19.038 Botschaft zur Volksinitiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten» vom 14. Juni 2019

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft beantragen wir Ihnen, die Volksinitiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten» Volk und Ständen zur Abstimmung zu unterbreiten mit der Empfehlung, die Initiative abzulehnen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

14. Juni 2019

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2018-3817

5115

Übersicht Der Bundesrat beantragt dem Parlament, die Volksinitiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten» Volk und Ständen zur Ablehnung zu empfehlen. Er hat Verständnis für das Anliegen der Initiantinnen und Initianten, zu einer friedlicheren Welt beitragen zu wollen. Der von der Initiative verfolgte Ansatz sowie die vorgesehenen Massnahmen sind jedoch weder sachgemäss noch zielführend. Zudem hätte das Finanzierungsverbot negative Auswirkungen auf die Schweiz. Von diesen negativen Auswirkungen wären neben der Schweizerischen Nationalbank und Stiftungen auch Pensionskassen sowie die staatliche Vorsorge betroffen. Darüber hinaus stellt die Initiative den Finanzplatz Schweiz in Frage und schwächt die Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie.

Inhalt der Initiative Die Volksinitiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten» wurde am 21. Juni 2018 mit 104 612 gültigen Unterschriften eingereicht. Sie verlangt, dass der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Stiftungen sowie Einrichtungen der staatlichen und beruflichen Vorsorge die Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten untersagt werden soll. Der Bund soll sich ausserdem auf nationaler und internationaler Ebene dafür einsetzen, dass für Banken und Versicherungen entsprechende Bedingungen gelten. Als Kriegsmaterialproduzenten definiert die vorgesehene Verfassungsbestimmung Unternehmen, die mehr als fünf Prozent ihres Jahresumsatzes mit der Herstellung von Kriegsmaterial erwirtschaften. Vom Finanzierungsverbot explizit ausgenommen wären Geräte zur humanitären Entminung sowie Jagd- und Sportwaffen und deren zugehörige Munition. Als Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten gelten gemäss der Volksinitiative die Gewährung von Krediten, Darlehen, Schenkungen und vergleichbaren finanziellen Vorteilen, die Beteiligung an Kriegsmaterialproduzenten z. B. durch den Erwerb von Wertschriften, sowie der Erwerb von gewissen Finanzprodukten, z. B. kollektiven Kapitalanlagen oder strukturierten Produkten, die Anteile von Kriegsmaterialproduzenten enthalten.

Vorzüge und Mängel der Initiative Die Ziele der Initiative, namentlich die Bekämpfung von Fluchtursachen, die Förderung von Frieden, der Schutz der Neutralität und die Erhaltung von Voraussetzungen für eine glaubwürdige Sicherheits- und Aussenpolitik
liegen im Interesse der Schweiz. Die Schweiz engagiert sich bereits heute in vielerlei Hinsicht dafür. Ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten ist vor allem mangels Wirkung jedoch kein geeignetes Mittel. Die Initiative hätte vor allem negative Auswirkungen auf die Schweiz. Der Begriff «Kriegsmaterialproduzenten» und die gemäss Initiative zu verbietenden Finanzierungsarten sind derart breit definiert, dass eine Umsetzung mit starken Einschränkungen und negativen finanziellen Konsequenzen verbunden wäre. Gerade die Einrichtungen der staatlichen und beruflichen Vorsorge, namentlich die Pensionskassen und die Compenswiss (Ausgleichsfonds der AHV/IV/EO), müssten von ihrer heute teilweise bereits auf ethische

5116

Grundsätze bedachten Anlagestrategie in gut diversifizierte Fonds absehen und in stark eingeschränkte Anlageprodukte oder Einzeltitel investieren. Je nach Anlagestrategie hätte dies eine ungenügende Streuung der Anlagen mit einem stark erhöhten Anlagerisiko zur Folge oder wäre aufgrund eines zusätzlichen Verwaltungsaufwands mit hohen Kosten verbunden. Beides würde sich negativ auf die Anlagevermögen (namentlich die Vorsorgegelder der Pensionskassen oder die Vermögen der Ausgleichsfonds der AHV/IV/EO) auswirken. Das Verbot dürfte auch die Schweizer Finanz- und Versicherungsbranche sowie die Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM-Industrie) betreffen. Ein Finanzierungsverbot für Schweizer Banken im Sinne der Initiative würde vor allem die Vermögensverwaltung sowie das Kreditgeschäft stark einschränken, worunter die Attraktivität des Finanzplatzes Schweiz, vor allem aber auch die MEM-Industrie, zu leiden hätte.

Das Finanzierungsverbot auf internationaler Ebene, das die Schweiz anstreben soll, ist nicht realistisch. Weder im Rahmen der Vereinten Nationen noch in anderen internationalen Gremien besteht der Wille für entsprechende Bestrebungen, und eine Umsetzung eines solchen Verbots durch andere Staaten mit einer grossen Industrie ist unwahrscheinlich. Aus diesem Grund bliebe das globale Angebot an Rüstungsgütern auch nach einer Annahme der Initiative unverändert. Eine Annahme der Initiative bliebe in der Folge wirkungslos und würde weder zu einer friedlicheren Welt noch zu weniger Fluchtursachen führen. Trotzdem müsste die Schweiz die wirtschaftlichen Konsequenzen tragen ­ namentlich bei der Vorsorge.

Antrag des Bundesrates Der Bundesrat beantragt den eidgenössischen Räten mit dieser Botschaft, die Volksinitiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten» Volk und Ständen ohne direkten Gegenentwurf oder indirekten Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen.

5117

BBl 2019

Botschaft 1

Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative

1.1

Wortlaut der Initiative

Die Volksinitiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten» hat den folgenden Wortlaut: Die Bundesverfassung1 wird wie folgt geändert: Art. 107a

Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten

Der Schweizerischen Nationalbank, Stiftungen sowie Einrichtungen der staatlichen und beruflichen Vorsorge ist die Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten untersagt.

1

Als Kriegsmaterialproduzenten gelten Unternehmen, die mehr als fünf Prozent ihres Jahresumsatzes mit der Herstellung von Kriegsmaterial erzielen. Davon ausgenommen sind Geräte zur humanitären Entminung sowie Jagd- und Sportwaffen und deren zugehörige Munition.

2

3

Als Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten gelten: a.

die Gewährung von Krediten, Darlehen und Schenkungen oder vergleichbaren finanziellen Vorteilen an Kriegsmaterialproduzenten;

b.

die Beteiligung an Kriegsmaterialproduzenten und der Erwerb von Wertschriften, die durch Kriegsmaterialproduzenten ausgegeben werden;

c.

der Erwerb von Anteilen an Finanzprodukten, wie kollektiven Kapitalanlagen oder strukturierten Produkten, wenn diese Finanzprodukte Anlageprodukte im Sinne von Buchstabe b enthalten.

Der Bund setzt sich auf nationaler und internationaler Ebene dafür ein, dass für Banken und Versicherungen entsprechende Bedingungen gelten.

4

Art. 197 Ziff. 122 12. Übergangsbestimmung zu Art. 107a (Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten) Treten innerhalb von vier Jahren nach Annahme von Artikel 107a durch Volk und Stände die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen nicht in Kraft, so erlässt der Bundesrat die nötigen Ausführungsbestimmungen auf dem Verordnungsweg; diese gelten bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Bestimmungen.

1

1 2

SR 101 Die endgültige Ziffer dieser Übergangsbestimmung wird nach der Volksabstimmung von der Bundeskanzlei festgelegt.

5118

BBl 2019

Nach Annahme von Artikel 107a durch Volk und Stände dürfen keine neuen Finanzierungen gemäss Artikel 107a mehr getätigt werden. Bestehende Finanzierungen müssen innerhalb von vier Jahren abgestossen werden.

2

1.2

Zustandekommen und Behandlungsfristen

Die Volksinitiative «Für ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten» wurde am 28. März 2017 von der Bundeskanzlei vorgeprüft3 und am 21. Juni 2018 mit den nötigen Unterschriften eingereicht.

Mit Verfügung vom 18. Juli 2018 stellte die Bundeskanzlei fest, dass die Initiative mit 104 612 gültigen Unterschriften zustande gekommen ist.4 Die Initiative hat die Form des ausgearbeiteten Entwurfs. Der Bundesrat unterbreitet dazu weder einen direkten Gegenentwurf noch einen indirekten Gegenvorschlag.

Nach Artikel 97 Absatz 1 Buchstabe a des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20025 hat der Bundesrat somit spätestens bis zum 21. Juni 2019 einen Beschlussentwurf und eine Botschaft zu unterbreiten. Die Bundesversammlung hat nach Artikel 100 des Parlamentsgesetzes bis zum 21. Dezember 2020 über die Abstimmungsempfehlung zu beschliessen. Sie kann die Behandlungsfrist um ein Jahr verlängern, wenn die Voraussetzungen gemäss Artikel 105 des Parlamentsgesetzes erfüllt sind.

1.3

Gültigkeit

Die Initiative erfüllt die Anforderungen an die Gültigkeit nach Artikel 139 Absatz 3 der Bundesverfassung6:

3 4 5 6

a.

Sie ist als vollständig ausgearbeiteter Entwurf formuliert und erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Form.

b.

Zwischen den einzelnen Teilen der Initiative besteht ein sachlicher Zusammenhang. Die Initiative erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Materie.

c.

Die Initiative verletzt keine zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts.

Sie erfüllt somit die Anforderungen an die Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht.

BBl 2017 2917 BBl 2018 4545 SR 171.10 SR 101

5119

BBl 2019

2

Ausgangslage für die Entstehung der Initiative

2.1

Anlass für die Initiative

Das hinter der Initiative stehende, von der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee getragene «Bündnis für ein Verbot von Kriegsgeschäften» begründet die Initiative mit dem «aussergewöhnlichen Ausmass» der Kriegsgeschäfte in der Schweiz. Die Schweiz als neutrales Land und als Depositarstaat der Genfer Konventionen sowie als einer der grössten und bedeutendsten Finanzplätze der Welt habe die Pflicht, «Profitmaximierung auf Kosten von Menschenleben» abzulehnen und deshalb Investitionen von Banken, Versicherungen, Einrichtungen der staatlichen und beruflichen Vorsorge (erste und zweite Säule), Stiftungen sowie auch der Schweizerischen Nationalbank (SNB) in Produzenten von Kriegsmaterial zu unterbinden, da das Bündnis die Anleger als indirekte Profiteure von bewaffneten Konflikten betrachtet. Rüstungsproduzenten hätten ein finanzielles Interesse an Unsicherheit und die Aktienkurse korrelierten dementsprechend mit der Intensität von bewaffneten Konflikten oder Terroranschlägen.7 Die Kriegsmaterialgesetzgebung sieht bereits heute ein Verbot der Finanzierung von (in der Schweiz) verbotenem und auch international geächtetem Kriegsmaterial vor.

