedeutet dies konkret, dass sich bei längerem Spitalaufenthalt des Neugeborenen die Dauer des Mutterschaftsurlaubs von 16 auf höchstens 22 Wochen verlängern kann. Die finanziellen Auswirkungen sind allerdings gering, da der zu 100 Prozent gewährleistete Lohn teilweise durch das EOG übernommen wird.

Die Bestimmungen des OR zum Kündigungsschutz und zur Kürzung der Ferien finden direkte Anwendung.

6.2.2

Auswirkungen auf den Personalbedarf

Da die Tragweite begrenzt ist, sind aufgrund der Änderung keine zusätzlichen Personalressourcen erforderlich.

6.3

Wirtschaftliche Auswirkungen

Aktuell obliegt die Lohnfortzahlungspflicht dem Arbeitgeber, wenn die Mutter aufgrund der Pflege eines kranken Kindes an der Arbeit verhindert ist. Die Finanzierung der Verlängerung der Mutterschaftsentschädigung über die EO wird die Arbeitgeber entlasten, da bei Arbeitsverhinderung künftig nicht mehr sie den Lohn gemäss den Voraussetzungen nach Artikel 324b OR entrichten.

7

Rechtliche Aspekte

7.1

Verfassungsmässigkeit

Die vorgeschlagene Änderung des EOG stützt sich auf Artikel 116 Absätze 3 und 4 BV. Die Änderung des OR stützt sich auf Artikel 122 BV.

Das EOG untersteht dem ATSG, das seit dem 1. Januar 2003 in Kraft ist. Alle im Rahmen dieser Vorlage vorgeschlagenen Gesetzesänderungen sind mit dem ATSG vereinbar.

166

BBl 2019

7.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen

Die EU hat zwecks Erleichterung der Personenfreizügigkeit Regelungen zur Koordinierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit geschaffen. Die Schweiz nimmt seit dem Inkrafttreten des Abkommens vom 21. Juni 199938 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen) am 1. Juni 2002 an diesem Koordinationssystem teil. Das EU-Recht sieht keine Harmonisierung der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit vor. Die Mitgliedstaaten können die Einzelheiten ihrer Systeme der sozialen Sicherheit unter Beachtung der europarechtlichen Koordinationsgrundsätze selber festlegen. Dies gilt aufgrund des revidierten Übereinkommens vom 4. Januar 196039 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) auch in den Beziehungen zwischen der Schweiz und den übrigen EFTA-Staaten.

Der Erwerbsersatz für Dienstleistende gehört nicht zu den vom internationalen Recht geregelten Risiken der sozialen Sicherheit und kann deshalb beliebig ausgestaltet werden. Die Ausgestaltung der Leistungen bei Mutterschaft hingegen muss den internationalen Verpflichtungen Rechnung tragen, welche die Schweiz auf diesem Gebiet übernommen hat. Die Schweiz wendet aufgrund des Freizügigkeitsabkommens mit der EU sowie des revidierten EFTA-Übereinkommens die Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 (VO 883/2004)40 und 987/200941 an. Diese gelten auch für Leistungen bei Mutterschaft, welche im Anwendungsbereich des EOG sind (Artikel 28a EOG). Nach der VO 883/2004 ist die Schweiz verpflichtet, Staatsangehörige eines EU- oder EFTA-Staates gleich zu behandeln wie Schweizer Bürgerinnen und Bürger (Art. 4 VO 883/2004) und Müttern aus EU- oder EFTA-Staaten eine Mutterschaftsentschädigung zu gewähren, sofern sie die erforderlichen Voraussetzungen, nötigenfalls unter Mitberücksichtigung von entsprechenden Versicherungszeiten in einem EU-/EFTA-Staat, erfüllen (Art. 6 VO 883/2004). Die Mutterschaftsentschädigung ist auch bei Wohnsitz im EU- oder EFTA-Raum und damit insbesondere an Grenzgängerinnen zu gewähren (Art. 7 VO 883/2004).

