Beteiligung des Bundes an Wirtschaftssanktionen Bericht der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 9. November 2017

2018-3701

1825

Das Wichtigste in Kürze In der Sanktionspolitik kommt der Bundesverwaltung eine wichtige Rolle in der Vorbereitung und dem Vollzug der Sanktionsverordnungen zu. Die Vorbereitung der Sanktionsverordnungen durch die Verwaltung ist angemessen. Im Vollzug bestehen jedoch verschiedene Defizite. Zudem gibt es Mängel bei der übergeordneten Steuerung und Überwachung der Sanktionspolitik, auch wenn die Sanktionen durch die Wirtschaftsakteure weitestgehend eingehalten werden.

Wirtschaftssanktionen sind hoheitliche Massnahmen, die zur Durchsetzung des Völkerrechts ergriffen werden. Durch sie wird der Handel mit Waren, Dienstleistungen oder Kapital eingeschränkt oder verhindert, um ein Subjekt (üblicherweise einen Staat) zu einem völkerrechtskonformen Verhalten zu bewegen. Mit ihrem UNO-Beitritt im Jahr 2002 verpflichtete sich die Schweiz, UNO-Sanktionen durchzusetzen. Bei EU-Sanktionen entscheidet der Bundesrat nach einer Güterabwägung, ob Sanktionen übernommen werden oder nicht. Um sich an internationalen Sanktionen zu beteiligen, erlässt er basierend auf dem Embargogesetz Sanktionsverordnungen. Daher kommt der Bundesverwaltung bei deren Erarbeitung und im Vollzug eine zentrale Rolle zu.

Vor diesem Hintergrund beauftragten die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) am 28. Januar 2016 mit einer Evaluation der Beteiligung des Bundes an Wirtschaftssanktionen. Die zuständige Subkommission EFD/WBF der GPK des Ständerates (GPK-S) hat im August 2016 über die genaue Ausrichtung der Evaluation entschieden. Im Vordergrund stand demnach die Strategie der Sanktionspolitik sowie die Vorbereitung und der Vollzug der Sanktionsverordnungen. Zudem wurde im Fall Ukraine/Russland untersucht, ob die Sanktionen durch die Firmen eingehalten werden und ob es Hinweise auf die Umgehung von EU-Sanktionen gegenüber Russland über die Schweiz gibt.

Die Evaluation stützt sich auf eine Analyse von verwaltungsinternen Dokumenten sowie Fallstudien zu ausgewählten Sanktionsverordnungen. Weiter analysierte die PVK anhand von Zolldaten den Güterhandel in einzelnen Sanktionsfällen (Nordkorea, Syrien, Iran und Russland/Ukraine). Zusätzlich befragte die PVK zwischen November 2016 und Mai 2017 35 Vertreterinnen und Vertreter der Bundesverwaltung sowie der Wirtschaft. Das
Schweizerische Institut für Aussenwirtschaft und Angewandte Wirtschaftsforschung (SIAW) der Universität St. Gallen analysierte im Auftrag der PVK den Warenhandel in Bezug auf den Fall Ukraine/Russland.

Aussenpolitische Ziele überwiegen in der Güterabwägung bei Nichtübernahme von EU-Sanktionen Die Strategie in der Sanktionspolitik ist klar. Sie orientiert sich an den aussenpolitischen und aussenwirtschaftspolitischen Grundsätzen der Schweiz wie der Universalität und einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung. Im Gegensatz zu den verbindlichen UNO-Sanktionen besitzt der Bundesrat bei EU-Sanktionen einen Ermessensspielraum, ob sich die Schweiz daran beteiligen will oder nicht. Für diesen Entscheid

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muss er verschiedene politische Ziele gegeneinander abwägen. Die Untersuchung der Anträge an den Bundesrat zu bisherigen Sanktionsentscheiden zeigt, dass in Einzelfällen aussenpolitische Ziele gegen eine teilweise oder vollständige Übernahme von EU-Sanktionen durch die Schweiz sprachen.

Die Güterabwägung bringt jedoch gewisse Unsicherheiten für die von Sanktionsverordnungen Betroffenen mit sich. Für die Unternehmen kann eine Rechtsunsicherheit entstehen, wenn unklar ist, ob und gegebenenfalls wann sowie in welchem Umfang die Schweiz EU-Sanktionen mitträgt. In der Verwaltung kann ein Mehraufwand anfallen, da die Vorbereitung und der Vollzug einer Sanktionsverordnung, die von der EU-Entscheidung abweicht, aufwendiger sein können.

Vorbereitung der Sanktionsverordnungen grösstenteils angemessen Die Vorbereitung der einzelnen Sanktionsverordnungen ist grösstenteils angemessen. Sie ist trotz kurzen Fristen und der Koordination mit vielen betroffenen Verwaltungsstellen effizient. Jedoch zeigen die Analysen der PVK, dass in der Vorbereitung oft die gleichen Fragen in den einzelnen Ämterkonsultationen aufkommen, ohne dass diese übergeordnet, fallunabhängig geklärt werden. Mit den Anträgen an den Bundesrat erarbeitet die Verwaltung eine Entscheidungsgrundlage, die weitgehend angemessene Informationen zu aussenpolitischen, aussenwirtschaftspolitischen und rechtlichen Aspekten enthält.

Mängel im Vollzug Im Vollzug sind verschiedene Mängel festgestellt worden. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schöpft die zur Verfügung stehenden Kontrollinstrumente ­ mit Ausnahme der Informationstätigkeit gegenüber den Wirtschaftsakteuren ­ nicht aus.

Die wenigen durchgeführten Kontrollen vor Ort meldete das SECO bei der betroffenen Unternehmung im Voraus an. Kontrollen ohne Voranmeldung gemäss Artikel 4 EmbG wurden noch nie durchgeführt. Bei der Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) zeigt sich, dass Exportverbote schwierig zu kontrollieren sind, da die Interventionszeit durch die Zollstellen beim Export kurz ist und nachgelagerte physische Kontrollen kaum möglich sind. Weiter können Warenhandelsverbote auf substaatlicher Ebene (wie im Falle der Krim) nicht kontrolliert werden, da es aufgrund der erfassten Daten nicht möglich ist, den genauen Ursprungs- oder Bestimmungsort festzustellen. Bei den Luxusgütersanktionen
ist es ebenfalls fraglich, wie deren Einhaltung am Zoll überprüft werden kann. Die Umsetzung der Finanzsanktionen erscheint auch sehr komplex. Schliesslich erweist sich das Visa-System als unzureichend, um die Reisebeschränkungen durchzusetzen.

Gütersanktionen werden weitestgehend eingehalten Gemäss der vom SIAW durchgeführten Analyse scheinen die Sanktionen auf der Ebene des Warenverkehrs eingehalten zu werden. So liessen sich anhand von Schweizer Zolldaten keine systematischen Verstösse gegen die gegenüber der Krim verhängten Sanktionen feststellen. Auch gibt es keine Hinweise dafür, dass die Schweiz für die Umgehung von Sanktionen benutzt wurde, welche die EU gegenüber Russland verhängt hatte und die von der Schweiz nicht mitgetragen wurden. Zudem

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konnten in einer Analyse der PVK auf der Ebene einzelner Warensendungen nur wenige problematische Fälle identifiziert werden. Die Verwaltung konnte diese problematischen Fälle hingegen nicht alle erklären.

Diese Resultate müssen allerdings mit Vorsicht interpretiert werden, da die analysierten Zolldaten verschiedene Qualitätsmängel zeigen.

Mängel bei der Überwachung und übergeordneten Steuerung Die Überwachung und Steuerung der Sanktionspolitik weist verschiedene Mängel auf. Einerseits wird die Durchsetzung der Sanktionen nicht anhand adäquater Daten überwacht. Das SECO sammelt weder im Rahmen der Massnahmen, die es selber vollzieht, noch bei denjenigen anderer Verwaltungsstellen systematisch Informationen für die Überwachung. Die Entwicklung und die Art der dem SECO obligatorisch zu meldenden Finanz- und Gütertransaktionen werden beispielsweise nicht erfasst, obwohl der Zweck dieser Meldung gerade darin besteht, die Kontrolle der betreffenden Bereiche zu ermöglichen.

Andererseits offenbart sich ein Steuerungsdefizit, da trotz wiederkehrender und bekannter Probleme kaum Massnahmen ergriffen werden. Bei Schwierigkeiten wird versucht, diese im konkret vorliegenden Fall zu lösen, anstatt sie von Grund auf zu klären. Folglich stellen die Umsetzung von Kontrollen am Zoll, die Durchsetzung von Reisebeschränkungen und die Identifizierung von Luxusgütern nach wie vor Herausforderungen dar. Da die Zuständigkeiten auf verschiedene Stellen verteilt sind, kann das SECO nicht alleine aktiv werden. Es gilt jedoch hervorzuheben, dass eine übergeordnete Steuerung der Sanktionspolitik weitgehend fehlt.

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Inhaltsverzeichnis Das Wichtigste in Kürze

1826

1

Einleitung 1.1 Anlass und Fragestellungen der Evaluation 1.2 Vorgehen 1.3 Aufbau des Berichts

1831 1831 1832 1833

2

Durchsetzung internationaler Wirtschaftssanktionen 2.1 Internationaler Kontext von Wirtschaftssanktionen 2.2 Schweizer Beteiligung an Wirtschaftssanktionen 2.2.1 Politische und rechtliche Einbettung 2.2.2 Prozess der Beteiligung an Sanktionen 2.3 Kategorien von Wirtschaftssanktionen und deren Vollzugsinstrumente

1833 1834 1834 1835 1837

3

Strategie in der Sanktionspolitik 3.1 Klare, an Grundsätzen orientierte Strategie 3.2 Neue Kriterien zur Güterabwägung

1840 1840 1843

4

Vorbereitung der Sanktionsverordnungen 4.1 Klare Zuständigkeiten und Verfahren 4.2 Grösstenteils ausgewogene Informationen zuhanden des Bundesrates

1844 1845

Vollzug der Sanktionsverordnungen 5.1 Zuständigkeiten und Verfahren nur teilweise angemessen 5.2 Rasche und adressatengerechte Informationen über Sanktionsverordnungen 5.3 Instrumente und deren Anwendung nur teilweise zweckmässig 5.4 Keine ganzheitliche Überwachung 5.5 Aufhebung von Verordnungen angemessen

1850 1851

6

Einhaltung der Sanktionen im Warenhandel 6.1 Keine Hinweise auf Umgehung der Krim-Sanktionen 6.2 Wenige Ein- und Ausfuhren von sanktionierten Gütern 6.3 Ungenügende Datenqualität

1861 1862 1864 1866

7

Schlussfolgerungen 7.1 Aussenpolitische Ziele überwiegen in der Güterabwägung bei Nichtübernahme von EU-Sanktionen 7.2 Vorbereitung der Sanktionsverordnungen grösstenteils angemessen 7.3 Mängel im Vollzug

1867

5

1838

1847

1853 1855 1858 1861

1867 1868 1869

1829

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7.4 7.5

Gütersanktionen durch Wirtschaftsakteure weitestgehend eingehalten Mängel bei der Überwachung und übergeordneten Steuerung

1869 1870

Abkürzungsverzeichnis

1872

Literaturverzeichnis

1873

Verzeichnis der Interviewpartnerinnen und -partner

1874

Anhang 1: Vorgehensweise der Evaluation

1876

Anhang 2: Phasierung der Schweizer Sanktionspolitik

1877

Impressum

1879

1830

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Bericht 1

Einleitung

1.1

Anlass und Fragestellungen der Evaluation

Die Sanktionspolitik der Schweiz hat sich ab den 1990er-Jahren grundlegend gewandelt. In seinem Bericht zur Neutralität1 betrachtete der Bundesrat die Beteiligung des Bundes an Wirtschaftssanktionen mit den neutralitätspolitischen Grundsätzen der Schweiz als vereinbar. Seit 2003 bildet das Embargogesetz (EmbG) die Grundlage für die Beteiligung an Wirtschaftssanktionen.2 Die Wirtschaftssanktionen3 des UNO-Sicherheitsrates sind für die Schweiz seit ihrem Beitritt zur UNO im Jahr 2002 verbindlich.4 Sanktionen der EU übernimmt die Schweiz freiwillig. Dabei besteht für den Bundesrat, in dessen Kompetenz der Erlass von Wirtschaftssanktionen liegt, jedoch ein Ermessensspielraum. Er beschliesst eine allfällige Sanktionsbeteiligung nach einer Abwägung verschiedener aussenpolitischer, aussenwirtschaftspolitischer und rechtlicher Aspekte. 5 Es ist schon vorgekommen, dass er EUSanktionen nicht (Moldawien, Nordkorea, Situation in der Ukraine) oder nur teilweise (Jugoslawien, Iran, Burundi) übernommen hat. Bei der Vorbereitung der Entscheidungen des Bundesrates über die Sanktionsverordnungen sowie bei deren Vollzug kommt der Bundesverwaltung eine tragende Rolle zu.

Es gibt kritische Stimmen, die die Kohärenz der Schweizer Beteiligung an EUSanktionen anzweifeln.6 Daher ist es von Interesse, auf welchen Grundlagen der Bundesrat seinen politischen Entscheid abstützt und ob diese Grundlagen im Einklang mit den aussenpolitischen und aussenwirtschaftspolitischen Zielen der Schweiz stehen. Auch war zu vernehmen, Sanktionsverordnungen und Massnahmen zur Verhinderung der Umgehung7 von Sanktionen seien schwierig zu überwachen.

Im Fall der Ukraine- und Russlandkrise hat der Bundesrat eine Verordnung8 zur Vermeidung der Umgehung internationaler Sanktionen erlassen (nachfolgend Ukra1 2 3

4 5 6

7

8

Bericht zur Neutralität, Anhang zum Bericht vom 29. Nov. 1993 über die Aussenpolitik der Schweiz in den 90er Jahren (BBl 1994 I 153).

Bundesgesetz vom 22. März 2002 über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen (Embargogesetz, EmbG, SR 946.231).

Der Begriff Wirtschaftssanktionen wird in der vorliegenden Evaluation als Synonym für Begriffe wie internationale Sanktionen/Massnahmen, Handelssanktionen, nicht-militärische Sanktionen, Embargo, Embargo- oder Zwangsmassnahmen verstanden. Im Bericht wird die Kurzform Sanktionen verwendet.

Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945 (UNO-Charta, SR 0.120).

In der Güterabwägung werden auch das Neutralitätsrecht und die Neutralitätspolitik einbezogen.

Ip. Sommaruga «Kohärenz bei den Wirtschaftssanktionen?» vom 14. Nov. 2012 (12.3862) oder Fr. Glättli «Lieferung von Kriegsmaterial an Russland. Vermittlerrolle und Glaubwürdigkeit der Schweiz» vom 16. März 2015 (15.5222).

Mit solchen Massnahmen will der Bundesrat die Wirkung von Sanktionen anderer Staaten nicht beeinträchtigen und verhindern, dass der Wirtschaftsstandort Schweiz für Umgehungsgeschäfte missbraucht wird.

Verordnung vom 27. Aug. 2014 über Massnahmen zur Vermeidung der Umgehung internationaler Sanktionen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine (SR 946.231.176.72).

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BBl 2019

ine-Verordnung), damit die Schweiz nicht zu einer Umgehungsplattform wird. Die Umsetzbarkeit dieser Verordnung wird indes von verschiedenen Experten angezweifelt.

Angesichts dieser Ausgangslage haben die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte (GPK) am 28. Januar 2016 entschieden, die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) mit einer Evaluation zur Beteiligung des Bundes an Wirtschaftssanktionen zu beauftragen.

Die für die Evaluation zuständige Subkommission EFD/WBF der GPK des Ständerates (GPK-S) hat am 22. August 2016 anhand einer Projektskizze der PVK entschieden, dass folgende Fragestellungen untersucht werden sollen: 1.

Welche Strategie verfolgt der Bund bei der Beteiligung an Sanktionen? Ist die Strategie angesichts der aussenpolitischen- und aussenwirtschaftspolitischen Ziele der Schweiz angemessen?

2.

Ist die Vorbereitung der Sanktionsentscheide durch die Bundesverwaltung angemessen?

3.

Ist der Vollzug der Sanktionsentscheide durch den Bund angemessen?

4.

Wie wirksam sind die Sanktionsmassnahmen bzw. die Massnahmen zur Vermeidung der Umgehung von Sanktionen?

1.2

Vorgehen

Der Hauptfokus der Evaluation liegt auf der Verwaltungstätigkeit in der Vorbereitung und im Vollzug der Sanktionspolitik im Rahmen des EmbG. 9 Die PVK formulierte Kriterien, um diese Elemente systematisch zu bewerten. Dabei wurde die Strategie in der Sanktionspolitik hinsichtlich der Angemessenheit in Bezug auf die aussenpolitischen und aussenwirtschaftspolitischen Grundsätze der Schweiz beurteilt. Zudem hat die PVK die Arbeit der Verwaltung in der Vorbereitung der Entscheide des Bundesrates wie in deren Vollzug auf ihre Angemessenheit hin beurteilt.

Schliesslich wurde die Wirkung von Wirtschaftssanktionen im Handel der Schweiz mit ausgewählten Ländern (Nordkorea, Syrien, Iran, Ukraine/Russland) überprüft.

Die PVK analysierte relevante Dokumente zur Vorbereitung und zum Vollzug von Verordnungen. Anhand von Fallstudien hat sie ausgewählte Prozesse beurteilt. Diese betrafen die Sanktionen bezüglich Syrien, Nordkorea, Iran und Ukraine/Russland.

Der Prozess der Aufhebung von Sanktionen wurde hinsichtlich Jugoslawien und Elfenbeinküste untersucht.

Die PVK führte leitfadengestützte Interviews mit 35 Personen aus der Bundesverwaltung und ausgewählten verwaltungsexternen Organisationen. Weiter hat sie in statistischen Analysen Zolldaten zu Handelsflüssen der Schweiz mit sanktionierten Ländern untersucht. Dabei hat sie auf der Ebene von einzelnen Sendungen geprüft, ob Lieferungen von sanktionierten Waren erfasst worden sind. Die Analysen be-

9

Vgl. Anhang 1

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schränken sich auf Zolldaten, da keine vergleichbaren Daten für weitere Sanktionskategorien vorhanden sind.

Weiter hat das Schweizerisches Institut für Aussenwirtschaft und Angewandte Wirtschaftsforschung der Universität St. Gallen (SIAW) im Auftrag der PVK bezüglich der Ukraine-Verordnung die Handelsströme der sanktionierten und nicht sanktionierten Waren überprüft, um zu eruieren, ob Anzeichen für die Umgehung von Sanktionen durch die Schweiz bestehen.

Die Datenerhebungen und -analysen erfolgten zwischen November 2016 und April 2017. Zu einem Entwurf des vorliegenden Berichts haben das WBF, das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), das eidgenössische Finanzdepartement (EFD), das Eidgenössische Departement des Innern und das Eidgenössische Justiz und Polizeidepartement (EJPD) im Juli und August 2017 Stellung genommen.

1.3

Aufbau des Berichts

Der Bericht stellt im zweiten Kapitel die Durchsetzung internationaler Wirtschaftssanktionen kurz vor, indem der internationale Kontext beschrieben wird, bevor die Schweizer Beteiligung an Wirtschaftssanktionen und anschliessend die Kategorien von Wirtschaftssanktionen kurz erläutert werden. Danach folgen Kapitel 3­6, die jeweils der Beantwortung einer der vier Fragestellungen gewidmet sind: Das dritte Kapitel beurteilt die Strategie, das vierte setzt sich mit der Vorbereitung der Sanktionsverordnungen auseinander, im fünften Kapitel wird der Vollzug der Sanktionsverordnungen bewertet und im sechsten werden die Ergebnisse der Handelsdatenanalysen vorgestellt. Im siebten Kapitel werden die Schlussfolgerungen präsentiert.