Dabei handelt es sich um atomare, biologische und chemische Waffen sowie Antipersonenminen und Streumunition. Wie im Initiativtext umfasst auch dieses Verbot die direkte Finanzierung (Gewährung von Krediten, Darlehen etc.) und die indirekte Finanzierung (u. a. das Halten von Aktien), letztere allerdings nur, wenn damit das Verbot der direkten Finanzierung umgangen werden soll. Die Initiantinnen und Initianten erachten dieses Verbot als ungenügend, da es unmöglich sei, den Vorsatz der Umgehung des Verbots der direkten Finanzierung nachzuweisen 8. Für das Initiativkomitee ist zudem der Geltungsbereich des bestehenden Finanzierungsverbots zu schmal, da konventionelle Waffen nicht davon erfasst seien. Es sieht in diesem Umstand eine Lücke, die es mit vorliegender Initiative zu füllen sucht.

Weiter begründet das Initiativkomitee die Notwendigkeit der Initiative mit den hohen Geldbeträgen, die institutionelle Anleger der Schweiz in die internationalen Finanzmärkte investieren. So verwaltete beispielsweise die SNB per Ende 2017 Aktiven in der Höhe von rund 840 Mrd. Franken, wovon knapp vier Milliarden in Wertschriften angelegt waren9. Die rund 1700 Pensionskassen in der Schweiz verwalteten 2016 Aktiven in der Höhe von etwa 820 Mrd. Franken.10

7 8 9 10

www.kriegsgeschäfte.ch > Kampagnenmaterial > Download > Argumentarium, lang, hier S. 4 und 5 (Stand 9.1.2019).

Siehe Fussnote zu Ziff. 2.1 Abs. 1, hier S. 9.

www.snb.ch > Die SNB > Jahresrechnung und Gewinn > Bilanz (Stand 9.1.2019).

www.bfs.admin.ch > Statistiken finden > 13 ­ Soziale Sicherheit > Berufliche Vorsorge > Pensionskassenstatistik 2016 (Stand 9.1.2019).

5120

BBl 2019

2.2

Bestehende Rechtsnormen

Das Kriegsmaterialgesetz vom 13. Dezember 199611 (KMG) enthält im 2. Kapitel Bestimmungen über verbotenes Kriegsmaterial. Verboten ist die Entwicklung, die Herstellung, die Vermittlung, das Erwerben, das Überlassen, die Ein-, Aus- und Durchfuhr, die Lagerung oder die anderweitige Verfügung von resp. über Kernwaffen, biologische und chemische Waffen, Antipersonenminen und Streumunition.

Anlässlich des Beitritts der Schweiz zum Übereinkommen vom 30. Mai 200812 über Streumunition (Convention on Cluster Munition, CCM) forderten zwei inhaltlich gleichlautende Motionen (Maury Pasquier 09.3618 und Hiltpold 09.3589 «Gegen die Finanzierung verbotener Waffen») 2009 die Aufnahme eines Finanzierungsverbotes solcher Waffen ins KMG. Die Motionen wurden angenommen und der Bundesrat damit beauftragt, anlässlich der Revision des KMG sowie der Ratifizierung des Übereinkommens über Streumunition eine Bestimmung in das Gesetz aufzunehmen, welches die Finanzierung von verbotenem Kriegsmaterialgeschäften unter Strafe stellt. In seiner Antwort auf die beiden Motionen stellte der Bundesrat klar, dass ein allfälliges Finanzierungsverbot aus praktischen Gründen ausschliesslich die direkte Finanzierung erfassen würde. Mit vernünftigem Aufwand sei es kaum möglich zu prüfen, ob namentlich in ausländischen Aktien angelegtes Geld nicht indirekt der Finanzierung einer nach dem KMG verbotenen Tätigkeit diene. Das Parlament folgte dieser Argumentation.

Zur Umsetzung dieser Motionen wurde schliesslich eine Bestimmung ins KMG aufgenommen, die explizit die direkte und auch die indirekte Finanzierung verbietet.

Letzteres allerdings nur, wenn es sich dabei um eine Umgehung des Verbots der direkten Finanzierung handelt. Dieses Verbot (Art. 8b und 8c KMG) und die entsprechende Strafbestimmung (Art. 35b KMG) traten 2013 in Kraft: Art. 8b

Verbot der direkten Finanzierung

Die direkte Finanzierung der Entwicklung, der Herstellung oder des Erwerbs von verbotenem Kriegsmaterial ist verboten.

1

Als direkte Finanzierung im Sinne dieses Gesetzes gilt die unmittelbare Gewährung von Krediten, Darlehen und Schenkungen oder vergleichbaren finanziellen Vorteilen zur Bezahlung oder Bevorschussung von Kosten und Aufwendungen, die mit der Entwicklung, der Herstellung oder dem Erwerb von verbotenem Kriegsmaterial verbunden sind.

2

Art. 8c

Verbot der indirekten Finanzierung

Die indirekte Finanzierung der Entwicklung, der Herstellung oder des Erwerbs von verbotenem Kriegsmaterial ist verboten, wenn damit das Verbot der direkten Finanzierung umgangen werden soll.

1

11 12

SR 514.51 SR 0.515.093

5121

BBl 2019

2

Als indirekte Finanzierung im Sinne dieses Gesetzes gilt: a.

Die Beteiligung an Gesellschaften, die verbotenes Kriegsmaterial entwickeln, herstellen oder erwerben;

b.

Der Erwerb von Obligationen oder anderen Anlageprodukten, die durch solche Gesellschaften ausgegeben werden.

Art. 35b

Widerhandlungen gegen das Finanzierungsverbot

Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer vorsätzlich und ohne dass er eine Ausnahme nach Artikel 7 Absatz 2, Artikel 8 Absatz 2 oder Artikel 8a Absatz 3 in Anspruch nehmen kann, gegen das Finanzierungsverbot nach den Artikeln 8b oder 8c verstösst.

1

2

Mit der Freiheitsstrafe kann eine Geldstrafe verbunden werden.

Nimmt der Täter die Möglichkeit einer Widerhandlung gegen das Finanzierungsverbot gemäss den Artikeln 8b oder 8c lediglich in Kauf, so macht er sich nach dieser Bestimmung nicht strafbar.

3

Letztmals setzte sich der Nationalrat mit dieser Thematik im Rahmen der Beratung der Motion Allemann (14.3253 «Kein Schlupfloch im Verbot der indirekten Finanzierung von Kriegsmaterial») auseinander. Die Motion forderte, das Verbot der indirekten Finanzierung auszuweiten und auf die Einschränkung auf einen Umgehungstatbestand zu verzichten. Die Motion wurde im Nationalrat mit 124 zu 64 Stimmen und 3 Enthaltungen abgelehnt.

3

Ziele und Inhalt der Initiative

3.1

Ziele der Initiative

Für das Initiativkomitee ist die Rüstungsindustrie mit ein Grund für bewaffnete Konflikte, Kriegsverbrechen und Fluchtursachen. Mit seiner Initiative möchte es vor allem durch die Abschaffung dieser Industrie erreichen, dass die Schweiz einen Beitrag zu einer friedlicheren Welt leistet und sicherheitspolitisch Verantwortung übernimmt. Auf internationaler Ebene habe die Schweiz keinerlei Einflussmöglichkeiten auf die Produktion von Rüstungsgütern in anderen Ländern.13 Ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten kann deshalb nach Meinung des Initiativkomitees zu einem Rückgang der Menge an Kriegsmaterial in Krisengebieten und damit zu einer friedlicheren Welt führen. Die Initiative solle ausserdem die Neutralität der Schweiz schützen, die Grundlagen für eine glaubwürdige Sicherheitsund Aussenpolitik schaffen und schliesslich der Bevölkerung ein Mitspracherecht über sogenanntes «Volksvermögen» einräumen.14

13 14

Siehe Fussnote zu Ziff. 2.1 Abs. 1, hier S. 14.

www.kriegsgeschäfte.ch > Initiative > Die Argumente (Stand 14.11.2018).

5122

BBl 2019

3.2

Inhalt der vorgeschlagenen Regelung

Der Initiativtext enthält ein Verbot, wonach die SNB, Schweizer Stiftungen, die Compenswiss (zuständig für die Verwaltung des Vermögens der Ausgleichsfonds der AH/IV/EO) sowie Schweizer Pensionskassen (und gegebenenfalls der Freizügigkeitseinrichtungen) weltweit keine Kriegsmaterialproduzenten finanzieren dürfen. Als Kriegsmaterialproduzenten definiert der Initiativtext Unternehmen, die mehr als fünf Prozent ihres Jahresumsatzes mit der Herstellung von Kriegsmaterial erzielen. Durch das Verbot in der Schweiz soll die globale Produktion von Kriegsmaterial gebremst werden, da ihr ­ so die Vorstellung der Initiantinnen und Initianten ­ wichtige finanzielle Beiträge aus der Schweiz entzogen würden15. Vom Finanzierungsverbot explizit ausgenommen sind Geräte zur humanitären Entminung sowie Jagd- und Sportwaffen und deren zugehörige Munition. Diese Güter gelten gemäss KMG ohnehin nicht als Kriegsmaterial und wären deshalb auch ohne explizite Ausnahmeregelung nicht vom Finanzierungsverbot betroffen.

Als Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten definiert der Initiativtext die Gewährung von Krediten, Darlehen, Schenkungen und vergleichbaren finanziellen Vorteilen, die Beteiligung an Kriegsmaterialproduzenten z. B. durch den Erwerb von Wertschriften, sowie den Erwerb von Anteilen an gewissen Finanzprodukten, wie kollektiven Kapitalanlagen oder strukturierten Produkten, die Anteile von Kriegsmaterialproduzenten enthalten.

Schliesslich sieht der Initiativtext ein aktives Engagement des Bundesrates sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene vor, um für Banken und Versicherungen ähnliche Regelungen umzusetzen. Diese gesonderte Bestimmung für Banken und Versicherungen begründen die Initiantinnen und Initianten damit, dass diese für Anlagen sehr schnell ins Ausland ausweichen könnten, um von dort die Finanzierungsaktivitäten weiterzuführen. Aus diesem Grund müsse sich der Bund dafür einsetzen, dass ein entsprechendes Verbot auch international gelte, wodurch auch Banken und Versicherungen weltweit die Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten verboten würde.16 Während das Finanzierungsverbot in Artikel 107a Absatz 1 direkt anwendbar wäre, müssten weitere Elemente gesetzgeberisch umgesetzt werden (z.B. Art. 107a Abs. 4 sowie allfällige Sanktionierungen bei Widerhandlungen).

