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Minderheit der ständeräthlichen Kommission über den bundesräthlichen Gesezesentwurf, betreffend die gemischten Ehen.

(Vom l1. Juli 1861.)

Tit..

Bekanntlich gab de.. Rekurssall der Frau Inderbissin in Schwyz dem schweizerischen Ständerath Veranlassung , unterm 23. Juli 1859 den Bundesrath einzuladen, ein Gesez über Scheidung, beziehungsweise über Trennung gemischter Ehen und deren Gerichtsstand vorzubereiten.

Frau Inderbissin war ehevor verehelicht mit einem J. Eammenzind in Gersau, beide katholischer Konfession, und nach katholischem R.tus getraut.

Die Ehe war dermassen zerrüttet, dass das bischofliche Kommissariat in .Luzern als geistliches forum domicile eine Scheidung von Tisch und Bett aussprach. Rachher erhob Eammenzind vor dem geistlichen Gerichte in Schwryz, wohin er übergesiedelt war, das Gesuch um Wiedervereinigung.

Frau Eammenzind, unterdessen zur protestantischen Konfession übergetreten, verweigerte die Einlassung, im Wesentlichen gestüzt daraus, dass sie als Protestantin nicht gezwungen werden konne, sich vor ein rein konfessionelles

katholisches Gericht zu stellen. Das Ehegericht Schwyz verwarf die Ein-

rede, weil sie noch immer Bürgerin des Kantons Schwyz sei, und in Ehesachen dortselbst das geistliche Gericht über alle Kantonsangehorigen, abgesehen von ihrer Konsession, die ausschliessliche Jurisdiktion besize.

Gegen diese Entscheidung rekurrirte Frau Inderbissin an die Bundesbehorden. Der Bundesrath, wie die eidgenossischen Räthe fanden diesen Rekurs für nicht begrüudet, ohne dass ihnen jedoch zu entgehen schien, dass ein solches Prozedere formell ein hochst Gehässiges sei, uud materiell wirkliches Unrecht werden konnte. Von daher kam der Eingangs angeführte Auftrag an den Bundesrath.

Das ist der Ursprung und die Veranlassung des vorliegenden Gesezesentwurses. Wir wollten diese Genests des vorliegenden Gesezes, dessen V e r a n l a s s u n g einzig der Gerichtsstand für Scheidungsklagen

41 bei gemischten Ehen w a r , um so genauer prägen, weil wir denselben auch jezt noch festhalten mochten , und wir dabei im Vorgehen der Majorität Jhrer Kommission ein Verlassen dieses Standpunktes, ein Weitergehen über das an Tag getretene ...nd anerkannte Bedürsniss erbliken.

Doch davon später.

Wir werden nun, um unsern Minderheitsantrag ^u begründen , kur^ diejenigen Momente berühren, welche vorwürfig zur Sprache kommen, und worin wir mit der Kommisstonsmehrheit einig gehen, und dann unsere abweichenden Ansichten zu begründen suchen.

I.

Wir gehen mit der Majorität einig, dass der vorliegende G e s e z e s e n t w u r f s o l l t e abgelehnt werden.

Um den Uebelstand zu beseitigen . dass gemischte Ehen vor ein rein konfessionelles Gericht gezogen werden konnen, schlägt der Entwurf vor, dass, wenn solche Fälle entgehen in Kantonen, welche keine für alle Konfesstonen gültige Matrimonialgesezgebung haben, die betreffende Regierung auf das Gesuch der einen oder beider Barteien an die Gerichte eines Kantons mit gemeinsamer Ehegesezgebung delegiren konne. Hiedureh würde allerdings erreicht, dass gemischte Ehesachen vor einen gemeinsamen, nicht konfessionellen Richter gebracht und entschieden werden konnten, ohne dass diessfalls neue Gerichte ausgestellt, die Kantone zum Erlass gemeinsamer Matrimonialgesezgebungen gezwungen, oder der Bund ^um Erlass einer eigenen solchartigen Gesetzgebung in Sachen gemischter Ehen genothigt würde.

