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Schweizerisches Bundesblatt.

XIII. Jahrgang. ll.

Nr. 46.

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27. September 1861.

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Minorität der nationalräthlichen .Commission über die Frage der Amnestirung der aus fremden Kriegsdiensten zurükgesehrten Soldaten.

(Vom 22. Juli 1861.)

Tit. l Wie Jhnen der Herr Berichterstatter der Maioritat mitgetheilt hat, trennt sieh Jhre Kommission in zwei Theile. Eine Maioritat von 3 Mitgliedern beantragt Verwesung der Mot.on des Hrn. Obersten Ziegler, betreffend die Amuest.rung der aus fremden Kriegsdiensten zurükgekehrten Soldaten. Die Minorität, aus 2 Mitgliedern bestehend, beehrt steh dagegen , den Antrag zu stellen , zu Gunsten aller Militärs , welche wegen Eintritts in fremden Kriegsdienst der durch ...lrt. 1 des Bundesgesezes vom 30. Juli 185.) vorgeschriebenen Strafe verfallen sind, eiue Amnestie zu bew.ll.gen. D.eser Artikel betrifft nur diejenigen M.litärs, welche ohne

Bewilligung des Bundesrathes in sremde Kriegsdienste getreten sind, nicht

aber diejenigen V..rsonen . welche das Werber..Handwerk treiben oder d.e Reislauferen begünstigen . d.ese ledern Versouen h.itten , nach der Ansicht der Kommission, an der vorgeschlagenen Amnestie keinen Antheil.

Die Minorität fühlt sich gedrungen, z.. erklaren, dass sie ans dieser Angelegenheit u.cht e.ne Frage der Opposition gegen d.e vollziehende Behorde macht, obgle..h sie über diesen Gegenstand die Ansichten des Bundesrathes nicht the..lt , man erhebt keinen Meinungsstreit , wenn die Bundesblatt.

Jahrg. X I I I .

Bd . I I .

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.

Stellung von ..Hunderten von Versonen in Frage steht. ^- S^ ^i-t hn gegentheil zu , dass für Verweigerung der Amnestie plausible Gründe sprechen mogen, nämlieh: der Umstand, dass das Gefez neuern Datums ist, dass die Militärs, um welche es sieh handelt, wirklich in die .^ate^orie derjenigen fallen, weiche das Gesez bestrasen wollte; dass es unumgänglieh nothwendig ist, mit Strenge einzuschreiten, um die Erneuerung der Kapitulationen und der Werbungen sur fremde .Kriegsdienste zu verhindern; dass eine allgemeine Amnestie zu diesen Werbungen und Eapitulationen durch die Aussicht auf spatere Nachgiebigkeit und fast fixere Straslosigkeit ..usmuntern würde. endlich zn verhüten, das stets fatale Beispiel der .....iehtahndnng der Uebertretung eines Geseze... zu geben.

Die Minorität steht nicht an, anzuerkennen. dass der Bundesrath durch Einleitung des Strafversahrens gegen diejenigen Militärs, welche in Missachtnng des Gesezes in fremde Kriegsdienste getreten sind , eine

ihm durch dieses Gesez auserlegte Bslieht erfüllt hat. Sie ist auch weit

entfernt, die Interpretation ^u tadeln, welche der Bundesrath diesem Geseze in Betreff derjenigen schweizerischen Soldaten gegeben hat, welche sin. die Unabhängigkeit Jtaliens getampst haben.

Weit entfernt, ihre Motive aus eine.. feindseligen Stimmung zu sehopfen , mochte die Minderheit der kommission vielmehr die Ausgabe der Behorde erleichtern.

Wir erlauben uns noeh hinzuzufügen , dass es nicht der Stellung des Bundesrathes entsprechend gewesen wäre, die vorgeschlagene Maßregel ^u befürworten.

Die Minorität ist, wie oben bemerkt, weit entfernt, den Werth der erwähnten .Argumente zu verkennen, aber, um ihren Antrag zu rechtfer-

tigen, stü..t sie sich auf die Schwierigkeit, die Schuldigen ^u entdeken und

das Gesez in den verschiedenen Kantonen in einer billigen Weise auf die grosse Zahl nieht bestrafter Soldaten und soleher. bei welchen eine Bestrasung wahrscheinlich nicht moglich sein wird, so wie der noch grosseren Zahl Soldaten, welche der Strafe bereits sieh haben entgehen konnen, in Anwendung ^u bringen. ...^ie stüzt sieh aus die ......hatsache , dass die ^Umstände, welche das Gesez hervorgerufen haben, nicht mehr bestehen oder vollständig verändert sind, endlich aus die ..^hatsache, dass wir am Ende eines Rustaudes uns besiudeu. der das Recht seines Bestehens hatte, der aber, wir hossen es, nieht wiederkehren wird, und dass wir mit unsern Kapitulationen eine wirkliche Liquidation vornehmen, mit einem .Wort, dass der wesentliche Zwek des Gesezes durch die vorgefallenen glükliehen Ereignisse erreicht ..st.

