18.093 Bericht des Bundesrates zur Abschreibung der Motion 13.4184 von Ständerat Graber vom 12. Dezember 2013 (Langfristanlagen von Pensionskassen in zukunftsträchtige Technologien und Schaffung eines Zukunftsfonds Schweiz) vom 30. November 2018

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2014

M

13.4184

Langfristanlagen von Pensionskassen in zukunftsträchtige Technologien und Schaffung eines Zukunftsfonds Schweiz (S 19.3.14, Graber Konrad; N 10.9.14)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

30. November 2018

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Alain Berset Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2016-1112

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Übersicht Die Motion 13.4184 beauftragt den Bundesrat, die rechtlichen Grundlagen zu schaffen, damit Vorsorgeeinrichtungen in der Lage sind, in zukunftsgerichtete Anlagen zu investieren. Ausserdem wird der Bundesrat eingeladen, einen privatwirtschaftlich organisierten und gehaltenen Zukunftsfonds Schweiz zu initiieren, der auf Wunsch der Vorsorgeeinrichtungen deren zukunftsträchtige Anlagen zur Betreuung übernimmt.

Die bestehenden rechtlichen Grundlagen ermöglichen den Vorsorgeeinrichtungen bereits Investitionen in zukunftsträchtige Anlagen. Der Bundesrat hat jedoch das Potenzial zur Verbesserung der Rahmenbedingungen erkannt und folgende Entscheide getroffen: ­

Der Bundesrat beauftragt das Eidgenössische Departement des Innern (EDI), den Vorsorgeeinrichtungen in geeigneter Weise die Möglichkeit zu eröffnen, zusätzlich zu den bisherigen Kostenangaben bei Venture-CapitalInvestitionen auch die Relation der Kosten im Verhältnis zum zugesagten Kapital standardmässig auszuweisen.

­

Der Bundesrat erteilt dem EDI den Auftrag, die Einführung einer neuen Anlagekategorie/Subkategorie von ungefähr 5 Prozent für nichtkotierte schweizerische Anlagen in den Anlagevorschriften der beruflichen Vorsorge zu prüfen. Die entsprechenden Investitionen würden damit aus der bisherigen Kategorie der alternativen Anlagen herausgelöst. Durch eine neue regulatorische Behandlung könnten sich Anreize für entsprechende Investitionen ergeben.

­

Der Bundesrat steht einer unbeschränkten Verlustverrechnung für alle Unternehmen in Verbindung mit einer Mindestbesteuerung im Rahmen einer zukünftigen Steuerrevision offen gegenüber.

Die Voraussetzung für höhere Investitionen im nichtkotierten langfristigen Bereich ist ein hohes Mass an Transparenz. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass eine Diskussion darüber stattfinden muss, wie sich beispielsweise die Ertrags-, Kosten- und Risikotransparenz entsprechender Produkte weiter verbessern lässt. Dabei kann auch eine griffige Selbstregulierung in Betracht gezogen werden.

Daneben weist der Bundesrat darauf hin, dass durch die Änderung des Freizügigkeitsgesetzes den Versicherten mit einem Einkommen von mindestens 126 900 Franken verschiedene Anlagestrategien angeboten werden können. Da im betroffenen überobligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge die Risikofähigkeit der Versicherten häufig höher ist, eröffnet dies den Anbietern von diversifizierten VentureCapital-Fonds in Zusammenarbeit mit den überobligatorischen Einrichtungen neue Absatzmöglichkeiten.

Eine zur Bearbeitung dieser Thematik gebildete Arbeitsgruppe hat mit diversen Akteuren gesprochen und zwei Workshops durchgeführt. Dies hat die Vorsorgeeinrichtungen für die Möglichkeiten von Venture-Capital sensibilisiert. Auch dürften

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die Anbieter von Venture-Capital die Bedürfnisse der Vorsorgeeinrichtungen besser verstehen. Anbieter und potenzielle Nachfrager konnten sich in einem geeigneten Rahmen treffen. Ein Produkt wurde lanciert, andere Produkte sind im Entstehen begriffen oder werden geplant. In diesem Sinne ist eine Initiierung erfolgt und die Motion ist erfüllt. Zusätzlich wurden weitere Massnahmen wie auch zukünftige potenzielle Handlungsfelder zur Förderung von Jungunternehmen im Bericht des Bundesrates zur Erfüllung des Postulats 13.4237 Derder diskutiert und identifiziert.

Vorsorgeeinrichtungen begrüssen grundsätzlich neue Produkte und sind bereit, Investitionsmöglichkeiten zu prüfen. Sie lehnen aber politischen Druck ab, der sie zwingen will, in gewisse Bereiche zu investieren. Sie sind den Versicherten verpflichtet und möchten deshalb eine Auswahl nach ökonomischen und nicht nach politischen Kriterien treffen können. Vorsorgeeinrichtungen investieren aus Risikound Ertragsgründen bisher kaum direkt in Venture-Capital Schweiz, sondern vor allem in global diversifizierte Private-Equity-Mandate.

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Bericht 1

Parlamentarischer Auftrag

Die Motion Graber 13.4184 «Langfristanlagen von Pensionskassen in zukunftsträchtige Technologien und Schaffung eines Zukunftsfonds Schweiz» verlangt vom Bundesrat die Schaffung von rechtlichen Grundlagen, damit die Vorsorgeeinrichtungen künftig in der Lage sind, in langfristige zukunftsgerichtete Anlagen zu investieren.

Zusätzlich wird der Bundesrat eingeladen, einen privatwirtschaftlich organisierten und gehaltenen Zukunftsfonds zu initiieren, der auf Wunsch der Pensionskassen deren zukunftsträchtige Anlagen zur Betreuung übernimmt.

Der Bundesrat hielt in seiner Antwort fest, dass Vorsorgeeinrichtungen bereits heute in entsprechende Anlagen investieren können und dies im Rahmen ihrer Risikofähigkeit auch tun. Der Staat könne zwar die Rahmenbedingungen für Investitionen verbessern, er dürfe die Pensionskassen aber nicht dazu auffordern, Risiken einzugehen, die sie nicht tragen können. Die Kassen müssten über die entsprechenden Investitionen demnach eigenverantwortlich und ohne Zwang entscheiden können.

Wie in der Antwort des Bundesrates vorgesehen, wurde eine Arbeitsgruppe bestehend aus Vertretern des federführenden Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) und des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) gebildet, die Vertreter aus der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV), der Oberaufsichtskommission für die Berufliche Vorsorge (OAK), dem Bundesamt für Energie (BFE) und dem Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) beizog. Die Arbeitsgruppe erhielt den Auftrag, mit den Vorsorgeeinrichtungen die Frage zu diskutieren, ob und wie sich ein privater Zukunftsfonds umsetzen liesse.

2

Ausgangslage

2.1

Begriff und Eigenschaften der Anlagekategorien Private Equity und Venture-Capital

Begriffe wie Risikokapital, Private Equity oder Venture-Capital werden international unterschiedlich verwendet und sind nicht eindeutig definiert. In der Literatur1 wird dies mit der Tatsache begründet, dass diese Begriffe zuerst in der Praxis entstanden und somit nicht das Ergebnis einer theoretischen Konstruktion sind.

Private Equity ist der allgemeine Begriff für das von privaten und institutionellen Anlegern beschaffte Beteiligungskapital an Unternehmen, die in der Regel nicht börslich gehandelt werden.2 Risikokapital, heute synonym auch Venture-Capital oder Wagniskapital genannt, ist eine Unterkategorie von Private Equity. Risikokapital deckt die frühesten Stadien eines Unternehmens ab und reicht von der Konzept1 2

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Machot, Philipp (2009): Secondary Buyouts: Eine empirische Untersuchung von Werttreibern, S. 20.

Eidgenössische Bankenkommission (2007): Hedge-Fonds Marktentwicklung, Risiken und Regulierung, Positionspapier, September 2007, S. 16.

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phase über die fertige Entwicklung und Lancierung eines neuen Produkts bis zur Suche nach Kapital für die Erweiterung des Vertriebs.3 Das Kapital wird damit oft innovativen Unternehmen zur Verfügung gestellt, was naturgemäss ein hohes Risiko, aber auch entsprechende Wachstumschancen birgt.

Als Risikokapital kann im herkömmlichen Sinne das Eigenkapital der Unternehmung bezeichnet werden. Man spricht deshalb auch vom konventionellen Risikokapital. Risikokapital kann aber auch Fremdkapital mit Eigenkapitalcharakter umfassen, z. B. Kredite, die unter bestimmten Umständen in Aktien gewandelt werden.

Bei fondsgestützten Risikokapital-Gesellschaften werden sogenannte RisikokapitalFonds aufgelegt, durch die sich die Investoren indirekt an jungen Unternehmen beteiligen können. Die Beteiligungsgesellschaft verwaltet dabei den Fonds, investiert nach jeweils zum Voraus festgelegten Kriterien das Kapital in Unternehmen und begleitet diese Investitionen oft mit einer aktiven Mitarbeit auf Geschäftsleitungs- und/oder Verwaltungsratsebene.

2.2

Umfang und Bedeutung

In seinem Bericht «Risikokapital der Schweiz» vom Juni 2012 ist der Bundesrat zum Schluss gekommen, dass der Schweizer Risikokapitalmarkt insgesamt funktioniert. Der Fokus der Politik des Bundesrates auf die ständige Verbesserung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen hat sich auch für diesen Bereich bewährt.

Eine vollständige Datenbasis zum Investitionsvolumen von Venture-Capital existiert nicht. Aus diesem Grund werden nachfolgend diverse Quellen genutzt, die unterschiedliche Zahlen wiedergeben:

3 4 5 6

­

Der Global Venture Capital and Private Equity Country Attractiveness Index 2018 attestiert der Schweiz gute Rahmenbedingungen für Risikokapital. Die Schweiz nimmt in diesem internationalen Benchmark den 15. Platz ein.4

­

Gemäss den Zahlen von Invest Europe (vormals EVCA) befindet sich die Schweiz bezüglich Risikokapital in Europa in den vorderen Rängen.5 Beim durchschnittlichen prozentualen Anteil von Venture-Capital am Bruttoinlandprodukt (BIP) belegte die Schweiz zwischen 2013 und 2017 im europäischen Vergleich hinter Finnland, Schweden, Irland und Grossbritannien den fünften Rang. Der prozentuale Anteil des Venture-Capital am BIP betrug 2017 0,043 Prozent. Im weltweiten Vergleich weist die Schweiz insbesondere gegenüber Israel (0,377 Prozent) oder den USA (0,358 Prozent) deutlich tiefere Anteile von Venture-Capital am BIP auf.6

­

Der Swiss Venture Capital Report, der sämtliche veröffentlichten Risikokapitalinvestments in Schweizer Start-ups erfasst und analysiert, hat zum sechsten Mal in Folge einen Zuwachs der Investitionen festgestellt. InsgeEngelhardt J., Gantenbein P. (2010): Venture Capital in Switzerland, S. 10f.