.Allein gerade die Delegation, d. h. die Verweisung einer solchen Scheidungsklage an ein ausserkantonales Gericht, an eine ausserkantonale Gesezgebung ist es, mit welcher wir uns nicht befreunden konnten.

Eine solche Delegation verstosst sich schon gegen den in allen unsern Verfassungen ausgenommenen Grundsa^, dass ke... Bürger seinem natürlichen Richter so^le entzogen werden. Dieser Entzug des natürlichen Gerichtsstandes wäre nun auffallender, weil er einfach auf das Gesuch des Klägers, ohne Einvernahme der beklagten Bartei, rein nach der Willkühr der angerufenen Regierung bestimmt würde.

Sodann se^t die Delegation, falls sie nicht illusorisch werden soll, die Bflicht voraus , dass das delegirte Gericht die Klage beurtheilen m u ss. Auch darüber lässt der Entwurf sich nicht aus, was offenbar ein

Mangel desselben ist.

Was uns aber am meisten veranlasst, gegen eine solche Delegation zu stimmen, ist die inhaltliche Verschiedenheit der verschiedenen gemeinsamen Matrimonialgesezgebungen selbst. Wären alle diese in den verschiedenen Kantonen in ihren materiellen Bestimmungen sich gleich , so dürste weniger gegen die beantragte Delegation eingewendet werden. Allein diese ist eben sehr verschieden. So, um einige Beispiele an der Hand von drei Ge-

42 sezgebungen anzuführen, gibt in Basel.^Stadt jede Verurteilung ^u 4 Jahren Freiheitsstrafe Grund zu einer Scheidungsklage; dagegen in Schasfhausen nur wegen gemeiner Verbrechen , im Thurgau endlich wegen jeder Verurtheilung zu Zuchthaus oder Arbeitshaus, oder selbst Gesänguiss. Jm Thur.gau verjährt eine Scheidungsklage wegen der ekelhasten unheilbaren .Krankheit in 2 Jahren; Sehafshausen kennt keine solche Verjährung. .Zürich und Thurgau lassen eine Scheidung zu, wenn der Richter überzeugt ist, dass die Ehe innerlich zerrüttet sich befindet, und sie schon mehr denn 2 Jahre, aber noch nicht 30 Jahre gedauert hat, währenddem Schafshausen diesen zehnten Eheseheiduugsgrund des ^ürehergesezbuches nicht kennt. Jn Basel-

Stadt gilt Wahnsinn und ausschweifendes Leben nicht als Scheidungs-

grund, wol aber in Zürich und Schasshausen. - Wir konnten diesen Vergleich noch in vielen andern Bu..kteu fortseien, allein das Gesagte dürste genügen, Sie zu überzeugen, dass diese gemeinsamen Matrimonialgeseze materiell sehr perschieden sind.

Wenn man nun weiss, wie solche Scheidungssragen oft tief in Familie.werhältnisse eingreifen , und nicht selten für die eine oder andere Bartei in finanzieller Beziehung von grossen Folgen sind; wenn man bedenkt , dass bei unseren kantonalen Zuständen verwandtschaftliche Verhältnisse bis mitten in die Reg.erungsrathssääle hineinragen . so müsste .^ureh eine Delegation , auch bezüglich des Materiellen, einer absoluten Willkühr um so mehr Thür und Thor geofsuet werden, als das Gesez selbst alles den Sympathien der Behorde überliesse. Die in jedem konkreten Falle vorhandenen Scheidungsgründe blieben der delegirenden Behorde kaum unbekannt, und so läge es endsständig in ihrer Willkür, ein Gericht anzuweisen, nach dessen Recht solche Gründe angenommen würden oder nicht. Jn Wirklichkeit läge somit der Entscheid bei einer administrativen und keineswegs bei einer richterlichen Jnstanz.

Das, Tit., find die Gründe gegen die beantragte Delegation, d. h.

gegen das ^undamentalprinzip . aus welchem der vorgeschlagene Gesezesentwurs beruht.

Wenn aber in diesen Entwurf nicht eingetreten werde soll, .-- so sind wir dann

ll.

mit der .^ommissiousmehrheit einig, dass dennoch in der Sache E t w a s g e t h a n w e r d e n soll.

