19.052 Botschaft zur Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Irland vom 20. September 2019

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Irland.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

20. September 2019

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2019-2049

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Übersicht Weil die Bekämpfung der ungerechtfertigten Steuervermeidung multinationaler Unternehmen zu einem zentralen Anliegen der internationalen Staatengemeinschaft geworden ist, leitete die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zusammen mit den G20-Staaten im Jahr 2013 ein Projekt zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und -verlagerung ein (Base Erosion and Profit Shifting; BEPS). Das Projekt mündete im Jahr 2015 in die Veröffentlichung mehrerer Berichte.

Gewisse dieser Berichte enthalten Bestimmungen zur Anpassung der bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), darunter auch solche zur Umsetzung der Mindeststandards gegen Abkommensmissbrauch und zur Verbesserung der Streitbeilegung. Mit dem Ziel, diese Anpassungen rasch und kosteneffizient umzusetzen, hat eine Gruppe von über 100 Staaten und Gebieten ­ darunter die Schweiz ­ ein multilaterales Instrument (BEPS-Übereinkommen) erarbeitet. Am 7. Juni 2017 haben knapp 70 Staaten und Gebiete ­ darunter die Schweiz ­ das BEPS-Übereinkommen unterzeichnet.

Die Gespräche, die die Schweiz mit Irland über die konkreten Auswirkungen des BEPS-Übereinkommens auf das DBA zwischen den beiden Staaten (DBA-IE) geführt hat, haben offenbart, dass sie nicht in der Lage sind, sich auf den genauen Wortlaut zu einigen, wie die Bestimmungen des DBA-IE durch das BEPS-Übereinkommen angepasst werden. Aus diesem Grund wurde beschlossen, die Anpassung des DBAIE an die abkommensbezogenen Resultate des BEPS-Projekts nicht über das BEPSÜbereinkommen, sondern über ein bilaterales Protokoll zur Änderung des DBA-IE vorzunehmen.

Dieses Änderungsprotokoll wurde am 13. Juni 2019 unterzeichnet. Die Kantone und die interessierten Kreise aus der Wirtschaft haben den Abschluss des Änderungsprotokolls begrüsst.

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Zwischen der Schweiz und Irland besteht ein Abkommen vom 8. November 19661 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-IE). Das Abkommen wurde seither mehrmals revidiert.

Am 7. Juni 2017 hat die Schweiz das multilaterale Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Massnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS-Übereinkommen, auch als MLI bezeichnet)2 unterzeichnet. Das BEPS-Übereinkommen enthält eine Reihe von Bestimmungen zur Anpassung bestehender Doppelbesteuerungsabkommen. Ein Teil dieser Bestimmungen dient der Erfüllung der in den BEPS-Massnahmen 6 und 14 gesetzten Mindeststandards.

Im Hinblick auf die Unterzeichnung des BEPS-Übereinkommens haben die Schweiz und Irland die bilaterale Umsetzung des Übereinkommens besprochen. Irland sah sich nicht in der Lage, sich mit der Schweiz auf den genauen Wortlaut zu einigen, wie die Bestimmungen des DBA-IE durch das BEPS-Übereinkommen angepasst werden. Da dies eine Voraussetzung zur Anwendung des BEPS-Übereinkommens für die Schweiz ist, wurde beschlossen, die Anpassung des DBA-IE an die Resultate des BEPS-Projekts nicht über das BEPS-Übereinkommen, sondern über ein bilaterales Prototoll zur Änderung des DBA-IE vorzunehmen.

Die Verhandlungen über dieses Änderungsprotokoll (Änderungsprotokoll zum DBA-IE) konnten im August 2017 abgeschlossen werden. Die Kantone und die interessierten Wirtschaftsverbände wurden im November 2017 über dessen Abschluss konsultiert und haben diesen begrüsst. Das Änderungsprotokoll zum DBA-IE wurde am 13. Juni 2019 unterzeichnet.