3.3

Erläuterung und Auslegung des Initiativtextes

Art. 107a Abs.1 «staatliche und berufliche Vorsorge» Artikel 107a Absatz 1 des Initiativtextes nennt die SNB, Stiftungen sowie die staatliche und berufliche Vorsorge. Als staatliche Vorsorge gilt die Compenswiss und als 15 16

Siehe Fussnote zu Ziff. 2.1 Abs. 1, hier S. 18.

www.kriegsgeschäfte.ch > Initiative > Die FAQ ­ Häufig gestellte Fragen (Stand 14.11.2018)

5123

BBl 2019

berufliche Vorsorge gelten die rund 1700 Pensionskassen, die etwa 820 Mrd. Franken Vermögen verwalten.17 Gegebenenfalls könnte die berufliche Vorsorge auch die Freizügigkeitseinrichtungen einschliessen. Diese dienen dem Erhalt des Vorsorgeschutzes, wenn eine versicherte Person eine Vorsorgeeinrichtung verlässt und nicht in eine neue Vorsorgeeinrichtung eintritt. Freizügigkeitskonten werden bei Banken geführt. Vorsorgegelder, die nicht aktiv auf ein Freizügigkeitskonto transferiert werden, werden bei der Stiftung Auffangeinrichtung deponiert. Diese nationale Vorsorgeeinrichtung ist ein Auffangbecken, das jede Einzelperson aufnimmt, die weder einer Pensionskasse angehört, noch ein Freizügigkeitskonto besitzt. Als Stiftung ist letztere unmittelbar von der Initiative betroffen.

Art. 107a Abs. 2 «Kriegsmaterialproduzenten» Als Kriegsmaterialproduzenten gelten gemäss Artikel 107a Absatz 2 des Initiativtextes alle Unternehmen weltweit, die mehr als fünf Prozent ihres Jahresumsatzes mit der Herstellung von Kriegsmaterial erzielen. Die Klassifizierung eines Unternehmens als «Kriegsmaterialproduzent» ist damit dynamisch und kann sich unter Umständen von Jahr zu Jahr ändern.

Aufgrund seiner Heterogenität kann der Rüstungssektor nicht als eigenständige Branche bezeichnet werden, wodurch eine quantitative Erfassung der Rüstungsindustrie, d. h. der Anzahl Kriegsmaterialproduzenten in der Schweiz und vor allem auch im Ausland, schwierig ist. Güter, die von Schweizer Rüstungsunternehmen hergestellt werden, umfassen beispielsweise Schiesspulver, Munition, Panzer, Flugzeuge, Kleinwaffen, Hohlladungen und Flugabwehrsysteme und sind somit äusserst divers. Aufgrund der sehr tief gesetzten Hürde von fünf Prozent für die Klassifizierung als «Kriegsmaterialproduzenten» wären auch viele Unternehmen betroffen, die lediglich Einzelteile und Baugruppen herstellen oder weiterverarbeiten, d. h. nicht nur die grossen, bekannten Rüstungsunternehmen, wie die RUAG, die Rheinmetall oder die GDELS-Mowag, sondern auch Zulieferbetriebe. Auch aufgrund dieser Schranke ist es nicht möglich, die Anzahl betroffener Unternehmen zu beziffern.

Grundsätzlich ist der Grossteil der in Frage stehenden Unternehmen in der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM-Industrie) anzusiedeln, die in der Schweiz insgesamt ca. 320 000 Angestellte
beschäftigt und 13 423 Betriebe umfasst, davon 13 218 Mikrounternehmen oder KMU; das entspricht 98 % der Unternehmen in der Branche.18 Art. 107a Abs. 3 «Finanzierung» Der Begriff Finanzierung beinhaltet gemäss Initiativtext zum einen die Gewährung von Fremdkapital in Form von Krediten, Darlehen und Schenkungen oder vergleichbaren finanziellen Vorteilen, zum anderen die Bereitstellung von Eigenkapital 17 18

www.bfs.admin.ch > Statistiken finden > 13 ­ Soziale Sicherheit > Berufliche Vorsorge > Pensionskassenstatistik 2016 (Stand 9.1.2019).

www.swissmem.ch > Aktuell > Publikationen > Swissmem Panorama (Stand 9.1.2019).

5124

BBl 2019

durch finanzielle Beteiligungen an Kriegsmaterialproduzenten, etwa durch den Erwerb von Wertschriften oder anderen Finanzprodukten, wenn diese Anteile an Kriegsmaterialproduzenten enthalten (z. B. Kollektivanlagen oder strukturierte Produkte). Darunter fällt beispielsweise das Halten von Anlagefonds und börsengehandelter Fonds (Exchange Traded Funds, ETF). Bei ETF handelt es sich u. a. um Fonds, welche einen Index wie den SMI, den DAX oder den Dow Jones nachzeichnen und somit passiv verwaltet werden. Grundsätzlich können ETF wie Aktien gehandelt werden, bieten aber die Möglichkeit einer Diversifizierung zu deutlich geringeren Kosten. Mittels einer einzigen Transaktion kann in einen ganzen Markt oder Teilmarkt investiert werden. Aufgrund der tiefen Kosten und der breiten Streuung der Anlagerisiken stellen solche Fonds ein attraktives Anlagevehikel dar.

Auch in Derivate, die aus diesen Fonds oder Indizes abgeleitet werden, dürfte nicht mehr investiert werden. Der Wert von Derivaten leitet sich von einem Basisprodukt, wie einem Wertpapier, einer Anleihe oder einer Aktie ab. Derivate profitieren vom zukünftigen Anstieg oder Verfall ihres Basisproduktes. Derivate, die von Aktien von Kriegsmaterialproduzenten oder von Fonds, die Kriegsmaterialproduzenten enthalten, abgeleitet sind, wären demnach nicht mehr zulässig. Somit dürfte in einen Fonds nicht mehr investiert werden, sobald ein einziges Unternehmen wie General Dynamics, Rheinmetall, Saab, Boeing, Airbus oder (zuliefernde) KMU aus dem Rüstungssektor (weltweit), das die fünf Prozent Jahresumsatz-Hürde überschreitet, enthalten ist.

«Herstellung» Herstellung im Sinne der Initiative bezeichnet gemäss den Initiantinnen und Initianten die gewerbsmässige Neuanfertigung von Kriegsmaterial sowie die gewerbsmässige Abänderung von Kriegsmaterial an Teilen, die für dessen Funktion wesentlich sind.19 «Kriegsmaterial» Für die Definition von Kriegsmaterial verweisen die Initiantinnen und Initianten in den Initiativunterlagen auf die Kriegsmaterialgesetzgebung.20 Artikel 5 KMG bezeichnet als Kriegsmaterial Waffen, Waffensysteme, Munition und militärische Sprengmittel sowie Ausrüstungsgegenstände, die spezifisch für den Kampfeinsatz oder für die Gefechtsführung konzipiert oder abgeändert worden sind und die in der Regel für zivile Zwecke nicht verwendet werden. Des
Weiteren umfasst der Begriff auch Einzelteile und Baugruppen, sofern erkennbar ist, dass diese Teile in derselben Ausführung nicht auch für zivile Zwecke verwendbar sind. Der Initiativtext schliesst Geräte, die zur humanitären Minenräumung eingesetzt werden, sowie Jagd- und Sportwaffen, sofern sie eindeutig als solche erkennbar und nicht für Kampfhandlungen geeignet sind, explizit aus dem Geltungsbereich aus. Diese werden aber auch vom KMG nicht als Kriegsmaterial erfasst, weshalb dieser Ausnahme keine eigenständige Bedeutung zukommt.

19 20

Siehe Fussnote zu Ziff. 2.1 Abs. 1, hier S.15.

www.kriegsgeschäfte.ch > Initiative > Die FAQ ­ Häufig gestellte Fragen > «Was fällt alles unter Kriegsmaterial?» (Stand 14.11.2018).

5125

BBl 2019

Aufgrund der Verbindung zum KMG würden allfällige spätere Anpassungen an der Definition von Kriegsmaterial in Artikel 5 KMG automatisch auch den Geltungsbereich des auf Verfassungsstufe verankerten Finanzierungsverbotes verändern.

Art. 107a Abs. 3 Bst. a «Vergleichbare finanzielle Vorteile» Der Begriff «vergleichbare finanzielle Vorteile» wird bereits heute in Artikel 8b Absatz 2 KMG verwendet, in dem das Verbot der direkten Finanzierung von in der Schweiz verbotenem Kriegsmaterial geregelt ist. Im Rahmen der Genehmigung des Übereinkommens über Streumunition wurde das KMG mit einer Bestimmung zu einem Verbot der direkten und auch der indirekten Finanzierung ergänzt (vgl. Ziff.

2.2). In der Botschaft des Bundesrates vom 6. Juni 201121 zur Genehmigung des Übereinkommens über Streumunition und zu einer Änderung des KMG wurde der Begriff jedoch nicht weiter präzisiert. Er dürfte aber analog zur Kriegsmaterialgesetzgebung verwendet worden sein und dementsprechend auch den gleichen Geltungsbereich aufweisen. Damit sollen insbesondere auch zukünftige Entwicklungen im Bereich der Finanzprodukte angemessen berücksichtigt werden können.

Versicherungsdienstleistungen sind nicht vom Finanzierungsverbot erfasst. Artikel 107a Absatz 3 nennt insbesondere die Gewährung von Krediten, Darlehen und Schenkungen oder vergleichbaren finanziellen Vorteilen. Die Bezahlung einer Versicherungssumme aufgrund eines eingetretenen Schadensereignisses entspricht nicht dem genannten Geltungsbereich.

Art. 107a Abs. 4 Der Initiativtext sieht ausserdem vor, dass sich der Bund auf nationaler und internationaler Ebene dafür einsetzt, dass für Banken und Versicherungen entsprechende Regelungen gelten.

Dieser Absatz ist offen formuliert und lässt verschiedene Handlungsoptionen zu. So könnte das Verbot für Banken und Versicherungen sofort nach Annahme der Initiative gesetzgeberisch umgesetzt werden oder erst dann, wenn ein internationales Finanzierungsverbot etabliert werden konnte, an dem sich die Schweiz beteiligen will.

Ein Einsatz auf internationaler Ebene dürfte nur im Rahmen eines multilateralen Gremiums wirkungsvoll sein. Eine mögliche Umsetzung von Absatz 4 wäre eine von der Schweiz in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eingeleitete Initiative zum Entwurf von Leitsätzen ­ ähnlich wie
die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen ­, die aber auf die Thematik der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten fokussieren würden.

Ein weiteres Beispiel auf internationaler Ebene wäre eine durch die Schweiz gesponserte Initiative zur Erstellung von Richtlinien im Rahmen der Groupe d'action financière (GAFI). Die GAFI hat 2018 bereits ähnliche Richtlinien zur Eindämmung der Proliferation von Massenvernichtungswaffen herausgegeben (Guidance on 21

BBl 2011 5905

5126

BBl 2019

Counter Proliferation Financing ­ The Implementation of Financial Provisions of United Nations Security Council Resolutions to Counter the Proliferation of Weapons of Mass Destruction)22. Auch diese Richtlinien sind nicht verbindlich; sie sollen in erster Linie den unterschiedlichen Entwicklungen der Resolutionen der Vereinten Nationen gegenüber Iran und Nordkorea Rechnung tragen.

Art. 197 Ziff. 1223 Die Übergangsbestimmung zu Artikel 107a sieht vor, dass der Bundesrat die nötigen Ausführungsbestimmungen auf dem Verordnungsweg erlässt, sollten nicht innerhalb von vier Jahren nach Annahme von Artikel 107a die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen in Kraft treten. Diese Bestimmungen sollen bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Bestimmungen gültig sein. Des Weiteren dürfen nach einer Annahme von Artikel 107a keine neuen Finanzierungen mehr getätigt werden und bestehende Finanzierungen müssen innerhalb von vier Jahren nach Annahme der Initiative abgestossen werden.

