13.426 Parlamentarische Initiative Stillschweigende Verlängerung von Dienstleistungsverträgen Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 4. Juli 2019

Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Obligationenrechts. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen. Eine Minderheit (Merlini, Bauer, Geissbühler, Markwalder, Nidegger, Tuena, Vogt, Walliser, Zanetti Claudio) beantragt Nichteintreten.

4. Juli 2019

Im Namen der Kommission Der Präsident: Pirmin Schwander

2019-2662

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Übersicht Der vorliegende Vorschlag geht zurück auf die parlamentarische Initiative 13.426, der die Kommissionen für Rechtsfragen beider Räte Folge gegeben haben. Der nun von der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates ausgearbeitete Entwurf schlägt vor, das Obligationenrecht mit einer neuen Bestimmung zu ergänzen. Sofern in einem Vertrag mit einer Konsumentin oder einem Konsumenten in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart wurde, dass sich das Vertragsverhältnis nach Ablauf der vereinbarten Dauer automatisch verlängert, wenn die Konsumentin oder der Konsument innerhalb einer vereinbarten Frist keine anderslautende Erklärung abgibt, so muss die andere Partei die Konsumentin oder den Konsumenten vor der erstmaligen Verlängerung benachrichtigen und sie auf das vereinbarte Recht zur Beendigung des Vertrages ausdrücklich hinweisen. Findet keine solche Benachrichtigung statt, kann die Konsumentin oder der Konsument den Vertrag nach Ablauf der vereinbarten Dauer jederzeit fristlos auflösen. Diese Regelung soll für alle Vertragstypen mit Ausnahme der Miet- und Pachtverträge für Wohn- und Geschäftsräume gelten.

Die Kommission ist der Überzeugung, dass mit einer solchen Regelung verhindert werden kann, dass im Einzelfall Verträge über die eigentlich gewünschte Laufzeit hinaus weitergeführt werden und dass die Konsumentinnen und Konsumenten auf diese Weise vor ungewollten Verpflichtungen geschützt werden können. Gleichzeitig stellt die einmalige Pflicht zur Benachrichtigung für die betroffenen Unternehmen nur einen verhältnismässig geringfügigen Eingriff dar, der ohne Weiteres als zumutbar erscheint.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Die parlamentarische Initiative 13.426

Am 17. April 2013 reichte der damalige Nationalrat Mauro Poggia eine parlamentarische Initiative mit folgendem Text ein: «Die Gesetzgebung wird dahingehend ergänzt, dass Dienstleistungsanbieter, die eine stillschweigende Fortführung eines abgeschlossenen Dienstleistungsvertrages vereinbaren, ihre Kundinnen und Kunden über die Möglichkeit, vom Vertrag zurückzutreten, informieren müssen; diese Mitteilung muss mindestens einen Monat vor Ablauf der Kündigungsfrist erfolgen. Erfolgt diese Mitteilung nicht, so müssen die Kundinnen und Kunden ohne Konventionalstrafe vom Vertrag zurücktreten können, und der Dienstleistungsanbieter muss ihnen den Betrag, den sie für die noch nicht abgelaufene Vertragsperiode bereits bezahlt haben, zurückerstatten.» Die parlamentarische Initiative wurde am 26. Dezember 2013 von Nationalrat Golay übernommen.

Am 11. April 2014 prüfte die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (hiernach: die Kommission) die Initiative vor und beschloss mit 12 zu 10 Stimmen bei 3 Enthaltungen, ihr gemäss Artikel 109 Absatz 2 des Parlamentsgesetzes (ParlG) 1 Folge zu geben. Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates stimmte diesem Beschluss am 10. Februar 2015 mit 8 zu 2 Stimmen bei 3 Enthaltungen zu (Art. 109 Abs. 3 ParlG). Am 17. März 2017 hat der Nationalrat auf Antrag seiner Kommission die Frist zur Ausarbeitung eines Erlassentwurfs bis zur Frühjahrssession 2019 verlängert. Am 22. März 2019 verlängerte der Nationalrat die Frist für die Umsetzung der Initiative erneut um zwei Jahre, d. h. bis zur Frühjahrssession 2021.

1.2

Arbeiten der Kommission

Die Kommission befasste sich am 8. April 2016 mit der Umsetzung der parlamentarischen Initiative und setzte für die Ausarbeitung eines Vorentwurfs eine Subkommission ein. Um den Auftrag an die Subkommission zu präzisieren, führte die Kommission eine Konsultativabstimmung betreffend den bevorzugten Lösungsansatz durch. Sie sprach sich mit 13 zu 2 Stimmen bei 9 Enthaltungen für die Einführung einer gesetzlichen Notifizierungspflicht und gegen ein generelles Verbot automatischer Vertragsverlängerungen aus. Die Subkommission kam an ihrer Sitzung vom 17. August 2016 ebenfalls zum Schluss, dass die parlamentarische Initiative auf diesem Weg am besten umgesetzt werden kann. In Erfüllung ihres Auftrages erarbeitete sie einen detaillierten Vorentwurf, welcher der Kommission am 3. Februar 2017 unterbreitet wurde. Die Kommission lehnte einen Abschreibungsantrag ab, trat 1

Bundesgesetz über die Bundesversammlung vom 13. Dezember 2002, SR 171.10

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auf den Vorentwurf ein und nahm Anpassungen daran vor. An ihrer Sitzung vom 11./12. Mai 2017 hat die Kommission den angepassten Vorentwurf mit einer Übergangsbestimmung ergänzt und den erläuternden Bericht genehmigt.

Zu diesem Vorentwurf wurde gemäss dem Vernehmlassungsgesetz (VlG) 2 eine Vernehmlassung durchgeführt, deren Ergebnisse Gegenstand eines Berichts sind3.

Das Vernehmlassungsverfahren dauerte vom 16. Juni 2017 bis zum 9. Oktober 2017. An ihrer Sitzung vom 6. Juli 2018 hat die Kommission von den Rückmeldungen der Vernehmlassung Kenntnis genommen und beschlossen, den Vorentwurf dahingehend zu überarbeiten, dass Miet- und Pachtverträge über Wohn- und Geschäftsräume nicht in dessen Anwendungsbereich fallen sollen. Weiter hat die Kommission entschieden, die Bestimmung ins Obligationenrecht und nicht, wie im Vorentwurf vorgeschlagen, in das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb einzufügen.

Am 15. November 2018 hat die Kommission die Detailberatung des überarbeiteten Vorentwurfs durchgeführt und diesen mit 12 zu 12 Stimmen bei 1 Enthaltung mit Stichentscheid des Präsidenten in der Gesamtabstimmung abgelehnt. Sie beantragte dem Nationalrat somit, die Initiative abzuschreiben. Eine Minderheit (Flach, Aebischer Matthias, Amherd, Arslan, Gmür-Schönenberger, Guhl, Marti Min Li, Mazzone, Naef, Vogler, Wasserfallen Flavia) beantragte, die Abschreibung abzulehnen und die Frist für die Umsetzung der Initiative um zwei Jahre, d. h. bis zur Frühjahrssession 2021, zu verlängern. Nachdem der Nationalrat am 22. März 2019 mit 102 zu 90 Stimmen bei 2 Enthaltungen dem Antrag der Minderheit folgte, nahm die Kommission ihre Arbeiten wieder auf und verabschiedete an ihrer Sitzung vom 4. Juli 2019 den vorliegenden Entwurf mit 11 zu 10 Stimmen. Eine Minderheit (Merlini, Bauer, Geissbühler, Markwalder, Nidegger, Tuena, Vogt, Walliser, Zanetti Claudio) beantragt Nichteintreten. Sie ist der Ansicht, dass die vorgeschlagene Mitteilungspflicht einen Eingriff in die Vertragsfreiheit darstelle und unnötige Bürokratie generiere.

