zu 19.400 Parlamentarische Initiative Mehr Transparenz in der Politikfinanzierung Bericht der Staatspolitischen Kommission des Ständerates vom 24. Oktober 2019 Stellungnahme des Bundesrates vom 27. November 2019

Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Staatspolitischen Kommission des Ständerates vom 24. Oktober 20191 betreffend die parlamentarische Initiative «Mehr Transparenz in der Politikfinanzierung» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

27. November 2019

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die eidgenössische Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)» wurde am 10. Oktober 2017 eingereicht und am 31. Oktober 20172 von der Bundeskanzlei für zustande gekommen erklärt. Die Initiative verlangt, dass der Bund gesetzliche Massnahmen trifft, die zur Offenlegung der Finanzierung von politischen Parteien sowie von Kampagnen im Hinblick auf Wahlen in die Bundesversammlung und auf eidgenössische Abstimmungen verpflichten.

In seiner Botschaft vom 29. August 20183 beantragt der Bundesrat den eidgenössischen Räten, die Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung» Volk und Ständen ohne direkten Gegenentwurf oder indirekten Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen.

Am 21. Januar 2019 beschloss die Staatspolitische Kommission des Ständerates (SPK-S) jedoch, der Volksinitiative einen indirekten Gegenvorschlag in Form einer Kommissionsinitiative (19.400 pa. Iv. SPK-S «Mehr Transparenz in der Politikfinanzierung») gegenüberzustellen. Ebenfalls am 21. Januar 2019 beschloss die SPKS, der parlamentarischen Initiative von Ständerat Jean-René Fournier (18.423 pa. Iv.

«Keine fremden Eingriffe in die Schweizer Politik!») Folge zu geben. Diese parlamentarische Initiative fordert, die Finanzierung von Unterschriftensammlungen für Referenden und Initiativen sowie die Finanzierung von Abstimmungskampagnen mit Mitteln aus dem Ausland zu verbieten. Am 22. Februar 2019 stimmte die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) der Kommissionsinitiative der SPK-S zu und lehnte die parlamentarische Initiative Fournier ab.

Am 29. April 2019 nahm die SPK-S einen Vorentwurf für ein Gesetz (einschliesslich eines Verbots der Annahme von Zuwendungen aus dem Ausland) samt erläuterndem Bericht an. Das Vernehmlassungsverfahren dauerte vom 7. Mai bis zum 28. August 2019.4 Die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens zeigen, dass eine Mehrheit der zur Vernehmlassung eingeladenen Kreise, darunter 14 Kantone und 5 politische Parteien, mehr Transparenz in der Politikfinanzierung wünscht.

Am 24. Oktober 2019 nahm die SPK-S die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Kenntnis und verabschiedete den überarbeiteten Erlassentwurf sowie den Bericht mit 8 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen zuhanden des Ständerates. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2019 lud sie den Bundesrat
zur Stellungnahme ein.

Die Initiative der SPK-S sieht vor, die neuen Bestimmungen in das Bundesgesetz vom 17. Dezember 19765 über die politischen Rechte (BPR) einzufügen. Eine 2 3 4

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BBl 2017 6893 BBl 2018 5623 Die Vernehmlassungsunterlagen und die Ergebnisse der Vernehmlassung sind abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2019 > PK.

SR 161.1

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Minderheit der Kommission spricht sich gegen Eintreten auf den indirekten Gegenvorschlag aus.

Gemäss Gesetzesentwurf müssen die in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien ihre Einnahmen sowie Zuwendungen im Wert von mehr als 25 000 Franken pro Zuwenderin oder Zuwender und Jahr offenlegen. Bei Abstimmungsund Wahlkampagnen sowie bei Unterschriftensammlungen für Volksinitiativen oder Referenden sind, wenn dafür mehr als 250 000 Franken aufgewendet werden, die budgetierten Einnahmen6 und die Schlussrechnung über die Einnahmen sowie Zuwendungen von mehr als 25 000 Franken pro Zuwenderin oder Zuwender und Kampagne offenzulegen. Eine Kommissionsminderheit beantragt Schwellenwerte von 100 000 Franken anstatt 250 000 Franken und von 10 000 Franken anstatt 25 000 Franken. Kontrolliert und veröffentlicht werden die eingereichten Angaben und Dokumente gemäss Entwurf von einer durch den Bundesrat zu bezeichnenden Stelle. Die Kontrolle beschränkt sich auf die Prüfung, ob die Angaben und Dokumente vollständig sind und fristgerecht eingereicht wurden. Die Annahme von anonymen Zuwendungen und von Zuwendungen aus dem Ausland ist gemäss Vorlage verboten. Eine Kommissionsminderheit ist gegen das Verbot zur Annahme von Zuwendungen aus dem Ausland. Bei Verstoss gegen die Vorschriften droht eine Busse von bis zu 40 000 Franken. Eine Minderheit der Kommission ist der Ansicht, dass für fahrlässiges Handeln keine Bussen vorgesehen werden sollen.

