19.054 Botschaft zur Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und der Ukraine vom 9. Oktober 2019

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und der Ukraine.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

9. Oktober 2019

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Übersicht Das Abkommen zwischen der Schweiz und der Ukraine zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen datiert vom 30. Oktober 2000 (DBA-UA). Es enthält keine spezifische Bestimmung über den Informationsaustausch.

Das Protokoll zur Änderung des DBA-UA ergänzt das Abkommen mit einer Bestimmung über den Informationsaustausch auf Ersuchen nach dem internationalen Standard sowie mit der Aufnahme der Neuheiten des Aktionsplans der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) betreffend die Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS-Aktionsplan), insbesondere mit den Bestimmungen zur Umsetzung der Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme der Doppelbesteuerungsabkommen und zur Streitbeilegung. Ausserdem passt das Änderungsprotokoll das DBA in weiteren Punkten an die aktuelle Abkommenspolitik der beiden Vertragsstaaten an.

Die Verhandlungen des Änderungsprotokolls wurden im Januar 2018 abgeschlossen. Die Unterzeichnung erfolgte am 24. Januar 2019. Die Kantone und die interessierten Wirtschaftsverbände haben den Abschluss des Änderungsprotokolls begrüsst.

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Zwischen der Schweiz und der Ukraine besteht ein Abkommen vom 30. Oktober 20001 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-UA). Es wurde bislang nicht revidiert.

Nachdem der Bundesrat am 13. März 2009 mit seinem Beschluss, den Vorbehalt der Schweiz gegenüber dem Informationsaustausch gemäss OECD-Musterabkommen zurückzuziehen, eine Änderung der schweizerischen Abkommenspolitik eingeleitet hatte, trat die Ukraine mit dem Wunsch an die Schweiz heran, das DBA mit einer Bestimmung nach Artikel 26 des OECD-Musterabkommens zu ergänzen. Im bestehenden DBA-UA beschränkt sich die Bestimmung über den Informationsaustausch auf Informationen, die zur ordnungsgemässen Anwendung des Abkommens notwendig sind. Ein Protokoll zur Änderung des DBA-UA wurde nach zwei Verhandlungsrunden am 3. Oktober 2013 in Kiew paraphiert. Kurz darauf setzte die Ukraine die Schweiz aber auf eine Liste als «low tax jurisdiction for transfer pricing purposes» und führte sie bis am 6. September 2015 als solche, was den Genehmigungsprozess der Unterzeichnung verzögerte.

Nachdem die Schweiz von dieser Liste entfernt worden war, begannen die Arbeiten zur Unterzeichnung des Änderungsprotokolls. Im Frühling 2016 teilte die Ukraine der Schweiz mit, das 2013 paraphierte Änderungsprotokoll an ihre jüngere Abkommenspolitik anpassen zu wollen.

Am 7. Juni 2017 hat die Schweiz das multilaterale Übereinkommen zur Umsetzung steuerbezogener Massnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung2 (Base Erosion and Profit Shifting) unterzeichnet. Dieses BEPSÜbereinkommen enthält Bestimmungen zur Anpassung der bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen. Einige dieser Bestimmungen dienen der Umsetzung der Mindeststandards, die im Rahmen der Massnahmen 6 und 14 des OECD-Aktionsplans zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und -verlagerung3 (BEPS-Aktionsplan) festgelegt wurden.

Die Verhandlungen über ein neues Protokoll zur Änderung des DBA-UA mit Einbezug der Neuerungen des BEPS-Aktionsplans fanden im August 2017 in Bern statt, die Finalisierung erfolgte auf dem Korrespondenzweg. Das Änderungsprotokoll wurde am 24. Januar 2019 in Davos unterzeichnet. Die Kantone und die interessierten Wirtschaftsverbände wurden im August 2018 konsultiert und haben den Abschluss des Änderungsprotokolls begrüsst.

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SR 0.672.976.71 BBl 2018 5447 Einsehbar unter www.oecd.org > Fiscalité > Érosion de la base d'imposition et transfert de bénéfices > Documents clés > Exposé des actions: Plan d'action sur le BEPS.

