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Schweizerisches Bundesblatt.

XVIII. Jahrgang. ll.

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Nr. 26.

16. Juni 1866.

Bundesrathsbeschluß in

der Rekurs sache des Hrn. Joh. Jakob dunkler von St. fallen,.

in Egnach, Kts.

Thurgau, betreffend Doppelbesteurung.

(Vom 18. Dezember 1865.)

Der schweizerische Bundesrath hat in Sachen des Herrn Joh. Jakob K u n k l e r , . von St. Gallen, ..vohnhast in Egnaeh, Kantons Thurgau, betretend Doppelbesteuerung ; nach angehortem Berichte des Justiz- und Volizeidepartements , und uaeh Einsieht der Ulkten, woraus sieh ergeben: 1) Jn einer Eingabe vom l0. Angust 1865 hat Herr Kunkler folgende Beschwerde bei dem Bundesrathe eingeleitet: Seit dem Jahre l 863 beziehe er aus seinem Heimatkanton St. Gallen als Zins von einem Fideikommisse den Betrag von 670 Franken , welcher im Kanton

Thurgau, mit 25 multipliât, als ein Kapital von 16,750 Franken für

Staats- uud Gemeindesteuern in ...lnsprnch genommen werde.

Jn St. Gallen müsse er aber von dem gleichen Einkommen jährlich aneh 70 Franken Steuer befahlen. Es liege hierin eine unzulässige Doppelbesteurung. Er habe sich bei den Regierungen beider Kantoue b ..s eh wert, .allein beide haben ihn abgewiesen. llnter diesen Umständen wende er sich au den Bundesrath mit dem Gesuch , er mochte entscheiden , in welchem Kanton das erwähnte Fideikommiss- Einkommen zu versteuern sei.

2) Am 16. August 1865 hat der Bundesrath in erster Linie die Regierung des Kantons St. Gallen znr Vernehmlassnng eingeladen. uud Bundesblatt. Jahrg. XVIII. Bd. II.

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78 es hat dieselbe am 25. August a. c. vorliegende Beschwerde dahin beantwortet : A.

R e c h t d e s K a n t e n s St. G a l l e n , d e n K u n k l e r ^ s c h e n F i d e i k o m m i s s f o n d zu b e s t e u e r n .

Betent beziehe als Aeltester oder Zweitältester der in St. Gallen verbürgerten Familie Knnkler die Hälfte des Ertrages des am 1. Juni 1718 gestifteten und im Jahre 1845 nach Verkauf der betretenden Liegenschaften in ein zinstragendes Kapital verwandelten FamilienFideikommisses. Rach Massgabe der am 15. Dezember 1845 von der Familie aufgestellten Anhangsstatuten müsse das gesammte unantastbare Stiftungsvermogen in der ^tadt ^.t. Gallen erhalten und daselbst verwaltet werden.

Zugleich seien die Titel dem Gemeh.derathe, resp.

Waisenamte der Stadt St. Gallen zur Ausbewahrung übergeben worden, unter dessen Aufsieht und Verwaltung sie jezt noch sich befinden. Dieses Kapital sei somit nicht Eigenthum des Ruzuiessers, sondern der gesammten Familie. Es konne daher vom Ru^niesser auch nicht in andere ..Staaten verbracht werden, sondern es bleibe .^a liegen, wo es nach dem Willen des Stifters, resp. der Familie als Eigentümerin, deponirt und verwaltet werden müsse.

Run seien nach Art. 8, Litt. .. des Staatssteuergese.,es vom 26. April 1832 und nach Art. 11 und 16, L.u. c des Beschlusses über die allgemeine Steuerrevision vom 30. Mai 1863 alle Fam.lienstistm.gen der V e r m ö g e n s s t e u e r unterworfen, und zwar in derjenigen Gemeinde, in wel.her sie unter obrigkeitlicher Aussicht stehen oder verwaltet werden.

Dieses sei in ^t. Gallen der Fall, und da die Eigenthümerin, die ^amilie, auch dort ihr Domizil habe, so komme das Domizil des ^eit^ weisen Rnzniessers nieht in Betracht.

B.

Unzulässigkeit

der g l e i c h z e i t i g e n K a n t o n Thurgau.

Besteurung

im

Zunächst sei es ^..che des Ruzuiessers, wenn er ein Domizil wähle, wo ein derartiges Einkommen besteuert werden kom.e. Das ^idei..

kommiss -Vermogeu konne nicht willkürlieh in ein anderes Land gebracht werden; es habe vielmehr da ^u bleiben, wohin es der Wille des Stisters bestimmt habe. Da nun in St. Gallen das Kapital und in Thnrgan der Renteuautheil des Rekurrenten besteuert werde, so konne es sieh fragen, ob man in einem solchen Falle überhaupt von einer unzulässigen Doppelbefteurung reden konne. Allerdings behandle die thurgauisehe Gesetzgebung den Ertrag von Fideikommissen zum ^weke der Besteuruug auch als Kapital. Jnsosern handle es sieh in beiden Kautonen um eine Vermögenssteuer ; allein ans den bereits erwähnten Gründen müsse das Besteurungsrecht des Kantons St. Gallen vorgehen. Der zufällige Um^

85 18. Rekurs der St^ndeskommission des Kantons G l a r n s gegen den Buudesrathsbeschluss vom 2..). Dezember 186..., betreffend Anwendung de^ Rüksallreehtes im S c h i n d l e r ' s c h e n Konkurse.