Die Kommission wurde bei ihrer Arbeit gemäss Artikel 112 Absatz 1 ParlG vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement unterstützt.

2 3

Bundesgesetz über das Vernehmlassungsverfahren vom 8. März 2005, SR 172.061 Dieser Bericht kann auf der Webseite der Kommissionen für Rechtsfragen abgerufen werden: www.parlament.ch > Organe > Kommissionen > Sachbereichskommissionen > Kommissionen für Rechtsfragen > Berichte und Vernehmlassungen > Vernehmlassungen > 13.426.

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2

Allgemeine Erwägungen

2.1

Ausgangslage

Vertragsklauseln, die eine automatische Vertragsverlängerung vorsehen (auch «Rollover-Klauseln» oder «Prolongationsklauseln»), zeichnen sich dadurch aus, dass sich ein grundsätzlich befristeter Vertrag nach Ablauf der vereinbarten Dauer automatisch verlängert, sofern nicht innerhalb einer vorgesehenen Frist eine gegenteilige Erklärung erfolgt. Die Verlängerungsklausel und die Modalitäten der Erklärung (Frist, Form) finden sich in der Regel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Im Ergebnis hat eine solche Verlängerungsabrede zur Folge, dass aus dem befristeten ein unbefristetes Vertragsverhältnis mit einer Mindestlaufdauer und einer regelmässig wiederkehrenden Auflösungsmöglichkeit wird.

Vertragsverlängerungen können in Fällen, in denen eine oder beide Seiten auf Planungssicherheit angewiesen sind, zwar durchaus ihre Berechtigung haben. Sie werden jedoch oft auch in Verträgen vorgesehen, in welchen die Planungssicherheit nicht entscheidend ist. Die Verwendung automatischer Verlängerungsklauseln wird deshalb teilweise auch heftig kritisiert. So wird vorgebracht, dass sie in erster Linie dazu dienten, Kundinnen und Kunden einen längeren Vertrag aufzudrängen, als sie ihn eigentlich wünschten.4 Die Verwenderinnen und Verwender solcher Klauseln würden darauf vertrauen, dass die Kundinnen und Kunden sie übersehen oder eine rechtzeitige Vertragsauflösung vergessen.5 Die Problematik würde in der Praxis teilweise noch verschärft durch besonders lange Fristen oder hohe formelle Anforderungen an die Erklärung.6 In der Telekommunikationsbranche waren solche Klauseln lange die Regel. Auf Druck von Konsumentenschutzorganisationen erklärten sich die grossen Mobilfunkanbieter im März 2014 jedoch bereit, in ihren Verträgen künftig auf automatische Vertragsverlängerungsklauseln zu verzichten.7 Im Fernmeldebericht 2014 konnte das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) deshalb festhalten, dass solche Klauseln heute praktisch nur noch von kleinen Anbietern, insbesondere Anbieterinnen der sog. Carrier Preselection (CPS), verwendet werden.8 Auch wenn sich die Problematik in der Telekommunikationsbranche erheblich entschärft hat, werden automatische Verlängerungsklauseln in anderen Branchen weiterhin verwendet. Oft genannte Beispiele sind Verträge über Antiviren-Programme, Webhosting-Verträge, Verträge mit Fitness-Centern, Zeitschriften-Abonnements, Reiseversicherungen, Online-Partnervermittlungsverträge und Insertionsverträge.

4 5 6 7

8

Vgl. Rusch Arnold F./Maissen Eva, Automatische Vertragsverlängerungsklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen, recht 2010, 95 ff.

Rusch/Maissen (Fn. 4), 97 f.

Rusch/Maissen (Fn. 4), 96.

Vgl. die Medienmitteilung der Stiftung für Konsumentenschutz vom 14. März 2014: www.konsumentenschutz.ch/themen/ allgemeine-geschaeftsbedingungen-agb/orangesunrise-und-swisscom-verbessern-ihre-agb/.

Fernmeldebericht 2014 zur Entwicklung im schweizerischen Fernmeldemarkt und zu den damit verbundenen gesetzgeberischen Herausforderungen, 24 f., abrufbar unter: www.bakom.admin.ch > Das BAKOM > Organisation > Rechtliche Grundlagen > Geschäfte des Bundesrates > Evaluation zum Fernmeldemarkt.

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2.2

Rechtliche Einordnung

2.2.1

Vertragsrechtliche Beurteilung der Klauseln

Gemäss der Schweizer Lehre wird die Vertragsverlängerung im Fall der Verwendung einer solchen Verlängerungsklausel über eine sogenannte Erklärungsfiktion konstruiert. Dabei wird davon ausgegangen, dass es sich um eine gemeinsam und von Anfang an vereinbarte Vertragsänderung handelt, deren Eintreten vom Willen der einen Vertragspartei abhängig gemacht wird, indem diese der Änderung der Vertragsdauer im gegebenen Zeitpunkt endgültig zustimmen muss. Diese Zustimmung wird durch das Stillschweigen der Kundin oder des Kunden fingiert. 9 Dem Schweigen im entsprechenden Zeitpunkt wird ein Erklärungswert beigemessen, unabhängig davon, was der tatsächliche Wille der Kundin oder des Kunden war.10 Die Lehre geht dabei davon aus, dass mit der Verlängerung nicht ein neues Vertragsverhältnis entsteht, sondern das alte fortgesetzt wird. 11 Der Vertrag ist im Hinblick auf die zusätzliche Vertragsdauer aufschiebend (suspensiv) bedingt, und steht dabei unter der Bedingung, dass die Zustimmung zur Vertragsverlängerung nicht rechtzeitig widerrufen wird.12 Mit Eintritt dieser Bedingung entsteht die Vertragsbindung zwischen den Parteien für die zusätzliche Dauer. Erklärt die Kundin oder der Kunde rechtzeitig, dass der Vertrag nicht verlängert werden soll, liegt deshalb nicht eine Kündigung im eigentlichen Sinn vor, mit der ein ansonsten weiterlaufender Vertrag aufgehoben wird. Vielmehr ist von einer Erklärung auszugehen, mit der der Eintritt der Zustimmungsfiktion und damit der Vertragsverlängerung verhindert wird.13 Ausgehend vom Grundsatz der Vertragsfreiheit sind solche Regelungen aus vertragsrechtlicher Sicht grundsätzlich als zulässig zu betrachten. Da sich solche Klauseln fast ausschliesslich in AGB finden, sind dabei allerdings die von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Regeln zur gültigen Einbeziehung von AGB zu beachten. Die Kundinnen und Kunden akzeptieren die AGB in der Regel, ohne sie im Einzelnen gelesen zu haben (sog. Globalübernahme). Dies hindert ihre Wirksamkeit grundsätzlich nicht. Die Kundin oder der Kunde muss aber im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zumindest die Möglichkeit gehabt haben, in zumutbarer Weise vom Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen.14 Nach der sogenannten Ungewöhnlichkeitsregel muss auf ungewöhnliche Klauseln zudem speziell hingewiesen werden, ansonsten gelten sie nicht als vereinbart.15 Die Ungewöhnlichkeit kann sich sowohl auf den Verlängerungsmechanismus als auch auf die Erklärungsmodalitäten beziehen.

