18.091 Botschaft zur Änderung des Familienzulagengesetzes vom 30. November 2018

Sehr geehrter Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Familienzulagengesetzes vom 24. März 2006.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2014

M 13.3650

Familienzulagen für alle, auch für arbeitslose Mütter, die eine Mutterschaftsentschädigung beziehen (S 17.9.13, Seydoux; N 5.3.14)

Wir versichern Sie, sehr geehrter Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

30. November 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2018-2500

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Übersicht Das Familienzulagengesetz soll in drei Punkten revidiert werden. Ausbildungszulagen für Jugendliche sollen neu ab dem Zeitpunkt des Beginns ihrer nachobligatorischen Ausbildung ausgerichtet werden und nicht erst nach Vollendung des 16. Altersjahres. Ebenfalls sollen neu arbeitslosen alleinerziehenden Müttern Familienzulagen gewährt werden. Schliesslich soll eine gesetzliche Grundlage für die Gewährung von Finanzhilfen an Familienorganisationen geschaffen werden.

Ausgangslage Am 21. Juni 2013 reichte Ständerätin Seydoux-Christe die Motion 13.3650 «Familienzulagen für alle, auch für arbeitslose Mütter, die eine Mutterschaftsentschädigung beziehen» ein. Die Motion beauftragt den Bundesrat, die Gesetzgebung dahingehend zu ändern, dass arbeitslose Mütter, die eine Mutterschaftsentschädigung beziehen, ebenfalls Anspruch auf eine Familienzulage haben. Die Motion wurde vom Ständerat am 17. September 2013 und am 5. März 2014 vom Nationalrat überwiesen.

Nationalrat Müller-Altermatt reichte am 17. März 2016 die parlamentarische Initiative 16.417 «Ausbildungszulagen ab dem Beginn der Ausbildung statt aufgrund des Geburtstages ausrichten» ein. Die Kommissionen für Soziale Sicherheit und Gesundheit von National- und Ständerat haben der Initiative Folge gegeben. Da es nicht zweckmässig wäre, das Familienzulagengesetz gleichzeitig mittels einer bundesrätlichen Vorlage und einer Vorlage des Parlaments zu revidieren, hat der Bundesrat entschieden, das Anliegen der parlamentarischen Initiative MüllerAltermatt in die vorliegende Vorlage aufzunehmen.

Schliesslich soll die geplante Revision des Familienzulagengesetzes zum Anlass genommen werden, eine gesetzliche Grundlage für die Gewährung von Finanzhilfen an Familienorganisationen zu schaffen.

Inhalt der Vorlage Im geltenden Recht erhalten Eltern Ausbildungszulagen erst dann, wenn ihre Kinder das 16. Altersjahr vollendet haben und in Ausbildung sind. Neu sollen Ausbildungszulagen den Eltern bereits ab dem Zeitpunkt gewährt werden, in dem ihre Kinder das 15. Altersjahr vollendet haben und sich in einer nachobligatorischen Ausbildung befinden. Für Kinder, die das 16. Altersjahr vollendet haben und noch die obligatorische Schule besuchen, werden ebenfalls Ausbildungszulagen ausgerichtet.

Arbeitslose alleinerziehende Mütter können im geltenden Recht während
des Bezugs der Mutterschaftsentschädigung keine Familienzulagen beziehen. Wenn beispielsweise infolge einer fehlenden Vaterschaftsanerkennung niemand sonst einen Anspruch auf Familienzulagen geltend machen kann, können für das Kind keine Familienzulagen bezogen werden. Dies soll geändert werden, indem das Familienzulagengesetz für arbeitslose alleinerziehende Mütter einen Anspruch auf Familienzulagen als Nichterwerbstätige vorsieht.

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Schliesslich wird eine neue gesetzliche Grundlage für die Unterstützung von Familienorganisationen geschaffen. Die Finanzhilfen können in der ganzen Schweiz oder im ganzen Gebiet einer Sprachregion tätigen Familienorganisationen mit Sitz in der Schweiz gewährt werden, welche gemäss ihrem Zweck gemeinnützig, konfessionell neutral und parteipolitisch unabhängig sind. Finanzhilfen an Familienorganisationen können für die Förderbereiche «Begleitung und Beratung von Familien sowie Elternbildung» und «Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit oder Ausbildung» ausgerichtet werden.

1021

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

1025 1025 1025

Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Familienzulagen 1.1.1.1 Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung 1.1.1.2 Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter 1.1.2 Finanzhilfen an Familienorganisationen 1.2 Ziele 1.3 Die beantragte Neuregelung 1.3.1 Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung 1.3.1.1 Begründung und Bewertung 1.3.1.2 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 1.3.2 Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter 1.3.2.1 Begründung und Bewertung 1.3.2.2 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 1.3.3 Finanzhilfen an Familienorganisationen 1.3.3.1 Begründung und Bewertung 1.3.3.2 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 1.4 Ergebnisse der Vernehmlassung 1.4.1 Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung 1.4.2 Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter 1.4.3 Finanzhilfen an Familienorganisationen 1.4.3.1 Zweck und Förderbereiche (Art. 21f VEFamZG) 1.4.3.2 Voraussetzungen (Art. 21g VE-FamZG) 1.4.3.3 Verfahren und Höchstsatz (Art. 21h VEFamZG) 1.4.4 Weitere Anträge 1.4.4.1 Begriff alleinstehend 1.4.4.2 Weitere Lücken und Anpassung des Familienzulagensystems 1.4.4.3 Erhöhung der Familienzulagen und Anpassung des Teuerungsmechanismus 1.4.4.4 Lastenausgleich 1.4.4.5 Bedarfsabhängige Kinderzulage

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1.5 1.6

1.7

1.4.4.6 Änderung AVIG 1.4.4.7 Bekämpfung von Familienarmut Abstimmung von Aufgaben und Finanzen Umsetzung auf Verordnungsstufe 1.6.1 Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung 1.6.2 Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter 1.6.3 Finanzhilfen an Familienorganisationen Erledigung parlamentarischer Vorstösse

1043 1043 1044 1044 1044 1044 1044 1045

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

1045

3

Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf die Sozialversicherung 3.1.1 Finanzielle Auswirkungen 3.1.2 Personelle Auswirkungen 3.2 Auswirkungen auf den Bund 3.2.1 Finanzielle Auswirkungen 3.2.2 Personelle Auswirkungen 3.3 Auswirkungen auf Kantone 3.3.1 Finanzielle Auswirkungen 3.3.2 Personelle Auswirkungen 3.4 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 3.5 Auswirkungen auf die Gesellschaft sowie die Gleichstellung von Frau und Mann 3.6 Andere Auswirkungen

1055 1055 1055 1056 1056 1056 1057 1057 1057 1058 1058

4

5

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates 4.1 Verhältnis zur Legislaturplanung 4.2 Verhältnis zu Strategien des Bundesrates Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.2.1 EU-Recht 5.2.2 Weitere internationale Verpflichtungen 5.3 Erlassform 5.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 5.5 Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz 5.5.1 Subsidiaritätsprinzip 5.5.2 Prinzip der fiskalischen Äquivalenz 5.5.3 Respektierung des Kompetenzbereichs der Kantone

1058 1058 1059 1059 1059 1059 1059 1060 1060 1060 1061 1061 1062 1062 1062 1062

1023

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5.6

5.7 5.8

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes 5.6.1 Die Bedeutung der Finanzhilfen für die vom Bund angestrebten Ziele 5.6.2 Materielle und finanzielle Steuerung der Finanzhilfen 5.6.3 Verfahren der Beitragsgewährung Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen Datenschutz

Bundesgesetz über die Familienzulagen (Familienzulagengesetz, FamZG) (Entwurf)

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1063 1063 1063 1063 1064 1064

1065

BBl 2019

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Familienzulagen

Seit dem 1. Januar 2009 ist das Familienzulagengesetz vom 24. März 2006 1 (FamZG) in Kraft. Neben diesem Gesetz existiert auf Bundesebene zudem das Bundesgesetz vom 20. Juni 19522 über die Familienzulagen in der Landwirtschaft (FLG) als Spezialgesetz.

Das FamZG macht den kantonalen Familienzulagengesetzen in wichtigen Bereichen Vorgaben. Es legt Mindestbeträge für die Kinder- und Ausbildungszulagen fest und vereinheitlicht die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Familienzulagen.

Es regelt die Arten von Familienzulagen, den Kreis der Anspruchsberechtigten, den Beginn und das Ende des Anspruchs, die Altersgrenzen, die Koordination mit anderen Sozialversicherungen, den Begriff der Ausbildung sowie das Verfahren. In Bezug auf den Begriff der Ausbildung verweist das FamZG auf die AHV-Gesetzgebung. Dies bedeutet, dass sowohl für die Kinder- und Waisenrenten als auch für die Kinder- und Ausbildungszulagen der gleiche Begriff verwendet wird. Die Kantone regeln innerhalb des vom FamZG vorgegebenen Rahmens die Aufsicht, die Finanzierung und die Organisation. Sie können höhere Ansätze als die bundesrechtlich vorgeschriebenen Mindestansätze festlegen sowie zusätzlich Geburts- und Adoptionszulagen vorsehen.3 Die Kinderzulage beträgt mindestens 200 Franken pro Monat und Kind, die Ausbildungszulage mindestens 250 Franken. Der Betrag für die Ausbildungszulage ist höher als derjenige der Kinderzulage, da die Eltern nach der obligatorischen Schule für die Kosten für Schulbücher, Material etc. aufkommen müssen.

Die Familienzulagen dienen dem teilweisen Ausgleich der finanziellen Belastung durch ein oder mehrere Kinder.4 Gemäss FamZG haben Arbeitnehmende, Selbstständigerwerbende und Nichterwerbstätige mit einem bescheidenen Einkommen Anspruch auf Familienzulagen für ihre Kinder (und unter gewissen Voraussetzungen auch für Stief-, Pflege- und Grosskinder).

Als Arbeitnehmende im Sinne des Familienzulagengesetzes gelten diejenigen Arbeitnehmenden, die in der AHV obligatorisch versichert sind, von einem dem Gesetz unterstellten Arbeitgeber beschäftigt werden und einen AHV-pflichtigen Lohn von mindestens 7050 Franken pro Jahr bzw. 587 Franken pro Monat5 erzielen.

Als Selbstständigerwerbende gelten diejenigen selbstständigerwerbenden Personen, die obligatorisch in der AHV versichert sind und das AHV-pflichtige Mindestein1 2 3 4 5

SR 836.2 SR 836.1 Art. 3 Abs. 2, Art. 16 und 17 FamZG Art. 2 FamZG Stand 2018

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kommen erreichen. Der Anspruch auf Familienzulagen für Erwerbstätige entsteht und erlischt mit dem Lohnanspruch. Der Anspruch einer selbstständigerwerbenden Person entsteht mit der Aufnahme der selbstständigen Erwerbstätigkeit und erlischt mit deren Aufgabe. Von diesem Grundsatz wird aus sozialpolitischen Gründen in gewissen Fällen abgewichen. Nach Eintritt einer unverschuldeten Arbeitsverhinderung, nach dem Tod sowie bei einem unbezahlten Urlaub werden die Zulagen noch während des laufenden Monats und der drei darauf folgenden Monate ausgerichtet. 6 Ebenso bleibt der Anspruch auch ohne gesetzlichen Lohnanspruch während eines Mutterschaftsurlaubs von höchstens 16 Wochen und während eines Jugendurlaubs7 bestehen.

Wer eine Arbeitslosenentschädigung bezieht, erhält zum Taggeld der Arbeitslosenentschädigung einen Zuschlag, der den gesetzlichen Kinder- und Ausbildungszulagen entspricht.8 Dieser Zuschlag wird nur ausbezahlt, wenn der versicherten oder einer anderen erwerbstätigen Person keine Zulagen nach FamZG resp. FLG zustehen. Der Zuschlag zum Taggeld umfasst lediglich die gesetzlichen Kinder- und Ausbildungszulagen, jedoch nicht die Geburts- und Adoptionszulagen.

Familienzulagen für Nichterwerbstätige werden ausgerichtet für Personen, die Kinder haben und kein oder nur ein bescheidenes Einkommen erzielen. Als Nichterwerbstätige gelten in der AHV obligatorisch versicherte Personen, die bei der AHV als nichterwerbstätige Personen erfasst sind. Auch Personen, die als Arbeitnehmende oder Selbstständigerwerbende in der AHV obligatorisch versichert sind und das AHV-pflichtige Mindesteinkommen von 587 Franken pro Monat nicht erreichen, fallen unter diese Kategorie.9 Eine nichterwerbstätige Person hat Anspruch auf Familienzulagen, sofern keine erwerbstätige Person einen Anspruch auf Familienzulagen für das gleiche Kind geltend machen kann, ihr jährliches steuerbares Einkommen 42 300 Franken nicht übersteigt und sie keine Ergänzungsleistungen zur AHV/IV bezieht. Die Kantone können die Einkommensgrenze erhöhen oder ganz darauf verzichten.10 Für Kinder mit Wohnsitz im Ausland werden die Familienzulagen nur ausgerichtet, soweit zwischenstaatliche Vereinbarungen dies vorschreiben. Eine solche Vereinbarung besteht insbesondere mit der Europäischen Union (EU) und der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA).

1.1.1.1

Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung

Nach dem geltenden FamZG werden für Kinder bis 16 Jahre und für erwerbsunfähige Kinder bis 20 Jahre Kinderzulagen ausgerichtet.11 Der Anspruch auf Kinderzulagen besteht bis zum Ende des Monats, in dem das Kind das 16. Altersjahr vollendet, 6 7 8 9 10 11

Art. 10 der Familienzulagenverordnung vom 31. Oktober 2007 (FamZV, SR 836.21) Jugendurlaub im Sinne von Art. 329e Abs. 1 Obligationenrecht Art. 22 Abs. 1 Arbeitslosenversicherungsgesetz vom 25. Juni 1982 (AVIG, SR 837.0) Art. 19 Abs. 1 und 1bis FamZG Die Einkommensgrenze aufgehoben haben die Kt. TI, GE, JU; erhöht hat sie der Kt. VD.

Art. 3 Abs. 1 Bst. a FamZG

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das heisst bis zum Ende des Monats, in dem es seinen 16. Geburtstag feiert. Bis zu diesem Zeitpunkt werden die Zulagen unabhängig davon ausgerichtet, ob es eine Ausbildung absolviert oder nicht.

Für Kinder von 16 bis 25 Jahren in Ausbildung besteht Anspruch auf Ausbildungszulagen.12 Die Ausbildungszulage wird ab dem Monat nach der Vollendung des 16. Altersjahres ausgerichtet, sofern sich das Kind in Ausbildung befindet. Sie wird bis zum Abschluss der Ausbildung ausgerichtet, jedoch längstens bis zum vollendeten 25. Altersjahr. Zweck der Ausbildungszulage ist die Förderung der Ausbildung.13 Die Ausbildungszulage beträgt mindestens 250 Franken, die Kinderzulage mindestens 200 Franken pro Monat und Kind. Der im Vergleich zur Kinderzulage höhere Betrag erklärt sich dadurch, dass den Eltern höhere Kosten für die Ausbildung entstehen, wenn die Kinder eine nachobligatorische Ausbildung absolvieren.

Während in der obligatorischen Schule die Kosten für Schulbücher, Material etc.

von der öffentlichen Hand übernommen werden, müssen die Eltern für diese Kosten ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung selber aufkommen. Zudem müssen sie allenfalls auch Kosten für den Schulweg oder den Arbeitsweg übernehmen.

Heute werden Ausbildungszulagen für Jugendliche, die vor dem vollendeten 16. Altersjahr eine nachobligatorische Ausbildung beginnen, erst dann ausgerichtet, wenn das Kind das 16. Altersjahr vollendet hat. Obwohl Eltern ab dem Eintritt ihrer Kinder in eine nachobligatorische Schule höhere Kosten zu tragen haben, erhalten sie gemäss geltender Regelung für Kinder, die vor ihrem 16. Geburtstag eine nachobligatorische Ausbildung beginnen, keine Ausbildungs-, sondern Kinderzulagen.