Groh A., Liechtenstein H., Lieser K., Biesinger M. (2015): The Global Venture Capital and Private-Equity Country Attractiveness Index 2015.

Vgl. Invest Europe Yearbook 2017.

OECD (2015a), Entrepreneurship at a Glance 2017, OECD Publishing, Paris, 2017.

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samt stellten in- und ausländische Geldgeber 2017 in 175 Finanzierungsrunden Risikokapital in der Höhe von 938 Millionen Franken zur Verfügung Seit 2012 (CHF 316 Millionen Franken) haben sich die Investitionen somit verdreifacht.7

2.3

Investitionsumfang von Vorsorge- und Versicherungseinrichtungen in Private Equity und Venture-Capital

Weil Anlagen in Venture-Capital nach einem globalen Ansatz erfolgen, bei denen Schweizer Start-up-Firmen einen kleinen Anteil der weltweiten Volumina ausmachen, darf trotz der dürftigen Datenverfügbarkeit angenommen werden, dass die Investitionen von Vorsorge- und Versicherungseinrichtungen in schweizerisches Venture-Capital im Vergleich zu anderen Anlagemöglichkeiten gering sind. Gemäss der Pensionskassenstatistik des Bundesamtes für Statistik8 (BFS) investierten die Vorsorgeeinrichtungen Ende 2016 rund 12,5 Milliarden Franken oder 1,5 Prozent des Vorsorgevermögens in Private Equity. Die privaten Lebensversicherer wiesen gemäss der FINMA 6,7 Milliarden Franken9 an alternativen Anlagen aus, wobei davon gemäss einer internen Untersuchung der FINMA etwa 1,7 Milliarden Franken auf Private Equity (0,45 Prozent der Kapitalanlagen von 388 Milliarden Franken) entfallen. Daraus ergibt sich ein Investitionsvolumen der Vorsorge- und Lebensversicherungseinrichtungen in Private Equity im Umfang von rund 14,2 Milliarden Franken für das Jahr 2016. Der Anteil von Venture-Capital an diesem Gesamtbetrag liegt schätzungsweise etwa im Rahmen von 1/5 bis 1/1010, bewegt sich also in der Grössenordnung von etwa 2,2 Milliarden Franken oder grob 0,18 Prozent des gesamten Anlagevolumens.

3

Vorgehen zur Abklärung der Motion und zur Schaffung eines Zukunftsfonds

In einer ersten Phase wurden separate Gespräche mit Pensionskassen, AdvisoryFirmen und Venture-Capital-Firmen geführt. Insgesamt haben von September 2014 bis März 2015 zehn separate Gespräche mit 18 Vertreterinnen und Vertretern von Institutionen stattgefunden.

In einer zweiten Phase wurde am 4. Juni 2015 ein erster Workshop unter Federführung des SECO in Zusammenarbeit mit dem BSV, dem Schweizerischen Pensionskassenverband (ASIP) und der Swiss Private Equity & Corporate Finance Association (SECA) mit mehr als 60 eingeladenen Vertreterinnen und Vertretern von verschiedenen wichtigen Vorsorgeeinrichtungen, der Venture-Capital-Industrie, Verbänden und dem Motionär durchgeführt. Mittels des Workshops sollten die notwen7 8 9 10

374

Vgl. Swiss Venture Capital Report 2018.

www.pxweb.bfs.admin.ch Versicherungsreport der FINMA, www.versichererreport.finma.ch/reportportal.

Vgl. z. B. Prequin, Global Private-Equity & Venture Capital Report.

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digen Abklärungen getroffen, die in der Motion geforderte Initiierung vorgenommen und der Venture-Capital-Industrie die Möglichkeit gegeben werden, direkt mit ihren potenziellen Kunden Gespräche zu führen. Der Workshop war eine von allen Seiten geschätzte Gelegenheit, die unterschiedlichen Perspektiven und Positionen darzulegen.

Weiter haben Gespräche mit einem potenziellen neuen Anbieter eines schweizerischen Venture-Capital-Dachfonds (Fonds, die ihre Gelder in andere Fonds investieren) stattgefunden. Ebenso wurden die FINMA und ein grosser Versicherer angehört.

In einer dritten Phase trafen am 12. Oktober 2016 die Bundesräte Alain Berset und Johann Schneider-Ammann Vertreter der Venture-Capital-Industrie, der Politik, verschiedener Verbände und auch der Verwaltung. Am Treffen wurde eine gemeinsame Erklärung von den Beteiligten unterzeichnet, welche die weitere Förderung von wachstumsstarken Unternehmen vorsieht. Diese beinhaltet eine Absichtserklärung des Bundesrates, Massnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen zu prüfen. Die beteiligten Verbände erklärten ihre Bereitschaft, ihre Mitglieder zu motivieren, wachstumsstarke Unternehmen in geeigneter Weise und auf freiwilliger Basis zu fördern. In diesem Zusammenhang wurde ein grösserer zweiter Workshop organisiert, der am 2. Mai 2017 unter der Federführung des BSV in Zusammenarbeit mit dem SECO und dem ASIP stattgefunden hat. Dabei konnten potenzielle Anbieter von Investitionsmöglichkeiten in Venture-Capital Schweiz ihre Produktvorschläge präsentieren. Eingeladen waren in erster Linie Vorsorgeeinrichtungen. Am zweiten Workshop konnten die wichtigsten Fragen zu Rendite, Risiken, Governance, Struktur des Fonds und Kosten der verschiedenen Produktangebote im Grundsatz diskutiert werden. An diesem Workshop waren die potenziellen Anbieter und die potenziellen Investoren aus dem Vorsorgebereich anwesend und konnten an der Veranstaltung und danach direkt miteinander in Kontakt treten.

4

Zukunftsfonds

4.1

Einsetzbarkeit des Zukunftsfonds für Investitionen in Venture-Capital

Venture-Capital benötigt viel spezialisiertes Fachwissen, wenn die entsprechenden Investitionen erfolgreich sein sollen. Der einzelne Fonds spezialisiert sich häufig auf eine Branche, z. B. Medtech oder Pharma. Da die Erträge der Investitionen in die verschiedenen Unternehmen stark voneinander abweichen können, ist es ratsam, eine ausreichende Diversifikation vorzunehmen. Diese Diversifikation wird insbesondere über eine zeitliche Staffelung sowie durch spezialisierte Subfonds aus verschiedenen Wirtschaftssektoren sichergestellt. Institutionelle Investoren wie Vorsorgeeinrichtungen investieren demnach meist in Dachfonds. Die Auswahl der Dachfonds wird jedoch in der Regel nicht von den Vorsorgeeinrichtungen vorgenommen, sondern von spezialisierten Assetmanagement-Dienstleistern. Vom Manager des Dachfonds wird erwartet, dass er in der Lage ist, die erfolgversprechenden Subfonds (Teil eines Fondsgebildes aus mehreren Fonds) und spezialisierten Branchenfonds zu selektieren.

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Die Grundidee, einen Zukunftsfonds als Dachfonds auszugestalten, ist demnach nachvollziehbar. Die institutionellen Anleger delegieren die Investitionsentscheide im Bereich Venture-Capital an einen Fonds, der über das nötige Fachwissen verfügt, um eine erfolgversprechende Selektion vorzunehmen. Diese spezialisierte und teure Kompetenz selbst aufzubauen, dürfte nicht nur für kleinere, sondern sogar für grössere Vorsorgeeinrichtungen kaum lohnend sein, zumal die durchschnittlichen Investitionen in Venture-Capital in Relation zum Gesamtvermögen des institutionellen Anlegers gering sind (siehe Ziff. 2.3). Aber selbst bei der indirekten Anlage über einen Dachfonds müssen die Vorsorgeeinrichtung oder von ihr beauftragte Dritte in der Lage sein, die Auswahl der Dachfonds und die Delegation der Investitionsentscheide an diese fachlich zu beurteilen. Dies ist Bestandteil ihrer Sorgfaltspflicht.

Die Komplexität von Venture-Capital zum Beispiel bei der Bewertung von Anlagen, der Identifikation erfolgversprechender Ideen und Firmen, aber auch der langfristige Anlagehorizont machen bereits das Delegieren zu einer herausfordernden Aufgabe.

Erschwerend kommt hinzu, dass viele schweizerische Vorsorgeeinrichtungen relativ klein sind. Gemäss Pensionskassenstatistik existierten Ende 2016 in der Schweiz 1713 Einrichtungen mit reglementarischen Leistungen und aktiven Versicherten.

Kleinere Einrichtungen dürften stärker auf spezialisierte Finanzdienstleister angewiesen sein, da sich der Aufbau von eigenem Fachwissen für sie meist nicht lohnt.

Von den Befürwortern eines Zukunftsfonds wird ausserdem vorgebracht, dass insbesondere Vorsorgeeinrichtungen einen langen Anlagehorizont aufweisen und deshalb als Venture-Capital-Investoren besonders gut geeignet seien. Der oder die einzelne Versicherte weist tatsächlich je nach verbleibendem Zeitraum bis zum Bezug der Rente oder des Kapitals einen langen Anlagehorizont auf. Dies gilt jedoch für die Vorsorgeeinrichtungen nicht zwingend in jeder Situation. Vorsorgeeinrichtungen sind auch Veränderungen auf Arbeitgeberseite ausgesetzt: Unternehmensteile werden verkauft, Personal wird abgebaut, Firmen verlegen die Niederlassung oder verschwinden ganz. Sammeleinrichtungen müssen damit umgehen, dass Firmen sich neu bei ihnen versichern oder aber die Verträge wieder kündigen. Dennoch
gehören Vorsorgeeinrichtungen im Normalfall zu den längerfristig orientierten Investoren.

Sie kommen demnach als Investoren in Venture-Capital grundsätzlich in Frage.

4.2

Grundsätzliche Haltung der Akteure zum Motionsgedanken und zu Investitionen in Venture-Capital

4.2.1

Venture-Capital-Anbieter

In den Gesprächen der Arbeitsgruppe mit den Venture-Capital-Anbietern und aufgrund der Diskussionen in den Workshops haben die Anbieter die Meinung vertreten, dass die aktuell vorhandenen Geldmittel nicht ausreichten, um in der Schweiz ein Umfeld herzustellen, in dem junge Firmen an der Spitze des technologischen Fortschrittes ausreichend gedeihen können. Oft könnten zwar die Anfangsinvestitionen (bis rund 1 Million Franken) finanziert werden. Weitere Mittel (bis ca. 10 Millionen Franken), die für die nachfolgende Entwicklung und damit die Expansion der Firma wichtig wären, seien oft aber nur schwierig erhältlich oder benötigten eine 376

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längere Zeitdauer. Dies schädige mittel- und langfristig den Wohlstand des Landes.