Es bestehen einmal gemischte Ehen; das Gesez vom 3. Dezember 1850 hat deren Existenz in allen Kantonen ermoglieht , und deshalb dürfen sie auch bezüglich ihrer Scheidung nieht rechtlos belassen werden.

Rechtlos sind sie aber zur Stunde namentlich in den katholischen Kantonen, die eine rein konfessionelle Gesezgebung haben, indem da gerade

für den protestantischen Theil es eine rechtliehe Unmöglichkeit ist, die Ehe aufzulösen, indem er hiesür weder ein Recht, noch ein Gericht finden kann.

43 Es ist dieses in Wirklichkeit eine Rechtsungleichheit vor dem Geseze.

Ueberdiess wird Jeder zugeben , dass die Stellung gemischter Ehegatten vor

ein rein konfessionelles Bericht wohl das Gehässigste ist, das sich nur denken lasst.

Die Minderheit hielt nun ursprünglich dafür, der Entwurf sollte

mit Direktionen beglich der zu adoptirenden Grundlage an den Bundesrath zurükgewiesen werden, wollte aber diesssalls eine d.ssentirende Mei^ nung an den Rath nicht bringen. Am Ende wird es nicht daranf ankommen, wer das neue Gesez geschassen, sondern wohl nur, ob es den Bedürfnissen entspreche. Deshalb sah sich au^ die Minderheit veranlagt, an der Schops.ing eines neuen Gesezes direkt von der kommission aus mitzuwirken.

Was nnn die Grundlagen anbetrifft, auf die das neue Gesez basirt werden soll, so geht

HI.

die Minderheit mit der Mehrheit einig, dass in Sachen gemischter Ehen bezüglich von Angehörigen solcher Kantone, welche keine g e m e i n s a m e M a t r i m o n i a l g e s e z g e b u n g h a b e n ,

d a s B u n d e s g e r i c h t als Gerichtsstand soll b e z e i c h n e t

werden.

Jn Kantonen , wo eine gemeinsame Ehegesezgebung existiert , vermogen wir nicht einzusehen , dass es Bedürsniss sei , neue Zustände zu schaffen. Recht kann gesucht, Recht kann ertheilt werden.

Bezüglich der anderen Kantone bildet bereits das Bundesgericht .^inen konstitutionellen Gerichtsstand. Es ist nichts Gelegentliches ; es ist etwas Vorhandenes.

Es ist dabei allerdings richtig . dass auf diese Weise solche Brozesse

sehr kostspielig werden, und oft nicht einer schnellen Erledigung entgegengeführt werden konnen. Allem, wenn man bedenkt, dass solche ^älle immerhin sehr seltene Erscheinungen bleiben werden . und dass es kaum in der Ausgabe der Gesezgebung liegen dürfte , solche Scheidungen zu erleichtern , sondern nur zu ermogliehen , so dürsten die daherigen Bedenklichkeiten bedeutend vermindert, ^wenn nieht gar gehoben werden.

Natürlich, dass, wenn für die angeführten Klagen das Bundesgericht als Forum bezeichnet wird, au.h gesagt werden muss, nach welchem Recht dieses zu urtheilen habe ; und nun gerade

IV.

bezüglich der Aufstellung der R e c h t s n o r m e n , nach denen das Bundesgericht solche Fälle zu entscheiden habe, gehen wir mit der Kommissionsmehrheit nicht einig.

Das bildete auch den einzigen wesentlichen Disserenzpunkt in der Kommission , dessen Entscheidung wir dem hohen Ständerath anheimstellen müssen.

44 Dass die Bundesbehörden vor Aufstellung einer allgemeinen schwel zerischen Matrimonialgesezgebung, auch nur bezüglich der gemischten Ehen, abstrahiren sollen, mit dieser Ausfassung gehen wir einig.

