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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurfe eines Bundesgesetzes betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen.

(Vom 28. Februar

1899.

Tit.

Der mit Bundesbeschluß vom 15. Oktober 1897, betreffend die Erwahrung der Volksabstimmung vom 11. Juli 1897 (A. S.

n. F., XVI, 343--346), in Kraft erklärte neue Art. 69bis der Bundesverfassung lautet : ,,Der Bund ist befugt, gesetzliche Bestimmungen zu erlassen : a. über den Verkehr mit Nahrungs und Genußmitteln ; b. über den Verkehr mit ändern Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen, soweit solche das Leben oder die Gesundheit gefährden können.

,,Die Ausführung der bezüglichen Bestimmungen geschieht durch die Kantone unter Aufsicht und mit der finanziellen Unterstützung des Bundes.

,,Dagegen liegt die Kontrolle der Einfuhr an der Landesgrenze dem Bunde ob."

Die große Mehrheit, mit welcher Volk und Stände am 11. Juli 1897 diesen Artikel angenommen haben (162,250 gegen 86,955 Stimmen und 16 ganze und 5 halbe Stände gegen die Kantone Glarus, Freiburg, Wallis und den Halbkanton Appenzell I.-Rh.), darf füglich als Beweis dafür angesehen werden, daß der Erlaß eines Bundesgesetzes betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen allgemein auch in unserm Lande als notwendig und dringend angesehen wird. Sämtliche größern Staaten

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Europas besitzen auf diesem Gebiete bereits seit längerer oder kürzerer Zeit einheitliche Gesetze, so : F r a n k r e i c h : Loi tendant à la répression plus efficace de certaines fraudes dans la vente des marchandises, du 27 mars 1851 ; E n g l a n d : Sale of Food and Drugs Acts 1875 and 1879 (Amendment Act) ; D e u t s c h l a n d : Gesetz betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen, vom 14. Mai 1879 und 29. Juni 1887 (Abänderung des § 16); I t a l i e n : Leggesulla tutela della igiene e della sanità pubblica (Titolo 4°, capo 1°), 22 dicembre 1888; B e l g i e n : Loi relative à la falsification des denrées alimentaires, du 4 août 1890; Ö s t e r r e i c h : Gesetz betreffend den Verkehr mit Lebensrnitteln und einigen Gebrauchsgegenständen, vom 16. Januar 1896.

Das Schweizervolk hat durch die Abstimmung vorn 11. Juli 1897 sich mit aller wünschbaren Deutlichkeit dahin ausgesprochen, daß es nicht länger hinter diesen Staaten zurückbleiben, daß es einen Zustand beseitigen will, der es unserm Land unmöglich macht, seine Einwohner im Verkehr mit Lebensrnitteln und den Gebrauchsgegenständen des täglichen Haushalts in gleicher Weise vor Gesundheitsschädigung oder Ausbeutung zu schützen, wie die genannten Staaten es thun. Namentlich in Bezug auf die daherigeri Schutzmaßnahmen im internationalen Lebensmittelverkehr ist die Schweiz zur Zeit gegenüber den benachbarten Ländern in gewaltigem Nachteil, und zwar um so mehr, als unser Konsum beinahe das Doppelte der inländischen Produktion beträgt und wir daher gezwungen sind, fast die Hälfte unserer Nahrungs- und Genußmittel, d. h. für cirka 300 Millionen Franken, aus dem Auslande zu beziehen (siehe Botschaft betreffend Bundesgesetzgebung über den Verkehr mit Nahrungs- und Genußmitteln und mit solchen Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen, welche das Leben und die Gesundheit gefährden können, vom 8. März 1895. Bundesbl. 1895, I, 767 ff.).

Nachdem der neue Verfassungsartikel 69bis in Kraft getreten war, erteilte unser Departement des Innern dem schweizerischen Gesundheitsamt unverweilt den Auftrag, gestützt auf seine diesbezüglichen frühern Arbeiten, einen Entwurf zu einem Bundesgesetz betreffend den Verkehr mit Nahrungs- und Genußmitteln, Gebrauchs- 'und Verbrauchsgegenständen auszuarbeiten. Dieser

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Entwurf wurde in der Folge einer Reihe von E x p e r t e n k o m m i s s i o n e n zur Beratimg vorgelegt : 1 . Einer e n g e r e n K o m m i s s i o n v o n f ü n f L e b e n s r n i t t e l c h e m i k e r n , den Herren : Dr. Ambühl, Kantonschemiker in St. Gallen ; Dr. Bertschinger, Stadtchemiker in Zürich ; Dr. Lang, Chemiker des Alkoholamtes in Bern ; Dr. Schaffer, Kantonschemiker in Bern; F. Seiler, Kantonschemiker in Lausanne.