Die Minorität bedauert, für die Ausarbeitung ihres, eine so wiehtige Sache betretenden Berichtes so wenig ^eit gehabt zu haben. Wenn

dieser Bericht unvollständig und nachlässig gesehrieben ist, so dars sie

aus dem Grunde aus Jhre Rachsicht bauen, weil die Botschaft des Bnudesrathes ihr erst gestern Rachmittags übergeben worden ist.

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Untersuchen wir die Thatsaehen. ^ ^ Unterm 30. Juli 185..) haben Sie e.n Gesez votirt , dessen^ Artikel 1 folgendermaßen ^lautet: ,,^er Eintritt in diejenigen Truppenkörper des Auslandes, weiel.e nicht als Rationaltruppen des betreffenden Staates anzusehen sind , ist ohne Bewilligung des .Bundesrathes jedem ^chweizerbürger untersagt. ^ dieses Gesez wurde nicht beobachtet, denn die Anwerbungen geschahen seit Erlassung desselben in ziemlich grossem .Massstabe.

. .

^lus den vom Bundesrathe gemachten Angaben geht hervor, dass unter 2913 Soldaten und 83 Offizieren, welche über Loear.no und Genf in

^ die Schweiz zurükgelangten, 1071 Soldaten und 4 Offiziere in den Bereich des Art. 1 des Gesezes fallen, weil sie, nach ihrem eigenen Geständniss, seit Veröffentlichung des Werbgesezes in fremde Kriegsdienste getreten waren.

.

^ Von dieser Zahl erachtet man 111 als gerichtlich bestraft, so dass noch 960 ..Soldaten und 4 Offiziere zu beurtheilen bleiben. Raeh d.^n neulichen, dem Bundesrathe zugekommenen Rachrichten schazt derselbe die

Zahl der bestraften Militärs aus mehr als 200,. so dass noch ^00 übrig

bleiben würden.

Wir glauben mit Recht annehmen zu dürfen , dass von diesen 800 Mann nur wenige von den Strafen des Gesezes erreicht werden, und dass sie nur die vielleicht ebenso betrachtliche ^ahl derjenigen per..

mehren helfen werden , welche aus einem oder anderm Grunde den Wirkungen des Gestes sehon entgangen sind. ^enn der Bundesrath berichtet uns folgendes über die .^lrt und Weise, wie die Zählung der Strafbaren vorgenommen wurde.

Schon vor der Auknnst des .Kommissariats in Loearno hatten mehrere Detasehemente ihre Rükkehr durch das Tesfin bewerkstelligt; andere. kamen nach Aushebung desselben nach , ohne daher einer Kontrole zu unterliegen. .^iess konnte um so leichter gesehen, da die piemontesisehen Behorden durchaus nicht strenge darüber wachten, dass die Soldaten nach ^oearno instradirt wurden. Eine kleinere Anzahl kam über Magadino.

Andere, mit ^Geld versehen, konnten sieh einen beliebigen Weg wählen, und kamen so unkontrolirt dureh.

Es ist also Thatsache, dass kleine ^etaschemente auch über Genf und Eomo zurükgekehrt sind, dass eine grosse Menge Militärs sehon vor der .Aufstellung des Kommissariats und nach .Aufhebung desselben durch das Tesfin heimgekommen sind.

Jhre Anzahl und ihre .^amen sind unbekannt.

^er Bundesrath fügt bei, aus dem bereits Gesagten ergebe sich, dass er nicht wissen konne, ^ie viele Personen das Gesez übertreten haben.

Aus den eingegangenen Aufschlüssen ^er Kantone geht ferner hervor. dass diese nichts gethan haben, um die Anzahl der Straffälligen zu ermitteln.

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Aus Vorstehendem lässt sich aber schössen, dass diese Zahl sehr gross ist und noch viel bedeutender wird , wenn man die 800 noch nicht in Untersuchung gezogenen und alle die in der .Schweiz selbst wohnenden Straffälligen , oie einer ......erurtheilung entgangen sind , hinzurechnet.

Alle Listigen also, die gut Berathenen, alle die mittels ihres ..Feldes

ihren Weg felbst wählen konnten, alle die unter dem Schule gleichgültiger

Behorden zuriikgekommen sind , werden der geglichen Strafe entgehen.