Die Reeeption eines in der Schweiz bestehenden nichtkonfessionellen Eherechtes, wie z. B. das des Kantons Zürich, behufs .Zuwendung durch das Bundesgericht hätte wohl die Sache am meisten vereinfacht. Allein dieses hätte leicht den Vorwurf nach sich ziehen können, man bevorzuge von Bundeswegen die ...^ese^ebung eines einzelnen, oder dass es nicht angemessen erscheine, das Bundesgerieht an ein bestimmtes Kantonalrecht zu binden; - Vorwürse, die wir zwar keineswegs theilten, allein die uns doch bewogen, diessfalls eine abweichende Meinung nicht geltend zu machen.

Es giebt nun Kantone , in denen für jede Konfession selbstständige Matrimonialgese^e bestehen , wie im Aargau ; hier würden wir die Anwendung eines dieser Geseze mit der Majorität vorschlagen, und ^wax

auch das für die Scheidung günstigste.

Jn jenen Kantonen aber , welche nur konfessionelle Geseze für eine Konfession haben, wie in allen gan^ katholischen Kantonen, kann von Anwendung eines daherigen Kantonalgesezes nicht die Rede sein , und es muss hier eine andere Rechtsnorm gesunden werden.

Die Mehrheit der Kommission schlägt Jhnen für diesen Fall vor: den Richter an die allgemeinen Reehtsgrundsäze ^u verweisen. w ä h r e n d dem wir ihn a n w e i s e n m ö c h t e n , e i n e s der in den K a n t o n e n l.. e st e h e n de n g e m e i n s a m e n E h e g e s e z e a n z u w e n d e n , und z w a r unter den v e r s c h i e d e n e n je das, w e l e h e s d e r E h e s eh e i d u n g am g ü n st i g st e n i st.

Es liegt schon im Begriff des Richteramtes , dass es nicht Rechtsnormen schafft, sondern solche anwendet. Sobald der Richter selbst die Rechtsnorm ausstellen muss, ist er ..^ese^geber. Wenn nun die Commissions^ mehrheit sagt : der Richter soll nach allgemeinen Rechtsgrundsäzen urtheilen, so fragen wir, welches sind diese Rechtsgrundsäze.^ Sind es die Theorien des römischen Rechtes, das wird die Mehrheit kaum annehmen , sind es die des gemeinen Rechtes .^ dieses ist ein rein konfessionelles, denn gemeinrechtlieh gibt es kein gemeinsames Matrimonialgesez, wohl aber ein katholisches und ein protestantisches Eherecht, was also die Kommissiousmehrheit selbst nie adoptiren wird. Am Ende aller Ende bleibt der Jnhalt des Vorschlages der Kommissionsu.ehrheit in nakten Worten ausgedrütt der: ,,das Bundesgericht soll in jedem gegebenen Falle urtheilen, .vie es will. Das will die Kommissionsmehrheit; und gerade das ist in unsern

Augen Willkühr.^

Dieser Zustand wäre für den Richter ein höchst peinlicher, und ohne Anhaltspunkte stände er da, um Recht zu suchen. Wenn Etwas, so würde auch dieses ihn jeder möglichen Beeinflussung aussehen. .^.ein eigener iunerer Kampf gegen vorgesasste Sympathien hätte Spielraum genng, um ihm das Rechtsprechen unerträglich zu machen.

45 Die Parteien blieben über das, was Rechtes ist, in beständiger Unsteherheit. Da, wo ein bestimmtes Gesez gilt, weiss die Vartei, ob sie einen Vrozess mit Erfolg anheben kann; allein wo die Willkühr des

Richters an die Stelle des Rechtes tritt, da kann von bestimmter Ansicht über einen anzuhebenden Brozess keine Rede sein. Die Folge davon wäre, dass jede scheidungslustige Bartei den Vrozess auf Gerathewohl probiren würde.

Die Rechtssicherheit tritt in diesem Falle erst recht vor die Augen, wenn man Spezialfälle ins Auge fasst. Alle Gesezgebungen anerkennen den Ehebruch als Scheidungsgrund. Dieser Scheidungsgrnnd verjährt aber nach den meisten Gesezen, im Thurgau 6 Monate, und in Schafshausen 3 Monate nach erhaltener Kenntniss. Run gerade in einem solchen Falle wüsste man unmöglich, ob das Bundesgericht eine und welche Rechtsnorm annehmen würde ; man müsste es probiren , aber wenn je ein Zustand verwerflich ist, so ist es der des gezwungenen Vrobirens in Rechtssachen.

