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Schweizerisches Bundesblatt.

XVIII. Jahrgang .lll.

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Nr. 52.

.l. Dezember 1866.

Botschaft des

Bundesrath an die h. Bundesversammlung , betreffend die Begehren für Revision der Bundesverfassung.

(Vom 23. November 1866.)

Tit.!

Der Artikel 113 der Bundesverfassung sichext 50,000 stimmberechtigten Schweizerbürgern das Recht zu , bei der Bundesversammlung das.

Verlangen zu stellen, dass die Frage. ob eine Revision der bestehenden Bundesverfassung stattfinden soll oder nicht, dem schweizerischen Volke zur Abstimmung vorgelegt werde. Vis anhin mangelte aber ein Gesez, welches die Ausübung dieses Restes regelte, welchem Uebelstande durch die Vorlage des Gesezentwurss abzuhelfen beabsichtigt wird. Es hat sich nämlich gezeigt . dass über einzelne Vnnkte , wie dieses Recht ausgeübt werden soll, Zweifel walteten, so z. V. namentlich über die Haupt..

fragen, aus welche Weise der Bürger sein Verlangen kundgeben müsse, und wie lange ein einmal gestelltes Vegehren in Kraft bestehe. Solche Unsicherheiten dürfen al.er nicht bestehen. Der Bürger, der ein Souveränetätsrecht ausüben will, muss sicher sein, dass seine Stimme in Berechnung fallt. Wix haben es daher für zwekmässig erachtet. wenn sür die Zukunft Vorsorge getroffen wird , dass die Sache ans eine sichere , der Freiheit und ...en Rechten des schweizerischen Volkes, wie der öffentlichen Ordnung und Wohlfahrt angemessene Weise geregelt wird. Wir halten aber unsere Vorlage nicht nur für sachge...ass, sondern auch sur zeitgemäss. Geseze .dieser Art, welche nur die Regelung von bereits im

Bundesblatt. J a l. r g . XVl lI . Bd.III.

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208 ^ruudsaze anerkannten Volksrechten bezweken , kouueu nicht wohl zu einer Zeit erlassen werden , in welcher eine Anzahl .......urger bereits das Verlangen für Ausübung dieses Rechtes kungegeben haben , soust wird ein solches Gesez nur zu leicht als ein Gelegenheitsgesez betrachtet, welchem eher die Absicht unterschoben wird , es bezweke mehr die Ein..

schränkung, als eine geregelte Ausübung der Volksrechte. Gegenwärtig ist die ^rage einer Volksabstimmung sür Anbahnung einer Bundes^ revision von keiner Seite ausgeworfen . ein aus freier Voli^swal..l hervor^ gegangener Nationalrath beginnt seine Amtstätigkeit, in dessen Schoss, wenn Aure^uugeu sür eine Revision wollen gemacht werden, solche zuerst fallen und behandelt würden. Es ist also mit einem Wort der gegenwärtige Moment ein solcher , in welchem die eidgenossischen Räthe in vollig freier und unbefangener Stelluug dieses Ges..^ berathen kennen.

^ach diesen allgemeinen Bemerkungen wollen wir noch Einiges über die hauptsächlichsten Bestimmungen des Entwurfes beifügen.

Was vorab die Frage betrifft, ans welche Weise die Stimmen sür Verlangen einer Volksabstimmung sich geltend machen sollen, so haben wir es am Einfachsten und Natürlichsten gesunden, wenn der gewohn-

liche Weg der schriftlichen Eingabe eingeschlagen wird , ein Weg, der

bereits in vielen kantonalen Verfassungen seine Ausnahme gefunden hat.

^ie Bürger sind fich daran gewohnt , anf diese Weise ihre Wünsche und Begehren den Behorden vorzulegen. ^amit aber mil den. ^ammelu vou Unterschriften nicht Missbrauch Betrieben werden kann , so soll der Vorstand der Wohugeme.nde der Unterzeichner die Unterschrift u^.d die Stimmfahlgkeit der Revisiousbewerber beglaubigen. , wosür er aber keiuerlei .^a^en fordern darf. Wenn es auf der einen .^eite uothwendig erscheint, ..llsälligen Unordnungen vorzubeugen, so soll anderer..

seits der stimmberechtigte Bürger , der von einen. ihm Anstehenden Sonveränetätsrecht Gebrauch machen will, von daher nicht auch noch ^n Geldanslagen ^enothigt werden.