2 . Einer e r w e i t e r t e n K o m m i s s i o n v o n L e b e n s m i t t e l c h e m i k e r n , an welcher außer den fünf Mitgliedern der cngern Kommission folgende Herren teilgenommen haben : Dr. Ackermann, Kantonschemiker in Genf; Prof. Bieler, Kantonschemiker in Zug; Prof. Dr. Billeter, Kantonschemiker in Neuenburg; A. Evéquoz, Assistent der Milchversuchsstation in Pérolles (Freiburg) ; Kleiber, Kantonschemiker in Glarus; Dr. Kreis, Kantonschemiker in Basel ; A. Laubi, Karitonschemiker in Zürich; Prof. Dr. Liechti, Kantonschemiker in Aarau ; Prof. Meister, Kantonschemiker in Schaffhausen ; Prof. Dr. Nußberger, Kantonscherniker in Chur ; A. Schmid, Kantonschemiker in Frauenfeld; Dr. Schuhmacher-Kopp, Kantonschemiker in Luzern ; Prof. Walther, Kantonschemiker in Solothurn ; Dr. Vinassa, Kantonschemiker in Lugano.

3. Einer t i e r ä r z t l i c h e n K o m m i s s i o n , bestehend aus den Herren : Alb. Borgeaud, Schlachthausdirektor in Lausanne; C. C. Brandii, Kantonstierarzt in St. Gallen; Bühler, Stadttierarzt in Zürich; Aug. Grillard, Kantonsfcierarzt in Locle ; Prof. Heß, Mitglied des Sanitätskollegiums in Bern ; Peter Knüsel, Sanitätsrat in Luzern ; Fr. Olivet, Kantonstierarzt in Genf; Oberst Potterat, eidgenössischer Oberpferdearzt und eidgenössischer Viehseuchenkommissär in Bern ; Benj. Siegmund, Schlachthausverwalter in Basel.

4. Einer aus folgenden Sachverständigen und Interessenten zusammengesetzten g r o ß e n E x p e r t e n k o m m i s s i o n :

613 J. Äschlimann, Droguist in St. Immer; Dr. Ambühl, Kantonschemiker iri St. Gallen; Dr. H. Attenhofer, Präsident des Sanitätsrates, Luzern ; Bächler, Docent am eidgenössischen Polytechnikum 5 Dr. Bertschinger, Stadtchemiker, Zürich ; 0. Burkhart, Präsident des schweizerischen Wirtevereins, Zürich ; Dr. G. Casella, Staatsrat, Bellinzona; Prof. Chuard, Direktor des Laboratoriums der landwirtschaftlichen Station, Lausanne ; K. Demme, Großrat, in Bern ; Ch.-Eug. Fonjallaz, Nationalrat, Epesses ; Alfr. Frey, Sekretär des Handels- und Industrievereins, Zürich ; Aug. Gillard, Kantonstierarzt, au Locle ; Greulich, schweizerischer Arbeitersekretär, Zürich ; Habisch-Dietschy, Bierbrauer, Rheinfelden ; Job. Jenny, Nationalrat, Worblaufen; Prof. Dr. Kocher, Präsident der schweizerischen Ärztekommission, Bern ; Krebs, schweizerischer Gewerbesekretär, Bern; Dr. Kreis, Regierungsrat, Frauenfeld; 0. Kunkler, Bäcker und Konditor, St. Gallen; Dr. Laur, schweizerischer Bauernsekretär, Bern ; Ls. Martin, Nationalrat, Les Verrières; Sanitätsrat Dr. Ming, Nationalrat, Samen ; Prof. Müller-Thurgau, Wädensweil; Saxer, Metzgermeister, Lenzburg ; Dr. Schaffer, Kantonschemiker, Bern ; Alb. Schindler, Metzgermeister, Bern ; Th. Schlatter, Kaufmann, St. Gallen ; Dr. Schmid, Regierungsrat, Chur; Dr. Schuler, eidgenössischer Fabrikinspektor; Fr. Seiler, Kantonschemiker, Lausanne; Benj. Siegmund, Schlachthaus Verwalter, Basel; Konrad Sonderegger, Nationalität, Heiden ; Th. Stahel, Weinhändler, Schaffhausen ; Edm. v. Steiger, Regierungsrat, Bern; A. Stempfle, Konditor, Basel ; T. Uhlmann-Eyraud, Droguist, Genève; Em. de Vevey, Direktor der Milchversuchsstation Perolles bei Freiburg ; Dr. Vincent, Staatsrat, Genf; Hans Weibel, "Wirt, Bern; Bundesblatt. 51. Jahrg. Bd. I.