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1.2

Würdigung

Das Änderungsprotokoll setzt die Mindeststandards auf dem Gebiet der Doppelbesteuerungsabkommen um und passt das DBA-UA an die aktuelle Abkommenspolitik der beiden Länder an.

In der durch das Änderungsprotokoll angepassten Fassung wird das DBA-UA die im Rahmen des BEPS-Aktionsplans gesetzten Mindeststandards in Bezug auf Doppelbesteuerungsabkommen erfüllen. Die Schweiz als Mitgliedstaat der OECD hat sich verpflichtet, jene DBA-bezogenen Bestimmungen, die Teil eines BEPS-Mindeststandards sind, in ihre Doppelbesteuerungsabkommen zu übernehmen. Mit dem Änderungsprotokoll zum DBA-UA erfolgt ein weiterer Schritt in diese Richtung.

Ausserdem passt das Änderungsprotokoll die Bestimmung über den Informationsaustausch dem internationalen Standard für den Informationsaustausch auf Ersuchen an.

Bei der Besteuerung der Dividenden soll künftig statt der bisher 20 Prozent ein Anteil von 10 Prozent an der ausschüttenden Gesellschaft als qualifizierte Beteiligung gelten. Zusätzlich wurde eine Steuerbefreiung der Dividenden vereinbart, die an die Regierung des anderen Staates, eine seiner politischen Unterabteilungen oder lokalen Körperschaften, an die Nationalbank oder eine Vorsorgeeinrichtung des anderen Staates gezahlt werden.

Die Bestimmungen über die Zinsen und Lizenzgebühren werden auf Wunsch der Ukraine mit dem Änderungsprotokoll an die neuen Anforderungen der ukrainischen Abkommenspolitik angepasst. In beiden Fällen soll ein Residualsatz von 5 Prozent gelten. Eine Evolutivklausel reduziert die Sätze für qualifizierte Dividenden sowie für Zinsen und Lizenzgebühren, falls die Ukraine mit einem OECD-Mitglied diesbezüglich eine vorteilhaftere Vereinbarung trifft.

Auf Wunsch der Schweiz sieht das Änderungsprotokoll die Einführung einer Schiedsklausel vor. Das geltende Verständigungsverfahren im DBA-UA enthält keine Erfolgspflicht. Es ist also zurzeit nicht ausgeschlossen, dass es in einzelnen Fällen nicht gelingt, eine Doppelbesteuerung im Rahmen eines Verständigungsverfahrens zwischen den zuständigen Behörden der Schweiz und der Ukraine zu vermeiden. Diese Situation ist hinsichtlich der Rechtssicherheit unbefriedigend. Mit der Schiedsklausel wird dieser Mangel behoben.

Die im Änderungsprotokoll verankerten Regelungen tragen der aktuellen Situation der Ukraine Rechnung. Sie werden zur weiteren positiven Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen beitragen.

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Erläuterungen zu einzelnen Bestimmungen des Änderungsprotokolls

Das Änderungsprotokoll ändert und ergänzt einzelne Bestimmungen des DBA-UA.

Es enthält neben formellen Anpassungen folgende Regelungen.

Art. I betreffend die Präambel DBA-UA Gemäss dem Mindeststandard aus Massnahme 6 des BEPS-Aktionsplans ist in der Präambel vorgesehen, dass das DBA-UA auch die Verhinderung der Steuerhinterziehung und Steuerumgehung bezweckt. Dies entspricht dem OECD-Musterabkommen in der aktualisierten Fassung vom November 2017.

Art. III betreffend Art. 3 DBA-UA (Allgemeine Begriffsbestimmungen) In Artikel 3 Absatz 1 wird im neuen Buchstaben j der Ausdruck «Vorsorgeeinrichtung» den Arbeiten der OECD in diesem Bereich entsprechend definiert, ohne dass diese Definition einen materiellen Unterschied zu der in den neueren Abkommen verwendeten Definition darstellt. Die Bestimmung wird in Absatz 2 des Protokolls zum Abkommen unter Hinweis auf die innerstaatliche Gesetzgebung der beiden Staaten weiter präzisiert. Für die Schweiz umfasst der Begriff die Sozialversicherungs- und Vorsorgeeinrichtungen der ersten und zweiten Säule sowie der Säule 3a.