1.2

Würdigung

Das Änderungsprotokoll zum DBA-IE enthält fast ausschliesslich Bestimmungen, die in das DBA-IE eingeflossen wären, hätten die Schweiz und Irland das DBA-IE dem BEPS-Übereinkommen unterstellt. Zwischen dem Änderungsprotokoll und dem BEPS-Übereinkommen besteht somit ein inhaltlicher Zusammenhang. Darüber hinaus gibt es zwischen diesen beiden Instrumenten keine unmittelbaren Verbindungen.

1 2

SR 0.672.944.11 BBl 2018 5447

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Mit dem Änderungsprotokoll zum DBA-IE wird dieses die im Rahmen des BEPSProjekts gesetzten Mindeststandards in Bezug auf Doppelbesteuerungsabkommen erfüllen. Die Schweiz als Mitgliedstaat der OECD hat sich verpflichtet, jene DBAbezogenen Bestimmungen, die Teil eines BEPS-Mindeststandards sind, in ihre Doppelbesteuerungsabkommen zu übernehmen. Mit dem Änderungsprotokoll zum DBA-IE erfolgt ein weiterer Schritt in diese Richtung.

Die im Änderungsprotokoll zum DBA-IE vorgesehene Schiedsklausel entspricht der schweizerischen Abkommenspolitik im Bereich der Doppelbesteuerungsabkommen.

Der geltende Streitschlichtungsmechanismus im DBA-IE enthält keine Erfolgspflicht. Es ist also zurzeit nicht ausgeschlossen, dass es in einzelnen Fällen nicht gelingt, eine Doppelbesteuerung im Rahmen eines Verständigungsverfahrens zwischen den zuständigen Behörden der Schweiz und Irlands zu vermeiden. Diese Situation ist hinsichtlich der Rechtssicherheit unbefriedigend. Mit der Schiedsklausel wird dieser Mangel behoben.

2

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen des Änderungsprotokolls

Art. I Mit diesem Artikel wird die bestehende Präambel zum DBA-IE mit zwei zusätzlichen Bestimmungen ergänzt. Die beiden Bestimmungen wurden im Rahmen der BEPS-Massnahme 6 erarbeitet und sind im BEPS-Übereinkommen in Artikel 6 enthalten.

Die erste zusätzliche Bestimmung (entspricht Art. 6 Abs. 3 des BEPS-Übereinkommens) fügt ein weiteres Motiv für den Abschluss des DBA-IE hinzu: die Weiterentwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen und die Vertiefung der Zusammenarbeit in Steuersachen.

Mit der zweiten neuen Bestimmung (entspricht Art. 6 Abs. 1 des BEPS-Übereinkommens) wird klargestellt, dass die Schweiz und Irland nicht die Absicht haben, durch das Doppelbesteuerungsabkommen Möglichkeiten zur Nichtbesteuerung oder reduzierten Besteuerung durch Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung zu schaffen. Vereinfacht ausgedrückt: Die Vermeidung von sogenannt doppelter Nichtbesteuerung soll auch Zweck des DBA-IE sein. Dies gilt aber nicht generell, sondern nur dann, wenn Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung Ursache dafür sind.

Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es Situationen von gewollter doppelter Nichtbesteuerung gibt. Dazu zählt beispielsweise die Besteuerung von Dividenden an Gesellschaften des gleichen Konzerns. Doppelte Nichtbesteuerung verhindert in solchen Situationen ungewollte wirtschaftliche Mehrfachbelastungen.

Die erste zusätzliche Bestimmung stellt keinen BEPS-Mindeststandard dar. Die Aufnahme der zweiten zusätzlichen Bestimmung ist hingegen notwendig, um den im Rahmen der BEPS-Massnahme 6 gesetzten Mindeststandard zu erfüllen.

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Art. II und III Mit diesen beiden Artikeln werden Bestimmungen über die zeitliche Beschränkung zur Vornahme von Gewinnaufrechnungen bei Betriebsstätten (Art. II) und bei verbundenen Unternehmen (Art. III) in das DBA-IE aufgenommen. Damit werden in Zukunft Gewinnaufrechnungen durch die Steuerbehörden im schweizerisch-irischen Verhältnis nur während einer Periode von fünf Jahren ab der betreffenden Steuerperiode erlaubt sein. Wird ein Rechtsmittel gegen eine Gewinnaufrechnung ergriffen und kommt es dadurch zu Verzögerungen, so hat dies keinen Einfluss auf die Berechnung der Einhaltung der Frist. Liegt ein Fall von Betrug, grober Fahrlässigkeit oder vorsätzlicher Unterlassung vor, so kann die Gewinnaufrechnung auch noch nach Ablauf dieser Frist erfolgen. In solchen Fällen gelten die Fristen nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht.