Eine zweite , wichtige, bisher aber noch ungeloste ^rage ist die : ^ Wie lange sollen einmal gestellte Begehren Gültigkeit habend ^ass in verschiedenen A^ntsperioden eingelangte Begehren nicht wohl ^..sammen gerechnet werden konnen, dürste wohl allgemein angenommen .vorden sein. Wie lange aber die ^während ein und derselben Amtsperiode abgegebenen Untersehristen Gültigkeit haben sollen , darüber konnten verschiedeue Ansichten walten. Aber auch iu diesem Vunkte darf keine Uugewissheit sein. Es handelt sich also nur darum, den richtigen ^eitxaum zu finden , der weder zu kurz , noch z.t lang sein darf. Jst der Zeitraum zu kurz , so wird eine ordentliche Besprechung unter den Bürgern nicht mogli.h , denn erst nach und nach macht sich der grossere Theil des Volles mit einem Gegenstande von so tiefgreifender B^

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deutuug vertraut. Jft aber der Zeitraum zu lange, so entstehen ebenfalls Uebelstände. Mit der Besprechung solcher Fragen ist.. natnrgemäss eine gewisse Bewegung im Volke verbunden , die wohlthueud und er^ frischeud auf das politische .Lebeu einwirkt , wenn sie nicht all^ulauge dauert. Jm lezt^ru ^alle wirkt sie aber storend auf die staatlichen und bürgerlichen Verhältnisse , uud kann selbst u..ter Umständen bei ernsten .Lagen gegenüber der Stellung zum Auslaude bedenklich seiu. Rach unserm Vorschlag ist für die ^ammluug von Unterschriften jeweilen ein Zeitraum von zirka 6 Monaten gegeben , iuuer welchem , wenn nur etuigermassen das Bedürfniss für Anbahnung der Revision aus diesem

Wege im Volke vorhanden ist, die ^0,000 Stimmen ganz leicht sich

finden ^werden. Jst aber die Reigung hiefür ini Volke nicht vorhanden, . so müssre eine verlängerte Agitation sowohl den Revisionsfreunden als den Revisiousgegueru lästig werden. Würde man einen langern .Zeitranm als den Vorgeschlagenen annehmen , so konnte es zur Durchsührung einer Bundesrevision auf diesem Wege vom Beginn der Unterschriftensammlung bis zur Annahme und Jnkrasttretung der neuen . Verfassung leicht über ein Jahr gehen , was nicht gut wäre.

Aehuliche Bestimmungen, wie wir in den Entwurf ausgenommen, finden sich auch in verschiedenen .^.ntousverfafsnugen.

So sagt die Verfassung des Sautons Luzern im Art. 33: ,,Wenn von^ einer ordentlichen Versammlung des Trossen Rathes bis zur folgenden 5000 stimmsähige Einwohner durch Amtlich beglaubigte uud gemeiudeweise geordnete Unterschriften bei dem Grossen Rathe das Begehreu stellen , dass uber . die Vornahme einer Vexfassungsveviston in allen Gemeinde^ d.^s .^antous abgestimmt werde , so hat der Grosse Rath binnen 4 Wochen die Volksabstimmung über Revision ^mittelst geheimen Stim^nenniehrs in allen Gemeinden ans einen und denselben Tag zu veranstalten.^ Dex Art. 116 der Verfassung des .^autous St. Galleu bestimmt: ,,Wenu von einer ordentlichen Versammlung des Grossen Rathes bis .^ur andern 10,000 Bürger, entweder durch amtlich beglaubigte Unterschriften oder abgezählt an gesez lieh gehaltenen Bürgerversammlungen, bei dem Grossen Rathe das Begehren stellen, dass über die Vornahme einer Verfassungsxevision abgestimmt werde, so hat der Grosse Rath ohne Verzug diese Volksabstimmung in den politischen Gemeinden aus einen und denselben Tag zu veranstalten.^ Die ..Verfassung des Kantons ...^ern kennt das Verlangen einer Volksabstimmung über die Frage der Verfassnngsreviston und der ausserordentlichen Gesanimterneuerung des Grosse^ Rathes. Ein G..sez regelt die Ausübung dieser Rechte un^ bestimmt, dass in beiden Fällen 8^00 Stimmen in de^ Zeitraum vom ersten b.s lezten Tage je eines Monats .

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^210 das Begehren stellen konnen ; eine ^usammenzählung der in verschiedenen Monaten eingelangten Begehren findet nicht statt. Die Abgabe des Verlangens mnss durch jeden einzelnen Berechtigten personlich bei dem Vorstande der Einwohnergemeinde abgegeben werden.

Jn Obwalden und Glarus werden Begehren über Revision der Verfassung jeweilen nur der ordentlichen Landsgemeiude zur Abstimmung vorgelagt.

Die Verfassung von Reuenburg sordert sur das Verlangen einer Volksabstimmung über Vornahme oder Rich..voruahme einer .^erfassnngsrevisiou die gehorig legalisirten Unterschriften von 3000 Bürgern.

Jn den Verfassungen von ^re^ibura und Wallis ist das Recht, eine Revisiousabstimmüng ^u verlaufen , 60^)0 Bürgern eingeräumt. Ein Gesez sezt aber die Art und Weise fest, wie das Begehren gestellt werden muss. .

Diese wenigen Auseinandersetzungen dürsten genügen, unsern Vorschlag zu rechtfertigen. Die übrigen Bestimmungen des Gesezes bedürfen keiner nähern Besprechung , sie sind selbstverständlich.

Wir mosten Jhnen die Annahme des vorgeschlageneu Gesezes empfehlen, und benuzen diesen Aulass, Sie, Tit., unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 23. Rovember 1866.

Jm Rameu.des fchwe^. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : .^. .^. .^nusel.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: ^

^^ie^.

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