Art. V betreffend Art. 7 DBA-UA (Unternehmensgewinne) Gemäss dem Mindeststandard aus Massnahme 14 des BEPS-Aktionsplans «Verbesserung der Effizienz von Streitbeilegungsmechanismen» sollen Länder nach Möglichkeit den zweiten Satz von Artikel 25 Absatz 2 des OECD-Musterabkommens in ihre Steuerabkommen mit folgendem Wortlaut aufnehmen: «Die Verständigungsregelung ist ungeachtet der Fristen des innerstaatlichen Rechts der Vertragsstaaten durchzuführen». Ist dies einem Land nicht möglich, sollte es bereit sein, andere Bestimmungen zur Beschränkung der Frist für eine Berichtigung nach Artikel 7 Absatz 2 oder Artikel 9 Absatz 1 des OECD-Musterabkommens in seine Abkommen aufzunehmen, um spätere Berichtigungen zu vermeiden, die nicht mehr Gegenstand einer Entlastung aufgrund des Verständigungsverfahrens sein können. Die Bestimmungen sind im Kommentar zur aktualisierten Fassung des OECD-Musterabkommens vom November 2017 enthalten. Staaten, die den zweiten Satz von Artikel 25 Absatz 2 übernehmen, müssen keine solchen Bestimmungen in ihre Abkommen aufnehmen.

Da das DBA-UA den zweiten Satz von Artikel 25 Absatz 2 der schweizerischen Abkommenspolitik entsprechend nicht enthält, sieht Artikel 7 Absatz 7 DBA-UA vor, dass der Betriebsstätte eines Unternehmens
eines der Vertragsstaaten zurechenbare Gewinne nach Ablauf einer Frist von fünf Jahren ab dem Ende des Steuerjahrs, in dem die Gewinne der Betriebsstätte zurechenbar gewesen wären, nicht mehr berichtigt werden können. In Bezug auf die verbundenen Unternehmen ist bereits eine analoge Bestimmung in Artikel 9 Absatz 3 DBA-UA vorgesehen.

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Art. VII, VIII und IX betreffend die Art. 10 (Dividenden), Art. 11 (Zinsen) und Art. 12 (Lizenzgebühren) DBA-UA Bei den Dividenden wurden die Residualsteuersätze von 15 Prozent bzw. 5 Prozent beibehalten. Hingegen wurde die Beteiligungsschwelle von 20 auf 10 Prozent reduziert. Von der Besteuerung ausgenommen werden künftig die Dividenden, die an den anderen Vertragsstaat, eine seiner politischen Unterabteilungen oder lokalen Körperschaften, seine Nationalbank oder eine Vorsorgeeinrichtung dieses Staats gezahlt werden (Art. 10 neuer Abs. 3).

Bei den Zinsen wurde der Residualsteuersatz von 10 auf 5 Prozent reduziert. Dieser Satz gilt künftig auch für Zinsen im Zusammenhang mit dem Verkauf auf Kredit und für Zinsen für ein von einer Bank gewährtes Darlehen irgendeiner Art.

Bei den Lizenzgebühren wurde die Residualsteuer ebenfalls von 10 auf 5 Prozent reduziert. Diese gilt künftig aber auch für Lizenzgebühren im gewerblichen, kaufmännischen oder wissenschaftlichen Bereich.

Die Anpassung der Residualsteuersätze auf passiven Einkünften entspricht der aktuellen Abkommenspolitik der Ukraine, die sie gegenwärtig in sämtlichen Doppelbesteuerungsabkommen umsetzt. Im neuen Absatz 6 des Protokolls zum Abkommen ist aber eine Evolutivklausel in Bezug auf die Dividenden aus massgeblichen Beteiligungen, Zinsen und Lizenzgebühren vorgesehen, wonach allenfalls künftig mit einem OECD-Staat getroffene vorteilhaftere Vereinbarungen der Ukraine auch für die Schweiz gelten.