Diese Unstimmigkeit soll behoben werden, indem Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung ausgerichtet werden sollen.

Das Anliegen, die Ausbildungszulagen bereits ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung auszurichten, wurde auch im Parlament eingebracht. Am 17. März 2016 hat Nationalrat Stefan Müller-Altermatt die parlamentarische Initiative (16.417) «Ausbildungszulagen ab dem Beginn der Ausbildung statt aufgrund des Geburtstages ausrichten» eingereicht. Darin verlangt er, das Familienzulagengesetz sei dahingehend anzupassen, dass für Kinder bereits ab dem effektiven Beginn der nachobligatorischen
Ausbildung Ausbildungszulagen ausgerichtet werden anstatt erst ab dem vollendeten 16. Altersjahr. Die SGK-N hat der parlamentarischen Initiative am 12. Mai 2017 mit 20 zu 2 Stimmen bei 0 Enthaltungen Folge gegeben. 14 Die SGK-S hat ihr an ihrer Sitzung vom 14. August 2017 mit 11 zu 0 Stimmen bei 0 Enthaltungen Folge gegeben.15 Die SGK-N, welche für die Umsetzung der parlamentarischen Initiative zuständig ist, wurde am 2. November 2017 darüber informiert, dass das Anliegen der parlamentarischen Initiative in die Vorlage des Bundesrates zur Umsetzung der Motion Seydoux (13.3650) aufgenommen werden sollte. Sie beschloss vor diesem Hintergrund, die Vorlage des Bundesrates abzuwarten und vorerst nicht selber tätig zu werden.

12 13 14 15

Art. 3 Abs. 1 Bst. b FamZG Ueli Kieser/Marco Reichmuth, Praxiskommentar zum Bundesgesetz über die Familienzulagen, Art. 3 N 38.

www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-sgk-n-2017-05-12.aspx www.parlament.ch/press-releases/Pages/mm-sgk-s-2017-08-15.aspx

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1.1.1.2

Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter

Eine Lücke entsteht für den Bezug von Familienzulagen, wenn eine arbeitslose alleinerziehende Frau ein Kind gebärt und keine andere Person einen Anspruch auf Familienzulagen geltend machen kann, beispielsweise wenn eine Vaterschaftsanerkennung fehlt. In der Zeit, in der die arbeitslose Mutter eine Mutterschaftsentschädigung bezieht, hat sie keinen Anspruch auf Familienzulagen nach dem AVIG, dem Erwerbsersatzgesetz vom 25. September 195216 (EOG) oder dem FamZG. Die Kantone können bereits heute in ihren Familienzulagengesetzen vorsehen, dass diese Mütter Zulagen als Nichterwerbstätige erhalten. Eine solche Regelung hat allerdings nur der Kanton Genf getroffen. Somit erhalten arbeitslose alleinerziehende Mütter ­ ausser im Kanton Genf ­ während der 14 Wochen Mutterschaftsentschädigung weder Familienzulagen noch Zuschläge zum Taggeld, und zwar weder für das neugeborene Kind noch für allfällige weitere Kinder.

Mittels der Motion (13.3650) «Familienzulagen für alle, auch für arbeitslose Mütter, die eine Mutterschaftsentschädigung beziehen» von Ständerätin Seydoux-Christe wurde der Bundesrat deshalb beauftragt, eine Vorlage zu erarbeiten, mit welcher diese Lücke geschlossen wird. Die Motion wurde vom Ständerat am 17. September 2013 und vom Nationalrat am 5. März 2014 überwiesen.

1.1.2

Finanzhilfen an Familienorganisationen

Auf Antrag des Bundesrates bewilligt das Parlament jährlich den Kredit A231.0243 «Familienorganisationen».17 Über diesen Kredit kann der Bund Organisationen, die Aufgaben zugunsten von Familien wahrnehmen, mittels Finanzhilfen unterstützen.

Die Finanzhilfen können ausschliesslich an Familienorganisationen ausgerichtet werden, die in der ganzen Schweiz oder im ganzen Gebiet einer Sprachregion tätig sind und die gemeinnützig, konfessionell neutral sowie parteipolitisch unabhängig sind. Die Höhe des Kredits beläuft sich gegenwärtig (2018) auf knapp 2 Millionen Franken. Die Finanzhilfen werden auf der Basis von vierjährigen Verträgen ausgerichtet. In der laufenden Vertragsperiode (2016­2019) werden fünf Familienorganisationen subventioniert: der Dachverband Pro Familia Schweiz, der Verband Kinderbetreuung Schweiz (kibesuisse), die Schweizerische Stiftung des Internationalen Sozialdienstes (SSI), der Verein PRo Enfance und der Verein a:primo.

Familienorganisationen erhalten seit 1949 Finanzhilfen des Bundes. Die Finanzhilfen werden direkt gestützt auf Artikel 116 Absatz 1 der Bundesverfassung18 (BV) gewährt. Es besteht keine genügende Rechtsgrundlage auf Stufe Bundesgesetz. Für die Beurteilung von Gesuchen um Finanzhilfen im Rahmen des Kredits «Familienorganisationen» hat das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) Richtlinien 16 17 18

SR 834.1 bis 2016 Kredit A2310.0333 «Dachverbände der Familienorganisationen» SR 101

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erlassen. Die Gewährung dieser Subvention ist politisch breit abgestützt, was sich in der durch das Parlament vorgenommenen Erhöhung der Subventionssumme von bislang 1,2 Millionen Franken (2015) auf 2 Millionen Franken (2016) widerspiegelt.

Aus rechtsstaatlicher Sicht ist die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage notwendig. Diese wird mit dem vorliegenden Erlassentwurf beantragt.

1.2

Ziele

Die Vorlage strebt die drei folgenden Ziele an: ­

Die Ausbildungszulagen werden für Kinder mit vollendetem 15. Altersjahr ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung ausgerichtet.

­

Arbeitslose alleinerziehende Mütter erhalten während des 14-wöchigen Mutterschaftsurlaubs Familienzulagen für ihre Kinder.

­

Es wird eine gesetzliche Grundlage geschaffen für Finanzhilfen an Familienorganisationen.

1.3

Die beantragte Neuregelung

1.3.1

Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung

1.3.1.1

Begründung und Bewertung

Alter beim Abschluss der obligatorischen Schule bei regulärem Ausbildungsverlauf Das Schuleintrittsalter, die Dauer der Schulpflicht sowie der Stichtag für die Einschulung wurden bereits 1970 im Konkordat über die Schulkoordination geregelt. 19 Diesem Konkordat sind alle Kantone ausser der Kanton Tessin beigetreten. Die Dauer der obligatorischen Schule wurde auf neun Jahre und das Eintrittsalter auf das vollendete 6. Altersjahr festgesetzt. Als Stichtag galt der 30. Juni, Abweichungen von bis zu vier Monaten in beide Richtungen waren zugelassen. Die Kantone nutzten diesen Spielraum und regelten die Stichtage unterschiedlich. Die Schüler, die die obligatorische Schule regulär durchlaufen haben, sind deshalb beim Austritt aus der obligatorischen Schule je nach Kanton und Geburtsmonat zwischen 15 und 16,5 Jahre alt.

Im Jahr 2007 wurde die Interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der obligatorischen Schule (HarmoS-Konkordat)20 verabschiedet. Diesem Konkordat sind 15 Kantone beigetreten. Sieben Kantone haben den Beitritt abgelehnt, und in vier Kantonen ist noch offen, ob sie dem Konkordat beitreten. 21 Das HarmoSKonkordat hat die obligatorische Schuldauer von neun auf elf Jahre verlängert. Da 19 20 21

Abrufbar unter www.edk.ch/dyn/14311.php.

Abrufbar unter www.edk.ch/dyn/14311.php.

Stand 30.07.2018

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die Kinder zwei Jahre früher eingeschult werden, hat sich mit HarmoS am Austrittsalter aus der obligatorischen Schule nichts geändert. Neu ist hingegen, dass das HarmoS-Konkordat den 31. Juli für alle Beitrittskantone obligatorisch als Stichtag für die Einschulung festgesetzt hat. Vor Einführung von HarmoS hatte etwa ein Viertel der Kantone den 30. April als Stichtag.

In diesen Kantonen sind die Schüler nun bei Schuleintritt im Schnitt drei Monate jünger als bisher. In den HarmoS-Beitrittskantonen sind somit die Schüler, sofern sie die obligatorische Schule in der regulär vorgesehenen Zeit abschliessen, zwischen 15 Jahre und 1 Monat und 16 Jahre und 1 Monat alt, wenn sie die nachobligatorische Ausbildung beginnen. In vielen HarmoS-Beitrittskantonen akzentuiert sich somit das Problem, dass die Eltern erst Monate nach dem Beginn der nachobligatorischen Ausbildung ihrer Kinder die betragsmässig höheren Ausbildungszulagen erhalten.

In den Kantonen, die HarmoS nicht beigetreten sind, dauert die obligatorische Schulpflicht insgesamt 9 (Einschulung mit dem vollendeten 6. Altersjahr) oder 11 Jahre (Einschulung mit dem vollendeten 4. Altersjahr). Einzig der Kanton Appenzell Ausserrhoden kennt nur acht obligatorische Schuljahre (Einschulung mit dem vollendeten 6. Altersjahr). In Appenzell Ausserrhoden beenden die Kinder die obligatorische Schulzeit somit bereits nach dem vollendeten 14. Altersjahr. Normalerweise besuchen sie aber noch das neunte Schuljahr, d. h. das letzte Schuljahr auf Sekundarstufe I. In den Kantonen, die HarmoS nicht beigetreten sind, ist der Stichtag für die Einschulung nach wie vor unterschiedlich geregelt. Dennoch ist davon auszugehen, dass schweizweit viele Jugendliche ihre nachobligatorische Ausbildung vor ihrem 16. Geburtstag beginnen.

Bildungslandschaft in den EU-/EFTA-Ländern sowie in drei weiteren Vertragsstaaten Sofern eine zwischenstaatliche Vereinbarung es vorsieht, werden Familienzulagen auch für Kinder mit Wohnsitz im Ausland ausgerichtet. Für die Ausgestaltung der neuen Bestimmung zu den Ausbildungszulagen ist es daher von Belang, wie lange die obligatorische Schule in den Vertragsstaaten dauert.

Eine Auswertung der auf der Eurydice-Datenbank abrufbaren Ländergrafiken 22 zeigt folgende Ergebnisse: In sieben EU-/EFTA-Ländern23 dauert die obligatorische Schule bis 15 Jahre,
in 19 Ländern24 bis 16 Jahre, in einem Land25 bis 17 Jahre und in vier Ländern26 bis 18 Jahre. Nach Bosnien und Herzegowina, nach Montenegro und nach Serbien werden ebenfalls Familienzulagen nach FamZG27 exportiert. In 22

23 24

25 26 27

Abrufbar unter: https://webgate.ec.europa.eu/fpfis/mwikis/eurydice/index.php/Countries.

Bei den Ländergrafiken handelt es sich um eine vereinfachte, pauschale Darstellung, Abweichungen von den jeweiligen Altersgrenzen sind insbesondere in föderalen Staaten möglich.

Griechenland, Liechtenstein, Kroatien, Österreich, Slowenien, Tschechische Republik, Zypern.

Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Grossbritannien, Irland, Island, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Norwegen, Polen, Schweden, Slowakei, Spanien, Ungarn.

Rumänien.

Belgien, Deutschland, Niederlande, Portugal.

Nach FLG werden Familienzulagen zudem in einige weitere Länder exportiert.

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diesen Ländern dauert die obligatorische Schule bis 14,5 (Serbien) bzw. bis 15 Jahre (Bosnien und Herzegowina, Montenegro). Die Auswertung zeigt, dass die Dauer der obligatorischen Schule in den Vertragsstaaten erheblich variiert.

Heute geltende Altersgrenze Die heute geltende Altersgrenze von 16 Jahren wurde seinerzeit aus einer anderen Optik festgesetzt: Ursprünglich galt im FLG für die Kinderzulagen die Altersgrenze 15. Absolvierte das Kind ein Studium, so betrug die Altersgrenze 20 Jahre. Wo die Schulpflicht bis zum erfüllten 16. Altersjahr bestand, wurden die Kinderzulagen bis zur Beendigung des Schulunterrichts bezahlt.28 1965 wurde die Altersgrenze auf 16 erhöht, da sie mit der Schulpflicht im Einklang stehen sollte.29 Dies war damals bei den ältesten Kindern eines Jahrgangs nicht der Fall. Die Zulagen wurden mit Erhöhung der Altersgrenze ein Jahr länger bedingungslos gewährt, d. h. ohne Prüfung, ob das Kind in Ausbildung ist oder nicht. Zu diesem Zeitpunkt war die Erhöhung der Altersgrenze eine Verbesserung für die Familien, da es bis zum Inkrafttreten des FamZG im Jahr 2009 bei den Familienzulagen in der Landwirtschaft keine unterschiedlichen Ansätze für Kinder und für Jugendliche in Ausbildung gab.

Bei der Ausarbeitung des FamZG dienten für die Festlegung der Altersgrenzen die im FLG sowie die in den kantonalen Regelungen geltenden Altersgrenzen als Orientierung. Vor Inkrafttreten des FamZG lag für den Bezug von Kinderzulagen im FLG sowie in 22 Kantonen die Altersgrenze bei 16 Jahren. Bei der Einführung der betragsmässig höheren Ausbildungszulagen im FamZG wurde nicht berücksichtigt, dass die Kinder bei regulärem Ausbildungsverlauf die obligatorische Schule im Verlauf ihres 16. Altersjahr abschliessen und die nachobligatorische Ausbildung noch vor ihrem 16. Geburtstag beginnen. Je nach Kanton durchlaufen ca. 65 bis 80 Prozent der Kinder die obligatorische Schule in der regulären Zeit. Verzögerungen ergeben sich durch verspätete Einschulungen und Repetitionen. Der Anteil an Schülerinnen und Schülern, die die obligatorische Schule schneller durchlaufen als geplant, ist sehr klein.30 In einem Kanton mit Stichtag 31. Juli für die Einschulung erhalten die Eltern eines Kindes, das im Juli Geburtstag hat und in nachobligatorischer Ausbildung ist, während 12 Monaten eine Kinder- anstatt einer
Ausbildungszulage.

Neue Regelung Neu sollen die Eltern ab dem Zeitpunkt Ausbildungszulagen erhalten, in dem ihre Kinder die nachobligatorische Ausbildung beginnen. Da die Abgrenzung zwischen obligatorischer und nachobligatorischer Ausbildung sowohl innerhalb der Schweiz wie auch im Ausland unterschiedlich gehandhabt wird, ist aus Gründen der Gleichbehandlung eine untere Alterslimite für den Bezug von Ausbildungszulagen erforderlich.

28 29 30

AS 1952 823 AB 1965 III 113 Vgl. Bildungsverläufe während der obligatorischen Schulzeit im Kanton Zürich: Verzögerungen, Beschleunigungen und Wechsel vom Kindergarten bis zum Abschluss der Sekundarstufe I, Bildungsdirektion Kanton Zürich, 2016, S. 4 und Les indicateurs de l'enseignement obligatoire, Année scolaire 2011­2012, Kanton Waadt, S. 27.