Der Gesetzesentwurf orientiert sich am Wortlaut der Transparenz-Initiative, weicht aber in einigen Punkten davon ab und sieht bei einer Gesamtbetrachtung weniger weitgehende Offenlegungspflichten vor. Insbesondere enthält er im Vergleich zur Volksinitiative höhere Schwellenwerte für die Offenlegungspflichten bei Wahl- und Abstimmungskampagnen7 und bei Zuwendungen8. Weiter wird im Gesetzesentwurf ein Verbot zur Annahme von Zuwendungen aus dem Ausland statuiert.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der klare Entscheid der SPK-S für den indirekten Gegenvorschlag sowie die mehrheitlich befürwortenden Stellungnahmen im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens weisen darauf hin, dass ein Bedürfnis nach mehr Transparenz besteht. Die Entwicklungen auf kantonaler Ebene deuten ebenfalls auf einen Mentalitätswechsel hin. Der Bundesrat verschliesst sich deshalb einer nationalen Regelung im Bereich der Transparenz nicht, wenn dies dem mehrheitlichen Wunsch der politischen Parteien entspricht.

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Bei Referenden wird auf eine Pflicht zur Einreichung der budgetierten Einnahmen verzichtet.

Gemäss Volksinitiative gelangen die Offenlegungspflichten bei Wahl- und Abstimmungskampagnen zur Anwendung, wenn dafür Aufwendungen von mehr als 100 000 Franken getätigt werden. Der Gesetzesentwurf setzt den Schwellenwert höher an und sieht einen Grenzwert von 250 000 Franken vor.

Gemäss Volksinitiative sind Zuwendungen an politische Parteien oder zugunsten von Wahl- und Abstimmungskampagnen bei einem Wert von mehr als 10 000 Franken offenzulegen. Der Gesetzesentwurf setzt den Schwellenwert höher an und sieht einen Grenzwert von 25 000 Franken vor.

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Der Bundesrat stellt fest, dass der indirekte Gegenvorschlag im Vergleich zur Volksinitiative ausgewogener wäre und konkrete Antworten auf Fragen liefern würde, die von der Transparenz-Initiative offengelassen werden. Der Erlassentwurf sieht eine weniger weitgehende Offenlegungspflicht vor, namentlich was die Höhe der Schwellenwerte anbelangt. Ausserdem sind die zur Offenlegung verpflichteten natürlichen und juristischen Personen klarer definiert. Der indirekte Gegenvorschlag regelt ausschliesslich die Nationalratswahlen, sodass die Regelung der Ständeratswahlen in der Kompetenz der Kantone verbleibt. Er verhindert damit Schwierigkeiten bei der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen und nimmt eine klare Abgrenzung der Kompetenzen vor. Mit dem Vorbehalt der kantonalen Gesetzgebung (Art. 76k E-BPR) stellt er zudem klar, dass es den Kantonen freigestellt ist, weitergehende Vorschriften über die Offenlegung der Finanzierung von kantonalen politischen Akteurinnen und Akteuren bei der Ausübung der politischen Rechte auf Bundesebene vorzusehen. Kantonales Recht, das bereits solche Bestimmungen vorsieht, würde dementsprechend gültig bleiben. Schliesslich hält der Bundesrat fest, dass, ohne dies den Initiantinnen und Initianten vorwerfen zu können, eine Regelung auf Gesetzesstufe den nötigen Handlungsspielraum für allfällige künftige Änderungen böte, was bei der Schaffung einer neuen Verfassungsgrundlage weniger gut möglich wäre.