Wegen des fehlenden Kapitals werde das Entstehen neuer Unternehmen erschwert, die einen wesentlichen Beitrag zur Erneuerung der Wirtschaft und der wirtschaftlichen Entwicklung leisteten. Weiterhin wird festgehalten, dass aufgrund der hervorragenden wissenschaftlichen Forschung in der Schweiz viele wirtschaftliche Möglichkeiten bestünden. Aufgrund der fehlenden Geldmittel würden jedoch etliche Jungunternehmer die Schweiz verlassen, um sich in denjenigen Ländern zu entwickeln, in denen grössere Volumen an Wagniskapital zur Verfügung stünden. Gemäss Venture-Capital-Anbietern wären ein mit ausreichenden Mitteln ausgestatteter Zukunftsfonds oder aber mehrere Fonds gemeinsam in der Lage, die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, um das Venture-Capital in der Schweiz entscheidend zu fördern und die Erneuerung der Wirtschaft voranzutreiben. Dadurch könnten auch die Arbeitsplätze der Zukunft gesichert werden. Gemäss der ursprünglichen Idee einiger Promotoren eines Zukunftsfonds11 sollte sogar ein bestimmter, über die Jahre steigender Prozentsatz des neu in die Vorsorgeeinrichtung fliessenden Kapitals in den Zukunftsfonds fliessen. Mit dem Geld sollte ein Dachfonds gespeist werden, der dann wiederum die Investitionen in die Venture-Capital-Gesellschaften vornehmen würde. Die Idee des gesetzlichen Zwangs für Vorsorgeeinrichtungen, in Venture-Capital zu investieren, wurde jedoch im Laufe der Diskussion relativiert.

4.2.2

Vorsorgeeinrichtungen

Die Vorsorgeeinrichtungen begrüssen private Initiativen, z. B. eines diversifizierten schweizerischen Venture-Capital-Fonds, als zusätzliche Investitionsmöglichkeit. Im Vordergrund stehen für die Vorsorgeeinrichtungen die Versicherten und damit Rendite- und Risikoüberlegungen. Die Vorsorgeeinrichtungen sehen sich von Gesetzes wegen den Interessen der Versicherten verpflichtet. Die zu Beginn der Diskussion starken Bestrebungen einiger Venture-Capital-Vertreter, die Vorsorgeeinrichtungen gesetzlich zu einem Engagement zu verpflichten, werden deshalb von den Vorsorgeeinrichtungen entschieden abgelehnt. Es ist die Aufgabe von Vorsorgeeinrichtungen, interessante Produkte zu evaluieren und bei positivem Resultat und vorhandener Risikofähigkeit in sie zu investieren. Sie halten aber fest, dass die Wirtschaftsförderung keine Aufgabe der Pensionskassen sei. Eine solche würde die Belastungen des Systems der beruflichen Vorsorge neben der steigenden Alterserwartung, den rekordtiefen Zinssätzen und den hohen gesetzlichen Parametern weiter erhöhen.

Die Vorsorgeeinrichtungen schätzen die Anlagekategorie/Subkategorie Venture-Capital als sehr anspruchsvoll ein. Sie benötige viel spezialisiertes Know-how. Dieses sei bei den meisten Vorsorgeeinrichtungen nicht vorhanden. Auch grosse Vorsorgeeinrichtungen investieren normalerweise nicht direkt in Venture-Capital. Aus Gründen der Risikodiversifikation vergeben sie international diversifizierte Private-EquityMandate. Davon besteht nur ein Teil (ca. 10 bis 20 Prozent) aus Venture-Capital.

Davon wiederum wird nur ein Bruchteil in der Schweiz investiert. Ein rein schweizerischer Venture-Capital-Fonds wird deshalb, selbst wenn er innerhalb des Fonds 11

www.zukunftsfondsschweiz.ch

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gut diversifiziert ist, als hohes Risiko betrachtet. Venture-Capital wird meist als risikoreicher und oft auch als ertragsärmer eingeschätzt als andere Private-EquityAnlagen. Aufgrund des langen Anlagehorizontes ist der Ertrag von Venture-Capital zudem lange ungewiss.

Die hohen Kosten der Venture-Capital-Vehikel könnten weiter im Widerspruch zu den Bemühungen der Vorsorgeeinrichtungen stehen, ihre Vermögensverwaltungskosten, insbesondere bei den alternativen Anlagen, zu senken. Das Thema der mangelnden Transparenz aktueller Venture-Capital-Produkte und die damit verbundene lange Unsicherheit betreffend die Performance der Investitionen wurden im zweiten Workshop explizit thematisiert. Die oft mangelnde Transparenz der Performance von Investitionen wird als wesentlicher Unterschied zu anderen illiquiden Anlagekategorien wie Immobilien wahrgenommen und wirkt als Investitionshemmnis.

4.2.3

Lebensversicherer

Einige Lebensversicherer sind zwar in Private Equity investiert, und zwar bis zu 2 Prozent ihrer Anlagen, aber davon entfällt nur ein Bruchteil auf Venture-Capital.

Auch ziehen sie es wie die Vorsorgeeinrichtungen vor, ihre allfälligen Investitionen frei von einem gesetzlichen Zwang wählen zu können. Dabei verfolgen sie die Interessen der Aktionäre, der Genossenschafter und der Kunden. Ob und in welchem Umfang Private-Equity-Positionen in einer Lebensversicherungsbilanz erscheinen, ergibt sich aus den Überlegungen zu möglicher Rendite und Risiko, wobei den Lebensversicherern die Langfristigkeit derartiger Investitionen bewusst ist. In Private Equity investieren sie weltweit diversifiziert. Eine geografische Beschränkung auf die Schweiz, allenfalls mit Einbezug des benachbarten Auslandes, erscheint den Lebensversicherern risikoreicher als ein global diversifiziertes Portfolio.

4.2.4

FINMA

Die FINMA steht den Investitionen von Lebensversicherern in Venture-Capital neutral gegenüber, sofern dabei die bestehenden regulatorischen Anforderungen eingehalten werden. Diese bestünden vor allem aus den Bestimmungen des gebundenen Vermögens und des Schweizer Solvenztests. Beide Instrumente beschränkten zwar den Umfang von Venture-Capital-Investitionen implizit oder explizit, die bestehenden Möglichkeiten schöpften die Lebensversicherer aber nicht aus. Die Versicherungsregulierung sei deshalb nicht der limitierende Faktor für die Höhe der von den Lebensversicherern getätigten Investitionen in Venture-Capital.

Die FINMA spricht sich gegen rechtliche Änderungen aus, die zu einem Zwang für die Lebensversicherer führen würden, in Venture-Capital zu investieren. Vielmehr sollte die Entscheidung über derartige Investitionen bei den Unternehmen bleiben.

Des Weiteren ist die FINMA der Meinung, dass bei der Bildung eines Zukunftsfonds in der Art, wie es die Motion fordert, vom Staat kein einzelner Anbieter bevorzugt behandelt werden sollte.

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4.2.5

Übrige

Eine grosse internationale Revisionsfirma betont den möglichen positiven Effekt eines entsprechenden Fonds bei der Finanzierung der vierten Industriellen Revolution, z. B. im Fintech-Bereich.

Beratungsfirmen der Vorsorgeeinrichtungen haben darauf hingewiesen, dass Vorsorgeeinrichtungen häufig bereits überproportional in der Schweiz investieren.

Vorsorgeeinrichtungen würden deshalb in Bezug auf das Nischenprodukt Private Equity international diversifizierte Vehikel bevorzugen. Die Renditen seien stark abhängig vom Lancierungszeitpunkt. Eine Überrendite zu kotierten Aktien aus dem Segment kleiner Unternehmen sei oft nicht erreicht worden. Venture-CapitalInvestitionen müssten auch bei einer Delegation an einen Dachfonds begleitet werden. Die Produkte seien komplex und teuer. Probleme würden entstehen, wenn eine Teilliquidation der Vorsorgeeinrichtung notwendig werde, z. B. aufgrund von Umstrukturierungen in der Arbeitgeberfirma. Hier könne die meist schwierige Bewertung der Venture-Capital-Investitionen eine Schwierigkeit darstellen.

5

Regulatorische Bedingungen

5.1

Regulierung der Vorsorgeeinrichtungen

Die Anlagevorschriften im Bereich der Einrichtungen der beruflichen Vorsorge sind relativ liberal, lassen also den Vorsorgeeinrichtungen die notwendige Flexibilität und stellen die Eigenverantwortung in den Vordergrund. Sie orientieren sich am Prinzip des umsichtigen Investors (Prudent-Investor-Principle). Zentral für die Anlagevorschriften ist Artikel 50 der Bundesverordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2)12. Darin werden insbesondere die Einhaltung der Sorgfaltspflichten, eine ausreichende Diversifikation und eine auf die Risikofähigkeit abgestimmte Anlagepolitik verlangt. Für alternative Anlagen existiert eine Anlagelimite von 15 Prozent des Anlagevermögens13, wobei diese Limite mit einer einfachen Begründung durch das verantwortliche Organ der Vorsorgeeinrichtung überschritten werden kann. Als alternative Anlagen gelten auch VentureCapital-Investitionen. Daneben sind die Vorsorgeeinrichtungen bei der Gestaltung ihrer Anlagepolitik jedoch relativ frei. Die Vorsorgeeinrichtungen erklären denn auch, dass die Anlagevorschriften nicht der hauptsächliche Hinderungsgrund für Investitionen in Venture-Capital sind. Der oft schlechte Ruf alternativer Anlagen färbe jedoch auch auf diese Anlage-Unterkategorie ab.