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Diese Altersgrenze wird auf das vollendete 15. Altersjahr festgesetzt, da die jüngsten Kinder eines Jahrgangs in der Mehrzahl der Kantone 15 Jahre und 1 Monat alt sind, wenn sie nach der regulären Schulzeit mit der nachobligatorischen Bildung beginnen können. Die Festlegung einer unteren Altersgrenze hat zur Folge, dass für Kinder, die eine Klasse überspringen und somit vor Abschluss der regulären Schulzeit eine nachobligatorische Ausbildung beginnen, erst dann eine Ausbildungszulage ausgerichtet werden kann, wenn sie das 15. Altersjahr vollenden. Davon ist allerdings nur ungefähr 1 Prozent der Kinder betroffen.31 Für Kinder, die das 16. Altersjahr vollendet haben und noch die obligatorische Schule besuchen, werden ebenfalls Ausbildungszulagen ausgerichtet. Dies wird in der neuen Regelung explizit festgehalten. Für diese Kinder erfolgt somit keine Verschlechterung im Vergleich zum heutigen System.

In der französischen Version des Gesetzes soll zusätzlich der Begriff «allocation de formation professionnelle» durch «allocation de formation» ersetzt werden. Damit wird die Terminologie an die deutsche und die italienische Version angepasst. Es handelt sich um eine rein redaktionelle Änderung.

1.3.1.2

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Das EU-Recht sieht keine Bestimmungen zu dieser Problematik vor.

Jeder Staat hat bezüglich Familienleistungen eigene Regelungen. Leistungen eines Staates zugunsten der Familien lassen sich somit nur in der Gesamtschau mit anderen Massnahmen sowie dem Steuer- und Sozialrecht beurteilen.

Die europäischen Staaten kennen im Gegensatz zur Schweiz keinen Unterschied zwischen Kinder- und Ausbildungszulagen. Deshalb kann die Frage, ab wann Ausbildungszulagen ausgerichtet werden, nicht mit den Regelungen in den EU-Staaten und den anderen EFTA-Staaten verglichen werden.

1.3.2

Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter

1.3.2.1

Begründung und Bewertung

Anspruchslücke im Familienzulagensystem Ist eine Mutter im Zeitpunkt der Geburt arbeitslos, so wird das Arbeitslosentaggeld durch die Mutterschaftsentschädigung ersetzt (Art. 16g EOG). Deshalb hat sie in dieser Zeit keinen Anspruch auf den Zuschlag der Arbeitslosenversicherung für Kinder- und Ausbildungszulagen nach dem AVIG. Das EOG kennt zwar einen Anspruch auf Kinderzulagen. Dieser Anspruch besteht jedoch nur für Dienstleisten31

Vgl. Bildungsverläufe während der obligatorischen Schulzeit im Kanton Zürich: Verzögerungen, Beschleunigungen und Wechsel vom Kindergarten bis zum Abschluss der Sekundarstufe I, Bildungsdirektion Kanton Zürich, 2016, S. 4.

1032

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de, nicht für Mütter, die eine Mutterschaftsentschädigung beziehen. Die andere Behandlung der Dienstleistenden gegenüber den Müttern im EOG war seinerzeit vom Gesetzgeber gewollt; er entschied sich bei der Mutterschaftsentschädigung für eine Minimallösung ohne jegliche Zulagen.32 Mütter haben somit während des Mutterschaftsurlaubs keinen Anspruch auf Kinderzulagen nach dem EOG. Gestützt auf Artikel 10 Absatz 2 bzw. 10a Absatz 2 der Familienzulagenverordnung vom 31. Oktober 200733 (FamZV) können bereits heute zusätzlich zur Mutterschaftsentschädigung Familienzulagen beansprucht werden. Dies aber nur dann, wenn die Mutter vor der Geburt unselbstständig oder selbstständig erwerbstätig war. Mit dieser Vorlage soll diese Lücke im FamZG geschlossen werden.

Erweiterungen des Bezüger/innen-Kreises der Nichterwerbstätigen im FamZG Aufgrund des fehlenden Lohnanspruchs der arbeitslosen alleinerziehenden Mütter wäre es systemfremd, ihnen einen Anspruch auf Familienzulagen als Erwerbstätige zu gewähren. Dementsprechend soll ihnen während der Zeit der Mutterschaftsentschädigung neu ein Anspruch auf Familienzulagen als Nichterwerbstätige gewährt werden. Die neue Regelung wird somit in Anlehnung an die heute im Kanton Genf geltende Regelung ausgestaltet, wonach diese Mütter Familienzulagen als Nichterwerbstätige beziehen können.34 Der Bezüger/innen-Kreis der Nichterwerbstätigen wird analog zu Artikel 19 Absatz 1bis FamZG erweitert. Gemäss dieser Bestimmung gelten seit 2013 auch diejenigen Arbeitnehmenden und Selbstständigerwerbenden als nichterwerbstätig, die das Mindesteinkommen für den Bezug von Familienzulagen (7050 Franken pro Jahr35) nicht erreichen, denn in der AHV gelten nur diejenigen als nichterwerbstätig, deren Bruttojahreseinkommen unter 4667 Franken pro Jahr36 liegt.

Einkommensgrenze und Ergänzungsleistungen Nichterwerbstätige haben nur dann Anspruch auf Familienzulagen, wenn ihr steuerbares Einkommen unter 42 300 Franken pro Jahr liegt. Auf diese Einschränkung soll bei den arbeitslosen alleinerziehenden Müttern verzichtet werden. Ebenso soll auf die Einschränkung verzichtet werden, wonach Nichterwerbstätige den Anspruch auf Familienzulagen verlieren, wenn sie für sich selbst oder für eines ihrer Kinder Ergänzungsleistungen beziehen. Damit wird sichergestellt, dass allen arbeitslosen alleinerziehenden Müttern während der 14 Wochen Mutterschaftsentschädigung ein Anspruch auf Familienzulagen zusteht.

32

33 34

35 36

Vgl. Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats vom 3. Oktober 2002 zur Parlamentarischen Initiative Revision Erwerbsersatzgesetz. Ausweitung der Erwerbsersatzansprüche auf erwerbstätige Mütter, BBl 2002 7547.

SR 836.21 Vgl. Artikel 3 Absätze 2 und 3 des Ausführungsreglements zum Familienzulagengesetz des Kantons Genf, abrufbar unter www.ge.ch/legislation > Recueil systématique genevois (rs/GE) > Règlement d'exécution de la loi sur les allocations familiales (RAF, J 5 10.01; Stand 30.07.2018).

Stand 2018 Stand 2018

1033

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Subsidiarität des Anspruchs Der Anspruch einer erwerbstätigen Person geht dem Anspruch einer nichterwerbstätigen Person vor.37 Aus diesem Grund muss eine Rückabwicklung möglich sein, sofern der Vater das Kind einer arbeitslosen alleinerziehenden Mutter nach Ablauf der 14 Wochen Mutterschaftsentschädigung anerkennt oder das Gericht eine Vaterschaftsklage gutheisst. Denn durch die Anerkennung oder Gutheissung einer Vaterschaftsklage wird das Kindesverhältnis rückwirkend auf den Zeitpunkt der Geburt begründet.38 War der Vater während dieser Zeit erwerbstätig, so hätte er, gestützt auf Artikel 7 Absatz 1 FamZG, in erster Linie Anspruch auf die Familienzulagen gehabt. Eine Rückabwicklung ist in einem solchen Fall systemkohärent, weil es auch in anderen Konstellationen zu einem Wechsel in der Anspruchsberechtigung und damit zu einer Rückabwicklung kommen kann.

1.3.2.2

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Das EU-Recht sieht keine Bestimmungen zu dieser Problematik vor.

In den meisten EU- und EFTA-Ländern leitet sich der Anspruch auf Familienleistungen direkt vom Kind ab. Im Gegensatz dazu ist in der Schweiz der Anspruch auf Familienzulagen historisch bedingt grundsätzlich an die Erwerbstätigkeit geknüpft.

Die Problematik des fehlenden Anspruchs auf Familienzulagen von arbeitslosen alleinerziehenden Müttern stellt sich deshalb in den EU-Staaten und den anderen EFTA-Staaten so nicht.

1.3.3

Finanzhilfen an Familienorganisationen

1.3.3.1

Begründung und Bewertung

Förderung der Familien als familienpolitisches Handlungsfeld Für die Unterstützung der Familienorganisationen durch Finanzhilfen des Bundes soll eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden. Die Förderbereiche für deren Unterstützung sollen basierend auf der familienpolitischen Auslegeordnung festgelegt werden, die der Bundesrat im Rahmen des Berichts «Familienpolitik. Auslegeordnung und Handlungsoptionen des Bundesrates» in Erfüllung des Postulats Tornare (13.3135) vorgenommen hat.

In seiner familienpolitischen Auslegeordnung hat der Bundesrat vier Handlungsfelder definiert: Handlungsfeld 1: wirtschaftliche Absicherung der Familien und Bekämpfung der Familienarmut; Handlungsfeld 2: Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit; Handlungsfeld 3: Anpassung des Familien- und

37 38

Art. 7 Abs. 1 Bst. a FamZG Art. 252 Abs. 2 ZGB

1034

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Erbrechts an die realen Lebensformen; Handlungsfeld 4: Förderung der Familien.39 Im Bereich der allgemeinen Förderung der Familien (Handlungsfeld 4) subventioniert der Bund seit geraumer Zeit in der ganzen Schweiz oder im ganzen Gebiet einer Sprachregion tätige Familienorganisationen.

Auch in Zukunft sollen die Finanzhilfen ausschliesslich in der ganzen Schweiz oder im ganzen Gebiet einer Sprachregion tätigen Familienorganisationen gewährt werden, die gemäss ihrem Zweck gemeinnützig, konfessionell neutral und parteipolitisch unabhängig sind sowie ihren Sitz in der Schweiz haben.

Zwei Förderbereiche Künftig soll der Bund in zwei Förderbereichen Finanzhilfen ausrichten: im Förderbereich «Begleitung und Beratung von Familien sowie Elternbildung» sowie im Förderbereich «Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit oder Ausbildung».

Familienorganisationen, die um Finanzhilfen ersuchen, müssen gemäss ihrem statutarischen Zweck respektive Stiftungszweck in mindestens einem dieser Förderbereiche tätig sein.

Der Förderbereich «Begleitung und Beratung von Familien sowie Elternbildung» umfasst die Begleitung von Familien. Dabei kann es sich um Angebote wie Hausbesuchsprogramme oder um Begegnungsorte für Familien handeln. Im Weiteren können Familienberatungsangebote unterstützt werden. Darunter fallen die Beratung in schwierigen Familienphasen sowie die Beratung für bestimmte Familientypen oder zu spezifischen Themen. Schliesslich können auch Elternbildungsangebote mittels Finanzhilfen unterstützt werden. Die Elternbildung bezweckt die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten, die für die Erziehung von Kindern und das Zusammenleben in der Familie von Bedeutung sind. Der Förderbereich «Begleitung und Beratung von Familien sowie Elternbildung» ist thematisch breit gefasst und deshalb geeignet, den sich wandelnden Bedürfnissen der Familie Rechnung zu tragen.

Der Förderbereich «Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit oder Ausbildung» wurde in Anlehnung an das Handlungsfeld 2 der familienpolitischen Auslegeordnung des Bundes festgelegt. Finanzhilfen können in diesem Förderbereich zum einen für Tätigkeiten gewährt werden, die dazu beitragen, dass Eltern über ein bedarfsgerechtes familienergänzendes Kinderbetreuungsangebot verfügen. Die familienergänzende Kinderbetreuung umfasst die institutionelle
Betreuung im Vorschul- und Schulbereich. Zum anderen können Tätigkeiten subventioniert werden, die zur Ausgestaltung von familienfreundlichen Arbeitsbedingungen beitragen.

Regelung im FamZG Eine neue gesetzliche Grundlage für die Ausrichtung der Finanzhilfen an Familienorganisationen kann in einem neuen oder einem bereits bestehenden Gesetz geschaffen werden. Die Schaffung eines neuen, eigenständigen Familienförderungsgesetzes 39

Vgl. Bericht des Bundesrates «Familienpolitik. Auslegeordnung und Handlungsoptionen des Bundes» in Erfüllung des Postulats Tornare (13.3135) «Familienpolitik» vom 20. März 2013, S. 8. Abrufbar unter: www.bsv.admin.ch > Sozialpolitische Themen > Familienpolitik > Grundlagen > Bericht zur Familienpolitik.

1035

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wurde im Rahmen der Erstellung des Berichts «Familienpolitik. Auslegeordnung und Handlungsoptionen des Bundesrates» als Handlungsoption geprüft. In seiner Aussprache über die familienpolitische Strategie hat der Bundesrat jedoch entschieden, diese Möglichkeit nicht weiterzuverfolgen. Rund ein halbes Dutzend bestehende Bundesgesetze, die sich materiell mit Familienfragen befassen, wurden auf ihre Eignung für die Integration einer neuen gesetzlichen Bestimmung für die Subventionierung der Familienorganisationen geprüft. Diese Prüfung ergab, dass das FamZG am besten dafür geeignet ist.

Die neuen Bestimmungen im FamZG zu den Finanzhilfen an Familienorganisationen sollen in Anlehnung an die Subventionsbestimmungen anderer Sozialversicherungsgesetze erlassen werden: Gestützt auf Artikel 101bis des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 194640 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) kann der Bund gesamtschweizerisch tätigen gemeinnützigen privaten Institutionen Beiträge zur Förderung der Altershilfe ausrichten. Gestützt auf Artikel 74 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 195941 über die Invalidenversicherung (IVG) können sprachregional oder national tätigen Dachorganisationen der privaten Invalidenfachhilfe oder Invalidenselbsthilfe Beiträge für Dienstleistungen zugunsten von Invaliden und deren Angehörigen gewährt werden.

1.3.3.2

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Das EU-Recht sieht keine Bestimmungen zu dieser Problematik vor.

In Frankreich können Familienorganisationen, gleich wie Organisationen in anderen Bereichen, von einer Unterstützung der öffentlichen Hand profitieren. Diese Organisationen sind hauptsächlich in den Bereichen Familienmediation, Rechtsschutz von hilfsbedürftigen Erwachsenen, Erziehungsunterstützung, erzieherische Massnahmen sowie Unterstützung von überschuldeten Familien tätig. Die Finanzierung dieser Subventionen wird über den Zweig «Familie» der sozialen Sicherheit sichergestellt.

In Deutschland unterstützt das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend seit langer Zeit bundesweit tätige Familienorganisationen. Die Förderkompetenz des Bundes ergibt sich aus dem Sozialgesetzbuch. Die Förderziele und Allgemeinen Fördergrundsätze sind in den Familienförderrichtlinien des Bundes festgehalten. Gegenstand der Förderung sind die Bereiche Familienverbandsarbeit, Familienbildung und Familienberatung. Zudem können auch Beiträge für Sonderund Grossveranstaltungen zentraler Organisationen gewährt werden.

In Österreich unterstützt ebenfalls die Bundesregierung Familienorganisationen. Als Beratungsgremium des Familienministeriums wurde ein familienpolitischer Beirat eingerichtet. In diesem sind derzeit sechs gemeinnützige Familienorganisationen vertreten. Diese können finanzielle Unterstützung beantragen. Zudem profitieren Familienberatungsstellen sowie gemeinnützige Einrichtungen, die Elternbildung anbieten, von staatlichen Beiträgen.

40 41

SR 831.10 SR 831.20

1036

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In Italien werden die Familienorganisationen durch die Zentralregierung nicht finanziell unterstützt. In den letzten Jahren haben jedoch gewisse Regionen begonnen, Familienorganisationen mit finanziellen Beiträgen zu fördern.

1.4

Ergebnisse der Vernehmlassung

Der Bundesrat hat vom 22. November 2017 bis zum 15. März 2018 das Vernehmlassungsverfahren durchgeführt. Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmenden befürwortet die Stossrichtung der Vorlage und die angestrebten Ziele der Revision.