9

10 11 12 13 14 15

Zum Ganzen ausführlich Maissen Eva, Die automatische Vertragsverlängerung unter dem Aspekt der Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Zürich 2012, Rz. 9 ff., 22; vgl. auch Fuhrer Stephan, in: Honsell Heinrich/Vogt Nedim Peter/Schnyder Anton K.

(Hrsg.), Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG), Basel 2001, Art. 47 N 14.

Maissen (Fn. 9), Rz. 19.

Maissen (Fn. 9), Rz. 26 ff.

Vgl. Maissen (Fn. 9), Rz. 205 f.

Vgl. Fuhrer (Fn. 9), Art. 47 VVG N 14.

S. nur Gauch Peter/Schluep Walter/Schmid Jörg, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil: Band 1, 10. Aufl., Zürich 2014, Rz. 1134 ff.

Vgl. BGE 119 II 443 E. 1; BGE 135 III 1 E. 2.1.

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Zum Verlängerungsmechanismus ist jedoch anzumerken, dass Verlängerungsklauseln in gewissen Branchen dermassen üblich und auch in Kundenkreisen bekannt sind, dass kaum von ihrer Ungewöhnlichkeit ausgegangen werden kann.16 Anders wäre die Situation allenfalls bei sehr langen Fristen17 oder sonstigen ungewöhnlichen Erklärungsmodalitäten zu beurteilen.

2.2.2

Lauterkeitsrechtliche Beurteilung der Klauseln

Am 1. Juli 2012 ist der revidierte Artikel 8 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG18) in Kraft getreten, der eine Inhaltskontrolle von AGBKlauseln vorsieht. Nach der Bestimmung handelt unlauter, wer allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, die in Treu und Glauben verletzender Weise zum Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und den vertraglichen Pflichten vorsehen. Eine entsprechende Klausel ist nach herrschender Lehre nichtig.19 Die Bestimmung ist nur auf AGB in Verträgen mit Konsumentinnen und Konsumenten anwendbar.20 Ob ein erhebliches Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten zulasten des Konsumenten besteht, beurteilt sich aus einem Vergleich mit der Rechtslage, die zwischen den Parteien ohne die fraglichen AGB bestehen würde.21 Eine Klausel ist erst dann nichtig, wenn das erhebliche Missverhältnis zudem in Treu und Glauben verletzender Weise ungerechtfertigt ist. Erforderlich ist eine umfassende Abwägung sämtlicher schutzwürdiger Interessen des AGB-Verwenders und der Gegenseite im Einzelfall.22 Anlässlich der parlamentarischen Beratung über die Revision von Artikel 8 UWG hat Bundesrat Schneider-Ammann die «automatische Verlängerung befristet geschlossener Abonnementsverträge» ausdrücklich als möglichen Anwendungsfall einer richterlichen Missbrauchskontrolle bezeichnet.23 Auch in der Lehre wird vertreten, dass der Fiktionsmechanismus der automatischen Vertragsverlängerung nicht mit Artikel 8 UWG vereinbar sei.24 In einem neueren Entscheid hat das Bun16

17 18 19

20

21 22 23 24

Vgl. Maissen Eva, AGB und automatische Vertragsverlängerungen, in: Brunner Alexander/Schnyder Anton K./Eisner-Kiefer Andrea (Hrsg.), Allgemeine Geschäftsbedingungen nach neuem Schweizer Recht, Zürich 2014, 239 ff., 246.

Vgl. z.B. Urteil des Bundesgerichts 5P.115/2005 vom 13. Mai 2005 E. 1.1.: Kündigungsfrist von zwei Jahren bei Dreijahresvertrag.

SR 241 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 2. September 2009, BBl 2009 6152, 6180; Gauch/Schluep/Schmid (Fn. 14), Rz. 1155; Thouvenin Florent, in: Hilty Reto M./Arpagaus Reto (Hrsg.), Basler Kommentar Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), Basel 2013, Art. 8 UWG N 144 f.

Die Pa.Iv. 14.440 (Flach, Missbräuchliche Geschäftsbedingungen), mit der die Beschränkung auf Konsumentenverträge hätte aufgehoben werden sollen, wurde am 15. Dezember 2017 abgeschrieben, obwohl zunächst beide Rechtskommissionen der Initiative Folge gegeben hatten.

Gauch/Schluep/Schmid (Fn. 14), Rz. 1153a ff.

Botschaft UWG (Fn. 19), BBl 2009 6179.

AB 2011 N 229 Maissen (Fn. 9), Rz. 333.

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desgericht die Frage, ob eine Verlängerungsklausel in einem Vertrag mit einem Fitness-Center nach Artikel 8 UWG als nichtig zu beurteilen wäre, jedoch ausdrücklich offengelassen.25 Das Bundesgericht betonte dabei, dass keineswegs von einer generellen Unzulässigkeit entsprechender Klauseln auszugehen sei. Vielmehr lasse sich dem Gesetzeswortlaut und den Materialien nur entnehmen, dass solche Klauseln für ein erhebliches Missverhältnis in Betracht fallen und damit der richterlichen Missbrauchskontrolle unterliegen könnten.

Bei der Anwendung der Generalklausel von Artikel 8 UWG bestehen deshalb zurzeit noch grosse Unsicherheiten.26

2.3

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahren

Das Vernehmlassungsverfahren zum Vorentwurf und erläuternden Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates dauerte vom 16. Juni 2017 bis zum 9. Oktober 2017. Zur Teilnahme eingeladen wurden die Kantone, die in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien, die gesamtschweizerischen Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete und der Wirtschaft sowie weitere interessierte Organisationen. Stellung genommen haben 5 Kantone, 5 politische Parteien und 21 Organisationen und weitere Teilnehmer. Insgesamt gingen damit 31 Stellungnahmen ein. Der Vorentwurf wurde von der Mehrheit der teilnehmenden Kantone und Parteien unterstützt, von zwei Dritteln der teilnehmenden Organisationen dagegen ganz oder in grossen Teilen abgelehnt.

Die Befürworter hielten die vorgeschlagene Lösung für pragmatisch und ausgewogen. Konsumentinnen und Konsumenten könnten dadurch vor ungewollt langen Vertragsbindungen geschützt werden, während sich der Aufwand für die betroffenen Unternehmen in Grenzen hielte. Für die Gegner würde die vorgeschlagene Regelung jedoch zu stark in die Vertragsfreiheit eingreifen und bei den betroffenen Unternehmen zu unverhältnismässigem Zusatzaufwand führen. In Bezug auf verschiedene Vertragsarten wurde verlangt, dass diese von der neuen Regelung ausgenommen werden müssten. Teilweise wurde der Vorentwurf auch abgelehnt, weil er zu wenig weit gehe. Von verschiedener Seite wurden Alternativlösungen für die Problematik der ungewollten Vertragsverlängerungen vorgeschlagen.

