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Schweizerisches Buudesblatt.

.^Vlll. Jahrgang. ll.

Nr. ^.

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^. September 18^.

Berich t an

den h. Nationalrath über die Rekurssache der Standeskommisfion des Kantons Glarus, betreffend da.... Rückfallsrecht im Konkurse des Banquier J. M. Schindler in Glarus ^).

(Vom 6. Juli 1866.)

T it. l Die Kommission , die Sie zur Voxberathung der Rekursangelegenheit Schindler-Körner niedergesezt haben, beantragt Jhnen übereinstimmend die Abweisung des Rekurses der Standeskommission von Glarus.

Das Thatsächliehe des Rekursfalles ist in Kürze Folgendes: Ende des Jahres 1863 und Anfangs 1864 überu.achte Herr Banquier Körner in Zürich dem Bane.uierhause Schindler in Glarns verschiedene Wechsel und Anweisungen, sowie Glarner-Banknotn, im Gesammtbetrage von Fr. 3656. 88, zur Einkassirung und erhielt dagegen von diesem an Zahlungen die Summe von Fr. 2333. .)3.

Gleich darauf, am 18. Januar 1864, gerieth das Hans Schindler in Konkurs.

Rach dem Glarner Landbuche ^ 212 fallen gewisse, innert 14, beziehungsweise 21 Tagen vor dem Ausbruche des Konkurses von dem

) Vergl. Bundesrathsbeschluss vom 2l). Dezember 1865, Bundesblatt von 1866, I, S. 20.).

Bundesblatt. Jahrg. X^IlI. Bd.Il.^ 48

576 Konkursen geleistete Zahlungen als ungültig in die Masse zurück. ^ Gestützt auf diese Bestimmung federte auch die Fallimeuts-Kommission der Kreditoreuversammlung des Hauses Schindler die von diesen. an Corner bezahlten Fr. 2333. 93 zurück. .^a Herr Korner steh dieser Forderung nicht gutwillig fügen wollte , so leitete die Konkursmasse Schindler por den Zürcher Gerichten gegen ihn den Vrozess ein.

^ie Rücksorderungsklage wurde einerseits durch den bereits angeführten Artikel des Glarner Handbuches, betreffend das Rücksallsrecht,

anderseits durch das Konkurskonkordat Lnt. C. vom 15. Juni 1804,

bestätigt am 8.^Jnli18t8^, begründet, dem sowohl Glarus als Zürich beigetreten seien, und das die Einheit und Universalität des Konkurses ^ unter den konkordirenden Kantonen proklamire.

Herr Korner bestritt diese Klage aus verschiedenen Gründen, vornehmlich aber desswegen , weil das Rücksallsrecht des Glarner Landbnches aus ihn, als im Kanton Zürich wohnend, und aus die von ihm erhaltene Zahlung keine Anwendung finden konne, zumal auch das an.^ gerüseue Koukordat seinem Sinne und Geiste, wie seineu. Wortlaute naeh nur die Stellung der K r e d i t o r e n zur M a s s e , nicht auch diejenige der Masse zu dritten Versouen, namentlich ^u angeblichen Schuldn er n der K o u k u r s i t e n betreffe.

^ie Gerichte von Zürich theilten den Standpunkt des Herrn Korner und wiesen in beiden Jnstanzen die Klage. der Schindler'schen Konkursmaffe ab.

...^ie Motive der obern Jnsta..^ , der Eivilabtheilung des Ober-

gerichts, find im Bundesrathsbeschluss (unter Ziff. 3) erwähnt.

Gegen dieses Urtheil des Zürcher ^.bergerichts ergriff nun die

Standeskommisstou des Kantons Glarus , ^wie sie sagt, nicht im Jnteresse des einzelnen Balles , sondern durch die allgemeine prinzipielle Bedeutung des Entscheides da^u bewogen, Rekurs au den Bundesrath.