(Beim Nationalraths anhängig).

1.). Rekurs von Baul Gel... in Genf gegen den Bundesrathsbeschluß vom 22. Dezember 1865, betreffend Kompetenz der waadtl.indischen Behorden zu seiner B e p o g t u n g . (Beim Rationalrathe anhängig, nachdem der Stäuderath am 22. Februar 1866

Reknrsabweisu..g beschlossen hat.)

20. Rekurs von Johannes S o m m e r , von Sumiswald, in Reiden,

Kts. Ludern, betreffend Voll^ eines Strasurtheils. (Anhangig

bei... Nationalrath, nachdem der Ständerath am 2l.

1866 .^ekuxsabweisung beschlossen hat.)

Februar

21. Rekurs der Regierung von St. f a l l e n gegen den Bundesrathsbeschluss vom 8.^ Dezember 1865, betreffend B^fteuruug des K u u k l e r ' s c h e n ^ideikommisses.

22. Rekurs der Gemeinde S e h ü b e l b a c h und sechs anderer Gemeinden des Kantons S c h w y z gegen den Bundesrathsbeschluss vom 16 Februar 1866, betreffend Verlegung der Ka..toualv..rsassu..g durch das S c h u l d e n tx.ieb g e s e z .

23. Rekurs von August Ta v e l in Beterlingen, Kts. Waadt, gegen den Buudesrathsbes.hluss vom 26. Juui ...865, betreffend Beste ur u u g von Hypotheken im Kauton ^reiburg.

24. Rekurs der Kinder G u e x ^ B e r e ^ in ^ossoua^ , Kts. Waadt,..

betreffend Vollzug eines waadtländischen ^ivilurtheils im Kanton

Zürich.

25. Rekurs von J a k o b H o n s p e r g e r in Gens gegen den Bundes-

xathsbeschlnss vom 11. Mai 1866. betreffend Gerichtsstand

iu Strafsachen.

26. Rekurs von F r i e d r i c h ^chürch, Sohn, in Düdingen, Kts.

Freibnr^ , gegen den Bundesrathsbesehlnss vo^n 20. Dezember

1865, betreffend B o l i z e i ü b e x t r e t u n g .

27. Rekurs von J o h a n n ^chürch, Vater, in Bern, gegen die Vollziehung seiner A u s w e i s u n g aus dem Kanton ^reibnrg.

28. Rekurs von J o h a n u Schürch gegen den Bundesrathsbeschluss vom 3. Mai 1866, betreffend seine B e s t e u r u n g im Kanton ^reiburg.^ 2.). B e t i t i o n von Friedrich B e r t h o l e t ^ D u f r e s n e in Aigle, betreffend Abänderung der Verfassung des Kautons Waadt. (Anhängig beim Rationalrath.)

Bundesblatt. ^ahrg.^IlI.Bd.Il.

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.^

30. Motion des Herrn Ständerath Visier, betreffend Ermittlung des Anlagekapitals der Eisenbahnen.

31. B e g n a d i g u n g s g e s u c h von L o u i s Ernst pon Basel ^nhanden der vereinigten Bundesversammlung).

Allfällige weitere Gegenstände.

Der bisherige Sekretär der Zolldirektion in Basel, Hr. F r e y H o .^ e , hat unterm 1 1 . dies aus Gesundheitsrüksichten um Entlassung von seiner Stelle auf Ende September nächstkünstig nachgesucht.

Diesem Gesuche entsprach der Bundesrath, und verdankte dem Demissionär seine langjährigen, guten Dienste.

Der Bundesrath hat sein Militärdepartement ermächtigt. für die ^lrtillerie-.^ssiziere eine Anleitung über die Taktik der Feldartillerie druken zu lassen.

7..)

stand, dass einer der Rnz.nesser in einem andern Danton sieh aushalte, sei ohne Einfluss.

Das Resultat würde das gleiche sein , wenn es sich nur um die Einkommensteuer handeln würde. Der Bundesrath habe bei jeder Gelegenheit entschieden, dass das bewegliche Vermögen da besteuert werden müsse, wo der Eigenthümer sein Domizil habe. Wenn man hier dem Danton St. Gallen das Bestenrungsrecht entgehen wollte, so würde es nur in flagrantem Widerspruche mit allen bisherigen Entscheiden gestehen konnen.

