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B e r i cht der

ständeräthlichen Rekurskommission über den Rekurs des Herrn August Tavel in Payerne gegen Bundesrathsbeschluß vont 26. Juni 1865 ^) betreffend Doppelbesteurung.

(Vom 13. Juli 1866.)

Tit..

(Der Kommissionsbericht glbt vorerst eln Resumé aus dem eierten Bundes rathsbeschluss und fahrt dann fort wie folgt.)

Gegen diesen Entscheid des Bundesrathes ergriff Hr. Tavel den Weiterzug an die Bundesversammlung.

Inzwischen revidirte der Danton Freiburg (unterm 5. Mai 1866) den Art. 5 des Gesetzes vom 21. Rovember 1857 in der Art, das..

den ausserhalb des Kantons wohnhaften Besitzern pon Kapitalbriefen ansdrücklich die Besugniss eingeräumt worden ist, den Steuerabzug durch Vertrag wegzubringen , widrigenfalls derselbe fernerhin Vlatz greifen soll. Es lautet nämlich der Art. 5 des eitirten .Dekrets des Grossen

Rathes von Freiburg vom 5. Mai 1866 wie folgt:

,,Was die pfandrechtlichen Kapitalien und Renten betrifft, welche Gläubigern gehören , die ausser dem Kantone wohnen , so ist die Ein-

^) Bundesblall. vvn 1866, Bd. II, S. 171.

616 tragung der Titel in das Steuerregister nicht obligatorisch^ allein we.nn der Titel in dasselbe nicht eingetragen ist, so darf der Schuldner den Betrag seiner Schuld von dem steuerpflichtigen Kapital seiner Liegenschast nicht abziehen. Dagegen hat der Schuldner das Recht, den dem gläubiger schuldigen Zins um so viel herabzusehen , als er von dem auf seiner Liegenschaft haftenden Kapital, welches er nicht als Schuld hatte in Abzug bringen konnen , Steuer hat bezahlen müssen . .es sei denn, dass zwischen dem Gläubiger und Schuldner andere Verabredungen getroffen worden seien oder noch getrossen werden.^ Hr. Tavel, von dem eidg. Justiz - und Bolizeidepartemeut eingeladen , sich über diesen Jneidenzpunkt zu äussern , erwiederte unterm 4. Juni l. J. : . . . . . ..Demzufolge lasse ich mein Begehren um Aushebuug des freiburger Gesezes vom 21. ..November 1857 fallen, jedoch unter ^es.^ haltung desjenigen um Erstattuug der Steuerbeträge, welche ich --- wie ich glaube ohne es schuldig zu sein - bezahlt habe , und unter Ver.^ wahrnng dagegen, dass dem Dekret vom 5. Mai abhin eiue rückwirkende Kraft gegeben werdet Der Ratioualrath , welcher für dieses Traktandum (Rr. 23) die Vriorität hatte, sasste hieraus unterm 9. diess die nachfolgende Schlug nahme : Nachdem August Tavel in Baderne mit Schreiben vom 4. Juni 1866 seinen Rekurs so weit zurückgezogen hat, als derselbe die Aus^ hebung des Freiburger Gesezes vom 21. Rovember 1857 verlangte, was zugleich das Fallenlassen des Rekursbegehreus um Erstattung der unstatthasterweise , d. h. gemäss besagtem .Geseze, bezogenen SteuerBeträge iuvolvirt --s e h r e i t e t der N a t i o n a l r a t h , ohne aus das Materielle des Rekurses einzutreten, zur T a g e s o r d n u n g . ^ Jhre Kommission, Tit., kann sich mit dieser Art. der Erledigung des Gegenstandes keineswegs einverstanden erklären.

Es ist thatsäehlich unrichtig, dass Hr. Tavel, indem er zw..^.. die Aushebung des i n z w i s c h e n m o d i s i z i r t e n Gesezes vom 21. Rovember

1857 selbstverständlich nicht mehr verlaugt, eben desshalb auch d.^ Begehren um Rückerstattung der unstatthasterweise bezogenen ^teuerbeträge fallen gelassen habe. Hr..Tavel erklärt vielmehr p o s i t i v das Gegentheil, und w e n n .^r. Tavel diess uieht einmal ausdrücklich gesagt hätte, so solgt aus der Zurückziehung des Rekurses gegen ein seit dessen Anhängigmaehuug a b g e ä n d e r t e s Gese^, gegen welches also nach seinem ursprünglichen Wortlaut die Besehwerde nicht mehr braucht sestgehalten zu werden und in gewissem Sinn nicht mehr festgehalten werden kann, keineswegs von selbst die Verzichtleistung aus das Gesuch um Aushebung d e r F o l g e n d e s G e s e z e s für d i e V e r g a n g e n h e i t , s o w e i t

617 fie den R e k u r r e n t e n b e t r e f f e n . Hr. Tapel begegnet aber wie gesagt einer solchen allsälligen Missdeutung ^um Voraus so deutlich als moglich , indem er auf dem begehren um Rückerstattung der bezogenen Steuerbeträge ausdrücklich verharrt und gegen die rückwirkende Kraft des neu e r l a s s e n e n Gesezes für die Beurtheilung s e i n e r Rekursbe^chwerde förmlich protestirt.