2

Durchsetzung internationaler Wirtschaftssanktionen

Wirtschaftssanktionen sind hoheitliche Massnahmen, die zur Durchsetzung des Völkerrechts ergriffen werden. Durch Wirtschaftssanktionen wird der Handel mit Waren, Dienstleistungen oder Kapital eingeschränkt oder verhindert, um einen Staat, eine Gruppe von Staaten, Einzelpersonen, Unternehmen oder weitere Gruppierungen zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen. Wirtschaftssanktionen werden einerseits vom UNO-Sicherheitsrat anhand von Resolutionen beschlossen oder von Staaten oder Staatengruppen selber erlassen.10 In diesem Kapitel werden die Wirtschaftssanktionen in den internationalen Kontext gesetzt und die Schweizer Beteiligung an Wirtschaftssanktionen historisch, politisch und rechtlich beleuchtet. In einem letzten Abschnitt werden die verschiedenen Kategorien von Wirtschaftssanktionen vorgestellt.

10

Biersteker, Thomas J., Eckert, Sue E., Tourinho, Marcos (2016): Targeted sanctions, The Impacts and Effectiveness of United Nations Action. Cambridge: Cambridge University Press; Roland E. Vock, Die Umsetzung wirtschaftlicher Embargomassnahmen durch die Schweiz, in: Thomas Cottier/Matthias Oesch (Hrsg.), Allgemeines Aussenwirtschaftsund Binnenmarktrecht, SBVR Bd. XI, 2. A., Basel 2007, 203­279, 217.

1833

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2.1

Internationaler Kontext von Wirtschaftssanktionen

Seit dem Ende des Kalten Krieges kommt es bei internationalen oder innerstaatlichen Konflikten vermehrt zu Sanktionen im Rahmen der UNO. Diese Sanktionen basieren auf Kapitel VII der UNO-Charta11 (insbesondere Art. 41). Darin definiert sind die Massnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen. Bevor Sanktionen beschlossen werden, stellt der Sicherheitsrat fest, ob eine Bedrohung, ein Friedensbruch oder eine Angriffshandlung vorliegt. 12 Ist dies der Fall, kann er durch Resolutionen Sanktionen beschliessen, um der Achtung und Durchsetzung des Völkerrechts und der fundamentalen Menschenrechte zu dienen. 13 Die Resolutionen des UNO-Sicherheitsrates14 sind für alle Mitgliedstaaten der UNO verbindlich und müssen durchgesetzt werden. Mit ihrem Beitritt zur Organisation im Jahr 2002 wurde für die Schweiz die Umsetzung der Resolutionen des UNOSicherheitsrates zu Sanktionen völkerrechtlich verbindlich.15 Auch ausserhalb der UNO erlassen Staaten Sanktionen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn sich der Sicherheitsrat nicht einigen kann und Staaten oder Staatengruppen deshalb selbst die Initiative ergreifen. Sanktionen einzelner Staaten sind für die Schweiz nicht bindend.

2.2

Schweizer Beteiligung an Wirtschaftssanktionen

Der internationale Kontext im Bereich der Wirtschaftssanktionen hat Auswirkungen auf die Schweiz. Im Folgenden wird zuerst die Beteiligung an Wirtschaftssanktionen politisch und rechtlich beschrieben und anschliessend deren Prozess dargestellt.

11 12 13

14

15

UNO-Charta Art. 39 UNO-Charta Art. 41 UNO-Charta: Der Sicherheitsrat kann beschliessen, welche Massnahmen ­ unter Ausschluss von Waffengewalt ­ zu ergreifen sind, um seinen Beschlüssen Wirksamkeit zu verleihen; er kann die UNO-Mitglieder auffordern, diese Massnahmen durchzuführen.

Letztere können die vollständige oder teilweise Unterbrechung der Wirtschaftsbeziehungen, des Eisenbahn-, See- und Luftverkehrs, der Post-, Telegraphen- und Funkverbindungen sowie sonstiger Verkehrsmöglichkeiten und den Abbruch der diplomatischen Beziehungen einschliessen.

Innerhalb der UNO kann auch die Generalversammlung Empfehlungen aussprechen, in denen sie die Mitgliedstaaten aufruft gegenüber Rechtsbrechern oder Friedensstörern Sanktionen zu ergreifen. Abklärungen haben ergeben, dass dies in den letzten Jahren jedoch nicht mehr vorgekommen ist und auf die Schweiz keine Auswirkungen hatte.

Die Schweiz beteiligt sich somit nur an Sanktionen des UNO-Sicherheitsrates, die auf Kapitel VII beruhen.

Charta der Vereinten Nationen, abgeschlossen in San Francisco am 26. Juni 1945, von der Bundesversammlung genehmigt am 5. Okt. 2001, Schweizerische Erklärung zur Erfüllung der in der UN-Charta enthaltenen Verpflichtungen, hinterlegt am 10. September 2002, für die Schweiz in Kraft getreten am 10. Sept. 2002 (AS 2003 866).

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2.2.1

Politische und rechtliche Einbettung

Über die Schweizer Beteiligung an Wirtschaftssanktionen ausserhalb der UNO entscheidet der Bundesrat indem er Sanktionsverordnungen erlässt.

Die Schweiz hat erstmals 1998 Sanktionen ausserhalb der UNO übernommen, nachdem die EU Sanktionsmassnahmen gegen die Bundesrepublik Jugoslawien ergriffen hatte.16 In der Folge richtete sich die Schweiz vermehrt nach der Sanktionspolitik der EU, ihrem wichtigsten Handelspartner, aus. Ein Beispiel hierfür sind die Sanktionen gegen Syrien, welche die Schweiz am 18. Mai 2011 erliess, nachdem die EU solche Massnahmen ergriffen hatte. Im Ukraine-Russland-Konflikt hat sie die EU-Sanktionen hingegen nicht und im Konflikt mit dem Iran nur teilweise mitgetragen. Grossmehrheitlich trägt die Schweiz jedoch, wie nachfolgende Tabelle zeigt, die EU-Sanktionen mit.17 Vollständige, teilweise und nicht-mitgetragene EU- Sanktionen

Tabelle 1

Vollständig mitgetragen

Teilweise mitgetragen

Nicht mitgetragen

Usbekistan (2006­2009)

Jugoslawien (1998­2015)

Moldawien (2003)

2011)18

Nordkorea (2013)

Belarus (seit 2006)

Iran (seit

Guinea (seit 2009)

Burundi (seit 2015)

Situation in der Ukraine (2014)

Guinea Bissau (seit 2012) Libyen (seit 2011) Myanmar (2000­2012) Simbabwe (seit 2002) Syrien (seit 2011) Quelle: Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF), Aussprachepapier Sanktionspolitik der Schweiz, Anhang 3, Juni 2014 und SECO, Die Schweiz und internationale Sanktionen, 10. März 2016, www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Exportkontrollen und Sanktionen > Sanktionen/Embargos > Sanktionsmassnahmen (Stand: 29. April 2017)

Weiter gibt es Fälle, in denen einerseits durch eine Resolution des UNO-Sicherheitsrates Sanktionen verhängt werden und andererseits Staaten weitere Sanktionen ergreifen. So sind zurzeit vier Sanktionsverordnungen in Kraft, die zugleich aufgrund von UNO- und EU-Sanktionen erlassen wurden. Sieben derzeit geltende Verordnungen wurden aufgrund von EU-Sanktionen erlassen und deren zwölf setzen UNO-Resolutionen durch.

16 17 18

Vock (2007), 228 Bericht zur Neutralität (BBl 1994 I 153, hier 232).

Der Bundesrat schloss sich ab dem 19.01.2011 den EU-Sanktionen gegenüber Iran an, zunächst vollständig, später nur noch teilweise.

1835

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Seit 2003 dient das EmbG als Grundlage für die Schweizer Beteiligung an Wirtschaftssanktionen. Das Gesetz zwingt den Bundesrat im Falle von Sanktionen ausserhalb der UNO nicht, ebenfalls Sanktionen zu erlassen, sondern enthält vielmehr Kann-Vorschriften.19 Es ist auch nicht abschliessend formuliert, da der Inhalt von Sanktionen nicht im Voraus bestimmbar ist. Die konkreten Sanktionen (vgl. Kapitel 2.3) sind in separaten, auf das EmbG abgestützten Verordnungen enthalten.20 Das EmbG ist von der Kriegsmaterial-21 und der Güterkontrollgesetzgebung22 zu unterscheiden. Die Kriegsmaterial- und die Güterkontrollgesetzgebung regeln die auf internationaler Ebene vereinbarten Kontrollen bzw. Verbote23 über die Aus-, Ein- und Durchfuhr von Gütern und der entsprechenden Technologie. Die Kriegsmaterialgesetzgebung regelt die Herstellung und den Handel mit Kriegsmaterial. Die Güterkontrollgesetzgebung regelt den Export der doppelt verwendbaren Güter und Technologien («Dual-Use-Güter»), also solche, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können, den Export besonderer militärischer Güter (z. B. militärische Trainingsflugzeuge, militärische Simulatoren) sowie den Umgang mit gewissen Chemikalien in der Schweiz. 24 Die Sanktionspolitik dagegen hat das Ziel, Rechtsbrecher oder Friedensstörer zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Gegenstand der Evaluation ist die Sanktionspolitik gestützt auf das EmbG.

Die Evaluation geht jedoch nur soweit wie nötig auf die Exportkontrollgesetzgebung25 ein.26 Das EmbG hindert den Bundesrat nicht daran, gestützt auf seine Zuständigkeit in der Führung der Aussenpolitik27, nötigenfalls auch Sanktionen zu erlassen, ohne dass diese zuvor auf internationaler Ebene beschlossen wurden (unilaterale Massnahmen) ­ zumal derartige Massnahmen nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Völkerrechts grundsätzlich erlaubt sind.28

19 20 21 22

23

24 25

26

27 28

Art. 1 Abs. 1 EmbG Botschaft vom 20. Dez. 2000 zum Bundesgesetz über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen (BBl 2001 1433, hier 1456).

Bundesgesetz vom 13. Dez. 1996 über das Kriegsmaterial (Kriegsmaterialgesetz, KMG, SR 514.51).

Bundesgesetz vom 13. Dez. 1996 über die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter (Güterkontrollgesetz, GKG, SR 946.202) und Verordnung vom 25. Juni 1997 über die Aus-, Ein- und Durchfuhr zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter (Güterkontrollverordnung, GKV, SR 946.202.1).

Es gibt vier Exportkontrollregimes: 1. die Industrieliste der Vereinbarung von Wassenaar (1995), 2. die Gruppe der Nuklearlieferländer (1974), 3. das Raketentechnologiekontrollregime (1987), 4. die Australiengruppe (1985).

www.seco.admin.ch > SECO > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Exportkontrollen und Sanktionen (Stand: 31. Aug. 2017).

Also auf KMG, GKG und GKV. Auch weil diese Gegenstände einer laufenden Untersuchung der Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) sind, hat die PVK die Exportkontrolle weitgehend ausgeklammert.

Es ist anzumerken, dass die Sanktionspolitik Güter der Exportkontrolle umfasst. Zwischen dem EmbG, dem KMG und dem GKG besteht eine enge Verbindung. Diese Gesetze und die darauf abgestützten Verordnungen verweisen häufig aufeinander. Wichtige Teile von Sanktionsverordnungen werden via KMG und GKG umgesetzt.

Art. 184 Abs. 3 Bundesverfassung (BV, SR 101).

Botschaft EmbG (BBl 2001 1433, hier 1452).

1836

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2.2.2

Prozess der Beteiligung an Sanktionen

In diesem Abschnitt wird der Prozess der schweizerischen Beteiligung an Sanktionen erläutert, indem die einzelnen Schritte (Vorbereitung, Entscheid, Vollzug und Aufhebung) und die wichtigsten Akteure präsentiert werden. Abbildung 1 stellt den Prozess der Beteiligung an Sanktionen schematisch dar.

Abbildung 1 Prozess der Beteiligung an Sanktionen und die Kompetenzverteilung

29

­

Vorbereitung: Das SECO hat die Federführung in der Vorbereitung von Sanktionsentscheiden. Im Austausch mit anderen betroffenen Stellen erarbeitet es einen Entwurf der Verordnung aus. Bevor in der Regel das WBF die Anträge zu Verordnungen an den Bundesrat stellt, wird die in der Verwaltung übliche Ämterkonsultation durchgeführt.

­

Entscheid durch den Bundesrat: Aufgrund der Informationen in den Anträgen des WBF entscheidet der Bundesrat über die Beteiligung der Schweiz an Sanktionen, indem er eine Verordnung basierend auf dem EmbG erlässt. In diesen Verordnungen sind die konkreten Sanktionen definiert (z. B. Sperrung von Geldern oder Exportverbot von Uhren). Die genauen Informationen, z. B. welche Waren im Einzelnen von einem Exportverbot betroffen sind oder welche Person einer Einreisesperre unterliegt, werden in Verordnungsanhängen aufgelistet. Seit dem 4. März 2016 sind die Sanktionslisten des Sicherheitsrates der UNO in der Schweiz unmittelbar rechtsgültig, so dass hierzu keine Entscheidung vom Bundesrat notwendig ist.29

­

Vollzug: Hat der Bundesrat Sanktionen verordnet, stellt sich die Frage nach deren Vollzug. Für den Vollzug sind vier Aspekte zentral: 1. Information: Der Bundesrat und das WBF informieren mit einer Medienmitteilung über den Erlass einer Verordnung und publizieren diese auf ihren Internetseiten. Zudem informieren die involvierten Verwaltungseinheiten über die Auswirkungen der Sanktionen in ihrem Bereich.

Verordnung vom 4. März 2016 über die automatische Übernahme von Sanktionslisten des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (AS 2016 0342).

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2.

3.

4.

­

Kontrolle: Durch Kontrollen prüfen die zuständigen Verwaltungsstellen die Einhaltung der Regeln durch die betroffenen Personen und Unternehmen. Die einzelnen Kontrollorgane werden in den Sanktionsverordnungen genannt. Für die Kontrolle sieht das EmbG vor, dass die betroffenen Personen und Unternehmen den Kontrollorganen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen einzureichen haben.30 Zudem regelt es die Befugnisse der Kontrollorgane: Diese können die Geschäftsräume der auskunftspflichtigen Personen während der üblichen Arbeitszeit ohne Voranmeldung betreten und besichtigen sowie einschlägige Unterlagen einsehen. Sie können belastendes Material sicherstellen und die Polizei der Kantone und Gemeinden sowie die Untersuchungsorgane der Zollverwaltung beiziehen.31 Überwachung: Der Vollzug besteht auch darin, dass die verschiedenen Wirtschaftssanktionen überwacht werden. Dabei geht es darum, über die nötigen Instrumente zu verfügen, um relevante Informationen zu erhalten und auszuwerten, um so allfällige Lücken im Vollzug zu identifizieren und die nötigen Massnahmen zu ergreifen. Sind verschiedene Verwaltungsstellen für den Vollzug zuständig, liegt es am zuständigen WBF, namentlich am SECO, den Vollzug der Sanktionspolitik als Ganzes zu überwachen.32 Der Bundesrat informiert das Parlament im Rahmen des Aussenwirtschaftsberichts über die Anwendung des EmbG. 33 Änderung: Für Änderungen von Verordnungen ist der Bundesrat zuständig.34 Dafür stellt das WBF entsprechende, vom SECO vorbereitete Anträge an den Bundesrat. Änderungen von Verordnungsanhängen kann das WBF selber vornehmen.

Aufhebung: Für die Aufhebung einer Sanktion ist ebenfalls der Bundesrat zuständig, wobei das WBF einen Antrag zur Aufhebung der Verordnung an den Bundesrat stellt.35

2.3

Kategorien von Wirtschaftssanktionen und deren Vollzugsinstrumente

Durch Wirtschaftssanktionen soll der Adressat (üblicherweise ein Staat) in wirtschaftlicher Hinsicht geschwächt werden, indem z. B. die Produktion und der Austausch von Gütern oder der Kapitalverkehr eingeschränkt werden. Dabei lassen sich

30 31 32

33 34 35

Art. 3 EmbG Art. 4 EmbG WBF, EDA, Aussprachepapier, Sanktionspolitik der Schweiz, 11. Dez. 2013, 4 oder vgl.

Art. 15 EmbG sowie die einzelnen Sanktionsverordnungen, z. B. Art. 16 Verordnung vom 18. Mai 2016 über Massnahmen gegenüber der Demokratischen Volksrepublik Korea (SR 946.231.127.6).

Art. 15 EmbG Art. 2 EmbG Art. 2 EmbG

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verschiedene Kategorien von Wirtschaftssanktionen mit konkreten Massnahmen unterscheiden:36 ­

Die Gütersanktionen (auch Handelssanktionen genannt) beschränken oder verbieten Lieferung, Verkauf und Durchfuhr von Gütern37 in bzw. durch den sanktionierten Staat. Auch der Kauf und die Durchfuhr von Gütern aus dem sanktionierten Staat können verboten oder eingeschränkt werden. Zu den Gütersanktionen gehören auch das Verbot oder die Einschränkung von Einund Ausfuhren von Rüstungs- und Repressionsgütern und dazugehörigem Material. Solche Güter werden jedoch immer separat in den Verordnungen ausgewiesen. Zudem können Dienstleistungen aller Art im Zusammenhang mit Lieferung, Verkauf, Durchfuhr, Beschaffung, Herstellung, Unterhalt oder Verwendung von sanktionierten Gütern verboten werden.

­

Mit Finanzsanktionen verwehrt man dem sanktionierten Staat oder den sanktionierten Personen oder Gruppen den Zugang zu Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen. So wird der Regierung, öffentlichen und privaten Unternehmen oder auch natürlichen Personen verboten, Gelder direkt oder indirekt sanktionierten Staaten, Gruppen oder Personen zur Verfügung zu stellen. Im Bereich der Finanzsanktionen gibt es verschiedene Massnahmen: die Sperrung von Geldern und anderen Vermögenswerten; das Verbot, sanktionierten Personen, Unternehmen und Organisationen Gelder oder andere Vermögenswerte zur Verfügung zu stellen sowie andere finanzielle Restriktionen, z. B. bezüglich der Tätigung von Transaktionen, Investitionen, Beteiligungen oder der Gewährung von Darlehen.

­

Reisesanktionen verbieten sanktionierten Personen die Einreise in und die Durchreise durch die Schweiz.

­

Daneben können weitere Bereiche wie die Sperrung von Luftraum, Wartungsdienste für Frachtflugzeuge bei Verdacht auf illegale Ladung etc. mit Sanktionen belegt werden.

Welche Kategorie von Sanktionen jeweils zur Anwendung kommt, hängt von der gegebenen Konfliktsituation und den Zielen ab, die durch die Sanktionen erreicht werden sollen.38 Die in den Sanktionsverordnungen bestimmten Instrumente entscheiden über die Härte der konkreten Sanktion. Es gibt drei verschiedene Instrumente: erstens die Verbote, zweitens die Bewilligungspflicht für bestimmte Transaktionen von Waren oder Finanzdienstleistungen und drittens Meldepflichten, durch welche Unternehmen angehalten sind, den Kontrollorganen gewisse Geschäfte wie beispielsweise die

36

37

38

Botschaft EmbG (BBl 2001 1433, hier 1438­1146) und Art. 1 Abs. 3 EmbG sowie Vock (2007) 203, 207­209; Caroni, Andrea Claudio (2008): Finanzsanktionen der Schweiz im Staats- und Völkerrecht, Schweizer Studien zum Internationalen Recht, Band 132, 2008, 47.

Z. B. bedeutende Güter des betroffenen Staates, aber auch Technologie und Software, Dual-Use-Güter, Ausrüstung und Technologie zur Überwachung, Kultur- oder Luxusgüter.

Vock (2007), 203, hier 218

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Verwaltung von Vermögen oder den Import bzw. Export einer bestimmten Ware zu melden.