Man wendet zwar ein, es würde sich bald eine Brax^is bilden. Wir geben es zu, dass dieses nach langen Jahren, vorausgeht, dass solche Streite zahlreich wären, moglich erschiene. .Allein bedenkt man, dass gewohnlich 10 Hauptehescheidungsgründe angenommen werden, welche wiederum in ihrer Desinirung eine Masse ausstellen, so wie dass am Ende jedenfalls kein einziger Ehescheidungsprozess dem andern ganz gleich sieht, so wird man zugeben, dass die Bildung einer Gericht.^pra^is, welche ein ganzes Gesez ersezen müsste, nach einem halben Jahrhundert die angedeu^ tete Rechtsunsicherheit nicht zu ersezen vermochte.

Die Kenntniss der Kantonalgeseze, und namentlich desjenigen, welches

im gegebenen Falle das der Scheidung günstigste ist, wird man beim Recht um so leichter voraussehen dürfen, da es Sache der Barteien ist, sieh diessfalls auf das Gesez zu berufen.

Sodann sehlägt Jhnen die Mehrheit vor: den Jnhalt des vom Bundesrathe vorgeschlagenen ^lrt. 1 ganz zu unterdrüken, wonach eine Auflösung der Ehe nur für den protestantischen Theil einträte, wenn die Ehe nach den Gebräuchen der katholischen Kirche getraut würde. Wir dagegen beantragen Jhnen Aufnahme dieses Artikels seinem Jnhalte nach in den neuen Entwurs.

Die Gründe, welche uns hiesür leiten, sind folgende : a. Jn mehreren Kantonen werden Ehesachen nach rein konfessionellen Gesezen behandelt. Die Frage der Ehescheidung gehort ganz vor die geistliche Gerichtsbarkeit, wie in den meisten katholischen Kantonen.

Die Unauslosbarkeit der Ehe ist demnach in diesen Kantonen auch als staatliches Gesez aus dem kanonischen Rechte reeipierk. Würde nun der Antrag der Mehrheit Gesez, so würde dadurch das Gesezgebungsrecht der Kantone in seinem innersten Wesen verlezt.

h. Dieses hätte auch eine wirkliche Ungleichheit der Bürger vor dem Geseze zur Folge. Ein katholischer Kantonsbürger könnte auf Auslosung

46 der Ehe klagen, weil seine Gattin eine Protestantin ist; dagegen hätte ein anderer dieses Recht nicht.

c. Der betreffende katholische Ehetheil hat sich auch nicht zu be-

klagen, wenn seine Ehe für ihn nicht ausgelöst erklärt wird. E^ stand ihm frei, die kirchliche Trauung zu begehren. Er wusste die Folgen einer solchen Trauung . that er es dennoch, so soll er auch die Folgen tragen.

d. Hat einmal der Staat durch seine Gerichte eine solche Ehe ausgelost, so vermögen wir nicht ein^usehen^ wie er später aus diesem Grunde eine Wiederverehelichung untersagen könnte. .^ese ^akultät könnte ins Gesez ausgenommen werden; allein sie bliebe immerhin eine höchst irrationuelle. Sollte aber früher oder später aus diesem Gesez gefolgert werden, dass die Wiedervereheliehung eines so geschiedenen Katholiken gestattet werden mt.sste, so fürchten wir, es könnte dieses ^u Konflikten in der Ehe, wie auch in der Armengesezgebung führen, welche w^. lieber vermeiden möchten.

e. Endlieh ist eine solche Erweiterung des Eheauflösungsrechtes kein

Bedürsniss. Anlass zum gegenwärtigen Geseze gab nicht die Unauflösbarkeit

einer nach den Gebräuchen der katholischen Kirche geschlossenen Ehe , sondern, wie wir oben gezeigt, die Einmischung eines konfessionellen Gerichtes gegenüber den Augehörigen einer andern Konfession. Roch nie hat dieses V.^rhältniss zu Konflikten Anlass gegeben, oder ein so getrauter Katholik das Gesuch um .Auflösung gestellt. Wo sich aber keiu Bedürsniss manifeslirt, soll die Gesezgebung nicht eingreifen.