G e g e n den klar p o r l i e g e n d e n Willen des Reeurrenten die Beschwerde etwa desshalb verwirkt zu erklären , weil das ^..erst gegen das G e s e ^ als s o l c h e s gerichtete Begehren hintenher in ein Gesuch um Kassation der den e r s t e r n b e t r e f f e n d e n F o l g e n desselben abgeändert worden sei : davon konnte vielleicht im gewohnlichen Eivilprozessversahren und auch hier wohl nur dann^umal die Rede sein, wenn positive Brozessvorschristen Solches absolut fordern würden. ^ Ohnediess dürfte ziemlich überall in dem Mehr einer Klage auch das Minder als inbegrisfen zugelassen werden.

Für die B u n d e s v e r s a m m l u n g kann aber in Fragen der vorliegenden Art, wo es sich um den Schn^ verfassungsmässig gewährleisteter Rechte der Bürger handelt, ein solcher

Standpuukt überhaupt nicht Blat^ greifen.

Dazu kommt, dass die mehrerwähnte Klageveränderung oder Modifikation in einem ebenfalls bereits näher charakterisirten Jneidenzpunkte

ihre. volle Erklärung und .Begründung findet.

Unter solchen Umständen ist es überflüssig beizufügen , und es ergibt sich diess aus der nachfolgenden Erorterung über die Hauptsache von selbst, dass die m a t e r i e l l e Prüfung der ^rag.., abgesehen davon, dass sie im Spezialsalle nicht ausgewichen werden kann, auch durch deren weitergehende Bedeutuug mindestens nahegelegt ist.

Wir dürsen als unzweifelhaft voraussehen, dass der Bundesrath gemäss eiuer seit dem Rekurs Dur eousta.nt gewordenen Bra^s zu Gunsten des .Reeurrenten entschieden hätte , sosern nach seiner Ansicht ein Konflikt zweier K a n t o n e wegen doppelter Jnanspruchnahme eines

Steuerpflichtigen oder eine indirekte Verlegung des Art. 48 der Bundes-

persassung vorliegen würde. Der Bundesrath hat, wie ans den Motipen seiner Schlussnahme vom 26. Juni 1865 unzweideutig sich ergibt, den Reeurs desshalb abgewiesen, ,,da keine sreiburgische B e h o r d e eine Steuerforderung an den Reeurreuten stellt , wie es der .^all war bei der Beschwerde des Hrn. Baris, welcher d i r e k t vom Staate Reuenburg für eine Steuer aus einem hypothekarischen Titel belaugt wurde, welchen Hr. Baris iu seinem Riederlassungskantou schon versteuerte.^ Dieser Auffassung gegenüber erlauben wir uns der Kür^e wegen einfach auf die Widerlegung hinzuweisen , welche dieselbe , wie uns scheint mit guten Gründen bereits in den Kommisfionalberichten des Nationalrathes in dem Reeurssalle Dür nnd in den entsprechenden

618 Schlussuahmen der beiden Räthe vom Jahre 1862 gefunden hat. ^) ,,Der Bundesrath hält dafür^ , sagt die Kommission des Nationalrathes am 16. Juli 1862, ,,es walte über die vorliegende Frage kein Konflikt ob, weil ein B a r t i k u l a r und nicht ein Kanton den Reenrs ergriffen habe. . . . Allein es ist nicht zulässig, dass ein Bürger durch zwei sich widerstreitende Gesetzgebungen in seineu Rechten verlebt und in seinem Vermögen beeinträchtigt werden kann und er so lange das Opfer des Konfliktes bleiben müsse, bis einer der beiden Kantone sich mit der Angelegenheit besasst. Da jeder Kanton im Falle ist , seiner Schlnssnahme (oder Gesetzgebung) Vollzug zu verschassen , so hat er natürlich keinen Grund zum Reeurriren . allein dessenungeachtet besteht doch ein Konflikt, nur muss ein d r i t t e r darunter leiden. Warum sollte daher dieser nicht an die Bundesversammlung gelangen können ..^ Entgegen dem Antrage einer Mehrheit der ftänderäthlichen Kommission, welche damals den Standpunkt des Bundesrathes vertrat, ging