3

Strategie in der Sanktionspolitik

Zusammenfassung: Die Strategie in der Sanktionspolitik ist klar und orientiert sich an den aussenpolitischen, aussenwirtschaftspolitischen und rechtlichen Grundsätzen der Schweiz. Sie ist geprägt durch die zentrale Rolle des Bundesrates. Während die Beteiligung an Sanktionen des UNO-Sicherheitsrates rechtlich verbindlich ist, kann es beim Entscheid zur Übernahme bzw. Nichtübernahme von EU-Sanktionen zu Zielkonflikten zwischen den verschiedenen Grundsätzen kommen. Der Bundesrat entscheidet im Einzelfall, welche Grundsätze überzuordnen sind. Die Einzelfallabwägung bei EU-Sanktionen bringt eine gewisse Rechtsunsicherheit für die Unternehmen mit sich, solange unklar ist, ob und inwieweit der Bundesrat die EUSanktionen übernimmt.

In diesem Kapitel wird die Strategie zuerst auf der politischen Ebene anhand der aussenpolitischen, aussenwirtschaftspolitischen und rechtlichen Grundsätze beurteilt. Danach wird auf der operativen Ebene die Konkretisierung der Sanktionsstrategie betrachtet.

3.1

Klare, an Grundsätzen orientierte Strategie

Die Schweizer Strategie in der Sanktionspolitik ist klar. Sie besteht darin, dass neue UNO-Sanktionen von der Schweiz mitgetragen werden. Bei EU-Sanktionen entscheidet der Bundesrat nach einer Güterabwägung von Fall zu Fall, ob die Schweiz diese übernimmt. Seit den 1990er Jahren hat sich diese Strategie kaum gewandelt.39 Nur die rechtlichen Grundlagen der Sanktionspolitik haben geändert: Mit dem UNO-Beitritt im Jahr 2002 wurden die Sanktionen des UNO-Sicherheitsrates für die Schweiz völkerrechtlich verbindlich. Zudem stellte das Parlament die Schweizer Beteiligung an Wirtschaftssanktionen mit der Verabschiedung des EmbG40 ab 2003 auf eine formelle gesetzliche Grundlage.

Die Sanktionsstrategie des Bundesrates orientiert sich eng an den aussenpolitischen und aussenwirtschaftspolitischen Grundsätzen der Schweiz. Die aussenpolitischen Grundsätze sind in der Bundesverfassung und der aussenpolitischen Strategie festgehalten und dienen den übergeordneten Zielen der Interessenwahrung der Schweiz und der Förderung ihrer Werte.41 Gemäss Bundesverfassung (BV) sind die grundlegenden Interessen der Schweiz die Wahrung der Unabhängigkeit, Sicherheit und Wohlfahrt der Schweiz. Zu den Werten, die bei der Wahrung dieser Interessen zu fördern sind, gehören die Linderung von Not und Armut in der Welt, die Achtung 39 40 41

Vgl. Anhang 2 für eine Übersicht zu den Phasen der Sanktionspolitik Botschaft EmbG (BBl 2001 1433, hier 1451).

BV Art. 2 und Art. 54 Abs. 2 (SR 101) und Aussenpolitische Strategie 2012­2015.

Bericht des Bundesrates über die aussenpolitischen Schwerpunkte der Legislatur. EDA, März 2012, 5.

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der Menschenrechte, die Förderung der Demokratie, das friedliche Zusammenleben der Völker sowie die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen. Für die Umsetzung dieser Interessen und Werte wurden in der aussenpolitischen Strategie Grundsätze definiert, die generell gültig sind und unabhängig von aktuellen Veränderungen im internationalen Umfeld Bestand haben sollen. Die Grundsätze setzen sich zusammen aus den Grundprinzipien Rechtsstaatlichkeit, Universalität und Neutralität sowie die grundlegenden Begriffe der Solidarität und Verantwortung.42 Die aussenwirtschaftspolitischen Grundsätze43 leiten sich aus dem Ziel der Wohlstandsförderung ab und umfassen die Förderung der Exporte, die Verbesserung des Marktzutritts für Importe und die Integration möglichst vieler Länder in die Weltwirtschaft.44 Neben dem im Zweckartikel der BV definierten Ziel der Wohlfahrtsförderung (Art. 2 Abs. 2 BV) ergibt sich die aussenwirtschaftspolitische Strategie der Schweiz zum einen aus dem Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit (Art. 94 BV).

Dieser gilt auch für den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr.45 Zum anderen sind in erster Linie die Artikel 54 und 101 BV verfassungsrechtliche Leitlinien für die Aussenwirtschaftspolitik des Bundes. Aus Artikel 54 ergibt sich nebst den übergeordneten aussenpolitischen Grundsätzen auch das aussenwirtschaftspolitische Instrumentarium. Letzteres umfasst den Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen im Rahmen der internationalen Solidarität sowie Sanktionsmassnahmen (Embargomassnahmen). Nach Artikel 101 Absatz 1 BV hat der Bund zudem die Interessen der Schweizer Wirtschaft zu wahren. Aussenwirtschaftspolitik ist damit, wie im aussenpolitischen Bericht des Bundesrates für die Aussenpolitik generell festgehalten, auch Interessenpolitik.46 Die Bedeutung aussenpolitischer und aussenwirtschaftspolitischer Grundsätze für die Ausrichtung der Sanktionsstrategie des Bundes unterscheidet sich in einem grundlegenden Punkt. Während Sanktionen aus aussenpolitischer Sicht ein mögliches Instrument zur Durchsetzung aussenpolitischer Grundsätze darstellen, widersprechen Sanktionen vom Grundsatz her einer liberalen Wirtschaftsordnung. Die Sanktionsstrategie ist damit hauptsächlich ein Instrument der Schweizer Aussenpolitik. Die Federführung für die Sanktionspolitik liegt hingegen beim WBF, da die
Instrumente der Sanktionspolitik weitgehend im wirtschaftlichen Bereich angesiedelt sind. Während sich aus aussenpolitischer Sicht die Frage stellt, inwiefern Sanktionen das Erreichen aussenpolitischer Ziele unterstützen, steht aus aussenwirtschaftspolitischer Sicht oft die Frage im Zentrum, inwiefern Sanktionen aussenwirtschaftspolitische Grundsätze verletzen. Umgekehrt kann das Mittragen von Sanktionsmassnahmen auch klar im wirtschaftlichen Interesse der Schweiz liegen, z. B. um die Verlässlichkeit gegenüber ihren wichtigsten Handelspartnern zu unterstreichen. Bei der Beteiligung an internationalen Sanktionen kann es daher zu Zielkonflikten zwischen aussenpolitischen und aussenwirtschaftspolitischen Grundsät42 43 44 45 46

Aussenpolitische Strategie 2012­2015, 6­7 Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik sowie Botschaften zu Wirtschaftsvereinbarungen vom 12. Jan. 2005 (BBl 2005 1089, hier 1101).

Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2005 (BBl 2005 1089, hier 1101).

Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2005 (BBl 2005 1089, hier 1107).

Aussenpolitischer Bericht 2000 vom 15. Nov. 2000 zur Präsenz und Kooperation: Interessenwahrung in einer zusammenwachsenden Welt, (BBl 2001 261); Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2005 (BBl 2005 1089, hier 1108).

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zen kommen. Deswegen ist im Einzelfall, falls überhaupt rechtlicher Handlungsspielraum besteht, oft ein gegenseitiges Abwägen dieser Grundsätze nötig. Diese Abwägung ist eine politische Frage und kann sich je nach Anwendungsfall unterschiedlich präsentieren. Es ist deshalb durchaus angemessen, dass das massgebliche EmbG, abgesehen von verbindlichen UNO-Sanktionen, keine konkreten Bedingungen enthält, unter welchen Voraussetzungen sich die Schweiz welche Sanktionsmassnahmen übernimmt. Es liegt in der Kompetenz und Verantwortung des Bundesrates, diese Abwägung am Einzelfall vorzunehmen.

In den Gesprächen der PVK mit Verwaltungsmitarbeitenden sowie externen Experten zeigte sich, dass die Güterabwägung bei EU-Sanktionen aber auch Unsicherheiten für die verschiedenen beteiligten und betroffenen Akteure mit sich bringen kann.

Eine erste Unsicherheit betrifft die Phase vor dem Entscheid des Bundesrates über die Übernahme bzw. Nichtübernahme von EU-Sanktionen. Da der Bundesrat die Abwägung nach dem Inkrafttreten der EU-Sanktionen vornimmt, gibt es eine zeitliche Verzögerung in der Übernahme bzw. Nichtübernahme von EU-Sanktionen. So entsteht eine gewisse Rechtsunsicherheit, solange unklar ist, ob und inwieweit der Bundesrat die EU-Sanktionen übernimmt. Von Sanktionsverordnungen betroffene Personen und Unternehmen können dann nicht genau abschätzen, wie die Schweizer Politik ausfallen wird, was zu Unsicherheiten führt, wie die Unternehmen ihre Prozesse und Transaktionen anzupassen haben.

Eine weitere Unsicherheit entsteht, wenn die EU oder die USA weiterreichende Sanktionen als die Schweiz erlassen. Durch die internationale Vernetzung des Wirtschaftsstandortes Schweiz birgt dies für Schweizer Unternehmen ein gewisses Risiko in sich. In der Finanzwirtschaft oder der Chemie- und Pharmaindustrie beispielsweise befolgen die international tätigen Unternehmen in der Regel die jeweils strengsten internationalen Sanktionen. In der Praxis sind dies oftmals amerikanische Sanktionen. Erschwerend kommt ­ gerade für Finanzinstitute ­ hinzu, dass für Personen mit US- oder EU-Nationalität die jeweiligen Sanktionen auch ausserhalb der jeweiligen Rechtsgebiete gelten. Dies bedeutet, dass ein Angestellter aus einem EU-Mitgliedsstaat bei einer Bank in der Schweiz die Sanktionen der EU befolgen muss, auch wenn die Schweizer
Sanktionen weniger weitreichend sind.47 Der Aufwand für Unternehmen, verschiedene Regelwerke im Sanktionsbereich zu befolgen, ist somit komplex und ressourcenintensiv. Unternehmen tendieren deshalb dazu, die strengsten Regeln in ihr Risikomanagement aufzunehmen und nicht verschiedene Vorgaben für unterschiedliche Sanktionsregimes zu erlassen. Zudem besteht vor allem bei den Akteuren im Finanzbereich die Tendenz, sehr vorsichtig zu sein, die Vorgaben strikt einzuhalten und mögliche Spielräume nicht auszunutzen.48 Nicht nur für Unternehmen, sondern auch für die Verwaltung kann sich ein Mehraufwand ergeben, wenn Sanktionsmassnahmen der Schweiz von jenen der EU abweichen. Einerseits ist das Erarbeiten einer eigenen Verordnung möglicherweise aufwendiger als die Übernahme von EU-Sanktionen. Auch kann sich ein grösserer Aufwand ergeben, da eine abweichende Politik der Schweiz auf internationaler 47 48

Europäischer Rat, Factsheet EU restrictive measures, Brüssel, 29. April 2014, 3 In den Gesprächen der PVK mit Personen innerhalb und ausserhalb der Verwaltung wurde in diesem Zusammenhang von einer Tendenz zu «overcompliance» und einer «zero-risk-policy» gesprochen.

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Ebene erläutert und verständlich gemacht werden muss. Andererseits kann es zu vielen Anfragen seitens der Unternehmen kommen. Gerade im Fall Ukraine/Russland gab es viele Firmenanfragen beim SECO, ob ein bestimmtes Finanzgeschäft überhaupt der Bewilligungspflicht untersteht und ob das SECO eine Bewilligung erteilen darf. In Absprache mit dem EDA und dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) beurteilt das SECO jeden Fall im Einzelnen, da es sich um komplexe Finanzgeschäfte handelt. Dies führt zu einer erhöhten Arbeitslast in den verschiedenen Verwaltungsstellen.

3.2

Neue Kriterien zur Güterabwägung

Die Schweiz übernimmt seit 1998, als es in der Folge des Kosovo-Konflikts zu Sanktionen gegen Jugoslawien kam, grundsätzlich die EU-Sanktionen. Begründet wird die Beteiligung an diesen Sanktionen mit humanitären und völkerrechtlichen Argumenten, aber hauptsächlich auch damit, dass verhindert werden soll, dass die Schweiz für die Umgehung von EU-Sanktionen genutzt wird ­ was für sie ein Reputationsrisiko darstellen würde. In einzelnen Fällen, wie mit Iran, Russland oder Nordkorea, wird jedoch von diesem Grundsatz abgewichen. Sobald es zu einer Abweichung von EU-Sanktionen kommt, gibt es innerhalb der Verwaltung ­ und offenbar auch im Bundesrat ­ unterschiedliche Positionen. Die Differenzen betreffen nicht nur die Frage, welche Sanktionen die Schweiz übernimmt oder nicht, sondern auch welche Instrumente angewendet werden sollen.

Eine vertiefte fallspezifische Prüfung wird durch die Verwaltung primär dann vorgenommen, wenn bedeutende aussenpolitische oder aussenwirtschaftspolitische Interessen der Schweiz betroffen sind. Waren die Beziehungen der Schweiz zum betreffenden Land vergleichsweise unbedeutend, hat die Schweiz die EU-Sanktionen seit 1998 jeweils vollständig übernommen.

Mit dem Auftrag an das WBF, eine Auslegeordnung für die Übernahme bzw. Nichtübernahme von EU-Sanktionen zu entwickeln, bekräftigte der Bundesrat seine Politik, dass die Übernahme von EU-Sanktionen nicht als «Automatismus» zu verstehen ist, sondern von Fall zu Fall geprüft werden soll. Die Verwaltung hat dem Bundesrat in der Folge Kriterien zur Abwägung der Übernahme bzw. Nichtübernahme von EU-Sanktionen in einem Aussprachepapier zur schweizerischen Sanktionspolitik dargelegt. Tabelle 2 gibt eine Übersicht über die Bereiche und deren Kriterien für die Güterabwägung.

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Tabelle 2 Kriterien zur Übernahme bzw. Nichtübernahme von EU-Sanktionen Aussenpolitische Kriterien

Aussenwirtschaftspolitische Kriterien

Rechtliche Kriterien

Aussenpolitische Natur der Sanktionen

Umgehungsgeschäfte

Vereinbarkeit mit Völkerrecht

Souveränität und Unabhängigkeit

Rechtssicherheit

Immunität

Verhältnis zur EU

Vermeiden von Sekundärsanktionen

Rechtsstaatlichkeit

Solidarität und Wertegemeinschaft

Volkswirtschaftliche Kosten

Verhältnismässigkeit

Neutralität

Wettbewerbsneutralität (Nischentätigkeiten)

Universalität Gute Dienste Schutzmachtmandate Sicherheit Reputation der Schweiz Quelle: WBF, Aussprachepapier Sanktionspolitik der Schweiz, 30. Juni 2014

Die Verwaltung hat für jedes Kriterium eine oder mehrere konkrete Fragen formuliert, um die Kriterien zu konkretisieren. Beim Kriterium aussenpolitische Natur der Sanktionen geht es beispielsweise um die Frage, ob die Übernahme der EUSanktionen mit der Aussenpolitischen Strategie der Schweiz kohärent und vereinbar ist. Beim Kriterium Gute Dienste wird gefragt, ob die Schweiz im Zielland der Sanktionen solche anbietet und ob die Übernahme von Sanktionen den schweizerischen Mediationsversuchen, dem Menschenrechtsdialog, dem internationalen Genf oder der Glaubwürdigkeit der Schweiz als Vermittlerin schaden könnte. Die Kriterien und Fragen sollen helfen, über die Übernahme bzw. Nichtübernahme von EUSanktionen zu entscheiden.

4

Vorbereitung der Sanktionsverordnungen

Zusammenfassung: Die Zuständigkeiten und Verfahren in der Phase der Vorbereitung der Sanktionsverordnungen sind klar: Für Erlass, Änderung oder Aufhebung der Verordnungen werden immer Ämterkonsultationen durchgeführt. In einer der insgesamt zehn von der PVK untersuchten Ämterkonsultationen war die Zusammenarbeit des SECO mit der EZV nur teilweise koordiniert. Zudem ist die Frist für die Rückmeldungen aus den Ämtern kurz und die Analysen zeigen, dass Fragen nicht

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fallunabhängig geklärt werden, sondern oftmals wieder in den späteren Ämterkonsultationen zur Diskussion kommen. Die Informationsgrundlage an den Bundesrat beinhaltet aussenpolitische, aussenwirtschaftspolitische und rechtliche Überlegungen.

Dieses Kapitel stellt zuerst die Ergebnisse der Analysen zu den Zuständigkeiten und Verfahren dar. Dabei beurteilt die PVK einerseits die Einhaltung der formalen Vorgaben und andererseits, ob das SECO die relevanten Verwaltungsstellen koordiniert in die Vorbereitung der Sanktionsverordnungen miteinbezieht. Weiter bewertet die PVK die Informationsgrundlage an den Bundesrat. Hier untersuchte die PVK, ob die Verwaltung in den Anträgen an den Bundesrat fundierte aussenpolitische, aussenwirtschaftspolitische und rechtliche Überlegungen aufzeigt und wie transparent sie die Kriterien zur Interessensabwägung in den Anträgen an den Bundesrat darlegt.

4.1

Klare Zuständigkeiten und Verfahren

Die Zuständigkeiten und Verfahren in der Vorbereitung sind klar. Neue Sanktionsverordnungen bzw. Änderungen von bestehenden Sanktionsverordnungen werden vom Bundesrat, in der Regel auf Antrag des WBF, beschlossen.49 Das SECO ist für die Erarbeitung, Änderung und Aufhebung der Sanktionsverordnungen im Rahmen des EmbG verantwortlich.50 Die formalen Vorgaben zum Erarbeitungsprozess von Verordnungen werden eingehalten. So hat das SECO in den von der PVK überprüften Fällen zur Vorbereitung und Änderung von Sanktionsverordnungen immer eine Ämterkonsultation durchgeführt. Dabei ist das Vorgehen bei Erlass, Änderung und Aufhebung von Sanktionsverordnungen stets dasselbe und unterscheidet sich auch zwischen UNO- und EUSanktionen nicht. Es gibt jedoch zwei Ausnahmen: 1) Das WBF kann die Anhänge von Sanktionsverordnungen, die etwa die Listen von sanktionierten Personen enthalten, eigenständig nachführen;51 2) für die Übernahme der Sanktionslisten der UNO, auf denen die natürlichen und juristischen, mit Sanktionen belegten Personen verzeichnet sind, muss heute keine Ämterkonsultation mehr durchgeführt werden, da diese Listen unmittelbar rechtsgültig sind.52 Die beteiligten Akteure stuften dies als eine Erleichterung und eine Effizienzsteigerung ein.

In der Regel sollte den Verwaltungsstellen für die Stellungnahme in der Ämterkonsultation drei Wochen Zeit gegeben werden, um ihnen eine sorgfältige Prüfung zu ermöglichen.53 Die PVK stellte fest, dass die tatsächliche Frist für die Stellungnahmen bei Sanktionsverordnungen ausgesprochen kurz ist und weit unter dieser Vorgabe liegt. Die Dauer reicht von 4,5 Stunden (Totalrevision Ukraine-Verordnung 49 50 51 52

53

Art. 2 Abs. 1 EmbG SECO, Ressort Sanktionen (BWSA), Summarische Darstellung der Kernprozesse (Stand 18. Febr. 2016).

Art. 16 EmbG Seit dem 4. März 2016 werden Änderungen der Sanktionslisten des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen in der Schweiz unmittelbar rechtsgültig. Verordnung vom 4. März 2016 über die automatische Übernahme von Sanktionslisten des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (AS 2016 0342).

Bundesamt für Justiz, Gesetzgebungsleitfaden, 2007, 52

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vom 27. August 2014) bis zu 9 Tagen (Totalrevision Nordkorea-Verordnung vom 18. Mai 2016). Die kurze Frist, so haben die Rückfragen der PVK bei den Mitarbeitenden des SECO ergeben, erklärt sich dadurch, dass Verordnungen mit möglichst kleiner zeitlichen Verzögerung in Kraft zu setzen sind, um beispielswiese Geldabflüsse zu verhindern, bevor Konten gesperrt werden, oder um Handelsgeschäfte schnellstmöglich zu verhindern, die auf UNO- oder EU-Ebene schon sanktioniert sind. In den Gesprächen mit den beteiligten Verwaltungsstellen zeigte sich, dass diese kurzen Fristen akzeptiert werden. Die Verwaltungsstellen wissen aufgrund von Vorkonsultationen durch das SECO oder durch ein eigenes Monitoring der Sanktionspolitik bereits im Voraus, dass eine Ämterkonsultation kommen wird, und stellen sich entsprechend darauf ein. In den Vorkonsultationen werden beispielsweise das EDA häufig zu aussenpolitischen Fragen und die EZV zu zollrechtlichen Fragen vor der eigentlichen Ämterkonsultation in die Vorarbeiten einbezogen.