4

Würdigung der Initiative

4.1

Würdigung der Anliegen der Initiative

Die Initiantinnen und Initianten beabsichtigen mit der Initiative, zu einer friedlicheren Welt beizutragen sowie Fluchtursachen zu bekämpfen, die Neutralität zu schützen und die Voraussetzungen für eine glaubwürdige Sicherheits- und Aussenpolitik der Schweiz zu erhalten24. Der Bundesrat ist jedoch der Auffassung, dass diese Ziele nicht mit dem vorgeschlagenen Finanzierungsverbot für Kriegsmaterial erreicht werden können. Die Gründe sind nachfolgend dargestellt.

4.1.1

Die Initiative leistet keinen Beitrag zu einer friedlicheren Welt

Gemäss dem Initiativkomitee leistet die Initiative einen Beitrag zu einer friedlicheren Welt. Dabei wird ein direkter Zusammenhang zwischen der finanziellen Beteiligung an Rüstungsunternehmen und Kriegsmaterialexporten in Krisengebiete impliziert. Eine Annahme der Initiative hätte jedoch kaum Einfluss auf die globale Nachfrage und das globale Angebot nach und von Rüstungsgütern, zumal ausländische Rüstungsunternehmen von einer Umsetzung kaum tangiert wären und ihre Geschäftstätigkeiten somit uneingeschränkt blieben. Zwar sieht der Initiativtext vor, dass der Bund sich national und international für entsprechende Bedingungen für Banken und Versicherungen einsetzen soll, ein internationales Verbot der Finanzie-

22 23 24

www.fatf-gafi.org > Publications > Financing of Proliferation (Stand 17.4.2019).

Die endgültige Ziffer dieser Übergangsbestimmung wird nach der Volksabstimmung durch die Bundeskanzlei festgelegt.

www.kriegsgeschäfte.ch > Initiative > Die Argumente (Stand 14.11.2018).

5127

BBl 2019

rung von Kriegsmaterialproduzenten ist jedoch nicht realistisch, da international kein Wille besteht, ein solches Verbot durchzusetzen.

Die Gründe für den Ausbruch von Gewalt in Form bewaffneter Konflikte sind oft in wirtschaftlicher Not, sozioökonomischen Ungleichheiten, Diskriminierung (auf der Grundlage von Religion, ethnischen Zugehörigkeiten etc.), repressiven politischen Systemen, fehlenden Möglichkeiten der politischen Beteiligung und der Erschöpfung von Ressourcen wie Boden- oder Wasserknappheit zu finden. Um bewaffnete Konflikte verhindern oder beilegen zu können, müssen darum insbesondere diese Ursachen angesprochen werden. Das Engagement der Schweiz in der Entwicklungszusammenarbeit, der Friedensförderung und der Menschenrechtspolitik ist zielführend, um die möglichen Ursachen von bewaffneten Konflikten zu bekämpfen, ebenso das Engagement der Schweiz im Rahmen der Abrüstung, der Rüstungskontrolle und der Non-Proliferation sowie in der Mediation.

Ferner kann die effektive Reduktion der Anzahl Waffen in einem bewaffneten Konflikt am besten durch international harmonisierte Exportkontrollen und die Sicherstellung der Einhaltung von Nichtwiederausfuhrverpflichtungen erzielt werden. Mit letzterem Instrument soll die illegitime Weitergabe von Kriegsmaterial an unerwünschte Endempfänger in Drittländern verhindert werden. Solche Harmonisierungsbestrebungen auf internationaler Ebene erfolgen etwa im Rahmen des internationalen Vertrags vom 2. April 201325 über den Waffenhandel sowie im Rahmen regionaler Export- und Importkontrollregime (z. B. Vereinbarung von Wassenaar26, Kleinwaffenkonvention der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft [Economic Community of West African States, ECOWAS]). Zur Bekämpfung von Fluchtursachen, die im Zusammenhang mit dem Zugang zu Waffen stehen, sind folglich insbesondere die genannten internationalen Instrumente zu fördern.

4.1.2

Die Initiative wird Fluchtursachen nicht bekämpfen

Gemäss Initiativkomitee bekämpft die Initiative Fluchtursachen, indem sie für weniger Waffen in Kriegsgebieten sorgt. Eine Annahme der Initiative hätte aber, wie unter Ziffer 4.1.1 erwähnt, kaum Einfluss auf das weltweite Angebot oder die weltweite Nachfrage von und nach Kriegsmaterial.

Die Initiative eignet sich daher nicht zur Bekämpfung von Fluchtursachen, unabhängig davon, ob die Fluchtursache im Zusammenhang mit einem von Waffenlieferungen angeheizten Konflikt steht oder der Flucht eine andere Ursache zugrunde liegt, wie beispielweise politische Krisen, Naturkatastrophen, Verfolgung und andere existentielle Nöte.

25 26

SR 0.518.61 www.seco.admin.ch >Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Exportkontrollen und Sanktionen > Exportkontrollpolitik Dual-Use > Die Vereinbarung von Wassenaar (WA) (Stand 17.4.2019).

5128

BBl 2019

4.1.3

Die Initiative hat keinen Einfluss auf die Schweizer Neutralität

Das Neutralitätsrecht ist ein Instrument der schweizerischen Sicherheits- und Aussenpolitik. Sie dient der Sicherung der Unabhängigkeit und der Sicherheit der Schweiz. Als neutralem Staat kommen der Schweiz im Falle eines internationalen bewaffneten Konflikts bestimmte verbindliche Rechte und Pflichten aus dem Neutralitätsrecht zu, die in den beiden Haager Konventionen vom 18. Oktober 190727 verankert sind. Der Kern dieser völkerrechtlichen Regeln besteht darin, dass die Schweiz in einem internationalen bewaffneten Konflikt einen kriegführenden Staat nicht militärisch unterstützen darf.

Gleichzeitig hat sie als neutraler Staat ein Recht auf Unverletzlichkeit ihres Staatsgebiets. In Friedenszeiten kommt der Schweiz als dauernd neutralem Staat zudem eine weitere, völkergewohnheitsrechtliche Pflicht zu. Sie darf sich nicht in eine Lage versetzen, die ihr im Falle eines zukünftigen Konfliktes die Einhaltung der Rechtspflichten verunmöglichen würde.

Sowohl Anlagen von staatlichen Vorsorgeinstitutionen als auch privatwirtschaftliche Finanzierungen tangieren die Schweizer Neutralität jedoch nicht, weshalb Investitionen in Rüstungskonzernen z. B. durch die Compenswiss, Banken oder Pensionskassen mit der Schweizer Neutralität vereinbar sind.

4.1.4

Die Initiative leistet keinen Beitrag zur Glaubwürdigkeit der Schweizer Sicherheits- und Aussenpolitik

Die Schweizer Sicherheitspolitik umfasst Massnahmen zur Vorbeugung, zur Abwehr und zur Bewältigung machtpolitisch oder kriminell motivierter Drohungen und Handlungen, die darauf ausgerichtet sind, die Schweiz und ihre Bevölkerung in ihrer Selbstbestimmung einzuschränken oder ihnen Schaden zuzufügen. Dazu kommt die Bewältigung natur- und zivilisationsbedingter Katastrophen und Notlagen.

Demgegenüber dient die Aussenpolitik der Schweiz zur Wahrung ihrer Unabhängigkeit und ihrer Wohlfahrt, zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.

Diese Grundsätze sind in Artikel 54 der Bundesverfassung festgehalten.

Sowohl im Bereich der Aussenpolitik als auch der Sicherheitspolitik wird Glaubwürdigkeit mit anderen Mitteln erreicht als einem Finanzierungsverbot für die SNB, Stiftungen, die Einrichtungen der staatlichen und beruflichen Vorsorge, Banken und Versicherungen. So verlangt eine glaubwürdige Sicherheitspolitik mitunter eine einsatzfähige Armee und kompetente Polizeikräfte. Eine glaubwürdige Aussenpolitik muss vor allem unterschiedlich gelagerte nationale Interessen konsequent gegenüber dem Ausland und einer globalisierten Welt vertreten.

27

SR 0.515.21, 0.515.22

5129

BBl 2019

Auch die Förderung von Frieden und die Einhaltung von Menschenrechten gehört zu den Prioritäten der schweizerischen Aussenpolitik. Dafür engagiert sich die Schweiz glaubwürdig bilateral sowie in zahlreichen internationalen Organisationen, wie den Vereinten Nationen28 und trägt zur Beilegung von Konflikten bei.

Zum friedensfördernden Engagement gehören u. a. die Guten Dienste und die Mediation, das Begleiten demokratischer Prozesse, das Stärken von Rechtsstaatlichkeit und das Fördern von Menschenrechten, die Prävention von gewalttätigem Extremismus und von Gräueltaten auch im Rahmen internationaler Organisationen wie der Vereinten Nationen, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa oder des Europarats. Die Schweiz engagiert sich ausserdem in verschiedenen Rüstungskontrollregimen (z. B. Vereinbarung von Wassenaar) und internationalen Abkommen (z. B. Vertrag über den Waffenhandel, Übereinkommen vom 18. September 199729 über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Anti-Personenminen und über deren Vernichtung, Übereinkommen über Streumunition), um ihre aussen- und sicherheitspolitischen Interessen durchzusetzen.

4.1.5

Die Initiative schränkt unabhängige Institutionen ein und tangiert Privatvermögen

Dass Zentralbanken zur Erfüllung ihrer geld- und währungspolitischen Aufgaben unabhängig von politischen Instanzen sein sollten, ist weltweit ein breit akzeptierter und angewandter Grundsatz. So hebt beispielsweise auch die Europäische Zentralbank (EZB) ausdrücklich hervor, dass weder die EZB noch nationale Zentralbanken oder Mitglieder der Beschlussorgane Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Europäischen Union (EU), Regierungen der EU-Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen dürfen.

Für die SNB sieht die Bundesverfassung ausdrücklich politische Unabhängigkeit vor (Art. 99 der Bundesverfassung). Eine Annahme der Initiative würde die Anlageentscheide der SNB durch Weisungen von aussen einschränken. Der SNB wäre es dadurch nicht mehr möglich, marktneutral zu investieren. Die verfassungsmässige Unabhängigkeit der SNB würde in Frage gestellt. Damit könnte auch ein Präjudiz für weitere Einflussnahmemöglichkeiten geschaffen werden und so in Zukunft dazu führen, dass Anlagen in weiteren Bereiche eingeschränkt würden, wodurch die Unabhängigkeit der SNB noch weiter beschnitten würde. Der SNB, Stiftungen, den Einrichtungen der staatlichen und beruflichen Vorsorge sowie auch Banken und Versicherungen steht es bereits heute frei, eigene Richtlinien für die Anlage der verwalteten Vermögen zu erlassen und in nachhaltige Finanzprodukte zu investieren. Einige tun dies bereits. So sind unter anderem die Pensionskassen des Bundes, der Swisscom, der SBB, der Post und der Migros sowie die Personalvorsorge des 28

29

Bericht des Bundesrates vom 09. Dezember 2016 über die Schweizer Strategie zur Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Abrufbar unter www.parlament.ch > 12.3503 «Eine Ruggie-Strategie für die Schweiz» > Bericht in Erfüllung des parlamentarischen Vorstosses (Stand 17.4.2019).