2.4

Überarbeitung des Vorentwurfs

Nach Kenntnisnahme der Vernehmlassungsergebnisse entschied die Kommission, Miet- und Pachtverträge über Wohn- und Geschäftsräume vom Anwendungsbereich der neuen Bestimmung auszunehmen. Da es sich bei solchen Verträgen üblicherweise um unbefristete Vertragsverhältnisse handelt, dürften Verlängerungsklauseln ohnehin nur selten vorkommen. Auch ist die Interessenlage bei diesen Verträgen anders als bei den typischen Konsumentenverträgen mit Verlängerungsklauseln, 25 26

Vgl. BGE 140 III 404 E. 4.5.

Vgl. Roberto Vito/Walker Marisa, AGB-Kontrolle nach dem revidierten Art. 8 UWG, recht 2014, 49 ff., 54 ff.

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weshalb teilweise schwierig zu eruieren sein könnte, welche der Vertragsparteien die Informationspflicht treffen würde.

Die Kommission hat weiter entschieden, die Bestimmung im Obligationenrecht und nicht wie im Vorentwurf vorgeschlagen im Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb anzusiedeln. Zwar weist die neue Bestimmung einen gewissen Zusammenhang mit Artikel 8 UWG auf, da sie sich an Konsumentinnen und Konsumenten richtet und AGB-Klauseln zum Gegenstand hat. Weder der Regelungsgegenstand noch die Rechtsfolgen stimmen jedoch überein. Das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb bezweckt, den lauteren und unverfälschten Wettbewerb im Interesse aller Beteiligten zu gewährleisten (Art. 1 UWG) und enthält einen Katalog von Verhaltensweisen und Klauseln, welche als unlauter bezeichnet werden. Entsprechende Klauseln sind nach herrschender Lehre nichtig.27 Mit der neuen Bestimmung sollen Verlängerungsklauseln jedoch nicht als unlauter bezeichnet, sondern Pflichten für die Verwendung dieser Klauseln aufgestellt werden. Die Rechtsfolge der Nichtbefolgung dieser Pflichten ist ebenfalls nicht die Unlauterkeit, sondern ein Kündigungsrecht. Die Regelung ist damit im Kern vertragsrechtlicher Natur und gehört aus systematischer Sicht ins Obligationenrecht.

Schliesslich wurde die Bestimmung im Zuge des Vernehmlassungsverfahrens auch redaktionell überarbeitet.

3

Übersicht über bestehende Regelungen

3.1

Schweizer Recht

Das Schweizer Vertragsrecht kennt zurzeit keine allgemeine Bestimmung über die automatische Verlängerung von Vertragsverhältnissen. Soweit ersichtlich gibt es zurzeit nur eine einzige Bestimmung, die sich explizit mit der stillschweigenden Vertragsverlängerung gestützt auf eine entsprechende vertragliche Vereinbarung befasst: Art. 47 VVG28 Stillschweigende Vertragserneuerung Die Abrede, dass der Versicherungsvertrag mangels Kündigung als erneuert gelten soll, ist insoweit nichtig, als die Erneuerung für mehr als je ein Jahr ausbedungen wird.

Eine solche Regel ist im Versicherungsrecht sicherlich sachgerecht, da damit verhindert wird, dass eine versicherte Person ungewollt ihren Versicherungsschutz verliert und dadurch grösseren Schaden erleidet.

27 28

S. die Nachweise in Fn. 19.

Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz), SR 221.229.1

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Daneben gibt es mehrere Bestimmungen, die sich mit der konkludenten Verlängerung eines Vertragsverhältnisses befassen, ohne dass dafür eine explizite vertragliche Regelung besteht: ­

Im Mietrecht: Art. 266 OR29 Ablauf der vereinbarten Dauer 1 Haben

die Parteien eine bestimmte Dauer ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart, so endet das Vertragsverhältnis ohne Kündigung mit Ablauf dieser Dauer.

2 Setzen

die Parteien das Mietverhältnis stillschweigend fort, so gilt es als unbefristetes Mietverhältnis.

­

Eine analoge Regelung findet sich auch im Pachtrecht (Art. 295 OR): I. Ablauf der vereinbarten Dauer 1 Haben

die Parteien eine bestimmte Dauer ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart, so endet das Pachtverhältnis ohne Kündigung mit Ablauf dieser Dauer.

2 Setzen

die Parteien das Pachtverhältnis stillschweigend fort, so gilt es zu den gleichen Bedingungen jeweils für ein weiteres Jahr, wenn nichts anderes vereinbart ist.

Die Fortführung erfolgt in diesen Vertragsverhältnissen nicht allein durch Schweigen, sondern durch die Fortführung des Gebrauchs der Miet- oder Pachtsache. Die Parteien erklären auf diese Weise konkludent, das Vertragsverhältnis fortführen zu wollen. Die Vertragsverlängerung beruht nicht auf einer Erklärungsfiktion, sondern auf einer widerlegbaren Vermutung, die an ein bestimmtes Verhalten anknüpft. 30 ­

Auch das Arbeitsvertragsrecht kennt eine entsprechende Regelung: Art. 334 Abs. 2 OR Wird ein befristetes Arbeitsverhältnis nach Ablauf der vereinbarten Dauer stillschweigend fortgesetzt, so gilt es als unbefristetes Arbeitsverhältnis.

Auch hier liegt keine Erklärungsfiktion vor, sondern das Gesetz knüpft an ein bestimmtes Verhalten eine widerlegbare Vermutung. Indem die Arbeitsleistung weiter erbracht und akzeptiert wird, bekunden die Parteien ihren Willen, das Vertragsverhältnis fortsetzen zu wollen.

29 30

Bundesgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht), SR 220 Rusch/Maissen (Fn. 4), 96; Maissen (Fn. 9), Rz. 70 ff.

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­

Schliesslich enthält auch das Recht über den Agenturvertrag eine Spezialregelung: Art. 418p Abs. 2 OR Wird ein auf bestimmte Zeit abgeschlossenes Agenturverhältnis nach Ablauf dieser Zeit für beide Teile stillschweigend fortgesetzt, so gilt der Vertrag als für die gleiche Zeit erneuert, jedoch höchstens für ein Jahr.

3.2

Ausländisches Recht

3.2.1

EU-Klauselrichtlinie

Die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen31 sieht vor, dass bestimmte Klauseln in Verbraucherverträgen unzulässig sind. Der massgebliche Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie lautet: Eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.

Der Wortlaut von Artikel 8 UWG wurde dieser Bestimmung nachgebildet. Anders als die schweizerische Regelung enthält die Richtlinie einen Anhang mit einer als Hinweis dienenden und nicht abschliessenden Liste der Klauseln, die für missbräuchlich erklärt werden können (Art. 3 Abs. 3). Genannt werden in Buchstabe h der Liste: Klauseln, die darauf abzielen oder zur Folge haben, dass ein befristeter Vertrag automatisch verlängert wird, wenn der Verbraucher sich nicht gegenteilig geäussert hat und als Termin für diese Äusserung des Willens des Verbrauchers, den Vertrag nicht zu verlängern, ein vom Ablaufzeitpunkt des Vertrages ungebührlich weit entferntes Datum festgelegt wurde; Verlängerungsklauseln sind demnach nicht per se unzulässig, können es aber sein, wenn sie eine ungebührlich lange Kündigungsfrist vorsehen.