Jn der Hauptsache hält die Standeskommission in ihrer Begründung des Rekurses die Ansicht sest, dass die Zürcher Gerichte nach dem

Konkordate C. von 1804 und 18l 8 verpflichtet gewesen wären , bei Beurtheilung des Korner'schen Vrozesses das glaruerische Recht über den Rückfall zur Anwendung zu bringen . dass es sich also hier um die Verlet^ung eines Konkordates handle, gegen welche nach Art. 90, Ziffer 2 der ^Bundesverfassung das Einschreiten der Bundesbehorden gerechtfertigt sei.

. Nachdem der Bundesrath daraufhin die Vernehmlassuugen der Regierung von Zürich , sowie auch des Brivatbetheiligten Korner eingeholt hatte, schritt derselbe unterm 29. Dezember 1865 zur Entscheidung des Rekurses. .^......x Eutscheid lautet abweisend.

^) geltere offizielle Sammlung, Bd. I, S. 284.

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Die S t a n d e s k o m m i s si o ^ pon Glarus leitete indessen auch gegen diesen bnndesräthl.iehen Entscheid mit Eingabe vom 10. Februar 1866 bei der Buudesversammlung eine Rekursbeschwerde ein , und es wird sich somit fragen : ob d..r Bundesrath in Sachen wohl oder übel ent^ schieden habe.

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^ Jhre Kommission ist mit dem Entscheide des Bundesrathes einverstanden und beantragt Jhnen ^ demgemäß Verwerfung des Rekurses.

Sie geht dabei von folgenden Gesichtspunkten aus : I. Aus dem Standpunkte des eidgeuossi.sehen Rechtes betrachtet, haben wir einzig und aliein die Frage zu untersuchen , ob durch das angefochtene Urtheil des ^ürcher ^bergerichts G r u n d s ä t z e o d e r Be.stimmungen der B u n d e s v e r f a s s u n g oder eidgenössischer ^ K o n k o r d a t e v e r l e b t s e i e n . denn nur in diesen fällen und in .keinen andern, kennt der Art. 90, Biffer 2 der Bundesverfassung ein Kassationsreeht gegen kantonale Urtheile, gleichsam eine politiseh-koustitutiouelle Judikatur, die ^in Form von Rekursen bis in die höchsten ^ Spieen der Bnndesbehorden , bis zur Bundesversammlung , sortgeht.

^Ob das Zürcher .^bergericht an und für sieh betra.htet Zürcher oder Glarner Re.ht hätte anwenden sollen . ob es das Zür.her oder Glaruer Recht richtig angewendet ; ob namentlich der Art. 212 des Glarner

Lan^buches, richtig ausgesasst , diejenige Bedeutnug habe , welche ihm

die Standeskommission von Glarus beilegt , liegt a^r deu. Bereiche bundes^uässiger Brusnug, .oeun und insofern nicht Grundsätze der Bundesverfassung oder bestehende Konkordate ^ mit allen diesen Fragen in.

Berührung treteu.

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Jhre Kommission will daher auch nur diese buudesreehtliche ^eite der ^rage prüfen , obwohl die Versuchung nahe läge , aus dem Ter^ des Glarner ^andreehts gelbst. den Beweis zu führen,^ dass die Rücksorderuu.g der au Korner geleisteten Zahlung, ohne gleichzeitiges Auerbieten des empfangenen Gegeuwerthes, auch materiell wohl kaum ge-

rechtfertigt sein dürfte.

II. ^ie Staudeskommifsion von Glarus beruft sich aber auf die

Verletzung des Koukurskonkordates von 1804 (Litt. C.).

dieses Konkordat bestimmt: ,,1) Jn ^allimeutsfälleu werden alle Schweizer, sowohl in verpfän^,deteu als laufenden Schulden, in der privilegirten und der all,.gemeinen ^ Klasse , nach gleichen Rechten behandelt und kollo^irt, ,.wie die Bewohner des Kautons selbst., in welchem der Gelds,,tag vorgeht.^ ,,2) Diese Gleichheit in Kollokationen und Konkursen, welche der .,eine Kanton den Einwohnern des andern zusichert, ist nach den ,,besondern Gesetzen desjenigen Kantons, wo das Falliment aus^bricht, zu verstehen.^ --- Ete.