In den Ämterkonsultationen werden die Entwürfe des Antrages an den Bundesrat, der Verordnung und des Beschlussentscheids sowie die Resolutionen der UNO bzw.

der EU an zuständige Personen in den betroffenen Verwaltungsstellen gesendet. Die Dokumentenanalyse der PVK hat gezeigt, dass der Kreis der befragten Personen breit gefasst ist und in der Regel alle betroffenen Verwaltungsstellen berücksichtigt wurden.54 In der Folge bezogen allerdings längst nicht alle angefragten Stellen Position. Das EDA und das Bundesamt für Justiz (BJ) äusserten sich stets zu den Entwürfen. Auch das fedpol hatte häufig Anmerkungen. Dies trifft auch auf die Bundeskanzlei zu; dabei handelte es sich hauptsächlich um redaktionelle Bemerkungen oder Hinweise zur Publikation/Dringlichkeit der Entwürfe. Die anderen Ämter nahmen dagegen nur vereinzelt Stellung. Verzichten die Verwaltungsstellen auf eine Stellungnahme, geht das SECO gemäss der in der Bundesverwaltung üblichen Praxis davon aus, dass diese mit der Vorlage einverstanden sind.

Die Verwaltungsstellen werden grösstenteils koordiniert in den Prozess einbezogen.

In den zehn von der PVK untersuchten Ämterkonsultationen wurde nur einmal eine Verwaltungsstelle nicht konsultiert: Das SECO hat in der Ämterkonsultation zur Totalrevision der Ukraine-Verordnung übersehen,
die EZV anzuschreiben. Es hat die EZV nur wenige Stunden vor dem Entscheid des Bundesrates über das Inkrafttreten der Ukraine-Verordnung per E-Mail darauf aufmerksam gemacht. Deswegen fehlt in dieser Ämterkonsultation eine schriftliche Stellungnahme der EZV. Dies ist bedenklich, da es gerade bei der Ukraine-Verordnung zu grösseren Vollzugsproblemen beim Zoll kommt (vgl. Kapitel 5.3 und 5.4).

Die PVK stellte weiter fest, dass der Antragsentwurf an den Bundesrat nach der Ämterkonsultation immer überarbeitet wird. In den untersuchten Prozessen hatte das SECO jeweils die Rückmeldungen berücksichtigt oder es informierte die Verwaltungsstelle, wenn es einen Einwand nicht berücksichtigen konnte. In den von der PVK geführten Gesprächen äusserten sich die konsultierten Verwaltungsstellen mehrheitlich zufrieden darüber, wie das SECO ihre Rückmeldungen in die Anträge 54

Dabei handelt es sich um folgende Dienststellen: im EDA die Sektion Finanzfragen, welche als Hauptansprechpartner gilt, die Direktion für Völkerrecht, die Politischen Abteilungen II, III, V und das Zentrum für Internationale Sicherheitspolitik. Weiter das SIF, die EZV, die Bundeskanzlei, die Eidgenössische Finanzverwaltung, das fedpol, das BJ und der Stab vom Nachrichtendienst des Bundes.

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einarbeitet. In den Gesprächen wie in der Dokumentenanalyse zeigte sich weiter, dass oftmals die gleichen Umsetzungsfragen aufkommen und diese nicht übergreifend, losgelöst von einzelnen Sanktionsverordnungen geklärt werden. Bei der Totalrevision der Nordkorea-Verordnung kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen der EZV und dem SECO über die Möglichkeiten der Umsetzung von materiellen Kontrollen an der Grenze. Die EZV fühlte sich nicht vorkonsultiert und verwarf den im Entwurf vorgeschlagenen Artikel. In Gesprächen zwischen diesen zwei Stellen konnten die Differenzen bereinigt werden. Eine wiederkehrende Frage ist auch der Rechtsschutz für Personen auf Sanktionslisten. Bis anhin gibt es diesbezüglich keine Bestimmungen in den Verordnungen.

Generell zeigen die Abklärungen der PVK, dass das SECO bei Unstimmigkeiten versucht, diese direkt mit der betroffenen Verwaltungsstelle zu bereinigen, Kompromisse zu finden oder zu erklären, wieso etwas nicht übernommen wird. Das SECO hat aber den letzten Entscheid, welche Anpassungen in die Überarbeitung der Unterlagen einfliessen. Falls Differenzen nicht bereinigt werden können, steht es den Departementen frei, Mitberichte an den Bundesrat zu verfassen. Die Dokumentenanalyse der PVK hat erbracht, dass es in der Praxis selten Mitberichte von anderen Departementen zu Sanktionsverordnungsanträgen des WBF gibt. In den Gesprächen wird betont, dass Differenzen auf Stufe der Ämter oder bei Bedarf unter Einbezug der Departemente bereinigt werden.

4.2

Grösstenteils ausgewogene Informationen zuhanden des Bundesrates

Die Informationen zuhanden des Bundesrates sind grösstenteils ausgewogen. Für den Erlass von Sanktionsverordnungen und um Entscheide über eine Übernahme bzw. Nichtübernahme von EU-Sanktionen zu fällen, muss der Bundesrat über sachdienliche und ausgewogene Informationen zu aussenpolitischen, aussenwirtschaftspolitischen und rechtlichen Aspekten verfügen. Das EmbG gibt dem Bundesrat viel Ermessensspielraum und enthält keine Vorschriften zur Frage, wann sich die Schweiz an Sanktionen der EU zu beteiligen hat. Die Kann-Formulierung im EmbG setzt voraus, dass die Informationsgrundlagen aus der Verwaltung an den Bundesrat fundiert sind, um diesem die Entscheidungsfindung zu erleichtern.

Die Analysen der PVK zeigen, dass in den Anträgen an den Bundesrat aussenwirtschaftliche, aussenpolitische und rechtliche Aspekte dargestellt sind. Die Anträge haben jeweils den gleichen Aufbau: Die Verwaltung beschreibt die Ausgangslage und die rechtlichen Grundlagen, erläutert einzelne Bestimmungen und beurteilt die finanziellen und personellen Auswirkungen auf den Bund sowie auf die Schweizer Wirtschaft. Die Anträge enthalten weiter die Ergebnisse der Ämterkonsultation und einen Hinweis auf das Datum des Inkrafttretens. Zudem gibt die Verwaltung dem Bundesrat Informationen zu den Gründen für den Antrag und erläutert rechtliche Sachverhalte.

Die PVK hat weiter die Anträge an den Bundesrat vor und nach der Ämterkonsultation miteinander verglichen und ist zum Ergebnis gekommen, dass das SECO die Anmerkungen der konsultierten Verwaltungsstellen übernimmt. Vor allem die Hin1847

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weise aus dem EDA zur aussenpolitischen Lage arbeitete das SECO in die Anträge ein. Das Gleiche gilt für die rechtlichen Hinweise aus dem BJ. Im Vergleich der analysierten Anträge kommt auch eine Entwicklung des Informationsgehalts zutage: Im Unterschied zu älteren enthalten neuere Anträge Erläuterungen zu einzelnen Bestimmungen der Verordnung.

Die Beurteilung der Angemessenheit der Informationsgrundlagen beruht zudem auf der Frage, ob die Kriterien zur Güterabwägung aus dem Jahr 2014 in den Anträgen transparent dargelegt werden. Die PVK interessierte die Anwendung der Kriterien in den Anträgen an den Bundesrat, um zu beurteilen, ob dieser über fundierte, ausgewogene Informationen verfügt. Aufgrund fehlender Anwendungsfällen kann die Praxis indes nicht abschliessend beurteilt werden. Seit dem Ausarbeiten der Kriterien hätten diese erst in zwei Fällen verwendet werden können: erstens bei der Abwägung der Übernahme bzw. Nichtübernahme der EU-Sanktionen gegenüber Russland/Krim und zweitens bei der Übernahme bzw. Nichtübernahme der EUSanktionen gegenüber Burundi.55 In einem Aussprachepapier hat die Verwaltung die Vorgehensweise hinsichtlich der Sanktionsmassnahmen der EU gegenüber der Krim und Russland dem Bundesrat zur Diskussion vorgelegt.56 In diesem Papier hat das SECO im Teilbereich aussenpolitische Erwägungen neutralitätsrechtliche und neutralitätspolitische Aspekte, die bilateralen Beziehungen zu Russland bzw. zu westlichen Partnern und die Guten Dienste der Schweiz (Schutzmachtmandate für Russland in Georgien bzw. Georgien in Russland und der Vorsitz der Schweiz der OSZE) thematisiert. Bei den aussenwirtschaftspolitischen Erwägungen hat es die Handelsbeziehungen zu Russland, die finanzielle Verflechtung der Schweiz mit Russland, die Möglichkeit von Umgehungsgeschäften, Finanzierungsoperationen bzw. Kooperationsprogramme, mögliche russische Gegenmassnahmen und weitere aussenwirtschaftspolitische Erwägungen dargelegt. Für den Teilbereich der rechtlichen Erwägungen hat das SECO die Vereinbarkeit der Sanktionen mit dem Völkerrecht, der Immunität, der Rechtsstaatlichkeit und der Verhältnismässigkeit mit wenigen Worten umschrieben.

55

56

Im zweiten Anwendungsfall seit der Erarbeitung der Kriterien, der Verordnung vom 4. Dez. 2015 über Massnahmen gegenüber Burundi (SR 946.231.121.8), wurde zwar der aussenpolitische Kontext und die Reaktion der EU auf die Situation in Burundi beschrieben, ein expliziter Bezug zu den Kriterien wird dabei aber nicht hergestellt.

WBF, Aussprachepapier Situation in der Ukraine: Vorgehen der Schweiz im Hinblick auf die neuen EU-Sanktionen, 12. Aug. 2014.

1848

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Tabelle 3 Abgleich der Anwendung der Kriterien im Rahmen der Ukraine-Verordnung

Aussenpolitik

Bereich

Kriterien Aussprachepapier 2014

Konkretisierungen in Ukraine-Verordnung

Gute Dienste

Bilaterale Beziehungen zu Russland

Neutralität

Beziehungen zu westlichen Partner

Aussenpolitische Natur der Sanktionen Souveränität und Unabhängigkeit Verhältnis der EU Solidarität und Wertegemeinschaft Universalität Schutzmachtmandate Sicherheit

Aussenwirtschaftspolitik

Reputation der Schweiz Umgehungsgeschäfte

Handelsbeziehung Schweiz-Russland

Rechtssicherheit

Finanzielle Verflechtung

Vermeiden von Sekundärsanktionen

Finanzierungsoperationen bzw.

Kooperationsprojekte Gegenmassnahmen von Russland

Volkswirtschaftliche Kosten Wettbewerbsneutralität (Nischentätigkeiten)

Weitere aussenwirtschaftspolitische Überlegungen (Rechtsunsicherheit, Sekundärsanktionen, Vertrauen in den Finanz- und Handelsplatz Schweiz)

Recht

Vereinbarkeit mit Völkerrecht Immunität Rechtsstaatlichkeit Verhältnismässigkeit Quelle: WBF, Aussprachepapier Sanktionspolitik der Schweiz, 30. Juni 2014; WBF, Aussprachepapier Situation in der Ukraine: Vorgehen der Schweiz im Hinblick auf die neuen EU-Sanktionen, 12. Aug. 2014 Legende: = in Antrag explizit genannte Kriterien gemäss Aussprachepapier 2014; = nicht explizit genannte Kriterien gemäss Aussprachepapier 2014

Der Abgleich der Kriterien aus dem Aussprachepapier vom Juni 2014 mit deren Anwendung im Rahmen des Antrags zur Ukraine-Verordnung zeigt, dass nicht alle vorgegebenen Kriterien angewendet wurden (Tabelle 3). Vielmehr wurden einzelne Kriterien ausgewählt und für den vorliegenden Fall konkretisiert, andere Kriterien 1849

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wurden weggelassen. Das SECO begründet dieses Vorgehen damit, dass jeder Fall einzeln geprüft werden müsse. Laut WBF wurden die im Aussprachepapier dargelegten Kriterien und Fragestellungen primär als Hilfsmittel für die Verwaltung erarbeitet.57 Es sei nie die Absicht gewesen, diese Kriterien bei jedem Bundesratsantrag systematisch und mechanistisch abzutragen. Zum Teil würden sich die Kriterien überschneiden. Auch seien nicht alle Kriterien in jedem Anwendungsfall gleich relevant. Das EDA präzisiert zudem, dass aufgrund der verfügbaren Informationen eine umfassende Prüfung aller Kriterien oft nicht möglich sei. 58 Die Verwaltung konzentriert sich aus diesen Gründen auf eine Diskussion der im Einzelfall relevanten Kriterien. Wie die Kriterien hingegen ausgewählt werden, d.h. weshalb gerade die gewählten Kriterien für den vorliegenden Fall relevant sind und andere nicht, ist nicht transparent. Auch sagen die Kriterien allein noch nichts über deren jeweilige Gewichtung bei der Beurteilung des konkret vorliegenden Falles aus. Es bleibt allerdings festzuhalten, dass seit der Festlegung der Kriterien erst zwei Anwendungsfälle vorliegen (Ukraine/Russland und Burundi) und deshalb die Anwendungspraxis der Kriterien noch nicht ausreichend bewertet werden kann.

5

Vollzug der Sanktionsverordnungen

Zusammenfassung: Obwohl die Informationstätigkeit des SECO gegenüber den Wirtschaftsakteuren gezielt und rasch zu sein scheint, wurden verschiedene Mängel im Vollzug festgestellt. Das SECO schöpft die zur Verfügung stehenden Instrumente zur Kontrolle nicht aus. Bei der EZV zeigt sich, dass Exportverbote schwierig zu kontrollieren sind, da die Interventionszeit durch die Zollstellen beim Export kurz ist und nachgelagerte physische Kontrollen kaum möglich sind. Weiter können Warenhandelsverbote auf substaatlicher Ebene (wie im Falle der Krim) nicht kontrolliert werden. Bei den Luxusgütersanktionen ist es ebenfalls fraglich, wie deren Einhaltung am Zoll überprüft werden kann. Die Umsetzung der Finanzsanktionen erscheint sehr komplex. Schliesslich erweist sich das Visa-System als unzureichend, um die Reisebeschränkungen durchzusetzen.

Die PVK beurteilt die Angemessenheit des Vollzuges der Sanktionsverordnungen in fünf Bereichen: Sie bewertet die Verfahren und Zuständigkeiten im Vollzug anhand der Einhaltung der formalen Vorgaben und dem angemessenen, koordinierten Einbezug der relevanten Akteure. Zweitens beurteilt sie, ob adressatengerechte Informationen zu Sanktionen zeitgerecht zur Verfügung stehen und ob drittens die Umsetzungsinstrumente zweckmässig sind. Viertens bewertet sie, wie die Informationen aus den Instrumenten für die Überwachung genutzt werden. Fünftens wird die Angemessenheit der Aufhebung von Verordnungen untersucht, d. h. ob diese den Vorgaben entsprechend und zeitlich angemessen aufgehoben werden.

57 58

WBF, Stellungnahme vom 23. Aug. 2017 zum Berichtsentwurf der PVK.

EDA, Stellungnahme vom 18. Aug. 2017 zum Berichtsentwurf der PVK.

1850

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5.1

Zuständigkeiten und Verfahren nur teilweise angemessen

Für einen erfolgreichen Vollzug ist es nötig, dass die Vorgaben für Zuständigkeiten und Verfahren klar sind und von den Akteuren eingehalten werden. In der Sanktionspolitik sind die Zuständigkeiten durch das EmbG, die Organisationsverordnung WBF und die Sanktionsverordnungen gegeben.59 Die Sanktionspolitik ist Teil der Aussenwirtschaftspolitik. Dies wird dadurch bekräftigt, dass der Bundesrat in seinen Berichten zur Aussenwirtschaftspolitik die Bundesversammlung über die Anwendung des EmbG orientiert.60 Die Berichte werden vom WBF vorbereitet. Zuständig für die Aussenwirtschaftspolitik im WBF ist das SECO, in dem das Ressort Sanktionen seinerseits für die Sanktionspolitik zuständig ist. Dieses gehört zum Leistungsbereich Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen in der Direktion für Aussenwirtschaft und ist darin dem Bereich Exportkontrolle und Sanktionen untergeordnet.61 Innerhalb dieses Bereichs gibt es noch drei weitere Ressorts: Exportkontrollpolitik Dual Use (Ressort Dual Use), Exportkontrolle/Industrieprodukte (Ressort Industrieprodukte) und Rüstungskontrolle und -kontrollpolitik (Ressort Rüstungskontrolle). Gibt es Berührungspunkte zwischen den Ressorts, z. B. wenn Sanktionen Industriegüter bzw. Rüstungsgüter betreffen, sind die Ressorts Industrieprodukte und Rüstungskontrolle ebenfalls mit Vollzugsaufgaben betraut. In den Verordnungen wird das SECO jeweils mit der Überwachung der Mehrheit der Artikel betraut. So heisst es z. B. in der Nordkorea-Verordnung, dass es den Vollzug der Massnahmen nach Artikel 3 bis 14 und Teile des Artikels 15 überwacht. Die Zuständigkeiten des SECO bei der Überwachung zeigen sich auch darin, dass es die alleinige Kompetenz für die Strafverfolgung hat, auch bei jenen Bestimmungen, deren Vollzug einem anderen Bundesamt zukommt.62 In den Verordnungen werden andere mit Vollzugsaufgaben betrauten Stellen nicht exakt benannt, aber es wird jeweils das Departement oder das Amt bezeichnet. 63 In der Praxis tritt zu Tage, dass die Zuständigkeiten klar zugeteilt sind: Steht in der Verordnung bei den Bewilligungen zu Finanzsanktionen, dass das SECO die Bewilligung nach Rücksprache mit den zuständigen Stellen im EDA und dem EFD erteilt64, zeigt sich in der Praxis, dass es Rücksprache mit der Sektion Finanzfragen vom EDA und dem SIF im EFD hält.

Für die Kontrollen definiert der
Bundesrat in den einzelnen Verordnungen, je nach vorgesehenen Sanktionsmassnahmen, Verwaltungsstellen: so beispielsweise die EZV für Kontrollen an der Grenze, das Bundesamt für Kultur (BAK) für Kontrollen

59

60 61 62 63

64

Art. 5 der Organisationsverordnung vom 14. Juni 1999 für das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (OV-WBF, SR 172.216.1). Im zweiten Absatz werden nicht abschliessend die Ziele des SECO aufgeführt.

Art. 15 EmbG WBF, Organisationsstruktur SECO (Stand 1. Jan. 2017).

Vgl. z. B. Art. 20 der Verordnung vom 8. Juni 2012 über Massnahmen gegenüber Syrien (SR 946.231.172.7).

Vgl. z. B. Ukraine-Verordnung und Verordnung vom 7. Aug. 1990 über Wirtschaftsmassnahmen gegenüber der Republik Irak (SR 946.206), wo einerseits das EDA, das EFD sowie das BAK bzw. die EZV genannt werden.

Art. 5 Abs. 3 Ukraine-Verordnung

1851

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der Sanktionen im Bereich der Kulturgüter oder das Staatssekretariat für Migration (SEM) für Kontrollen des Personenverkehrs.65 Die Verfahren sind klar und ergeben sich aus der Praxis: Jede Stelle organisiert den Vollzug selber. Dabei ähneln sich die Verfahren sehr. Das vorherrschende Prinzip ist, dass die Kontrollorgane dem SECO Unregelmässigkeiten melden. Die EZV beispielsweise erlässt für die Zollstellen Zirkulare und Risikoprofile, in denen das Vorgehen bei der Detektion von sanktionierten Gütern festgehalten wird; sie erstellt auch entsprechende Selektionsregeln, damit verdächtige Sendungen für eine allfällige Kontrolle ausgesondert werden. Finden die Zollstellen etwas Verdächtiges, informieren sie direkt das SECO, welches dann entscheidet, wie weiter vorgegangen wird. Das Prinzip ist dasselbe für das BAK. Gibt es Anzeichen von Handel mit Kulturgütern von einem sanktionierten Land, meldet die EZV dies dem BAK, welches sich mit dem SECO in Verbindung setzt.