Wichtige Probleme bleiben jedoch bestehen. Insofern bleiben die in der Botschaft des Bundesrates geäusserten Vorbehalte relevant.

Der Bundesrat sieht unter anderem Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Gesetzes. Der Gegenvorschlag hätte sowohl für den Staat als auch für die betroffenen Parteien und Akteure einen hohen administrativen und finanziellen Zusatzaufwand zur Folge. Dies gilt insbesondere für die Phase vor einer Abstimmung oder einer Wahl. Ob die eingesetzten Mittel für eine Kampagne den Schwellenwert von 250 000 Franken tatsächlich überschritten haben, und die politischen Akteure demnach der Offenlegungspflicht unterstellt gewesen wären, dürfte zudem vor allem bei Wahlen oft erst nachträglich festgestellt werden können. Fraglich bleibt auch, wie man effektiv verhindern kann, dass beispielsweise durch die Stückelung von Spenden oder durch das Zwischenschalten
von Drittpersonen die Offenlegungspflicht bei Zuwendungen umgangen wird. Angesichts dieser Ungewissheiten können die Erwartungen an die zu erreichende Transparenz nicht allzu hoch sein. Auch könnten mögliche oder vermeintliche Unregelmässigkeiten zu einer Anfechtung des Wahlergebnisses führen.

Nach Ansicht des Bundesrates sind am Erlassentwurf zudem einige Änderungen vorzunehmen, um ihn ausgewogener zu gestalten und dessen Umsetzung zu vereinfachen: Art. 76c Sachüberschrift sowie Abs. 1, 2 Bst. b und c und 3 Der Erlassentwurf sieht eine Offenlegungspflicht bei Unterschriftensammlungen für Volksinitiativen und Referenden vor. Der Bundesrat beantragt, diese Pflicht zu streichen. Er stellt diesbezüglich fest, dass die Unterschriftensammlung in zeitlicher Hinsicht der Abstimmung vorangeht und keinen Einfluss auf die geplante Rechtsänderung hat. Der Entscheid über die Rechtsänderung erfolgt erst im Zeitpunkt der Abstimmung. Das öffentliche Interesse an der Schaffung von mehr Transparenz bei 8210

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der Unterschriftensammlung ist deshalb weniger gross. Ausserdem ist im Zeitpunkt der Sammlung von Unterschriften noch nicht klar, ob die Initiative oder das Referendum überhaupt zustande kommt. Auch ist zu bedenken, dass sich bei Unterschriftensammlungen, namentlich für Referenden, mitunter auch unerfahrene Ad-hocGruppierungen mit einem geringen Organisationsgrad mobilisieren, die gemäss Erlassentwurf ihre Finanzierung offenlegen müssten. Die Offenlegungspflicht bei Unterschriftensammlungen würde folglich zu einer unverhältnismässigen Belastung führen, die sich negativ auf die Ausübung der Volksrechte auswirken könnte.

Schliesslich könnten sich Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben, namentlich bei der Unterschriftensammlung für ein Referendum. So könnte es sich als schwierig erweisen, zwischen der Phase der Unterschriftensammlung und der eigentlichen Abstimmungskampagne zu unterscheiden.

Art. 76h Sachüberschrift sowie Abs. 1, 2 und 4 Der Bundesrat beantragt, das Verbot zur Annahme von Zuwendungen aus dem Ausland zu streichen, und unterstützt demnach den Antrag der Kommissionsminderheit (Caroni). Das Risiko, dass die Funktionsfähigkeit unserer direkten Demokratie infolge ausländischer Finanzierung beeinträchtigt wird, ist nach Ansicht des Bundesrates gering. Ein solches Verbot würde überdies die Umsetzung des Gesetzes zusätzlich erschweren und könnte leicht umgangen werden, wie der Bundesrat in seiner Stellungnahme zur Interpellation 18.3577 Regazzi («Ausländische Finanzierung von Unterschriftensammlungen für Referenden und Volksinitiativen. Eine Gefahr für unsere direkte Demokratie?») festgehalten hat. Tatsächlich würde es genügen, dass eine ausländische Privatperson Zuwendungen an eine Privatperson in der Schweiz machen würde, welche diese Zuwendungen anschliessend für die finanzielle Unterstützung einer Wahl- oder Abstimmungskampagne verwenden würde. Schliesslich betont der Bundesrat, dass sich das Ziel der Gesetzesvorlage auf die Schaffung von mehr Transparenz beschränken sollte, ohne die Frage der Herkunft des Geldes zu regeln und vor allem ohne ein Verbot vorzusehen, das kaum praktikabel und leicht zu umgehen wäre. So hat auch die SPK-N die parlamentarische Initiative Fournier (18.423), die ein Verbot zur Annahme von Spenden aus dem Ausland forderte, abgelehnt, obwohl sie sich für Regeln im
Bereich der Transparenz ausgesprochen hat.