578 ^

Man kann also den Jnhalt dief.s Kon.^rd.^es. auf vier nnter sich zusammenhängende Grundgedanken zurückführen: U n i v e r s a l i t ä t de.s Konkurses, a t t r a h i r e n d e K r a f t desselben, E i n h e i t des Konkursrechtes, ^und G l e i c h b e h a n d l u n g aller Gläubiger.

Aus der ganzen Anlage des Konkordates geht hervor, dass es nur die Stellung der .Kreditoren zur Masse, nicht auch diejenige der Masfe zu Richt^d^oren normiren will. Jn diesem Sinne wird von den S c h u l d e n des Fakten gesprochen, von verpfändeten und lassenden,

von privilegirten und nicht^ privilegirten Schulden und der..n Kollo-

k a t i o n ; in diesem Sinne wird die G l e i c h h e i t in Kollokationen und Konkursen den koukordirenden Ständen zugesichert^ und in diesem Sinne ist auch die Einheit des K o n k u r s r e c h t s zu perstehen. Jn der

That bedeutet die Einheit des Konkursreehts nichts Anderes , als dass

die v e r s c h i e d e n e n A n s p r e c h e r , die in einem Konkurs austreten und also mit einander konkurriren, g l e i c h e s R e c h t theilen, und dass

mit Rücksicht ans sie keine ungleiche Behandl.ung stattfinden dürfe : mit andern Worten, das Konkursreeht , wie es hier gemeint ist, bezieht sich nur aus die K l a s s e n - und B r i o r i t ä t s o r d n u n g der ^ Glaubiger unter sich und aus die damit zusammenhängende D i s t r i b u t i o n des Vermögens, und aus uiehts Anderes.^ Jm ^alle Schindler - Korner liegt^ aber die Sache ganz anders.

Korner tritt (vorläufig wenigstens) nicht als Konkursgläubiger.

aus , er stellt keinerlei Ansprache an die Konkursmasse , sondern es ist umgekehrt die Konkursmasse, welche von ihm Rückerstattung der erhaltenen Zahlung, gestützt ans^das glarnerische Rücksallsrecht, verlangt. Das aber ist keine spezifisch k o n k u r s r e c h t l i c h e , sondern, um es so zu nennen, eine g e m e i n r e c h t l i c h e , d. h. eine dem gewöhnlichen Recht unterworfene ^rage , die mithin auch nicht durch Berufung auf das Koukursl.onkordat erledigt werden kann.

Hl. Die .^tandeskommission von Glarus g^.ht aber weiter . sie sucht die Ansicht zu begründen, dass .^as Konkursrecht nicht bloss für den Konkurs an und für sich, ^sondern anch für alle damit in K o n n e ^ i t ä t s t e h e n d e n f r a g e n mass g e b e n d sei, so namentlich auch sur die Bildung der Konkursmasse. Bis zu einem gewissen ^unkt ist diese Ansicht nicht zu verwerfen : es kommt Alles darauf au, was man unter Koune^ität versteht. Wenn ^.. B. ein Konkursgläubiger an die Masse eine Forderung stellt und es steht ^ der Masse eine kompensable Gegenforderung zn, so wird fie zuverlässig einsach a b r e c h n e n und sich nicht daraus einlassen, den austretenden Kredite für seine G..^uschnld

bei seinem persoulichen Richter zu suchen. Hier wird allerdings die

Kouue^ität der Gegenforderung mit der Forderung d i e ^olge haben, dass nun auch das Konk...xsgericht und das materielle Konkursrecht siir die an und für sich einem andern Richter und einem andern Recht au-

579 heimfallende ..Gegenforderung der Masse an den Kreditor zuständig werden.^ Allein man darf jenen Sa^, dass mit einer Konkurssache k o n n e ^ e