Diejenigen hingegen, welche von der sardinischen Regierung amnestirt und ohne jegliche Bedingung entlassen worden und znrükgekehrt stnd, um ohne Hintergedanken, in der ganzen Ausrichtigkeit ihres Herzens wieder in ihrem Vaterl.aude zu leben, die, welche die Wahrheit gesagt haben, müssen ^ Strafe erdulden. Sie wird vorzugsweise diejenigen treffen, welche in ihrer Heimath bleiben und wieder arbeiten wollen.

Wahrend der Bundesrath den Kantonen ihre Lässigkeit zu^ Vorwurs macht, sagt er gleichwohl, dass er keineswegs verlangt habe, ,,dass dabei iu serupuloser W.eise hätte v e r f a h r e n w e r d e n sollen.^ Der Mangel jeder xegelmässigen Kontrole zur Konstatirung der Anzahl der in den Bereich des gesezes gefallenen Angeworbenen , die geringe Sorgfalt, womit hiebei verfahren wurde, die bedeutende Zahl derer,

welche dem richterliehen Urtheil entgehen, bildet gewiss die bitterste Kritik

der Jdee , gegen diese Trümmer unserer Kapitulationen mit Härte einschreiten ^u wollen.

Jn der Erforschung der Strasbar.m, vorausgeht, dass man alle kennen würde, und in dem ^.lusmass der Strase tritt die ungleiche Anwendung des gesezes und die Unmacht der Bundesgewalt , einem sol.chen Rustaude abzuhelfen, vorzugsweise ^u Tage, entgegen den Prinzipien der Gerechtigkeit und Gleichheit, die da herrschen sollen, wo alle Bürger dem nämlichen Gese^ unterworfen sind.

Während einzelne Kantone . .vie Glarns und Appenzell A. Rh., sich beeilten, .^ie Strafbaren ^.. erforschen und die ges.^liehe.. ^trasen über sie ^u verhängen, haben andere Kantone rein nichts gethan. Dieses Resultat und die Unmöglichkeit, dasselbe .^u ändern, spre..hen mit siegreichen Gründen für Annahme der Motion des Herrn Obersten Regler.

Wir wollen hierüber die Kantone sprechen lassen.

1. .^u^ern berichtet am 11. Juli: ^ür Anhebung der Untersuchuugen gemass der Kreisschreiben vom 26. Rov^mber 18l^0 und 21. ^ebruar l 8^1 sei noch gar nichts geschehen. Ledere seien seiner ^..it dem Regierun^srathe vorgelegt worden^ allein dieser habe gesunken, dass , wenn solehe massenhaft^ Untersuchungen und .^erurtheilungen schon überhaupt nicht rathsam seien, eine strafrechtliche Untersuchung i.. vorlieg..n.^er ^ache noch mit g...^ besondern Schwierigkeiten un^ Unbilligkeiten begleitet sein n.üsste, und ^war deswegen, weil an Bestrafung der ^..ffiziere Niemand denke , . und von de.. heimgekehrten Soldaten selbst auch viele durch sofortige Wiederentsernung sich der Untersuchung und Strafe

711 ^chon zum voraus entzogen gehabt, es steh^also nur ^noeh um die Bestrafnng der ^urükgebliebenen , man dürste füglich s-gen, der Bessern, einer ehrbaren bürgerlichen Beschäftigung .mehr Geneigten handeln konnte.

^lus diesen ..gründen habe die ^Regierung beschossen, die Sache einstweilen aus sieh beruhen ^u lassen. Diesem Berichte fügt das Bolizeidepartement im Auftrage des Regierungsrathes bei,.dass dieser. eine allgemeine Amnestie derjenigen, welche den Art. 1 übertreten haben., al.^ sehr zeitgemäss begrüssen würde.

^ . . ^ . .. .

^ ^.2. S o l o t h u r n hat keine Urtale ausgefällt.

3. St. Gallen, d. d. 12. Jnli. Seit November vorigen Jahres ^ bis Marz lausenden Jahres seien 165 (156..^ .^antousbürger zur Untersuehung und Strafe^ verneigt worden. Wegen der gross.^n Schwierigkeit einer solchen Strafeiuleitnng und dem grosseu Aufsehen, welches dieselbe erregt haben würde, da in seden. Bezirke 10^ 20 Jndividuen hatten vor Gericht gestellt werden müssen, ^ habe man einige Zeit mit der Vollziehung

des Gesezes gezögert. ^lls dann bekannt geworden sei, dass die Bundes-

Versammlung mit der Amuestiesrage sich befassen werde , habe die Regierung keinen Anstand genommen, alte Massnahmen ^u suspeudiren, und sogar sieh entschlossen, eine mit 57 Unterschriften .^ersehene Betition um .Amnestie dem Bundesrathe zu übermitteln und zu befürworten. Unter diese.. Umständen sei es .auch als ^ billig erachtet worden, den Vollzug Zweier vom Bezirksgerichte Gossau erlassener^ Urtheile zu verschieben.