Insbesondere die Kantone nehmen die Vorlage grundsätzlich positiv auf. Nachfolgend werden die wichtigsten Ergebnisse bewertet.42

1.4.1

Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung

Die Mehrheit der Teilnehmenden, davon 20 Kantone, begrüssen, dass die Ausbildungszulage bereits dann ausgerichtet wird, wenn das Kind das 15. Altersjahr vollendet und die nachobligatorische Ausbildung begonnen hat. Einige Teilnehmende verlangen, dass höhere Zulagen bereits früher, z. B. ab dem 12. Altersjahr, ausgerichtet werden. Zudem beantragen einige Teilnehmende, dass auf die Einführung einer unteren Altersgrenze verzichtet wird, sodass sich der Anspruch auf Ausbildungszulagen am tatsächlichen Beginn der nachobligatorischen Ausbildung orientiert.

Nur wenige Teilnehmende (10 von 68) lehnen die Ausrichtung von Ausbildungszulagen vor dem vollendeten 16. Altersjahr ab. Sie kritisieren, dass es durch die vorliegende Revision bei den meisten Familienausgleichskassen zu einer Erhöhung der Beitragssätze kommen dürfte. Sie haben zudem Zweifel bezüglich der Aussage, wonach den Eltern ab dem Zeitpunkt der nachobligatorischen Ausbildung höhere Kosten entstünden.

Der Bundesrat hält aufgrund der Stellungnahmen an dem in die Vernehmlassung geschickten Vorschlag fest. Er ist der Auffassung, dass die Regelung, Ausbildungszulagen für Kinder zu gewähren, die das 15. Altersjahr vollendet und die nachobligatorische Ausbildung begonnen haben, den heutigen Begebenheiten in Bezug auf die Ausbildungssituation der Jugendlichen entspricht. Demnach beginnen die Jugendlichen heute vermehrt früher mit der nachobligatorischen Ausbildung. Auch die Festlegung einer unteren Altersgrenze hält der Bundesrat für sinnvoll, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sowohl innerhalb der Schweiz wie auch im Ausland die Abgrenzung zwischen obligatorischer und nachobligatorischer Ausbildung unterschiedlich gehandhabt wird. Im Übrigen hält er die jährlichen Mehrausgaben in der Höhe von 16 Millionen Franken im Vergleich zu den Gesamtausgaben für die Familienzulagen von knapp 6 Milliarden Franken für tragbar.

42

Der Bericht über die Ergebnisse der Vernehmlassung ist abrufbar unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2018 > EDI.

1037

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1.4.2

Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter

Die grosse Mehrheit der Teilnehmenden, darunter 25 Kantone, begrüssen die Ausrichtung von Familienzulagen an arbeitslose alleinerziehende Mütter während der 14 Wochen Mutterschaftsurlaub. Einige Teilnehmende schlagen vor, diesen Müttern einen Anspruch als erwerbstätige anstatt als nichterwerbstätige Personen zu gewähren. Sie sollten die Zulagen bei der Familienausgleichskasse ihres letzten Arbeitgebers beantragen.

Nur wenige Teilnehmende (2 von 68) lehnen die Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter ab. Sie sind der Auffassung, dass die heutigen Sozialversicherungen eine genügende soziale Absicherung bieten würden. Zudem hätten die Kantone bereits heute die Möglichkeit, diesen Frauen Familienzulagen für Nichterwerbstätige auszurichten.

Der Bundesrat hält aufgrund der Stellungnahmen aus der Vernehmlassung an dem in die Vernehmlassung geschickten Vorschlag fest. Er erachtet die vorgeschlagene Lösung, für arbeitslose alleinerziehende Mütter im FamZG einen Anspruch auf Familienzulagen für nichterwerbstätige Personen vorzusehen, als konsequent. Es ist nicht zumutbar, dass eine arbeitslose alleinerziehende Mutter bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber ein Gesuch für eine so kurze Zeitspanne einreichen muss.

1.4.3

Finanzhilfen an Familienorganisationen

Die Mehrheit der Teilnehmenden spricht sich dafür aus, dass eine gesetzliche Grundlage für die Finanzhilfen an Familienorganisationen geschaffen wird. Diejenigen Kantone, die sich zu diesem Revisionspunkt äussern, befürworten die vorgeschlagenen Änderungen. Abgelehnt wird dieser Revisionspunkt nur von wenigen Teilnehmenden (3 von 68). Eine teilnehmende Partei fordert, dass die Finanzhilfen sofort einzustellen seien, da für deren Ausrichtung keine genügende Rechtsgrundlage bestehe.

Was die Rechtsgrundlage für die Ausrichtung von Finanzhilfen an Familienorganisationen anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass für deren Ausrichtung eine Grundlage auf Verfassungsstufe besteht. Die Subvention von Familienorganisationen besteht seit 1949. Damals galt das Prinzip des Gesetzesvorbehalts in der Leistungsverwaltung noch nicht. Erst Jahrzehnte später wurde auch in der Leistungsverwaltung dieses Prinzip durch das Bundesgericht anerkannt.43 Die Gewährung dieser Subvention wird in keiner der anderen Stellungnahmen bestritten und ist zudem politisch breit abgestützt. Dies widerspiegelt sich in der durch das Parlament vorgenommenen Erhöhung der Subventionssumme von bislang 1,2 Millionen Franken (2015) auf 2 Millionen Franken (2016) und in der Ablehnung der vom Bundesrat beantragten Kürzung der Kredits (2017). Die Schaffung der gesetzlichen Grundlage

43

Vgl. Tschannen, St. Galler Kommentar zu Art. 164 BV, Rz. 26.

1038

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wird nun nachgeholt. Der Bundesrat erachtet deshalb die Forderung, die Finanzhilfen an Familienorganisationen seien sofort einzustellen, als unbegründet.

Änderungsanträge zu den einzelnen Artikeln gingen fast ausschliesslich von Organisationen ein, die durch die Regelungen zu den Familienorganisationen betroffen sind.

1.4.3.1

Zweck und Förderbereiche (Art. 21f VE-FamZG)

Zahlreiche Teilnehmende unterstützen den neuen Artikel 21f VE-FamZG, der den Zweck der Finanzhilfen an die Familienorganisationen festhält und die Förderbereiche festlegt. Mehrere Teilnehmende (10 von 68) fordern, dass die Förderbereiche nicht abschliessend geregelt werden resp. der Artikel insgesamt offener formuliert wird.

Der Bundesrat hält aufgrund der Stellungnahmen an dem in die Vernehmlassung geschickten Artikel 21f VE-FamZG fest. Was die abschliessende Regelung der Förderbereiche anbelangt, ist er der Ansicht, dass der Förderbereich «Begleitung und Beratung von Familien sowie Elternbildung» thematisch breit gefasst und geeignet ist, den sich wandelnden Bedürfnissen der Familien Rechnung zu tragen.

In Abweichung vom Vorentwurf soll hingegen der Förderbereich «Begleitung, Beratung und Bildung» im Entwurf präziser umschrieben werden. Neu heisst der Förderbereich deshalb «Begleitung und Beratung von Familien sowie Elternbildung».

1.4.3.2

Voraussetzungen (Art. 21g VE-FamZG)

Die Resonanz auf Artikel 21g VE-FamZG ist insgesamt sehr positiv. Es sind nur wenige Änderungsanträge eingegangen. Eine teilnehmende Partei beantragt, dass das BSV in Zukunft ­ entsprechend der bisherigen Praxis44 ­ nicht mehr als 5 Verträge mit Familienorganisationen abschliesst, sofern der Kredit nicht erhöht wird.

Zwei Teilnehmende fordern, dass die Anforderungen an das geografische Tätigkeitsgebiet weniger streng ausgestaltet werden. Eine teilnehmende Partei fordert zudem, dass Organisationen gemeinsam ein Gesuch einreichen können.

Während und nach der Vernehmlassung sind beim BSV zahlreiche Anfragen von Organisationen eingegangen, die neu ein Gesuch um Finanzhilfen stellen möchten.

Eine vertiefte Analyse der in der Schweiz aktiven Familienorganisationen hat ergeben, dass vermutlich mehr als 30 Organisationen die Voraussetzungen des in die Vernehmlassung geschickten Artikels 21g VE-FamZG erfüllen könnten. Insbesondere im Förderbereich «Begleitung und Beratung von Familien sowie Elternbildung» sind sehr viele Organisationen tätig, die häufig sehr spezifische Zielgruppen haben und ihr Angebot thematisch auf bestimmte Familientypen, Familienphasen 44

Vgl. Art. 13 Abs. 1 der Richtlinien des BSV vom 1. Januar 2015 zur Beurteilung von Gesuchen um Finanzhilfen im Rahmen des Kredits «Familienorganisationen>. Abrufbar unter: www.bsv.admin.ch > Finanzhilfen > Familienorganisationen

1039

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oder Lebenslagen ausrichten. Die meisten Organisationen im Förderbereich «Begleitung, Beratung und Bildung» sind in zwei Sprachregionen oder sogar in der gesamten Schweiz tätig. Im Förderbereich «Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit oder Ausbildung» mit den beiden Teilbereichen «familienergänzende Kinderbetreuung» und «familienfreundliche Arbeitsbedingungen» präsentiert sich die Ausgangslage etwas anders: In diesem Förderbereich ist die Heterogenität der Organisationen weniger ausgeprägt. Den Schwerpunkt auf das Thema «familienfreundliche Arbeitsbedingungen» haben eher wenige Organisationen gelegt. Die Angebote der in diesem Bereich aktiven Organisationen richten sich eher an alle Sprachregionen. Im Teilbereich «familienergänzende Kinderbetreuung» haben ebenfalls eher wenige Organisationen ihren Schwerpunkt. Bei diesen Organisationen ist jedoch feststellbar, dass sich ihr Angebot im Kern auf das jeweilige Sprachgebiet konzentriert. Angebote einer Organisation, die ihren Sitz in einer Sprachregion hat, stossen aus strukturellen und kulturellen Gründen in den andern Sprachregionen regelmässig auf wenig Akzeptanz. Wie aus dem Bericht «Vollkosten und Finanzierung von Krippenplätzen im Ländervergleich» in Erfüllung des Postulats 13.3259 Christine Bulliard vom 22. März 201345 hervorgeht, sind bspw. grosse Unterschiede zwischen den Kantonen Waadt und Zürich in Bezug auf die Finanzierung der Krippenplätze durch die öffentliche Hand feststellbar. Die Organisationen müssen ihr Angebot entsprechend an die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den verschiedenen Sprachregionen anpassen.

Der Bund soll möglichst gesamtschweizerisch tätige Organisationen fördern, die ein thematisch breites und fachlich fundiertes Angebot für mehrere Zielgruppen bereitstellen. Für den Bund nicht stufengerecht wäre die von wenigen Teilnehmenden geforderte Unterstützung von überregional tätigen Organisationen.

Zudem ist es notwendig, den Verwaltungsaufwand im Vergleich zur Kreditsumme in angemessenen Grenzen zu halten. So hat denn auch der Bundesrat dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) bzw. dem BSV im Rahmen des zweiten Subventionsberichts (2008) den Auftrag erteilt, die Kooperation unter den Familienorganisationen «zu optimieren mit dem Ziel, den Zusammenschluss einzelner Dachverbände untereinander zu
erreichen.»46 Anstelle der von einer Teilnehmerin geforderten Beschränkung der Anzahl Verträge ist es aus Sicht des Bundesrates zielführender, zusätzliche Voraussetzungen einzuführen, sodass nur denjenigen Familienorganisationen Finanzhilfen gewährt werden können, die auf nationaler oder sprachregionaler Ebene über eine ausgewiesene Bedeutung verfügen. Die Bedeutung einer Organisation misst sich u. a. daran, wie umfassend ihr Angebot mit Blick auf die Zielgruppen, die Themen sowie die geografische Reichweite ist. Aufgrund dieser Ausführungen im Gesetzesentwurf wird ein neuer Artikel 21h mit der Sachüberschrift «Umfassendes Angebot» aufgenommen.

45

46

Vgl. S 3f.; abrufbar unter www.bsv.admin.ch > Publikationen & Service > Bundesratsberichte > 2015 >Vollkosten und Finanzierung von Krippenplätzen im Ländervergleich (13.3259).

Anhang 1 zum Subventionsbericht 2008, BBl 2008 6327, hier S. 6450 f.

1040

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1.4.3.3

Verfahren und Höchstsatz (Art. 21h VE-FamZG)

Wenige Teilnehmende (3 von 68) fordern, dass der Förderbetrag nicht auf 50 Prozent beschränkt wird. Einige weitere (6 von 68) akzeptieren zwar die 50-Prozent-Klausel, verlangen jedoch, dass diese nicht unterschritten werden darf (d. h. der Bund soll sich durchgehend zu 50 Prozent an den anrechenbaren Ausgaben beteiligen).

Der Bundesrat sieht aufgrund der eingegangenen Stellungnahmen keinen Anpassungsbedarf, was den Höchstsatz anbelangt. Klärungsbedarf besteht in Bezug auf die rechtliche Qualifikation der Tätigkeiten, die durch die Organisationen ausgeübt und durch den Bund mit Finanzhilfen unterstützt werden. Gemäss Subventionsgesetz vom 5. Oktober 199047 (SuG) gibt es zwei verschiedene Arten von Subventionen: Finanzhilfen und Abgeltungen. Abgeltungen werden zur Milderung oder zum Ausgleich von finanziellen Lasten gewährt, die sich ergeben aus der Erfüllung von bundesrechtlich vorgeschriebenen Aufgaben oder öffentlich-rechtlichen Aufgaben, die dem Empfänger vom Bund übertragen worden sind (Art. 3 Abs. 2 SuG). Finanzhilfen werden für die Förderung oder Erhaltung einer vom Empfänger selbst gewählten Aufgabe gewährt (Art. 3 Abs. 1 SuG). Entgegen der Annahme von einigen Teilnehmenden handelt es sich somit bei den Tätigkeiten nicht um bundesrechtlich vorgeschriebene Aufgaben oder um öffentlich-rechtliche Aufgaben, die dem Empfänger vom Bund übertragen worden sind, sondern um vom Bund nicht delegierte, eigene (d. h. selbst gewählte) Tätigkeiten.

Die Forderung nach einer durchgehenden 50-prozentigen Beteiligung an den anrechenbaren Ausgaben ist aus dem nachfolgenden Grund abzulehnen: Die Höhe der Finanzhilfe ist davon abhängig zu machen, wie der Empfänger seine Finanzierungsmöglichkeiten ausschöpfen kann (vgl. Art. 6 Bst. d SuG).

1.4.4

Weitere Anträge

1.4.4.1

Begriff alleinstehend

Eine Teilnehmerin führt an, der im erläuternden Bericht verwendete Begriff «alleinstehende Mütter», sei falsch gewählt bzw. diskriminierend und deshalb durch eine andere Bezeichnung zu ersetzen. In der Tat wird mit dem Begriff «alleinstehend» die Lebensrealität von Müttern, die in Beziehungen mit Partnern oder Partnerinnen leben, die zum Kind kein Kindesverhältnis im Sinne des ZGB haben, nicht abgebildet. Deshalb wird das Anliegen aufgenommen und die Bezeichnung «alleinstehend» mit «alleinerziehend» in der Botschaft ersetzt.

47

SR 616.1

1041

BBl 2019

1.4.4.2

Weitere Lücken und Anpassung des Familienzulagensystems

Einige wenige Teilnehmende kritisieren, dass es im bestehenden Familienzulagensystem weitere Lücken gebe, die geschlossen werden sollten. Andere stören sich daran, dass der Familienzulagenanspruch in erster Linie an der Erwerbstätigkeit anknüpft, weshalb das Prinzip «Ein Kind, eine Zulage» nicht verwirklicht werden könne.

