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schweiz. Generalkonsuls in Neapel fur das Jahr 1860.

(Vom 28. Februar l 861.)

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An den h. Bundesrath.

Tit..

Das Jahr 1860. welches für Siiditalien durch so grosse politische Umgestaltungen bezeichnet wird, brachte demselben auch ein neues Handelsshstem. Schon vor dem Ausbruche der Revolution hatte die bourbonische Regierung die längst erwartete Revision des Zolltarifs begonnen . indessen gelangte sie nicht bis zu manchen Hanptartikeln . wie z. B. zu den Manufakturen und Geweben, welche für den Schluss der Arbeit aufgespart werden waren , allein der politischen Ereignisse wegen nicht mehr zu Stande kamen. Von dem alten neapolitanischen Tarif ausgehehend, der sich durch eine übermässige Belastung einer grossen Anzahl von Artikeln auszeichnete, liess die Abänderung, obwol von dem Wunsche eingegeben, dem Handel und der iunern Konsumtion des Landes Erleichterungen zu verschaffen , diesssalls noch Manches zu wünschen übrig. Die Ereignisse führten die Tarifermässigung bald und in solchem Masse herbei, wie man sie beim Beginne des Jahres schwerlich hätte erwarten kennen.

Das erste vom General Garibaldi ..ls Diktator der Vrovinzen von Süditalien eingesezte Ministerium beschloss, den piemontesischen Zolltarif einzuführen, am 24. September und veröffentlicht den 10. Oktober) , wo-

durch die Einigung mit dem übrigen Theile der Halbinfel bedeutend ge-

fordert wurde. Jn der That enthielten die niedrigen Ansäze dieses Tarifs in ihrer Anwendung eine sehr beträchtliche Reduktion der Gebühren für

eine Menge der wichtigsten Artikel (sogar im Vergleich zn den bereits

herabgesehen Zollen). Die Einführung des sardiniseheu Tarifs hatte zudem den Vortheil, aller Ungewißheit aus diesem Gebiete, welche den Aufschwung des Handels so sehr hemmt, ein Ende zu machen und der Zollgesezgebung eine definitive Grundlage zu verleihen. Mit Rükstcht aus einige bisher sehr stark protegirte Zweige des Akerbaues und der Manufaktnrgewerbe, so wie aus finauziellen Gründen liess man als Uebergangs-

1^ massregel eine kleine Anzahl von Modifikationen des Tarifs bestehen.

Diese ^n den zwekmässigsten und weisesten Massregeln der neuen Verwalt.mg gehörende Verfügung führte im Herbste eine fühlbare Wiederaufnahme des auswärtigen Handels herbei, welchem die beständige Ungewißheit über die .Schwankungen des Tarifs einerseits und die immer steigenden, von der politischen Lage des Landes veranlassen Befürchtungen andererseits in den acht ersten Monaten des Jahres auf ein Minimum von Bewegung beschränkt hatte. Wenn die daraus entsprungene Bewegung auch zeitweise wieder naehliess, so darf man sich nieht darüber wundern angesichts des fortgesetzten Widerstandes von Gaeta, der Anstrengungen der Vartei der.

alten Regierung an der romischen kränze, so wie der Ungewissheit und Unruhe, welche politische Bewegungen stets mit sich bringen. Die Folgen davon wurden jezt noch hauptsächlich im Jnnern der Provinzen empfunden, deren Verbrauch in vielen Beziehungen nicht wieder aus den Rormalstand zurükkam, indessen ist zu hoffen, die fortschreitende Befestigung der Ruhe werde der Nachfrage bald den Aufschwang verleihen, dessen sie fähig ist.