Die einzelnen Massnahmen der vorliegenden Revision sind vereinbar mit den erwähnten Koordinierungsvorschriften.

Überdies hat die Schweiz das Übereinkommen Nr. 183 der Internationalen
Arbeitsorganisation vom 15. Juni 200042 über den Mutterschutz ratifiziert. Dieses regelt die durch die Vorlage korrigierte Problematik nicht explizit.

Da die vorgeschlagene Regelung den betroffenen Frauen einen besseren Schutz bietet, kann sie den internationalen Verpflichtungen der Schweiz nicht zuwiderlaufen.

38 39 40 41 42

SR 0.142.112.681 SR 0.632.31 SR 0.831.109.268.1 SR 0.831.109.268.11 SR 0.822.728.3

167

BBl 2019

7.3

Vereinbarkeit mit anderen Gesetzen

7.3.1

Koordination mit dem Arbeitsgesetz

Beim ArG steht der allgemeine Gesundheitsschutz im Vordergrund. So sieht Artikel 35a ArG vor, dass Wöchnerinnen während acht Wochen nach der Niederkunft nicht und danach bis zur 16. Woche nur mit ihrem Einverständnis beschäftigt werden dürfen. Die Zeitspannen nach ArG stehen nicht in direktem Zusammenhang mit in anderen Gesetzen vorgesehenen Urlauben, insbesondere mit dem Mutterschaftsurlaub. Auch die Entlöhnung wird nicht durch das ArG geregelt. Somit ist keine Anpassung des ArG erforderlich.

7.3.2

Koordination mit der Alters- und Hinterlassenenversicherung

Die Mutterschaftsentschädigung ist ein Einkommen im Sinne der AHV. Demnach wird sie auch wie ein Lohn behandelt und es werden AHV-, IV-, EO- und ALVBeiträge darauf erhoben. Der EO-Ausgleichsfonds übernimmt die Arbeitgeberbeiträge; die Arbeitnehmerbeiträge werden direkt von der Leistung abgezogen. Gleiches gilt für die zusätzlichen Entschädigungen bei einem längeren Spitalaufenthalt des Neugeborenen. Da es sich um eine längere Ausrichtung der ohnehin gewährten Mutterschaftsentschädigung in Fällen handelt, in denen das Neugeborene längere Zeit im Spital verbleiben muss, ist keine Gesetzesänderung nötig.

7.3.3

Koordination mit der beruflichen Vorsorge

Im Rahmen der beruflichen Vorsorge (2. Säule) kann grundsätzlich nur der tatsächlich erzielte AHV-Lohn versichert werden. Dieser in Artikel 1 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 198243 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) verankerte Grundsatz ist vor allem mit steuerlichen Überlegungen begründet. Daraus leitet sich ab, dass eine Mutter, deren AHV-Lohn nach der Niederkunft vorübergehend sinkt, eigentlich damit rechnen müsste, dass der Schutz durch die 2. Säule ebenfalls abnimmt. Bei der Einführung der Mutterschaftsentschädigung in der Erwerbsersatzordnung im Jahr 2005 hat das Parlament den Geltungsbereich von Artikel 8 Absatz 3 BVG, der eine Abweichung von diesem Grundsatz vorsieht, allerdings ausgeweitet. Der Schutz der 2. Säule wird somit auf demselben Niveau beibehalten wie bis anhin (Beibehaltung des bisherigen koordinierten Lohns), wenn der Lohn aufgrund von Mutterschaft vorübergehend sinkt. Das muss auch bei einem Aufschub der Mutterschaftsentschädigung der Fall sein. In Bezug auf die Dauer der Beibehaltung des koordinierten Lohns auf dem bisherigen Niveau verweist die aktuelle Bestimmung auf die Artikel 324a und 329f OR. Da es sich um eine Verlängerung des Anspruchs auf die ohnehin gewährte Mutterschaftsentschädigung in Fällen handelt, in denen das Neugeborene längere Zeit im Spital verbleiben muss, behält der Verweis seine Gültigkeit, und es ist keine Gesetzesände43

168

SR 831.40

BBl 2019

rung nötig, da Artikel 329f OR dahingehend angepasst wird, dass die Dauer des längeren Spitalaufenthalts über das EOG abgegolten wird.