12 13

SR 831.441.1 Art. 55 BVV 2

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5.1.1

Kostentransparenz

Im Interesse der Transparenz wurde im Rahmen der Strukturreform in der beruflichen Vorsorge Artikel 48a BVV 2 betreffend den Ausweis der Verwaltungskosten von Vorsorgeeinrichtungen erweitert. Gemäss Artikel 48a Absatz 3 BVV 2 müssen diejenigen Vermögensanlagen, deren Vermögensverwaltungskosten nicht in der Betriebsrechnung ausgewiesen werden können, im Anhang der Jahresrechnung einzeln aufgeführt werden. Ist eine Ausweisung nicht möglich, gelten die Anlagen als intransparent. Diese Regel hat dazu geführt, dass im Bereich der Vermögensanlagen innert kurzer Zeit eine fast vollständige Kostentransparenz hergestellt wurde.14 Bei der Frage, ob ein Produkt transparent ist, werden auch Kostenkonzepte von Fachverbänden berücksichtigt. Die Kostenkonzepte basieren in allen Anlagebereichen auf Grundprinzipien. Eines dieser Grundprinzipien ist, dass Kosten relativ zum investierten Nettovermögen ausgewiesen werden sollen. So basiert auch das Kostenkonzept der SECA auf dem Nettoanlagevermögen (NAV) und nicht auf den Kapitalzusagen (den sogenannten Commitments) der Investoren. Es liegt in der Natur von Venture-Capital-Investitionen, dass zu Beginn nur ein Teil des zugesagten Kapitals einbezahlt wird. Das hat den Effekt, dass das NAV deutlich tiefer als die Kapitalzusagen liegen kann und somit zu Beginn verhältnismässig hohe Verwaltungskosten ausgewiesen werden.

Im Falle von Venture-Capital müssen nach der Produktelancierung Anlagemöglichkeiten gesucht und evaluiert werden. Ab Mitte der Laufzeit des Produktes gelangen die ersten Investitionen zur Rückzahlung. Die Kosten bleiben jedoch für die ganze Laufzeit meist in einer ähnlichen Höhe. Der Aufwand des Managements des Venture-Capital-Fonds ist bereits zu Beginn bei der Evaluation der Investitionsobjekte hoch, auch wenn noch wenig investiert wurde. Da die Kostenkennzahlen auf Basis des investierten Vermögens berechnet werden, müssen am Anfang und am Ende des Produktezyklus hohe Kostenkennzahlen im Verhältnis zum investierten Vermögen ausgewiesen werden. Dies ist zwar jedem Investor bekannt, ist aber allenfalls erklärungsbedürftig. Gewisse Anbieter von Private Equity respektive von Venture-Capital möchten deshalb, dass die Kosten nicht mehr in Relation zum NAV, sondern in Relation zum zugesagten Kapital ausgewiesen werden, das normalerweise stabil bleibt. Dadurch
würden aber die aktuellen Grundprinzipien der Kostenkonzepte der beruflichen Vorsorge verletzt und die Vergleichbarkeit der Kosten der verschiedenen Anlagekategorien erschwert. Das heute erreichte Niveau der Kostentransparenz in der beruflichen Vorsorge würde dadurch wieder gesenkt. Gemäss Artikel 48a Absatz 1 Buchstabe b BVV 2 müssen allerdings nur die aggregierten Kosten der Vermögensverwaltung durch die Vorsorgeeinrichtung zwingend ausgewiesen werden. Dies bedeutet, dass zwar die Kosten der Produkte (relativ zum investierten Kapital) in die aggregierte Zahl einfliessen, jedoch nicht zwingend separat auszuweisen sind. Ist das Produkt intransparent, erfolgt logischerweise kein Ausweis der Kosten. Nimmt die Vorsorgeeinrichtung eine freiwillige detaillierte Aufstellung der Vermögensverwaltungskosten im Bereich Venture-Capital vor, dann ist es aber wünschenswert, wenn neben der Kostenberechnung basierend auf dem investier-

14

380

Kostentransparenzquote gemäss Pensionskassenstatistik 2014 von 98,9 Prozent.

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ten Vermögen auch eine Kostenberechnung auf dem zugesagten Kapital ausgewiesen wird.

5.1.2

Bewertungsfragen

Für Private Equity und Venture-Capital gelten dieselben Bewertungsregeln wie für alle anderen Anlagen von Vorsorgeeinrichtungen. Es gilt der übergeordnete Grundsatz der Swiss GAAP FER, wonach die Jahresrechnung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz und Ertragslage zu vermitteln hat. Gemäss Swiss GAAP FER 26 erfolgt die Bewertung der Aktiven zu den für den Bilanzstichtag zutreffenden aktuellen Werten unter Vermeidung von Glättungseffekten. Unter aktuellen Werten wird grundsätzlich der Marktwert per Bilanzstichtag verstanden. Der aktuelle Wert von Vermögensgegenständen ohne regelmässigen öffentlichen Handel wird nach dem zu erwartenden Ertrag bzw. Geldfluss unter Berücksichtigung eines risikogerechten Kapitalisierungssatzes ermittelt, durch Vergleich mit ähnlichen Anlagen geschätzt oder nach einer anderen allgemein anerkannten Methode berechnet. Wenn für einen Vermögensgegenstand kein aktueller Wert bekannt ist bzw. mit den obigen Methoden festgelegt werden kann, gelangt ausnahmsweise der Anschaffungswert abzüglich erkennbarer Werteinbussen zur Anwendung.15 Einzelne Venture-Capital-Produkteanbieter haben angeregt, dass die Vorsorgeeinrichtungen die Investitionen bis zu 10 Jahren lang zu den Anschaffungskosten oder dem Buchwert in den Büchern führen dürfen. Dies wird dadurch begründet, dass die Bewertungen schwierig sind und am Anfang des Investitionszyklus sonst allenfalls Verluste ausgewiesen werden müssen, die am Ende des Investitionszyklus durch allfällige Gewinne kompensiert werden. Dadurch würde aber das Grundprinzip der Marktbewertung verletzt. Venture-Capital wäre die einzige Investition im Portfolio der Vorsorgeeinrichtungen ohne marktnahe Bewertung. Moderne Standards betonen dagegen den Fair-Value-Ansatz16. Zudem kann bereits mit Swiss GAAP FER 26 den Schwierigkeiten bei der Bewertung Rechnung getragen werden. Müssen am Anfang buchhalterische Verluste ausgewiesen werden, die durch die spätere Entwicklung des Investments widerlegt werden, ist die Performance der späteren Jahre umso besser.

Der Ausweis von Fair-Value-Bewertungen ist sicher ein wichtiger Schritt zur Herstellung der Transparenz. Für die Analyse der wirklichen Entwicklung der Investitionen ist dies jedoch im Bereich der indirekten Anlagen, z. B. von Fonds, nicht ausreichend. Dazu ist
zusätzlich eine Look-through-Analyse unerlässlich. Dabei müssen die bestehenden Positionen, die existierenden Bewertungen und die dazu verwendete Bewertungsmethodik, die Erträge- und Verluste wie auch weitere Kosten und steuerliche Verpflichtungen offengelegt werden. Dies ist heute bei indirekten Anlagen oft nicht der Fall. Nach langen Jahren der Investition können deshalb für die Investoren unerfreuliche Überraschungen in Form von Bewertungsänderungen auftreten, wenn 15 16

Siehe Erläuterungen zu Ziffer 3 unter Punkt 13 von Swiss GAAP FER 26.

Vgl. z. B. Standards der European Private-Equity and Venture Capital Association (EVCA) oder IPEV Valutation Guidelines.

381

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die Investitionen verkauft werden sollen. Auch kann der Fall eintreten, dass Beteiligungen illiquid bleiben, weil sie nicht verkauft werden können. Die Verbesserung der Transparenz von Positionen, Erträgen/Ertragsminderungen und Bewertungen ist deshalb unerlässlich, wenn das Vertrauen in illiquide alternative Anlagen beispielsweise im Bereich Venture-Capital gestärkt werden soll. Eine freiwillige Selbstverpflichtung der entsprechenden Produkteanbieter könnte helfen, hier weitgehende Transparenz zu schaffen.

5.2

Regulierung der Versicherungen

Die privaten Versicherungsunternehmen sind durch das Versicherungsaufsichtsgesetz17 (VAG), die Aufsichtsverordnung18 AVO und diverse Rundschreiben der FINMA reguliert. Von diesen Regularien sind es vor allem das gebundene Vermögen und der Schweizer Solvenztest (SST), die einen Einfluss auf die Investitionen der Lebensversicherer in Start-up-Unternehmen haben können.

5.2.1

Gebundenes Vermögen

Das Instrument des gebundenen Vermögens gilt für Erstversicherer einschliesslich Zweigniederlassungen ausländischer Erstversicherer in der Schweiz, nicht aber für Rückversicherer. Es dient dazu, die Versicherungsnehmer im Fall eines Konkurses einer Versicherungsgesellschaft privilegiert behandeln zu können. Dazu kennzeichnet die Versicherungsunternehmung bestimmte Aktiva, die im Konkursfall für die Bedienung der Forderung der Versicherungskunden reserviert sind. Dadurch erhalten die Versicherten ein Haftungssubstrat, das sicherstellt, dass ihre Ansprüche im Konkursfall des Versicherungsunternehmens vorrangig vor anderen Gläubigern befriedigt werden.19 Diese Aktiva bilden das gebundene Vermögen. Ihr Umfang soll mindestens so hoch wie der sogenannte Sollbetrag des gebundenen Vermögens sein, der sich aus dem Wert der versicherungstechnischen Verpflichtungen ableitet.

Bei der Zuweisung von Aktiva zum gebundenen Vermögen unterliegt das Versicherungsunternehmen gewissen Einschränkungen. Nicht jede Anlage ist als Teil des gebundenen Vermögens zulässig, zum Beispiel müssen sie bis auf spezielle Ausnahmen liquide sein. Die zu beachtenden Bedingungen sind in der AVO und in einem FINMA-Rundschreiben (Anlagerichtlinien) festgehalten. Per Ende 2016 betrug bei den Lebensversicherern der prozentuale Anteil der dem gebundenen Vermögen zugeordneten Aktiva gemessen an der Bilanzsumme 83 Prozent20. Für die restlichen und somit freien Aktiva gelten die Limiten des gebundenen Vermögens nicht. Im Rahmen der Anlagerichtlinien der FINMA für das gebundene Vermögen wird 17 18 19 20

382

SR 961.01 SR 961.011 FINMA Rundschreiben 2016/5, Anlagerichtlinien Versicherer, Rz 23.

Quotient aus der Summe der Aktiva im gebundenen Vermögen («Gesamtwert der Deckung», 290,3 Mrd. CHF) und der Summe der Aktiva (349,7 Mrd. CHF) über alle Lebensversicherer. Quelle: Daten aus www.versichererreport.finma.ch/reportportal/ für 2016.