3) Die Regierung des Kantons Thurgan hat unterm 27. ..September 1865 aus die Beschwerde des Rekurrenten und auf die Einwendungen der Regierung von ^t. Gallen im Wesentlichen Folgendes geantwortet: Es stehe sest, t.ass Reknrrent im Kanton Thurgau formlich niedergelassen sei. Wie er nun die Vortheile geniesse, s^o müsse er auch die entsprechenden Lasten tragen.

Rach ^ 1 und 32 des Gestes vom 6. Marz 1849 über den Bez..g einer allgemeinen Vermogens^ und Einkommensteuer müsse das Kapitalvermögen und das Einkommen versteuert werden, ob es aus einer Berufstätigkeit oder aus dem Ertrage von Renten, Pensionen, Leibgedingen oder Fideikommissen (^ 32) entspringe.

Wenn es nun aueh einen. Bürger unangenehm sein moge, wenn er sür ein Vermogensobjekt an ^wei Orten, obschon in verschiedener Form, besteuert werde, so konnen doch nach dem jezigen Bundesrechte die Kantone nicht gezwungen werden, ihre ^teuergeseze in Einklang ^u bringen. Die Kantone seien in der ^teuergesezgeb^.ng souverän, und dem ...^unde slehe kein Recht zu, die Vollziehung dieser ^tenergeseze zu

hemmen. (Ullmer Rro. 11..), 127).

^ie, die Regierung von .^nrgau, gehe mit der Regieruug von

^t. Gallen dariu nicht einig, dass das Besteurungsreeht unbedingt zusammenhange mit dem Recht der Verwaltung. Die Mühe und Verantwortlichl^eit der Verwaltung sei kompensirt durch die überall bestehenden Gebühren. Wenn eine Doppelbestenrung uuzulässig wäre, so musste das Recht der Besteuerung doch dem Staate Anfallen, unter dessen .^ehuz die Verson des Ru^niessers stehe, wo sie auch aller Vortheile des staatlichen und Gemeindelebens theilhaft sei.

Jn E r w ä g u n g : 1) .^aeh der neuern bnndesre.htliehen Praxis soll eine Doppelbesteurung nicht mehr stattfinden, daher Rekurrent mit Recht sich darüber beschwert, dass er sein Rentenbetrefsmss ans einem im Kanton St.

Gallen liegenden ^ideikommiss^Kapital im Kanton Thnrgau wieder besonders versteuern sollte, während das im erstern Kanton liegende und verwaltete Kapital dort sür die direkte Steuer in Anspruch genommen wird.

2) als Regel wird angenommen, dass das unbewegliche Vermogen da

80 in Besteurung falle, wo es liegt, das bewegliche aber da, wo der Eigentümer seinen gesezliehen Wohnsiz hat; 3) es ist keinerlei Grund vorhanden , von dieser Regel zu Gunsten von Fideikommissen eine Ausnahme zu machen. vielmehr ist auch bei solchen der unbewegliche Theil des Vermögens am Orte, w.^ er liegt, und der bewegli.he Theil am gesezlichen Wohnorte seines.

oder seiner jeweiligen Ruzniesser zu besteuern, wie sosort Jedermann klar sein müsste, wenn man sieh den Fall umgekehrt dachte, d. h.

wenn em Theil des unbeweglichen Gutes eines St. Gallischen Fideikommisses im Danton Thurgau läge; 4) dass der Si., der Verwaltung des Fideikommisses si.h in St..

Gallen befindet,^ ist für die Besteurnngssrage nieht entscheidend, wie schon bezüglich des analogen Verhältnisses der Besteurung von Gut, das in vormundsehastlicher Verwaltung liegt, festgestellt worden ist; 5^ da es sich im Fragesalle nur um Besteurung beweglichen Vermogens handelt, so muss Thurgau das bessere Besteurungsrecht zuerkannt werden. Es ist aber um so weniger Grund vorhanden, von der Regel abzuweichen, weil die Verwaltung, sosern das bezeichnete Steuerverhältniss ihr nicht zusagt, durch einfache Umwandlung des beweglichen in unbewegliches Vermog.en sich selbst helfen kann ; beschlo s sen: 1. Es sei der Rekurs begründet, und der Danton St. Gallen habe sich demnach der Besteurung des betreffenden Vermögenstheils des Fideikommisses zu enthalten.

2. Sei dieser ...^eschlnss den Regierungen der .^anl.one ^t. Gallen und Thurgan, sowie dem Rekurrenten unter Rüks.hluss der Akten mitzutheilen.

Also beschlossen,. Bern, den 18. Dezember 1865.

Jm Ramen des schweiz. Bundesrathes, Dex B u n d e s p r ä s i d e n t : Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft :

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Bundesrathsbeschluß in der Rekurssache des Hrn. Joh. Jakob Kukler von St.Gallen,in Egnach, Kts. Thurgau, betreffend Doppelbesteurung. (Vom 18. Dezember 1865.)

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16.06.1866

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