Art. 76j Abs. 2 Der Bundesrat unterstützt den Antrag der Kommissionsminderheit (Caroni, Bischof, Engler, Hegglin, Minder), weil er der Ansicht ist, dass für fahrlässiges Handeln keine Bussen vorgesehen werden sollten. In der Praxis wäre Fahrlässigkeit denn auch nur schwer nachweisbar. Ausserdem gibt es in der Schweiz, anders als in anderen Staaten Europas, neben den Parteien noch weitere politische Akteurinnen und Akteure. Insbesondere bei Abstimmungskampagnen mobilisieren sich auch wenig strukturierte Gruppierungen, die fahrlässig gegen die Vorschriften verstossen könnten. Eine Bestrafung in solchen Fällen wäre nicht sinnvoll. Auch ist fraglich, ob eine Strafbarkeit bei Fahrlässigkeit überhaupt mit dem Milizsystem vereinbar ist. Es wäre unverhältnismässig, politische Akteurinnen und Akteure in einer solchen Konstellation zu bestrafen.

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Antrag des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt Eintreten auf die Vorlage der SPK-S. Er schlägt vor, den Entwurf mit folgenden Änderungen zu genehmigen: Art. 76c Sachüberschrift sowie Abs. 1, 2 Bst. b und c, und 3 Offenlegungspflicht bei Wahl- und Abstimmungskampagnen Natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften, die im Hinblick auf eine Wahl in den Nationalrat oder auf eine eidgenössische Abstimmung eine Kampagne führen, haben ihre Finanzierung offenzulegen, wenn sie mehr als 250 000 Franken aufwenden.

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Sie erfüllen diese Pflicht, indem sie der zuständigen Stelle Folgendes offenlegen: b.

Zuwendungen, die in den letzten 12 Monaten vor dem Abstimmungs- oder Wahltermin erfolgten und den Wert von 25 000 Franken pro Zuwenderin oder Zuwender und Kampagne überschreiten.

c.

Streichen

Führen mehrere Personen oder Personengesellschaften zusammen eine gemeinsame Kampagne, so müssen sie ihre budgetierten Einnahmen und die Schlussrechnung über ihre Einnahmen gemeinsam einreichen. Die ihnen gewährten Zuwendungen und ihre Aufwendungen sind zusammenzurechnen. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten.

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Art. 76d Abs. 1 Bst. c und d, und 2 1

Einzureichen sind: c.

Streichen

d.

Streichen

Zwischen dem Ende der Einreichungsfrist für die budgetierten Einnahmen und dem Wahl- oder Abstimmungstermin sind Zuwendungen nach Artikel 76c Absatz 2 Buchstabe b der zuständigen Stelle unverzüglich zu melden.

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Art. 76f Abs. 2 Bst. b 2

Veröffentlicht werden: b.

die Angaben nach Artikel 76d Absatz 1 Buchstabe b spätestens 15 Tage nach deren Eingang bei der zuständigen Stelle.

Art. 76h Sachüberschrift sowie Abs. 1, 2 und 4 Der Bundesrat unterstützt den Minderheitsantrag (Caroni).

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Art. 76j Abs. 1 Bst. b Der Bundesrat unterstützt den Minderheitsantrag (Caroni).

Art. 76j Abs. 2 Der Bundesrat unterstützt den Minderheitsantrag (Caroni, Bischof, Engler, Hegglin, Minder).

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