Der Bundesrat anerkennt, dass mit dem geltenden Familienzulagensystem nicht alle Lücken geschlossen sind. Das System ist historisch gewachsen als freiwillige Zusatzleistung der Arbeitgeber an ihre Arbeitnehmenden mit Kindern. Mit der Verrechtlichung der Familienzulagen blieb dieser enge Bezug zwischen den Sozialpartnern bestehen. Dies widerspiegelt sich auch darin, dass die Arbeitgeber die Familienzulagen an ihre Arbeitnehmenden vollumfänglich finanzieren. Über einen grundlegenden Systemwechsel besteht derzeit kein politischer Konsens. Solange der Anspruch an die Erwerbstätigkeit der Eltern geknüpft wird, sind die wenigen Lücken in Kauf zu nehmen.

1.4.4.3

Erhöhung der Familienzulagen und Anpassung des Teuerungsmechanismus

Einige Teilnehmende fordern die Erhöhung der Familienzulagen, beispielsweise um 50 Franken pro Monat. Begründet wird dies damit, dass die Zulagen eine wichtige Massnahme im Kampf gegen Armut und wichtig für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit seien. Zudem seien die Kinderkosten seit der letzten Anpassung gestiegen. Andere möchten, angesichts der Kosten, welche die Familien zu tragen haben, dass der Mechanismus geändert werde, wonach die Familienzulagen erst angepasst werden, wenn der Landesindex der Konsumentenpreise um 5 Prozent seit der letzten Anpassung gestiegen ist.

Der Bundesrat lehnt eine entsprechende Anpassung ab. Auch das Parlament hat in den vergangenen Jahren Vorstösse, die eine Erhöhung der Kinderzulagen forderten, mehrmals abgelehnt.48 Die Kantone haben zudem unabhängig davon jederzeit die Möglichkeit, die Familienzulagenansätze zu erhöhen. Ebenfalls keinen Handlungsbedarf erkennt der Bundesrat in einer Anpassung des Teuerungsmechanismus.

1.4.4.4

Lastenausgleich

Einige wenige Teilnehmende möchten die Vorlage mit der Bedingung verknüpfen, dass der Bund die Kantone verpflichtet, einen Lastenausgleich einzuführen. Die Motion Baumann vom 28. September 2017 «Familienzulagen. Für eine faire Lastenverteilung» (17.3860) verlangt, dass das FamZG angepasst wird, sodass die 48

Vgl. Mo. (14.3285) Rechsteiner, Anpassung der Familienzulagen; Pa.Iv. (13.424) Fehr, Kinderzulagen für alle statt Steuergeschenke für wenige und Pa.Iv. (15.405) Ruiz, Erhöhung der Familienzulagen.

1042

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Kantone zwingend einen Lastenausgleich einführen müssten. Die Motion wurde am 15.3.2018 durch den Ständerat und am 19.9.2018 durch den Nationalrat angenommen. Der Bundesrat wird eine entsprechende Vorlage in die Vernehmlassung schicken.

1.4.4.5

Bedarfsabhängige Kinderzulage

Eine teilnehmende Partei beantragt, dass die Einführung von bedarfsabhängigen Kinderzulagen erneut geprüft wird. Die Zulage solle armutsbetroffenen Kindern in Einelternfamilien zugutekommen, die aufgrund der Zahlungsunfähigkeit des getrenntlebenden unterhaltspflichtigen Elternteils keine ausreichenden Alimente erhalten. Der Bundesrat hat sich im Rahmen der Beantwortung von entsprechenden parlamentarischen Vorstössen bereits mehrmals ablehnend zu diesem Anliegen geäussert, insbesondere weil ein Tätigwerden des Bundes zur Bekämpfung der Familienarmut in einem gewissen Spannungsverhältnis zur geltenden Kompetenzordnung zwischen Bund und Kantonen stünde.49

1.4.4.6

Änderung AVIG

Eine teilnehmende Partei schlägt vor, dass für arbeitslose alleinerziehende Mütter auch im Fall einer länger dauernden Krankheit ein Anspruch auf Familienzulagen für Nichterwerbstätige nach FamZG eingeführt wird. Gestützt auf Artikel 28 Absatz 1 AVIG erlösche das Recht auf das Arbeitslosenversicherungstaggeld und auf den Zuschlag (=Ersatz Familienzulage) nach 30 Tagen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit. Der Bundesrat hält fest, dass diese Problematik nicht nur die arbeitslosen Mütter betrifft, sondern alle arbeitslosen Personen, die längere Zeit krank sind. In solchen Fällen ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob ein Anspruch auf Familienzulagen als Nichterwerbstätige geltend gemacht werden kann.

1.4.4.7

Bekämpfung von Familienarmut

Eine teilnehmende Partei wünscht, dass insbesondere der Bekämpfung der Familienarmut ein noch grösseres Gewicht beigemessen wird. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 18. April 2018 beschlossen, die Massnahmen zur Prävention der Armut bis 2024 weiterzuführen.50 Die Bearbeitung der Thematik der Familienarmut bildet dabei einen Schwerpunkt.

49

50

Vgl. Stellungnahme des Bundesrates zum Postulat Schmid-Federer vom 29. September 2016 «Bedarfsabhängige Kinderzulagen als gezielte Massnahme zur Bekämpfung der Familienarmut» (16.3804).

www.bsv.admin.ch > Publikationen und Service > Medienmitteilungen > alle Medienmitteilungen des BSV > Bundesrat will Massnahmen zur Prävention von Armut weiterführen; vgl. auch www.gegenarmut.ch/nationales-programm/

1043

BBl 2019

1.5

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Die Verbesserungen, die die Vorlage zugunsten der versicherten Personen mit sich bringt, stehen in einem angemessenen Verhältnis zu den Mehrkosten. Detaillierte Angaben zu den finanziellen Auswirkungen sind in Ziffer 3 aufgeführt.

1.6

Umsetzung auf Verordnungsstufe

1.6.1

Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung

Die neuen Gesetzesbestimmungen betreffend Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung bedürfen der Ausführung auf Verordnungsstufe. In Artikel 1 der FamZV ist zu definieren, dass unter einer nachobligatorischen Ausbildung eine Ausbildung im Sinne von Artikel 25 Absatz 5 AHVG zu verstehen ist.

Zudem macht der Ersatz des Begriffs «allocation de formation professionnelle» durch «allocation de formation» im Gesetz eine Anpassung des französischen Verordnungstextes notwendig.

1.6.2

Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter

In Bezug auf die Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter ist keine Ausführungsbestimmung notwendig.

1.6.3

Finanzhilfen an Familienorganisationen

Die neue Gesetzesbestimmung über Finanzhilfen an Familienorganisationen bedarf der Ausführungsbestimmungen. In der FamZV sollen die beiden Förderbereiche näher umschrieben werden. Zudem soll geregelt werden, unter welchen Bedingungen die Familienorganisationen mit ihren Mitgliederorganisationen Unterverträge abschliessen können. Weiter sollen darin die Beitragskategorien, die Vergütungsform, die anrechenbaren Aufwendungen sowie die Bemessung der Finanzhilfen geregelt werden.

Gestützt auf Artikel 21i Absatz 4 E-FamZG hat der Bundesrat in der FamZV zudem das Verfahren für die Ausrichtung der Finanzhilfen zu regeln. Dieses soll sich an der geltenden Praxis orientieren: Die Gesuche sind jeweils ein halbes Jahr vor Beginn einer Vertragsperiode einzureichen. Die Vertragsperiode soll jeweils vier Jahre dauern. Weiter ist vorgesehen, dass alle Verträge der Familienorganisationen die gleiche Laufzeit aufweisen, d. h. die Verträge werden jeweils per 1. Januar zu Beginn einer Vertragsperiode mit einer Laufzeit von vier Jahren abgeschlossen. Die Auszahlung der Finanzhilfen soll in Raten erfolgen. Die Familienorganisationen sollen zudem verpflichtet werden, dem BSV über ihre Tätigkeiten und die Verwen-

1044

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dung der Finanzhilfen regelmässig Bericht zu erstatten. Explizit festgehalten werden soll auch die Mitteilungs- und Offenlegungspflicht gegenüber dem BSV.

1.7

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Durch die vorliegende Revision des FamZG kann die Motion Seydoux-Christe vom 21. Juni 2013 «Familienzulagen für alle, auch für arbeitslose Mütter, die eine Mutterschaftsentschädigung beziehen» (13.3650) abgeschrieben werden.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Titel Die Ergänzung des Titels ist durch die Einführung der neuen Bestimmungen zu den Finanzhilfen an Familienorganisationen bedingt.

Ingress Neben dem für die Familienzulagengesetzgebung massgebenden Artikel 116 Absätze 2 und 4 BV wird als Verfassungsgrundlage für die Finanzhilfen an Familienorganisationen neu auch Artikel 116 Absatz 1 BV genannt, da der Geltungsbereich sachlich auf eine Massnahme zum Schutz der Familie ausgedehnt wird.

Ersatz eines Ausdrucks Im ganzen französischen Text wird «allocation de formation professionnelle» ersetzt durch «allocation de formation».

Art. 1 Abs. 2 Die Finanzhilfen an Familienorganisationen nach dem neuen 3b. Kapitel fallen nicht in den Geltungsbereich des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 200051 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG), da es sich bei der Ausrichtung der Finanzhilfen nicht um ein Verfahren in Sozialversicherungssachen handelt.

Anders als bei den Beiträgen zur Förderung der Altershilfe (Art. 101 bis AHVG) und zur Förderung der Invalidenhilfe (Art. 74 und 75 IVG) finden deshalb auch die Artikel 32 und 33 ATSG keine Anwendung.

Auf diese Finanzhilfen sind das Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 196852 (VwVG) sowie SuG anwendbar.

51 52

SR 830.1 SR 172.021

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Art. 3 Abs. 1 Im französischen Text wird der Einleitungssatz ergänzt mit «au sens de la présente loi», damit er formal mit dem Einleitungssatz in den beiden anderen Sprachfassungen übereinstimmt.

Bst. a Der erste Satz des Buchstabens a wird sprachlich angepasst. Neu ist der zweite Satz, der infolge der Änderung in Buchstabe b eingefügt werden muss. Mit ihm wird der Zeitpunkt der Ablösung der Kinderzulage durch die Ausbildungszulage in denjenigen Fällen geregelt, in denen das Kind zwischen seinem 15. und 16. Geburtstag eine nachobligatorische Ausbildung beginnt. Beginnt das Kind während dieser Zeit noch keine nachobligatorische Ausbildung, so wird die Kinderzulage wie bis anhin bis zum vollendeten 16. Altersjahr ausbezahlt. Im dritten Satz wird präzisiert, dass die Kinderzulage für erwerbsunfähige Kinder bis zum Ende des Monats ausgerichtet wird, in dem sie das 20. Altersjahr vollenden.

Bst. b In Zukunft sollen Ausbildungszulagen bereits ab dem Zeitpunkt ausgerichtet werden, in dem die Kinder eine nachobligatorische Ausbildung beginnen und das 15. Altersjahr vollendet haben.

Massgebend für die Bestimmung, was als nachobligatorische Ausbildung gilt, soll weiterhin der Ausbildungsbegriff sein, wie er in der Verordnung vom 31. Oktober 194753 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV) geregelt ist. Dieser Ausbildungsbegriff wurde von der Rechtsprechung entwickelt und hat sich in der Durchführung bewährt. Artikel 1 FamZV wird entsprechend angepasst werden.

Gemäss Artikel 49bis Absatz 1 AHVV ist ein Kind in Ausbildung, wenn es sich auf der Grundlage eines ordnungsgemässen, rechtlich oder zumindest faktisch anerkannten Bildungsganges systematisch und zeitlich überwiegend entweder auf einen Berufsabschluss vorbereitet oder eine Allgemeinausbildung erwirbt, die Grundlage bildet für den Erwerb verschiedener Berufe. Der Ausbildungsbegriff in der AHV ist nicht deckungsgleich mit einer nachobligatorischen Ausbildung: so beginnen zum Beispiel in gewissen Kantonen die kantonalen Maturitätsschulen bereits während der obligatorischen Schulzeit. Deren Schüler werden bereits vor Abschluss der obligatorischen Schulzeit auf der Grundlage eines ordnungsgemässen, rechtlich anerkannten Bildungsganges systematisch auf den Erwerb einer Allgemeinausbildung vorbereitet, die Grundlage bildet für den Erwerb
verschiedener Berufe. Eine Ausbildung an einer kantonalen Maturitätsschule gilt deshalb bereits als Ausbildung im Sinne der AHV. Kommt hinzu, dass das Austrittsalter aus der obligatorischen Schule im Kanton Appenzell Ausserrhoden ein Jahr tiefer liegt als in den anderen Kantonen.

Die Kinder sind in diesem Kanton bei Austritt aus der obligatorischen Schule erst im 15. Altersjahr (d. h. zwischen 14 und 15 Jahre alt). Ebenso sind im EU-/EFTAAusland die Regelungen betreffend obligatorische Schulzeit sehr unterschiedlich.

Um die Eltern aller Kinder ­ unabhängig von deren Ausbildungsgang und dem Wohnsitz ­ gleich zu behandeln, ist die Festsetzung einer unteren Altersgrenze für 53

SR 831.101

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den Bezug von Ausbildungszulagen notwendig. Diese wird auf das vollendete 15. Altersjahr festgesetzt, da in der Mehrzahl der Kantone die jüngsten Kinder eines Jahrganges 15 Jahre und 1 Monat alt sind, wenn sie nach der regulären Schulzeit die nachobligatorische Ausbildung beginnen. Für Kinder, die eine Klasse überspringen und somit vor dem vollendeten 15. Altersjahr eine nachobligatorische Ausbildung beginnen, hat die Festlegung der unteren Altersgrenze zur Folge, dass die Ausbildungszulagen erst ab dem Beginn des Monats ausgerichtet werden, in dem sie das 15. Altersjahr vollendet haben.

Die erste Ausbildungszulage wird für den ganzen Monat ausbezahlt, in dem das Kind die nachobligatorische Ausbildung beginnt.

Für Kinder, die das 16. Altersjahr vollendet haben und noch die obligatorische Schule besuchen, werden ebenfalls Ausbildungszulagen ausgerichtet. Für diese werden bereits heute Ausbildungszulagen ausgerichtet.

Art. 19 Abs. 1ter Anspruchsberechtigung: Gemäss dem ersten Satz sollen neu arbeitslose alleinerziehende Mütter vom Zeitpunkt der Geburt an während der gesamten Bezugsdauer der Mutterschaftsentschädigung als Nichterwerbstätige einen Anspruch auf Familienzulagen geltend machen können, sofern für den gleichen Zeitraum keine andere Person einen Anspruch auf Familienzulagen für dasselbe Kind hat. Es gilt somit auch für diese Kategorie der Anspruchsberechtigten der Grundsatz, dass der Anspruch auf Familienzulagen für Nichterwerbstätige subsidiär ist.

Ein Anspruch auf Familienzulagen besteht ausschliesslich für Frauen, die einen Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung nach den Artikeln 16b­16h EOG haben.

In Artikel 16b Absatz 3 Buchstaben a und b EOG i.V.m. Artikel 29 der Verordnung vom 24. November 200454 zum Erwerbsersatzgesetz (EOV) wird im Gegensatz zu Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe f AVIG keine Vermittlungsfähigkeit vorausgesetzt.

Arbeitslose Mütter haben gemäss Artikel 29 EOV Anspruch auf die Mutterschaftsentschädigung, wenn sie im Zeitpunkt der Niederkunft entweder ein Taggeld der Arbeitslosenversicherung beziehen (Bst. a) oder am Tag der Geburt die für den Bezug eines Taggeldes nach dem AVIG erforderliche Mindestbeitragsdauer erfüllen (Bst. b). Sie müssen somit einzig die zweijährige Rahmenfrist nach Artikel 9 Absatz 1 AVIG erfüllen. Sie müssen jedoch nicht beim Arbeitsamt zur
Arbeitsvermittlung gemeldet sein, damit sie im Zeitpunkt der Geburt als arbeitslos gelten. 55 Der Verweis auf das EOG hat den Vorteil, dass die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen bereits durch die AHV-Ausgleichskassen vorgenommen wird. Die Familienausgleichskassen können deshalb davon ausgehen, dass arbeitslose Mütter, die eine Mutterschaftsentschädigung beziehen, auch zum Bezug der Familienzulagen für Nichterwerbstätige berechtigt sind, sofern keine andere Person einen Anspruch geltend machen kann.

