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Bundesratsbeschluss in

Sachen des .Friedrich Schürch, Sohn, in Waldegg, Gemeinde Undingen, Kts. Freiburg, betreffend Uebertreibung des freiburgischen (Vom

Der

Fremdempolizeigesetzes.

20. Dezember 1865.)

schweizerische Bundesrath hat

in Sachen des Friedrich Schür eh, Sohn, in Waldegg, Gemeinde Düdingen, Kts. Freiburg, betreffend Uebertretnng des freiburgi-.

sehen Fremdenpolizeigesezes ; nach angehortem Berichte des Jnstiz- nnd Bolizeidepartements und nach Einsicht der Akten, woraus sieh ergeben :

1. Mit Besehluss vom l. August 1863 ist der im Kauton Freiburg niedergelassen gewesene Vater des Reknrrenten, Johann Schürch, aus diesem Kanton ausgewiesen worden. Vater Schürch reknrrirte hiegegen an den Bundesrath und nach ersolgter Bestätigung jenes Entscheides, an die Bundesversammlung, welche den Rekurs ebensalls verwarf. *) Unter diesen Umständen veranlasste er die Regierung seines Heimatkantons Bern, damit diese bei der Regierung des Kautons Freiburg in seinem Jnteresse für die zeitweise Gestattnng des Ausenthaltes sich verwende, um seinen Sohn in Düdingen , dem er nnn seine Liegenschaften abgetreten, vorübergehend besuchen zu konnen. Die Regierung des Kautons Bern bemerkte in dem bezüglichen Schreiben an die Regierung von Freiburg,

*) Vergl. Bundesblat.. ...on 1864, Bd. I, S. 168- 174.

307 d. d. l 5. August 1864, Schürch wolle in dem Besehlusse vom 1. August 1863 nur eine blosse Zurükziehnng seiner Riederlassungsbewilligung erbliken und bestreite, dass mit demselben seine Ausweisung aus dem Kanton Freiburg verbunden sei, d. h. dass dem ^ 41, Zifs. 6 der Bundesverfassung derjenige Sinn beigelegt werden konne, welchen die Freiburgischen Behorden daraus solgern. Er meine vielmehr, wenn eine Riederlassungsbewilligung zurükgezogen werde, so bleibe der Betretende als Ansenthalter im Kanton, und es stehe ihm überhaupt frei, in dieser lezten Eigenschaft zu bleiben oder fortzugehen. Obschon sie, die Regierung von Bern, diese Gesezesauslegung nicht zu der ihrigen mache, so empfehle sie gleichwohl das Gesuch des Vetenten, mit Rüksieht auf seinen Grund-.

besiz zu Düdingen, zu gütiger Berükfichtigung, wobei es selbstverständlich

der Regierung von Freiburg anheimgestellt bliebe , ihre Bewilligung an solche Bedingungen zu knüpfen, wie sie zur Verhütung von Missbrauch sür gnt gesunden würdeu.

Die Regierung von Freiburg

antwortete hieraus am 3. Oktober

1864, sie habe nie die Absieht gehabt, dem Johann Schüreh den Eintritt in den Kanton Freiburg zu verbieten. Sie wolle ihn keineswegs verhindern, die Rechte zu geniessen, die jeder Schweizerbürger habe, der nicht eine Riederlassnngs- oder Ausenthaltsbewillignng bestie. Er konne also allerdings in den Kanton Frelburg kommen, und wenn er dort sich nieht aushalte und sich anständig betrage, so werde ihn die Volizei in keiner Weise beunruhigen. Jndess moge die Regierung von Bern ihm bemerklieh machen, dass, da er ohne jeglichen Ausweis sich befinde, wodureh er zum Aufeuthalt im Kanton Freibnrg autorisirt wäre, er not.hwendig dem Riehter überwiesen werden müsste , wenn er sich in dieser Beziehung eine Gesezesverlezuug erlauben würde.

2.^ Mit schreiben vom 2l. März 1865 machte das Oberamt des Sensebezirkes dem .^taatsrathe des Kantons Freiburg die Anzeige, dass Johann ^chürch, ungeachtet des Verbotes, sortsahre, in der Waldegg zu wohnen. Er, der Oberamtmann, vernehme jeden Augenblik dureh die Landjäger oder durch die Gemeindevorsteher, dass derselbe längere Ausenthalte dort mache, hie und da auch auf dem Feld arbeite und sogar ein eigens für ihn reservirtes Appartement bewohne. Mit einem Wort : sein eigentliches Domizil sei wieder im Kanton Freiburg ; er afsektire sormlieh, den ,,Herren von ^reibnrg^ zu trogen und aus seine mächtigen Beseh.^er in der Bnndesstadt zu pochen. Die ganze Umgebung sei iudiguirt über dieses Versahreu und srage sieh, ob denn ^ehüreh uieht wie jeder andere Bürger sich dem Geseze unterziehen müsse.

Die Sache blieb gleichwohl liegen, bis am 25. Mai 1865 der Landjäger F o l l ^ bei dem Friedensrichter des dritten Seusekreises eine Klage gegen den Sohn Friedrich Schüreh anhob , weil er seinen Vater in angedeuteter Weise beherberge und dadurch das Gesez über die Frem-

denpolizei von 18l5 perleze.