Die Vorgaben der Richtlinie 93/13/EWG wurden in den EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich umgesetzt. Im Folgenden wird beispielhaft die Umsetzung in Frankreich, Deutschland und Österreich dargestellt.

31

ABl. L 95 vom 21.4.1993, S. 29.

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3.2.2

Frankreich: Article L136­1 du code de la consommation

In der Begründung der vorliegenden parlamentarischen Initiative wird ausdrücklich auf die Regelung des französischen Rechts verwiesen (Loi Chatel vom 28. Januar 200532).

Die betreffende Regelung33 lautet: Article L136­1 Le professionnel prestataire de services informe le consommateur par écrit, par lettre nominative ou courrier électronique dédiés, au plus tôt trois mois et au plus tard un mois avant le terme de la période autorisant le rejet de la reconduction, de la possibilité de ne pas reconduire le contrat qu'il a conclu avec une clause de reconduction tacite. Cette information, délivrée dans des termes clairs et compréhensibles, mentionne, dans un encadré apparent, la date limite de résiliation.

Lorsque cette information ne lui a pas été adressée conformément aux dispositions du premier alinéa, le consommateur peut mettre gratuitement un terme au contrat, à tout moment à compter de la date de reconduction. Les avances effectuées après la dernière date de reconduction ou, s'agissant des contrats à durée indéterminée, après la date de transformation du contrat initial à durée déterminée, sont dans ce cas remboursées dans un délai de trente jours à compter de la date de résiliation, déduction faite des sommes correspondant, jusqu'à celle-ci, à l'exécution du contrat. A défaut de remboursement dans les conditions prévues ci-dessus, les sommes dues sont productives d'intérêts au taux légal.

Les dispositions du présent article s'appliquent sans préjudice de celles qui soumettent légalement certains contrats à des règles particulières en ce qui concerne l'information du consommateur.

Les trois alinéas précédents ne sont pas applicables aux exploitants des services d'eau potable et d'assainissement. Ils sont applicables aux consommateurs et aux non-professionnels.

Article L136­2 L'article L. 136­1 est reproduit intégralement dans les contrats de prestation de services auxquels il s'applique.

Gemäss seinem Absatz 4 findet Artikel L136­1 sowohl auf Konsumentinnen und Konsumenten als auch auf «non-professionnels» Anwendung. Als «non-profes32

33

Loi n° 2005­67 du 28 janvier 2005 tendant à conforter la confiance et la protection du consommateur; das Gesetz wird auch als «Loi Chatel 1» bezeichnet. S. zur «Loi Chatel 2» unten Fn. 34.

Article L136­1 und L136­2 du code de la consommation, eingefügt durch Art. 35 des Loi n°2014­344 relative à la consommation vom 17. März 2014. Die Bestimmung wurde durch die Loi n°2014­344 relative à la consommation vom 17. März 2014 («Loi Hamon») um Vorschriften zur Art und Weise, wie die Information zu erfolgen hat, ergänzt.

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sionnels» werden Personen verstanden, die einen Vertrag zwar für ihre beruflichen Bedürfnisse, aber ausserhalb ihres eigentlichen Metiers abschliessen (z.B. ein Reisebüro, das einen Wartungsvertrag für einen Drucker abschliesst).34 Auch juristische Personen können sich auf die Bestimmung berufen.35 Mit der «Loi Hamon» vom 17. März 2014 wurde ausserdem eine Änderung des Code des assurances vorgenommen.36 Seit deren Inkrafttreten am 31. Dezember 2014 können Konsumentinnen und Konsumenten unter anderem ihre Motorfahrzeug- und Mieterhaftpflichtversicherungsverträge mit automatischem Verlängerungsmechanismus nach Ablauf eines Jahres jederzeit mit einer Frist von einem Monat kündigen, und zwar unabhängig davon, ob sie über die Kündigungsmöglichkeit informiert wurden.

3.2.3

Deutschland: § 309 Nr. 9 BGB

Nach deutschem Recht sind Verlängerungsklauseln grundsätzlich zulässig, auch wenn diese in AGB enthalten sind. Verlängerungsklauseln, die den Vertrag für den Fall der unterlassenen Kündigung fortbestehen lassen, werden von der herrschenden deutschen Lehre jedoch nicht als fingierte Erklärung angesehen, sondern es wird davon ausgegangen, dass die Fortdauer des Vertrags für den Fall, dass keine Kündigung erfolgt, schon bei Vertragsschluss vereinbart wurde (sog. antizipierte Erklärung).37 Der Vertrag gilt somit als auflösend (resolutiv) bedingt. Aufgrund dieser Auslegung erfolgt die inhaltliche Überprüfung solcher Klauseln nicht nach § 308 Nr. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB; fingierte Erklärungen), sondern nach § 309 Nr. 9 BGB (Laufzeit bei Dauerschuldverhältnissen). Danach sind Bestimmungen in AGB unwirksam, die Folgendes vorsehen: [...] bei einem Vertragsverhältnis, das die regelmässige Lieferung von Waren oder die regelmässige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den Verwender zum Gegenstand hat, a) eine den anderen Vertragsteil länger als zwei Jahre bindende Laufzeit des Vertrags, b) eine den anderen Vertragsteil bindende stillschweigende Verlängerung des Vertragsverhältnisses um jeweils mehr als ein Jahr oder

34

35 36

37

Änderung eingeführt durch die sog. Loi Chatel 2 vom 3. Januar 2008 (loi n° 2008­3 pour le développement de la concurrence au service des consommateurs), Art. 33; vgl. dazu Picod Yves, in: Commentaire Dalloz Code de la Consommation, 19. Aufl., Paris 2014, 314; Calais-Auloy Jean/Temple Henri, Droit de la consommation, 9. Aufl., Paris 2015, Rz. 12 f. und 187.

Cour de cassation, civile, Chambre civile 1, 23. Juni 2011, Nr. 10­30.645, Bull. civ. I, n° 122.

Art. L113­15­2 des code des assurances, ergänzt durch das Décret n° 2014­1685 du 29 décembre 2014 relatif à la résiliation à tout moment de contrats d'assurance et portant application de l'article L. 113­15­2 du code des assurances.

Vgl. Wurmnest Wolfgang, in: Säcker Franz Jürgen/Rixecker Roland/Oetker Hartmut/ Limperg Bettina (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 2, Schuldrecht ­ Allgemeiner Teil, 7. Aufl., München 2016, § 308 Nr. 5 BGB Rz. 6.

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c)

zu Lasten des anderen Vertragsteils eine längere Kündigungsfrist als drei Monate vor Ablauf der zunächst vorgesehenen oder stillschweigend verlängerten Vertragsdauer;

dies gilt nicht für Verträge über die Lieferung als zusammengehörig verkaufter Sachen, für Versicherungsverträge sowie für Verträge zwischen den Inhabern urheberrechtlicher Rechte und Ansprüche und Verwertungsgesellschaften im Sinne des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten.