Die bei der Einführung des piemontesischen Tarifs an demselben gemachten Abänderungen wurden nicht lange beibehalten. Ein Dekret .

vom 28. Dezember hob ste sämmtlich anf, mit Ausnahme eines höhern

Eiugaugszolles aus Gla^ und des Ausgaugszolles aus Olivenöl und Lumpen. Bis aus diese Ausnahme ist gegenwärtig die Zollgesetzgebung

der ...^üdprovin^en derjenigen der übrigen Theile des Königreichs Jtalien vollkommen gleich. Unter den daherigen Vortheilen ist auch die Befreiung vou den Verbleiungskosten zu erwähueu , welche süx einige schweizerische Artikel sehr empfindlieh waren, so z. B. für weisses Kalbsleder, auf welchem die Zollgebühr dadurch mehr als verdoppelt wurde. Diejenigen Schweizerartikel , welche sieh des neuen Tarifs am meisten ersreuen, sind die glatten, brochirten, damaseirten und gestikten Mousselin^euge, gestikte Vorhänge, Deken und Rissen, Shalws vou Baumwolle, Barege und Moufselin in verschiedenen Farben, Ginghams, Ealieots, Julienne, Eambries, glatte und eroisirte Merinos, Mouchoirs und Baumwollenbänder.

. Da die Basis zum Bezng der Zollgebühr für die Gewebe eine andere geworden ist, indem diese Gebühr nunmehr vom Gewicht. statt wie früher von der Grosse berechnet wird, so ersreuen sich die leichten Gewebe wie brochirte und andere Mousselin, welche Erzeugnisse recht eigentlich dem schweizerischen Gewerbfleiss angehoren , der Wohlthat dieser Erleichterung in ganz besonderem Masse. Die in vielen dieser Artikel während so langer ^eit flauen Geschäfte wurden wieder belebt, die auf dem B^aze vorhandenen Vorräthe fanden vollständigen Abfaz, so dass man sich an die Depots von Genua und Livorno wenden musste ; die industriellen Eentrum ^t. Gallen, Glarus, Zürich und A a r g a u erhielten süx das ^rühjahr bedeutende Bestellungen, welche den Arm ihrer wakern Arbeiter beschäftigen.

Hoffentlich wird der Aufschwung von Dauer ^ein und noch mehrsteigen; denn die schweizerische Jndustrie , welche gegen-^

20 wärtig in eine gleiche Lage versezt ist, um den Wettkampf mit der inländischen Jndustrie aufzunehmen , seit die übermäßigen Schmolle für lettere dahingesallen find, scheint vor dieser einen bedeutenden Vorsprung voraus zu haben in einigen Artikeln, wie z. B. der glatten Mousseline.

der schottischen Batiste mittlerer .Qualität, der mit Blattstieh brochirte....

Mousseline in der Breite von ^ und ^, so wie den gestikten Vorhängen und der brodirten Mousseline. Jn andern Artikeln, wie in den gedrukten Baumwollenzeugen und farbigen Geweben, gewohnlicher glatter Mousseline zu Futter, wollenen und baumwollenen Shawls, .st die inländisch^ Fabrikation dagegen im Stande, den Kamps mit Vortheil aufzunehmen, da sie durch den niedrigen Breis der Handarbeit begünstigt wird, und für den Absa^ ihrer Erzeugnisse ganz Jtalien zum Markte hat.

Die auswärtige Konkurrenz, aus welche die sehweizeris.hen Erzeugnisse hier stossen, ist die nämliehe geblieben. England für die Baumwollenartikel im Allgemeinen, und Sachsen für die seinen Stikereien.

Jndessen ist bei den Versuchen zur Benuzung der neuen Lage grosso Vorsieht zu empfehlen. Eine Menge von Kaufleuten und Spekulanten haben stch aus dieses Land geworfen , als wenn es plo^eh ein neues Kalifornien geworden wäre. Die Jntensttät der Konkurrenz wurde daher nur verstärkt, während manche kommerzielle Bosition durch das missliche Geschäft der frühern Beriode und die einander folgenden Herabsetzungen.

des Tarifs, wodurch die Vorräthe entwerthet wurden, untergraben worden ist. Mehr als eine derselben dürfte daher beim Stosse ^usammenstür^eu, und daher muss Umsicht ernstlich angeral.hen werden.

Die Uhrenmaeherei und die Bijouterie, als Luxusartikel, litten gan^ besonders unter der von der politischen Lage des Landes verursachten Stokung des Landes. Die Einsuhr in diesen Zweigen konnte im Jahr 1860 nur auf zwei Dritttheile eines gewohulieheu Jahres geschäht werdeu.

