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B e r i e t

der Mehrheit .der kommission der vereinigten Bundesversammlung über die von Herrn Oberst Regler aufgestellte Amnestiefrage.

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(Vom 27. Juli 1859.) ^

Tit. l Nachdem sie in getrennten Räthen die Amnestiesrage abgewiesen haben, kann sich die kommission bei der Frage über Generalbegnadigung kurz fassen.

Wenn auch der Ständerath und Nationalrath getrennt nieht dieselbe Behorde ist . wie die vereinigte Bundesversammlung , so kann dieser doeh unmoglich die Zumuthung gemacht werden, einen andern Standpunkt einzunehmen, als die getrennten Rathe mit grosser Mehrheit anerkannt haben.

Es wäre eine kaum zu rechtfertigende Intonsequenz , wenn dieselben Versoneu , welche vor wenigen Tagen die Generalamnestie verworfen haben .

heute die Generalbegnadigung annehmen würden , denn die Generalbegnadignng und die Generalamnestie sind sowohl ihrer Ratur nach als namentlich betresss ihrer Folgen und Wirkungen beinahe identisch.

Beide sind niehts anderes als eine Annullirung des Gesezes. Die Zuwendung des Gesezes wird für alle Fälle der Vergangenheit sowohl als der Zukunft aufgehoben , es wird uicht die Spezialität des Balles berückstehtigt , ob Erschwerungsgründe oder Milderungsgründe vorhanden seien. Wie bei der Geueralamnestie wird ohue Untersuchung einfach das

Gesetz wirkungslos erklärt. Es wird im Prinzip entschieden , nicht im einzelnen Falle ; denn es würde wohl mit der Gerechtigkeit kaum zu vereiubaren sein , wenn hier keine Strafe ausgesprochen würde und in andern fällen dann noch dasselbe Gesetz angewendet werden wollte.

Was in Reapel und Rom als billig anerkannt würde, müsste auch für England, Amerika oder andere Mäehte als billig anerkannt werden. Es wäre wohl mit der Gerechtigkeit kaum zu vereinbaren, wenn bis heute j e d e Strafe aufgehoben würde , morgen aber dann das Gesetz wieder seine Anwendung

7^ finden füllte, wenn der jungem Bursche^, der, gestuft auf den Beschluss der Bundesversammlung, ^ z u Kriege dingt , später wegen dessen, was die Bun^.

desversammlung im Allgemeinen als .straflos erklärt hat , ^ur Verautwortung gezogen .würde. .Wäre ^das Geset^ .überhaupt noch anwendbar, wenn bei seiner. ersten grossern Anwendung dasselbe für .alle Fälle aufgehoben würde .^ Könnte man ^ .den^Ka.ntonen^vom Bund^ au^ noch die unaug.^ nehme ^flieht .der Exekution und^ der Volizei zumuthen^, wenn die gesetzt gebende Behorde der Schweig, welche das Gesetz vor kurzer Zeit erlassen hat , dasselbe annulliren würde ^ Es müsste diess gleichsam als . eine authentische Gesetzesinterpxetation. angesehen ^ werden , welcher die Dienst^ lustigen sowohl als oie Werber Folge leisten würden, und welche für das .Ausland ein .Fingerzeig wäre, bei kitzlichen^ Händeln ihre Fangarme wieder naeh der Schweiz ^auszustrecken.^ ..^ ^ ^ . Es . wird zwar eingewendet , es werde .nicht das^ Gefet^ , ^sondern nur

^. 1 des Gesezes abgeschafft ; allein gerade in diesem Parapra.ph ^liegt die

ganze Bedeutung des Gesezes selbst, und es heisst dieses Raisonnement so viel als, man tödte einen Menschen nicht, .n.an schlage ihm nur den Kopf ab. Es wird eingewendet, d..s Gesetz sei nicht ausführbar. es bedarf

jedoch nur. des ^Willens dazu, um dasselbe mit Leichtigkeit durchzusetzen,

und die Erfahrung in verschiedenen Kantonen hat bewiesen , dass die Schwierigkeiten durchaus kleine .unübersteiglichen sind. Es wird einge^ wendet, das Gesetz habe seinen Zweck erreicht. ^ie Anhänger des Gesetzes , zu denen die Majorität der Kommission gehort , müssen diess bestreite^ ; sie sehen in dem Gesetze eine höhere Bedeutung ; sie sehen in ihm den .^lbsehluss einer kulturhistorischen Veriode, die Fortsetzung des seit Jahrhunderten bestandenen Ringens nach Unterdrückung des Reislau-

fens. Eben so unstichhaltig ist die Einwendung , als ob gegenwärtig

nicht mehr Kriegsdienst genommen würde. ..^er geringste ^lnlass kann Jtalien (Viktor Emanuel oder die Bourbonen). Frankreich, Amerika, Holland oder England wieder bewegen , ihr Augeumerk nach der Schweiz zu wenden.

Es sind diess übrigens alles Gründe für Aushebung des Gesetzes selbst , nicht aber für Begnadigung , und der Standpunkt , aus den sich

die Vertheidiger der Generalbeguadignng stellen, ist einzig und allein dersenige der Bekämpfung des Gesetzes selbst. Weit konsequenter als die

indirekte Aufhebung wäre desshalb der Antrag aus Abschaffung des Gesetzes selbst gewesen.

Es ist diess der einzig richtige Standpunkt. Eutweder will mau Anwendung des Gesetzes und Abschaffung des Fremdeudienstes, oder aber man will die Beibehaltung ^er sremden Kriegsdienste und desshalb Schwäehnug oder Annullirung des Gesetzes. Die Mehrheit der Eommission steht auf ersterem Standpunkte, und glaubt an der Hand der Geschichte ^em ^remdendienfte entgegentreten zu müssen, und ^war mit Hin-

720 blick auf unsere republikanischen Staatsgrundsa^e. Die ^..emdendienste haben weder in dieser Beziehung, noch auf unsere politischen Varteiungen und Verhältnisse in der Schweiz wohlthätig eingewirkt. Sie glaubt ihm entgegentreten zu müssen im Hinblick auf den in der Schweiz anerkannten Grundsa^ de... Neutralität. Es ist eine Verlegung der Neutralität, wenn es Einzelnen gestattet wird, im Ramen der Ra.ti.on die Waffen zu tragen und .^rieg zu führen. Es ist diess für die Schweig um so weniger zu rechtfertigen, da diese Waffen gewohnlich gegen ein Prinzip geführt wnrden , welches die Schweiz selbst in Anspruch nimmt und proklamirt , näm^.

lich das Brinzip der Selbstkonstituirung der Volker.

Die ^.omn.^sion begnügt sieh mit diesen Andeutungen , da die Frage für und gegen den fremden ..Kriegsdienst in den einzelnen Räthen hinlänglieh erortert wurde , und es sich hier um gar nichts anders handelt , als eine notwendige Eonsee.uenz des von den getrennten Räthen bereits eingenommenen Standpunktes.

Bern, den 27. Juli l ...6l.

Samens der Mehrheit der kommission der vereinigten Bundesversammlung : .^ilh. .^ier, Ständerath.

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Bericht der Mehrheit der Kommission der vereinigten Bundesversammlung über die von Herrn Oberst Ziegler aufgestellte Amnestiefrage.(Vom 27. Juli 1859.)

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