Eine Mindestlaufdauer von zwei Jahren und eine Verlängerung des Vertrags um jeweils höchstens ein Jahr sind somit grundsätzlich zulässig, wenn die Kündigungsfrist mindestens drei Monate beträgt. Der Anwendungsbereich von § 309 Nr. 9 BGB ist beschränkt; so fallen beispielsweise Gebrauchsüberlassungsverträge wie Mietverträge nicht darunter. Dies führt dazu, dass etwa auch Verträge mit Fitness-Centern, bei denen die Nutzung der Geräte im Vordergrund steht, nicht erfasst werden. 38 Zu beachten ist schliesslich, dass § 309 BGB nicht anwendbar ist, wenn die AGB gegenüber einem Unternehmer verwendet wurden (§ 310 Abs. 1 BGB).

Neben § 309 Nr. 9 BGB unterliegen die Verlängerungsklauseln auch den allgemeinen AGB-Kontrollmechanismen. Sofern der Kunde typischerweise kein Interesse an einer über den ursprünglichen Leistungszeitraum hinausgehenden Leistungserbringung hat, kann eine Verlängerungsklausel objektiv überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB sein. Auch eine Unangemessenheit im Sinne von § 307 BGB kommt in Frage.39 Beides führt zur Unwirksamkeit der betreffenden Abrede.

Die Lehre nimmt an, dass die Unwirksamkeit der Verlängerungsklausel dazu führt, dass der Vertrag nach Ablauf der Erstbefristung als erfüllt zu gelten hat. Werde das Vertragsverhältnis jedoch von beiden Parteien stillschweigend fortgesetzt, so könne man annehmen, dass es auf unbestimmte Zeit verlängert worden sei und von den Parteien jederzeit gekündigt werden könne.40

38 39 40

Vgl. MüKo-Wurmnest (Fn. 37), § 309 Nr 9 BGB Rz. 8.

Vgl. MüKo-Wurmnest (Fn. 37), § 309 Nr 9 BGB Rz. 11, 15.

Vgl. MüKo-Wurmnest (Fn. 37), § 309 Nr 9 BGB Rz. 20 m.w.N.; s. auch § 625 BGB (Stillschweigende Verlängerung von Dienstverträgen): «Wird das Dienstverhältnis nach dem Ablauf der Dienstzeit von dem Verpflichteten mit Wissen des anderen Teiles fortgesetzt, so gilt es als auf unbestimmte Zeit verlängert, sofern nicht der andere Teil unverzüglich widerspricht.».

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3.2.4

Österreich: § 6 Abs. 1 Ziff. 2 KschG

Nach österreichischem Recht ist § 6 Absatz 1 Ziffer 2 Konsumentenschutzgesetz (KschG) massgeblich. Danach sind für den Verbraucher Vertragsbestimmungen nicht verbindlich, nach denen [...] ein bestimmtes Verhalten des Verbrauchers als Abgabe oder Nichtabgabe einer Erklärung gilt, es sei denn, der Verbraucher wird bei Beginn der hiefür vorgesehenen Frist auf die Bedeutung seines Verhaltens besonders hingewiesen und hat zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eine angemessene Frist.

In Österreich werden Vertragsverlängerungsklauseln ­ im Gegensatz zu Deutschland ­ den Erklärungsfiktionen zugeordnet.41 Diese können nur wirksam vereinbart werden, wenn der Vertrag eine Frist für die Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung vorsieht und der Verbraucher zu Beginn dieser Frist auf die Bedeutung seines Verhaltens noch einmal gesondert hingewiesen wird.42 Der Hauptanwendungsfall für die Bestimmung sind Vertragsverlängerungsklauseln. Ein anderes Beispiel sind Klauseln, die vorsehen, dass Waren bei ihrer widerspruchslosen Annahme als genehmigt gelten sollten (Genehmigungsfiktion).43 Klauseln, die diesen Anforderungen nicht genügen, sind gemäss § 6 Abs. 1 KschG «für den Verbraucher [...] im Sinne des § 879 ABGB jedenfalls nicht verbindlich».

§ 879 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) regelt die Nichtigkeit von Verträgen. Dabei ist allerdings umstritten, ob diese Nichtigkeit vom Gericht von Amtes wegen zu beachten ist oder von den Verbrauchern vorgebracht werden muss.44 Die Klauseln sind jedenfalls auch dann nichtig, wenn sie einzeln ausgehandelt wurden;45 es muss sich dabei nicht um AGB-Klauseln handeln.

4

Grundzüge der Vorlage

4.1

Die beantragte Neuregelung

Die Kommission sowie die eingesetzte Subkommission haben verschiedene Varianten geprüft, wie das Anliegen der parlamentarischen Initiative am besten umgesetzt werden kann. Entsprechend dem Auftrag der Parlamentarischen Initiative wird eine Lösung vorgeschlagen, die sich stark am französischen Recht anlehnt: Für den Fall, dass ein Vertrag mit einer Konsumentin oder einem Konsumenten in AGB eine Verlängerungsklausel enthält, ist die andere Partei verpflichtet, die Konsumentin oder den Konsumenten vor Ablauf der Erklärungsfrist zu benachrichtigen und sie auf das Erklärungsrecht sowie dessen Modalitäten hinzuweisen. Findet keine solche Benachrichtigung statt oder entspricht diese nicht den gesetzlichen Vorgaben, kann 41

42 43 44 45

Vgl. Langer Stefan, in: Kosesnik-Wehrle Anne Marie (Hrsg.), Kurzkommentar Konsumentenschutzgesetz (KSchG) und Fern- und AuswärtsgeschäfteG, 4. Aufl., Wien 2015, § 6 KSchG Rz. 15.

Langer (Fn. 41), § 6 KSchG Rz. 15.

Langer (Fn. 41), § 6 KSchG Rz. 15.

S. Langer (Fn. 41), § 6 KSchG Rz. 6a.

Langer (Fn. 41), § 6 KSchG Rz. 7.

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die Konsumentin oder der Konsument den Vertrag nach Ablauf der vereinbarten Dauer jederzeit fristlos auflösen. Die Kommission ist der Ansicht, dass dem Informationsbedürfnis der Konsumentinnen und Konsumenten genüge getan ist, wenn diese Benachrichtigung einmalig vor der ersten Verlängerung des Vertrags erfolgt.

Eine Minderheit (Flach, Aebischer Matthias, Arslan, Fehlmann Rielle, Kälin, Marti Min Li, Naef, Wasserfallen Flavia) beantragt dem Nationalrat, die Informationspflicht nicht auf die erstmalige Vertragsverlängerung zu beschränken.

Die neue Regelung ist zwingender Natur und kann nicht durch abweichende vertragliche Vereinbarungen wegbedungen werden. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Zweck der Norm. Daraus ergibt sich ausserdem, dass neben der vertraglichen Wegbedingung auch die unverhältnismässige Erschwerung der Ausübung der Rechte der Konsumentin und des Konsumenten unzulässig ist, beispielsweise durch Vereinbarung von Rücktrittsgebühren.