308 Am 21. Juni 1865 erschien Friedrieh Sehürch vor Gericht und erklärte, sein Vater habe den Wohnsiz in Bern, komme aber ost auf fein Landgut in der Waldegg, ohne jedoch bei ihm, dem Sohne, ^u wohnen , da er eine eigene Stube im obern Stok habe und eigene Haushaltung sühre ; als Bächter seines Vaters konne er diesen nieht sortschiken ; es bestehe kein schriftlicher Pachtvertrag zwischen ihn..n.

Mit Rüksicht ans den Umstand, dass dem Johann ...^ehürch die Ause..thaltsbewilligung entzogen, und dass dieser Beschluß dem ^riedr. ^chür..h bekannt sei, wurde dieser nun zu 12 Franken Busse verurtheilt.

3. Friedrich Sehürch rekurirte gegen dieses Urtheil und perlangte ^ dessen Aushebung , weil seinem Vater lediglieh die Niederlassung im Kanton Freiburg entzogen, dagegen der Ausenthalt oder das Betreten des Kan..

tons nicht verboten worden sei ; es müsse ihm somit erlaubt sein , sich vorübergehend im Kanton aufzuhalten und seinen Sohn zu besuchen.

Der Kassationshos des Kantons Freibnrg hat jedoch mit Urtheil vom 30. Juli 1865 diese Richtigkeitsklage abgewiesen, weil der ..^erurtheilte keine der laut Art. 5l3 und 5l4 der Strasprozessordnung ihm aussehliesslieh zustehenden Kassationsgründe angerufen habe und weil übrigens der Richter innerhalb seiner Kompetenz genrlheilt, die .......hatsaehen richtig gewürdigt und das daraus passende Gesez angewendet habe.

4.

Mit

Eingabe vom 22. August 1865 beschwert sich Friedrich

Schürch über diese beiden Urtheile und stellt das Gesnch, der Bundesrath mochte dieselben ausheben , weil die Motivirung des sriedensgerichtliehen Urtheils den Beschluss des ..^taatsrathes vom 1. August l 86..... unrichtig dahin interpretirt habe, dass derselbe eine formliehe Ausweisung des Vaters Sehürch aus dem Kanton Freiburg enthalte , während weder der Wortlaut jeues Beschlusses , noch die Entscheide des Bundesrathes und der Bundesversammlung, noch der Art. 4l d^r Bundesverfassung diese Ansieht untersten, und weil ferner in ^olge jener unrichtigen Jnterpretation das Gesez über die Fremdenpolizei des Kantons Freiburg vom 20. Dezember 1815 falsch angewendet worden sei.

5. Der Staatsrath des Kantons Freiburg trägt in seiner Autwort vom 11. September 1865 aus Abweisung dieser Beschwerde an, und bemerkt namentlich, dass mit dem Vater Johann ^chürch sortwährend Raeh.^ sieht geübt worden sei. allein da das Gesez von 18l5 vorschreibe, dass Derjenige , welcher einen Gemeindsfremden , der nicht mit AufenthaltsBewilligung versehen sei, bei sich ausnehme, mit einer Busse bestrast werden soll, so habe der ^ohn Sehürch mit Recht bestrast werden müssen.

Das Urtheil des Kassationshofes bestätige, dass jene Bestrafung von dem kompetenten Richter und nach Massgabe des Gesezes ausgefällt worden sei. Der Reknrrent sei auch nicht im Falle , zu behaupten oder zu beweisen, dass eine Bundesvorschrist dabei verlebt worden sei; ein blosser Jrrthum in der Jnterpretation kantonaler Geseze könne aber, selbst wenn

30.^ ein solcher erwiesen wäre , vor den Bundesinstanzen nicht in Betracht kommen ; der Rekurs sei daher abzuweisen.

Jn E r w ä g u n g : 1) Der Bundesrath ist nicht eine obere Jnstanz, welche ^u unter-.

suchen hat, ob die kantonalen Gerichte ihre Geseze richtig anwenden, sondern er kann solche Urtheile nur dann ausheben , wenn durch dieselben.

eidgenössische Vorschriften verlezt worden sind ; 2) Da Vater Schüreh aus dem Kanton Freiburg we^gewiesen ist.

und also nur das Recht besizt, vorübergehend dessen Gebiet zu betreten,.

so kann nieht angenommen werden , es habe sieh das Gerieht gegen eidgenossische Vorschriften verflossen, wenn es den Sohn mit Strafe belebte,.

weil dieser dem Vater längern Aufenthalt in seiner Wohnung gestattete,.

als es die dortigen Geseze erlauben , beschlossen: 1.

Es sei der Rekurs als unbegründet abgewiesen.

2. Sei dieser Beschlnss dem Staatsrathe des Kantons Freiburg für sich und zu Handen der betreffenden dortigen Gerichte, sowie dem Rekurrenten, mittheilen, unter Rüksen^ung der Akten.

Also beschlossen, B e r n , den 20. Dezember 1865.

Jm

Ramen des fchweiz. Bundesrathes,

Der Bundespräsident: Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : ^ie^.

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Bundesratsbeschluss in Sachen des .Friedrich Schürch, Sohn, in Waldegg, Gemeinde Düdingen, Kts. Freiburg, betreffend Uebertreibung des freiburgischen Fremdenpolizeigesetzes. (Vom 20. Dezember 1865.)

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17.03.1866

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