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Schweizerisches Bundesblatt.

^Vlll. Jahrgang. l.

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Nr. .^.

3. Februar 18^.

Bundesrathsbeschluss in

Aachen des Hrn.

alt-Gemeindrath Stuß i in Glarus und

einer Anzahl Niedergelassener in Glarus, betreffend Ungleichheit im Steuerwesen.

(Vom 29. November 1865.)

Der

s eh w e i z e .. i s eh e B u n d e s r a t h hat

in Aachen des Hrn. alt-Gememdrath S t ü s s i in Glarus und ..^.er .^ln.^ahl Niedergelassener in Glarus, betretend Ungleichheit im ..^teuerweseu , nach angehortem Berichte des Justi^ und Volizeidepartements und uaeh Einsicht der Akten, woraus sieh ergeben : 1) Der dreisaehe Laudrath des Kautons Glarus hat in seinem Memorial für die ordentliche Laudsgemeinde des Jahres 1864 nnter ^ 8 die Genehmigung des ^ina.^plaues der Gemeinde Glarus behandelt, und über die Veranlassung dahin sich ausgesprochen: der grosse Braud vom l0^l1. Mai t86l un.^ die Durchführung eines rationellem Bauplanes für die neue ..^rts^ft habe der Gemeinde Glarus außerordentliche ^pser auferlegt. Eine eingehende Brusung der gesammte^. ^inanzlag.^ habe einen jährliehen Ausfall von nahezu 20,..)l)0 Franken ergeben. Zur Dekung desselben habe .^..e Tagwenversammlung von Glarus so zu sagen einhellig den Beseh.uss gefaßt: es solle f o r t a n , bis zur Tilgung ..^r .Brandsehuld, ans jedes ^agwenreeht eine Auflage von 10 Franken per Jahr,

B^ndesblat... ^ahrg. X^III Bd.I.

.)

82 auf das Vermögen der anwesenden Tagwenlente eine solche von einem halben Franken vom Tausend gelegt, das Sizgeld der Niedergelassenen aber in dem Sinne erhoht werden , dass je nach den okonomisehen Verhältnissen des Einzelnen dasselbe aus 15--50 Franken gestellt würde, wobei Jedem, der allzuhoch veranlagt ^u sein meine. der Rekurs an Landammann und Rath vorbehalten bleibe.

Der dreifache Landrath bemerkte, dieser Beschluss bedürfe in z w e i Beziehungen die hoheitliehe Genehmigung Seitens des Gese^gebers, nani-

lich für die Vermögenssteuer und .für die Erhöhung des Si..-

g e l d e s der Niedergelassenen. Allerdings sei die Erhebung von Vermogensfteuern sür Gemeinde^weke im Kanton Glarus eine ungewohnliche ^ Erscheinung. ^lber im vorliegenden Falle seien die Verhältnisse derart , dass ohne Benuzung dieser Quelle die erforderlichen Mittel beinahe unmoglieh zu beschaffen wären; und da nun zudem die Gemeinde selbst

beinahe einstimmig dieses Auskunstsmittel gewählt, so stehe einer Geueh-

migung Seitens der Laudesbehörden um so weniger ein Hiu.^erniss im Wege, als neben einer sehr massigen Vermögenssteuer eiue , wenn auch nicht drükende , doch .immerhin beträchtliche Auflage ans das Tagwenrecht erhoben werden soll. Was dann die Erhöhung des Si^geldes der Riedergelasseueu anbelange, so sei auch diese vollkommen berechtigt, wenn man bedenke , dass der grösste Theil der öffentlichen Anstalten , deren Herstellung die schwere Schuldenlast der Gemeinde Glarus hervorgebracht hat, den Niedergelassenen eben so sehr zu Gute kommen als den Bürgern, und dass, wenn der eigene Bürger 10 Franken allgemeine Auslage und ./.^^ Vermögenssteuer zahlen müsse, der Ansaz von 15 Franken für den ärmern und von 50 Franken sür den reichsten Niedergelassenen als ein sehr billiger Ansa^ erscheine.