Art. X betreffend Art. 23 DBA-UA (Vermeidung der Doppelbesteuerung) Entsprechend ihrer Abkommenspolitik behält sich die Schweiz das Recht vor, Kapitalgewinne aus dem Verkauf von Anteilen an Immobiliengesellschaften zu besteuern, wenn diese Gewinne in der Ukraine nicht tatsächlich besteuert wurden (Art. 23 Abs. 1 Bst. a).

Art. XI betreffend Art. 25 DBA-UA (Verständigungsverfahren) Zum einen sieht dieser Artikel eine Anpassung von Artikel 25 Absatz 1 DBA-UA vor. Diese Bestimmung regelt die Ersuchen für ein Verständigungsverfahren. Insbesondere geht es um die Frage, bei welcher der beiden zuständigen Behörden die Einleitung eines Verständigungsverfahrens zu beantragen ist.

Unter der geltenden Bestimmung muss sich eine Person, wenn sie der Auffassung ist, dass Massnahmen eines Vertragsstaats oder beider Vertragsstaaten für sie zu einer Besteuerung
führen oder führen werden, die dem DBA-UA nicht entspricht, an die zuständige Behörde jenes Vertragsstaats wenden, in dem sie ansässig ist.

Mit der Anpassung von Artikel 25 Absatz 1 DBA-UA wird eine Person bei der Wahl der zuständigen Behörde für die Einleitung eines Verständigungsverfahrens nicht mehr eingeschränkt. Vielmehr kann sie sich in Zukunft an die zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten oder des Vertragsstaats ihrer Wahl wenden. Dies entspricht der aktuellen Fassung des OECD-Musterabkommens.

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Zum andern enthält Absatz 3 entsprechend dem OECD-Musterabkommen und dem Mindeststandard aus dem BEPS-Aktionsplan die Ergänzung, dass die Vertragsstaaten auch gemeinsam darüber beraten können, wie eine Doppelbesteuerung in Fällen vermieden werden kann, die im Abkommen nicht behandelt sind.

Art. XII betreffend den neuen Art. 25a DBA-UA (Schiedsverfahren) Dieser Artikel sieht die Aufnahme einer Schiedsklausel in das DBA-UA vor. Deren Ausgestaltung stimmt mit der in Teil IV des BEPS-Übereinkommens enthaltenen Schiedsklausel überein. Die eingegangenen Verpflichtungen entsprechen im Wesentlichen denjenigen von Artikel 25 Absatz 5 des OECD-Musterabkommens, wie sie die Schweiz in zahlreichen DBA vereinbart hat. Der vorliegende Artikel legt aber wie das BEPS-Übereinkommen das Schiedsverfahren im Vergleich zur Bestimmung des OECD-Musterabkommens erheblich detaillierter fest. Trotzdem bleiben diverse Verfahrensfragen (wie die Fristen) ungeregelt. Absatz 10 sieht deshalb vor, dass die zuständigen Behörden das Schiedsverfahren umfassend durch eine Verständigungsvereinbarung regeln.

Gelingt es den zuständigen Behörden im Rahmen eines Verständigungsverfahrens nicht, innerhalb von drei Jahren eine Verständigungsregelung zu erzielen, so kann die steuerpflichtige Person schriftlich beantragen, dass ihr Fall einem Schiedsverfahren zugeführt wird (Abs. 1).

Gemäss Absatz 4 ist der Schiedsspruch für die Vertragsstaaten endgültig und verbindlich. Die zuständigen Behörden sind verpflichtet, diesen in einer Verständigungsvereinbarung umzusetzen. Lehnt eine unmittelbar von dem Fall betroffene Person die Verständigungsregelung, durch die der Schiedsspruch umgesetzt wird, aber ab, zum Beispiel, weil sie sich entschliesst, den Streitfall durch ein Gericht entscheiden zu lassen, so fällt die Verbindlichkeit dahin. Mit einem solchen Mechanismus kann den Interessen der Steuerpflichtigen, die einer Doppelbesteuerung unterliegen, Rechnung getragen und die Rechtssicherheit gewährleistet werden.