schliesslich aus einer sehr einlässlichen Diskussion in beiden Räthen die Ansicht der nationalräthlichen Kommission .siegreich hervor. Wir glauben also, den erstern mit Fug und Recht als einen ü b e r w u n d e n e n Standpunkt bezeichnen zu dürfeu und bloss noch bemerkbar machen zu .sollen,

dass, da jedeufalls der im Jahr 1862 gefasste Entscheid den indivi-

duellen R e c h t e n der Bürger, sowie der Verkehrs- und Riederlassungsfreiheit sehr zu Statteu kommt, nunmehr dessen k o n s e q u e n t e Durchs f ü h r u n g , selbst im Falle der Fortdauer abweichender individueller Meinuugen, die Hauptsache ist. wie denn auch jene Mitglieder der

ständeräthlichen Reeurskommission , welche im Jahr 1862 sich in der Minderheit befunden hatten, am heutigen Tage mit aller Entschiedenheit

für die Begriindetheit des Rekurses votireu.

Der Staatsrath des Kautons ^reiburg sucht die betreffende Ge^ se^esbestimmuug in erster Linie dadurch zu rechtfertigen , dass er sagt, ,,es werde .nicht das bewegliehe Vermogen des Reeurrenten (das Darleihens-Kapital), sondern das zu seinen Gunsten im Kanton Freibnrg ^oustituirte Realrecht besteuert^, obwol das ani Schlusse der Autwortschrist betoute und in den revidirten Gese^esartikel übergegangene sogenannte Vertragsrecht zwischen dem Gläubiger und Schuldner dazu bestimmt zu sein scheint, die Frage aus einen andern Boden zu stellen.

Jn der That und Wahrheit wird aber ja sreilieh nicht das Grundstück, dessen Stenerrepräseutant der Eigenthümer ist, sondern das bewegliche Vern.ogen des Gläubigers selbst desshalb besteuert, weil auf das erstere.

zur bessern ^icherstellung des Guthabens eine Hypothek bestellt worden ist. Die ^tener^uote wird nicht nach dem W e r t h e des Grundstücke s oder nach der Qualität des Bsandes, sondern nach dem M a ss-

^. vergleiche. B...ndesbl..tt 18.^2. I, 428, III.. ...4, 1^.. ...- ^esez^Sammlung ^II, .^2.^.

619 stabe der F o r d e r u n g des G l ä u b i g e r s bemessen.

.^lus der

Eigenschaft des a u s w ä r t s w o h n end e n Bsaudgläubigers wird die

theilweise Steuerb..rech.^guug aus eine Bortion des L i e g e n s c h a f t sv e r m a g eus hergeleitet, während das lettere aus der Steuerhoheit des Staates über die auf seinem Gebiete befindlichen unbeweglichen Sachen eben nur gegenüber dessen wirklichen Repräsentanten , dem Eigent h ü m e r , besteuert werden kann. Ganz anders gestaltet sich die Sache in Bezug ans den im K a n t o n w o h n h a s t e n Gläubiger. dieser ist persönlich, mit seinem ganzen, also namentlich auch mit dem beweglichen und dem Kapitalvermögen steuerpflichtig. Das mittelst des Steuerabzuges von Seiten des Schuldners bereits besteuerte Kapital wird nicht zum zweiten Mal bei der Vermogensb^tenrung in Mitleidenschaft gezogen.

dagegen kommt es, um aus einen andern Scheingrund überzugehen, für den auswärtswohnenden ^faudgläubiger im Effekt auf Eines und dasselbe heraus, ob der Kanton ^reiburg u n m i t t e l b a r oder in einer mehr persteckten und künstlichen Weise das daselbst angelegte Kapitalvermögen versteuert, indem die sreiburgische Gesetzgebung den Debitoren berechtigt, 3 ^ von der Ziussehuld in Al.^ug zu bringen. Es ist dies nur das Mittel , über die Kantonsgrenzen hinaus einen Besteurnngsanspruch zu realisireu. welchen die Staatsgewalt d i r e k t gegenüber dem auswärtswohueudeu Schweizerbürger nicht realisiren könnte. Abgesehen davon, dass das Gesetz vom 2^. .November 1857, um dessen Anwendnng es sich hier zunächst handelt , die Bestimmung des ^lrt. 5 vom 5. Mai

1866, wenigstens ausdrücklich nicht enthielt, so ist es die Steuerg esetzgebu..g, es ist das össeutliche Recht des Kantons Freiburg,

welches den Steuerabzug zum Rachtheil des ausserl.autonaleu Gläubigers

gestattet und als Regel aufstellt. Der Debitor ist gleichsam der Steuer-

E i n z i e h e ^ des S t a a t e s , um ^ur Erleichterung des erstern und ohne dass der ^iseus eiue Einlasse erleidet, das ausser dem Kantou ^reiburg

liegeude (bewegliche) Kapitalvermögen des Gläubigers in Besteurung zu ziehen.

