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Bundesratbsbeschluß in

Aachen der Marianna Wagner für

sich und Benedikt

von Erschwyl Kts. Solothurn, betreffend

Testirfähigkeit.

(Vom 11. April 1866.)

D e r schw e i z e r i sche B u n d e s r a t h hat

in Sachen der Marianna W a g n e r für si.h uud Ben ed i k t .Correr pou Erschwyl, Kts. Solothurn, betretend Testirfähigkeit; uaeh augehortem Vexichte des Justiz und Polizeidepartements und nach Einsieht der Akteu, woraus sieh ergeben: 1.

Maddalena Borrer von Erschwyl verlegte ihren Wohnsiz im

Jahr 1849 nach Steinen, Kts. Schwyz, und wurde am 14. März 1850

von ihrem heimatlichen Amtsgerichte Dorneck-Thierstein bevogtet. Am 28. Mai 1864 errichtete sie in Steinen ein Testament und verstarb daselbst am 10. September gleichen Jahres. Jn diesen. Testamente verfügte sie zu Guusten der heutigen Rekurrenten und der Kirche und Schule zu Steinen ..... uber Fr. 4200 von ihrem Fr. 9525. 31 betrageuden Vermogen. Der Rest sol.lte ihren natürlichen Erben, nämlich Geschwistern und Geschwisterkindern (worunter auch der Rekurrent Benedikt Borrer) zufallen. Die Jntestaterben haben jedoch dieses Testament

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als ungültig angegriffen , während die Rekurrenten die Gültigkeit desselben verteidigten. Das Obergericht des Kantons Solothnrn erklärte

aber mit Urtheil vom 9. März 1865 fragliches Testament als ungültig, weil a) nach ^ 557 des solothurnischen Zivilgesezbuches bevogtete Angehorige des Kantons Solothurn unfähig seien , in einer andern als der in ^ 560 des Zivilgesezbuches vorgeschriebenen Form (notarialisches Testament) zu teftiren, das fragliche Testament aber dieser solennen Form in keiner Weise entspreche ; h) dem erwähnten Testamente übrigens auch die im Kanton Schw.^z vorgeschriebene Form abgehe , da nach dem dortigen Landrechtsartikel von Anno 1537 jede leztwillige Verordnung an die unerlässliche Form gebunden sei , dass sie durch die Landleute (be^ ziehungsweise den Rath) eorroborirt werde, was im vorliegenden Falle unterblieben sei ; und c) mithin fragliches Testament , abgesehen von dem materiellen Jnhalte desselben, sowohl bezüglich der relativen Testirungssähigkeit der Testatorin, als auch jedenfalls bezüglich der Form den gesezlichen Vorschriften nicht entspreche.

.^. Mit Eingabe an den Bundesrath, d. d. Dorneck, Kts.

Solothurn, den 21. Hornun^ 1866, hat die Marianua Wagner von Rickenbach , Grossherzogthum Baden , sür sich und Ramens Benedikt Borrer in Erschw^l, gegen das eben erwähnte Urtheil xekurrirt und das Gesuch gestellt , es mochte dasselbe in so weit ausgehoben werden , als darin die Form des von der Jungsrau Magdalena Borrer in Steinen, Kts. ....^chw.^, errichteten Testamentes nach den Rormen des Kantons Solothurn beurtheilt wordeu sei.

Znr Begründung dieses Gesuches führt die Rekurrentin aus , daß der ^ 557 des solothurnischen Zivilgesezes nur aus Testamente an^endbar sei , die im Kanton Solothurn errichtet werden. Jn diesem Sinne lauten auch die ^ 4 bis inel. 8 des solothurnischen Zivilgesezes. Das in Frage stehende Testament sei vielmehr lediglich nach

dem Wortlaute des Konkordates A vom 15. Juli 1822, welchem die

Kantone Solothurn und Schw^z angehoren , zu beurtheilen. Darnach sei die Testirsähigkeit der Magdalena Borrer, sowie der Jnhalt ihres Testamentes nach den Gesezen des Kantons Solothurn , die F o r m des Testamentes hingegen nach den Gesezen des Kantons Schw^ zu beurteilen. Da nun das Obergericht des Kantons Solothurn die Form naeh den Gesezen des Kantons Solothurn und nieht umgekehrt nach jenen des Kantons Schw^z beurtheilt habe , so sei durch dessen.