Die Absätze 5­9 regeln im Detail den Beginn der dreijährigen Frist, in der die zuständigen Behörden Zeit haben, den Fall durch Verständigung zu regeln. Die Absätze 2 und 3 regeln die Berechnung der dreijährigen Frist in besonderen Situationen.

Die Absätze 12­14 enthalten Regeln zur Bestimmung der Mitglieder der Schiedsstelle. Sie kommen
dann zur Anwendung, wenn sich die zuständigen Behörden der Schweiz und der Ukraine nicht auf andere Vorschriften verständigen.

Demnach besteht die Schiedsstelle aus drei Einzelmitgliedern mit Fachkenntnis oder Erfahrung auf dem Gebiet internationaler Steuersachen (Abs. 12 Bst. a). Jede zuständige Behörde muss ein Mitglied der Schiedsstelle bestellen, und die beiden auf diese Weise bestellten Mitglieder bestellen ein drittes Mitglied, das weder die schweizerische noch die ukrainische Staatsangehörigkeit besitzen noch in der Schweiz oder in der Ukraine ansässig sein darf und den Vorsitz der Schiedsstelle ausüben wird (Abs. 12 Bst. b). Jedes Mitglied der Schiedsstelle muss unparteiisch und von den zuständigen Behörden, Steuerverwaltungen und Finanzministerien der beiden Vertragsstaaten sowie der vom Verständigungsverfahren betroffenen Personen und ihren Beraterinnen und Beratern unabhängig sein (Abs. 12 Bst. c).

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Wird versäumt, ein Mitglied oder den Vorsitz der Schiedsstelle zu bestellen, so wird die Ernennung durch den ranghöchsten Funktionsträger oder die ranghöchste Funktionsträgerin des Zentrums für Steuerpolitik und -verwaltung der OECD vorgenommen, der bzw. die nicht die Staatsangehörigkeit der Schweiz oder der Ukraine besitzt (Abs. 13 und 14). Dieser Mechanismus, der nur mangels einer Verständigung der zuständigen Behörden auf andere Vorschriften zur Anwendung gelangt, soll verhindern, dass das Schiedsverfahren über die im Rahmen eines Verständigungsverfahrens aufgeworfenen Fragen in unzulässiger Weise verzögert werden kann.

Die Absätze 15 und 16 widmen sich der Vertraulichkeit. Um sicherzustellen, dass das Schiedsverfahren sein Ziel erreicht, ohne die Vertraulichkeit des Verständigungsverfahrens zu verletzen, sieht Absatz 15 vor, dass für die Mitglieder der Schiedsstelle die in Artikel 26 DBA-UA enthaltenen Vorschriften in Bezug auf Vertraulichkeit gelten. Die zuständigen Behörden der Schweiz und der Ukraine müssen sicherstellen, dass Mitglieder der Schiedsstelle und ihre Mitarbeitenden sich vor ihrem Tätigwerden im Rahmen eines Schiedsverfahrens schriftlich verpflichten, Informationen zum Schiedsverfahren im Einklang mit den in Artikel 26 DBA-UA in Bezug auf den Informationsaustausch vorgesehenen Vertraulichkeits- und Geheimhaltungspflichten zu behandeln (Abs. 16).

Einigen sich die zuständigen Behörden der Schweiz und der Ukraine während der Dauer des Schiedsverfahrens auf eine Lösung des Falls durch Verständigung oder zieht die Person, die den Fall vorgelegt hat, den Schiedsantrag oder den Antrag auf ein Verständigungsverfahren zurück, so enden das Schiedsverfahren und das Verständigungsverfahren (Abs. 17).