4. Genf, d. d. 13. Juli: 39 der ^erwiesenen 74 Jn.dividuen seien von dem Justruktiousrichter verhort worden , die andern 3.^ dagegen haben noch nicht aufgefunden werden können. Die Brozedur^sei vollständig, aber der ^lnklagekammer noch nicht vorgelegt worden..

5. Aargau,. .nachdem es die verlangten statistischen Aufschlüsse ertheilt hatte, süat bei. Die Staatsanwaltschaft des. I. greises ^bemerkt in ihrem bezüglichen Berichte : Ueber die Stimmung der Bevölkerung

gegen die Vollziehung des Gestes, über die negative^Haltung aller mit

den Untersuchungen ^in Berührung .gekommenen. Amtspersonen ^habe sie bereits in einem Schreiben anöden Regierungsrath vom 18. Dezember 1860 sich ausgesprochen. Die Staatsanwaltseha^ft habe keinen Beruf gesuhlt, das ^lu^t des .Anzeigers selbst ^u versehen; und da weder von Aemtern, uoeh von Brivaten Anzeigen eingelaufen, so seien nur diejenigen Jndividuen zur Beurtheilung gekommen , welche in den bundesräthliehen Ver^lchnifse.. aufgeführt stehen. Di^se nennen nur Soldaten. .^eute, welche notorisch seit dem Erlass^des Buudesgesetzes ^fsiziersstellen in romischen Diensten angenommen, seien aus diesem Gründe vor ^erf.^lgung sicher geblieben; Riemaud sei als Anzeiger aufgetreten, und Verfolgung

von Amtes wegen wäre ^ls Gehässigkeit, nicht als Akt^de... Gerechtigkeit

betrachtet worden.

..

. .^ . ...

.^ ^ ^. ^.reiburg. Die Zeut^alpolizeidirektion sehe sieh hier zu der Bemerkung veranlagt, dass der sreiburgisehe Riehter einen gewissen Wider-

712 willen habe gegen die Bestrafung der armen Soldaten , während die gleichen grasen nicht angewendet werden gegen die grossen ^pauletten.

Die mit den Verschreiben von. 2^. Rovember 1860 und 20. ^.ebruar 1861 von dem Bundesrathe übersendeten Listen seien den verschiedenem kompetenten Berichten zugewiesen worden.

7. ^ug. . Anfänglich sei in der Vollziehung de... bundesräthiichen Kreissehreibens geziert worden, weil man sieh überzeugt habe, dass da...

übersendete Verzeichniss unvollständig sei ; au.h seien nicht alle Jndividuen anwesend gewesen. ^..p.i.^er habe mit ziemlicher Bestimmtheit verlautet, dass dieser Gegenstand bei d^n Bundesbehorden ^ur Verhandlung komme.

darauf gestuft l.^be der Regierung^rath , in Uebereinstimmung mit andern h. ^ a n t o n s r e g i e r u n g e n , den Besehl.nss gefasst, die ^ebnisse dieser Verhandlungen vorerst ab^uwarteu, und inzwischen ^as vorg.^ schriebene Strafverfahren gegen die Betheiligten einzustellen.

Jn Zürich sind vier Urtheile vollzogen worden.

Aus diesen Berichten ergibt sieh nun folgendes übersichtliche Re^.

snltat :

L Die Untersuchung haben absichtlich und nach sormlichem Regierungsl.eschlusse nicht eingeleitet. .^uzern, ^ug und ^t. Gallen.

ll. ^ie Untersuchung haben ^war eingeleitet, aber un.. die Voll^ ziehung nicht weiter sieh bemüht. Bern, Uri, Solothnrn und Gens.

llL ^ie Anklagen haben eingeleitet und theilweise beurtheilt: a. mit eigener Kontrole und Ueberseudung der Urtheile an das eidg.

Justiz- und .^oli^eidepartemeut : Zürich, Basel^tadt, Basel-.^andschaft, ^lppenzell J. Rh., Graubünden und Aargau, b. ohne ^ontrole und ohne Einsendung der Urtheile .