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Private Equity als Teil der alternativen Anlagen behandelt. Damit alternative Anlagen dem gebundenen Vermögen zugerechnet werden können, verlangt die FINMA, dass die Investition in der Form eines Fonds erfolgt.21 Eine Direktanlage in PrivateEquity-Unternehmen ist für das gebundene Vermögen nicht zulässig.22 Die Anlagen müssen in sich diversifiziert sein. Die Liquiditätsplanung des Versicherers muss berücksichtigen, dass die Investitionen in Private Equity illiquider Natur sind.23 Des Weiteren verlangt die FINMA, dass das Versicherungsunternehmen unter anderem ein Konzept für die Investitionen in alternative Anlagen besitzt und dass es über sachkundiges Personal und ein passendes Risikomanagement verfügt. Zusätzlich sind die alternativen Anlagen im gebundenen Vermögen quantitativ beschränkt. Mit Blick auf Private Equity gelten folgende Limiten:24 ­

Wert aller angerechneten alternativen Anlagen 15 Prozent vom Sollbetrag des gebundenen Vermögens

­

Wert aller angerechneten Private-Equity-Anlagen 10 Prozent vom Sollbetrag

­

Wert eines angerechneten Dachfonds 5 Prozent vom Sollbetrag

­

Wert eines angerechneten Fonds 1 Prozent vom Sollbetrag

Ein Lebensversicherer könnte somit bis zu 10 Prozent seines gebundenen Vermögens mit Venture-Capital stellen, davon bis zu 1 Prozent in einem einzelnen Fonds.

Schweizerische Lebensversicherer haben im Durchschnitt momentan 0,7 Prozent ihrer Anlagen in Private Equity und 1,7 Prozent ihrer Kapitalanlagen in alternative Anlagen investiert, wobei die Mehrheit der Unternehmen gar keine solchen Investitionen tätigte. Der Spitzenwert liegt bei 2 Prozent für Private Equity und bei 5 Prozent für alternative Anlagen.25

5.2.2

Schweizer Solvenztest

Der Schweizer Solvenztest (SST) verlangt von jedem in der Schweiz ansässigen Versicherer, dass er eine unternehmensindividuelle Mindestmenge an Kapital hält, die sich an seinen Risiken misst (Schweizerische Zweigniederlassungen ausländischer Versicherer müssen keinen SST erstellen). Diese Mindestmenge wird Zielkapital genannt. Ihm steht das vorhandene Kapital ­ das sogenannte risikotragende Kapital (RTK) gegenüber. Mit der Forderung, dass das risikotragende Kapital nicht kleiner als das Zielkapital sein darf, soll die Wahrscheinlichkeit vermindert werden, dass berechtigte Forderungen der Versicherungsnehmer durch eine Insolvenz des Versicherers nicht bedient werden können.

21 22 23 24 25

FINMA Rundschreiben 2016/5, Anlagerichtlinien Versicherer, Randziffer (Rz) 322.

FINMA Rundschreiben 2016/5, Anlagerichtlinien Versicherer, Rz 332.

FINMA Rundschreiben 2016/5, Anlagerichtlinien Versicherer, Rz 329.

FINMA Rundschreiben 2016/5, Anlagerichtlinien Versicherer, Rz 343­348.

Interne Studie der FINMA.

383

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Da ein Versicherer eine bestimmte Menge an verfügbarem Kapital besitzt, kann er seine Risiken nicht über alle Grenzen vergrössern, ansonsten würde er den SST verletzten. In diesem Sinn setzt der SST den Aktivitäten und den Investitionen eines Versicherers Schranken. Sofern aber ein Versicherer genügend Kapital hat, um seine Risiken zu decken, sofern er also risikofähig ist, lässt ihn der SST frei gewähren.

Der SST kennt, anders als das gebundene Vermögen, keine expliziten Anlagelimiten. Er beinhaltet keine vorgegebenen Prozentsätze, welche die Aufteilung der Aktiva in verschiedene Anlagekategorien einschränken würden.

Die Risiken, die der SST bei der Berechnung des Zielkapitals berücksichtigt, sind die Versicherungs-, die Markt- und die Kreditrisiken. Das Gesamtrisiko ist dabei nicht die Summe der Risiken der einzelnen finanziellen Positionen, sondern weniger. Der Grund dafür liegt in der Risikodiversifikation, wobei das Ausmass der (stochastischen) Abhängigkeiten der Positionen berücksichtigt werden muss. Gemessen wird das Risiko mit dem sogenannten Expected Shortfall, einem gängigen Risikomass.

Da Anlagen in Venture-Capital mit Risiken behaftet sind, müssen die Versicherer auch solche Investitionen in ihren SST-Berechnungen einbeziehen. Entweder ermitteln die Versicherer das Risiko mit einem eigenen internen Modell oder aber mit dem SST-Standardmodell. Darin ist die Modellierung von Private Equity ebenso wie anderer Anlagen und Kapitalmarktparameter anhand historischer Zeitreihen kalibriert.

Um welchen Betrag die Kapitalanforderung eines Lebensversicherers ansteigt, wenn er seine Investitionen in Private Equity oder speziell in Venture-Capital erhöht, lässt sich mit dem SST-Standardmodell anhand eines Beispiels grob abschätzen. Das Beispielportefeuille setze sich auf der Aktivseite aus 76 Prozent Obligationen, 3 Prozent Aktien, 12 Prozent Immobilien und einem Rest von 9 Prozent Baranlagen und übrigen Aktiven zusammen, was dem Durchschnitt der Lebensversicherer entspricht.

Ausserdem sei die für das Zinsänderungsrisiko relevante Annahme getroffen, dass die Laufzeit der festverzinslichen Aktiva 8 Jahre betrage, diejenigen der versicherungstechnischen Verpflichtungen hingegen 12 Jahre. Die Hälfte der festverzinslichen Positionen trage zudem ein Kreditspreadrisiko bezüglich eines A-Ratings. Aus
dem Standardmodell resultiert dann, dass das Zielkapital mit jedem Franken, den der Lebensversicherer von den Baranlagen in Venture-Capital umschichtet, mit berücksichtigter Risikodiversifikation um etwa 0.4 Franken ansteigt.

Ergänzend führte die FINMA eine Untersuchung mit einer Stichprobe realer Unternehmen durch. Dabei eruierte sie, wie sich das Marktrisiko eines Versicherers, der noch nicht in Private Equity investiert ist, ändern würde, wenn er 1 Prozent seiner Kapitalanlagen in Private Equity umschichtet. Bei Benutzung des SST-Standardmodells zeigten sich in dieser Untersuchung folgende Ergebnisse: Das Marktrisiko stieg um zwischen 3 Prozent und 5,6 Prozent an. Der Durchschnitt lag hierbei bei 4,5 Prozent für Nichtlebensversicherer und bei 5,5 Prozent für Lebensversicherer.

Die gesamte Kapitalanforderung stieg jedoch weniger als das Marktrisiko an, da sich dieses mit dem versicherungstechnischen Risiko noch diversifiziert.

384

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5.2.3

Bewertung der gehaltenen Aktiva

Die Bewertung der gehaltenen Aktiva und der eingegangenen Verpflichtungen sind im gebundenen Vermögen und im SST nicht per se identisch. Während im SST durchgängig und somit auch für Private Equity ein marktkonsistenter Wert zu benutzen ist, sind solche Positionen für den Zweck des gebundenen Vermögens26 maximal zum Marktwert anzurechnen, zusätzlich sind für sie die Netto-Inventarwerte vierteljährlich zu erheben.

5.3

Steuerliche Fragen: Verlustrechnung

Das Thema Verlustverrechnung spielt für die Venture-Capital-Industrie eine wichtige Rolle. Start-ups weisen in den ersten Jahren oft Verluste aus. Für die Investoren spielt es eine wichtige Rolle, ob diese Verluste in den späteren Jahren, wenn die Gesellschaften Gewinne erwirtschaften, in Abzug gebracht werden können. Die Venture-Capital-Industrie verlangt, dass Verluste bis zu 20 Jahren lang steuerlich auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene geltend gemacht werden können.

In der Vernehmlassung zur Unternehmenssteuerreform III (USR III) hatte der Bundesrat unter anderem vorgeschlagen, die Regelung zur Verlustverrechnung für Unternehmen anzupassen. Zum einen hätte die zeitliche Beschränkung der Verlustverrechnungsperiode von 7 Jahren aufgehoben werden sollen, d. h. Verluste hätten zeitlich unbeschränkt mit künftigen Gewinnen verrechnet werden können. Zum anderen hätte vorgeschrieben werden sollen, dass ein Unternehmen jeweils 20 Prozent des Jahresgewinns vor Verlustverrechnung versteuern müsste.

In seiner Stellungnahme zur Motion Derder 16.3863 «Unbefristete Verlustverrechnung zulassen» führte der Bundesrat aus, dass er einer unbeschränkten Verlustverrechnung für alle Unternehmen in Verbindung mit einer Mindestbesteuerung im Rahmen einer zukünftigen Steuerrevision offen gegenüberstehe. Sie werde im Rahmen eines Prüfauftrags zur Weiterentwicklung des schweizerischen Unternehmenssteuerrechts zusammen mit anderen Massnahmen vom Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) erneut geprüft.

6

Feststellungen

Die Rückmeldungen, die an den beiden Workshops vertretenen Standpunkte und der Bericht zum Postulat Derder (13.4237) führen zu folgenden Feststellungen: Der Bericht in Erfüllung des Postulates Derder (13.4237) hat ergeben, dass sich die Situation der rasch wachsenden Jungunternehmen in der Schweiz gut bis sehr gut präsentiert. Die Schweiz zählt zu den Ländern mit den besten Rahmenbedingungen für unternehmerische Aktivitäten und pro Einwohner liegt die Zahl wachstumsstarker Jungunternehmen deutlich über den meisten Vergleichsländern. Die Qualität der gegründeten Unternehmen ist gut, weshalb die vergleichsweise tiefe Gründungs26

FINMA Rundschreiben 2016/5, Anlagerichtlinien Versicherer, Rz 349.

385

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quote weniger ins Gewicht fällt. Der Risikokapitalmarkt ist ein offener Markt mit starken internationalen Finanzflüssen und ausländischen Investitionen in die Schweiz und umgekehrt. Beim durchschnittlichen prozentualen Anteil der Risikokapitalinvestitionen am BIP belegt die Schweiz zwischen 2013 und 2017 den fünften Rang in Europa. Der Risikokapitalmarkt kann jedoch noch weiterentwickelt werden, der Anteil am BIP liegt deutlich hinter Israel oder den USA. Die Entfaltung und Förderung des Potenzials der Schweizer Start-up-Firmen wird vollumfänglich im Rahmen des Berichts zum Postulat Derder 13.4237 behandelt und ist nicht Gegenstand des vorliegenden Auftrages. Der Bericht zählt bereits beschlossene Massnahmen und potenzielle zukünftige Handlungsfelder auf, insbesondere im Bereich der Kapital- und Vermögenssteuern, der Prüfung von Verlustverrechnungen, den Eintrittshürden im FinTech-Bereich, der Gründung von Firmen, der Verbesserung der Rahmenbedingungen im Bereich der digitalen Wirtschaft oder einer allfälligen Zusammenarbeit mit dem Europäischen Investitionsfonds. Eine der vorgeschlagenen Massnahmen ist die Prüfung möglicher Verbesserungen der Rahmenbedingungen für Investitionen in Start-ups durch Pensionskassen.