Die Art des Schiedsverfahrens ist in Absatz 18 geregelt. So kommt ­ ausser die zuständigen Behörden der Schweiz und der Ukraine verständigen sich auf eine andere Methode ­ die Methode «Final Offer» (bestes Angebot), die auch als Methode «Best Final Offer» (bestes und endgültiges Angebot) bezeichnet wird, zur Anwendung. Diese Methode sieht vor, dass die zuständigen Behörden der Schweiz und der Ukraine der Schiedsstelle je einen Regelungsvorschlag vorlegen, in dem alle noch offenen Fragen des konkreten Einzelfalls behandelt werden. Die von den beiden zuständigen Behörden vorgelegten
Regelungsvorschläge können je durch ein erläuterndes Positionspapier untermauert werden. Zudem kann jede zuständige Behörde eine Erwiderung zu dem von der anderen zuständigen Behörde vorgelegten Regelungsvorschlag und erläuternden Positionspapier übermitteln. Mit der Erwiderung soll einzig auf die Stellungnahmen und Argumente der anderen zuständigen Behörde geantwortet werden; hingegen dienen sie nicht dazu, einer zuständigen Behörde die Möglichkeit zu bieten, zusätzliche Argumente zur Stärkung ihrer eigenen Position vorzubringen. Die Schiedsstelle wählt als Entscheidung einen der von den zuständigen Behörden vorgelegten Regelungsvorschläge für den Fall aus. Der Schiedsspruch wird mit einfacher Mehrheit der Mitglieder der Schiedsstelle erlassen und enthält keine Begründung oder sonstige Erläuterung. Die Schiedsstelle übermittelt den zuständigen Behörden der Schweiz und der Ukraine schriftlich ihre Entscheidung, die für keinen anderen Fall eine Präzedenzwirkung entfalten kann.

Absatz 19 sieht vor, dass die Vergütungen und Aufwendungen der Mitglieder der Schiedsstelle sowie die der Schweiz und der Ukraine im Zusammenhang mit dem Schiedsverfahren entstandenen Kosten von der Schweiz und der Ukraine in einer 7070

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durch Verständigung zu regelnden Weise übernommen werden. In Ermangelung einer entsprechenden Verständigungsregelung tragen die Schweiz und die Ukraine je ihre eigenen Aufwendungen und die ihres bestellten Mitglieds der Schiedsstelle. Die Kosten des oder der Vorsitzenden der Schiedsstelle tragen die Schweiz und die Ukraine zu gleichen Teilen.

Absatz 20 schliesslich hält fest, dass offene Fragen aus einem Verständigungsverfahren, die bereits einer Schiedsstelle zum Entscheid vorgelegt worden sind, nicht mehr einem Schiedsverfahren unterworfen werden können.

Art. XIII betreffend Art. 26 DBA-UA (Informationsaustausch) Das Änderungsprotokoll enthält eine Bestimmung über den Informationsaustausch nach dem internationalen Standard. Die nachfolgenden Ausführungen gehen lediglich auf einzelne Punkte in Artikel 26 DBA-UA sowie der dazugehörigen Protokollbestimmung (Abs. 8) ein.

Der Geltungsbereich für den Informationsaustausch ist auf die unter das Abkommen fallenden Steuern beschränkt.

Die Schweiz hat der ukrainischen Delegation anlässlich der Verhandlungen mitgeteilt, dass sie keine Amtshilfe leisten wird, wenn das Amtshilfegesuch auf illegal beschafften Daten beruht.

Die Bestimmungen von Artikel 26 werden im Protokoll zum Abkommen (Abs. 8) konkretisiert (Art. XV Ziff. 5 des Änderungsprotokolls). Es regelt unter anderem im Detail die Voraussetzungen, die ein Auskunftsersuchen erfüllen muss (Bst. b).

Notwendig sind insbesondere die Identifikation der betroffenen steuerpflichtigen Person (diese Information kann sich aus sämtlichen Elementen ergeben, die eine Identifizierung ermöglichen) sowie, soweit bekannt, Name und Adresse der Person (z. B. einer Bank), in deren Besitz der ersuchende Staat die gewünschten Informationen vermutet. Ebenso hält das Protokoll zum Abkommen fest, dass diese Voraussetzungen nicht formalistisch ausgelegt werden dürfen (Bst. c).