Angelegenheiten ebenfalls konkursrechtliche seien, nicht beliebig generali^

firen. Schon das mit nnsexm. Konkordat Liu. C. in engem Zusammenhang stehende Konkordat pom 7. Juni 1810 (Litt. D.) verweist ja Vindikationen der Masse aus auswärts gelegene Effekten , desgleichen Streitigkeiten über die Existenz einer Hypothek oder eines Bsandrechtes überhaupt, an den Richter der gelegenen Sache , und doch stehen alle diese^ Fragen mit dem Konkurse selbst, namentlich m.t der Bildung der ..^ermogensmasse, unzweifelhaft in einer inneru Konuex^tät. Dass ferner, wenn die Konkursmasse einen Dritten sur eine gewohnliche Forderung als Schuldner belangt, sie diesen vor dem Richter seines Domizils in^s Recht fassen muss , gibt die Standeskommission von Glarus selbst zu und konnte übrigens angesichts des Art. 50 der Bundesverfassung kaum in Zweifel gezogen werden : und doch ist auch diese Rechtssache eine mit dem Konkurs zusammenhängende, eine konnte. Am ausfallendsten wird aber die Unrichtigkeit dieser ganzen Konnex^tätstheorie, wenn man sich daran erinnert, dass das Koukursgerieht selbst die A n s p r a c h e n d e r K r e d i t o r e n , was ihre E n t st e h u n g und B e g r ü n d e t h e i t an und für sich betrifst , nicht nach den Gesel^eu des Konkursortes, sondexn nach jenen des Entstehungsortes zu beurteilen hat.

lV. Die Rekurrentin legt grosses Gewicht daraus, dass es sich hier nicht um eine g e w ö h n lieh e Forderung der Konkursmasse an einen Dritten, sondern um eine versteckte ^orderuug d e s D r i t t e n an die M a s s .. handle. ^Da uämlich die vou Schindler geleistete Zahlung rechtlicher n i c h t e x ^ i s t i r e , so habe es nur den Sehein, als ob die . Konkursmasse als Anspreeherin auftrete. in Wirklichkeit sei es Koruer, der der Koukursmasse Schindler gegenüber -- wenn mau sich die rechtlich nicht e^istirende Zahlung wegdenke als G l ä u b i g e r erscheine.

Auch die Kommission hat gesunden, ^dass die Forderuug der Masse Schindler an Körner keine ganz gewohnliche sei. Allein das Ungewohnliehe davon kommt nicht der Sehindler'schen Masse , sondern dem

Beklagten Körner zu gnt. Es besteht nämlich darin , dass Schind-

ler beim Jnkasso der fraglichen Gelder bloss als Mandatar des Körner gehandelt hat . dass jener nach Mandatsbegrifsen gar nicht Eigenthümer der einkassirten Gelder wurde und werden konnte , und dass er sich durch Riehtabliesernng der einkassirten Summen nicht wie ein gewöhnlicher Schuldner lediglich eines Vertragsbruches , sondern einer strasbaren Handlung schuldig gemacht hätte.

Das Argument aber , dass , weil die Zahlung rechtlich gar nicht e^.istire, der Empfänger derselben einfach wieder Gläubiger der Masse werde, bewegt sieh in einem Eirkel. Die Zahlung er^istirt rechtlich nieht,

580 wenn das glarnerische Rücksallsrecht auf sie Anwendung findet. Ob aber ^larner oder Zürcher Recht zur Anwendung komme, ist ja eben die Frage, und diese Frage kann nicht aus jener Supposition, aus der Rücksälligkeit der Zahlung, gelost und entschieden werden.

V. Endlich erlaubt fich die .kommission , daraus aufmerksam zu machen, dass das Rücksallsrecht des Glarner Landbuehes ein so e x ^ e e p timonelle s und s i n g u l ä r e s Rechtsinstitnt ist, dass es im Zweifelfalle schwerlich exterritoriale Anwendung beanspruchen kann.

Auf diese Gründe gestützt beantragt die Kommission V e r w e r f u n g

des Rekurses.

B e r n , 6. Juli 1866.

Samens der Kommission , Der Berichterstatter:

Leneube^er.

^ol.e. Die. Commission bestand aus den Herren . .^eß.ner, .^usf.^ Leuen^ berger, ^rachebond, Theiler.

Der Nationalrath hat am .^.^ und der Ständerath am ^. ^ull obigen Rekurs abgewiesen.

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Bericht an den h. Nationalrath über die Rekurssache der Standeskommission des Kantons Glarus, betreffend das Rückfallsrecht im Konkurse des Banquier J. M. Schindler in Glarus *). (Vom 6. Juli 1866.)

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05.09.1866

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