Diese Bestimmungen sind im BEPS-Übereinkommen nicht enthalten. Grund für deren Aufnahme in das DBA-IE bildet Element 3.3 des Mindeststandards zur BEPSMassnahme 143. Dieses Element verlangt die Aufnahme des zweiten Satzes von Artikel 25 Absatz 2 des OECD-Musterabkommens4 in die Doppelbesteuerungsabkommen. Gemäss jener Bestimmung sind Verständigungslösungen ungeachtet der Fristen des innerstaatlichen Rechts umzusetzen. Ist ein Staat nicht bereit, jene Bestimmung zu vereinbaren, so muss er, damit der Mindeststandard erfüllt ist, im Rahmen von DBA-Verhandlungen zur Aufnahme von Bestimmungen bereit sein, die die Frist für die Vornahme von Gewinnaufrechnungen bei Betriebsstätten und bei verbundenen Unternehmen zeitlich beschränken.

Die Schweiz vereinbart den zweiten Satz von Artikel 25 Absatz 2 des OECD-Musterabkommens üblicherweise nicht in ihren DBA. Infolgedessen hat die Schweizer Verhandlungsdelegation anlässlich der Verhandlungen, die zum Änderungsprotokoll zum DBA-IE geführt haben, der irischen Verhandlungsdelegation die Aufnahme von Bestimmungen über die zeitliche Beschränkung zur Vornahme von Gewinnaufrechnungen bei Betriebsstätten und verbundenen Unternehmen vorgeschlagen. Die irische Seite war nicht nur mit diesem Vorschlag, sondern auch mit dem Vorschlag zur konkreten Dauer dieser Frist von je fünf Jahren für Gewinne von Betriebsstätten und von verbundenen Unternehmen einverstanden.

Art. IV Dieser Artikel ergänzt die Bestimmung, die die Art der Vermeidung der
Doppelbesteuerung durch den Ansässigkeitsstaat festlegt, durch eine Bestimmung, die die Nichtbesteuerung oder reduzierte Besteuerung in Fällen von Qualifikationskonflikten vermeiden soll.

Sie führt dazu, dass die Schweiz als Ansässigkeitsstaat eines Empfängers von Einkünften aus Irland, die gemäss DBA-IE in Irland besteuert werden dürfen, diese Einkünfte dann nicht von der Besteuerung ausnehmen muss, wenn Irland keine ­ oder 3

4

OCDE (2016), Accroître l'efficacité des mécanismes de règlement des différends, Action 14 ­ Rapport final 2015, Projet OCDE/G20 sur l'érosion de la base d'imposition et le transfert de bénéfices, Éditions OCDE, Paris.

OCDE (2018), Modèle de convention fiscale concernant le revenu et la fortune: Version abrégée 2017, Éditions OCDE, Paris.

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bei Dividenden eine bloss reduzierte ­ Besteuerung der Einkünfte vornimmt, weil Irland der Auffassung ist, es sei durch das DBA-IE zur Befreiung oder zu einer reduzierten Besteuerung verpflichtet. Ein Beispiel dafür wäre, dass Irland als Quellenstaat ein Einkommen einer in der Schweiz ansässigen Person als Kapitalgewinn behandelt, während die Schweiz als Ansässigkeitsstaat von einem Einkommen aus in Irland ausgeübter unselbstständiger Erwerbstätigkeit ausgeht. Ohne die neue Bestimmung würde die Schweiz das Einkommen von der Besteuerung ausnehmen, obwohl Irland aufgrund seiner steuerlichen Qualifikation des Einkommens das Besteuerungsrecht ausschliesslich in der Schweiz sieht (Art. 12 Abs. 4 DBA-IE) und deshalb nicht besteuert. Nach der neuen Bestimmung ist die Schweiz dagegen nicht mehr zur Freistellung verpflichtet (Art. 22 Abs. 1 Bst. b DBA-IE), sondern kann das Einkommen als Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit besteuern.

Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine Bestimmung zur Verhinderung von ungewollter doppelter Nichtbesteuerung infolge unterschiedlicher Auffassungen zwischen der Schweiz und Irland bezüglich Sachverhalt oder Auslegung von Begriffen des DBA-IE. Die Bestimmung ist im OECD-Musterabkommen (Art. 23a Abs. 4) und im BEPS-Übereinkommen (Art. 5 Abs. 2) enthalten. Sie ist nicht Teil eines Mindeststandards.

Art. V Zum einen sieht dieser Artikel eine Anpassung der bestehenden Bestimmung von Artikel 25 Absatz 1 des DBA-IE vor. Diese Bestimmung regelt die Ersuchen für ein Verständigungsverfahren. Insbesondere geht es um die Frage, bei welcher der beiden zuständigen Behörden die Einleitung eines Verständigungsverfahrens zu beantragen ist.

Unter der geltenden Bestimmung muss sich eine Person, wenn sie der Auffassung ist, dass Massnahmen eines Vertragsstaats oder beider Vertragsstaaten für sie zu einer Besteuerung führen oder führen werden, die dem DBA-IE nicht entspricht, an die zuständige Behörde des Vertragsstaats wenden, in dem sie ansässig ist.

Mit der Anpassung von Artikel 25 Absatz 1 des DBA-IE wird eine Person bei der Wahl der zuständigen Behörde für die Einleitung eines Verständigungsverfahrens nicht mehr eingeschränkt. Vielmehr kann sie sich in Zukunft immer an die zuständige Behörden beider Vertragsstaaten oder die zuständige Behörde des Vertragsstaats ihrer
Wahl wenden.

Hintergrund für die Anpassung dieser Bestimmung bildet Element 3.1 des Mindeststandards zur BEPS-Massnahme 14. Gemäss diesem Element sollen die zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten über die Einleitung eines Ersuchens um ein Verständigungsverfahren informiert werden. Beide zuständigen Behörden sollen je für sich darüber befinden können, ob dem Ersuchen stattgegeben werden soll oder es stattdessen abzuweisen ist.

Zum anderen wird mit Artikel V des Änderungsprotokolls zum DBA-IE Artikel 25 Absatz 1 des DBA-IE mit einer Verjährungsfrist von drei Jahren ergänzt, innert welcher die steuerpflichtige Person den zuständigen Behörden das Gesuch um Einleitung eines Verständigungsverfahrens zu unterbreiten hat.

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Mit der durch das Änderungsprotokoll zum DBA-IE herbeigeführten Anpassung und Ergänzung wird Artikel 25 Absatz 1 des DBA-IE inhaltlich mit den entsprechenden Bestimmungen im BEPS-Übereinkommen (Art. 16 Abs. 1) und im OECD-Musterabkommen (Art. 25 Abs. 1) übereinstimmen.

Art. VI Dieser Artikel sieht die Aufnahme einer Schiedsklausel (Art. 25A) in das DBA-IE vor. Deren Ausgestaltung stimmt im Wesentlichen mit der in Teil VI des BEPSÜbereinkommens enthaltenen Schiedsklausel überein. Die Schiedsklausel im BEPSÜbereinkommen legt das Schiedsverfahren im Vergleich zur entsprechenden Bestimmung im OECD-Musterabkommen erheblich detaillierter fest. Abgesehen davon bestehen keine Unterschiede. Die Schiedsklausel ist nicht Teil eines Mindeststandards.

Das in der Schiedsklausel enthaltene Verfahren ist für die zuständigen Behörden obligatorisch: Gelingt es ihnen im Rahmen eines Verständigungsverfahren nicht, innerhalb von drei Jahren eine Verständigungslösung zu erzielen, so kann die steuerpflichtige Person schriftlich beantragen, dass ihr Fall einem Schiedsverfahren zugeführt wird (Abs. 1). Der Zugang zu einem Schiedsverfahren ist indessen nicht möglich, wenn in Bezug auf die zu regelnde Frage in der Schweiz oder in Irland bereits eine Gerichtsentscheidung ergangen ist (Abs. 11).