Gemäss dem internationalen Standard ist der Informationsaustausch auf konkrete Anfragen beschränkt. Dazu gehören auch konkrete Anfragen, die auf eine genau definierte Gruppe von Steuerpflichtigen abzielen, bei denen davon ausgegangen werden muss, dass sie ihren Steuerpflichten im ersuchenden Staat nicht nachgekommen sind. Das DBA-UA ermöglicht es, solchen Ersuchen Folge zu leisten. Mit detaillierten Angaben zur Gruppe der Steuerpflichtigen, die es
dem ersuchten Staat ermöglichen, die konkret betroffenen Personen zu bestimmen, kommt der ersuchende Staat dem Erfordernis der Identifikation der vom Ersuchen betroffenen steuerpflichtigen Personen nach (Bst. b). Diese Auslegung beruht auf der Auslegungsklausel (Bst. c in Verbindung mit Bst. b), die die Vertragsstaaten zu einer Auslegung der Erfordernisse an ein Ersuchen mit dem Ziel eines möglichst weitgehenden Informationsaustauschs verpflichtet, ohne dass «fishing expeditions» zugelassen sind. Die prozeduralen Voraussetzungen für die Erfüllung der Gruppenersuchen sind im Steueramtshilfegesetz vom 28. September 20124 geregelt.

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SR 651.1

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Artikel 26 DBA-UA sieht den spontanen und den automatischen Informationsaustausch nicht vor.

Die neue Klausel findet auf die Steuerjahre Anwendung, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten des Änderungsprotokolls folgenden Kalenderjahrs beginnen.

Art. XIV betreffend den neuen Art. 26a DBA-UA (Anspruch auf Vorteile) Absatz 1 sieht eine Missbrauchsklausel in Form einer Hauptzweckbestimmung (PPT-Regel) vor. Aufgrund dieser Bestimmung werden die Vorteile des DBA-UA nicht gewährt, wenn das Erlangen dieser Vorteile einer der hauptsächlichen Zwecke der entsprechenden Gestaltung oder Transaktion war; es sei denn, es wird nachgewiesen, dass das Gewähren dieser Vorteile im Einklang mit dem Ziel und Zweck der entsprechenden Bestimmungen des Abkommens steht. Die PPT-Regel setzt den Mindeststandard aus Massnahme 6 des BEPS-Aktionsplans um und ist in der aktualisierten Fassung des OECD-Musterabkommens vom November 2017 enthalten.

Diese Missbrauchsklausel ist zwar neu, sie entspricht aber in ihren Grundzügen den Missbrauchsklauseln, die die Schweiz in den letzten Jahren in einer Vielzahl ihrer Doppelbesteuerungsabkommen vereinbart hat. Anders ist indessen, dass die Missbrauchsklausel nicht auf gewisse Arten von Einkünften, wie Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren, beschränkt ist. Vielmehr findet sie in Bezug auf sämtliche Bestimmungen des Abkommens Anwendung. Alle Abkommensvorteile unterliegen damit dem Vorbehalt einer missbräuchlichen Inanspruchnahme.

Vom Wortlaut her unterscheidet sich die Missbrauchsklausel gegenüber jenen, die in vielen jüngeren Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz enthalten sind, noch in einem weiteren Punkt. So ist die Klausel nicht auf Situationen beschränkt, in denen der Hauptzweck der entsprechenden Gestaltung oder Transkation im Erlangen der Abkommensvorteile lag, sondern Missbrauch besteht auch dann, wenn bloss einer der Hauptzwecke dafür verantwortlich war. Vom Resultat her besteht indessen diesbezüglich keine Differenz. Denn der zweite Teil der Missbrauchsklausel sieht vor, dass die Abkommensvorteile dennoch gewährt werden, wenn dies im Einklang mit dem Ziel und Zweck der entsprechenden Bestimmungen des Abkommens steht. Dies sollte grundsätzlich dann der Fall sein, wenn das Erlangen des entsprechenden Abkommensvorteils nicht der Hauptzweck der Gestaltung oder
Transaktion war.