Der dreifache Landrath fchlng daher der Landgemeinde vor , den von der Gemeinde Glarus vorläufig angenommenen Finanzplan , so weit dessen Bestimmungen über die Kompetenz einer Gemeinde hinausgehen, dur.h hoheitliche Genehmigung ausführbar zu machen.

Die Landsgemeinde von 1864 hat dann wirklich den erwähnten ^inan^plan genehmigt.

2) Mit Eingabe vom 7. September 1.^65 hat Hr. alt-Gemeindrath B. ^tüssi nebst sechs andern Herren, welche als ,,das von einer Mehrzahl Riedergelassener der Gemeinde Glarus beauftragte Komitee unterzeichnet haben, gegen diesen Landsgemeindebes^luss bei dem Bundesrathe Beschwerde erhoben, und znr Begründung derselben im Wesentlichen angeführt .

Durch den iu ^rage stehenden Fina.^plan , und namentlich durch die Erhohung des ^geldes sei zn Gunsten der Ortsgemeinde Glarus ein Vorrecht im ^teuerwesen vor allen übrigen Ortsgemeinden des Kautons Glarus geschaffen und damit auch ein unzulässiges Brivilegium des

83 Ortes. Raeh Art. 3 der Kautonsverfassuug stehen alle .Landsleute des gauzen Kantons unter dem gleiche^ Geseze, und nach Art. 41 der Bundesversassuug stehen die Niedergelassenen aus andern Kantonen den Riedergelassenen des eigenen Kantons gleich. Daraus folge, dass die Riedergelassenen im ganzen Kanton unter dem gleichen Geseze und unter den gleichen Riederlass..ngsbedi..gu..geu stehen müssen. Das ..Niederlassung-

. gese^ von l 85l befinde sich ganz richtig auf diesem Standpunkte und bestimme in den ^ 8 und 9 die Lasten und Rechte der Riedergelasfeuen für den ganzen Kanton gleich. Der erwähnte Landsgemeindebesehluss lege aber den Niedergelassenen der Gemeinde Glarns ausnahmsweise .^ grossere Lasten auf, als den Niedergelassenen in allen andern Gemeinden des Kantous Glarus. Er stehe somit im Widerspruch mit dem Art 3 der Kantons.. und mit den Artikeln 3, 4 und 41 der ..Bundesverfassung.

Ferner seien die Artikel .^7 , 98 und 9.) der Kantonsverfassung verlebt, weil jener Beschiuss als eine Verfassungsänderung (Art. 3) erscheine, während nicht das für eine Verfassungsänderung vorgeschriebene Versahren beobachtet worden sei. Uebrigens würde das dem Orte Glarus eiugeräumte Vorrecht in ...^teuersaehen, auch wenn es mittelst einer Versassungsreviston hätte eingeführt werden wollen, doch nicht bestehen konnen, weil ein solches Vorrecht mit Art. 4 der Bundesverfassung im Widersprueh.. wäre. Die Bundesbehoxden müssten es daher gemäss ^rt. .^0 und Art. 74 .^er Bundesverfassung auch von diesem Gesichtspunkte aus aufheben.

Die Vetenten stellen das Gesuch, dass der fragliehe ^ina.^plan, so weit er die ausnahmsweise und somit unzulässige Steuerbelastung der Niedergelassenen betrifft, aufgehoben werden mochte.

Die gleichzeitig nachgesuchte Suspension jenes Finanzplanes als provisorische Zwisehenversügung wurde vom Bundesrathe am 11. September 1865 abgelehnt, weil keine Gefährdung vorliege, indem, wenn der Reknrs begründet erfunden würde, die.Rükzahlung der Steuern durch die

Gemeinde Glarus hinlänglieh gesichert sei.

3) Der Gemeindxath von Glarus hat mit Memorial vom 5. O ktober 1865 aus Abweisung dieser Besehwerde angetragen, und zunächst darauf aufmerksam gemacht, dass die Rekurrenten nieht befugt seien, sich als Repräsentanten der ,,Mehrzahl^ der Niedergelassenen von Glarus auszugeben , indem nur 15 .^ Bezahlung des vou^ ihnen geforderten

..^i^geldes verweigert, die übrigen 4^l dagegen bezahlt haben.