Gemäss Absatz 4 ist der Schiedsspruch für die Vertragsstaaten endgültig und verbindlich. Die zuständigen Behörden sind verpflichtet, diesen in einer Verständigungsvereinbarung umzusetzen. Lehnt eine unmittelbar von dem Fall betroffene Person die Verständigungsregelung, durch die der Schiedsspruch umgesetzt wird, aber ab, zum Beispiel, weil sie sich entschliesst, den Streitfall durch ein Gericht entscheiden zu lassen, so fällt die Verbindlichkeit dahin. Mit einem solchen Mechanismus kann den Interessen der Steuerpflichtigen, die einer Doppelbesteuerung unterliegen, Rechnung getragen und die Rechtssicherheit gewährleistet werden.

Die Absätze 2 und 3 regeln die Berechnung der dreijährigen Frist, während welcher die zuständigen Behörden Zeit haben, den Fall durch Verständigung zu lösen, in besonderen Situationen.

Die Absätze 13 bis 15 enthalten Regeln zur Bestimmung der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter. Sie kommen dann zur Anwendung, wenn sich die zuständigen Behörden der Schweiz und Irlands nicht auf andere Vorschriften verständigen.
Demnach besteht die Schiedsstelle aus drei Einzelmitgliedern mit Fachkenntnis oder Erfahrung auf dem Gebiet internationaler Steuersachen (Abs. 13 Bst. a). Jede zuständige Behörde muss ein Mitglied der Schiedsstelle bestellen, und die beiden auf diese Weise bestellten Mitglieder bestellen ein drittes Mitglied, das weder die schweizerische noch die irische Staatsangehörigkeit besitzt, weder in der Schweiz noch in Irland ansässig sein darf und den Vorsitz der Schiedsstelle ausüben wird (Abs. 13 Bst. b). Jedes Mitglied der Schiedsstelle muss unparteiisch und von den zuständigen Behörden, Steuerverwaltungen und Finanzministerien der beiden Vertragsstaaten sowie den vom Verständigungsverfahren betroffenen Personen und ihren Beraterinnen und Beratern unabhängig sein (Abs. 13 Bst. c).

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Wird versäumt, ein Mitglied oder den Vorsitz der Schiedsstelle zu bestellen, so wird die Ernennung durch die ranghöchste Funktionsträgerin oder den ranghöchsten Funktionsträger des Zentrums für Steuerpolitik und -verwaltung der OECD vorgenommen, die bzw. der weder die schweizerische noch die irische Staatsangehörigkeit besitzt (Abs. 14 und 15). Dieser Mechanismus, der nur mangels einer anderen Verständigung der zuständigen Behörden zur Anwendung gelangt, soll verhindern, dass der Entscheid über die im Rahmen eines Verständigungsverfahrens aufgeworfenen Fragen in unzulässiger Weise verzögert werden kann.

Die Absätze 16, 17 und 20 widmen sich der Vertraulichkeit. Um sicherzustellen, dass das Schiedsverfahren sein Ziel erreicht, ohne die Vertraulichkeit des Verständigungsverfahrens zu verletzen, sieht Absatz 16 vor, dass für die Mitglieder der Schiedsstelle die in Artikel 26 DBA-IE enthaltenen Vorschriften in Bezug auf Vertraulichkeit gelten. Die zuständigen Behörden der Schweiz und Irlands müssen sicherstellen, dass Mitglieder der Schiedsstelle und ihre Mitarbeitenden sich vor ihrem Tätigwerden im Rahmen eines Schiedsverfahrens schriftlich verpflichten, Informationen zum Schiedsverfahren im Einklang mit den in Artikel 26 DBA-IE in Bezug auf den Informationsaustausch vorgesehenen Vertraulichkeits- und Geheimhaltungspflichten zu behandeln (Abs. 17). Schliesslich sind auch die vom Verständigungsverfahren betroffenen Personen sowie ihre Beraterinnen und Berater gehalten, sämtliche Informationen, die sie im Verfahren erhalten, geheim zu halten, was schriftlich zu bestätigen ist (Abs. 20).