Absatz 2 entspricht der Bestimmung, die im Kommentar zum OECD-Musterabkommen als Ergänzung zur PPT-Regel vorgeschlagen ist. Gemäss dieser Bestimmung werden gewisse Abkommensvorteile auch in Missbrauchssituationen nach Absatz 1 gewährt, nämlich wenn sie auch ohne die missbräuchliche Gestaltung oder Transaktion gewährt worden wären. Ein Vertragsstaat kann somit bei Vorliegen eines Abkommensmissbrauchs zur Bestimmung der steuerlichen Konsequenzen jenen Sachverhalt heranziehen, der ohne die entsprechende Gestaltung oder Transaktion vorgelegen hätte. Für die Schweiz ist diese Klausel lediglich deklaratorischer Natur, da die Steuerbehörden solche Vorteile nach ihrem innerstaatlichen Recht auch ohne eine solche Klausel gewähren können.

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Absatz 3 schliesslich sieht vor, dass die zuständigen Behörden einander konsultieren müssen, bevor sie einen Abkommensvorteil gestützt auf Artikel 26a DBA-UA ablehnen.

Art. XVI betreffend das Inkrafttreten Die Bestimmungen des Änderungsprotokolls finden Anwendung auf Steuerjahre, die am oder nach dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten des Änderungsprotokolls folgenden Kalenderjahrs beginnen. Das gilt auch für die Bestimmungen zum Informationsaustausch.

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Finanzielle Auswirkungen

In jedem Doppelbesteuerungsabkommen verzichten die beiden Vertragsparteien auf einen Teil ihrer Steuereinnahmen. Generell stärken und garantieren diese Massnahmen die steuerlichen Rahmenbedingungen und wirken sich infolgedessen positiv auf die Schweizer Wirtschaft aus. Die Aufnahme einer Bestimmung zum Informationsaustausch bewirkt keine direkte Einbusse von Steuereinnahmen. Gegebenenfalls kann die Klausel zu zusätzlichen Steuereinnahmen führen, da sie der Schweiz erlaubt, Amtshilfeersuchen an die Ukraine zu stellen. Diesbezügliche Schätzungen sind jedoch nicht möglich. Das Änderungsprotokoll kann im Rahmen der bestehenden Ressourcen umgesetzt werden.

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Rechtliche Aspekte

Das Änderungsprotokoll stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV)5, wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Nach Artikel 184 Absatz 2 BV ist der Bundesrat ermächtigt, die Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist gemäss Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung der Verträge zuständig; ausgenommen sind die Verträge, für deren Abschluss aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (siehe auch Art. 7a Abs. 2 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 19976). Im vorliegenden Fall gibt es kein Gesetz und keinen völkerrechtlichen Vertrag, die dem Bundesrat die Kompetenz verleihen, einen Vertrag wie das Änderungsprotokoll abzuschliessen. Das Parlament ist somit für die Genehmigung des Änderungsprotokolls zuständig.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unter anderem wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten. Gemäss Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20027 (ParlG) gelten Bestimmungen als rechtsetzend, die in

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SR 101 SR 172.010 SR 171.10

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unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen.

Das Änderungsprotokoll enthält Bestimmungen, die den Schweizer Behörden Pflichten auferlegen und den Schweizer Behörden und den Privatpersonen (natürliche und juristische Personen) Rechte verleihen. Das Änderungsprotokoll enthält somit wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 22 Absatz 4 ParlG und Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV.

Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Änderungsprotokolls untersteht deshalb dem fakultativen Staatsvertragsreferendum für völkerrechtliche Verträge nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV.

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Vernehmlassungsverfahren

Das Änderungsprotokoll untersteht dem Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV. Gestützt auf Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 20058 (VlG) besteht damit an sich die Pflicht zur Durchführung einer Vernehmlassung. Zum Änderungsprotokoll wurde eine Orientierung durchgeführt. Dabei wurde im August 2018 den Kantonen und den am Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen interessierten Wirtschaftskreisen eine Erläuterung zum Änderungsprotokoll vorgelegt. Das Änderungsprotokoll wurde positiv und ohne Einwände aufgenommen. Die Positionen der interessierten Kreise sind entsprechend bekannt und belegt. Gestützt auf Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VlG konnte deshalb auf eine Vernehmlassung verzichtet werden.

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SR 172.061

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