Freiburg, Sehaffhaus..n, Thurgau, Waadt und Reuenburg. (^ie eingekommenen 2 Ur^heile von Waadt haben speziell eingefordert werden müssen.)

lV. Die Vollziehung beendigt haben : Glarus und .^lppen^ell ...l. Rh.

.^lus diesen Berichten ersehen wir, dass eine verhältuissmässig ^ geringe Zahl von Strafurtheilen wirklich vollzogen worden sind, dass fast alle Kantone die Entscheidung über die Frage, die Jhnen vorliegt, abwarten wollen, bevor sie ^ur Ausführuug der gerichtlichen Urtheile schreite^, dass einige Kantone Amnestie verlangen, dass eine grosse Anzahl dieselbe erwarten und jede geriehtliehe Verfolgung unterdessen eingestellt haben.

Ja, noch m..hr. Der Bundesrath selbst th^.il.. den Gedanken einer formlichen Amnest^, oder do.h des Geh.nlassens, was derselben in Wirklichkeit nahe käme , diess geht aus seinem Ansspruche gegeuüber einer Mittheilung des Bezirksgerichts Winterthur hervor, laut wel^.r eine ^lnzahl Angeklagter erklärte,^ sie hätten von diesem Geseze nichts g..wusst. Sobald die Regierung von Zürich von dieser Mittheilnng Kunde erhielt, wandte

713 sie sich an. den Bundesrath mit der Anfrage , ob er Beweismittel an der Hand habe, dass diese Militärs das Gesez .wirklich gekannt hatten. Der Bundesrath antwortete hierauf: ,,Jhre Anfrage, ob wir den Beweis zu ,,führen vermögen , dass den Betreffenden von fraglichem Geseze Kenntniss gegeben worden sei, müsse.. wir verneinen, und es mag daher die Klage ,,gegen solche Jndividnen fallen gelassen werden, zumal schon verschiedene Berichte aus Grund wirklicher oder an.l. nur behaupteter Richtkenntniss ,,des angezeigten Bnndesgese^s freisprechende Urtheiie erlassen habend Man sieht, dass wir keineswegs gesonnen sind, das Gesez in rigoroser Weise durchzuführen , und dass wir geneigt find , allfällige Härten

^ durch billige Rüksichten auszugleichen.

Alte diejenigen also, Tit., welche verschweigen, dass sie sich ..seit der Publikation des Gesezes aufs Reue haben anwerben lassen oder wieder in.

Dienst getreten sind (denn die Bu..desbehörde erklärt wiederholt,. dass das

Verzeichnis der Strasbaren nach dem eigenen Geständnisse der Betheiligten ausgefertigt wurde). - alle diejenigen , welche erklären , dass sie keine Kenntniss von dem Geseze gehabt haben, gehen frei aus.

Wiederholt sei es gesagt , man wird nur diejenigen verurtheilen,

welche die Wahrheit gesprochen haben. Und dazu bietet die Bnndesgewalt

ihre Hand. Man überlasst den .Kantonen die ..^orge, so wenig Lente als moglich zu bestrasen, und sie werden nach Analogie des Bundesrathes ans gütlichem Wege vorgehen. Man sieht, in was für vexwikelte, in was für unentwirrbare Verlegenheiten uns die Jdee führt, unter solchen Umstäuden das Gesez vollziehen zu wollen.

Wie weit würdiger wäre es doch, dieser ganzen Geschichte durch eine Amnestie ein Ende zu machen.

Die Umstände, welche das Gesez herbeigeführt haben, bestehen nicht mehr, oder sind pollig verändert. Das Gesez von 1859 ist erlassen worden , um die geglichen Strafbestimmungen zu vervollständigen , welche die Anwendung des Art. 11 der Bnndesversassung, worin die Militärkapitulation^n und eben dadurch der fremde Militärdienst verboten wurden, notwendigerweise verlangte. Diess ist der juridische Beweggrund zu diesem Geseze. der Bundesrath selbst gibt es zu. Wir wollen hier nicht untersuchen, ob man nicht über die Brämissen hinausgerathen und vb die individuelle Freiheit nicht allzu sehr geopfert .worden sei. Wir fügen uns der vollendeten Thatsache. Es weiss aber Jedermann, dass dieses Gesez ausserdem ja vorzugsweise den Zwek hatte, den Verfall, die Auslosung und das Verschwinden unserer Schweizerregimenter , die seit.

dem Aufhoren unserer Militärtapitnlationen noch im Dienste des Königs pon Reapel oder des heiligen Vaters geblieben waren, zu beschleunigen.