Sollten sich die zuständigen Behörden der Schweiz und Irlands während der Dauer des Schiedsverfahrens auf eine Lösung des Falls durch Verständigung einigen, so endet das Schiedsverfahren (Abs. 18). Gleiches gilt, wenn die Person, die den Fall vorgelegt hat, den Schiedsantrag oder den Antrag auf ein Verständigungsverfahren zurückzieht.

Die Art des Schiedsverfahrens ist in Absatz 19 geregelt: So kommt ­ ausser die zuständigen Behörden der Schweiz und Irlands verständigen sich auf eine andere Methode ­ die Methode des «Final Offer» (endgültiges Angebot), die auch als Methode des «Best Final Offer» (bestes und endgültiges Angebot) bezeichnet wird, zur Anwendung. Diese Methode sieht vor, dass die zuständigen Behörden der
Schweiz und Irlands der Schiedsstelle je einen Regelungsvorschlag vorlegen, in dem alle noch offenen Fragen des konkreten Einzelfalles behandelt werden. Die von den beiden zuständigen Behörden vorgelegten Regelungsvorschläge können je durch ein erläuterndes Positionspapier untermauert werden. Zudem kann jede zuständige Behörde eine Erwiderung zu dem von der anderen zuständigen Behörde vorgelegten Regelungsvorschlag und erläuternden Positionspapier übermitteln. Mit der Erwiderung soll einzig auf die Stellungnahmen und Argumente der anderen zuständigen Behörde geantwortet werden; hingegen dient sie nicht dazu, einer zuständigen Behörde die Möglichkeit zu bieten, zusätzliche Argumente zur Stärkung ihrer eigenen Position vorzubringen. Die Schiedsstelle wählt als Entscheidung einen der von den zuständigen Behörden vorgelegten Regelungsvorschläge für den Fall aus. Der Schiedsspruch wird mit einfacher Mehrheit der Mitglieder der Schiedsstelle erlassen und enthält keine Begründung oder sonstige Erläuterung. Die Schiedsstelle übermittelt den zuständigen Behörden der Schweiz und Irlands schriftlich ihre Entscheidung, die für keinen anderen Fall eine Präzedenzwirkung entfalten kann.

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Absatz 21 sieht vor, dass die Vergütungen und Aufwendungen der Mitglieder der Schiedsstelle sowie die der Schweiz und Irland im Zusammenhang mit dem Schiedsverfahren entstandenen Kosten von der Schweiz und Irland in einer durch Verständigung zu regelnden Weise übernommen werden. In Ermangelung einer entsprechenden Verständigungsregelung tragen die Schweiz und Irland je ihre eigenen Aufwendungen und die ihres bestellten Mitglieds der Schiedsstelle. Die Kosten der oder des Vorsitzenden der Schiedsstelle tragen die Schweiz und Irland je zu gleichen Teilen.

Absatz 22 schliesslich hält fest, dass offene Fragen aus einem Verständigungsverfahren, die bereits einer Schiedsstelle zum Entscheid vorgelegt worden sind, nicht mehr einem Schiedsverfahren unterworfen werden können.

Auch wenn der neue Artikel 25A DBA-IE das Schiedsverfahren im Vergleich zur entsprechenden Bestimmung im OECD-Musterabkommen erheblich detaillierter festlegt, bleiben diverse Verfahrensfragen (z. B. die Fristen) ungeregelt. Absatz 10 sieht deshalb vor, dass die zuständigen Behörden das Schiedsverfahren umfassend durch eine Verständigungsvereinbarung regeln.