4.2

Anwendungsbereich der neuen Regelung

4.2.1

Umfassender Anwendungsbereich mit Ausnahme von Miet- und Pachtverträgen über Wohnund Geschäftsräume

Die Kommission schlägt eine Regelung vor, die für sämtliche Vertragstypen mit Ausnahme der Miet- und Pachtverträge über Wohn- und Geschäftsräume zur Anwendung kommen soll. Auf die von der der Parlamentarischen Initiative angeregte Beschränkung auf Dienstleistungsverträge wird verzichtet. Der Begriff «Dienstleistungsverträge» ist rechtlich nicht definiert und es ist unklar, welche Verträge darunter fallen würden. Er ist auch zu eng, indem Vertragstypen, bei denen Verlängerungsklauseln heute häufig eingesetzt werden (z.B. Zeitschriftenabonnemente, gewisse Arten von Verträgen mit Fitness-Centern), nicht erfasst würden.

Miet- und Pachtverträge sind üblicherweise unbefristete Vertragsverhältnisse und wären von der neuen Bestimmung damit in der Regel nicht betroffen. Da die Interessenlage bei diesen Verträgen anders ist als bei typischen Konsumentenverträgen mit Verlängerungsklauseln, hat die Kommission im Zuge des Vernehmlassungsverfahrens entschieden, diese Verträge vom Anwendungsbereich der neuen Bestimmung auszunehmen (vgl. Ziff. 2.4). Der Ausschluss soll jedoch nur für typische Miet- und Pachtverträge ­ und nicht auch solche, welche nur mietrechtliche Elemente enthalten ­ gelten. Damit sollen Abgrenzungsprobleme, wie sie etwa in Deutschland auftraten, vermieden werden. Der Ausschluss von Gebrauchsüberlassungsverträgen vom Anwendungsbereich des § 309 Nr. 9 BGB hat dort dazu geführt, dass auch typische Verträge mit Fitness-Centers nicht erfasst werden. Solche Verträge mit mietvertraglichen Elementen sollen nach dem Willen der Kommission der neuen Regelung aber ebenfalls unterstellt sein.

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4.2.2

Beschränkung auf Verträge mit Konsumentinnen und Konsumenten

Der Kommission stellte sich ausserdem die zentrale Frage, ob der Anwendungsbereich der neuen Bestimmung auf Verträge mit Konsumentinnen und Konsumenten einschränkt werden soll oder nicht.

Die deutsche Regelung gilt beispielsweise für alle Vertragspartner der AGB-Verwender (teilweise mit Ausnahme der Unternehmer), 46 die österreichische hingegen nur für Verbraucherinnen und Verbraucher. Eine dritte Lösung gilt in Frankreich mit der Kategorie der «non-professionnels». Eine solche Lösung dürfte jedoch zu zahlreichen neuen Abgrenzungsproblemen und zu Rechtsunsicherheit führen. Die Regelung wird in der französischen Lehre deswegen auch kritisiert.47 Der vorliegende Entwurf beschränkt den Anwendungsbereich der Bestimmung auf Verträge mit Konsumentinnen und Konsumenten. Die Einführung einer neuen zwingenden Bestimmung stellt eine erhebliche Einschränkung der Vertragsfreiheit dar, sodass eine gewisse Zurückhaltung bei der Definition des Anwendungsbereichs angebracht ist. Die Kommission geht davon aus, dass im gewerblichen Verkehr die betroffenen Unternehmer in der Lage sind, die entsprechenden Verträge auch ohne eine ausdrückliche Erinnerung durch die Vertragsgegenseite zu beendigen, sofern dies gewünscht ist. Zudem könnte die Einführung einer neuen zwingenden Bestimmung ungewollte und in ihrer Wirkung unabsehbare Auswirkungen auf Vertragsverhältnisse zwischen Grossunterunternehmen haben.

4.2.3

Beschränkung auf Klauseln in AGB

Schliesslich hatte die Kommission zu entscheiden, ob die neue Regelung nur dann zur Anwendung kommen soll, wenn sich die entsprechenden Klauseln in AGB finden. Unsere Nachbarländer beantworten diese Frage unterschiedlich. Während Österreich und Frankreich unzulässige Vertragsbestandteile allgemein regulieren, finden die §§ 307­309 des deutschen BGB nur auf AGB-Klauseln Anwendung.

Nach Auffassung der Kommission ist die Schutzbedürftigkeit der Kundinnen und Kunden höher, wenn sich die Verlängerungsklausel in AGB befindet und unter Umständen gar nicht zur Kenntnis genommen wurde. Die Notifikationspflicht soll deshalb nur für Klauseln in AGB und nicht auch für ­ wohl ohnehin selten vorkommende ­ individuell ausgehandelte Klauseln gelten.

4.2.4

Verhältnis zu weiteren Bestimmungen

Mit der vorgeschlagenen Formulierung wird klargestellt, dass Klauseln zur automatischen Vertragsverlängerung grundsätzlich zulässig sind. Es würde damit in Zukunft schwierig, gestützt auf Artikel 8 UWG die Unlauterkeit solcher Klauseln 46 47

Für Verbraucherverträge gilt zudem ein strengerer Kontrollmassstab (§ 310 Abs. 3).

Vgl. Picod (Fn. 34), 314; Calais-Auloy/Temple (Fn. 34), Rz. 12 f.

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geltend zu machen. Selbstverständlich wäre es aber nach wie vor möglich, Vertragsklauseln als unlauter zu qualifizieren, die beispielsweise die Ausübung des Erklärungsrechts ungebührlich einschränken würden, beispielsweise durch sehr kurze Fristen (vgl. mit umgekehrten Vorzeichen der Anhang der EU-Klauselrichtlinie48: vom Ablaufzeitpunkt des Vertrages ungebührlich weit entferntes Datum).

Weiterhin anwendbar wäre auch die bestehende Bestimmung über Vertragsverlängerungsklauseln in Artikel 47 VVG; diese würde durch die neue Regelung lediglich ergänzt. Klauseln in Versicherungsverträgen dürften somit weiterhin nur eine Verlängerung für jeweils höchstens ein Jahr vorsehen (Art. 47 VVG). Zusätzlich müsste die Konsumentin oder der Konsument vor der ersten Verlängerung auf die Möglichkeit, die Verlängerung abzulehnen, hingewiesen werden (Art. 40g E-OR). Die weiteren genannten Regelungen über die stillschweigende Fortführung eines befristeten Vertragsverhältnisses (Art. 266 Abs. 2 und Art. 295 sowie Art. 334 Abs. 2 und 418p Abs. 2 OR) wären von der neuen Regelung dagegen gar nicht betroffen, da sie sich nicht auf Verlängerungsklauseln sondern auf die stillschweigende Fortsetzung eines Vertragsverhältnisses beziehen.

4.3

Übergangsrecht

Die Kommission ist der Ansicht, dass die neue Bestimmung nur auf Verträge, welche nach Inkrafttreten der neuen Regelung geschlossen werden, Anwendung finden soll, und schlägt zur Klarstellung eine Übergangsbestimmung vor.

