zu 15.486 Parlamentarische Initiative Amstutz Feldschiessen und historische Schiessen auch nach 2020 ermöglichen Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates vom 22. Januar 2019 Stellungnahme des Bundesrates vom 17. April 2019

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates vom 22. Januar 2019 betreffend die parlamentarische Initiative 15.486 Amstutz «Feldschiessen und historische Schiessen auch nach 2020 ermöglichen» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

17. April 2019

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die parlamentarische Initiative 15.486 «Feldschiessen und historische Schiessen auch nach 2020 ermöglichen» wurde von Nationalrat Adrian Amstutz am 24. September 2015 im Nationalrat eingereicht. Sie verlangt, das Umweltschutzgesetz vom 7. Oktober 19831 (USG) so zu ändern, dass der Bund Sanierungen von Altlasten weiterhin unterstützt, auch wenn nach dem 31. Dezember 2020 ­ dem derzeit im USG festgelegten Zeitpunkt ­ noch in den Boden geschossen wird, sofern es sich um Orte handelt, an denen jährlich höchstens ein Schiessanlass stattfindet.

Um die Initiative umzusetzen, erarbeitete die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates (UREK-N) einen Vorentwurf und schickte ihn vom 3. Juli bis zum 24. Oktober 2018 in die Vernehmlassung. Dieser mit 15 gegen 9 Stimmen angenommene Vorentwurf schlug vor, die Frist bis zum 31. Dezember 2020 zu streichen, wenn nur noch Abfälle (Projektile) von einer jährlich stattfindenden Schiessveranstaltung (Feldschiessen oder historisches Schiessen) auf dem Standort gelangen, dies unter der Voraussetzung, dass die Schiessveranstaltung vor 2020 regelmässig am gleichen Ort durchgeführt wurde. Darüber hinaus sah der Vorentwurf vor, Beiträge aus dem Fonds gemäss der Verordnung vom 26. September 20082 über die Abgabe zur Sanierung von Altlasten (VASA) für die Einrichtung von Kugelfängen für historische Schiessen zu gewähren. Eine Minderheit sprach sich dafür aus, nicht auf die Vorlage einzutreten. Eine andere Minderheit wünschte eine Verlängerung der Frist zur Einrichtung eines emissionsfreien Kugelfangsystems bis 2028, anstatt die Frist ganz abzuschaffen. Eine dritte Minderheit sprach sich dafür aus, Sanierungsbeiträge nur für historische Schiessen und nicht für Feldschiessen auszurichten, wenn nach 2020 noch in den Boden geschossen wird.

Rund 76 Behörden und Organisationen wurden zur Teilnahme an der Vernehmlassung eingeladen. Insgesamt gingen 63 Stellungnahmen ein, davon 35 von den Adressaten der Vernehmlassung (dies entspricht einer Rücklaufquote von 46 %) sowie 28 von anderen Teilnehmenden. Der Vorentwurf wurde von 13 Kantonen abgelehnt und von 7 befürwortet. Ein Kanton sprach sich für den Vorschlag der Minderheit 1 aus (Verlängerung der Frist bis 2028 anstatt Streichung der Frist) und ein weiterer für den Vorschlag der Minderheit 2 (Begrenzung der
Ausnahme auf historische Schiessen). 4 Kantone verzichteten auf eine Stellungnahme. Die Gegner des Änderungsvorschlags stellten die Fortsetzung der historischen Schiessen nicht in Frage, vertraten jedoch die Meinung, dass die technischen Möglichkeiten verfügbar sind, um solche Anlässe in Zukunft umweltgerecht durchzuführen. Ihrer Ansicht nach steht der Entwurf im Widerspruch zu den Grundsätzen des USG, namentlich zum Vorsorge- und zum Verursacherprinzip. Von den sieben Kantonen, die den Vorentwurf befürworteten, stellten mehrere dennoch einen Konflikt zwischen Umweltschutz und Pflege von Traditionen fest und äusserten Zweifel an der Vereinbar1 2

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keit der vorgeschlagenen Regelung mit der Verfassung (Vorsorge- und Verursacherprinzip). Die Regierungskonferenz Militär, Zivilschutz und Feuerwehr (RK MFZ) sowie die Vertreter der Schützenkreise (Kantonalverbände und Schützenvereine) unterstützten den Vorentwurf.

Nach eingehender Prüfung der Ergebnisse der Vernehmlassung passte die UREK-N ihren Vorentwurf an: Die Sonderregelung bei der Sanierung von Altlasten soll sich auf historische Schiessen beschränken und nicht auch für Feldschiessen gelten. Für Bodenschutzmassnahmen (künstliche Kugelfänge) bei historischen Schiessen sollen ebenfalls Beiträge aus dem VASA-Fonds beantragt werden können.