Es gibt Anhaltspunkte, dass die Kompetenzaufteilung zwischen den Bereichen Sanktionen und Exportkontrollen/Industrieprodukte des SECO gegenüber externen Partnern nicht genügend klar oder die Koordination innerhalb des SECO lückenhaft ist. Gemäss den befragten Personen des SECO arbeiten die zwei Bereiche Sanktionen und Exportkontrollen/Industriekontrolle jedoch eng zusammen und sprechen sich rasch miteinander ab.

Die PVK stellte weiter fest, dass die Zuständigkeiten und Verfahren in der EZV nicht gänzlich klar sind. So hat die EZV im Fall der Ukraine-Verordnung kein Zirkular verfasst. Die Zollstellen sind nicht über die Umsetzung informiert worden und die EZV führt für diese Sanktionsverordnung keine Kontrollen an der Grenze durch (vgl. Kapitel 5.3).66 In den Gesprächen der PVK kam zum Ausdruck, dass dem SECO nicht bekannt war, dass es kein Zirkular der EZV gibt, und die EZV für diese Sanktionsverordnung gar keine Massnahmen ergreift. Die Koordination zwischen diesen Verwaltungsstellen ist keineswegs immer gewährleistet. In den Gesprächen mit dem SECO trat zutage, dass es der Ansicht ist, es könne diese Rolle nicht ausüben, da die anderen Verwaltungsstellen ihm nicht unterstellt seien. Es ist richtig, dass das SECO gegenüber den anderen Verwaltungsstellen nicht weisungsbefugt ist. Dennoch weisen ihm die einzelnen Sanktionsverordnungen eine
Überwachungsfunktion zu.67 Die Sanktionspolitik ist darüber hinaus im WBF bzw. SECO angesiedelt, sodass die Gesamtverantwortung für die Sanktionspolitik ­ auch in der Wahrnehmung der anderen involvierten Stellen ­ klar dem SECO zuzuordnen ist.

Weiter wurde in den Gesprächen mit dem SECO auf die Arbeitsgruppe Sanktionspolitik hingewiesen, die als Beispiel für die Koordination genannt wurde. Es handelt sich dabei um eine ad-hoc Arbeitsgruppe unter der Leitung des SECO, die im Jahr 2013 gegründet wurde. Der Kern der Arbeitsgruppe besteht aus dem EDA (Sektion

65

66

67

Vgl. Verordnungen über Sanktionsmassnahmen, www.seco.admin.ch > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Exportkontrollen und Sanktionen > Sanktionen/Embargos > Sanktionsmassnahmen (Stand 1. Nov. 2017).

Es ist darauf hinzuweisen, dass die EZV aber im Bereich der Exportkontrolle Industriegüter und Kriegsmaterial Kontrollen durchführt. Somit sind auch die betroffenen Güter der Sanktionsverordnung kontrolliert.

Siehe z. B. Art. 16 der Nordkorea-Verordnung und Art. 18 der Syrien-Verordnung.

1852

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Finanzfragen, Direktion für Völkerrecht), dem EFD (SIF) und dem EJPD (BJ). 68 Zwar steht die Arbeitsgruppe allen in die Sanktionspolitik involvierten Ämtern offen, aber weder die EZV, das BAK, das fedpol noch das SEM sind feste Mitglieder der Gruppe. Für gewisse Verwaltungsstellen hat sich die Aufgabe dieser Arbeitsgruppe auf den ursprünglichen Zweck ­ die Erarbeitung von Kriterien zur Übernahme bzw. Nichtübernahme von EU-Sanktionen ­ reduziert. Die PVK stellte denn auch fest, dass die Arbeitsgruppe seit der Erarbeitung von drei Grundsatzpapieren69 kaum mehr zusammengetroffen ist; dennoch haben mehrere Gesprächspartner aus dem SECO diese Arbeitsgruppe als wichtiges Austauschgremium bezeichnetet.

Das letztes Treffen zwischen zuständigen Verwaltungsstellen hat jedoch im November 2015 stattgefunden.

5.2

Rasche und adressatengerechte Informationen über Sanktionsverordnungen

Ein erfolgreicher Vollzug setzt voraus, dass die verschiedenen Kontrollorgane und die von Sanktionsverordnungen betroffenen Personen und Unternehmen zeitgerecht über gute Informationen zu Sanktionsverordnungen verfügen. Dies ist in der Sanktionspolitik der Fall. Die Informationen über die Verordnungen stehen den Betroffenen jeweils zeitgerecht zur Verfügung. So wurde in allen von der PVK untersuchten Fällen die Öffentlichkeit per Medienmitteilung am Tag des Beschlusses des Bundesrats über die Verordnung oder ihre Änderung informiert.

Die Informationen zu Sanktionsverordnungen sind adressatengerecht. Innerhalb der Verwaltung gibt es keinen standardisierten Prozess, die Verwaltungsstellen über neue Verordnungen oder Änderungen zu informieren. Dies ist aber auch nicht nötig.

Die verwaltungsinternen Stellen sind schon durch die Teilnahme am Ämterkonsultationsverfahren über neue, abgeänderte oder aufgehobene Sanktionen informiert.

Jedes Kontrollorgan ist selber verantwortlich, in seinem Bereich die nötigen Massnahmen zu treffen, um die Mitarbeitenden zu informieren.

Die Informationstätigkeit des SECO gegenüber verwaltungsexternen Akteuren ist als gut zu bezeichnen. Dabei besteht eine Arbeitsteilung zwischen dem SECO, Branchenverbänden und Unternehmen. Das SECO hat verschiedene Instrumente geschaffen, um die Informationen zu verbreiten. Es obliegt den Betroffenen, diese zu nutzen: Wie einleitend erwähnt, liegt zu jeder Sanktionsverordnung, Änderung oder Aufhebung eine Medienmitteilung vor. Zudem kann beim SECO ein NewsAlert abonniert werden, der per E-Mail zu neuen Sanktionen oder Änderungen von Sanktionsverordnungen informiert.

Das SECO bewirtschaftet zudem die elektronische Datenbank «Sesam», in welcher alle sanktionierten Personen und Organisationen eingetragen werden. Bei UNONamenslisten, die seit März 2016 unmittelbar rechtsgültig sind, finden sich die Namen schon am Tag nach der Veröffentlichung durch die UNO in Sesam. Anhand 68 69

WBF, EDA, Aussprachepapier, Sanktionspolitik der Schweiz, 11. Dez. 2013.

Diese Grundsatzpapiere betreffen Kriterien zur Übernahme bzw. Nichtübernahme von EU-Sanktionen, Umgehungsgeschäfte und Listing/Delisting Verfahren.

1853

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eines Suchinterface können betroffene Unternehmen oder Personen sich über sanktionierte Personen informieren. Darüber hinaus werden die sanktionierten Personen und Organisationen auf einer Excel-Liste im Internet publiziert. Für die Finanzintermediäre ist dies eine wichtige Informationsquelle. Es existieren aber gewisse Unsicherheiten über die Schnelligkeiten bei der Nachführung der Listen. Gerade seit der automatischen Übernahme der Sanktionslisten der UNO gibt es seitens der Branchen die Frage, ob die Listen jeweils aktuell sind. Es ist jedoch festzuhalten, dass das WBF stets per Medienmitteilungen über Anpassungen der Anhänge informiert und dies in der Regel vor dem Inkrafttreten der Massnahmen. Laut WBF benötigen Änderungen von Sanktionslisten, die auf EU-Sanktionen beruhen, etwas länger.70 Alle Änderungen werden mittels News-Alert bekanntgemacht.

Das SECO erteilt auch telefonische Auskünfte zu Sanktionen. Hierbei handelt es sich meist um Fragen, ob etwas verboten ist oder es eine Bewilligung benötigt. Das strenge Risikomanagement von Finanzinstituten erschwert speziell der Exportbranche den Handel, da diese Institute Geschäfte in bestimmte Länder generell nicht mehr finanzieren ­ auch aus der Unsicherheit hinaus, dass sie gegen Sanktionen verstossen. Deswegen kommt es zu vielen Anfragen für Bescheinigungen von nichtsanktionierten Gütern. Das Ressort Exportkontrolle/Industrieprodukte hat darum die Null-Bescheinigung eingeführt, anhand welcher bestätigt wird, dass das Gut keiner Sanktion (oder einer Exportkontrolle) unterliegt. Die Unternehmen benutzen diese Bescheinigungen, wenn es darum geht, mit den Finanzinstituten die Exportfinanzierung zu verhandeln. Nach Ansicht des Ressorts Exportkontrolle/Industrieprodukte und den Branchen hat diese Bescheinigung keinen normativen Charakter. Im Verwaltungsrecht kann aber auch eine solche E-Mail als Verfügung gelten und damit einen rechtlich-formellen Charakter aufweisen.

Ein weiteres Instrument des SECO sind seine Vorträge bei Anlässen von Branchenorganisationen oder Wirtschaftskammern und die Exportkontrolltagung. Dabei werden die Unternehmen auf die Sanktionen aufmerksam gemacht. So soll deren Selbstkontrolle gesteigert werden. Die engen Kontakte und die Informationen über die Sanktionen werden von den Branchenvertretern gelobt. Die Branchen stellen
ihren Mitgliedern jeweils Neuigkeiten zu Sanktionen zu. Sie organisieren auch Vorträge über Sanktionen oder laden Vertreter des SECO ein, um die Sanktionspolitik der Schweiz zu erläutern.

Im Rahmen der Gespräche und in den Stellungnahmen aus den Ämterkonsultationen kam Kritik an der Verständlichkeit der Begriffe im Bereich der Finanzsanktionen in den Verordnungen auf. Einerseits gibt es Begriffe wie z. B. Gelder, die in den Verordnungen ausgiebig definiert sind.71 Weiter werden zwischen den einzelnen Verordnungen teilweise unterschiedliche Begriffe (z. B. Finanzinstitute, Finanzintermediäre, Banken) benutzt. Dies liegt zu grossen Teilen an der Komplexität der Aufgabe, die UNO- und EU-Resolutionen in Schweizer Recht umzuformulieren.

Gemäss dem WBF werden unterschiedliche Begriffe verwendet, weil die Adressaten einer bestimmten Norm nicht immer dieselben sind.72 Soweit wie möglich werden die im Finanzmarktrecht üblichen Begriffe benutzt. Weiter gibt es Formulierungen 70 71 72

WBF, Stellungnahme vom 23. Aug. 2017.

Vgl. Art. 1 der Syrien-Verordnung WBF, Stellungnahme vom 23. Aug. 2017.

1854

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in einzelnen Sanktionsverordnungen, die zu Verständnisfragen führen. Für die von der Verordnung betroffenen Unternehmen stellt dies gemäss Auskünften an die PVK eine Herausforderung bei der Befolgung der Rechtserlasse dar und erklärt sicherlich teilweise auch die vielen Anfragen ans SECO. Es ist aber festzuhalten, dass das SECO das Gespräch mit den Branchen sucht, um solche Punkte zu diskutieren.

5.3

Instrumente und deren Anwendung nur teilweise zweckmässig

Im Rahmen des Vollzugs der Sanktionsmassnahmen kommen verschiedene Instrumente zur Anwendung. Diese werden in den einzelnen Sanktionsverordnungen definiert. Das EmbG selbst gibt keine Instrumente vor. Hingegen sind die Sanktionsverordnungen immer gleich strukturiert. Zuerst werden die verschiedenen Zwangsmassnahmen (Verbote, Bewilligungs- und Meldepflichten) für die unterschiedlichen Sanktionskategorien (Güter-, Finanz-, Reisesanktionen etc.) bestimmt.

Dann werden die Zuständigkeiten beim Vollzug sowie die Strafbestimmungen festgelegt. Es zeigt sich, dass die verschiedenen Instrumente sowie deren Anwendung unterschiedlich zweckmässig sind.

Für die Umsetzung der Sanktionsmassnahmen im Warenverkehr an der Grenze ist die EZV zuständig. Sobald neue Sanktionen in Kraft treten oder Sanktionsmassnahmen einer bestehenden Verordnung geändert werden, erlässt die EZV ein Zirkular, in dem das Vorgehen für die Zollstellen definiert wird. Für die Zollstellen hat die Kontrolle der aufgrund von Sanktionsmassnahmen verfügten Import- und Exportverbote jedoch einen vergleichsweise geringen Stellenwert. Priorität für die Zollbehörden haben die Kontrolle der Importe sowie Erhebung der Importzölle. Beim Export ist der Anteil der sanktionierten Waren am Gesamtvolumen sehr klein.

Zudem stellen sich den Zollbehörden praktische Schwierigkeiten bei der Überprüfung von potenziell verbotenen Waren. Gewisse Mängel in den Kontrollen der EZV sind zudem systembedingt: Das System beim Import ist gemäss den Verantwortlichen der EZV gut, kann jedoch noch optimiert werden. Beim Export ist es mangelhaft. So ist die Interventionszeit für die Zollstellen beim Export kurz. So kann es passieren, dass auch im System gesperrte Güter ins Ausland gelangen, wenn nicht rechtzeitig interveniert wird. Eine nachgelagerte Kontrolle ist beim Export, im Gegensatz zum Import, ausschliesslich formell, d. h. durch die Prüfung der Dokumente, möglich. Bei den Sanktionen ist dies insofern problematisch, weil gewisse Massnahmen eine physische Kontrolle erfordern, bevor das Gut die Schweiz verlässt. Ohne eine Voranmeldung der Waren ist dies für den Zoll nicht möglich. Deshalb wurde ein System geschaffen, in dem die Unternehmen dem SECO alle Lieferungen voranmelden müssen. In der Folge verweist das SECO diese Lieferungen an eine bestimmte Zollstelle. Dort
können die Waren vor dem Export physisch überprüft werden.

Zudem bietet der Leistungsauftrag den Zollstellen wenig Anreiz, Warensendungen nach möglicherweise sanktionierten Gütern zu durchsuchen. Kontrollen im Bereich der Sanktionsmassnahmen, so wurde in Gesprächen mit der PVK gesagt, seien für die Zollstellen keine prioritäre Aufgabe, da die Zollstellen aufgrund ihrer Leistungs1855

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aufträge nur an erfolgreichen Kontrollen gemessen würden. Das heisst, dass Kontrollen von Gütern, in denen keine verbotenen Waren, Fehl- oder Falschdeklarationen gefunden werden, nicht als Leistung anerkannt werden. Da die Zollstellen aus Erfahrung wissen, dass bei den Nichtzollrechtlichen Erlassen (NZE)73 im Bereich der Sanktionen kaum solche positiven Ergebnisse aus Kontrollen resultieren, gibt es keinen Anreiz, hier tätig zu werden. Zur Erfüllung der Leistungsaufträge konzentriert man sich primär auf Bereiche, in denen Ergebnisse erbracht werden können.

In einem Fall (Ukraine-Verordnung) hat die PVK überdies festgestellt, dass die EZV zu dieser Verordnung kein Zirkular erstellt hat und die Einhaltung der Sanktionen dadurch überhaupt nicht kontrolliert wird. Auch die verantwortlichen Personen bei der EZV haben gegenüber der PVK bestätigt, dass hier keine Kontrollen stattfänden.

Dem SECO war dieser Sachverhalt nicht bekannt. Die Tatsache, dass die UkraineVerordnung nicht als Sanktionsverordnung deklariert ist, hat möglicherweise dazu beigetragen, dass die EZV die von dieser Verordnung tangierten Waren an der Grenze nicht kontrolliert. So wurde in den Interviews gegenüber der PVK die Auffassung vertreten, dass es ja keine Sanktionen gegenüber der Ukraine gäbe. Aber auch wenn die vom Bundesrat ergriffenen Massnahmen nicht explizit als Sanktionen bezeichnet wurden, stimmen sie mit den von der EU Ende Juli 2014 verhängten Sanktionen überein und können somit als de facto Sanktionen erachtet werden.

Die Kontrollinstrumente werden zudem nicht voll ausgeschöpft. Kontrollen werden nur reaktiv, d. h., wenn Hinweise zu Vergehen bestehen, durchgeführt. Die EZV meldet beispielsweise verdächtige Sendungen dem SECO, welches schriftlich beim betroffenen Unternehmen Auskünfte einfordert.74 Gibt es genügend Beweise, wird ein Strafverfahren eingeleitet. Es zeigt sich: Die Kontrolltätigkeit des SECO basiert in der Praxis ausschliesslich auf der Auskunftspflicht und findet im Schriftverkehr statt. Die wenigen Überprüfungen vor Ort meldet das SECO beim betroffenen Unternehmen im Voraus an.75 Zudem gibt es in Bereichen wie den Luxusgütern und den Finanzsanktionen kaum Kontrollen. In ihrem Länderbericht zur Schweiz kam auch die Financial Action Task Force (FATF) hinsichtlich der Massnahmen, die eine der Ausbreitung
von Massenvernichtungswaffen dienende Finanzierung unterbinden sollen, zu einem ähnlichen Schluss. Sie hielt fest, dass die für die Überwachung von Finanzsanktionen zuständige Behörde Kontrollen begrenzt und formell vornimmt. 76 Kontrollen ohne Voranmeldung gemäss Artikel 4 EmbG wurden noch nie durchgeführt. Es gilt jedoch auch zu beachten, dass diese Art von Kontrolle für das SECO am schwierigsten durchzuführen ist, denn das SECO agiert bei der Mehrheit seiner Aktivitäten als Partner der Unternehmen.

Für Luxusgüter wird in den Sanktionsverordnungen jeweils ein Grenzwert (Verkaufspreis pro Stück) bestimmt, ab dem ein Produkt als Luxusgut gilt. In den Daten der EZV ist der statistische Wert angegeben; dieser entspricht jedoch nicht zwangs73 74 75 76

Vgl. Art. 95 des Zollgesetzes vom 18. März 2005 (SR 631.0): Die Zollverwaltung wirkt beim Vollzug nichtzollrechtlicher Erlasse des Bundes mit.

Art. 3 EmbG Kontrollen vor Ort finden auch aufgrund von Art. 10 GKG und Art. 26 ff. KMG statt.

Financial Action Task Force, Anti-money laundering and counter-terrorist financing measures Switzerland Mutual Evaluation Report, December 2016, 7.

1856

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läufig dem Verkaufspreis für den Endkunden, sondern kann tiefer liegen. Aus den mit Personen der EZV geführten Gesprächen ging hervor, dass die EZV jeweils eigene Recherchen anstellt, um den statistischen Wert mit dem Verkaufspreis für den Endkunden zu überprüfen. Hier fragt sich, wie der Zoll dies in der Praxis kontrollieren kann.

Im Zusammenhang mit Finanzsanktionen wurde in den Gesprächen zum Vollzug häufig auch die Komplexität der konkreten Sanktionen unterstrichen. Es gäbe viele Anfragen von Finanzinstituten zur Klärung der Bedeutung der Finanzsanktionen.

Zudem findet ein reger Austausch zwischen SECO, SIF und EDA zu Bewilligungen und Ausnahmen statt. Eine Herausforderung liegt darin, genau zu sagen, welche Tätigkeiten sanktioniert sind. Zudem können sanktionierte Personen sich unter Umständen an Unternehmen beteiligen, ohne dass diese Beteiligungen klar zu bestimmen sind. Die Finanzinstitute sind gefordert, solche Informationen selber zu beschaffen.