Man wollte endlich die italienischen Völkerschaften über die Absichten der Schweiz, bezüglich ihrer beruhigen, und wenn möglich, der Gereiztheit ein Ende machen , welche steh bei ihnen gegenüber den in Jtalieu und vorzugsweise in Mailand niedergelassenen Schweizern öffentlich kund

714 gal.., und welche auf die^ Nachricht der ^räuelthat^n, welche den Sehweizern vorgeworfen wurden , immer heftig^ ....ard. Die Ereignisse in Perugia insbesondere .hatten, und mit Recht, einen sehr schlimmen Ein^ druk gemacht.

Rach diesen verschiedenen ..Gesichtspunkten ist der Zwek , den man im ^.uge hatte, erreicht. Unsere Regimenter sind entlassen. worden. was noch etwa in Rom ist, wird, wir hoffen es, bald verschwinden. Wir glauben gerne, dass das italienische Volk über unsere .Absichten beruhiget sei, und dass .der Sie.^, den e.^ errungen, seine gereizte Stimmung entfernt habe. Das ist nicht nnr eine biosse Hoffnung, die wir hegen, sondern

das Betragen der Eivil- und Militärbehorden liefert uns hiefür den that-

sächlichsten und augenscheinlichsten Beweis. Sie hätten unsere Landes....ngehorigeu , die sie bei sich anlasen , die Wassen in der Hand , strenge bestrafen konnen ; sie hätten das Recht gehabt , dieselben exemplarisch zu züchtigen ; aber Behorden und Volk haben sich aller Repressalien ent.^ halten . unsere Landsiente wurden amnestirt und frei und ohne Bedingung naeh ihrer Heimath zurükgesehikt. Sollen wir strenger verfahren , als das misshaudelte italienische Volk; sollen wir diesen Männern die Amnestie verweigern, welche einige derselben von uns erbitten^ Rein. Die Verhältnisse find n.cht mehr die nämlichen. Wenn nicht glükliche Ereignisse dieselben vollig verändert hätten . wenn sie geblieben wären, was sie waren, dann sähen wir,. entgegen dem Geseze, die ^lnwerbuugen in Masse, wie früher. Das ist aber nicht der Fall. Die glüklichen Begebenheiten, welche die frühere Lage so sehr veräußert haben, sollten uns znr Milde stimmen. Denn das sind freudige Ereignisse, die wir damit feiern sollten, dass wir vergessen, was vorgegangen ist.

Wir sehen einen Zustand vor nns verschwindet, der einst seine Bereehtigung hatte. Wir stnd aus dem alten Stande der Dinge in ein neues Verhältniss zn den Militärkapitulationen getreten, welche, wir hossen es, nie wiederkehren werden.

Wer wollte läugnen, dass es eine Zeit gab, wo die ^chwei^ es sich zur Ehre anrechnete, ihre Sohne im Dienste der europäischen Mächte zu wissen. Errothen wir nicht über unsere Vergangenheit ; denn sie hielt daraus, auch auf den Schlachtfeldern dureh tapfere und kriegsgeübte .^ol^ daten vertreten zu sein und diese Zeit liegt nicht so weit hinter uns.

Auf die Gefahr hin, getadelt zu werdeu, sind wir beinahe versucht, uns zu fragen, ob wir, wäre uich^ das Wiedererwaehen des franzosischen Volkes Anno 1830, und in Folge^ dessen die Entlassung unserer kapitulirten Regimenter gewesen, ob wir nicht jezt noch einige Mitbürger im Dienste Frankreichs sahen. Es ist ein starkes Bedürfnis^ bei uns, dem Wasfenhandwerk sich zu widmen, und diess^ bedarf der Rahrung. Heute hat uns das italienische Volk durch seine Erhebung, nach dem Beispiel ^es sranzosischen , von unsern lezten .Kapitulationen befreit.

715 Anerkennen wir frei, dass die äussern Verhältnisse eben so sehr wi...

unsere eigene Thätigkeit un.^ zu d^ Erwartung berechtigen, die Manie, einer fremden Regierung zn dienen, erloschen zu sehen. Aberkennen wir doch, dass die aussern Ereignisse mächtig dazu beigetragen haben, uns nach dem Ziele, das wir anstrebten, hinzuführen.

Wir nehmen eine eigentliche Liquidation unserer .Kapitulationen por, und zwar schneller, als wir je hoffen durften. Um sie aber vollständig und schnellstens zu beendigen, müssen wir die Vergangenheit begraben, müssen wir uns, ich wiederhole es, beeilen, der Vergessenheit alle diese Unordnungen zu überliefern und sie . mit dem Mantel der Amnestie bedeken.

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Wir hoffen also , . dass der alte Zustand nicht wiederkehren werde.