Am 19. Februar 2019 unterbreitete die UREK-N ihren Bericht dem Bundesrat zur Stellungnahme.

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Stellungnahme des Bundesrates

Für Massnahmen zur Sanierung von Kugelfängen können Abgeltungen im Sinne der VASA gewährt werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass ab dem 31. Dezember 2020 keine Abfälle mehr auf den Standort gelangen, oder in anderen Worten, dass nicht mehr in den Boden geschossen wird. Zum Schutz des Kulturguts fordert die parlamentarische Initiative 15.486 die Aufhebung dieser Frist für Orte, an denen jährlich höchstens ein Schiessanlass stattfindet (Feldschiessen, historische Schiessen). Gemäss dem Entwurf der Kommission vom 22. Januar 2019 wird diese Frist nur für Standorte abgeschafft, an denen historische Schiessen durchgeführt werden.

Ausserdem sollen auch für Bodenschutzmassnahmen wie zum Beispiel künstliche Kugelfänge Bundesbeiträge gewährt werden können.

Die Einhaltung der Frist bis zum 31. Dezember 2020 bedeutet nicht, dass ab diesem Datum Feldschiessen und historische Schiessen verboten werden. Solche Schiessanlässe sind weiterhin möglich, indem Kugelfangvorrichtungen eingesetzt werden, auch wenn dies je nach Gelände mit Schwierigkeiten verbunden sein kann. Diese Technik ist weit verbreitet, hat sich bewährt und die Kosten sind tragbar. Auch für gelegentliche Schiessanlässe sind entsprechende Vorrichtungen verfügbar. Wird auf den Einbau von künstlichen Kugelfängen verzichtet, kann zwar weiterhin geschossen werden, jedoch ohne dass die spätere Sanierung durch die VASA mitfinanziert würde.

Das Schiessen ist eine der bedeutendsten Quellen für Einträge von Blei und Antimon in die Umwelt. Antimon ist ein hochtoxisches und äusserst mobiles Halbmetall, das sehr leicht bis ins Grundwasser gelangen kann. Blei ist weniger mobil, sein Vorhandensein im Boden birgt jedoch ein sehr grosses Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier. Blei greift das zentrale und periphere Nervensystem an.

Ungeborene sowie Kleinkinder sind bei einer Exposition mit Blei daher besonders gefährdet. Ausserdem führt Blei zu Beeinträchtigungen des Herz-Kreislauf-Systems.

Dies ist ein wichtiger Grund, weshalb dem Benzin seit 1990 kein Blei mehr zugesetzt wird. Bis heute kann kein annehmbarer Grenzwert für eine Bleiexposition festgelegt werden.

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Historische Schiessanlässe und Feldschiessen werden häufig auf Kulturland durchgeführt. Um eine Belastung fruchtbarer Böden zu verhindern, ist es sehr wichtig, dass die Kugeln entfernt werden. Oft werden bereits nach einem einzigen Schiessanlass die Bleikonzentrationen überschritten, die eine Einschränkung der landwirtschaftlichen Nutzung erfordern. Selbst Schiessanlässe, die nur einmal pro Jahr stattfinden, werden von äusserst zahlreichen Teilnehmenden besucht, entsprechend hoch ist die Zahl der verschossenen Kugeln. Zudem steigen die Konzentrationen mit jedem Schiessanlass weiter an, denn weder Blei noch Antimon bauen sich in der Umwelt ab. Allfällige Nutzungseinschränkungen werden nicht abgegolten und erschweren die landwirtschaftliche Bewirtschaftung erheblich. An den jährlich stattfindenden Schiessanlässen, bei denen nach wie vor in den Boden geschossen wird, gelangen insgesamt sehr grosse Mengen Blei in die Umwelt. Für alle betroffenen Standorte zusammen dürften es schätzungsweise 4000 kg pro Jahr sein. Wird weiterhin in den Boden geschossen, so hat dies kurzfristig keine Kosten zur Folge.

Bei einer künftigen Sanierung hingegen fällt mehr belastetes Material an. Dies führt zu sehr viel höheren Entsorgungskosten, die in erster Linie von den Gemeinden, den Kantonen und dem VASA-Fonds getragen werden müssen.