Es ist anzumerken, dass illegale Aktivitäten in dem Sanktionsbereich äusserst schwer aufzudecken sind. Will eine Firma beispielsweise eine Gütersanktion umgehen, sendet sie die fraglichen Güter an eine Adresse in einen Drittstaat und von dort aus weiter. Auch Finanzsanktionen können umgangen werden, in dem ein Netzwerk von Zwischenhändlern aufgebaut wird, um Geschäftsbeziehungen zu tarnen. Dies sei, so wurde in den Interviews gegenüber der PVK betont, praktisch nicht zu kontrollieren. Es ist anzuführen, dass solche Umgehungen auch international eine Herausforderung sind, wie beispielsweise ein kürzlich publizierter Bericht zu den Nordkorea-Sanktionen aufzeigt. So umgeht Nordkorea die Sanktionen, in dem es u. a.

über ein Netzwerk von Firmen in Übersee Waren einkauft.77 Bei Reisebeschränkungen obliegt der Vollzug dem SEM. Sanktionierte Personen werden durch das SEM im Zentralen Migrationsinformationssystem (ZEMIS 78) mit einem bestimmten Code blockiert. Das polizeiliche Fahndungssystem RIPOL79, das an der Grenze bei der Ein- und Ausreise für die Personenkontrolle abgefragt wird, ist über ein Interface mit ZEMIS verbunden. So kann Personen, gegen die Reisebeschränkungen vorliegen, die Einreise in die Schweiz verwehrt werden. Da Personen mit Reisebeschränkungen meistens sowieso der Visumspflicht unterliegen, entfalten die Reisebeschränkengen
bereits bei der Prüfung der Visumserteilung Wirkung, und nicht erst bei der Ein- oder Durchreise der betreffenden Person.80 Allerdings greifen diese Massnahmen nur bei Personen, deren Ein- oder Durchreise der Visumspflicht unterliegt. Nur sie werden systematisch in ZEMIS erfasst. Gemäss SEM können Personen ohne Visumspflicht, gegen die jedoch Reisebeschränkungen vorliegen, nicht in ZEMIS erfasst werden, weil die Informationen aus den Sanktionslisten der

77 78 79 80

C4ADS, Risky Business ­ A System-Level Analysis of the North Korean Proliferation Financing System, 2017, 10.

Verordnung über das Zentrale Migrationsinformationssystem vom 12. April 2006 (ZEMIS-Verordnung; SR 142.513).

Verordnung über das automatisierte Polizeifahndungssystem vom 26. Oktober 2016 (RIPOL-Verordnung; SR 361.0).

Z. B. Bericht der Schweiz gegenüber dem UNO-Sicherheitsrat zur Umsetzung der Massnahmen gegenüber Personen und Organisationen mit Verbindungen zu Usama bin Landen, der Gruppierung «Al-Qaïda» oder den Taliban (Resolution 1455), 11.

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UNO und der EU oft nicht ausreichend präzis sind.81 Auch gibt es offenbar Fälle, wo das europaweite Fahndungssystem SIS (Schengen Information System 82) nicht mit den sanktionierten Personen alimentiert wurde. Somit ist in diesen Fällen auch die Umsetzung der Massnahmen in der Schweiz nicht möglich, da die Schweiz auf das SIS zurückgreift. Fedpol zufolge ist das Problem der Nichterfassung im SIS ebenfalls meist auf ungenügende Personendaten in Bezug auf die auszuschreibenden Personen zurückzuführen.83 Kann eine Person visumsfrei in die Schweiz einreisen und ist sie gleichzeitig nicht im europäischen Fahndungssystem SIS ausgeschrieben, können somit allfällige Reisebeschränkungen an der Grenze nicht festgestellt und die Person folglich auch nicht an der Ein- oder Durchreise gehindert werden. Die visumsfreie Einreise ist z. B. möglich, wenn mit dem betreffenden Land eine Visumsbefreiung für dessen Staatsangehörige für die Einreise in den Schengen-Raum besteht oder ein Abkommen über die Visumsbefreiung von Inhaberinnen und Inhabern von Diplomaten-, Dienst- oder Sonderpässen abgeschlossen wurde.

5.4

Keine ganzheitliche Überwachung

Bei der Überwachung der Sanktionspolitik geht es darum, den Vollzug zu beobachten und Schwächen aufzudecken, um diese gegebenenfalls durch Massnahmen anzugehen.

Verschiedene Informationen aus dem Vollzug können zur Überwachung der Sanktionspolitik genutzt werden. So werden im Güterbereich sämtliche Importe und Exporte am Zoll erfasst. Anhand dieser Zolldaten kann der Warenhandel mit den verschiedenen Staaten nach sanktionierten und nichtsanktionierten Warengruppen abgebildet werden. Für bestimmte Waren, Dienstleistungen und Finanztransaktionen bestehen Melde- oder Bewilligungspflichten, zu denen ebenfalls Statistiken erstellt werden können. Im Bereich der Reisesanktionen kann überprüft werden, wie viele Visumsanträge aufgrund bestehender Reisebeschränkungen abgelehnt wurden oder ob Personen an der Grenze aufgrund solcher Beschränkungen an der Ein- oder Durchreise gehindert wurden. Die PVK stellt jedoch fest, dass das SECO den Vollzug der Sanktionspolitik anhand solcher Informationen nur punktuell überwacht.

Die PVK hat beim SECO angefragt, ob es solche Daten gibt, die zur Überwachung der Sanktionspolitik genutzt oder zu diesem Zweck erfasst werden. Gemäss SECO

81 82

83

SEM, Stellungnahme vom 17. Aug. 2017 zum Berichtsentwurf der PVK.

Scherer, Benedikt (ohne Datum): Das Schengener Informationssystem: Entwicklung und Umsetzung in der Schweiz, www.fedpol.admin.ch > Polizei-Zusammenarbeit > Schengen > Das Schengener Informationssystem SIS (Stand: 4. Okt. 2017).

Fedpol, Stellungnahme vom 17. Aug. 2017 zum Berichtsentwurf der PVK.

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werden keine übergreifenden Statistiken erstellt und ausgewertet. 84 Der Erkenntnisgewinn aus solchen Statistiken wird vom SECO als gering eingeschätzt, wobei diese Einschätzung nicht näher begründet wird.85 Die einzige vom SECO geführte Statistik im Sanktionsbereich betrifft gesperrte Vermögenswerte; diese wird aber nur unregelmässig aufdatiert. Weiter gibt es Übersichten zur Anzahl der geführten Verwaltungsstrafverfahren bei möglichen Sanktionsverletzungen.86 Zudem überwacht das SECO bei Bedarf anhand von Zolldaten einzelne Sanktionsmassnahmen, dies jedoch nicht für alle Sanktionsverordnungen und nur bei ausgewählten sanktionierten Staaten für bestimmte Warengruppen. So wurden beispielsweise sämtliche Uhrenexporte nach Nordkorea für eine bestimmte Zeitperiode überprüft, um Verstösse gegen das Exportverbot von Luxusgütern festzustellen. Oder das SECO ermittelte aufgrund der Zolldaten Schweizer Firmen, die bestimmte Güter der Ölindustrie in die Staaten des Nahen Ostens liefern, um diese Firmen auf mögliche Risiken hinzuweisen.87 Die Einführung einer Meldepflicht für bestimmte Transaktionen hat zum Ziel, die Aktivitäten in bestimmten Bereichen zu überwachen. Damit soll festgestellt werden können, wenn es zu Veränderungen in Bereichen kommt, wo die Schweiz Sanktionen nicht übernommen hat. Sollte es zu einem Anstieg von Transaktionen in diesen Bereichen kommen, könnte dies ein Indiz dafür sein, dass die Sanktionen über das Gebiet der Schweiz umgangen werden Die Bearbeitung dieser Meldungen (zusammen mit den Bewilligungen) ist eine wichtige Tätigkeit des SECO. Meldungen können per E-Mail oder Brief erfolgen. Sie werden überprüft und bei unstimmigen Angaben wird nachgefragt.

Die Melde- und Bewilligungssysteme sind für die Nutzung durch die Wirtschaftsakteure konzipiert. Die Informationen daraus werden allerdings nicht für eine systematische Überwachung weiterverarbeitet. Gerade bei den Finanzsanktionen ist dies fraglich, da in diesem Bereich oftmals Meldepflichten existieren, die dann aber offenbar statistisch nicht ausgewertet werden. Somit wird das Instrument der Meldepflicht für seinen eigentlichen Zweck, nämlich die Überwachung der Transaktionen in den betreffenden Bereichen, nicht genutzt. Für einzelne Sanktionsverordnungen 84

85 86

87

Im Exportkontrollbereich gibt es die elektronische Plattform Elic, aus der das SECO Statistiken zu erteilten Ausfuhrbewilligungen und zu abgelehnten Ausfuhranträgen erstellt und quartalsweise publiziert. Darin sind auch Angaben zu sanktionierten Gütern im Rahmen der Güterkontrollverordnung aufgeführt. Zu Überwachungszwecken im Sanktionsbereich wird Elic aber nicht verwendet. Es ist anzumerken, dass Elic Gegenstand einer internen Revision im SECO war. Dabei zeigten sich Mängel in der Benutzung des Systems. Das Interface für das Erteilen von Bewilligungen ist aber funktionsfähig. Zurzeit führt die EFK eine Untersuchung zu Elic durch.

Die Statistiken können auf SECO > Staatssekretariat für Wirtschaft > Aussenwirtschaft & Wirtschaftliche Zusammenarbeit > Wirtschaftsbeziehungen > Exportkontrollen und Sanktionen > Industrieprodukte (Dual-Use) und besondere militärische Güter (Licensing) > Statistik > ab 2015.

WBF, Stellungnahme vom 23. Aug. 2017.

Der Übersicht ist zu entnehmen, dass seit 2006 30 Verwaltungsstrafverfahren eröffnet wurden. Davon wurden sieben eingestellt. In den übrigen Fällen kam es zu Verurteilungen, in denen nebst der Übernahme der Verfahrenskosten dreimal eine Geldstrafe verhängt und in 20 Fällen Bussen gesprochen wurden. SECO, Ressort Recht, Übersichten zu Verwaltungsstrafverfahren, interne Dokumente (Stand: 28. Aug. 2017).

WBF, Stellungnahme vom 23. Aug. 2017.

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werden zwar mittels Stichproben punktuelle Überprüfungen vorgenommen; dies geschieht jedoch in unregelmässigen Abständen und hauptsächlich dann, wenn es zu einer konkreten Sanktionsverordnung Fragen gibt.

Weiter lässt sich feststellen, dass die verschiedenen Systeme innerhalb der Verwaltung nicht genügend miteinander verknüpft sind. Die Daten der EZV enthalten keine Informationen darüber, ob eine Warensendung mit Meldepflicht tatsächlich dem SECO gemeldet wurde. Eine Überprüfung, ob die Meldung vor der Sendung erfolgt ist, ist also nicht möglich. Rückfragen bei der EZV haben ergeben, dass sie hierfür nicht über die nötigen Informationen verfüge.

Bei den Bewilligungen sieht die Sachlage ähnlich aus. Der einzige Unterschied ist der Kanal, welcher für die Bewilligung von Gütern bei der Exportkontrolle benutzt wird. Hier gibt es beim Zoll die elektronische Plattform Elic, auf der Unternehmen ihre Gesuche für Bewilligungen von Rüstungs- und Industrieprodukten stellen können. Bei Elic handelt es sich um ein elektronisches Bewilligungssystem, das die papierbasierten Bewilligungsprozesse abgelöst hat. Es dient der elektronischen Erfassung und Bearbeitung von Geschäften in den Bereichen Industrieprodukte (Güterkontrollgesetz) und Kriegsmaterial (Kriegsmaterialgesetz). Für die übrigen Güter sowie bei Finanzsanktionen88 werden vom SECO Bewilligungen im Schriftverkehr erteilt. Das SECO überprüft dabei die von den Unternehmungen gemachten Angaben auf ihre Vollständigkeit und Plausibilität. Die Bewilligungen werden aber wie die eingegangenen Meldungen nicht systematisch statistisch erfasst und ausgewertet. Zwar ist in den Daten der EZV eine Information zur Bewilligungsnummer vorhanden. Eine von der PVK durchgeführte Überprüfung dieser Nummern hat jedoch gezeigt, dass die EZV nicht in der Lage ist, genau und systematisch zu bestimmen, auf welchen NZE eine Bewilligung beruht. Auch das SECO musste zuerst Abklärungen treffen, bevor der PVK gesagt werden konnte, um welche Bewilligungen es sich konkret handelt.

Das SECO hat im Mai 2016 ein Kontrollkonzept erarbeitet, in dem es festhält, dass bei den Kontrollen ein Vollzugsdefizit besteht. Es identifiziert darin prioritäre Kontrollbereiche wie den Handel mit Erdölprodukten, Rohstoffen, Luxusgütern, Gold und Diamanten. Aufgrund des Reputationsrisikos schlägt das SECO
vor, die Kontrollen im Bereich der Rohdiamanten zu verstärken. Zudem sollen für die Finanzsanktionen Kontrollen eingeführt werden. Entsprechende, detaillierte Vorschläge zum weiteren Vorgehen sollen bis Frühjahr 2017 ausgearbeitet werden.89 Zum Zeitpunkt der Redaktion des vorliegenden Berichts lagen der PVK darüber noch keine Informationen vor. Dem WBF zufolge sind die mangelnden Kontrolltätigkeiten und die Kontrolldefizite direkt auf fehlende personelle Ressourcen zurückzuführen.90

88

89 90

Die FINMA ist für den Vollzug der Massnahmen im Bereich der Finanzsanktionen nicht zuständig. Es gibt aber bei den Audits der FINMA ein Prüfpunkt zur Frage, ob Banken/Finanzintermediäre einen Prozess für Finanzsanktionen etabliert haben.

SECO, BWSA, Kontrollkonzept, Mai 2016.

WBF, Stellungnahme vom 23. Aug. 2017.

1860

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5.5

Aufhebung von Verordnungen angemessen

Wenn der Sanktionsgrund entfällt, werden Sanktionen in der Regel aufgehoben. Die Aufhebung einer Verordnung kann dann als angemessen beurteilt werden, wenn die rechtliche Grundlage, d. h. die UNO- oder EU-Resolution, zuvor aufgehoben wurde und die Schweiz diesem Entschluss rasch folgt. Die PVK stellte fest, dass Aufhebungen angemessen erfolgen. Die Aufhebung folgt dem gleichen Ablauf wie der Erlass oder eine Änderung einer Sanktionsverordnung: Das SECO bereitet einen Antrag an den Bundesrat vor und unterzieht diesen einer Ämterkonsultation. Das WBF reicht den Antrag an den Bundesrat ein. Die Adressaten der Ämterkonsultation unterscheiden sich dabei nicht von jenen in den Konsultationen beim Erlass oder bei Abänderungen von Sanktionsverordnungen. Gibt es Stellungnahmen, werden diese entweder in die Unterlagen eingearbeitet oder mit der betroffenen Verwaltungsstelle besprochen. Auch wird versucht, die Aufhebungen mit jenen der UNO oder EU zu terminieren.

6

Einhaltung der Sanktionen im Warenhandel

Zusammenfassung: Anhand von Schweizer Zolldaten lassen sich keine systematischen Verletzungen von Sanktionen gegen die Krim durch Schweizer Firmen feststellen. Auch gibt es keine Hinweise dafür, dass die Schweiz zur Umgehung von Sanktionen benutzt wurde, welche die EU gegenüber Russland verhängt hatte und welche von der Schweiz nicht mitgetragen wurden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Handelsanalyse, die durch das SIAW im Auftrag der PVK durchgeführt wurde.

Weiter zeigen von der PVK auf der Ebene von einzelnen Warensendungen durchgeführte Analysen, dass sich nur wenige problematische Fälle identifizieren lassen.

Die Verwaltung konnte diese problematischen Fälle hingegen nicht alle erklären. Es bleibt schliesslich festzuhalten, dass die für diese Analysen verwendeten Daten aus der Warendeklaration am Zoll verschiedene Qualitätsmängel aufweisen, weshalb die Analyseergebnisse nur mit Vorsicht interpretiert werden dürfen.

Die PVK hat anhand von Ein- und Ausfuhrdaten91 der EZV untersucht, ob Gütersanktionen92 und die Massnahmen zur Verhinderung von Umgehungsgeschäften hinsichtlich der Situation in der Ukraine eingehalten werden. Dabei interessiert die unmittelbare Wirkung der Massnahmen, d. h. ob nach dem Inkrafttreten der Massnahmen eine Veränderung im Handel mit den betroffenen Gütern feststellbar ist.

Sanktionsmassnahmen im Güterbereich sind im Falle eines vollständigen Handelsverbots wirksam, wenn es nach dem Inkrafttreten der Verordnungen weder Einfuhren noch Ausfuhren von sanktionierten Gütern gibt. Nachfolgend werden zuerst die Ergebnisse der Analyse der Handelsdaten im Rahmen der UkraineVerordnung vorgestellt. Danach werden die Ergebnisse der Analyse auf Ebene der 91

92

Daten über alle Importe und Exporte der Schweiz generiert aus den elektronischen Systemen e-dec (Importe und Exporte) und NCTS (Exporte). Händler melden in diesen Systemen ihre Sendungen an. Untersuchungszeitspanne: für Nordkorea, Syrien und Iran Oktober 2011­September 2016, für Ukraine/Russland Oktober 2011­Dezember 2016.

Es gibt nur im Bereich der Gütersanktionen statistische Daten. Weder für Finanzsanktionen noch Reisebeschränkungen gibt es Statistiken.

1861

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einzelnen Sendungen für den Handel der Schweiz mit Nordkorea, Syrien, Iran und Ukraine/Russland besprochen. Im letzten Abschnitt werden die Daten, auf die sich die Analysen stützen, beurteilt.

6.1

Keine Hinweise auf Umgehung der Krim-Sanktionen

Die PVK hat das SIAW93 beauftragt, die Wirkung der Massnahmen der UkraineVerordnung anhand von Handelsdaten zu untersuchen.94 Es handelt sich um eine spezielle Sanktionsverordnung, da ihr erklärtes Ziel das Verhindern von Umgehungsgeschäften ist.

Die Massnahmen der Ukraine-Verordnung, welche den Schweizer Handel mit der Krim betreffen, sind in Bezug auf die Warengruppen und das Ausmass der Sanktionen deckungsgleich mit jenen der EU.95 Nebst den Krimsanktionen hat die EU im Zusammenhang mit der Krimkrise am 31. Juli 2014 auch Sanktionen gegenüber Russland ergriffen. Russland hat darauf am 6. August 2014 mit einem Importverbot für alle landwirtschaftlichen Produkte aus der EU reagiert. Somit betreffen sowohl die Sanktionen der EU (gegenüber Russland) als auch diejenigen Russlands (gegenüber der EU) nur EU-Exporte nach Russland, nicht aber EU-Importe aus Russland.96 Die Schweiz beschloss im Rahmen der Ukraine-Verordnung deshalb auch Massnahmen zur Vermeidung der Umgehung von EU-Sanktionen gegenüber Russland.

Für die Dual-Use-Güter mit militärischem Zweck benötigen Schweizer Exporteure eine Bewilligung. Das SECO kann Bewilligungen für die Ausfuhr solcher Güter im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine verweigern, wenn die Güter für militärische Zwecke oder für einen militärischen Endverwender bestimmt sind.97 Ausserdem müssen Exporte von Gütern und Technologien der Erdölindustrie dem SECO gemeldet werden. Die von der Schweiz in der Ukraine-Verordnung verabschiedeten Massnahmen gegenüber Russland betreffen die gleichen Produkte wie die Sanktionen der EU, allerdings in abgeschwächter Form. Insbesondere unterstellte die Schweiz von der EU verbotene Güter einer Bewilligungspflicht. Für Güter, für deren Export die EU eine Bewilligungspflicht vorsieht, hat die Schweiz eine Meldepflicht eingeführt.

Die Analysen des SIAW zeigen, dass die Zolldaten nicht auf systematische Verletzungen der Krimsanktionen durch Schweizer Händler hindeuten und es keine Hin93

94 95 96

97

Evenett, Simon, Föllmi, Reto, Hodler, Roland, Lukaszuk, Piotr, Widmer Philine, Bericht im Auftrag der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK): Ein- und Ausfuhren und die Frage nach Umgehungsgeschäften im Fall Russland/Ukraine, Bericht im Auftrag der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK), St. Gallen, 3. April 2017.