Di.. Bijouterie ist beinahe der einzige Artikel des sardinisehen Tariss, bei

dem eine Erhohung der Zollgebühr statt einer Herabse^ung stattfand, s.^ dass statt früher Duk.

2 per Rotolo, gegenwärtig Duk. 33. 50 dafür ^n bezahlen find.

Rachdem znm ersten Male von der statistischen Abtheilung des Dikasteriums der Finanzen verwaltnngs- und finanzstatistisehe Dokumente verossentlicht worden sind, so findet man in denselben einige Angaben über den Handelsverkehr der neapolitanischen Brovinzen. Da man indessen bei den bezüglichen Tabellen nur den Seehandel im Auge hatte, so ist die Schweiz nirgends darin repräsentirt , und es ist keine Angabe über die Bedeutung ihrer Handelsbeziehungen zu den Beiden Sizilien daraus zu entnehmen. Der Betrag ist unter den Ziffern für Frankreich, Sardinien und Oesterreieh begriffen , welchen Staaten die H.ifen von Marseille, Genua und Triest angehoren, vermittelst deren der Handelsverkehr zwischen der Schweig und den neapolitanischen Brovinzen stattfindet.

21 Die Schweiz nimmt indessen keineswegs, diesen Tabellen zufolge, im Handelsverkehr mit den Südprovinzen eine der lezten Stellen ein.

Die durchschnittliche Einfuhr in den .. Jahren von 1853 bis 1858 derjenigen Staaten , deren Einfuhr in genannte Brovinzen die bedeutendste war, ist folgende :

Frankreich England .

Oesterreich Sardinien Holland .

Kirchenstaat

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. Duk. 6,449.538. 72 . ,, 6,072,329. 21 . ,, ^ 1,537,588. 83 . ,, 1,062,205. 82 . ., 821,245. 09 . ,, 305,394. 87

Rimmt man die jährliche Einfuhr der Schweiz nach den gewiss ganz

massigen Angaben meiner srühern Berichte zu Fr. 2,800,000 .... Dukati 658,640 an, so steht sie in der sechsten Reihe unmittelbar nach Holland, welches seinen Rang in dieser Stufenfolge einem einzigen Artikel, dem rafstnirten Zuker verdankt.

Jm Uebrigen muss der Steigerung, welche der neue Tarif, wie zu hoffen steht, für die Einfuhr der schweizerischen Vrodukte in dauernder Weise veranlassen wird, Rechnung getragen werden. Ferner ist. wie wir oben andeuteten , die Ziffer der schweizerischen Einfuhr von derjenigen der Staaten, die sie vermitteln, abzuziehen.

Handelsverträge.

Den 3. April ...860 wurde ^wischen^ dem schweizerischen Handelsund Zolldepartemente und dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiter des .^onigreichs Beider Sizilien eine Erklärung ausgewechselt^), welche den schweizerischen Produkten bei ihrem Eintritte ins .^onigreich die nämliehen Vortheile gewährt, welchen die franzostsehen Erzeugnisse genossen.

Diese Vortheile hatte die Schweiz gegen gan^ unerhebliche .Konzessionen für die neapolitanischen Vrodukte bei deren Eintritt in die Schweiz erlangt. ^ Die nachtheilige Stellung, in der sich gewisse schweizerische Artikel

bis dahin besunden, hatte somit vollständig aufgehort. Jedoch sind die seitherigen Tarifveränderungen noch weit unter die in jener Erklärung ^us^ gestellten Ansähe heruntergegangen.

G e se z g e b e r i s c h e E r l a s s e i n B e z u g a u f d e n H a n d e l .

Mit Rüksicht auf den leidenden Zustand der Geschäfte sind von dex

Regierung seit dem Monat September zu verschiedenen Malen Versallszeitverlängerungen für Wechsel gewährt worden.

Neapel, den 28. Februar 1861.

Der fchwei^. Generalkonsul : ^^ ^ ^ ^. ^eurieo^re.

^.) S. amtli.he Sammlung, Band v1, Sei^ ^29.

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Bericht des schweiz. Generalkonsuls in Neapel für das Jahr 1860. (Vom 28. Februar 1861.)

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