Sodann wird darauf hingewiesen, d..^ der Bundesrath ..ur dann befugt wäre, den Besehluss der Landsgememde, aus welchen^ die ^izgeldforderung der Gemeinde Glarus beruhe, ^u kassiren, wenn der Rachweis geleistet würde, dass er in irgend einer Beziehnng den Bundesvorschriften Zuwiderlaufe. Run enthalte aber die Bundesverfassung hmsiehtlieh der Besteur..ug der Niedergelassenen ..eine andere Vorschrift, als da^ die

84 Bürger anderer Kantone denjenigen des eigenen Kantons gleich zu halten seien. Hier konne dieses von Niemandem behauptet werden; vielmehr feien es gerade G l a r n e r, welche an der Spize des Rekurses stehen.

Wenn dagegen behauptet werde, dass dureh den fraglichen Finan^plan die Gleichheit aller Landsleute, beziehungsweise aller Schweizer, vor dem Geseze (Art. 3 der Kantonsversassung und Art. 4 der Bundesverfassung) verlezt werde, so konne eine solche Behauptung leicht widerlegt werden.

.Allerdings habe die Landsgemeinde von 1864 für das Besteurungswesen der Gemeinde Glarns Ausnahmsbestimmnngen getrosfen , aber desshall..

keineswegs eine Verfassuugsverlezung begangen. Die Bnndesbehorden haben sehon wiederholt entschieden , dass das Brinzip der Rechtsgleichheit nicht in absolutem, sondern nur in relativem Sinne zu verstehen sei, d. h. nur unter der Voraussetzung völlig gleicher tatsächlicher Verhältnisse anzuwenden sei. (Ullmer staatsrechtliche Bra.^is, Rr. 6). Von

diesem Gesichtspunkte aus habe es der Bundesrath auch als zulässig er-

klärt, dass in einem Danton einzelne Bewirke besondere Statutarrechte habeu (Ullmer, Rr. 106), dass bei Eiubürgernn^ der Heimatlosen versehiedene formen für verschiedene Landestheile ^.lässig seien ^. (Ullmer, ^r. 8). Ebenso stosse stch Riemand daran, wenn in einem Kanton besondere Ba^geseze bloss sür die städtischen Gemeinden ausgestellt werden.

So sollte sich auch Niemand daran stossen. wenn Glarus, das in Folge des Brandes mit einer grossen Schuldenlast sich beschwert sehe, von den Niedergelassenen wie von den Bürgern hohere Abgaben fordere, als in andern Gemeinden , wel..he sich in viel günstigern okonomischen Verhältnissen befinden, und sür öffentliche Zweke nicht so ansserordentliche Opser ^n bringen im Falle gewesen seien. Rnr wenn das Sizgeld nicht sür alle Riedergelafsenen ohne Ausnahme , sondern nur für einzelne Klassen derselben erhoht worden wäre , konnte man mit Recht sagen , dass bei gleichen faktischen Verhältnissen eine Ungleichheit vor dem Geseze bestehe.

Was übrigens die Berufung ans die Kantonsversassung betreffe, so sei die gesezgebende Behorde des Kantons, hier also die L a u d s g e m e i n d e , die kompetente A^slegerin der Verfassung. Hier sei sie auf ^eite des Gemeindrathes, weil ste die Erhohung des ^i^geldes der Niedergelassenen

genehmigt und dadurch die Ansicht kund gegeben habe, dass dieselbe mit Art. 3 der Kantonsversassung vereinbar sei.

4) Die Standeskommission des Kautous Glarus sehliesst sich in ihrer Antwort vom 14. .^lober 1865 den Erörterungen des Gemeindrathes von Glarus an, und führt im Weilern aus : .^ass es sieh ini Grunde uur um einen gesezgeberis^eu Akt handle, dessen Zwekmässigkeit man bezweifeln moge, dessen formelle Berechtigung hingegen über allem Zweifel stehe. Anch die Reknrrenten anerkennen im Grnndsaz die Berechtigung zum Be^g eines Si^geldes als Beitrag der Niedergelassenen an die offentlicheu Anstalten der Gemeinde. Sie glauben nur , ^ass es un^nlässig sei , das Mass dieses Si^geldes in vermiedenen Gemeinden ver-