SR 0.515.092

5130

BBl 2019

Kantons Zürich und die Compenswiss Mitglieder des Schweizer Vereins für verantwortungsbewusste Kapitalanlagen (SVVK­ASIR). Diese schliessen bewusst einzelne Unternehmen wie Lockheed Martin, das u. a. Streumunition und Antipersonenminen herstellt, aus ihrem Anlageuniversum aus.

Eine 2018 von Swiss Sustainable Finance in Zusammenarbeit mit der Universität Zürich veröffentlichte Studie30, die 61 Akteure, darunter zahlreiche Pensionskassen, Banken oder Vermögensverwalter, zu ihrem Anlageverhalten befragte, konnte aufzeigen, dass bereits heute bei vielen Anlegern Nachhaltigkeitsgedanken in Investitionsentscheidungen mit einfliessen. Bei 37 % der nachhaltigen Anlagen in der Schweiz kommt das Ausschlussverfahren zur Anwendung, am häufigsten ausgeschlossen werden dabei die Produktion von und der Handel mit Waffen, sowie Tabak, Atomenergie und Unternehmen, die Menschenrechte verletzen. Es bestehen durchaus bereits Bestrebungen in diesem Bereich, die auf Eigeninitiative und -verantwortung der entsprechenden Anleger beruhen. Der wichtige Unterschied zur vorliegenden Initiative besteht dabei darin, dass keine fixe Umsatzschwelle eingehalten werden muss, sondern im Einzelfall gewählt werden kann, welche spezifischen Unternehmen ausgeschlossen werden.

2006 wurde mit den «Prinzipien für verantwortliches Investieren» (Principles for Responsible Investments) durch den ehemaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen Kofi Annan ein Investorennetzwerk angestossen, welches mit Unterstützung der Vereinten Nationen sechs Prinzipien für verantwortungsvolle Investitionen erstellt hat und diese umsetzen will. Weltweit finden sich 1200 Unterzeichner, in der Schweiz haben sich 79 Institutionen angeschlossen. Zu den Prinzipien gehört beispielsweise, dass sogenannte ESG-Kriterien (ESG = Environment Social Government) in Investmentanalyse- und Entscheidfindungsprozesse einbezogen werden oder auf eine angemessene Offenlegung dieser Themen bei den Unternehmen, in die investiert wird, geachtet werden soll. Obwohl die Prinzipien nicht verbindlich sind, wird das Instrument teilweise auch als Stein des Anstosses gesehen, der die Finanzbranche zwingt, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Viele Mitglieder der Initiative haben aufgrund dieser Prinzipien ihre Investitionen bereits auf freiwilliger Basis umgestellt. Diese
Eigenverantwortung stellt in der beruflichen Vorsorge in allen Belangen ein wichtiges Prinzip dar. Auch in Bezug auf die staatliche Vorsorge und die SNB gibt es bereits heute entsprechende Bestrebungen. So verzichtet die SNB auf Investitionen in Unternehmen, die international geächtete Waffen produzieren, grundlegende Menschenrechte massiv verletzen oder systematisch gravierende Umweltschäden verursachen. Auch in der staatlichen Vorsorge werden derartige Kriterien bereits berücksichtigt. So schliesst die Compenswiss Anlagen in Unternehmen, welche geächtete Waffen herstellen, aus ihrem Anlageuniversum aus.31

30 31

Swiss Sustainability Investment Market Study 2018. Abrufbar unter: www.sustainablefinance.ch > Our Activities > SSF Publications (Stand 17.4.2019).

Ausgleichsfonds der Alters- und Hinterlassenenversicherung, der Invalidenversicherung und der Erwerbsersatzordnung. Jahresbericht 2017 ­ Jahresbericht des Verwaltungsrats an den Bundesrat, S. 72. Abrufbar unter: www.compenswiss.ch > Jahresberichte > Jahresbericht AHV IV EO 2017 (Stand 17.4.2019).

5131

BBl 2019

Eine Annahme der vorliegenden Initiative würde die Handlungsfreiheit und die Eigenverantwortung dieser Akteure in Frage stellen und ihnen ein strenges Korsett auferlegen. Die bisherigen Bestrebungen der betroffenen Akteure zeigen auf, dass sie sich durchaus eigenverantwortlich und verantwortungsbewusst mit Fragestellungen zu ethischen, sozial- und umweltverträglichen Investitionen befassen. Eine staatliche Regulierung ist deshalb nicht notwendig und würde auch der herrschenden Auffassung widersprechen. Der SNB, aber auch den Stiftungen, den Einrichtungen der staatlichen und beruflichen Vorsorge, den Banken und den Versicherungen steht es heute frei, ihre Anlagen entsprechend ihrer eigenen Präferenzen auszugestalten.

Die vorliegende Initiative geht deutlich zu weit und verfehlt darüber hinaus ihr Ziel.

Abschliessend ist zu bemerken, dass das Initiativkomitee Regeln zum Umgang mit sogenanntem Volksvermögen einführen möchte. Als Volksvermögen kann das Geld der SNB oder das Vermögen der Ausgleichsfonds der AHV/IV/EO angesehen werden. Bei Stiftungen, Pensionskassen sowie bei Banken und Versicherungen handelt es sich aber um Privatvermögen, wodurch eine Annahme der Initiative auch dieses tangiert und deshalb als einen Eingriff in Privateigentum angesehen werden kann.

4.2

Auswirkungen der Initiative bei einer Annahme

Der Initiativtext enthält klare Definitionen der verbotenen Finanzierungsarten sowie derjenigen Unternehmen, die nicht mehr finanziert werden dürfen. Was Investitionen der SNB, von Stiftungen und den Einrichtungen der staatlichen und beruflichen Vorsorge anbelangt, müsste auf direkte Investitionen in Unternehmen verzichtet werden, die mehr als fünf Prozent ihres Umsatzes mit der Herstellung von Kriegsmaterial erwirtschaften. Ebenso wäre von Investitionen in Anlageprodukte wie Fonds und Derivate abzusehen, wenn die Möglichkeit besteht, dass diese z. B.

Aktienanteile eines Unternehmens enthalten, das mehr als fünf Prozent seines Umsatzes mit der Herstellung von Kriegsmaterial erwirtschaftet.

Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass es zwar immer mehr einzelne Fonds gibt, die keine Unternehmen enthalten, die in der Rüstungsindustrie tätig sind. Diese funktionieren i. d. R. aber nach dem Prinzip der Inklusion und nicht der Exklusion.

Dies bedeutet, dass Fonds kreiert werden, die selektiv nur Unternehmen einschliessen, die als «ethisch vorbildlich» eingestuft werden. Damit fokussieren sich diese Fonds auf einzelne Unternehmen und verzichten darauf, gesamte Branchen oder Märkte abzubilden. Dabei besteht zwangsläufig die Gefahr einer ungenügenden Streuung der Risiken. Andere «nachhaltige» Fonds, die nach dem Prinzip der Exklusion funktionieren, schliessen lediglich einzelne bekannte Hersteller von Streumunition, Antipersonenminen oder atomaren, biologischen und chemischen Waffen aus.

Wo der Ausschluss von einzelnen wenigen Titeln von Unternehmen, die z. B. geächtete Waffen wie Antipersonenminen produzieren, noch überschaubar ist, müsste im Falle einer Annahme der Initiative jeder einzelne Titel in einem Fonds immer wieder aktiv daraufhin überprüft werden, ob das Unternehmen nicht mehr als fünf Prozent seines Umsatzes mit der Herstellung von Kriegsmaterial erwirtschaftet. Ein Index wie der MSCI World enthält aber über 1600 Titel aus 23 Ländern, darunter Kon5132

BBl 2019

zerne mit diversen Tochtergesellschaften. Ein globales Anlageportfolio enthält darüber hinaus in der Regel auch Aktien von kleinkapitalisierten Unternehmen und solchen in Schwellenländern, womit ein Portfolio teils mehrere Tausend Unternehmen enthält. Mit Annahme der Initiative müssten die SNB, Stiftungen, Pensionskassen und die Compenswiss jährlich eine vertiefte und schwierige Prüfung der Portfolios und der in den verbleibenden Fonds enthaltenen Titel durchführen, was kaum mit vernünftigem Aufwand umgesetzt werden könnte.

Ein weltweites Verzeichnis von Unternehmen, die mehr als fünf Prozent ihres Jahresumsatzes mit der Herstellung von Kriegsmaterial erwirtschaften, gibt es nicht. In der Regel werden solche Daten von kommerziellen Anbietern bereitgestellt. Diese müssten jedoch genau die für die Schweizer Gesetzgebung relevanten Kriterien anwenden. Für eine Rechtfertigung dieses Mehraufwands ist der Schweizer Markt jedoch zu klein. Zudem müssten entsprechende Listen jährlich angepasst werden, da der Anteil von Kriegsmaterial am Gesamtumsatz eines Unternehmens variieren kann. Es ist daher unwahrscheinlich, dass globale Anbieter ihr Angebot an Fonds bei einer Annahme der Initiative in der Schweiz anpassen.

Eine Annahme der Initiative würde daher den Zugang zu den grössten und dadurch im Regelfall auch liquidesten und kostengünstigsten ETF und börsengehandelten Derivaten (Exchange Traded Derivatives, ETD)verwehren. Dadurch würde sich mit einer Annahme der Initiative das verfügbare Anlageuniversum deutlich reduzieren.

Sowohl ETF als auch ETD beruhen zu einem grossen Teil auf den bekanntesten Börsenindizes, die auch Industrieunternehmen und damit Kriegsmaterialproduzenten (wie von der Initiative definiert) beinhalten. Die Auswahl an ETF, bei denen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass keine Anteile eines Kriegsmaterialproduzenten enthalten sind, ist klein und beschränkt sich auf wenige Branchen. Anlagen in allgemein erhältliche ETF oder Indexderivate, die einen bestimmten Index abbilden (z. B. S&P 500, MSCI World, SMI, DAX, Dow Jones, Nikkei), wären nicht mehr zulässig, da diese die unterschiedlichsten Unternehmen aus verschiedenen Branchen beinhalten (i. d. R. auch Kriegsmaterialproduzenten gemäss Definition der Initiative).

Auch die korrekte Abbildung
von Konzernstrukturen würde wohl zu Schwierigkeiten führen. So ist unklar, ob beispielsweise die Finanzierung von Tochtergesellschaften, die nur mit zivilen Tätigkeiten befasst sind, ebenfalls ausgeschlossen wäre, wenn die Muttergesellschaft die fünf Prozent Hürde überschreitet.

Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen wird nachfolgend auf die konkreten Auswirkungen auf die vom Verbot betroffenen Akteure eingegangen.

5133

BBl 2019

4.2.1

Auswirkungen auf die SNB

Die Tätigkeiten der SNB sind im Nationalbankgesetz vom 3. Oktober 200332, und in den selbst auferlegten «Richtlinien der Schweizerischen Nationalbank für die Anlagepolitik»33 geregelt. Sie ist gemäss Artikel 6 des Nationalbankgesetzes in der Wahrnehmung ihrer geld- und währungspolitischen Aufgaben zur Unabhängigkeit verpflichtet und darf weder vom Bundesrat noch von der Bundesversammlung oder von anderen Stellen Weisungen einholen oder entgegennehmen. In der Vergangenheit hat sich diese Praxis bewährt, was sich u. a. in der Preisstabilität in der Schweiz geäussert hat.

Die SNB steht grundsätzlich unter dem Primat der Geldpolitik; die Aktienanlagen tragen in diesem Rahmen zum langfristigen realen Werterhalt der Währungsreserven und deren Stabilisierung bei. Aus diesem Grund strebt die SNB ausschliesslich finanzielle und keine strategischen Ziele in Bezug auf die Politik einzelner Unternehmen an und möchte keine künstliche Steigerung der Kurse erreichen. Deshalb investiert die SNB breit und marktschonend und so marktneutral wie möglich.

Vor diesem Hintergrund werden Aktien lediglich passiv bewirtschaftet, indem eine Kombination von Indizes nachgebildet wird. Trotzdem werden bereits heute einzelne Unternehmen aus den Investitionen der SNB ausgeschlossen, die grundlegende Menschenrechte massiv verletzen, systematisch gravierende Umweltschäden verursachen oder international geächtete Waffen herstellen (i. d. R. Streumunition, Antipersonenminen sowie chemische und biologische Waffen). Für die SNB ist das wichtigste Element zur Steuerung der Risiken eine breite Diversifikation der Anlagen. Ein verfassungsmässiger Zwang zum Ausschluss verschiedener Unternehmen würde dieses Prinzip der marktneutralen und marktschonenden Investitionen in Frage stellen und die Gefahr bergen, dass der Wert einzelner Unternehmen durch die Anlagen der SNB verändert und der Markt dadurch verzerrt wird.

4.2.2

Auswirkungen auf Stiftungen

Bei einer Annahme der Initiative wären Stiftungen vor allem von der eingangs dargelegten Einschränkung für die Anlage des Stiftungsvermögens betroffen (vgl.

Ziff. 4.2). Insbesondere für kleinere Stiftungen mit einem geringeren Stiftungsvermögen sind niedrige Verwaltungskosten und eine hohe Risikodiversifikation jedoch von grosser Bedeutung, weshalb ETF ein gutes Investitionsmittel darstellen. Passiv verwaltete Indexfonds bieten eine gute Risikodiversifikation mit geringen Verwaltungskosten; sie können aber auch Anteile an Unternehmen enthalten, die nach der Definition in Artikel 107a Absatz 2 des Initiativtextes als Kriegsmaterialproduzenten gelten.

Bei Stiftungen handelt es sich genaugenommen auch nicht um Volksvermögen, für welches das Initiativkomitee eine Mitsprache fordert.

32 33

SR 951.11 www.snb.ch > Die SNB > Rechtliche Grundlagen > Richtlinien und Reglemente > Richtlinien für die Anlagepolitik (Stand 17.4.2019).

5134

BBl 2019

4.2.3

Auswirkungen auf Pensionskassen

Die Pensionskassenstatistik 2016 des Bundesamtes für Statistik (erschienen 2018)34 wies für das Jahr 2016 1713 Vorsorgeeinrichtungen aus. Diese verwalteten Beiträge in der Höhe von rund 820 Mrd. Franken von ca. 4,09 Mio. Versicherten. Für diese Institutionen stellen ETF ebenfalls eine geeignete und weitverbreitete Möglichkeit dar, Anlagerisiken kostengünstig breit zu streuen sowie gute Ertragschancen zu relativ niedrigen Kosten zu ermöglichen, da die Fonds nicht aktiv verwaltet werden müssen. Eine Annahme der Initiative würde diese Investitionen erschweren. Pensionskassen, die Gelder von Angestellten von Kriegsmaterialproduzenten verwalten, dürften zudem nicht in die Arbeitgeber dieser Angestellten investieren und müssten bei einer Annahme der Initiative Aktien des Arbeitgebers der Versicherten abstossen.

Pensionskassen werden auf der Grundlage des Bundesgesetzes vom 25. Juni 198235 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge beauftragt, ihre Vermögen so zu verwalten, dass Sicherheit und ein genügender Ertrag sowie eine angemessene Verteilung der Risiken gewährleistet sind, um ihre Versicherten und ihre Rentenbeziehenden vor den wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität und Tod zu schützen.

Gemäss der Pensionskassenstudie 2018 von Swisscanto36 investierten die befragten Pensionskassen 2017 durchschnittlich zu rund 28 % in Indexanlagen. Bei einem verwalteten Gesamtvermögen von etwa 820 Mrd. Franken entspricht dies ca. 230 Mrd. Franken, die Schweizer Pensionskassen in Indexanlagen investieren. Dieser Anteil ist in den letzten Jahren stetig angestiegen; 2008 betrug er noch rund 19 %, womit ein Anstieg von 47 % über 10 Jahre verzeichnet wurde. Dieser Trend dürfte sich auch in Zukunft fortsetzen.

Letztlich ist festzuhalten, dass es sich auch bei Pensionskassengeldern um Privatvermögen handelt, das im Falle einer Annahme der Initiative staatlichen Eingriffen unterstellt würde.

4.2.4

Auswirkungen auf AHV/IV/EO

In Bezug auf die eidgenössische Alters-, Hinterlassen-, und Invalidenversicherung beträfe eine Annahme der Initiative die Compenswiss, die das Vermögen der Ausgleichsfonds der AHV, der IV und der EO verwaltet. Artikel 3 des Ausgleichsfondsgesetzes vom 16. Juni 201737 verpflichtet die Compenswiss, ihre Aktiven so zu bewirtschaften, dass das bestmögliche Verhältnis zwischen Sicherheit und marktkonformem Ertrag gewährleistet ist. Verantwortlich für die Vermögensanlage und die Risikobeurteilung ist der Verwaltungsrat (Art. 8 Abs. 1 Bst. b des Ausgleichs34 35 36 37

Siehe Fussnote zu Ziff. 2.1 Abs. 3.

SR 831.40 www.swisscanto.com > Institutionelle & Pensionskassen > Vorsorgen > Pensionskassenstudie > Schweizer Pensionskassenstudie 2018 (Stand 17.4.2019).

SR 830.2

5135

BBl 2019

fondsgesetzes). Das Finanzierungsverbot würde auch die Compenswiss in ihrer autonomen Anlagepolitik und ihren Möglichkeiten zur Risikodiversifikation einschränken. Des Weiteren berücksichtigt die Compenswiss bei ihrer Anlagetätigkeit bereits heute eigenständig Kriterien bezüglich Ethik und Nachhaltigkeit und ist Gründungsmitglied des SVVK­ASIR (vgl. Ziff. 4.1.5).

Eine Annahme der Initiative würde die Compenswiss damit vor die gleichen Probleme stellen wie Pensionskassen und Stiftungen, was schlussendlich die Vermögenserträge zugunsten der drei Sozialversicherungen schmälern würde.

4.2.5

Auswirkungen auf Banken und Versicherungen

Der Initiativtext verlangt vom Bund, dass er sich auf nationaler und internationaler Ebene dafür einsetzt, dass für Banken und Versicherungen «entsprechende Bedingungen» gelten. Eine Umsetzung könnte auch Banken und Versicherungen die in Artikel 107a Absatz 3 des Initiativtextes genannten Finanzierungen von Kriegsmaterialproduzenten verbieten. Möglich wäre aber auch eine weniger weitreichende Umsetzung.

Ein internationales Verbot hinge vom Willen der internationalen Staatengemeinschaft ab. Weder im Rahmen der Vereinten Nationen noch in anderen internationalen Gremien besteht ein derartiges Interesse. Damit ist ein internationales Finanzierungsverbot im Sinne der Initiative auch längerfristig wenig wahrscheinlich.

Eine autonome Umsetzung des Verbots in der Schweiz hätte zur Folge, dass sie ihrem Finanzplatz Investitionen in gängige Finanzprodukte verbieten und ihn so in seiner Wirtschaftsfreiheit einschränken würde. Dies würde zu einer deutlichen Schwächung gegenüber der ausländischen Konkurrenz führen. Eine Abwanderung der entsprechenden Geschäftsfelder (z. B. Vermögensverwaltung in Banken und Versicherungen) ins Ausland wäre ein wahrscheinliches Szenario.

Im Ergebnis könnte die Annahme der Initiative Banken und Versicherungen vor ähnliche Herausforderungen stellen wie die SNB, Stiftungen sowie die berufliche und die staatliche Vorsorge. Hinzu kämen Einschränkungen für Banken bei der Kreditvergabe. Sie wären verpflichtet, vertiefte Nachforschungen über Kreditantragsstellerinnen und -steller einzuholen. Während Schweizer Firmen u. U. bereit wären, für einen Kredit ihrer Bank entsprechende Umsatzzahlen offenzulegen, muss dies bei ausländischen Firmen bezweifelt werden. Ausländische Firmen würden im Ausland einfacher Kredite erhalten und hätten einen Anreiz, den Schweizer Banken den Rücken zu kehren.

Die sehr tief gesetzte Hürde von fünf Prozent dürfte dazu führen, dass insbesondere KMU in Abhängigkeit der Geschäftslage einer dynamischen Einstufung als Kriegsmaterialproduzenten gemäss Definition der Initiative unterliegen, die sich von Jahr zu Jahr ändern könnte. Um sicherzustellen, dass Kredite an keine Unternehmen vergeben werden, die in naher Zukunft die fünf-Prozent-Schwelle übersteigen und somit als Kriegsmaterialproduzenten gelten, dürften Banken den entsprechenden Schwellenwert tiefer ansetzen. Dies hätte auch Auswirkungen auf Unternehmen, die

5136

BBl 2019

permanent unter fünf Prozent bleiben und somit von der Initiative eigentlich gar nicht betroffen wären.

Falls Freizügigkeitseinrichtungen auch als Teil der beruflichen Vorsorge zu verstehen sind, wären auch Banken von einer Annahme der Initiative direkt betroffen.

4.2.6

Auswirkungen auf die MEM-Industrie

Betroffen wären schliesslich auch die Schweizer Rüstungsunternehmen sowie, je nach Umsatzzahlen, die zuliefernden KMU. Zum einen, weil vor allem die SNB, Stiftungen und die Einrichtungen der staatlichen und beruflichen Vorsorge ihre Firmenanteile nicht mehr halten dürften (Finanzierung durch Eigenkapital), zum anderen, weil sie keine Kredite und dergleichen von Schweizer Banken mehr erhalten könnten (Finanzierung durch Fremdkapital).