Art. VII Mit diesem Artikel wird eine Missbrauchsklausel (Art. 27A) eingeführt, die auf dem hauptsächlichen Zweck einer Gestaltung oder Transaktion abstellt. Aufgrund dieser Klausel werden die Vorteile des DBA-IE nicht gewährt, wenn das Erlangen dieser Vorteile einer der hauptsächlichen Zwecke der entsprechenden Gestaltung oder Transaktion war; es sei denn, es wird nachgewiesen, dass das Gewähren dieser Vorteile in Einklang mit dem Ziel und Zweck der entsprechenden Bestimmungen des DBA-IE steht.

Diese Missbrauchsklausel ist zwar neu, sie entspricht aber in ihren Grundzügen den Missbrauchsklauseln, die die Schweiz in den letzten Jahren in einer Vielzahl ihrer Doppelbesteuerungsabkommen vereinbart hat. Anders ist indessen, dass die Missbrauchsklausel nicht auf gewisse Arten von Einkünften wie Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren beschränkt ist. Vielmehr findet sie in Bezug auf sämtliche Bestimmungen des Abkommens Anwendung. Alle Abkommensvorteile unterliegen damit dem Vorbehalt einer missbräuchlichen Inanspruchnahme.

Vom Wortlaut her unterscheidet sich die Missbrauchsklausel gegenüber jenen, die in vielen jüngeren Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz enthalten sind, noch in
einem weiteren Punkt. So ist nach dem Text der Klausel Missbrauch nicht auf Situationen beschränkt, bei denen der Hauptzweck der entsprechenden Gestaltung oder Transaktion im Erlangen der Abkommensvorteile lag. Vielmehr besteht Missbrauch auch dann, wenn bloss einer der Hauptzwecke dafür verantwortlich war. Vom Resultat her besteht indessen diesbezüglich keine Differenz. Denn der zweite Teil der Missbrauchsklausel sieht vor, dass die Abkommensvorteile dennoch gewährt werden, wenn dies in Einklang mit dem Ziel und Zweck der entsprechenden Bestimmungen des Abkommens steht. Dies sollte grundsätzlich dann der Fall sein, wenn das Erlangen der entsprechenden Abkommensvorteile nicht der Hauptzweck der Gestaltung oder Transaktion war.

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Diese Missbrauchsklausel wurde im Rahmen der BEPS-Massnahme 6 entwickelt.

Sie ist im OECD-Musterabkommen (Art. 29 Abs. 9) und im BEPS-Übereinkommen (Art. 7 Abs. 1) enthalten. Um dem im Rahmen der BEPS-Massnahme 6 gesetzten Mindeststandard Genüge zu tun, reicht die Aufnahme dieser Missbrauchsklausel in die Doppelbesteuerungsabkommen. Es bedarf in einem solchen Fall keiner weiteren Missbrauchsbestimmung.

Art. VIII Mit diesem Artikel wird Ziffer 4 des Protokolls zum DBA-IE aufgehoben. Es handelt sich dabei um jene Bestimmung, die Irland zu Verhandlungen mit der Schweiz zwecks Aufnahme einer Schiedsklausel ins DBA-IE verpflichtet, sollte Irland in einem seiner Doppelbesteuerungsabkommen eine solche Klausel vereinbaren. Die Bestimmung ist mit der in Artikel VI des Änderungsprotokolls zum DBA-IE vorgesehenen Aufnahme einer Schiedsklausel in das DBA-IE obsolet geworden.

Mit Artikel VIII wird ausserdem eine Protokollbestimmung zum neu eingeführten Artikel 25a (Schiedsverfahren) des DBA-IE aufgenommen (Ziff.. 4A). Mit dieser Bestimmung wird der Zugang zum Schiedsverfahren auf Begehren Irlands in gewissen Situationen ausgeschlossen: In Irland wird der Zugang ausgeschlossen, wenn der Fall im Zusammenhang mit Handlungen steht, für die die steuerpflichtige Person oder eine mit ihr verbundene Person (oder eine Person, die für die steuerpflichtige Person oder die mit ihr verbundene Person handelt) einer Strafe wegen vorsätzlichen Verhaltens unterliegt, oder wenn der Fall von der Anwendung von Irlands innerstaatlichen Missbrauchsbestimmungen betroffen ist. In der Schweiz wird der Zugang ausgeschlossen, wenn der Fall im Zusammenhang mit Steuerumgehung im Sinne der Definition gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oder mit Betrug, grober Fahrlässigkeit oder vorsätzlicher Unterlassung steht.