Das, Tit., sind die Gründe, warum wir für Aufnahme des Art. 1 des bundesräthli.hen Antrages stimmen.

Wir gehen mit der Mehrheit der Kommission in dem Bestreben einig, eine rein bürgerliche Ehegesezgebung zu sehasfen. Eine solche allein ist im S.ande, die Rechte des Staates, wie die Freiheit der Konfessionen zu wahren. Wäre in allen Kantonen die Eingehung der Ehe durch bürgerliche Geseze geordnet, . so könnten wir auch zur Auffassuug der Mehrheit stimmen ; allein gerade weil einzelne Kantone die Gültigkeit der Eheeingehung an die kirchliche Trauung knüpfen, scheinen uns diese Reformbestrebungen nicht .am Plaze. Dort muss zuerst in der Ges^gebnng Reues gebaut werden; erst dann vermag der Vorschlag der Kommission, bezüglich gemischter Ehen, steh homogen an denselben anzuschliessen.

Jn diesen Auseinanderse^ungen finden Sie die Begründung unserer

abweichenden Anträge bei Art. 8 und 10 des Vorschlages.

V.

Sodann beantragen wir Jhnen einen neuen Artikel 10, welcher ausdrüklich erklärt, dass die Wiederverehlichung bundesgerichtlich gemiedener Ehegatten Sache der kantonalen Gerichtsbarkeit und Gese^gebung sei.

Die Begründung dieses Vorschlages ist bereits in dem Gesagten enthalten.

47 Vl.

Endlich differiren wir mit der Kommissionsmehrheit bezüglich des bestehenden .gesezes, oder des Axt. 4 des V o r -

schlages.

Nachdem die Kommission einstimmig von der Ansicht ausging, dass die neuen Bestimmungen mit dem ..geseze von 1850 verschmolzen werden sollten, glaubten wir den Anlass gegeben, den Artikel 4 im Sinne einer bürgerlichen Ehegesezgebung zu erweitern. Jener Artikel halt nämlich noch an der kirchlichen Trauung fest, die wir als reine Gewissenssache ansehen.

Der damit verbundene Zwang, die Trauung vorzunehmen, gab nicht

selten Anlass zu Konflikten. Es ist denkbar, dass Verlobte eine kirchliche

Einsegnung gar nicht verlangen. .Jn allen diesen Fällen scheint es nun am Vlaze, wenn der Rechtsstaat pon der kirchlichen Trauung absieht, und die Ehe vor den Staatsbehörden eingehen l.ässt. Die kirchliche Trauung ist Sache des Gewissens; die staatliche Mitwirkung genügt, um dem EheGeschäft seinen juridischen Charakter zu garantiren.

Jn Umfassung dieser Anbringen empfiehlt Jhnen desshalb die Kommisstonsminderheit zu den §§. 4, 7 und 8 die mitgeteilten Zugartikel; nur als neuen Artikel den vorgeschlagenen §. 10.

Bern, den 11. Juli 1861.

Die Minderheit der kommission : Jost Weber, Berichterstalter.

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Minderheit derständeräthlichenKommission , betreffend die gemischten Ehen.

Art. 1, 2 und 3 wie die Mehrheit.

Art. 4. Jst in dem Kanton, welchem der Bräutigam bürgerrechtlich angehort, die kirchliche Trauung vorgeschrieben, so steht es den Brautleuten frei, dieselbe entweder durch einen Geistlichen der einen oder andern anerkannten christlichen Konfessionen. oder, u..o dieses von Seite des Geistlichen oder der Brautleute selbst beanstandet wird. in bürgerlicher Form innert oder ansser dem Kanton vollziehen zu lassen.

Art.

5, 6 und 7 wie die Mehrheit.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der Minderheit der ständeräthlichen Kommission über den bundesräthlichen Gesezesentwurf, betreffend die gemischten Ehen. (Vom l1. Juli 1861.)

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Jahr

1861

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

51

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

26.10.1861

Date Data Seite

40-47

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10 003 520

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