Genaue Zahlen über die Auswirkungen der Initiative auf Rüstungsunternehmen und Zulieferer auf Schweizer Territorium liegen nicht vor. Die Schwierigkeit der Bezifferung der Auswirkungen besteht insbesondere darin, dass der Rüstungssektor aufgrund seiner Heterogenität nicht als eigenständige Branche bezeichnet werden kann und gerade bei KMU die Zuteilung über die Jahre variieren kann. Grundsätzlich ist aber der Grossteil der in Frage stehenden Unternehmen in der MEMIndustrie anzusiedeln, die insgesamt ca. 320 000 Angestellte beschäftigt und 13 423 Betriebe, davon 13 218 Mikrounternehmen und KMU (was 98 % der Unternehmen in der Branche entspricht), umfasst.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen auf grössere Unternehmen, wie die Rheinmetall Air Defence oder die GDELS-Mowag, die zu internationalen Grosskonzernen gehören, würden wahrscheinlich gering ausfallen, da diese relativ einfach auf eine Finanzierung aus dem Ausland ausweichen könnten. Weil für die Abwicklung der Geschäfte aber immer auch lokale Banken benötigt werden, würde das Tagesgeschäft deutlich aufwändiger. Auch für diese grösseren Unternehmen der Rüstungsindustrie würde sich deshalb die Attraktivität des Standorts Schweiz reduzieren.

Die Initiative zielt jedoch nicht nur auf die klassischen Rüstungsunternehmen wie die oben genannten, sondern auch auf Hersteller von Baugruppen und Einzelteilen, denn der Initiative wird die Definition von «Kriegsmaterial» in Artikel 5 KMG zugrunde gelegt. Dadurch werden auch Unternehmen tangiert, die lediglich Einzelteile und Komponenten von Kriegsmaterial herstellen oder weiterverarbeiten und als Zulieferer für eigentliche Rüstungsunternehmen im In- und Ausland tätig sind.

Dabei handelt es sich grösstenteils um KMU aus der MEM-Industrie, denen wichtige finanzielle Möglichkeiten entzogen würden, weil sie in den meisten Fällen durch Schweizer Finanzintermediäre zu einem Teil
fremdfinanziert sein dürften.

Regelmässig stellen Produzenten von Kriegsmaterial auch Dual-Use-Güter, die sowohl im militärischen als auch im zivilen Bereich eingesetzt werden, sowie rein zivile Industriegüter her. Ein Finanzierungsverbot würde demnach auch Auswirkungen auf die Produktion dieser Güter haben, da auch den zivilen Sparten dieser Unternehmen der Zugang zu Krediten erschwert würde.

5137

BBl 2019

Die oben erwähnte dynamische Klassifizierung als Kriegsmaterialproduzent durch die Umsatzschwelle von fünf Prozent kann aufgrund von unterschiedlichen Auftragslagen und allfälligen Grossaufträgen im Rüstungsbereich dazu führen, dass ein Unternehmen nur in einzelnen Jahren bei entsprechender Auftragslage im Rüstungsbereich als Kriegsmaterialproduzent gilt. Dies hätte zur Folge, dass sich für die betroffenen Unternehmen die Möglichkeit der Inlandsfinanzierung stetig ändern könnte. Dies beträfe insbesondere KMU, die unregelmässig in die Produktion von Kriegsmaterial (z. B. Einzelteile und Baugruppen zu grösseren Systemen) eingebunden sind.

Schweizer Rüstungsunternehmen und KMU, die gelegentlich in die Wertschöpfungskette von Rüstungsunternehmen eingebunden werden, würden von der Finanzierung durch Schweizer Banken ausgeschlossen. Die Finanzierung via Banken im Ausland stünde ihnen zwar auch nach Annahme der Initiative offen. Allerdings dürften der Wegfall der Inlandsfinanzierung und die damit verbundene Notwendigkeit, für Kredite und Darlehen ins Ausland auszuweichen, zu höheren Kosten für die Finanzierung führen. Andernfalls müssten sie auf Kurzzeitfinanzierung zu deutlich schlechteren Konditionen ausweichen. Man kann davon ausgehen, dass die Unternehmen dies mit einem Anstieg ihrer Preise kompensieren müssten, was wiederum mit einem Wettbewerbsnachteil verbunden wäre. Dies würde die Standortattraktivität der Schweiz vor allem für KMU der MEM-Industrie schwächen.

4.2.7

Auswirkungen auf die RUAG

Laut Initiativkomitee wäre die RUAG als privatrechtliche Aktiengesellschaft im Eigentum des Bundes nicht tangiert, da sie durch die Eidgenossenschaft finanziert wird (Eigenkapital) und damit von den Regelungen nicht betroffen wäre. Kredite (Fremdkapital) von Schweizer Banken könnte jedoch unter Umständen auch sie keine mehr erhalten, da den Schweizer Banken die Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten verboten würde. Bei einer allfälligen Privatisierung (von Teilbereichen) der RUAG, für die der Bundesrat mit Entscheid vom 27. Juni 2018 einen Prüfauftrag an den Verwaltungsrat erteilt hat38, wäre sie ebenso wie andere Rüstungsunternehmen und Produzenten von Kriegsmaterial vom Finanzierungsverbot betroffen.

Im März 2019 beschloss der Bundesrat, die heutige RUAG zu entflechten und den international tätigen Geschäftsbereich weiterzuentwickeln. Unter dem Dach einer neuen Beteiligungsgesellschaft (BGRB Holding AG) entstehen auf den 1. Januar 2020 zwei neue Subholdings, nämlich die RUAG MRO Holding AG, die vorwiegend für das VBS und die Armee tätig sein wird, und die RUAG International AG, die sich auf die Geschäftsbereiche Aerostructures und Space ausrichten wird und mit der Zeit vollständig privatisiert werden soll.

38

Vgl. Medienmitteilung des Bundesrates «RUAG: Bundesrat genehmigt Konzept zur Entflechtung» vom 27. Juni 2018.

5138

BBl 2019

4.2.8

Auswirkungen auf die Schweizer Armee

Zum Zweck der Verteidigung staatlicher Souveränität ist Kriegsmaterial für die Versorgung der eigenen Armee ein zwingender Bestandteil eigener Verteidigungsanstrengungen. Eine leistungsfähige technologische und industrielle Basis ist in vielen Staaten eine Komponente der Rüstungspolitik und somit auch der Sicherheitsund Verteidigungspolitik. Gerade die Schweiz muss diesen Aspekt berücksichtigen, weil sie als neutraler Staat, der keiner Verteidigungsallianz angehört, keinen Anspruch auf militärische Unterstützung durch andere Staaten hat. Forschungseinrichtungen und Unternehmen, die in der Schweiz über Kompetenzen, Fähigkeiten und Kapazitäten im sicherheits- und wehrtechnischen Bereich verfügen, bilden die sicherheitsrelevante Technologie- und Industriebasis (STIB). Damit gehören etliche Unternehmen der oben erwähnten MEM-Industrie, wie auch die RUAG, zur STIB der Schweiz. In den Grundsätzen des Bundesrates für die Rüstungspolitik des VBS vom 24. Oktober 201839 wird bekräftigt, dass die heimische STIB gefördert und insbesondere deren Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden soll. Die Annahme der Initiative würde die Wettbewerbsfähigkeit der STIB-Unternehmen und damit auch die Sicherheit der Schweiz schwächen.

Auch wenn sich Kriegsmaterialproduzenten in der Schweiz aus dem Ausland finanzieren könnten, dürfte der Standort Schweiz für betroffene Unternehmen weiter an Attraktivität verlieren, was u. U. mit Verlagerungen ins Ausland verbunden sein könnte. Damit würde die Versorgungssicherheit der Armee geschwächt und die einseitige Abhängigkeit vom Ausland bei Beschaffungsvorhaben erhöht.

Schweizerische Kriegsmaterialproduzenten müssten sich nach Annahme einer Initiative vermehrt über ausländische Banken finanzieren. Dies würde zu höheren Kapitalkosten führen, da ausländische Kredite und Darlehen mit höheren Gebühren verbunden sind und Wechselkursrisiken getragen werden müssten. Solche Zusatzkosten dürften mindestens zum Teil auf die Kunden überwälzt werden, zu welchen auch die Schweizer Armee gehört. Wie weit sich die Kosten für die Schweizer Armee dadurch erhöhen würden, lässt sich nicht abschätzen.

4.2.9

Weitere Auswirkungen

Ganz allgemein könnte eine Annahme der Initiative eine präjudizielle Wirkung entfalten. So könnte beispielsweise in Zukunft die Schaffung eines Finanzierungsverbots nach dem Beispiel der hier diskutieren Initiative für weitere Bereiche wie Alkohol, Agrochemie, Glücksspiele, Gentechnik, Tabak, Ressourcen (Erdöl, Wasser, seltene Erden) lanciert werden. Derartige Verbote würden den Handlungsspielraum institutioneller Anleger wie Pensionskassen noch weiter einschränken. Ein Beispiel dafür ist die Motion Gysi vom 19. März 2014 (14.3123 «Schutz der Anlagen der öffentlichen Hand sowie des Klimas»), mit welcher der Bundesrat beauftragt werden sollte, die gesetzlichen Grundlagen dahingehend zu ändern, dass die Bundestresorerie sowie öffentlich-rechtliche Anstalten wie die Suva und der AHVFonds (heute Compenswiss) keine Anlagen in Konzerne mehr tätigen dürften, die 39

BBl 2018 7253

5139

BBl 2019

fossile Energieträger wie Erdöl, Erdgas oder Kohle fördern oder entsprechende Rohstoffreserven besitzen. Die Motion wurde abgeschrieben, nach dem sie vom Bundesrat mangels Wirkung und aufgrund ihrer Unverhältnismässigkeit zur Ablehnung beantragt und nicht innert zwei Jahren abschliessend im Rat behandelt wurde.

In eine ähnliche Richtung ging die parlamentarische Initiative Thorens Goumaz vom 15. Juni 2017 (17.455 «Verfassungsgemässe Geschäfte der SNB im Zeichen der Nachhaltigkeit»). Diese wollte Artikel 5 des Nationalbankgesetztes, der vorgibt, dass die SNB im Gesamtinteresse des Landes handelt, mit einem fünften Absatz zu ergänzen, wonach die SNB die allgemeine Wirtschaftspolitik des Bundes im Hinblick darauf unterstützen sollte, einen Beitrag zur Erfüllung des in Artikel 2 BV festgeschriebenen Zwecks zu leisten. Die Initiative bezog sich insbesondere auf die Förderung der nachhaltigen Entwicklung und der dauerhaften Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen. Der Nationalrat lehnte die Initiative ab, nachdem bereits die zuständige Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates die Initiative mit der Begründung abgelehnt hatte, die Unabhängigkeit der SNB solle garantiert und kein Präjudiz geschaffen werden.