Urtheil das erwähnte Konkordat perlezt.

2.^2 3.

Die Regierung des Kantons Solothurn übermachte mit Schreiben

vom 3. April 1866 die Antwort des Obergerichtes des Kantons Solothurn, d. d. 28. März 1866,

worin lezteres dem vorliegenden Rekurse

die Ansicht entgegenstellt , dass es bei einem Urtheile , welches sieh aus zwei gleichmässig durchschlagende Motive gründe, schon formell unstatthaft fei, die Aufhebung des Dispositives wegen angeblicher Bundeswidrigkeit nur des e i n e n Motives zu. verlangen . übrigens komme es der Rekurrentin als Ausländerin , welche dazu noch iu keinem der Konkordatskantone wohne (in Dorneck sei die Rekursbeschwerde nur unterzeichnet worden) , wohl nicht zu , das fragliche Konkordat für sieh iu Anspruch zu nehmen. Endlich habe Marianna Waguer. welche a...eh Rameus des Benedikt Correr auftrete,^ hiefür durch l^ine Vollmacht sich ausgewiesen.

. Es fällt .in Betracht:

1) Der Bundesrath hat sich nicht mit der Frage zu beschäftigen, ob ein vom solothnrnisehen Obergerieht ausgefälltes Urtheil auch den Bestimmungen der solothurnischen Gesezgebung entspreche , da er sich nicht in der Stellung einer Oberappellationsiustanz befindet, sondern er

hat lediglich darüber ^u entscheiden, ob durch das obergerichtliche Urtheil die Vorschriften des Konkordates vom 15. Juli 1822 verlebt wordeu seien.

2) Die Rekurrenten behaupten, es sei dies dadurch gescheheu, dass die solothurnischeu Gerichte das von einer bevormundeten Solothurnerin im Kanton ^chwr^ errichtete Testament auch bezüglich der Vorschriften über desseu Form nach den solothurnischen Gesezen beurtheilt haben.

3) Diese Behauptung ist indessen durchaus unrichtig : a. weil das Obergericht noch ausdrüklich hervorgehoben hat , dass selbst nicht einmal die formen der schwierigen Gesezgebung beobachtet worden seien ^ b. weil das Konkordat keineswegs vorschreibt, dass a l l e ^ormfragen . nach den Gesezen des Orts der Errichtung des Testamentes zu beurtheileu seien, sondern dies ausdrüklich auf die ^ , ä u s s e r n

Formlichkeiten^ beschränkt ;

c. weil im Grunde ge.r keine ^ormfrage vorliegt, sondern die Beschräukung der Testamentsform für Bevormundete eiue wirkliche

Beschränkung ihrer Testirfähi^keit enthält, indem man diese ge-

wissen sichernden Bedingungen unterwerfen will . weil aber , angenommen auch , man wollte von einer blossen Form sprechen, die ^orm jedensalls mit dem Wesen auf's Jnuigste verbunden ist und in keinem .^all als eine blosse ,,änssere ^ormlichkeit^ charakterisirt werden darf.

.^

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4) Unter solchen Umständen bedarf es keines weitern Eintretens auf die Frage der rechtlichen Legitimation der Rekuxrentin und der foxmellen Znlässigkeit ihres Rechtsbegehrens;

b e schlo sse n : 1. Es sei der Rekurs als unbegründet abgewiesen.

2. Sei dieser Beschluß der Regierung des Kantons Solothuxn zuhanden des dortigen Obergerichtes, sowie der Reknrrentin unter Rüksendung der Beilage mitzutheilen.

Also beschlossen, Bern, den 11. April 1866.

^m ^.unen .....^ f.^ei^i^n ^..un^..^..^, Der Bundespräsident: ^. M. Knüsel.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : ^i^

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Bundesrathsbeschluß in Sachen der Marianna Wagner für sich und Benedikt Borrer, von Erschwyl Kts. Solothurn, betreffend Testirfähigkeit. (Vom 11. April 1866.)

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