7.3.4

Koordination mit der Unfallversicherung

Nach dem Bundesgesetz vom 20. März 198144 über die Unfallversicherung (UVG) endet die Versicherung für Nichtberufsunfälle mit dem 31. Tag nach dem Tag, an dem der Anspruch auf mindestens den halben Lohn aufhört (Art. 3 Abs. 2 UVG).

Als Lohn gemäss Verordnung vom 20. Dezember 198245 über die Unfallversicherung (UVV) gelten der massgebende Lohn im Sinne der AHV, die Taggelder der obligatorischen Unfallversicherung, der Militärversicherung, der Invalidenversicherung und jene der Krankenkassen sowie der privaten Kranken- und Unfallversicherer, welche die Lohnfortzahlung ersetzen, Entschädigungen nach der Erwerbsersatzordnung sowie Entschädigungen einer kantonalen Mutterschaftsversicherung (Art. 7 Abs. 1 Bst. b UVV). Bei der Einführung des Mutterschaftsurlaubs wurde die UVV dahingehend geändert, dass die Leistungen der Erwerbsersatzordnung bei Mutterschaft explizit unter den als Lohnersatz geltenden Entschädigungen aufgeführt sind.

Die Mütter, die vor dem Mutterschaftsurlaub obligatorisch gegen Nichtberufsunfälle versichert sind, sind während des ganzen Urlaubs somit weiter versichert, sofern sie Anspruch auf eine Mutterschaftsentschädigung haben, die mindestens einen halben Lohn ausmacht. Gleiches gilt bei einer Verlängerung der Mutterschaftsentschädigung infolge längerem Spitalaufenthalt des Neugeborenen. Da es sich um eine Verlängerung des Anspruchs auf die ohnehin gewährte Mutterschaftsentschädigung in Fällen handelt, in denen das Neugeborene längere Zeit im Spital verbleiben muss, ist keine Gesetzesänderung nötig.

7.3.5

Koordination mit der Arbeitslosenversicherung

Arbeitslose Schwangere bei guter Gesundheit gelten als vermittlungsfähig und erhalten somit bis zum Tag der Niederkunft Arbeitslosenentschädigung. In Übereinstimmung mit Artikel 16g EOG, der den Vorrang der Mutterschaftsentschädigung festhält, wird die Ausrichtung der Arbeitslosenentschädigung in den 14 Wochen der Mutterschaftsentschädigung ausgesetzt.

Bei längerem Spitalaufenthalt des Neugeborenen gelten weiterhin die gleichen Voraussetzungen. Die Arbeitslosentaggelder werden während der Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung ausgesetzt. Wird keine Mutterschaftsentschädigung mehr ausgerichtet und sind die entsprechenden materiellen Voraussetzungen erfüllt, so kommt während der laufenden Rahmenfrist für den Leistungsbezug wieder die Arbeitslosenentschädigung zum Zuge. Eine Gesetzesänderung ist nicht nötig.

44 45

SR 832.20 SR 832.202

169

BBl 2019

7.4

Erlassform

Nach Artikel 164 Absatz 1 BV sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form eines Bundesgesetzes zu erlassen. Die vorliegenden Änderungen erfolgen demzufolge im normalen Gesetzgebungsverfahren.

7.5

Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden weder neue Subventionsbestimmungen geschaffen noch Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen beschlossen, die eine einmalige Zahlung von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen.

7.6

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Dem Bundesrat wird die Kompetenz erteilt, Verordnungsrecht zur Durchführung des Gesetzes zu erlassen.

7.7

Datenschutz

Die vorgeschlagenen Massnahmen haben keine Auswirkungen auf den Datenschutz.