4.3

Vorzüge und Mängel der Initiative

Die Ziele der Initiative, namentlich die Bekämpfung von Fluchtursachen, die Förderung von Frieden, der Schutz der Neutralität sowie die Erhaltung von Voraussetzungen für eine glaubwürdige Sicherheits- und Aussenpolitik liegen im Interesse der Schweiz. Mangels Kausalität würde die Initiative diese Ziele jedoch kaum fördern, im Gegenzug aber negative Konsequenzen für die Schweiz nach sich ziehen.

Die Initiative strebt ein Finanzierungsverbot für die SNB, Stiftungen, die Einrichtungen der staatlichen und beruflichen Vorsorge, Banken und Versicherungen an.

Während der Initiativtext eine gewisse Flexibilität bei der Umsetzung des Verbots für Banken und Versicherungen gewährt, legt er alle weiteren Parameter des Verbots für die SNB, Stiftungen und die Einrichtungen der staatlichen und beruflichen Vorsorge bereits fest. So sind die vom Verbot betroffenen Unternehmen («Kriegsmaterialproduzenten») dynamisch definiert und die verbotenen Finanzierungstätigkeiten im Einzelnen benannt. Damit wird dem Bundesrat und dem Parlament die Möglichkeit einer verhältnismässigen Umsetzung weitgehend verwehrt.

Das Finanzierungsverbot der Initiative gilt nicht nur gegenüber Schweizer Rüstungsunternehmen, sondern auch gegenüber Unternehmen im Ausland. Alleine im Bereich der Kleinwaffen geht das in Genf ansässige Institut Small Arms Survey von mehreren tausend Produzenten weltweit aus40. Hinzu kommen Hersteller von grösseren Waffensystemen wie Rheinmetall und Boeing sowie zahlreiche Zulieferbetriebe, die Einzelteile und Baugruppen herstellen. Alleine in Frankreich beispielsweise sind etwa 4000 KMU und Entreprises de taille intermédiaire (Unternehmen mit 250 bis 4999 Mitarbeitenden und einem Umsatz von weniger als 1,5 Mrd. Euro) an der Wertschöpfungskette für Rüstungsgüter beteiligt41. Weltweit alle betroffenen Unter40 41

www.smallarmssurvey.org > Weapons and Markets > Producers (Stand 19.03.2019).

Rapport au Parlement 2018 sur les exportations d'armement de la France, S. 9. Abrufbar unter: www.defense.gouv.fr > Médiathèque > Publications (Stand 17.4.2019).

5140

BBl 2019

nehmen zu identifizieren, um sie schliesslich auch von der indirekten Finanzierung (z. B. via Fonds) ausschliessen zu können, ist kaum möglich. Zudem müsste eine jährliche Neubeurteilung zumindest eines Teils der Unternehmen vorgenommen werden, da Kriegsmaterialproduzenten anhand ihres Jahresumsatzes definiert sind und sich dieser von Jahr zu Jahr ändern kann.

Von einem Finanzierungsverbot betroffen wären schliesslich auch Investitionen in Mischkonzerne wie Boeing oder Airbus, die neben der Herstellung von Flugzeugen für die zivile Luftfahrt auch in der militärischen Luft- und Raumfahrt tätig sind.

Diese zwei Unternehmen sind Marktführer bei der Herstellung von kommerziellen Flugzeugen. So hat Airbus bereits über 10 000 Flugzeuge für die zivile Luftfahrt ausgeliefert; das Unternehmen produziert aber auch Tank- und Transportflugzeuge für militärische Zwecke und ist an der Produktion des Eurofighter Typhoon beteiligt, der mittlerweile in den Luftwaffen neun verschiedener Länder eingesetzt wird.

Boeing hat bis heute mehr als 18 000 kommerzielle Flugzeuge ausgeliefert, produziert jedoch auch militärische Helikopter, Kampfjets, wie den F-15 Eagle und den F/A-18 Super Hornet, Raketen und Waffensysteme. Dies verdeutlicht, dass Unternehmen, insbesondere internationale Konzerne, nicht immer als Kriegsmaterialproduzenten erkennbar sind, was Abgrenzungen erschwert.

Ein Verbot, wie es die Initiative fordert, wurde in der Praxis noch nirgendwo erprobt. Nicht einmal der vom Initiativkomitee als Vorreiter gelobte Norwegische Staatsfonds wagt eine derart prohibitive Anlagestrategie, wie sie die Initiantinnen und Initianten fordern. Der Norwegische Staatsfonds investiert die staatlichen Öleinnahmen Norwegens, um damit Vorsorgen für die Zeit zu treffen, in der die Erdölreserven in der Nordsee zur Neige gehen. Er ist mit einem momentan verwalteten Vermögen von rund 920 Mrd. US-Dollar der grösste Staatsfonds der Welt und verpflichtet sich selbst zu einer ethischen Anlagestrategie. Zur Umsetzung der ethischen Anlagestrategie führt er eine Liste mit derzeit 169 Unternehmen 42, die von Investitionen ausgeschlossen werden. Produzenten von konventionellem Kriegsmaterial befinden sich nicht auf dieser Ausschlussliste. Während der freiwillige Ausschluss von einzelnen, spezifischen Unternehmen aus dem Anlageuniversum
eines Staatsfonds oder einer Pensionskasse grundsätzlich praxistauglich ist und auch von vielen Schweizer Pensionskassen bereits praktiziert wird, wäre das Finanzierungsverbot der Initiative nur mit unverhältnismässig hohem Aufwand und der Inkaufnahme erhöhter Anlagerisiken umsetzbar. Anstelle von 169 Unternehmen, die der Norwegische Staatssfonds ausschliesst, müssten die SNB, Stiftungen und die Einrichtungen der staatlichen und beruflichen Vorsorge tausende von Unternehmen aus ihren Anlageportfolios ausschliessen und jedes Jahr sicherstellen, dass der Anteil der Kriegsmaterialproduktion an ihrem Umsatz nicht mehr als fünf Prozent beträgt.

Schliesslich ist zu erwähnen, dass der Norwegische Staatsfonds aufgrund seiner restriktiven Anlagestrategie in der Zeitperiode 2006­16 einen Minderertrag von rund 1,42 Mrd. US-Dollar verbuchen musste (verglichen mit dem Ertrag, den der Fonds im gleichen Zeitraum ohne diese restriktiven Kriterien erzielt hätte43). Damit werden 42 43

www.nbim.no > Responsibility > Excluded Companies (Stand 14.11.2018).

Fouche, Gwladys (2017): «Norway's wealth fund says ethic profile has cost $ 1.4 billion in a decade». Abrufbar unter: www.reuters.com (Stand 14.11.2018).

5141

BBl 2019

die realwirtschaftlichen Konsequenzen deutlich, welche Finanzierungsverbote wie dasjenige der vorliegende Initiative nach sich ziehen können.

4.4

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Initiative tangiert keine völkerrechtlichen Verträge oder Verpflichtungen.

5

Schlussfolgerungen

Der Bundesrat hat Verständnis für die Ziele der Initiantinnen und Initianten. Die Förderung von Frieden, eine glaubwürdige Sicherheits- und Aussenpolitik, der Schutz der Neutralität und die Bekämpfung von Fluchtursachen sind wichtige Pfeiler der Schweizer Aussenpolitik. Ein Finanzierungsverbot, wie es die Initiative vorschlägt, würde mit Blick auf diese Ziele mangels Kausalität aber wirkungslos bleiben. Ein Finanzierungsverbot in der Schweiz würde die globale Nachfrage nach und das Angebot an Kriegsmaterial weltweit kaum beeinflussen. Zu einer friedlicheren Welt und weniger Fluchtursachen würde eine Annahme deshalb nicht führen.

Demgegenüber hätte das Verbot negative finanzielle Auswirkungen auf die SNB, Stiftungen, die Compenswiss und die Pensionskassen. Entweder müssten diese Institutionen ihre Investitionen auf eine kleine Auswahl Firmen beschränken, die sicher nicht vom Finanzierungsverbot betroffen wären, oder jedes Jahr Tausende von Unternehmen auf deren Umsatz mit Kriegsmaterial überprüfen. Ersteres hätte wegen der ungenügenden Streuung ein stark erhöhtes Anlagerisiko zur Folge, letzteres wäre mit einem stark erhöhten Verwaltungsaufwand und damit hohen Kosten verbunden. Ebenso würde die Initiative die Unabhängigkeit der SNB in Frage stellen, da sie als Präjudiz für weitere ethische Auflagen z. B. im Zusammenhang mit Tabak, Kohleenergie, Wasser und Nahrungsmitteln gelten könnte. Letztendlich könnte auch der Schweizer Finanzplatz in Mitleidenschaft gezogen werden, z. B.

wenn die Umsetzung der Initiative für Banken auch die Vermögensverwaltung betreffen würde; und der Schweizer Rüstungsindustrie sowie ihren Zulieferbetrieben ­ darunter vielen KMU der MEM-Industrie ­ würde der Zugang zu Krediten erschwert. Letzteres würde eine Schwächung der heimischen STIB und damit der Armee zur Folge haben. Stiftungen, Pensionskassen, Banken und Versicherungen verwalten ausserdem kein Volksvermögen, weshalb die Annahme der Initiative einen massiven Eingriff in das Privatvermögen nach sich ziehen würde.

Das von den Initiantinnen und Initianten durch die Schweiz anzustrebende Finanzierungsverbot auf internationaler Ebene ist nicht realistisch. Weder im Rahmen der Vereinten Nationen noch in anderen internationalen Gremien besteht der Wille für entsprechende Bestrebungen. Das globale Angebot an Rüstungsgütern
und die globale Nachfrage danach blieben deshalb auch nach einer Annahme der Initiative unverändert. Trotzdem müsste die Schweiz die wirtschaftlichen Konsequenzen tragen.

5142

BBl 2019

Das KMG enthält bereits ein Finanzierungsverbot. Dieses betrifft international geächtete Waffen und ist so ausgestaltet, dass es durch die SNB, Stiftungen und die Einrichtungen der staatlichen und beruflichen Vorsorge sowie auch durch Banken und Versicherungen mit verhältnismässigem Aufwand umgesetzt werden kann.

Vor diesem Hintergrund beurteilt der Bundesrat den von der Initiative verfolgten Ansatz sowie die vorgesehenen Massnahmen weder als sachgemäss noch als zielführend. Zudem hätte das Finanzierungsverbot negative Auswirkungen auf die Schweiz. Der Bundesrat beantragt den eidgenössischen Räten mittels dieser Botschaft deshalb, die Volksinitiative ohne direkten Gegenentwurf oder indirekten Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen.

5143

BBl 2019

Abkürzungsverzeichnis BVG

Bundesgesetz über die berufliche Vorsorge

ETD

Exchange Traded Derivates, börsengehandelte Derivate

ETF

Exchange Traded Funds, börsengehandelte Fonds

EU

Europäische Union

EZB

Europäische Zentralbank

GAFI

Groupe d'action financière

KMG

Kriegsmaterialgesetz

MEM

Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie

SNB

Schweizerische Nationalbank

STIB

Sicherheitsrelevante Technologie- und Industriebasis

SVVK­ASIR

Schweizer Verein für verantwortungsbewusste Kapitalanlagen

OECD

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

5144