Dauer des Anspruchs: Die arbeitslosen alleinerziehenden Mütter sollen während des 98 Tage dauernden Anspruchs auf Mutterschaftsentschädigung Anspruch auf Fami54 55

SR 834.11 BGE 136 V 239 E. 2.1

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lienzulagen für Nichterwerbstätige geltend machen können ­ und zwar sowohl für ihr neugeborenes Kind als auch für ihre allfälligen älteren Kinder. Die Dauer des Anspruchs wird mit der Formulierung «gelten während der Dauer dieses Anspruchs ebenfalls als Nichterwerbstätige» umschrieben.

Der Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung entsteht am Tag der Niederkunft (Art. 16c Abs. 1 EOG). In den Kantonen, die einmalig auszurichtende Zulagen gewähren, haben auch diese Mütter für ihr neugeborenes Kind bzw. Adoptivkind Anspruch auf eine Geburts- oder Adoptionszulage.

Die Frage, ab welchem Zeitpunkt und wie lange Anspruch auf Familienzulagen besteht, ist bei den periodischen Geldleistungen für Neugeborene anders zu beantworten als für allfällige ältere Geschwister: ­

Neugeborene: Arbeitslose alleinerziehende Mütter gelten aufgrund der neuen Regelung während des Bezugs der Mutterschaftsentschädigung als Nichterwerbstätige. Für Nichterwerbstätige gelten die gleichen Regeln wie für Erwerbstätige, wonach rückwirkend für den ganzen Geburtsmonat die volle Kinderzulage ausgerichtet wird (Art. 3 Abs. 1 Bst. a FamZG). Deshalb erhalten arbeitslose alleinerziehende Mütter für den angebrochenen Monat die volle Kinderzulage ­ dies unabhängig davon, von welchem Tag an die Mutterschaftsentschädigung ausgerichtet wird. Der Anspruch auf die Kinderzulagen nach FamZG endet im Zeitpunkt, in dem der Anspruch auf die Mutterschaftsentschädigung endet. Die Zulagen werden ab diesem Zeitpunkt durch den Zuschlag zum Arbeitslosentaggeld abgelöst (Art. 22 Abs. 1 AVIG).

­

Allfällige ältere Geschwister: Sind nebst dem Neugeborenen ältere Geschwister vorhanden, so bezieht die arbeitslose alleinerziehende Mutter für sie vor der Geburt den Zuschlag zum Arbeitslosentaggeld (dieser Zuschlag wird von der Arbeitslosenkasse ausgerichtet, sofern keine andere Person für diese Kinder Anspruch auf Familienzulagen geltend machen kann; er entspricht betragsmässig der Familienzulage). Da dieser Zuschlag akzessorisch zum Taggeld ist, erhält die Mutter den Zuschlag bis zum Zeitpunkt, in dem die Auszahlung der Mutterschaftsentschädigung beginnt (Art. 16g Abs. 1 Bst. a EOG). Während der Ausrichtung der Mutterschaftsentschädigung werden den Müttern die Familienzulagen (Kinderzulagen oder Ausbildungszulagen) für die älteren Geschwister gestützt auf die vorliegende Neuregelung im FamZG pro rata temporis ausgerichtet. Die Mütter erhalten die Familienzulagen ­ wie für das Neugeborene ­ bis zum Zeitpunkt, in dem der Anspruch auf das Taggeld der Arbeitslosenversicherung und auf den Zuschlag wieder auflebt.

Grenzüberschreitende Sachverhalte: Die Familienzulagen für Nichterwerbstätige, die neu auch an arbeitslose, alleinerziehende Mütter ausgerichtet werden sollen, gelten als Familienleistungen im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 883/2004.56 Besteht ein Anspruch auf Familienzulagen, so sind sie grundsätzlich auch für Kinder auszubezahlen, die ihren Wohnsitz in einem EU-Staat haben (Art. 67 VO (EG) Nr. 883/2004); der materielle Anspruch auf eine Leistung richtet sich nach der 56

SR 0.831.109.268.1; vgl. dort Art. 1 Bst. z

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nationalen Gesetzgebung. Besteht für denselben Zeitraum und für dieselben Kinder Anspruch auf Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten, so regelt Artikel 68 VO (EG) Nr. 883/2004 deren Koordination. Damit soll sichergestellt werden, dass keine Leistungen gleicher Art für denselben Zeitraum zusammentreffen (vgl. Ziffer 12 der Präambel VO [EG] Nr. 883/2004). Gemäss der vorliegenden Neuregelung haben arbeitslose Mütter während des Bezugs der Mutterschaftsentschädigung nach schweizerischem Recht Anspruch auf Familienzulagen. Sowohl Arbeitslosigkeit als auch Mutterschaft sind einer tatsächlichen Beschäftigung gleichgestellt, solange Ersatzleistungen ausbezahlt werden. 57 Bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung, eine selbstständige Erwerbstätigkeit oder eine der tatsächlichen Beschäftigung gleichgestellte Situation ausgelöst werden, geht grundsätzlich der Wohnort der Kinder vor.58 Der nachrangig zuständige Staat muss Differenzzulagen ausrichten, sofern seine Familienleistungen höher sind.

Für eine Grenzgängerin mit französischer Staatsbürgerschaft, die mit ihren Kindern in Frankreich wohnt und in der Schweiz arbeitslos wird, würde dies beispielsweise bedeuten, dass Frankreich für die Ausrichtung der Arbeitslosenentschädigung zuständig ist. Für die Ausrichtung der Familienleistungen wäre gestützt auf die Koordinationsregeln ebenfalls Frankreich zuständig, und zwar vorrangig. Die Schweiz müsste allenfalls nachrangig Differenzzahlungen ausrichten.

Ausnahmecharakter der Bestimmung: In Analogie zu Artikel 19 Absatz 1bis FamZG, in dem der Kreis der Nichterwerbstätigen ein erstes Mal erweitert wurde, soll im neuen Artikel 19 Absatz 1ter auch ein «ebenfalls» eingefügt werden. Damit wird der Ausnahmecharakter der Bestimmung gegenüber dem Grundsatz in Artikel 19 Absatz 1 FamZG betont.

Nach Artikel 19 Absatz 2 FamZG haben Nichterwerbstätige keinen Anspruch auf Familienzulagen, wenn sie ein steuerbares Einkommen von über 42 300 Franken pro Jahr ausweisen oder wenn sie Ergänzungsleistungen beziehen. Artikel 19 Absatz 1ter zweiter Satz der Vorlage stellt klar, dass diese Bestimmung nicht anwendbar ist.

Durch die Nichtanwendung von Artikel 19 Absatz 2 FamZG wird sichergestellt, dass alle arbeitslosen alleinerziehenden Mütter ­ wie von der Motion verlangt ­ einen Anspruch auf Familienzulagen
während der 14 Wochen Mutterschaftsentschädigung zusteht. Zudem ist die unterjährige Berechnung des steuerbaren Einkommens für die Durchführung der Familienzulagen äusserst aufwendig und kompliziert. Sie erscheint mit Blick auf die relativ kurze Anspruchsdauer unverhältnismässig.

Gliederungstitel vor Art. 21f Die Finanzhilfen an Familienorganisationen sind eine neue, vom bisherigen Regelungsgegenstand unabhängige Thematik, weshalb sie im Gesetz in einem separaten 3b. Kapitel geregelt werden.

57

58

Art. 1 Bst. a Ziff. i des Beschlusses Nr. F1 der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vom 12. Juni 2009 zur Auslegung des Artikels 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Prioritätsregeln beim Zusammentreffen von Familienleistungen Vgl. Artikel 68 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i VO (EG) Nr. 883/2004.

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Art. 21f

Zweck und Förderbereiche

Die Finanzierung der Finanzhilfen an Familienorganisationen erfolgt über das ordentliche Budget des Bundes (Kredit A231.0243 «Familienorganisationen»). Dieser Kredit wird jährlich von den eidgenössischen Räten im Rahmen des ordentlichen Budgets verabschiedet.

Die Kann-Formulierung des Einleitungssatzes stellt klar, dass kein Rechtsanspruch auf Finanzhilfen besteht. Aufgrund des SuG ist der Gesetzgeber verpflichtet, sofern möglich einen Kreditvorbehalt vorzusehen (Art. 7 Bst. h SuG). Die Finanzhilfen werden deshalb nur im Rahmen des von den eidgenössischen Räten bewilligten Kredits gewährt. Dieser sogenannte Kreditvorbehalt wird auch in den Verträgen über die Ausrichtung von Finanzhilfen angebracht. Darin wird klar festgehalten, dass aus dem Vertrag keine Ansprüche auf Finanzhilfen entstehen. Der Vertrag gilt nur, soweit das Parlament dem Kredit zustimmt. Damit ist eine Kündigung des Vertrags oder eine Kürzung des Betrags während der Vertragsperiode möglich. Das BSV verfügt zudem bei der Gewährung von Finanzhilfen über einen gewissen Ermessensspielraum.

Die Tätigkeiten der Organisationen (regelmässige Aktivitäten, Dienstleistungen und Projekte) in den zwei in den Buchstaben a und b genannten Förderbereichen müssen den Familien zugutekommen. Der Begriff der Familie bezeichnet jene Lebensformen, die in den Beziehungen von Eltern und Kindern im Mehrgenerationenverbund begründet und gesellschaftlich anerkannt sind.59 Es spielt keine Rolle, ob die Familien direkt (z. B. mittels Coaching von Alleinerziehenden) oder indirekt (z. B. mittels Weiterbildungsangeboten für Tageseltern, Beratungsangeboten für Arbeitgeber im Hinblick auf familienfreundliche Arbeitsbedingungen) von den Tätigkeiten profitieren.

­

59

Buchstabe a bezieht sich auf den Förderbereich Begleitung und Beratung von Familien sowie Elternbildung. Bei der Begleitung handelt es sich um nichtmonetäre Angebote, die Familien vor Ort dienen. Dabei kann es sich um Angebote wie Hausbesuchsprogramme oder um Begegnungsorte wie Familienzentren und Spielgruppen handeln. Bei der Beratung handelt es sich um Beratungsangebote für Familien. Sie dient der Unterstützung von Familien bei der Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen, die mit Elternschaft, Paarbeziehung und Familienleben verbunden sind. Darunter fallen die allgemeine Familien-, Erziehungs- und Elternberatung, die Beratung von Familien in besonderen Lebenslagen (z. B. bei Trennung, Scheidung, Tod, Flucht, Entführung), die Beratung für bestimmte Familientypen (z. B. für Alleinerziehende, binationale Familien, Familien mit Migrationshintergrund, Regenbogenfamilien) oder zu spezifischen Themen (z. B. Mütter- und Väterberatung). Angebote der Elternbildung richten sich spezifisch an Eltern. Sie bezwecken die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, die für die Erziehung von Kindern und das Zusammenleben in der Familie von Bedeutung sind. Elternbildung umfasst eine breite Themenpalette (z. B.

Umgang mit neuen Medien) und unterschiedlichste Vermittlungsformen Eidgenössische Koordinationskommission für Familienfragen (EKFF); abrufbar unter www.ekff.admin.ch > Die EKFF > Familie Definition (Stand 30.07.2018).

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(z. B. Veranstaltung, App, Video). Die Übergänge zwischen den drei Teilförderbereichen Begleitung und Beratung von Familien sowie Elternbildung sind fliessend.

­

Buchstabe b bezieht sich auf den Förderbereich Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit oder Ausbildung. Die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit entspricht einem der vier Handlungsfelder, die der Bundesrat in seiner familienpolitischen Auslegeordnung definiert hat. 60 Der Bundesrat misst Massnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit oder Ausbildung Priorität bei. Aus diesem Grund bildet die Förderung solcher Massnahmen einen eigenständigen Förderbereich.

Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit ist gegeben, wenn beide Elternteile aktiv am Arbeitsmarkt teilnehmen oder eine Ausbildung absolvieren und ihren Kindern gleichzeitig eine bestmögliche Betreuung und Erziehung gewähren können. Der Förderbereich besteht aus den folgenden Teilbereichen: familienergänzende Kinderbetreuung und familienfreundliche Arbeitsbedingungen. Beim Teilbereich der familienergänzenden Kinderbetreuung handelt es sich um Tätigkeiten, die dazu beitragen, dass Eltern über ein bedarfsgerechtes familienergänzendes Kinderbetreuungsangebot verfügen. Er umfasst die institutionelle Betreuung im Vorschul- und Schulalter (z. B. Kindertagesstätten, Tagesstrukturen für Schulkinder, Tagesfamilien). 61 Beim Teilbereich familienfreundliche Arbeitsbedingungen handelt es sich um Tätigkeiten, die zur Ausgestaltung von familienfreundlichen Arbeitsbedingungen beitragen (z. B. Beratung von Arbeitgebern, Ausarbeiten von Empfehlungen).

Art. 21g

Institutionelle Voraussetzungen

Empfänger der Finanzhilfen können ausschliesslich Familienorganisationen sein, die die folgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllen.

Buchstabe a bezieht sich auf das Wirkungsgebiet der Organisation. Finanzhilfen können nur an Organisationen ausgerichtet werden, die eine gewisse territoriale Reichweite haben.

Gesamtschweizerisch tätig ist eine Familienorganisation, wenn sie Zielgruppen in mindestens drei Sprachregionen anspricht und in allen Sprachen über ein ähnlich breites Angebot verfügt. Eine Organisation mit Sitz in der Deutschschweiz, die bspw. lediglich ihre Website und Infoblätter in zwei weitere Landessprachen (z. B.

italienisch und französisch) übersetzt, aber sonst keinen Bezug zu diesen Sprachregionen hat, ist nicht gesamtschweizerisch tätig.

60

61

Vgl. Bericht des Bundesrates «Familienpolitik. Auslegeordnung und Handlungsoptionen des Bundes» vom 20. Mai 2015 in Erfüllung des Postulats Tornare (13.3135) «Familienpolitik», S. 8. Abrufbar unter: www.bsv.admin.ch > Sozialpolitische Themen > Familienpolitik > Grundlagen > Bericht zur Familienpolitik.

Vgl. auch Statistik der familienergänzenden Kinderbetreuung. Typologie der Betreuungsformen, BFS 2015. Abrufbar unter: www.bfs.admin.ch > Statistiken finden > Bevölkerung > Familien > Familienergänzende Kinderbetreuung > Weiterführende Informationen > Methodische Dokumente (Stand 30.07.2018).

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Sprachregional tätig ist eine Familienorganisation, wenn sie im gesamten Sprachraum einer der vier Landessprachen aktiv tätig ist.

Buchstabe b enthält alle Voraussetzungen, die in den Statuten oder in der Stiftungsurkunde der Familienorganisation verankert sein müssen: ­

Ziffer 1 hält fest, dass nur Organisationen mit Sitz in der Schweiz Finanzhilfen erhalten.

­

Ziffer 2 bestimmt, dass nur Organisationen Finanzhilfen erhalten können, deren Zweck mindestens unter einen der beiden vorgenannten Förderbereiche fällt. Finanzhilfen sollen nur Organisationen erhalten, die mindestens in einem der beiden Förderbereiche schwergewichtig tätig sind.

­

Ziffer 3 verlangt Gemeinnützigkeit. Gemeinnützig ist eine Organisation, wenn ihr Zweck nicht gewinnorientiert, im öffentlichen Interesse und auf das Wohl Dritter ausgerichtet ist. Nicht gewinnorientiert ist eine Organisation, die ihre Tätigkeiten so ausgestaltet, dass sie damit keinen Gewinn erwirtschaftet. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie überhaupt keinen Gewinn erzielen darf. Die Einnahmen und Ausgaben einer gemeinnützigen Organisation sind Schwankungen unterworfen, weshalb es für die Wahrung der finanziellen Stabilität wichtig ist, dass sie bescheidene Gewinne ihrem Organisationskapital zuführen kann, um daraus in den Folgejahren allfällige Verluste ausgleichen zu können.