Es dürfte am Vlaze sein, hier den Einwurf anzuführen, womit dex Bundesrath seine Botschaft sehliesst, und welcher, nach unserer Ansicht,

der einzig stichhaltig.^ und gewichtige ist.

^ Wol, sagt der Bundesrath, sind die .Kapitulationen entweder durch Ablauf der Zeit oder durch Gewalt jezt ^gelost; allein sie konnen in dieser oder jener Form leicht wieder entstehen , und würden ohne Zweifel wieder auferstehen.. sobald die politischen Verhaltnisse, welche sie gestürzt, sich ändern sollten. Soll man dann, auf abermals veränderte Umstände gestüzt, das Gesez wieder einführen, oder ist es nicht besser, den in diesem Falle. wahrscheinlichen politischen Verwikelnngen vorzubeugen^ Dreissig Jahre sind bereits verflossen , seit unsere in Frankreich ka^ pitulirten Regimenter von dort zurükgesehikt wurden. Von dieser .^eite haben wir allen Grund zu glauben, dass das frühere Verhaltniss nicht wieder erstehen werde. Zwar haben wir vor einigen Jahren einen Versuch in dieser Richtung erlebt: die Legion ^ehsenbeiu. Aber der geringe Erfolg, den dieses unglükliche Unternehmen hatte, sichert uns genügend vor jedem neuen derartigen Versuche. Dass von Jtalien ans wieder .Kapitulationen ^ entstehen sollten, ist nicht wahrscheinlich.

Wir wollen uns nicht herausnehmen , die Ereignisse zu beurtheilen, die i.n diesem .Lande stattgefunden haben. Jmmerhin glauben wir ,^ dass die Unabhängigkeit^ Jtaliens. gesichert sei. ^wei Arten der Konstituirung stehen jezt im Vordergrund. Entweder eine einheitliehe Regierung und Centralisation der Verwaltung, oder ein Bundesstaat und in Folge dessen Dezentralisation der Verwaltung. Wenn wir die Wahl hätte.., so würden wir die föderative Form vorziehen. Wir würden uns, um der Gleichartigkeit unserer Jnstitutioneu. willen noch mehr zu diesem Lande hingezogen fühlen, und ohne zu weit zu gehen, dürfen wir wol sagen, dass es dabei zu einem vollständigen Genuss der Freiheit käme.

. ^ Wählt Jtalien die Einheit,..eine konstitutionelle Monarchie, so wird es eben ^so wenig wieder Kapitulationen zulasseu, als das .konstitutionelle Frankreich v.ou ^unfern Soldaten. wieder etwas .wissen ^wollte. ^ieht es

716 hingegen die ^orm des Bundestages vor, so ist nicht daran zu zweifeln, dass die Verfassung den ein.^lneu Staaten das Recht untersagen werde, freunde Truppen in ihrem Dienste zu halten, Soldner, welche dem einen oder andern dieser Staaten einen künstlichen Einfiuss gewährten , den er ohne dieselben nicht haben konnte. ...^.as ist eine Garantie, welche die einzelnen Staaten verlangen und sich gegenseitig gewähren werden. Befüglich anderer Staaten ist nichts zu befürchten.

Hiemit scheint uns der Einwurs des Bundesrathes gehoben ^.. sem.

Und gewiss, wenn Europa einer jener ties eingreifenden und nnvorhergesehenen Reaktionen erliegen sollte. gegenüber welchen wir zn ohnmächtig sind, nm ^as Uebel zu beschworen, da die Ereignisse stärker sind als unser Wille, --- dann würde unser Gesez von 185..) nur eine sehr schwache Schranke gegenüber den Veredlungen sein, die in einem solchen Falle die unausbleibliche Folge sind.

Solche Eventualitäten, Tit., haben wir jedoch nicht vorauszusehen.

Lassen wir uns vielmehr von dem .Bedanken leiten, dass Europa ans einer Bahn ist, wo es steh, so zu sagen friedlich, im Sinne des Fortschrittes umzuwandeln vermag. .

Selbst die absolutesten Reiche lenken in konstitutionelle Bahnen ein, ein sicheres Bfand weitern Fortschrittes, dem, wir sind dessen beinahe gewiss, wol keine ernstliehe Reaktion mehr sollen wird.

Aber, sagt man, wenn die Amnestie ausgesprochen wird, so er,istirt das Gesez nicht mehr, so ist es, moralisch wenigstens, widerrusen , denn man wird es später nie mehr anwenden konnen.

Man muss diesen.. Einwnrs nicht mehr Gewicht beilegen , als er wirklieh verdient. Wir geben durchaus nicht zu, dass eine Amnestie ein Strafgesez umstosse.