In einem Umfeld von Negativzinsen bilden Anlagen in Private Equity und damit auch in Venture-Capital in Relation zu anderen Anlagen wie z. B. Aktien, Obligationen und Immobilien eine Option, welche die Vorsorgeeinrichtungen und andere Investoren zu prüfen bereit sind. Es könnte demnach im gegenwärtigen Umfeld mehr Geld in solche Vehikel fliessen, wenn diese den Ansprüchen der Investoren genügen.

Die Voraussetzung für eine Investition in wenig liquide Anlagen wie Private Equity im Allgemeinen und Venture-Capital im Speziellen ist ein langfristiger Anlagehorizont. Ist dieser gegeben, kann das Abschöpfen einer Illiquiditätsprämie, d. h. ein Entgelt für die langfristige Bindung des Kapitals, angestrebt werden. Für viele Vorsorgeeinrichtungen sind wie für viele andere Investoren langfristige Anlagen grundsätzlich möglich.

Private-Equity- wie auch Venture-Capital-Investitionen sind wegen ihrer Komplexität mit einem grossen Aufwand verbunden und benötigen spezifisches Fachwissen.

Diversifizierte Dachfonds oder ähnliche Strukturen übernehmen die Auswahl, Bewirtschaftung und Überwachung der
Investitionen und stellen spezifische Expertise zur Verfügung. Allerdings muss diese Dienstleistung entschädigt werden.

Einzelne Vorsorgeeinrichtungen investieren bereits seit längerer Zeit in international gut diversifizierte Private-Equity-Mandate. Sie haben dafür zum Teil Lehrgeld in Form von Verlusten bezahlen müssen: Während in den 1990er-Jahren die Erträge aus Venture-Capital-Anlagen überdurchschnittlich waren, lagen sie in den 2000erJahren tiefer. Ausserdem ist der Aufwand der Vorsorgeeinrichtungen hoch. Einzelne investierte Vorsorgeeinrichtungen mussten internes Know-how aufbauen. Dieses Know-how wäre auch in Bezug auf einen Zukunftsfonds notwendig, da die Vorsorgeeinrichtungen jeden externen Dienstleister sorgfältig auswählen und überwachen müssen. Langfristig können sich diese Investitionen jedoch lohnen. Aufgrund der Diversifikation kann sich ein auch für die Vorsorgeeinrichtungen interessantes Rendite-/Risikoprofil ergeben. Möglicherweise kann deshalb ein internationaler Private-Equity-Fonds mit gutem Leistungsausweis und einem gewissen Übergewicht an Schweizer Venture-Capital den Bedürfnissen der Vorsorgeeinrichtungen entge386

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genkommen. Es kommt der Venture-Capital-Industrie zu, diese Frage direkt mit den Vorsorgeeinrichtungen als ihren potenziellen Kunden zu diskutieren.

Das bisher zurückhaltende Interesse von Schweizer Investoren an Venture-Capital in der Schweiz dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass bezüglich der (historischen) Performance der entsprechenden Vehikel widersprüchliche Angaben gemacht werden. Eine Performanceübersicht fehlt, die notwendigen Daten sind nicht öffentlich zugänglich. Generell ist die Bestandes-, Bewertungs-, Ertrags- und teilweise auch die Kostentransparenz bisher weitgehend ungenügend. Die weitere Verbesserung der Transparenz durch die Venture-Capital-Industrie und ihren Verband wäre wünschenswert.

Investitionsmöglichkeiten in (spezialisierte) Venture-Capital-Fonds existieren in der Schweiz durchaus. Weil die Selektion dieser spezialisierten Fonds sehr anspruchsvoll ist, dürften aber selbst grosse Vorsorgeeinrichtungen kaum direkt in solche spezialisierten Fonds investieren. Sie investieren hauptsächlich indirekt über breit diversifizierte Dachfonds-Strukturen.

Nicht zuletzt aufgrund der Motion Graber haben sich diverse privatwirtschaftliche Anstrengungen zur Lancierung von Produkten im Bereich Venture-Capital Schweiz manifestiert. Bereits am ersten Workshop präsentierte der sogenannte Swissfund einen Produktevorschlag. Weiter existieren bereits diversifizierte Produkte, beispielsweise in Form der Anlagestiftung Renaissance KMU, die sich auf Private-EquityInvestitionen im schweizerischen Technologiesektor und in KMUs spezialisiert hat und sich auf Vorsorgeeinrichtungen als Kunden beschränkt. Die international tätige Private-Equity-Gruppe Adveq hat im Januar 2017 zusammen mit der Anlagestiftung IST ein Private-Equity-Vehikel mit einem Übergewicht an Schweizer VentureCapital aufgesetzt. Am zweiten Workshop wurden Produktvorschläge von Reichmuth & Co. (Zukunftsfonds), von Aravis SA (Swissfund), von Lyrique und Partners Group präsentiert.

Allerdings werden sogar diversifizierte Vehikel von Schweizer Venture-Capital von Vorsorgeeinrichtungen oft als zu wenig diversifiziert eingeschätzt, einerseits wegen der geografischen Konzentration, andererseits, weil Venture-Capital nur eine Subkategorie von Private Equity darstellt.

Einen Zwang zur Investition in Venture-Capital, wie ihn einige
Venture-CapitalAkteure vorgeschlagen haben, lehnen die Vorsorgeeinrichtungen ab. Der Entscheid, in Private Equity und Venture-Capital zu investieren oder nicht zu investieren und in welcher Form dies geschieht, wird in denjenigen Vorsorgeeinrichtungen, die für solche Anlagen aufgrund ihrer Grösse überhaupt in Frage kommen, vom obersten, paritätisch zusammengesetzten Organ der Vorsorgeeinrichtungen getroffen. Er ist deshalb in der Regel gut abgestützt und legitimiert. Wenn die Vertreter der Versicherten im obersten Organ es ablehnen, ihr Vorsorgekapital in Venture-Capital zu investieren, dann ist dies zu respektieren. Will der Staat nicht direkt die Verantwortung für die Anlagepolitik der Vorsorgeeinrichtungen übernehmen ­ was einen fundamentalen Umbau des bestehenden Systems der beruflichen Vorsorge nach sich ziehen würde ­ so dürfen den Vorsorgeeinrichtungen nicht spezifische Anlagerisiken aufgezwungen werden.

387

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Wegen der hohen Verlustrisiken gehört es auch zur Sorgfaltspflicht von Vorsorgeeinrichtungen, bei Investitionen in Private-Equity- respektive Venture-Capital-Vehikel abzuklären, ob historische Renditedaten und ein positiver historischer Leistungsausweis vorliegen.

Die Kommunikation der Venture-Capital-Industrie und insbesondere diejenige eines Zukunftsfonds mit den potenziellen Endabnehmern ihrer Produkte, den Vorsorgeeinrichtungen, war bisher generell gering bis inexistent. Mit den beiden Workshops konnte die direkte Kommunikation zwischen den Vorsorgeeinrichtungen und der Venture-Capital-Industrie ermöglicht und etabliert werden.

In der Motion Stahl 08.3702 wurde verlangt, den Versicherten mehr Wahlmöglichkeiten betreffend die Anlage ihrer Sparkapitalien in der beruflichen Vorsorge zu eröffnen. So könnten im Überobligatorium die Versicherten beispielsweise eine Assetallokation wählen, die einen gewissen Bestandteil an Venture-Capital umfasst.

Die Anpassung des Gesetzes (Art. 19a Freizügigkeitsgesetz [FZG]27) wurde am 18. Dezember 2015 in der Schlussabstimmung angenommen. Venture-Capital-Anbieter hoffen, dass die Kassen damit den Versicherten Möglichkeiten anbieten werden, in Schweizer Venture-Capital zu investieren.

Eine am ersten Workshop durchgeführte Umfrage hat gezeigt, dass 25 Prozent der an der Veranstaltung anwesenden Vorsorgevertretern der Ansicht war, dass der Workshop die Wahrscheinlichkeit erhöht hat, dass Vorsorgeeinrichtungen in Venture-Capital investieren. 13 Prozent waren der Meinung, dass dies vielleicht der Fall ist, und 63 Prozent, dass dies nicht passieren wird. Es ist demnach ein gewisses Potenzial für zusätzliche Investitionen vorhanden.

7

Schlussfolgerungen und weiteres Vorgehen

7.1

Keine Umsetzung eines zentralen Zukunftsfonds

Die Grundidee eines Zukunftsfonds ist nachvollziehbar und grundsätzlich begrüssenswert. Ein gut diversifizierter Dachfonds fasst verschiedene als vielversprechend evaluierte Subfonds zusammen. Die Leitung eines solchen Fonds verfügt über das entsprechende hochspezialisierte Fachwissen. Durch seine Grösse kann er einerseits den spezialisierten Venture-Capital-Fonds benötigtes Kapital zur Verfügung stellen und andererseits Kostenvorteile besitzen.

Vorsorgeeinrichtungen verwalten die Gelder ihrer Versicherten. Ihr Auftrag ist es, diese Gelder unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren wie Rendite, Risiko, Risikofähigkeit und unter Einhaltung der treuhänderischen Sorgfaltspflicht so anzulegen, dass sie den Versicherten eine Versorgung im Alter ermöglichen. Die Vorsorgeeinrichtungen sind demnach dem Vorsorgeziel der Versicherten verpflichtet.

Können sie durch ihre Tätigkeit auch volkswirtschaftliche Vorteile generieren, werden die Verantwortlichen der Vorsorgeeinrichtung und die Versicherten dies sicher begrüssen. Die Wirtschaftsförderung ist aber nicht ihre Aufgabe.

27

388

SR 831.42

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Vorsorgeeinrichtungen handeln zudem im Bereich der Vermögensverwaltung autonom und eigenverantwortlich. Die Beteiligung an Venture-Capital-Investitionen muss demnach freiwillig sein. Die Beurteilung der Produkte muss zwingend durch die Vorsorgeeinrichtungen respektive die Investoren erfolgen. Für die Vorsorgeeinrichtungen ist es wichtig, dass konkrete Produkte zur Verfügung stehen, die sie evaluieren können. Auch darf der Staat die Kassen nicht drängen, in bestimmte Bereiche zu investieren. Es handelt sich nämlich nicht um staatliches Geld, sondern um das Geld der Versicherten.