Das SIAW untersuchte dafür Daten der EZV zum Schweizer Handel mit der Krim, der Ukraine, Russland und ausgewählten EU-Ländern.

Verordnung Nr. 692/2014 des Rates vom 23. Juni 2014 über restriktive Massnahmen als Reaktion auf die rechtswidrige Eingliederung der Krim und Sewastopols durch Annexion.

Die Ausnahme bildet gemäss Art. 1 a der Ukraine-Verordnung das Verbot der Einfuhr von Feuerwaffen, deren Bestandteilen, Zubehör, Munition und Munitionsbestandteilen aus Russland und der Ukraine. Ebenfalls verboten ist die Einfuhr von Sprengmitteln, pyrotechnischen Gegenständen und Schiesspulver zu militärischen Zwecken.

Art. 1 Abs. 1 Ukraine-Verordnung

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weise auf Umgehungsgeschäfte gibt. Nach dem Inkrafttreten der UkraineVerordnung sanken die Schweizer Importe mit Versenderorten auf der Krim auf null. Exporte in sanktionierten wie nicht sanktionierten Warengruppen zeigten einen sehr ähnlichen Verlauf (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2 Schweizer Exporte in die Krim

Quelle: Schlussbericht SIAW

Die blaue Kurve in Abbildung 2 zeigt den Verlauf der Exporte der nicht sanktionierten Waren, die rote Kurve jenen der sanktionierten Waren. Die vertikale Linie markiert den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Schweizer Sanktionen. In beiden Kategorien ging der Handel nach Inkrafttreten der Sanktionen zurück. Die Analysen des SIAW zeigen, dass sich der Rückgang durch den generellen Trend aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen erklärt. Gemäss der Studie gibt es keine Evidenz, dass die exportseitigen Krimsanktionen sich auf den Schweizer Handel mit der Krim ausgewirkt haben, aber auch keinen Beleg für Verletzungen der Krimsanktionen.98 Hinsichtlich der Frage nach der möglichen Umgehung der Krimsanktionen über das Gebiet der übrigen Ukraine oder via Russland gibt es gemäss der Studie keine Hinweise.99 Aufgrund der Datenqualität sollte dieser Befund jedoch nicht als starke Evidenz, sondern als Indiz dafür gewertet werden, dass Schweizer Händler die Krimsanktionen nicht durch Warenhandel mit Empfängern oder Versendern in der restlichen Ukraine oder in Russland umgingen.

98 99

Evenett et al. (2017), 32 Evenett et al. (2017), 13

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Bei der Frage nach der Umgehung der EU-Sanktionen gegenüber Russland via Schweiz finden sich in der Studie des SIAW ebenfalls keine Hinweise auf eine Umgehung. Das SIAW sieht es als unwahrscheinlich an, dass es zu systematischen Umgehungen der EU-Sanktionen durch die Schweiz kam. 100 Anders sieht es bei den russischen Sanktionen gegenüber der EU aus. Diese Sanktionen verursachten eine signifikante Zunahme der Schweizer Importe aus der EU (+17 %) sowie der Schweizer Exporte nach Russland (+54 %) bei den durch Russland sanktionierten landwirtschaftlichen Produkten. Gemäss der Studie ist es möglich, dass diese Produkte zur Umgehung der russischen Sanktionen von der EU durch die Schweiz nach Russland exportiert wurden. Die Daten lassen jedoch eher vermuten, dass EU-Produzenten die Schweiz als alternativen Absatzmarkt nutzten (zu Russland), während Schweizer Produzenten jene aus der EU auf dem russischen Markt ersetzten.101 Dies ist aber aus Sicht der Sanktionspolitik nicht problematisch, da die Schweiz diese Produkte gegenüber Russland nicht sanktioniert hat.

6.2

Wenige Ein- und Ausfuhren von sanktionierten Gütern

Die PVK hat bezüglich der Sanktionsverordnungen Nordkorea, Syrien, Iran und Ukraine die einzelnen Warensendungen102 im Zeitraum vom Oktober 2011 bis Oktober 2016 analysiert. Dabei untersuchte die PVK, ob gemäss den Zolldaten keine Ein- oder Ausfuhren von sanktionierten Gütern erfolgten.

Die PVK eruierte nur vereinzelte Sendungen mit sanktionierten Gütern. Es handelt sich hierbei um Lieferungen, die eigentlich nicht hätten ein- oder ausgeführt werden dürfen oder die zumindest einer Bewilligung bedurft hätten. Die EZV und das SECO können diese wenigen Fälle aber nicht eindeutig erklären. Es sind aber tatsächlich Güter, die eine Intervention der EZV bedürft hätten. Auch wenn es nur wenige fragwürdige Fälle gibt, hegt die PVK verschiedene Zweifel an der Überwachung der Einhaltung der Gütersanktionen durch die EZV bzw. das SECO.

Seit dem Inkrafttreten der Ukraine-Verordnung gab es 11 Ausfuhren (gruppierte Sendungen) von sanktionierten Gütern aus der Schweiz in die Krim. 103 Von den neun betroffenen Unternehmen haben zwei Unternehmen schon vor der UkraineVerordnung in die Krim exportiert. Nach dem Inkrafttreten der Massnahmen haben diese Unternehmen den Empfängerort (in der Ukraine, jedoch ausserhalb der Krim) oder das Empfängerland (Russland) in der Zolldeklaration geändert. Diese Praxis ist fraglich und könnte auf eine Umgehung hindeuten. Die Gespräche mit der EZV haben ergeben, dass es sich hierbei um Güter handelt, die hätten blockiert werden müssen oder Gegenstand einer Kontrolle hätten sein sollen, was aber nicht der Fall war.

100 101 102

Evenett et al. (2017), 25­27 Evenett et al. (2017), 28­30 Die Analysen beschränken sich auf die Importe und Exporte von Gütern. Aufgrund der Komplexität der Dual-Use-Güter konnten diese nicht in die Analyse einbezogen werden.

103 Der deklarierte Wert ist dabei zwischen CHF 1380 und CHF 111 000.

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Bei den Importen aus der Krim zeigt sich, dass es seit dem Inkrafttreten der Sanktionen nur eine Einfuhr von sanktionierten Gütern gab. Auskünfte aus dem SECO und der EZV ergaben, dass es keine kritische Lieferung war, da es sich um medizinisches Material gehandelt habe. Dieses gute Ergebnis muss aber relativiert werden, weil bei 32 171 Sendungen104 die Herkunft nicht angegeben wurde. Somit ist es unmöglich zu bestimmen, ob diese aus der Krim oder aus der übrigen Ukraine stammen. Von diesen 32 171 importierten Sendungen wurden 11 627 vor dem Inkrafttreten der Sanktionen importiert und 20 544 nach dem Inkrafttreten. Die Anzahl der Sendungen ohne Herkunftsangabe hat sich nach dem Inkrafttreten der Sanktionen verdoppelt. Dies könnte ein Hinweis auf die Umgehung der Massnahmen sein.

Eine weitere Schwierigkeit besteht bei der Kontrolle der Luxusgüter. Im Fall von Syrien kam es zu 14 Lieferungen von Luxusgütern, welche mit Verboten belegt waren. Bei neun der Lieferungen handelte es sich um Luxusuhren. Drei Lieferungen mit einem Total von 100 Uhren und einem Wert von 2,1 Millionen Franken wurden exportiert, eine dieser Lieferung wurde strafrechtlich verfolgt. Zwei weitere Lieferungen mit insgesamt 28 Uhren im Wert von mehr als 0,5 Millionen Franken hatten eine Bewilligungsnummer. Nach Aussagen der EZV handelte es sich um Bewilligungen des SECO. Es hat sich herausgestellt, dass es sich um Bewilligungen des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen handelt, da das Armband aus Spezialleder gemacht war. Folglich hätten diese Lieferung am Zoll ebenfalls blockiert werden müssen. Dieses Beispiel zeigt die Problematik der Kontrollen der EZV auf Basis der NZE auf (vgl. Kapitel 5.3).

Bei den Exporten in den Iran trat zutage, dass es sich bei 39 von 102 000 Sendungen105 um Edelmetalle handelte. Zwei davon wurden verschickt, während die entsprechenden Sanktionsmassnahmen in Kraft waren. Weder die EZV noch das SECO konnten diese Exporte erklären. Mit Ausnahme von drei Fällen, die vom SECO hätten deklariert werden müssen, wurden keine sanktionierten Waren aus dem Iran importiert. Recherchen beim SECO haben ergeben, dass diese Sendungen am Zoll weder deklariert noch kontrolliert wurden.

Somit kann festgehalten werden, dass es zwar nur wenige Sendungen von sanktionierten Gütern gibt. Es existiert aber
keine Überwachung der Daten durch die EZV oder das SECO. Gemäss WBF lassen sich aufgrund der Datenlage keine genaueren Schlüsse ziehen bzw. kann in gewissen Fällen keine eindeutige Zuordnung der Güter vorgenommen werden.106 Die PVK hat mit ihren Analysen jedoch klar gezeigt, dass es möglich ist, anhand der Daten Informationen zu erhalten, wie beispielsweise Anzeichen von Umgehungen oder mit Sanktionen belegte Sendungen, die für eine Überwachung der Sanktionen genutzt werden können ­ und dies mit relativ geringem Ressourceneinsatz.

104

Bei Importen, wo die Herkunft (Krim/Ukraine) nicht exakt bestimmt werden konnte, wurden die einzelnen Sendungen der Einfachheit halber nicht zu Lieferungen (nach Unternehmen und Datum) gruppiert.

105 Bei den Exporten in den Iran wurden die einzelnen Warensendungen der Einfachheit halber nicht zu Lieferungen (nach Unternehmen und Datum) gruppiert.

106 WBF, Stellungnahme vom 23. Aug. 2017.

1865

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6.3

Ungenügende Datenqualität

Die Ergebnisse aus den Datenanalysen (vgl. Kapitel 6.1 und 6.2) müssen mit Vorsicht interpretiert werden, da die PVK zum Teil erhebliche Mängel bei der Qualität der Zolldaten festgestellt hat. Die EZV erfasst über die elektronischen Systeme e-dec (Importe und Exporte) und NCTS (Exporte) alle Importe und Exporte der Schweiz. Händler melden darin ihre Warensendungen an. Anhand der existierenden Daten ist eine systematische flächendeckende Überwachung der Massnahmen im Güterverkehr hingegen nicht möglich. Dafür gibt es verschiedene Gründe:

107

­

Erstens ist die Überprüfung von regionalen (d. h. substaatlichen) Handelssanktionen anhand der Daten nicht möglich. Im Rahmen der UkraineVerordnung hat die Schweiz Handelsverbote für die Krim eingeführt. Bei der Warendeklaration am Zoll ist die Angabe der Empfänger- und Versenderorte aber nicht obligatorisch und fehlt dementsprechend in vielen Fällen.

Somit kann z. B. nicht systematisch überprüft werden, ob die Krim-Sanktionen eingehalten werden. Rückfragen bei der EZV ergaben, dass die Gütersanktionen gegenüber der Krim durch die EZV nicht kontrolliert werden können, da es sich bei der Krim um eine Region und nicht um ein Land handelt. Nur das Herkunfts- bzw. Bestimmungsland sind Pflichtfelder in den Zolldeklarationen. Dieser Umstand war schon beim Erlass der UkraineVerordnung bekannt. Dem WBF zufolge sollten eigentlich nur jene Sanktionen erlassen werden, welche mit einfachen Mitteln effizient überwacht werden können.107. Im vorliegenden Fall war es gemäss Einschätzung des WBF politisch jedoch nicht denkbar, auf jegliche Massnahmen gegenüber der Krim zu verzichten und dies damit zu begründen, die Massnahmen könnten nicht überwacht werden. Der Umstand, dass Sanktionen nicht ­ oder nur schwierig ­ überwacht werden können, bedeutet nicht, dass sie deshalb wirkungslos wären. Die überwiegende Mehrzahl von Personen und Unternehmen hält sich gemäss WBF an das geltende Recht. Ausserdem sind Geschäfte mit der Krim auch in der EU und den USA sanktioniert und werden daher von verschiedener Seite mit Interesse genau beobachtet. Unternehmen, die illegale Geschäfte betreiben, setzen sich dem Risiko aus, dass diese Geschäfte früher oder später entdeckt und strafrechtlich verfolgt werden.

­

Zweitens erfassen die Spediteure die Angaben in den Systemen im Freitext, was zu vielen Lücken bzw. Fehlern in den Zolldaten führt: Angaben zu Postleitzahlen fehlen, es gibt unbekannte, falsch oder uneinheitlich geschriebene Ortsnamen und falsche Ländercodes. So finden sich z. B. in den Daten zur Ukraine viele Sendungen in die Arabischen Emirate, da der Ländercode sehr ähnlich ist. Weiter gibt es Firmennamen, die in verschiedensten Schreibweisen aufgeführt sind.

­

Drittens lagen viele Empfänger- und Versenderorte von Transitdestinationen ausserhalb der Ukraine vor und es ist unklar, ob eine Sendung mit einem Empfänger- oder Versenderort aus der Krim kommt bzw. dorthin weitertransportiert wird oder nicht.

WBF, Stellungnahme vom 23. Aug. 2017.

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­

Obwohl es in den Daten eine Spalte zu Bewilligungsnummern gibt, weiss man viertens nicht, ob es sich dabei um eine Bewilligungsnummer aufgrund von Sanktionen oder eines anderen Umstands handelt.

Gemäss der EZV sind ihre heutigen IT-Systeme nicht in der Lage, die von der PVK aufgezeigten Mängel festzustellen.108 Solche Fehler können die Zollstellen nur im Rahmen einer formellen oder materiellen Kontrolle eruieren. Bekanntlich findet eine solche Kontrolle nur bei einem kleinen Teil der Zollanmeldungen statt. Im Rahmen des gesamtheitlichen Transformationsprogramms der EZV (DaziT), das eine durchgängige Digitalisierung der Zollformalitäten bringen soll, wird gemäss der EZV zu überprüfen sein, ob eine Deklarationspflicht für diese Daten eingeführt werden kann.

7

Schlussfolgerungen

Die vorliegende Evaluation konzentrierte sich auf die Strategie, Vorbereitung und Umsetzung der Sanktionspolitik sowie die Einhaltung der Sanktionen durch die Wirtschaftsakteure.

Insgesamt kommt die PVK zum Schluss, dass die Vorbereitung der Sanktionsverordnungen des Bundesrates effizient, unter grossem Zeitdruck und unter Einbezug der verschiedenen betroffenen Verwaltungsstellen erfolgt. Das SECO sensibilisiert die Wirtschaftsakteure für die Sanktionsmassnahmen rasch und angemessen. Die Sanktionsmassnahmen im Warenverkehr werden gemäss den durchgeführten Analysen weitestgehend eingehalten. Hingegen lassen sich Lücken beim Vollzug und auf der Ebene der Überwachung und der Steuerung der Sanktionspolitik feststellen.

7.1

Aussenpolitische Ziele überwiegen in der Güterabwägung bei Nichtübernahme von EU-Sanktionen

Die Strategie in der Sanktionspolitik orientiert sich an den aussenpolitischen, aussenwirtschaftspolitischen und rechtlichen Grundsätzen der Schweiz. Im Rahmen ihrer liberalen (Aussen-) Wirtschaftspolitik vertritt die Schweiz traditionellerweise eine sehr zurückhaltende Haltung gegenüber Wirtschaftssanktionen. Grundsätzlich ist die Schweiz in den letzten Jahren jedoch dazu übergegangen, neben verbindlichen UNO-Sanktionen auch Sanktionen der EU mitzutragen, um gegenüber ihrem wichtigsten Handelspartner keine Reputationsrisiken einzugehen. Liegen hingegen aussenpolitische Interessen vor, die gegen eine Schweizer Beteiligung an EUSanktionen sprechen, entschied sich die Schweiz nach einer Güterabwägung in Einzelfällen (Ukraine/Russland, Nordkorea, Iran) dafür, sich nicht oder nur teilweise an den EU-Sanktionen zu beteiligen. Trägt die Schweiz die EU-Sanktionen nicht oder nur teilweise mit, äussert der Bundesrat jeweils die klare Absicht, dass die Umgehung der EU-Sanktionen über das Gebiet der Schweiz verhindert werden soll.

108

EZV, Stellungnahme vom 3. Aug. 2017.

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In einem Fall (Ukraine/Russland) hat der Bundesrat hierfür speziell eine Verordnung erlassen.

Die Güterabwägung bei EU-Sanktionen bringt aber auch Unsicherheiten für die verschiedenen beteiligten und betroffenen Akteure mit sich. Erstens entsteht eine zeitliche Verzögerung zwischen EU-Sanktionen und der Schweizer Reaktion, was zu einer gewissen Rechtsunsicherheit führt. Von Sanktionsverordnungen betroffene Personen und Unternehmen können somit nicht genau abschätzen, wie die Schweizer Politik sein wird, und es gibt Unsicherheiten, wie die Unternehmen ihre Prozesse und Transaktionen anzupassen haben. Zweitens entsteht ein gewisses Risiko für international operierende Schweizer Unternehmen, wenn die EU oder die USA weiterreichende Sanktionen als die Schweiz erlassen. Unternehmen befolgen dann in der Regel das strengste Regelwerk. Drittens ergibt sich auch für die Verwaltung ein Mehraufwand, wenn Sanktionsmassnahmen der Schweiz von jenen der EU abweichen.

7.2

Vorbereitung der Sanktionsverordnungen grösstenteils angemessen

Die Untersuchung der PVK kommt zum Schluss, dass die Vorbereitung der Sanktionsverordnungen grösstenteils angemessen ist. Formale Vorgaben werden eingehalten und die wichtigen Stellen werden meistens koordiniert in die Erarbeitung der Verordnungen einbezogen. Eine Ausnahme davon bildet die Ukraine-Verordnung (einer von zehn untersuchten Fällen), wo die EZV erst am Tag der Antragstellung an den Bundesrat über die Totalrevision der Verordnung informiert wurde und deshalb keine Stellungnahme zum Antragsentwurf abgeben konnte. Die Vorbereitung der Sanktionsverordnungen ist dennoch trotz der kurzen Fristen und der Tatsache, dass sie eine Koordination zwischen mehreren Verwaltungsstellen erfordert, insgesamt effizient. In einem eingespielten Verfahren werden die Anträge an den Bundesrat erarbeitet. Das SECO überarbeitet diese aufgrund der Rückmeldungen und versucht, Uneinigkeiten zu regeln. Die von der PVK durchgeführte Analyse zeigt aber auch auf, dass dabei häufig dieselben Fragen aufkommen und diese nicht verordnungsübergreifend gelöst werden. Insgesamt resultieren aus der Vorbereitung aber Entscheidungsgrundlagen für den Bundesrat, die fundierte Informationen zu aussenpolitischen, aussenwirtschaftspolitischen und rechtlichen Aspekten enthalten.

Die seit 2014 vorliegenden Kriterien zur Güterabwägung sollen die Informationen an den Bundesrat sachdienlicher und die Entscheidungsgrundlage transparenter machen. Da es seither nur wenige Fälle gab, kann die konkrete Anwendung der Kriterien erst sehr beschränkt beurteilt werden. Es zeigt sich jedoch, dass die Kriterien in den bisherigen zwei Anwendungsfällen (Ukraine/Russland und Burundi) nicht systematisch, sondern selektiv verwendet wurden. Teilweise wurden die Kriterien konkretisiert. Den Kriterien kommt damit ein relativ unverbindlicher Stellenwert zu, da sie nicht in jedem Fall einheitlich und systematisch geprüft werden.

Auch ihre Gewichtung im Einzelfall ist nicht transparent.

1868

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7.3

Mängel im Vollzug

Im Vollzug sind verschiedene Mängel festgestellt worden. Das SECO schöpft die zur Verfügung stehenden Instrumente zur Kontrolle nicht aus. Die wenigen durchgeführten Kontrollen vor Ort meldete das SECO bei der betroffenen Unternehmung im Voraus an. Kontrollen ohne Voranmeldung gemäss Artikel 4 EmbG wurden noch nie durchgeführt.