­

Die Ziffern 4 und 5 stellen klar, dass Finanzhilfen nur an konfessionell neutrale und parteipolitisch unabhängige Organisationen ausgerichtet werden.

­

Ziffer 6 hält fest, dass im Falle der Auflösung oder Fusion der Organisation sichergestellt sein muss, dass ihr Vermögen an eine andere gemeinnützige Familienorganisation übergeht. Bei finanzhilfeberechtigten Organisationen ist im Gewinnvortrag immer auch ein gewisser Anteil an Finanzhilfen enthalten, der ins Organisationskapital fliesst. Deshalb muss gewährleistet sein, dass dieser Anteil auch bei einer Auflösung oder Fusion weiterhin gemeinnützigen Zwecken zugunsten von Familien dient.

Art. 21h

Umfassendes Angebot

Abs. 1 Finanzhilfen können nur an diejenigen Familienorganisationen ausgerichtet werden, die im jeweiligen Förderbereich umfassende Tätigkeiten anbieten. Ob die Tätigkeiten umfassend sind, beurteilt sich nach den in den Buchstaben a­c definierten Kriterien. Diese Kriterien gelten kumulativ, es sei denn, Absatz 3 ist anwendbar.

Buchstabe a: Die Familienorganisationen können die Familien direkt oder indirekt fördern. Mögliche Zielgruppen einer direkten Förderung sind beispielsweise Mütter und Väter von Neugeborenen, von Kindern im Vorschul- und Schulalter sowie von Teenagern, Eltern in Trennungsphase, Grosseltern und weitere Familienangehörige, Alleinerziehende, Pflegeeltern sowie Institutionen, die Aufgaben der Eltern übernehmen. Mögliche Zielgruppen einer indirekten Förderung sind beispielsweise Fachleute wie Lehrer und Lehrerinnen, Kleinkinderzieher und -erzieherinnen, An1052

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wälte und Anwältinnen, Mediatoren und Mediatorinnen, Richter und Richterinnen, Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen, aber auch Unternehmen und Fachstellen in Kantonen und Gemeinden. Die Angebote müssen sich nicht nur an mehrere Zielgruppen richten, sondern von diesen auch genutzt werden.

Buchstabe b: Die Themen, mit denen sich die Familienorganisationen beschäftigen, sind in den Erläuterungen zu Artikel 21f beschrieben. Das Tätigkeitsgebiet einer Familienorganisation ist breit, wenn es mehrere dieser Themenbereiche abdeckt.

Zudem muss das Angebot fachlich fundiert sein, d. h. die Familienorganisation muss sich in diesem Tätigkeitsgebiet über ein fachspezifisches Knowhow ausweisen und eine breit abgestützte Anerkennung als Fachorganisation geniessen.

Buchstabe c: Vgl. hierzu die Ausführungen zu den gesamtschweizerisch tätigen Familienorganisationen in den Erläuterungen zu Artikel 21g Buchstabe a.

Abs. 2 Da die Familienorganisationen im Förderbereich «Begleitung und Beratung von Familien sowie Elternbildung» sehr heterogen sind und die allermeisten die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vollständig erfüllen könnten, sollen sie die Möglichkeit haben, sich für die Gesuchseinreichung zusammenzuschliessen. In diesem Fall wird beurteilt, ob das Angebot der Familienorganisation und ihrer Mitgliederorganisationen bei einer gesamthaften Betrachtung umfassend ist. Berücksichtigt werden dabei nur diejenigen Mitgliederorganisationen, welche die Voraussetzungen nach Artikel 21g erfüllen. Diese können auch nur sprachregional tätig sein (vgl. Art. 21g Bst. a). Sie müssen aber zusammen mit der gesuchstellenden Familienorganisation und den anderen Mitgliederorganisationen die gesamte Schweiz abdecken.

Die Familienorganisation, die ein solches Gesuch einreicht, muss darin angeben, ob sie die Tätigkeit, für die sie Finanzhilfen beantragt, selber erbringt oder ob sie damit ihre Mitgliederorganisationen im Rahmen privatrechtlicher Verträge (Unterverträge) beauftragen will. In den Ausführungsbestimmungen wird zu regeln sein, dass die 50Prozent-Klausel gemäss Artikel 21i (siehe unten) auch auf die Mitgliederorganisationen anwendbar ist. Zudem ist zu regeln, dass die Familienorganisation im Gesuch nachweisen muss, dass die Mitgliederorganisationen die Voraussetzungen nach Artikel 21g erfüllen. Schliesslich wird
darin festzuhalten sein, dass die Familienorganisation verpflichtet ist, die Tätigkeiten ihrer Mitgliederorganisationen zu koordinieren. Die Kosten für die Koordination zählen zu den nach Artikel 21i Absatz 3 anrechenbaren Ausgaben.

Abs. 3 Mit Finanzhilfen unterstützte Familienorganisationen sollen in der ganzen Schweiz ein qualitativ hochstehendes Angebot für möglichst viele Zielgruppen sicherstellen.

Können gesamtschweizerisch tätige Familienorganisationen dies in Teilbereichen nicht oder nur bedingt leisten, sollen auch sprachregional tätige Familienorganisationen unterstützt werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 21g Bst. a), wenn sie die Lücken schliessen. Diesen Familienorganisationen sollen deshalb in Abweichung vom Grundsatz nach Absatz 1 ebenfalls Finanzhilfen gewährt werden können.

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Abs. 4 Gemäss Artikel 13 Absatz 2 SuG sind die zuständigen Departemente verpflichtet, eine Prioritätenordnung zu erlassen, wenn die eingereichten oder zu erwartenden Gesuche die verfügbaren Mittel übersteigen. In Absatz 4 wird explizit geregelt, dass das EDI in diesem Fall eine Prioritätenordnung zu erlassen hat. Insbesondere die Förderung nachhaltiger Tätigkeiten und ein günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis der Tätigkeiten im Vergleich zu den Finanzhilfen sind Kriterien für die Priorisierung der zu unterstützenden Tätigkeiten.

Art. 21i

Verfahren und Höchstsatz

Absatz 1: Da das BSV auf Bundesebene für familienpolitische Geschäfte zuständig ist und somit in diesem Bereich über das nötige Fachwissen für die Vergabe der Finanzhilfen verfügt, soll es auch in Zukunft für die Durchführung zuständig sein.

Gesuche um Finanzhilfen sind deshalb beim BSV einzureichen.

Absatz 2: Die Finanzhilfen werden auf Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrags ausgerichtet (Art. 16 Abs. 2 Bst. a SuG). Dies entspricht der geltenden Praxis.

Die Vergabe von Finanzhilfen mittels Verträgen ist das geeignete Instrument, weil es erlaubt, klare strategische Ziele für einen längeren Zeitraum zu vereinbaren. Dank einem Controllingsystem kann die Erreichung dieser strategischen Ziele einfach und unkompliziert jährlich überprüft werden. Die Höhe der Finanzhilfen kann somit aufgrund der effektiv erbrachten Leistungen festgelegt werden. Dieses System schafft sowohl die notwendige Verbindlichkeit für die getroffenen Vereinbarungen als auch genügend Flexibilität, um auf geänderte Rahmenbedingungen zu reagieren.

Damit wird ein möglichst effizienter und wirkungsorientierter Einsatz der Bundesmittel erreicht.

Absatz 3: Der Höchstsatz umschreibt den maximalen Anteil der Bundesbeteiligung an den anrechenbaren Ausgaben. Dieser beträgt 50 Prozent. Welche Ausgaben anrechenbar sind, wird in der Verordnung festgelegt.

Damit wird sichergestellt, dass Familienorganisationen Tätigkeiten nicht nur deshalb ausüben, weil sie dafür Bundesmittel erhalten. Sie müssen diese Tätigkeiten auch mittels Eigenleistungen finanzieren. Mit dieser Bestimmung wird Artikel 7 Buchstabe h SuG entsprochen.

Familienorganisationen, die um Finanzhilfen ersuchen, müssen im Gesuchformular ausweisen, ob und für welche Aufgaben sie um Finanzhilfen von weiteren Bundesstellen ersuchen oder Bundesmittel erhalten. Besteht aufgrund der Subventionierung derselben Aufgabe die Möglichkeit einer Doppelsubventionierung, so nimmt das BSV mit der zuständigen Bundesstelle Kontakt auf, klärt den Sachverhalt ab und legt das weitere Vorgehen fest mit dem Ziel, eine Doppelsubventionierung zu verhindern.

Absatz 4: Diese Delegationsnorm ermächtigt den Bundesrat, Ausführungsbestimmungen zum Verfahren für die Ausrichtung von Finanzhilfen und zu den anrechenbaren Ausgaben zu erlassen. Das Verfahren soll sich an der geltenden Praxis orientieren.

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Art. 27 Abs. 2 Hier wird der bisherige Verweis auf Artikel 76 ATSG präzisiert, indem neu ausschliesslich auf dessen Absatz 1 verwiesen wird. Denn gemäss Artikel 1 zweiter Satz FamZG ist Artikel 76 Absatz 2 ATSG nicht anwendbar. Zudem ersetzt die in Artikel 21i Absatz 1 eingeführte Abkürzung «BSV» den bisherigen Ausdruck «Bundesamt für Sozialversicherung».

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf die Sozialversicherung

3.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Die neue Regelung der Kinder- und der Ausbildungszulagen hat jährliche Mehrausgaben für die Familienzulagen in der Höhe von rund 16 Millionen Franken zur Folge. Die Gesamtausgaben für Familienzulagen betrugen im Jahr 2016 5,8 Milliarden Franken. Die Mehrausgaben machen somit knapp 3 Promille der bisherigen Gesamtausgaben aus.

Die Mehrausgaben werden bei den Familienzulagen für Arbeitnehmende und Selbstständigerwerbende mit Beiträgen in Prozent des AHV-pflichtigen Einkommens finanziert (Art. 16 Abs. 2 FamZG). Die Kantone sind für die Regelung der Finanzierung der Familienzulagen zuständig (Art. 16 Abs. 1 FamZG). Ein Teil der Kantone überlässt die Festlegung der Beitragssätze den Familienausgleichskassen. Dort müssen folglich diese ihre Beitragssätze anpassen. Kantone, die den Familienausgleichskassen z. B. einen bestimmten Satz vorschreiben, müssen die entsprechenden Bestimmungen anpassen.

Die Regelung der Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter hat marginale finanzielle Auswirkungen auf die Familienzulagen. Die Mehrkosten werden auf jährlich 100 000 Franken geschätzt. Gemäss einer Spezialauswertung des Bundesamts für Statistik brachten unverheiratete Mütter zwischen 900 (2010) und 1800 (2016) Kinder pro Jahr zur Welt, die vom Vater bis Mitte 2018 nicht anerkannt wurden. Diese Zahlen werden in den kommenden Jahren erfahrungsgemäss deutlich sinken, da viele Väter ihre Kinder nachgeburtlich anerkennen. Deshalb wird für die Schätzung davon ausgegangen, dass jährlich maximal 1500 Kinder geboren werden, deren Väter nicht bekannt sind. Pro Jahr dürften ungefähr 50 Kinder von arbeitslosen Müttern einen unbekannten Vater haben. Nicht bezifferbar ist die Anzahl jener Väter, die zwar ihre Vaterschaft anerkannt haben, sich jedoch in einem Land aufhalten, das keine Familienzulagen ausrichtet. Die Mehrkosten gehen aufgrund der geltenden Bestimmungen zur Finanzierung der Familienzulagen für Nichterwerbstätige zulasten der Kantone (Art. 20 Abs. 1 FamZG). Die Kantone Appenzell Ausserrhoden, Glarus, Solothurn, Thurgau und Tessin sehen zu ihrer Entlastung vor, dass die Nichterwerbstätigen Beiträge zu entrichten haben (Art. 20 Abs. 2 FamZG).

Obwohl die Finanzhilfen an Familienorganisationen neu im FamZG geregelt werden, hat diese Regelung keine Auswirkungen auf die Sozialversicherungen, da die Finanzierung über das ordentliche Budget des Bundes erfolgt.

1055

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Mehrkosten in Mio. Fr.

Bund

Kantone

Arbeitgeber / Selbstständigerwerbende

Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter Finanzhilfen an Familienorganisationen

0,3

0,5

max. 16

­*

0,1

­*

0

­*

­*

Total

0,3

0,6

max. 16

* Die Akteure sind bei den mit * gekennzeichneten Feldern nicht an der Finanzierung beteiligt.

3.1.2

Personelle Auswirkungen

Es ist davon auszugehen, dass die Neuregelung der Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung geringfügige personelle Auswirkungen auf die Familienausgleichskassen hat. Die Kassen überprüfen bereits heute, ob die Kinder in Ausbildung sind oder nicht; diese Prüfung wird nun zeitlich leicht vorverschoben.

Weil es denkbar ist, dass jüngere Kinder vor Beginn einer beruflichen Grundbildung eher Zwischenlösungen wählen, könnten sich die Abklärungen tendenziell etwas aufwendiger gestalten.

Die Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter haben keine personellen Auswirkungen auf die kantonalen Familienausgleichskassen. Es handelt sich um Einzelfälle.

Die Finanzhilfen an Familienorganisationen haben keine personellen Auswirkungen auf die Sozialversicherung (vgl. Ziff. 3.1.1).

3.2

Auswirkungen auf den Bund

3.2.1

Finanzielle Auswirkungen

Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung: Zur Finanzierung der Familienzulagen an landwirtschaftliche Arbeitnehmende entrichten die Arbeitgeber in der Landwirtschaft Beiträge von 2 Prozent der auf ihren Betrieben ausgerichteten AHV-pflichtigen Bar- und Naturallöhne. Den Restbetrag sowie die Ausgaben für die Familienzulagen an Landwirtinnen und Landwirte decken zu zwei Dritteln der Bund und zu einem Drittel die Kantone. Im Jahr 2016 betrugen die Bundesausgaben für die Familienzulagen in der Landwirtschaft rund 62 Millionen Franken. Von den geschätzten Mehrkosten in der Höhe von 16 Millionen Franken, die die Neuregelung der Ausbildungszulagen insgesamt bewirkt, entfallen rund 3 Prozent auf die Familienzulagen in der Landwirtschaft, d. h. rund eine halbe Million Franken. Davon trägt der Bund zwei Drittel. Der Bundesbeitrag für die Mehrkosten bei den Familienzulagen in der Landwirtschaft beläuft sich somit auf 1056

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rund 330 000 Franken. Die Mehrausgaben machen einen Anteil von 5 Promille an den Gesamtausgaben aus. Der Bund als Arbeitgeber muss zudem mit geringfügig höheren Beitragssätzen rechnen.

Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter: Die Finanzierung der Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter obliegt den Kantonen. Dem Bund entstehen deshalb keine Mehrausgaben.

Finanzhilfen an Familienorganisationen: Die Finanzierung der Finanzhilfen an Familienorganisationen soll wie bereits heute über das ordentliche Budget des Bundes erfolgen.62 Deshalb ergeben sich keine Mehrausgaben.

3.2.2

Personelle Auswirkungen

Das BSV kann die revidierten Bestimmungen mit dem bisherigen Personalbestand umsetzen. Es entstehen keine Mehrkosten.

3.3

Auswirkungen auf Kantone

3.3.1

Finanzielle Auswirkungen

Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung: Bei den Kantonen fallen zusätzliche Kosten für die Zulagen für Nichterwerbstätige an. Die Kantone können allerdings die Nichterwerbstätigen zur Finanzierung der Familienzulagen für Nichterwerbstätige beiziehen (vgl. Ziff. 3.1.1). Dazu kommt der Kantonsbeitrag für die Familienzulagen in der Landwirtschaft (vgl. Ziff. 3.2.1). Insgesamt belaufen sich die Mehrkosten zulasten der Kantone auf rund eine halbe Million Franken pro Jahr.

Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter: Wie unter Ziff. 3.1 dargelegt, tragen die Kantone die Mehrkosten für die Familienzulagen für Nichterwerbstätige, auf welche arbeitslose alleinerziehende Mütter neu Anspruch erheben können.

In Anbetracht der maximal zu erwartenden Mehrkosten von 100 000 Franken, die sich auf die 26 Kantone verteilen, sind die Auswirkungen vernachlässigbar. Kann dank dem Anspruch auf Familienzulagen während den 14 Wochen eine Notlage abgewendet werden, so können im Einzelfall Sozialhilfekosten eingespart werden.

Als Arbeitgeber müssen die Kantone aufgrund der beiden vorgenannten Neuregelungen mit geringfügig höheren Beitragssätzen rechnen.

Finanzhilfen an Familienorganisationen: Diese Finanzhilfen haben keine finanziellen Auswirkungen auf die Kantone. Diese profitieren davon, dass die Organisationen ihre Leistungen auf kantonaler und lokaler Ebene effizienter und in höherer Qualität erbringen können.

62

Vgl. Voranschlag 2018 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2019­2021 der Verwaltungseinheiten, Band 2A, S. 168.

1057

BBl 2019

3.3.2

Personelle Auswirkungen

Die Vorlage hat keine Auswirkungen auf den Personalbestand der Kantone. Es entstehen keine Mehrkosten.

3.4

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Mehrausgaben aufgrund der Neuregelung der Kinder- und Ausbildungszulagen sowie der Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter sind im Vergleich zu den Gesamtausgaben sehr klein. Die Arbeitgeber und die Selbstständigerwerbenden finanzieren rund 95 Prozent der Mehrkosten von 16 Millionen Franken pro Jahr für die Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung. Sie haben deshalb allenfalls geringfügig höhere Beitragssätze zu entrichten, was die Lohnkosten erhöht.

In Bezug auf die Finanzhilfen an Familienorganisationen ergeben sich im Vergleich zur heutigen Situation keine Änderungen.

3.5

Auswirkungen auf die Gesellschaft sowie die Gleichstellung von Frau und Mann

Die Änderungen der Vorlage in Bezug auf die Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung und die Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter sind zu gering, als dass sie sich spürbar auf die schweizerische Gesellschaft auswirken würden. In Bezug auf die Finanzhilfen an Familienorganisationen ergeben sich im Vergleich zur heutigen Situation keine Änderungen.

Die Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter haben positive Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frau und Mann.

3.6

Andere Auswirkungen

Die Gemeinden werden als Arbeitgeber leicht höhere Beitragssätze entrichten müssen (vgl. auch Ziff. 3.4).

1058

BBl 2019

4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

4.1

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 27. Januar 201663 zur Legislaturplanung 2015­2019 noch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 201664 über die Legislaturplanung 2015­2019 angekündigt. Ziel 9 der Legislaturplanung 2015­2019 ist die Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern. Insbesondere sollen die Familien gestärkt und die soziale und wirtschaftliche Armut in der Schweiz bekämpft werden. Die geplanten Änderungen im FamZG ­ Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung, Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter und eine gesetzliche Grundlage für Finanzhilfen an Familienorganisationen ­ tragen zur Erreichung dieses Legislaturziels bei. Deshalb hat der Bundesrat die Umsetzung dieser Anliegen in seine Ziele für das Jahr 2017 aufgenommen. 65

4.2

Verhältnis zu Strategien des Bundesrates

Die vorliegende Vorlage hat keine direkten Zusammenhänge zu Strategien des Bundesrates.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung und die Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter stützen sich auf Artikel 116 Absatz 2 BV, welcher dem Bund die Befugnis zum Erlass von Vorschriften über die Familienzulagen gibt.

Die Finanzhilfen an Familienorganisationen stützen sich auf Artikel 116 Absatz 1 zweiter Satz BV. Gemäss dieser Bestimmung kann der Bund Massnahmen zum Schutz der Familie unterstützen. Indem der Bund mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung die Möglichkeit schafft, Massnahmen zum Schutz und zur Förderung der Familien zu ergreifen, handelt er im Einklang mit der Kompetenzordnung. Hierbei unterstützt er ausschliesslich das Engagement von Dritten.

63 64 65

BBl 2016 1105 BBl 2016 5183 Vgl. Ziel 3: Kinder-, Jugend- und Familienpolitik, in: Ziele des Bundesrates 2017, Band II, S. 11.

1059

BBl 2019

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

5.2.1

EU-Recht

Die EU hat Regelungen zur Koordinierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit zwecks Erleichterung der Freizügigkeit geschaffen. Die Schweiz nimmt an diesem Koordinationssystem teil, seit das Abkommen vom 21. Juni 199966 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen) am 1. Juni 2002 in Kraft getreten ist.67 Die wichtigsten Grundsätze sind die Gleichbehandlung der Staatsangehörigen anderer Vertragsparteien mit den eigenen Staatsangehörigen, die Aufrechterhaltung der erworbenen Ansprüche und die Auszahlung von Leistungen im ganzen europäischen Raum. Das EU-Recht sieht hingegen keine Harmonisierung der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit vor. Die Mitgliedstaaten können die Konzeption, den persönlichen Geltungsbereich, die Finanzierungsmodalitäten und die Organisation ihrer Systeme der sozialen Sicherheit unter Beachtung der europarechtlichen Koordinationsgrundsätze selber festlegen. Dies gilt aufgrund des EFTA-Übereinkommens68 auch in den Beziehungen zwischen der Schweiz und den übrigen EFTA-Staaten.

Die einzelnen Massnahmen der vorliegenden Revision sind vereinbar mit den erwähnten Koordinierungsvorschriften.

5.2.2

Weitere internationale Verpflichtungen

In Bezug auf die Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung sind zwei internationale Vereinbarungen hervorzuheben, die die Schweiz im Jahr 1977 ratifiziert hat. Diese enthalten Vorschriften in Bezug auf Familienleistungen. Es handelt sich einerseits um die von den Mitgliedstaaten des Europarates beschlossene Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit vom 16. April 1964 69 und andererseits um das von der Internationalen Arbeitsorganisation angenommene Übereinkommen Nr. 102 über die Mindestnormen der Sozialen Sicherheit vom 28. Juni 195270. Gestützt auf die inhaltlich übereinstimmenden Artikel 1 der beiden Konventionen wird der Ausdruck «Kind» definiert als «ein Kind bis zu dem Alter, in dem die Schulpflicht endet, oder ein Kind unter 15 Jahren, je nachdem, was vorgeschrieben ist». Die vorgeschlagene Festsetzung der Altersgrenze von 15 Jahren für die Ausrichtung der Kinderzulage, wenn das Kind eine nachobligatorische Ausbildung beginnt, ist somit mit diesen beiden internationalen Bestimmungen verein66 67

68 69 70

SR 0.142.112.681 Die Koordination der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit wird durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sowie durch die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 geregelt.

SR 0.632.31 Übereinkommen vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) SR 0.831.104 SR 0.831.102

1060

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bar. Zu den anderen Regelungsgegenständen der Vorlage enthalten beide Konventionen keine Bestimmungen.

In Bezug auf die Finanzhilfen an Familienorganisationen sehen einige von der Schweiz ratifizierte internationale Abkommen in genereller Art und Weise den Schutz der Familie vor (z. B. Art. 10 des Internationalen Pakts vom 16. Dezember 196671 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Art. 23 des Internationalen Pakts vom 16. Dezember 196672 über bürgerliche und politische Rechte, Art. 8 der Konvention vom 4. November 195073 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten). Die Ausrichtung von Finanzhilfen an Familienorganisationen, die den Schutz und die Förderung der Familien zum Zweck haben, trägt zur Umsetzung dieser internationalen Bestimmungen in der Schweiz bei.

Die Vorlage ist mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar.

5.3

Erlassform

Gemäss Artikel 164 Absatz 1 BV sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen. Somit untersteht der vorliegende Revisionsentwurf des Bundesgesetzes über die Familienzulagen dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren.

5.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV sieht zum Zweck der Ausgabenbegrenzung vor, dass Subventionsbestimmungen sowie Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, in jedem der beiden Räte der Zustimmung der Mehrheit aller Mitglieder bedürfen.

Diese Vorschrift bezweckt die Eindämmung der Bundesausgaben.

Die Neuregelung der Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung hat für den Bund Mehrausgaben in der Höhe von rund 300 000 Franken zur Folge. Die geplante Einführung von Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter verursacht für den Bund keine Mehrausgaben. Somit fallen diese Regelungen nicht unter Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV.

Der Kredit A231.0243 «Familienorganisationen», der sich gegenwärtig auf 2 Millionen Franken pro Jahr beläuft, existiert bereits. Es handelt sich nicht um eine neue Ausgabe, weshalb die gesetzliche Regelung der Finanzhilfen an Familienorganisationen nicht der Ausgabenbremse zu unterstellen ist.

71 72 73

SR 0.103.1 SR 0.103.2 SR 0.101

1061

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5.5

Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz

5.5.1

Subsidiaritätsprinzip

Die Neuregelung der Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung und die Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter haben keinen Einfluss auf die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen.

Die Hauptzuständigkeit in der Familienpolitik liegt bei den Kantonen und Gemeinden, die über eine grössere Nähe zu den örtlichen Gegebenheiten und Bedürfnissen verfügen als der Bund. Gestützt auf Artikel 116 Absatz 1 BV kann der Bund ebenfalls Massnahmen zum Schutz der Familie ergreifen. Sofern die zumutbaren Selbsthilfemassnahmen und die übrigen Finanzierungsmöglichkeiten nicht ausreichen, kann der Bund national oder sprachregional tätige Familienorganisationen bei Tätigkeiten unterstützen, die ohne Finanzhilfen nicht hinreichend erfüllt würden. Kantone unterstützen in der Regel Organisationen nur bei Tätigkeiten, die sich auf ihr Kantonsgebiet beziehen. Die Tätigkeiten, welche die Organisationen auf sprachregionaler und nationaler Ebene erbringen, tragen oft zu einer wesentlichen Qualitätsverbesserung bei. Deshalb ist eine Unterstützung von Familienorganisationen bei nationalen und sprachregionalen Tätigkeiten durch den Bund sinnvoll und angezeigt.

5.5.2

Prinzip der fiskalischen Äquivalenz

Die Neuregelung der Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung und die Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter haben keine Änderung der Finanzierungsgrundsätze zur Folge.

Mit den Finanzhilfen an Familienorganisationen beteiligt sich der Bund an der Finanzierung der selbst gewählten Tätigkeiten dieser Organisationen und bestimmt die Voraussetzungen für die Gewährung der finanziellen Mittel. Damit wird die fiskalische Äquivalenz in Bezug auf die Kongruenz von Kostenträger und Entscheidträger eingehalten. Die Förderung der Familien ist ein wichtiges gesellschaftspolitisches Anliegen. Der Nutzen der Finanzhilfen kommt der Gesellschaft als Ganzes zugute, da eine qualitativ gute Begleitung und Beratung von Familien sowie Elternbildung der Familien die soziale Kohäsion stärken.

5.5.3

Respektierung des Kompetenzbereichs der Kantone

Die Neuregelung der Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung und die Familienzulagen für arbeitslose alleinerziehende Mütter haben keine Veränderung der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen zur Folge. Der Kompetenzbereich der Kantone ist somit respektiert.

Finanzhilfen an Familienorganisationen werden an gesamtschweizerisch bzw.

sprachregional tätige Familienorganisationen ausgerichtet, die kantonalen Unterstüt-

1062

BBl 2019

zungsleistungen gehen demgegenüber in der Regel an kantonal tätige Familienorganisationen. Der Kompetenzbereich der Kantone bleibt somit respektiert.

5.6

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Die folgenden Ausführungen betreffen nur die Finanzhilfen an Familienorganisationen.

5.6.1

Die Bedeutung der Finanzhilfen für die vom Bund angestrebten Ziele

Die Förderung der Familien ist eines der vier familienpolitischen Handlungsfelder, die der Bundesrat in seinem Bericht «Familienpolitik. Auslegeordnung und Handlungsoptionen des Bundesrates» in Erfüllung des Postulats Tornare (13.3135) definiert hat. Der Bundesrat misst den Dienstleistungs- und Beratungsangeboten für Familien grosse Bedeutung zu und erachtet deren Weiterentwicklung aufgrund des gesellschaftlichen, sozialen und familialen Wandels als wichtiges familienpolitisches Handlungsfeld.74 Mit den Finanzhilfen an Familienorganisationen werden gezielt Tätigkeiten von Organisationen unterstützt, welche die Begleitung und Beratung von Familien, die Elternbildung oder die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit oder Ausbildung zum Zweck haben. Damit wird den familienpolitischen Zielen des Bundes Rechnung getragen.

5.6.2

Materielle und finanzielle Steuerung der Finanzhilfen

Bei den Finanzhilfen für Familienorganisationen beteiligt sich der Bund nur bis zu 50 Prozent an den anrechenbaren Kosten. Mit dieser Ausgestaltung der Vergabevoraussetzungen werden die Vorgaben des Subventionsgesetzes in Bezug auf die angemessene Eigenleistung (Art. 7 Bst. c SuG) sowie in Bezug auf den Höchstsatz (Art. 7 Bst. h SuG) erfüllt.

5.6.3

Verfahren der Beitragsgewährung

Der Bund richtet seit rund siebzig Jahren Finanzhilfen an Familienorganisationen aus. Zuständig für die Bearbeitung der Gesuche und den Abschluss von Verträgen ist der im BSV angesiedelte Fachbereich für Familienfragen. Diese Zuständigkeit hat sich bewährt, da das BSV auf Bundesebene für familienpolitische Geschäfte 74

Vgl. Bericht des Bundesrates «Familienpolitik. Auslegeordnung und Handlungsoptionen des Bundes» in Erfüllung des Postulats Tornare (13.3135) «Familienpolitik» vom 20. März 2013, S. 8. Kann abgerufen werden unter: www.bsv.admin.ch > Sozialpolitische Themen > Familienpolitik > Grundlagen > Bericht zur Familienpolitik.

1063

BBl 2019

zuständig ist und somit über das nötige Wissen für die Vergabe der Finanzhilfen in diesem spezifischen Bereich verfügt. Deshalb soll auch in Zukunft das BSV das Verfahren durchführen. Die Beitragsgewährung ist transparent ausgestaltet: Die Voraussetzungen für die Vergabe der Finanzhilfen sind im Gesetz definiert, ebenso die wichtigsten Grundsätze zum Verfahren. Diese werden in der Verordnung präzisiert (vgl. auch Ziff. 1.6).

5.7

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die Neuregelung der Ausbildungszulagen ab Beginn der nachobligatorischen Ausbildung ist nicht unmittelbar anwendbar. Die für die Umsetzung notwendige Delegationsnorm ist bereits im geltenden Gesetz vorhanden (Art. 27 Abs. 1 FamZG), weshalb es keiner Ergänzung bedarf.

In Bezug auf die Finanzhilfen an Familienorganisationen ermächtigt Artikel 21i Absatz 4 E-FamZG den Bundesrat zum Erlass von Ausführungsbestimmungen. In der FamZV sollen das Verfahren für die Gewährung der Finanzhilfen sowie die anrechenbaren Ausgaben geregelt werden. Zudem sollen darin die beiden Förderbereiche näher umschrieben werden (vgl. auch Ziff. 1.6.3).

5.8

Datenschutz

Für die Umsetzung der Vorlage sind weder die Bearbeitung von Personendaten noch andere Massnahmen nötig, die Auswirkungen auf den Datenschutz haben könnten.

1064