Vorsorgeeinrichtungen haben kein Interesse, fixierte Anteile ihres Vermögens in schweizerisches Venture-Capital zu investieren, wie dies teilweise von Befürwortern eines Zukunftsfonds angeregt wurde. Ihre Assetallokation ist letztlich eine Funktion ihrer Risikofähigkeit, und diese verändert sich im Laufe der Zeit. Auch die Beurteilung der erwarteten Rendite und des Risikos bestimmter Anlagen und Anlagekategorien ändert sich. Deshalb werden die Kassen vielleicht bestimmte Beträge für einen bestimmten Zeitraum zusagen, ohne dass jedoch garantiert ist, dass sie nach Ablauf dieses Commitments ihre Zusagen erneuern.

Klare und konsistente Aussagen über die historischen Renditen von Schweizer Venture-Capital könnten mehr Transparenz herstellen. Sind die Zahlen vorteilhaft, würde dies Investitionen in den entsprechenden Bereichen fördern. In anderen Bereichen sind solche Angaben bereits Standard, so zum Beispiel im Bericht der Konferenz der Geschäftsführer von Anlagestiftungen (KGAST) über die Performance der Anlagestiftungen28. Langfristige und illiquide Investitionen erfordern von den Investoren zudem viel Geduld. Die Entwicklung ist abhängig von den verwendeten Bewertungsmodellen, Erträge oder Verluste sind oft nicht sichtbar. Ein hohes Niveau an Transparenz in den Bereichen Positionen, Bewertungen, Erträge/Verluste und Kosten inklusive Steuern kann die Unsicherheit des Investors vermindern und seine Entscheidungen erleichtern. Nicht zuletzt werden dadurch auch Informationskosten gesenkt.

Der Auftrag der Motion lautet, einen privatwirtschaftlich organisierten und gehaltenen Zukunftsfonds zu initiieren. Die Idee ist demnach nicht, dass sich der Staat in die Organisation und die Finanzierung dieses Fonds einschaltet. Die
Arbeitsgruppe war in ihrer Tätigkeit, in ihren Gesprächen und im Rahmen der Workshops bestrebt, die Vorsorgeeinrichtungen für die Möglichkeiten von Schweizer Venture-Capital zu sensibilisieren. Die Rückmeldungen zeigten, dass dies durchaus gelungen ist. Auf der anderen Seite dürften jedoch auch die Anbieter von Venture-Capital für die Bedürfnisse der Vorsorgeeinrichtungen sensibilisiert worden sein. Das Spitzentreffen unter Federführung zweier Bundesräte hat das gegenseitige Verständnis weiter gefestigt und die privatwirtschaftlichen Aktivitäten gestärkt. Am Workshop im Mai 2017 konnten den Vorsorgeeinrichtungen konkrete Produktvorschläge präsentiert werden. Ausserdem ermöglichen die Gespräche und die Workshops Begegnungen zwischen Anbietern und möglichen Nachfragern von Venture-Capital-Vehikeln. Die Tätigkeit der Arbeitsgruppe hat in gewissen Fällen als Türöffner gewirkt. Neue Produkte wurden und werden in Angriff genommen. In diesem Sinne ist eine Initiierung erfolgt.

28

www.kgast.ch

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Anlagemöglichkeiten für Schweizer Venture-Capital existieren bereits. Es gibt einige Venture-Capital-Einzelfonds, die spezialisiert gewisse Bereiche wie Pharma abdecken und dabei schwergewichtig in der Schweiz und allenfalls im benachbarten Ausland investieren. Für die Pensionskassen existiert zum Beispiel die Anlagestiftung Renaissance KMU, die neben Venture-Capital auch in schweizerische KMU investiert. Auch die IST Anlagestiftungen bietet eine Anlagegruppe im Bereich Private Equity und Venture-Capital an. Im Bereich von übergeordneten und breiter diversifizierten Dachfonds für die Schweiz ist der Markt jedoch weiter ausbaubar.

Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass eine Beschränkung auf die Schweiz aus Sicht des Wirtschaftsstandortes vielleicht wünschenswert ist, ökonomisch betrachtet ist sie jedoch nicht zwingend. Investoren werden sich daran orientieren, wie erfolgversprechend ein Unternehmen ist, und nicht unbedingt daran, wo es sich befindet.

Das Bevorzugen einer Region kann Vorteile bieten, weil man das Umfeld besser einschätzen kann, es kann aber auch Nachteile haben, weil durch die regionale Ausrichtung allenfalls die Diversifikation leidet und die Einschränkung auf einen bestimmten Markt betriebswirtschaftlich nachteilig sein kann.

Die Diskussionen anlässlich der Workshops haben gezeigt, dass die Vorsorgeeinrichtungen das Modell eines zentralen Zukunftsfonds als nicht notwendig erachten oder ihn ablehnen. Die Vorsorgeeinrichtungen begrüssen zwar grundsätzlich jede neue Anlagemöglichkeit. In den Gesprächen haben die Vorsorgeeinrichtungen aber auch immer wieder betont, dass bei Private Equity die Unterkategorie VentureCapital aus Risiko- und Ertragsüberlegungen nicht im Vordergrund steht. Vorsorgeeinrichtungen bevorzugen gemäss ihren Angaben international ausgerichtete und auch über verschiedene Private-Equity-Unterkategorien diversifizierte Vehikel. Eine gezielte Bevorzugung eines konkreten privatwirtschaftlichen Anbieters von VentureCapital-Fonds, z. B. eines Zukunftsfonds, wäre auch aus wettbewerblicher Perspektive für die Vorsorgeeinrichtungen wenig attraktiv. Weiter gilt es, eine Ungleichbehandlung von anderen bestehenden und geeigneten Anbietern zu vermeiden. Allen Anbietern sollen dieselben Chancen offenstehen.

Trotz der vorteilhaften Rahmenbedingungen in der Schweiz wie
einer anerkannt hochstehenden Forschung, einer hohen Zahl von wachstumsstarken Unternehmen im Verhältnis zur Anzahl Einwohner29 und eines wettbewerbsstarken Wirtschaftsstandortes kann eine stärkere Betonung von Investitionen in Venture-Capital in der Schweiz ökonomisch durchaus Sinn ergeben. Mehrere Anbieter arbeiten inzwischen an Projekten, um potenzielle Anlagewünsche zu befriedigen.

7.2

Empfehlungen für die weitere Regulierung der Vorsorgeeinrichtungen

Die aktuelle Regulierung der Vorsorgeeinrichtungen ermöglicht Investitionen in Venture-Capital. Die Vorsorgeeinrichtungen müssen die Sorgfaltsvorschriften einhalten und auf ihre Risikofähigkeit Rücksicht nehmen. Bei der Auswahl ihrer Anla29

390

Ecoplan (2016), Statistische Grundlagen zu Neugründungen und wachstumsstarken Unternehmen. Studie im Auftrag des SECO. Bern, April 2016.

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gen haben sie jedoch eine grosse Gestaltungs- und Handlungsfreiheit. Die Arbeitsgruppe empfiehlt, folgende Punkte weiterzuverfolgen: Ausweis der Fondsverwaltungskosten: Den Vorsorgeeinrichtungen soll in geeigneter Weise die Möglichkeit eröffnet werden, zusätzlich zu den bisherigen Kostenangaben bei Venture-Capital-Investitionen auch die Relation der Kosten im Verhältnis zum zugesagten Kapital standardmässig auszuweisen. Dabei sind Verwechslungen mit den bisherigen Kostenangaben zu vermeiden.

Marktwertbilanzierung: Bei der Bewertung der Investitionen in Venture-Capital existiert bereits heute eine hohe Flexibilität. Wenn keine Marktbewertungen vorhanden sind, kommen Modell oder Schätzungen zur Anwendung. Falls auch dies nicht möglich ist, so kann der Anschaffungswert abzüglich allfälliger erkennbarer Wertberichtigungen benutzt werden. Eine Abkehr von der Marktwertbilanzierung mittels Ausweis eines Buchwertes würde es möglich machen, Verluste zu verschleiern und das Grundprinzip einer realitätsnahen Bewertung zu verletzen. Dies ist abzulehnen.

Vorsorgeeinrichtungen sowie ihre Destinatäre und die Arbeitgeber wollen zeitgerecht darüber informiert sein, wie die aktuelle Entwicklung in den investierten Produkten verläuft. Die Arbeitsgruppe möchte deshalb das Prinzip der Marktbewertung nicht aufweichen.

Informationen über historische und aktuelle Erträge, Positionen, Risiken, Bewertungsmethodik und Kosten von Venture-Capital-Investitionen müssen durch die Anbieter selbst oder deren Branchenverbände besser zugänglich gemacht werden.

Dies erleichtert nicht nur den Selektionsprozess von Anbietern, sondern damit wird mittel- und langfristig auch die relative Attraktivität von Produkten und Anlagekategorien betont. Marktintransparenz in gewissen Investitionsbereichen hingegen führt letztlich dazu, dass andere transparentere Investitionsbereiche mit ähnlichen Renditechancen bevorzugt werden oder eine höhere Rendite verlangt wird. Sind die Zahlen dieser Investitionen vorteilhaft, kann dies gerade in einem Umfeld tiefer Zinsen zu erhöhter Nachfrage führen. Eine freiwillige Initiative der Produktanbieter wäre in diesem Bereich sehr zu begrüssen.

Wahlfreiheit der Versicherten im Überobligatorium: Im überobligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge können mit der Anpassung des Freizügigkeitsgesetzes vom
18. Dezember 201530 den Versicherten verschiedene Anlagestrategien angeboten werden. Die Versicherten können auf diese Weise die Anlagestrategie beeinflussen, sie tragen aber auch die entsprechenden Anlagerisiken. Im Überobligatorium ist die Risikofähigkeit der Versicherten höher, und das Eingehen von Risiken kann bessere Renditechancen generieren. Dies eröffnet Anbietern von diversifizierten VentureCapital-Fonds in Zusammenarbeit mit den überobligatorischen Einrichtungen neue Absatzmöglichkeiten.