Art. IX Die Bestimmungen des Änderungsprotokolls zum DBA-IE finden grundsätzlich ab dem 1. Januar des Jahres nach dessen Inkrafttreten Anwendung. Eine Besonderheit gilt in Bezug auf die durch die Artikel II, III, V, VI und VIII des Änderungsprotokolls angepassten oder neu eingeführten Bestimmungen betreffend die zeitliche Beschränkung von Gewinnaufrechnungen bei Betriebsstätten und Unternehmen, die Einleitung von Verständigungsverfahren sowie die Schiedsklausel. Diese Bestimmungen finden vom Tag des Inkrafttretens an
Anwendung. Im Sinne einer Klarstellung ist diesbezüglich zudem festgehalten, dass dies ungeachtet der Steuerperiode gilt, auf die sich die Sache bezieht. Es können somit auch Steuerperioden vor dem Inkrafttreten des Änderungsprotokolls betroffen sein.

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Finanzielle Auswirkungen

Das Änderungsprotokoll zum DBA-IE sieht keine Änderungen bei den Zuteilungsnormen der Besteuerungsrechte von Einkünften und von Vermögensteilen zwischen der Schweiz und Irland vor. Vielmehr enthält es im Wesentlichen lediglich Bestimmungen zur Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme des DBA-IE sowie zur Verbesserung der Verständigungsverfahren als Mittel zur Streitbeilegung bei Doppelbesteuerungen. Das Änderungsprotokoll zum DBA-IE dürfte somit keinen namhaften Einfluss auf die Steuereinnahmen des Bundes, der Kantone und der Gemeinden haben. Das geänderte DBA-IE kann im Rahmen der bestehenden personellen Ressourcen umgesetzt werden.

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Rechtliche Aspekte

Das Änderungsprotokoll zum DBA-IE stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung5 (BV), wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Nach Artikel 184 Absatz 2 BV ist der Bundesrat ermächtigt, die Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist gemäss Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung der Verträge zuständig; ausgenommen sind die Verträge, für deren Abschluss aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (siehe auch Art. 7a Abs. 2 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 19976). Im vorliegenden Fall gibt es kein Gesetz und keinen völkerrechtlichen Vertrag, die dem Bundesrat die Kompetenz verleihen, einen Vertrag wie das Änderungsprotokoll zum DBA-IE abzuschliessen. Das Parlament ist somit für die Genehmigung des Änderungsprotokolls zum DBA-IE zuständig.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unter anderem wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten. Gemäss Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20027 (ParlG) gelten Bestimmungen als rechtsetzend, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen.

Das Änderungsprotokoll zum DBA-IE enthält Bestimmungen, die den Schweizer Behörden Pflichten auferlegen sowie den Schweizer Behörden und den Privatpersonen (natürliche und juristische Personen) Rechte verleihen. Das Änderungsprotokoll zum DBA-IE enthält somit wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 22 Absatz 4 ParlG und Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Änderungsprotokolls zum DBA-IE untersteht deshalb dem fakultativen Staatsvertragsreferendum für völkerrechtliche Verträge nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV.

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SR 101 SR 172.010 SR 171.10

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Vernehmlassungsverfahren

Das Änderungsprotokoll zum DBA-IE untersteht dem Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV. Gestützt auf Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 20058 (VlG) besteht damit an sich die Pflicht zur Durchführung einer Vernehmlassung. Zum Änderungsprotokoll zum DBA-IE wurde eine Orientierung durchgeführt. Dabei wurde im November 2017 den Kantonen und den am Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen interessierten Wirtschaftskreisen eine Erläuterung zum Änderungsprotokoll zum DBA-IE vorgelegt. Das Änderungsprotokoll zum DBA-IE wurde positiv und ohne Einwände aufgenommen. Die Positionen der interessierten Kreise sind entsprechend bekannt und belegt. Gestützt auf Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VlG konnte deshalb auf eine Vernehmlassung verzichtet werden.

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SR 172.061

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