85 schieden ^u normten. Run seien aber die angerufenen Verfassungsbestimmigen einer solchen Jnterpretation durchaus entgegen. auch die wirklichen Verhältnisse und die Ratur der Sache widerstreiten an sich einer gleichen Rormirung des Sizgeldes für alle Gemeinden. Die Verschiedenheit der Bedürsnisse konnen vielmehr ...othwendig .^u einer Versehiedenheit im Ansage führen, nnd der Gesezgebe... hätte ganz passend ein Minimum und ein Maximum ausstellen konnen. So gut er 1851 einen einheitliehen Ansaz habe ausstellen konnen , so gnt sei er 1864 nun auch kompetent, denselben für einen speziellen Fall abzuändern.

J n Erwägung: 1) Rach Art. 3 der Bundesverfassung sind die Kantone befugt, iuuer den Sehranken des Art. 4l, Ziff. 5 und Art. 48 die Steuerverhältnisse der Riedergelassenen für Gemeindezweke zu regeln , und zwar ohne eine andere Beschränkung, als dass den Niedergelassenen anderer Kantone keine grossern Leistungen an die Gemeindelasten auserlegt werden dürfen, als den Riedergelassenen des eigenen Kantons.

2) Jnner diesen Sehranken bewegt sieh die Besteurung der Riedergelassenen im Kanton Glarus nach den Vorschriften des Riederlassungsgesezes vom Jahr 18.^l , was übrigens nieht bestritten ist. Es liegt vielmehr nur in Frage, ob die Besehwerde gegen die Steuerbelastung uaeh dem von der Landsgemeiude pro 1864 genehmigten ^u.an.,plan der Gemeinde Glarus begründet sei oder nicht.

3) Hierüber ist vorab zu bemerken, ^dass es nicht in der Stellung der Bundesbehorden liegt, ein Steuersystem einer Kritik über seinen innern Wexth zu unterwerfen, indem der Entscheid über Fragen, wie z. B.

Zwekmässigkeit der Beftenrung, Bestimmung eines Maximums für die Si^gelder, kurz alle solchen Vunlte dem Recht der Kantone über die Regelung des Steuerwesens inner den angegebenen Schranken augehort.

4) Mit dem gleichen Rechte, mit welkem der Gesetzgeber im Jahr 185l die Besteurung der Riedergelassenen in den Gemeinden überhaupt ordnete, darf er aueh im Jahr 1864, bezüglich einer einzelnen Gemeinde.

nach Erforderniss der Verhältnisse, Aenderungen eintreten lassen, sosern alle Niedergelassenen derselben Gemeinde nach den gleichen Rechtsnormen behandelt werden.

5) Der Art. 4^er Bundesversassuug (Art. 3 der Glarnerverfassung) ist nie im Sinne einer absoluten Gleichheit aller Bürger anfgefasst worden, und kann aueh nicht
so ausgelegt werden, weil die Verschiedenheit tatsächlicher und rechtlicher Verhältnisse immer Ungleichheiten erzeugt, wie dieses gerade bei dem ausnahmsweise Verhält^iss der Gemeinde Glarns gegenwärtig der Fall ist. Es ist daher nie mehr verlangt worden, als dass jeder Bürger unter den gleichen Vorauss^uugen gleich nnd nicht exzeptionell behandelt werde, was bezüglich aller Riedergelassenen der Gemeinde Glarus der Fall ist .

86 beschlossen : 1. Es sei der Rekurs als unbegründet abgewiesen.

2. Sei dieser Beschlnss der Standeskommission des Kantons Glarus für sich und zuhanden des Gemeindraths von Glarus, sowie dem Hrn. altGemeiudrath B. Stüssi sür sieh und die übrigen Mitrekurrenten mitzutheilen, unter Rüksendnng der Akten.

Also beschlossen, B e r n , den 2l). .....ovember l 865.

Jm Ramen des fehweiz. Bundesrathes, Der B u u d e s p r ä s i d e n t :

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft .

^l^ieß.

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Bundesrathsbeschluss in Sachen des Hrn. alt-Gemeindrath Stüßi in Glarus und einer Anzahl Niedergelassener in Glarus, betreffend Ungleichheit im Steuerwesen. (Vom 29.

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03.02.1866

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