Eine Minderheit (Fehlmann Rielle, Aebischer Matthias, Arslan, Flach, Guhl, Kälin, Marti Min Li, Naef, Wasserfallen Flavia) verlangt, dass die neue Bestimmung auch auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits bestehende Verträge zur Anwendung kommen soll und beantragt ihrem Rat deshalb eine entsprechend formulierte Übergangsbestimmung.

5

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Art. 40g OR (neu) Stillschweigende Vertragsverlängerung Vorgeschlagen wird eine gesetzliche Pflicht, die Konsumentin oder den Konsumenten vor Ende der ersten vereinbarten Vertragsdauer und vor Ablauf der vereinbarten Erklärungsfrist zu benachrichtigen und sie oder ihn darauf hinzuweisen, dass sich das Vertragsverhältnis verlängert, wenn keine anderslautende Erklärung abgegeben wird (Art. 40g Abs. 1 E-OR). Eine Minderheit (Flach, Aebischer Matthias, Arslan, Fehlmann Rielle, Kälin, Marti Min Li, Naef, Wasserfallen Flavia) beantragt dem Nationalrat, diese Informationspflicht nicht nur für die erste, sondern auch für alle folgenden Vertragsverlängerungen vorzusehen. Verworfen wurde dagegen ein gene-

48

Bst. h der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen.

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relles Verbot automatischer Vertragsverlängerungsklauseln, da diese in bestimmten Fällen durchaus sinnvoll und von den Parteien auch gewollt sein könnten.

Im Entwurf wird aufgeführt, an welche Elemente der vertraglichen Vereinbarung die Konsumentinnen und Konsumenten anlässlich der Notifikation speziell erinnert werden müssen: Die ursprünglich vereinbarte erste Dauer des Vertragsverhältnisses (Bst. a); die neue Dauer, die gemäss Vertrag gilt, wenn die Konsumentin oder der Konsument nicht rechtzeitig widerspricht, wobei der Vertrag je nach Vereinbarung als befristetes oder als unbefristetes Vertragsverhältnis weiterlaufen kann (Bst. b) und bis wann die Konsumentin oder der Konsument der Vertragsverlängerung gültig widersprechen kann (Bst. c). Der Gesetzeswortlaut stellt klar, dass es sich bei der Erklärung, den Vertrag nicht verlängern zu wollen, um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, die der anderen Partei zugehen muss, um Wirkungen zu entfalten; die blosse Absendung der Erklärung vor Ablauf der Frist genügt nicht zu deren Einhaltung. Für die Form der Erklärung der Konsumentin bzw. des Konsumenten, dass sich der Vertrag nicht verlängern soll, wird dagegen keine gesetzliche Vorgabe gemacht. Sie ist damit grundsätzlich formfrei möglich, der Vertrag kann hier selbstverständlich eine bestimmte Form vorschreiben.

Die Form der Notifikation (Art. 40g Abs. 2 E-OR) soll gesetzlich festgelegt werden, wobei hier vorgeschlagen wird, neben der Schriftlichkeit gemäss Artikel 13 OR die sog. Textform zuzulassen, damit die Notifikation auch per E-Mail oder per SMS erfolgen kann. Gerade bei derartigen Informationspflichten wird verschiedentlich die Zulassung der Textform verlangt (vgl. nun auch Art. 40d Abs. 1 OR). Der Nachweis, dass die Notifikation erfolgt ist, obliegt aber weiterhin dem Absender. Für die Notifikation wird zudem ein gesetzlicher Zeitrahmen vorgegeben: diese muss frühestens drei Monate und spätestens einen Monat vor dem Datum, bis zu dem die Konsumentin oder der Konsument der Vertragsverlängerung gültig widersprechen kann (Art. 40g Abs. 1 Bst. c E-OR), erfolgen.

Für die Rechtsfolge einer unterlassenen bzw. mangelhaften Notifikation (Art. 40g Abs. 3 E-OR) wird die Einführung eines gesetzlichen Auflösungsrechts vorgeschlagen. Die entsprechende Erklärung wirkt allerdings nur für die
Zukunft und nicht rückwirkend. Dies stellt nach Ansicht der Kommission eine ausgewogene Lösung dar. Indem keine eigentliche Sanktion für die Nichtbeachtung der Pflicht vorgesehen wird, wird dem zivilrechtlichen Grundgedanken am besten entsprochen. Gleichzeitig ist damit zu jeder Zeit auch eindeutig feststellbar, ob der Vertrag zu einem bestimmten Zeitpunkt Bestand hatte oder nicht. Eine rückwirkende Ungültigkeit hätte dagegen zur Folge, dass sich der Vertrag während längerer Zeit in der Schwebe befinden würde. Hinzu kommt unter Umständen eine komplizierte Rückabwicklung der bereits erbrachten Leistungen.

In Absatz 4 wird klargestellt, dass die Bestimmung auf typische Miet- und Pachtverträgen über Wohn- und Geschäftsräume keine Anwendung finden soll (vgl.

Ziff. 4.2.1.).

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Übergangsbestimmung der Änderung vom [...]

Zur Klärung der Rechtslage bei laufenden Vertragsverhältnissen, welche vor Inkrafttreten der neuen Bestimmung abgeschlossen wurden, schlägt die Kommission eine Übergangsbestimmung vor. Demnach soll die neue Informationspflicht nur auf Verträge Anwendung finden, welche am Tag des Inkrafttretens oder später abgeschlossen werden; laufende, bereits bestehende Vertragsverhältnisse bleiben dagegen von der neuen Informationspflicht unberührt.

Eine Minderheit (Fehlmann Rielle, Aebischer Matthias, Arslan, Flach, Guhl, Kälin, Marti Min Li, Naef, Wasserfallen Flavia) beantragt die Einführung einer Übergangsbestimmung, welche auch die Erfassung von laufenden Vertragsverhältnissen erlauben würde. Die neue Informationspflicht würde nach diesem Vorschlag einmalig für alle Vertragsverlängerungen gelten, welche mehr als drei Monate nach dem Inkrafttreten der neuen Bestimmung erfolgen.

6

Auswirkungen

6.1

Auswirkungen auf Bund, Kantone und Gemeinden

Die vorgeschlagene Ergänzung des Obligationenrechts mit einem neuen Artikel 40g wird voraussichtlich keine nennenswerten finanziellen, personellen oder sonstigen Auswirkungen auf Bund, Kantone und Gemeinden haben.

6.2

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft lassen sich zurzeit nicht abschliessend quantifizieren. Fest steht, dass sich tendenziell weniger Verträge als heute gestützt auf vertragliche Abreden automatisch verlängern werden, weil davon auszugehen ist, dass in einer bestimmten Zahl von Fällen heute die Verlängerung allein deswegen zur Anwendung kommt, weil die Konsumentinnen und Konsumenten aus Nachlässigkeit davon absehen, die entsprechende Erklärung abzugeben. Wie die Wirtschaft auf die neue Regelung reagieren wird und ob die Kosten in einer volkswirtschaftlichen Gesamtbetrachtung positiv oder negativ ausfallen werden, lässt sich dagegen heute nicht abschätzen.

7

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die neue Regelung stützt sich auf die Zuständigkeit des Bundes auf dem Gebiet des Zivilrechts (Art. 122 Abs. 1 BV).

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