Da die Kontrolle von sanktionierten Gütern nicht zu den primären Aufgaben der Zollstellen gehört und den Zollstellen für die Exportkontrolle generell sehr wenig Zeit zur Verfügung steht, ist es möglich, dass sanktionierte Güter ins Ausland gelangen, auch wenn sie im Zollsystem als «gesperrt» gekennzeichnet sind. Eine nachgelagerte physische Kontrolle im Export ist, im Gegensatz zum Import, nicht möglich.

Auch sind die Meldungen und Bewilligungen im Güterverkehr, für die das SECO zuständig ist, nur ungenügend mit den Zollanmeldesystemen der EZV verknüpft.

Zudem kann der Zoll die Einhaltung von Handelsverboten gegenüber einer Region innerhalb eines Staates (z. B. die Krim) nicht kontrollieren, da das System der Gütersanktionen auf ganze Staaten ausgerichtet ist. Schliesslich ist es fraglich, inwieweit der Export von Luxusgütern an der Grenze überhaupt wirksam kontrolliert werden kann.

Die Umsetzung der Finanzsanktionen erscheint sehr komplex. Zudem stellen sich auch Probleme beim Vollzug der Reisebeschränkungen über das Visa-System.

Verfügt eine Person über eine Nationalität, mit der die Schweiz ein Programm über die visafreie Einreise unterhält, kann sie meist trotz einer Reisebeschränkung in die Schweiz einreisen. Dasselbe gilt für Personen aus Staaten, mit denen die EU Abkommen über die visafreie Einreise in den Schengen-Raum abgeschlossen hat. Diese Personen können nur dann nicht in die Schweiz ein- oder durchreisen, wenn sie an der Grenze kontrolliert werden.

7.4

Gütersanktionen durch Wirtschaftsakteure weitestgehend eingehalten

Anhand von Schweizer Zolldaten lassen sich keine systematischen Verletzungen von Sanktionen gegen die Krim durch Schweizer Firmen feststellen. Auch gibt es keine Hinweise dafür, dass die Schweiz zur Umgehung von Sanktionen benutzt wurde, welche die EU gegenüber Russland verhängt hatte und welche von der Schweiz nicht mitgetragen wurden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Handelsanalyse, die durch das SIAW im Auftrag der PVK durchgeführt wurde.

Weiter zeigt die von der PVK durchgeführte Analyse von einzelnen Warensendungen, dass sich bei den untersuchten Sanktionen gegenüber Ukraine/Russland, Iran, Nordkorea und Syrien nur wenige problematische Fälle identifizieren liessen. Die Verwaltung konnte jedoch nicht alle problematischen Fälle erklären. Es bleibt schliesslich festzuhalten, dass die für diese Analysen verwendeten Daten verschiedene Qualitätsmängel aufweisen, weshalb die Analyseergebnisse nur mit Vorsicht interpretiert werden dürfen.

1869

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7.5

Mängel bei der Überwachung und übergeordneten Steuerung

Die Überwachung und Steuerung der Sanktionspolitik weist verschiedene Mängel auf. Einerseits wird die Durchsetzung der Sanktionen nicht anhand adäquater Daten überwacht, andererseits offenbart sich ein Steuerungsdefizit, da trotz wiederkehrender und bekannter Probleme kaum Massnahmen ergriffen werden.

Erstens nutzt das SECO die ­ zugegebenermassen bisweilen unvollständigen ­ Informationen, die ihm für die Überwachung zur Verfügung stehen könnten, in der Regel nicht, sondern begnügt sich mit dem Massnahmenvollzug in seinem Zuständigkeitsbereich. Das SECO setzt die Sanktionsbestimmungen zwar um, indem es die obligatorischen Meldungen bearbeitet und Bewilligungen erteilt. Es sammelt jedoch ­ abgesehen von Daten zu Strafverfahren ­ keine systematischen Informationen für die Kontrolle oder Überwachung. Die verfügbaren Handelsdaten werden für die Überwachung nur punktuell genutzt. Das SECO analysiert vereinzelt die Aussenhandelsstatistiken oder fordert in Einzelfällen Daten zu spezifischen Sendungen bei der EZV an. Die PVK zeigte in ihrer Evaluation hingegen auf, dass es trotz der qualitativen Mängel dieser Daten dennoch möglich ist, die Ein- und Ausfuhren von sanktionierten Gütern zu kontrollieren und Hinweise auf Probleme zu eruieren.

Auch die Daten anderer im Vollzug tätiger Verwaltungsstellen werden kaum für die Überwachung der Sanktionspolitik genutzt. Die einzigen Daten, die genutzt werden, sind unvollständig. Dies trifft insbesondere auf die Statistik über die gesperrten Vermögen zu, die nicht regelmässig aktualisiert wird.

Zweitens war ein Grossteil der bei der Vorbereitung und Umsetzung der Sanktionsverordnungen festgestellten Defizite bisher nicht Gegenstand einer übergeordneten Steuerung. Bei der Vorbereitung der Sanktionsverordnungen werden oft dieselben Fragen und Probleme thematisiert, diese aber nicht auf allgemeiner Ebene geklärt.

Solche Fragen und Probleme betreffen insbesondere die Umsetzung von Kontrollen am Zoll, den Umgang mit Luxusgütern oder die Durchsetzung von Reisebeschränkungen. Schon bei der Vernehmlassung zu den Entwürfen der Sanktionsverordnungen geben die zuständigen Stellen vereinzelt an, dass es bei der Umsetzung bestimmter Bestimmungen Herausforderungen geben wird. Statt diese Fragen von Grund auf zu klären, versucht die Verwaltung meist, die Schwierigkeiten nur für
den gerade konkret vorliegenden Fall zu lösen. Die Untersuchung der PVK zeigte, dass einige Probleme (insbesondere die kurze Interventionszeit für die EZV bei der Kontrolle der Exporte oder die ungenügende Durchsetzung der Reisebeschränkungen mithilfe des Visa-Systems) schon lange bestehen und bekannt sind.

Viele dieser Mängel sind also hinlänglich bekannt, Korrekturmassnahmen bleiben jedoch aus. Themen wie die Kriterien für die Übernahme/Nichtübernahme von EUSanktionen hat das SECO zwar in der Arbeitsgruppe Sanktionspolitik mit anderen zuständigen Verwaltungsstellen diskutiert. Doch kann diese Arbeitsgruppe nicht als eigentlicher Steuerungsausschuss erachtet werden, da die Weiterverfolgung der angesprochenen Probleme und Lösungsansätze nicht klar ist, je nach Sitzung andere Verwaltungsstellen in der Arbeitsgruppe vertreten sind und die letzte Sitzung im November 2015 stattfand. Da die Zuständigkeiten auf verschiedene Stellen verteilt

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sind, kann das SECO hier nicht alleine aktiv werden; es gilt jedoch hervorzuheben, dass eine übergeordnete Steuerung der Sanktionspolitik fehlt.

1871

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Abkürzungsverzeichnis Abs.

Art.

BAK BBl BJ Bst.

BV BWSA EDA EFD EFK EJPD EmbG EU EZV fedpol GKG GKV GPK GPK-S KMG NZE PVK SECO SEM SIAW SIF SR UNO vgl.

WBF

1872

Absatz Artikel Bundesamt für Kultur Bundesblatt Bundesamt für Justiz Buchstabe Bundesverfassung (SR 101) Ressort Sanktionen SECO Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten Eidgenössisches Finanzdepartement Eidgenössische Finanzkontrolle Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement Bundesgesetz über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen vom 22. März 2002 (Embargogesetz, EmbG, SR 946.231) Europäische Union Eidgenössische Zollverwaltung Bundesamt für Polizei Bundesgesetz vom 13. Dez. 1996 über die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter (Güterkontrollgesetz, GKG, SR 946.202) Verordnung vom 3. Juni 2016 über die Aus-, Ein- und Durchfuhr zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter (Güterkontrollverordnung, GKV, SR 946.202.1) Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte Geschäftsprüfungskommission des Ständerates Bundesgesetz vom 13. Dez. 1996 über das Kriegsmaterial (Kriegsmaterialgesetz, KMG, SR 514.51) Nichtzollrechtliche Erlasse Parlamentarische Verwaltungskontrolle Staatssekretariat für Wirtschaft Staatssekretariat für Migration Schweizerisches Institut für Aussenwirtschaft und Angewandte Wirtschaftsforschung Staatssekretariat für internationale Finanzfragen Systematische Rechtssammlung Organisation der Vereinten Nationen vergleiche Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung

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1873

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Verzeichnis der Interviewpartnerinnen und -partner Ackermann Patrik

Abteilungsleiter Zollinspektorat Basel St. Jakob, Zollstelle Basel, EZV

Atteslander Jan

Leiter Aussenwirtschaft, Mitglied der Geschäftsleitung, Economiesuisse

Bauer Georges-Henri

Zollexperte, Dienst Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr, EZV

Bezzola Jean-Michel

Chef Westschweiz 1 und Tessin, SEM

Bilang Roland

Geschäftsführer Erdöl-Vereinigung

Böhler-Royett Marcano Jürgen

Ressortleiter BWIP (Exportkontrollen / Industrieprodukte), SECO

Bôle Leonard

Abteilung Märkte, FINMA

Bollinger Erwin

Leiter Exportkontrolle und Sanktionen, SECO

Brunner Beat

Bereichsleiter Fachgruppen, Mitglied der Geschäftsleitung, SWISSMEM

Eber Gabrielle

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Ressort Sanktionen, SECO

Ertl Andrew

Leiter Compliance und Datenschutz, SBVg

Flammer Alex

Dienstchef, Zollinspektorat Zürich-Flughafen, EZV

Grünig Silvain

Mitarbeiter Finanzkriminalität, SIF

Ingold Emanuel

wissenschaftlicher Mitarbeiter, Ressort Sanktionen, SECO

Jandrasits Erik

Handelsverkehr, Restrict List und Landesversorgung, scienceindustries

Kaelin-Lurati Dominique Fachreferentin, Grundlagen Visa, SEM Krenger Ewa

Stv. Leiterin Rechtsetzung, fedpol

Laube Anton

Sachbearbeiter, Sektion Diffusion und Analysen, EFD

Leu Agosti Livia

Leiterin des Leistungsbereichs Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen, SECO

Luchsinger Roland

Leiter der Fachstelle Geldwäscherei, ZKB

Mathis Martin

Dienstchef mobiles Einsatzteam «Focus», Zollinspektorat Zürich-Flughafen, EZV

Meier Alexandra

Dienstchefin, Dienst Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr, Stv. Sektionschefin Aufgabenvollzug, EZV

Pasche Jean-Daniel

Präsident, Verband Schweizerische Uhrenindustrie

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Pfammatter Matthias

Fachspezialist und Stv., Sektion Diffusion und Analysen, EFD

Plüss Simon

Ressortleiter Rüstungskontrolle und Rüstungskontrollpolitik, SECO

Renggli Alexander

Chef Sektion Finanzfragen, EDA

Ritschard Miroslaw

Stellvertretender Zollinspektor, Zollinspektorat ZürichFlughafen, EZV

Sansonetti Riccardo

Sektionsleiter Finanzkriminalität, SIF

Schmidli Heather

Sanctions Expert, Fachstelle Geldwäscherei, ZKB

Schmied Gina

Stellvertretende Ressortleiterin, Ressort Sanktionen, SECO

Schwendimann Felix

Diplomatischer Mitarbeiter Sektion Finanzfragen, EDA

Simoes Carine

Leiterin Fachstelle internationaler Kulturgütertransfer,

BAK Valloton Sylvie

Zollexpertin, Dienst Besondere Verfahren, EZV

Vock Roland E.

Ressortleiter Sanktionen, SECO

Wyss Martin

Stellvertretender Chef Fachbereich Rechtsetzungsbegleitung II, BJ

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Anhang 1

Vorgehensweise der Evaluation

Ziele der Politik:

Anhand von Sanktionen will die internationale Staatengemeinschaft Rechtsbrecher zu einer Verhaltensänderung bewegen. Die Schweiz als international vernetztes Land beteiligt sich zunehmend an Sanktionen. UNO-Sanktionen müssen von Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Bei EU-Sanktionen entscheidet die Schweiz über eine Übernahme bzw.

Nichtübernahme nach einer Güterabwägung verschiedener Interessen.


Dies wird erreicht durch:

Der Bundesrat erlässt Sanktionen anhand von Verordnungen im Rahmen des Embargogesetzes (EmbG). Der Bundesverwaltung kommt eine bedeutende Rolle bei der Vorbereitung der Verordnungen und deren Vollzug zu.


Fokus der Evaluation:

Die Evaluation fokussiert auf den gesamten Prozess in der Sanktionspolitik: die Strategie, Vorbereitung und Umsetzung sowie die Einhaltung der Sanktionen durch die Wirtschaftsakteure.





Fragestellungen der Evaluation:



Welche Strategie verfolgt der Bund bei der Beteiligung an Sanktionen? Ist die Strategie angesichts der aussenpolitischen und aussenwirtschaftspolitischen Ziele der Schweiz angemessen?

Ist die Vorbereitung der Sanktionsentscheide durch die Bundesverwaltung angemessen?

Ist der Vollzug der Sanktionsentscheide durch den Bund angemessen?






Durchgeführte Analysen:

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Analyse der Rechtsgrundlagen Dokumentenanalyse Interviews

Wie wirksam sind die Sanktionsmassnahmen bzw. die Massnahmen zur Vermeidung der Umgehung von Sanktionen?




Analyse der Handelsdaten Expertenmandat

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Anhang 2

Phasierung der Schweizer Sanktionspolitik Phase

Sanktionspolitik

Internationaler Kontext

Grundlagen

Phase 1: 1990 bis März 1998

Autonome Beteiligung an Sanktionen des UNOSicherheitsrates; im Neutralitätsbericht von 1993 erklärte sich der Bundesrat zudem grundsätzlich bereit, nach einer Güterabwägung allenfalls auch an Sanktionen ausserhalb der UNO teilzunehmen.

Ende des Kalten Kriegs; Wegfallen des OstWest-Antagonismus; nach dem Ende des Kalten Kriegs werden vermehrt internationale Sanktionen zur Durchsetzung aussenpolitischer Ziele verabschiedet.

Art. 184 BV Bericht des Bundesrates zur Neutralität vom 29. Nov. 1993, BBl 1994 I 206

Phase 2: April­Juni 1998 bis September/ Dezember 2002

Autonome Beteiligung an Sanktionen des UNOSicherheitsrates und fallweise Beteiligung an EUSanktionen gestützt auf Art. 184 BV. In der Zeitspanne zwischen April und Juni 1998 beschloss der Bundesrat die Mitwirkung der Schweiz bei sechs der sieben damals von der EU ergriffenen Sanktionen gegen die Bundesrepublik Jugoslawien als Folge des Kosovo-Konflikts.

Kosovo-Konflikt; Schweiz übernimmt zum ersten Mal Wirtschaftssanktionen ausserhalb der UNO.109 Bundesrat teilt aussenpolitisches Ziel der EU, eine politische Lösung im KosovoKonflikt zu erzwingen. Zudem soll mit der Sanktionsbeteiligung verhindert werden, dass die Schweiz infolge der internationalen Sanktionen zu einer Plattform für Umgehungsgeschäfte wird.

Art. 184 BV Bericht des Bundesrates zur Neutralität vom 29. Nov. 1993, BBl 1994 I 206 Sanktionen gegen die Bundesrepublik Jugoslawien, SR 946.207110

109 110

Botschaft EmbG (BBl 2001 1433, hier 1435).

Siehe auch Medienmitteilung vom 19. Mai 1999, www.admin.ch/cp/d/374aa400.0@fwsrvg.bfi.admin.ch.html (Stand 12. Jan. 2017).

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Phase

Sanktionspolitik

Internationaler Kontext

Grundlagen

Phase 3: Jan 2003 bis Juni 2014

Rechtlich verbindliche Beteiligung an Sanktionen des UNO-Sicherheitsrates und fallweise Beteiligung an EU-Sanktionen gestützt auf EmbG. Die UNO-Charta trat für die Schweiz am 10. September 2002 in Kraft. Das EmbG trat am 1. Januar 2003 in Kraft.

UNO-Beitritt der Schweiz im September 2002 nach Zustimmung zum UNO-Beitritt in der Volksabstimmung vom 3. März 2002 Zunehmende Zahl von EU-Sanktionen

Botschaft über die Volksinitiative «Für den Beitritt der Schweiz zur Organisation der Vereinten Nationen (UNO)» vom 4. Dez. 2000, BBl 2001 1183 Charta der Vereinten Nationen, SR 0.120 Botschaft zum Bundesgesetz über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen vom 20. Dez. 2000, BBl 2001 1433 Bundesgesetz über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen (Embargogesetz, EmbG) vom 22. März 2002, SR 946.231

Phase 4:

Rechtlich verbindliche Beteiligung an Sanktionen des UNO-Sicherheitsrates und fallweise Beteiligung an EU-Sanktionen gestützt auf EmbG mit formalen Kriterien zur Interessenabwägung im Einzelfall. Am 13. Dezember 2013 beauftragte der Bundesrat, gestützt auf ein Aussprachepapier des WBF und des EDA, das WBF, Kriterien für die Interessenabwägung betreffend die Nichtübernahme von EU-Sanktionen zu formulieren.

Im Aussprachepapier des WBF vom 30. Juni 2014 wurden Kriterien zur Übernahme bzw.

Nichtübernahme von EU-Sanktionen dem Bundesrat präsentiert.

Ukraine-Russland-Konflikt; Bundesrat entschied im April 2014, Sanktionen der EU gegen Russland nicht mitzutragen, jedoch Massnahmen zur Vermeidung der Umgehung internationaler Sanktionen über das Gebiet der Schweiz zu erlassen. Auslöser für den Beschluss des Bundesrates, als Grundlage für die Sanktionsentscheidung durch die Verwaltung Kriterien zur Übernahme bzw. Nicht-Übernahme von EUSanktionen erarbeiten zu lassen, war jedoch bereits die Frage der Übernahme von EUSanktionen im Falle Nordkoreas im Jahr 2013 (siehe fallspezifische Analyse unter Ziff. 2.2)

Gemeinsames Aussprachepapier des WBF und des EDA zur Sanktionspolitik der Schweiz vom 13. Dez. 2013 Aussprachepapier Sanktionspolitik der Schweiz des WBF vom 30. Juni 2014

Ab Juni 2014

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Impressum

Durchführung der Untersuchung Dr. Lea Meyer (Projektleitung bis 31.8.2017) Dr. Nicolas Grosjean (wissenschaftliche Mitarbeit, Projektleitung ab 1.9.2017) Dr. Christian Hirschi (wissenschaftliche Mitarbeit) Andreas Tobler (wissenschaftliche Mitarbeit)

Externer Expertenbericht Prof. Dr. Roland Hodler, SIAW (Projektleitung) Prof. Dr. Simon, Evenett, SIAW (Projektbegleitung) Prof. Dr. Reto Föllmi, SIAW (Projektbegleitung) Piotr Lukaszuk, SIAW (wissenschaftliche Mitarbeit) Philine Widmer, SIAW (wissenschaftliche Mitarbeit)

Dank Die PVK dankt dem SECO, insbesondere dem Ressort Sanktionen, und der EZV für die Bereitstellung von Dokumenten und Daten, ihre Abklärungen und Auskünfte sowie für die Hinweise im Rahmen der Verwaltungskonsultation zu diesem Bericht.

Ein Dank gilt zudem allen Gesprächspartnerinnen und -partnern der Verwaltung sowie den externen Experten für ihre bereitwillige Teilnahme an den Interviews und für die erteilten Auskünfte. Die PVK dankt ausserdem dem SIAW für seine Arbeit und die angenehme Zusammenarbeit im Rahmen des externen Mandats.

Kontakt Parlamentarische Verwaltungskontrolle Parlamentsdienste CH-3003 Bern Tel. +41 58 322 97 99 E-Mail: pvk.cpa@parl.admin.ch www.parlament.ch > Organe > Kommissionen > PVK

Originalsprache des Berichts: Deutsch 1879

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