Wir gehoren vielmehr zu denen, welche anerkennen, dass, nach einem

gewissen Gesichtspunkte, das Gesez durch die Amnestie sogar bestätigt

wird, denn, um zu amnestiren, muss doch Strafbarkeit vorhanden sein.

Es muss eine strafbare, oder als solche angesehene Handlung vorliegen.

Und wenn ein Staat aus hohern Rüksichten , gegenüber ganz besondern Verhältnissen entscheidet, dass dieses oder jenes Gesez nicht anwendbar sei, so ist das kein Grund, um das Gese.^ aufzuheben, oder dass es in Zukunft machtlos sei. Moge man nicht aus dem Auge verlieren, dass die Amnestie selbst eine Art Strafe ist.

Rein, das Gesez kann bleiben. und es soll bleiben.

Aber^ wie es der Bundesrath angewendet wissen will, verliert es einen grossen Theil seiner Wichtigkeit.

Es würde demnaeh genügen, wenn ein Staat, der gerne schweizerische Soldaten hätte , dieselben einfach einem Korps Rationaltruppen .^..theilte oder erklärte, dass diese Truppen einen Theil der nationalen Armee ausmachen, um die Aussällung von Strafnrtheilen zu erschweren.

717 .^ieruber m.iss man sich auch nicht wundern ; wir erinnern nur daran, dass das Gesez wesentlich nur gegen die kapitnlirten Schweizerregimenter gerichtet ist. Diese Regimenter sind nicht mehr vorhanden ; der ^wek des Gesezes ist erreicht, und aus diesen. Gesichtspunkt sind wir weit entfernt, etwas gegen die Jnterpretation einzuwenden^, welche der Bundesrath dem ^lrt. t gegeben hat.

Wir wünschen die Beibehaltung des Gesezes. und wenn man in der Folge seinen wahren Charakter herstellen konnte, den nämlich, jeden zu .^strafeu,^ der ein ..^.ruppenkor^s sormirt oder befehligt, welches schweizerischen Ramen, o.^er ^chwei^rische Uniform, .oder schweizerische Feldzeichen ^ trägt , so wie anch die einzelnen Soldaten , die dazu gehoren , sei ein solches ^orps als Rationaltruppen anerkannt oder nicht, dann würden wir uns darüber sreuen. .^lber bis dahin kann das Gesez, so wie es ist, gleichwol bleiben.

Die Minderheit will ihren Bericht mit einer allgemeinen Betrachtung schließen. ^ind die schweizerischen Stände, die Bundesregierung und die kantonalen Behord.... eben so sehr .me die Bevölkerungen nicht mehr o^er weniger Mitschuldige au dieser ganzen Angelegenheit^ Wir befordern in hohem Grade die .^iebe ^u d^ Waffeu, die Liebe zum Soldatenstand, und daseist gut. Wenn aber einige unserer ^andesangehorigen, nachdem sie in ausländischen Militärdienst getreten, sich wieder dem Vaterlande zuwenden und nach langer Dienstzeit peusionsbereehtigt find, thun da nicht alle Regierungen, weit entfernt, sie darum zu tadeln, selbst diejenigen solcher Kantone, deren Geseze den ^ ausländischen Militärdienst bestrasen, thun sie nicht ihr .^ogliehstes , damit solche Pensionen zugestanden und regeln.ässig ausbezahlt werden^ Wir n. ollen deu Gedanken nicht weiter ausdehnen.

Die Minderheit^ der Kommission , gestuft auf die vorstehenden Betrachtungen, hat die ^hre, Jhnen vorzuschlagen: ,,Es wird über alle vor Erlass des gegenwärtigen Bundesbeschlusses stattgesundenen Übertretungen des ^lrt. 1 des Gesezes vom 30. Jnli 1859 Amnestie ausgesprochen.^

Bern, den 2.^. Juli 1861.

Die Minderheit der .kommission : ^.

^

^. Bal^er.

^

L. ^. .^elara^ea^ Berichterstatter.

^ote. Die Majorität der. Commission , bestehend au.^ den .^..rren .^feher, ^ i g g e l e r uud B e r n o l d , für weleh^ .^err ^^. A.^ A s c h e r mündlich referirte, s t e l l t e folgenden ^n.^rag ^ . . .

^.^^ sel der. ^^ion kei^e weitere .^olge zn g^.ben.^

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Bericht der Minorität der nationalräthlichen Commission über die Frage der Amnestirung der aus fremden Kriegsdiensten zurükgekehrten Soldaten. (Vom 22. Juli 1861.)

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