170

BBl 2019

Anhang Finanzhaushalt der EO gemäss geltender Ordnung mit der Verlängerung der Mutterschaftsentschädigung (56 Tage) Stand: Abrechnung 2017

Beträ ge i n Mi l l i onen Fra nken / Zu Prei s en von 2018

Jahr

Einnahmen

Umlageergebnis

Kapitalertrag

Betriebsergebnis

Verl ä nTotal Total gerung Aus ga ben Ei nna hmen MSU

Uml a geergebni s

Ertra g der Anl a gen

Betri ebs ergebni s

Ausgaben

Di ens tl ei s tende

Mutters cha ft

Stand des EO-Fonds

Ka pi tal

Indikatoren

da von l i qui de Mi ttel

BS a ndere Li qui de Ma s s BS Total i n Mi ttel i n % na hmen i n Lohn-% der Lohn-% Aus ga ben

BS Di ens tl ei s tende i n Lohn-% 1)

1)

1)

1)

2017 2018 2019 2020

851 833 808 786

873 890 900 912

0.0 0.0 0.0 0.0

1 724 1 723 1 708 1 698

1 675 1 700 1 720 1 745

- 49 - 23 12 47

61 26 24 26

12 3 36 73

1 036 1 040 1 066 1 131

878 870 894 956

0.23 0.22 0.21 0.20

0.23 0.24 0.24 0.24

0.00 0.00 0.00 0.00

0.45 0.46 0.45 0.44

51 50 52 56

2021 2022 2023 2024 2025

779 811 805 801 800

924 966 980 992 1003

5.9 6.0 6.1 6.3 6.4

1 710 1 784 1 791 1 799 1 809

1 773 1 799 1 831 1 862 1 893

63 15 40 63 84

29 31 32 34 37

93 46 72 97 122

1 213 1 247 1 307 1 391 1 499

1 036 1 068 1 124 1 205 1 310

0.20 0.20 0.20 0.19 0.19

0.23 0.24 0.24 0.24 0.24

0.00 0.00 0.00 0.00 0.00

0.43 0.44 0.44 0.43 0.43

61 60 63 67 72

2026 2027 2028 2029 2030

799 799 847 851 855

1013 1022 1070 1078 1086

6.5 6.6 6.6 6.7 6.8

1 818 1 827 1 924 1 936 1 948

1 924 1 954 1 984 2 014 2 045

106 127 60 78 97

40 45 48 51 55

146 172 109 130 151

1 630 1 786 1 877 1 988 2 120

1 438 1 591 1 679 1 787 1 915

0.19 0.18 0.19 0.19 0.19

0.24 0.24 0.24 0.24 0.24

0.00 0.00 0.00 0.00 0.00

0.43 0.42 0.43 0.43 0.43

79 87 87 92 98

2031 2032 2033 2034 2035

860 866 872 877 934

1094 1102 1111 1118 1175

6.9 7.0 7.1 7.2 7.3

1 961 1 975 1 990 2 003 2 117

2 076 2 108 2 139 2 171 2 202

115 132 150 168 85

59 63 69 75 80

174 196 218 242 165

2 272 2 445 2 640 2 856 2 992

2 065 2 235 2 426 2 639 2 772

0.19 0.18 0.18 0.18 0.19

0.24 0.24 0.23 0.23 0.24

0.00 0.00 0.00 0.00 0.00

0.43 0.42 0.41 0.41 0.43

105 113 122 132 131

Erläuterungen

Annahmen über die wirtschaftliche Entwicklung, in %

1) BS: Bei tra gs s a tz

Ja hr Lohni ndex Strukturwa ndel Prei s

171

2018 0.7 0.3 1.0

2019 1.0 0.3 0.8

BSV / Version 12.06.2018 / 10.07.2018 2020 2021 2022 ab 2023 1.2 1.5 1.5 1.9 0.3 0.3 0.3 0.3 0.9 1.0 1.0 1.0 Szenario A-00-2015 Bundesamt für Statistik BFS

BBl 2019

172