Anpassung der Anlagevorschriften in der beruflichen Vorsorge: Wie der Bundesrat bereits in der Antwort auf die Motion Graber festgehalten hat, können Vorsorgeeinrichtungen schon im Rahmen der bestehenden Anlagevorschriften problemlos in den Venture-Capital-Bereich investieren. Dies wurde auch in verschiedenen Gesprächen von den Vorsorgeeinrichtungen festgehalten. Der hauptsächliche limitierende Faktor 30

AS 2017 5019

391

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für die Höhe der risikoträchtigen Anlagen ist die Risikofähigkeit der Vorsorgeeinrichtung. Die Vorsorgeeinrichtungen sind heute bereits stark in den risikoträchtigen Bereich investiert: Ihre Vermögensverteilung liegt bei rund 30 Prozent Aktien, 8,5 Prozent alternative Anlagen inklusive 1,5 Prozent Private Equity, rund 40 Prozent Forderungen und knapp 20 Prozent Immobilien plus gemischte Anlagen. Die Vorsorgeeinrichtungen weisen nicht die Risikofähigkeit für wesentliche Zusatzrisiken auf. Ihr durchschnittlicher Deckungsgrad liegt gemäss Schätzungen des BSV Ende Mai 2018 bei rund 106 Prozent, derjenige der Kassen ohne Staatsgarantie bei rund 110 Prozent. Die Höhe der Wertschwankungsreserven ist bezogen auf das eingegangene Risiko nach wie vor unzureichend. Die Kassen können bloss ihre risikoträchtigen Anlagen zum Beispiel von den Aktien in Private Equity umschichten.

Aufgrund der limitierten Risikofähigkeit ist der Spielraum der Vorsorgeeinrichtungen für zusätzliche Investitionen in Risikokapital/Venture-Capital begrenzt. Der Bundesrat spricht sich deshalb dafür aus, eine gezielte Erleichterung im Bereich Venture-Capital/nichtkotierte Anlagen spezifisch bei lokalen/schweizerischen Investitionen zu gewähren. Hier könnten angesichts einer Bilanzsumme der Vorsorgeeinrichtungen von 824 Milliarden Schweizer Franken Ende 2016 schon kleinere Änderungen bei den Investitionen für diesen relativ kleinen Markt bedeutende Folgen zeitigen. Ein weiterer Vorteil einer solchen limitierten Öffnung wäre, dass wenn nur kleine Änderungen in der Assetallokation vorgenommen würden, diese für die Vorsorgeeinrichtungen risikomässig noch am ehesten tragbar wären. Es muss dabei aber betont werden, dass in jedem Falle der Entscheid für die jeweilige Investition allein bei der Vorsorgeeinrichtung liegt.

Aktuell ist der Bereich der alternativen Anlagen (auch international) eine Sammlung von diversen Anlage-Subkategorien aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Dazu gehören beispielsweise Rohstoffe, Infrastruktur, Hedgefonds, Private Equity und Venture-Capital und in einigen Regionen gar Immobilien. Oft wird beklagt, alternative Anlagen hätten einen schlechten Ruf, sie würden pauschal als intransparent, illiquide, teuer und spekulativ eingestuft. Berechtigten Investitionsmöglichkeiten werde dadurch nicht die nötige Aufmerksamkeit
zuteil. Zwar ist unwahrscheinlich, dass diese Argumentation für einen professionellen Investor zutrifft. Dennoch könnte die Regulierung mit der Einführung einer kleinen Anlagekategorie von beispielsweise 5 Prozent für nichtkotierte schweizerische Anlagen das Augenmerk der Vorsorgeeinrichtungen stärker auf diesen Anlagebereich richten. Der Konnex mit den alternativen Anlagen würde entfallen. Mit einem solchen Schritt würde zudem der Motion Derder 17.428631 und der Motion Beglé 16.341432 ganz respektive teilweise Rechnung getragen. Diese Kategorie wäre gross genug, um eine allfällige Nachfrage nach Risikokapital in der Schweiz vollständig abzudecken (siehe auch Ziff. 2.2), aber auch klein genug, um die Sicherheit der beruflichen Vorsorge nicht zu gefährden. Mit transparenten Produkten im nahen und vertrauten geografischen Rahmen und den entsprechenden Erfahrungen könnte zudem auch die Grundlage dafür gelegt

31 32

392

Mo. Derder 17.4286: Pensionskassen zu Investition in Gesellschaften ermutigen, die nicht in der Schweiz börsenkotiert sind.

Mo. Beglé 16.3414: Investitionen von Pensionskassen in nichtbörsenkotierte Unternehmen erleichtern.

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werden, dass sich die Investoren später generell stärker in diesen Investitionsbereichen engagieren.

Alternative Anlagen Herausgelöst aus den bisherigen alternativen Anlagen

Private Equity Venture Capital

Nichtkotierte schweizerische Anlagen

Infrastruktur gemäss Motion Weibel 15.3905

Hedge Funds

Insurance Linked Securities

Rohstoffe

Alternative Forderungen

7.3

Projekte Schweizer Venture-Capital-Vehikel

Einige Anbieter haben am Spitzentreffen vom 12. Oktober 2016 sowie am zweiten Workshop Produktvorschläge für Investitionen in diversifizierte Schweizer VentureCapital-Vehikel präsentiert. Die Produktvorschläge streben ein Volumen des breit diversifizierten Venture-Capital-Fonds von 200 bis 500 Millionen Franken an. Es wurden am 2. Mai 2017 folgende Produkte präsentiert: Anbieter

Präsentiertes Projekt

Lyrique33

Swiss Fund of Venture Fund

Aravis34 Stiftung pro Zukunftsfonds

Swissfund Schweiz35

Partners Group36

33 34 35 36

Zukunftsfonds Private markets fund for Swiss pension fund

www.lyrique.com/en www.aravis.ch www.zukunftsfonds.ch www.partnersgroup.com/de

393

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Am Workshop eingeladen war auch ein Vertreter der Firma Adveq37, die in Zusammenarbeit mit der IST Anlagestiftung ein Privat Equity Produkt mit 20 Prozent Allokation in die Schweiz lanciert hat38. Sie setzt damit die Motion Graber bereits um.

An der Panel-Diskussion hat ein Vertreter der Anlagestiftung Renaissance39 teilgenommen, die seit vielen Jahren Investitionen von Pensionskassen in schweizerische KMU ermöglicht.

7.4

Regulierung der Versicherungseinrichtungen: keine Änderungen vorgesehen

Die Regeln des gebundenen Vermögens sind nicht der primär einschränkende Faktor für Investitionen von Lebensversicherern in Private Equity. Der SST hingegen kann limitierend wirken, wenn die Risikofähigkeit eines Lebensversicherers eingeschränkt ist. Wenn ein Lebensversicherer seine Investitionen in Private Equity erhöht, steigt sein Zielkapital. Wenn er kein überschüssiges Kapital besitzt, um dieses zusätzliche Risiko zu tragen und um das zusätzliche Zielkapital zu decken, wirkt dies limitierend. Diese sich am Risiko orientierende Einschränkung wirkt deshalb viel stärker als die überschreitbaren Limiten im Bereich der Vorsorgeeinrichtungen, weil die von einem Lebensversicherer versprochenen Leistungen und finanziellen Verpflichtungen jederzeit durch Aktiva vollständig gedeckt sein müssen, während Vorsorgeeinrichtungen vorübergehend in Unterdeckung fallen und damit eine Unterbilanz aufweisen dürfen. Einige Lebensversicherer könnten sich zwar vorstellen, mehr Mittel in Private Equity zu investieren, die Risikomessung von Private Equity im SST basiert aber auf den historischen Schwankungen dieser Anlagekategorie der letzten zehn Jahren und scheint damit objektiv fundiert zu sein.

Deswegen und um eine komparative Benachteiligung anderer Anlagekategorien zu vermeiden, wäre es nicht opportun, ausschliesslich die Risikomessung von Private Equity im SST abzuschwächen. Dies würde zu Fehlanreizen und Fehlallokationen führen. Die Anforderungen punktuell für Private Equity im SST zu reduzieren, würde deshalb andere Anlagen benachteiligen. Wenn generelle Änderungen an den Regularien zum SST durchgeführt würden, wären eine Vielzahl von Aspekten zu berücksichtigen, wie primär das in der Schweiz anzustrebende Schutzniveau der Versicherungskunden und der weiteren Fremdkapitalgeber der Versicherungsgesellschaften, aber auch die Systemstabilität, der Vergleich mit der EU, das Einhalten internationaler Versicherungsstandards und die Auswirkungen auf die angebotenen Produkte und die Portefeuillezusammensetzung.

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www.schroderadveq.com/ Adveq wurde mittlerweile mit Schroders fusioniert.

IST 3 Private Equity; www.istfunds.ch.

www.renaissance.net

BBl 2019

7.5

Steuerliche Verlustverrechnung

Die Frage der steuerlichen Verlustverrechnung ist für Investoren und Anbieter von Venture-Capital bedeutsam. Der Bundesrat ist bereit, die Frage einer zeitlich unbeschränkten Verlustverrechnung für alle Unternehmen in Verbindung mit einer Mindestbesteuerung erneut zu prüfen.

7.6

Weiteres Vorgehen

Gemäss der Motion Graber soll ein konkretes Produkt, der Zukunftsfonds, privatwirtschaftlich organisiert und gehalten werden. Mittlerweile wurden mehrere Produkte vorgestellt und ein Produkt im Rahmen der IST Anlagestiftung neu realisiert.

Das Ziel der Motion, die Initiierung von Investitionsmöglichkeiten, ist demnach erfüllt. Die Organisation und die (teilweise) Finanzierung eines Produktes durch den Staat waren nicht Bestandteil der Motion und wurden entsprechend nicht geprüft.

Weitergehende Abklärungen sind im Rahmen des Postulats Derder 13.4237 vorgenommen worden.

Der Bundesrat erteilt dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) den Auftrag, nach Verabschiedung dieses Berichtes die Einführung einer Limite von ca.

5 Prozent für nichtkotierte schweizerische Anlagen in angemessener Frist und in Diskussion mit den Vertretern des Vorsorgebereichs zu prüfen. Zudem wird das EDI beauftragt, den Vorsorgeeinrichtungen in geeigneter Weise die Möglichkeit zu eröffnen, zusätzlich zu den bisherigen Kostenangaben bei Venture-Capital-Investitionen auch die Relation der Kosten im Verhältnis zum zugesagten Kapital standardmässig auszuweisen. Dabei sind Verwechslungen mit den bisherigen Kostenangaben zu vermeiden.

Ausserdem hält der Bundesrat fest, dass weitere Anstrengungen für eine höhere Produktetransparenz sinnvoll sind. Er sieht hier insbesondere die Produktanbieter und deren Verbände im Hinblick auf eine mögliche Selbstregulierung in der Pflicht.

In Verbindung mit einer Mindestbesteuerung wird die zeitlich unbeschränkte Verlustverrechnung zusammen mit anderen Massnahmen vom EFD erneut geprüft. Der Zeitplan hängt dabei massgebend von den Entwicklungen beim Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF; vormals Steuervorlage 17)40 ab.

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Anträge des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt mit vorliegendem Bericht aus den genannten Gründen die Abschreibung der Motion.

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BBl 2018 6031

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BBl 2019

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