Jm Uebrigen enthalten wir uns , Tit. , eiuer nähern Erörterung

über das Verhältniss des revidirten ^lrt. 5 des sreiburgisehen Gesetzes vom 5. Mai 1866 zu der Bundesversassung (^lrt. 3 und 48), da Jhre kommission lediglich die gegenwärtige Reeursbeschwerde und zwar in der Gestalt vom 4. Juni l. J. zu begutachten hatte.

Was s.hliesslich die Fassung ^er demgemäß beantragten Schlußnah.ne anbetrifft (siehe unten), so sind in Bezng auf das Begehren des Hrn. ^lug. Tavel (um Rückerstattung der ihm gemachten Steuerabzüge) ^wei Mo^nente wol anseinanderznhalten. Sofern nämlieh nicht durch die Bundesversammlung die e o n s t i t u t i o n e lle Gruudlage des Gesetzes vom 21. November 1857 verneint würde, könnte Hr. Tavel die Rück^ forder^.g^klage g^.gen Niemanden, weder gegen den Schuldner noch

620 ^egen den Fiseus , geltend machen.

Es ist somit in den Kreis der

Aufgabe der Bundesversammlung gelegt, die staatsrechtliche Seite dex Frage zu beantworten. Weiter kann und soll dieselbe nicht gehen.

Ob der condilo indebiti aus p r i v a t r e c h t l i c h e n Gründen (der Verjährung, des unentschuldbaren R e eh t s irrthums u. dergl.) Einreden entgegengehalten werden konnen oder nicht, fällt nicht der Beurtheilung der Bundesversammlung anheim.

^ie Kommission schliesst mit dem Antrage ans Annahme Beschlussentwurfes :

folgenden

^n^esbeschlu^ betreffend

den Rekurs de.^ Hrn. August T a v e l in ^eterl.ingen, Kt.^. Waadt, gegen Bunde^ratl^befchluß vom ....6. .^uni 1.^65, betreffend ^oppelbesteurung.

^,ie B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, Jn . Erwägung : 1) dass nach dem von der Bundesversammlung aus Beschwerde des Hrn. Dur in Burgdorf gesassten Entscheide jede D.^ppelbefteu.^

rung unzulässig ist ,

2) dass Herr Tavel für seine hypothekarische Forderung von Fr. 900l) sowol im Kauton Waadt als im Kanton Freiburg mit einer Steuer belastet worden ist, indem es als völlig gleichgültig erscheint, ob

der sreiburgische Fiskus die Steuer direkt oder durch Vermittlung

des Schuldners bezogen habe, 3) dass demuach Hr. ..^avel berechtigt ist, die ihm am Zinse abge^ogene Steuer vom Schuldner nachzufordern , wofern ihm nicht privatreehtliehe Gründe (wie z. B. stillschweigende oder ausdrüek-

liehe Einwilligung) entgegenstehen, besehliesst :

Es sei der Rekurs im Sinne der ^Erwägungen begründet erklärt.

Bern, den 13. Juli 1866.

Jm Ramen der ständeräthlichen Rekurs-Kommisfion, ^) ^er Berichterstatter: ^d. .^gberlnt.

^ v t e . Obiger Antrag wurde vom Ständerath am 1^. Juli angenommen.

Nachdem sodann der ^ationaIralh am 18. Juli die drille .^rwä^ung gestrichen ha^e. trat der Ständerath am 19. diesem Beschluß bei.

^) Dieselbe besteht aus den Herren ^.. .^. .^. Blum.^r, in ..^larus , .^d. ^äberli..^ in Weinselden ^ .^hil. .^amper^, in Genf, .l^r. J. J. ^üttlmann, ln Zürich, ^m. Weltl^ in Aarau.

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I. Bericht der ständeräthlichen Rekurskommission über den Rekurs des Herrn August Tavel in Payerne gegen Bundesrathsbeschluß vom 26. Juni 1865 *) betreffend Doppelbesteurung. (Vom 13. Juli 1866.)

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1866

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15.09.1866

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