Von der Änderung von Artikel 32e USG wären ungefähr zehn historische Schiessen mit insgesamt rund 360 Scheiben betroffen. Bei der Mehrzahl der historischen Schiessanlässe kommen bereits künstliche Kugelfänge zum Einsatz, und in gewissen Kantonen ist die Verwendung von Big Bags obligatorisch, wenn kein künstlicher Kugelfang vorhanden ist. Hinzu kommen einige Gedenkschiessen, die auf der unveröffentlichten Liste des Schweizer Schiesssportverbandes erwähnt werden. Manche davon dürften indessen ebenfalls in ausgerüsteten Schiessständen ausgetragen werden.

Es ist zu betonen, dass die vorgeschlagene Gesetzesänderung gegen die in der Verfassung festgeschriebenen Grundsätze des Umweltschutzes verstösst. Gemäss Artikel 74 der Bundesverfassung (BV)3 sorgt der Bund dafür, dass die Umwelt vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen geschützt wird und die Kosten der Vermeidung und Beseitigung solcher Einwirkungen von den Verursachern getragen werden. Mit der vorgeschlagenen Änderung würde jedoch der
Grundsatz der Vorsorge missachtet und stattdessen eine unnötige unmittelbare Belastung des Bodens gestattet. Die technischen Mittel zum Abfangen der Kugeln und damit zur Verhinderung einer Belastung des Bodens sind vorhanden, und die Kosten für den Einsatz dieser Mittel sind nicht unverhältnismässig. Für ca. 10 Anlässe würden sich die Kosten auf insgesamt 0,5­1 Million Franken belaufen. Es gibt folglich keinen Grund, der eine Nichtanwendung des Vorsorge- und des Verursacherprinzips rechtfertigen würde.

Hinzu kommt, dass die Veranstalter von Schiessanlässen, die in den vergangenen Jahren die erforderlichen Massnahmen zur Verhinderung einer Belastung des Bodens getroffen haben, ungerechtfertigterweise benachteiligt würden gegenüber denjenigen, die bis jetzt nichts unternommen haben.

Schliesslich ist die finanzielle Unterstützung für zweckmässige Schutzmassnahmen (künstliche Kugelfänge) auch juristisch problematisch. Der VASA-Fonds wurde mit dem Ziel eingerichtet, Abgeltungen für die gesetzlich vorgeschriebene Erfassung, 3

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Untersuchung, Überwachung und Sanierung von belasteten Standorten zu gewähren.

Die Finanzierung geeigneter Schutzmassnahmen ist als Fördermassnahme zu betrachten und wird durch den Fonds nicht abgedeckt. Der Fonds wurde geschaffen, um die Bearbeitung von Altlasten innerhalb von einer bis zwei Generationen abzuschliessen. Bei der Bundesverwaltung würde die Einführung von Prozessen für die Bearbeitung von Abgeltungsgesuchen für diese neue Kategorie von Standorten einen zusätzlichen administrativen Aufwand generieren. Auch bei den Kantonen, die über einen vergleichbaren Fonds verfügen, entstünde ein Mehraufwand. Abgesehen davon ist nicht nachzuvollziehen, weshalb die Deponiebetreiber und Abfallexporteure über die VASA-Abgaben die Pflege eines historischen Brauchs finanzieren sollten.

Der Bundesrat vertritt die Meinung, dass die prognostizierten Kosten von 0,5­ 1 Million Franken für zweckmässige Schutzmassnahmen grundsätzlich von den Organisatoren der Anlässe getragen werden müssten. Gleichzeitig unterstreicht der Bundesrat seine Verbundenheit mit den historischen Schiessen. Er hat daher Verständnis für das Anliegen, solche höchstens einmal jährlich durchgeführten Anlässe bei der Umsetzung zweckmässiger Schutzmassnahmen zu unterstützen. Sollte das Parlament das Anliegen der Kommission teilen, müssten aus Sicht des Bundesrats aufgrund der obigen rechtlichen Darlegungen die Subventionen an die Installation von künstlichen Kugelfängen ausserhalb des USG festgelegt werden.

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Anträge des Bundesrates

Der Bundesrat hat Verständnis für das Anliegen der Kommission, die Veranstalter historischer Schiessen bei der Umsetzung zweckmässiger Schutzmassnahmen zu unterstützen. Sollte das Parlament Bundesmittel für die Finanzierung von Installationen von künstlichen Kugelfängen für historische Schiessen sprechen wollen, so beantragt der Bundesrat gemäss den Ausführungen in Ziffer 2, dass dies ausserhalb der Umweltschutzgesetzgebung erfolgt und auf Artikel 62 des Militärgesetzes vom 3. Februar 19954 abgestützt wird.

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