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Zäslin-Fäsch, Kaufmann, Basel ; Zimmerli, Hotelier, Luzern.

Vertreter der Bundesverwaltung: Dr. Arn. Eichmann, Abteilungschef des Handelsdepartements; Dr. Ed. Lang, Chemiker des Alkoholamtes ; Franz Müller, Abteilungschef des Landwirtschaftsdepartements ; Oberst Potterat, eidgenössischer Oberpferdearzt; Prof. Dr. v. Salis, Chef der Abteilung für Gesetzgebung und Rechtspflege des Justiz- und Polizeidepartements ; Herrn. Suter, Oberzollsekretär.

Von Amts wegen nahmen an den Verhandlungen sämtlicher Kommissionen teil die Herren Bundesrat A. Lachenal, Vorsteher des Departements des Innern, Dr. F. Schmid, Direktor des schweizerischen Gesundheitsamts, als Berichterstatter und Dr. E. Carrière, Adjunkt des Gesundheitsamts, als Sekretär. Bei den Verhandlungen der großen Expertenkommission wurden außerdem zugezogen die Herren Dr. W. ßurckhardt, Adjunkt der Abteilung für Gesetzgebung des eidgenössischen Justizdepartements, als Übersetzer und Herr Stenograph Schwarz als deutscher Sekretär.

Um die Beratungen abzukürzen, wurde bei den drei ersten Kommissionen jeweilen folgendes Verfahren eingeschlagen. Die Kommissionsmitglieder erhielten mit dein Entwurf zugleich die Einladung, ihre wesentlichsten Abänderungsvorschläge und Bemerkungen schriftlich einzureichen ; diese wurden dann vom Gesundheitsamt zusammengestellt, dem Druck übergeben und den Mitgliedern einige Zeit vor der Sitzung zugestellt.

Die engere Lebensmittelchemiker-Kommission wurde zweimal einberufen, am 13. Dezember 1897 zu einer zweitägigen und am 16. Februar 1898 zu einer eintägigen Beratung. Die Sitzungen der erweiterten Lebensmittelchemiker-Kommission fanden statt am 21. und 22. Blärz und die Sitzungen der tierärztlichen Kommission am 29. und 30. August 1898. -Über die Verhandlungen dieser drei Kommissionen liegen s c h r i f t l i c h e P r o t o k o l l e vor.

D a s P r o t o k o l l d e r B e r a t u n gO e n d e r go r o ß e n E x p e r t e n ko rn m i s s i o n , welche drei Tage, 21.--23. November 1898, in Anspruch nahmen, ist gedruckt worden.

Die Ergebnisse der verschiedenen Kommissionsberatungen wurden bei den nachherigen Umarbeitungen des Entwurfes in gebührender Weise berücksichtigt.

In der Zwischenzeit erstellte das schweizerische Gesundheitsamt im Auftrage unseres Departements des Innern eine s y s t e -

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matische S a m m l u n g der e i d g e n ö s s i s c h e n , kantonalen und der wichtigsten städtischen Vorschriften betreffend den Verkehr mit L e b e n s m i t t e l n und Geb r a u c h s g e g e n s t ä n d e n , welche dem Drucke übergeben wurde.

Auch die wichtigern ausländischen Lebensmittelgesetze fanden darin Aufnahme.

Im fernem hat der Verein schweizerischer analytischer Chemiker auf das Ersuchen des Departements des Innern ein W i s s e n s c h a f t H o h e s L e b e n s m i t t e l b u c h ausgearbeitet, in welchem die Anforderungen, die nach den bisher gemachten Erfahrungen an die einzelnen Lebensmittel zu stellen sind, sowie die Grundsätze und Methoden der Untersuchung möglichst genau festgestellt wurden Diese Arbeit ist namentlich für die Ausarbeitung verschiedener durch den Gesetzesentwurf vorgesehener Verordnungen von fundamentaler Bedeutung.

Zur Begründung der in dem vorliegenden Gesetzesentwurf enthaltenen Bestimmungen beehren wir uns, folgendes anzubringen :

I. Yorbemerkung.

Bei der Ausarbeitung des Entwurfes wurden die Erfahrungen, die man sowohl im Inlande als im Auslande auf diesem Gebiete bis jetzt gesammelt, zu Rate gezogen und außerdem den besondern Verhältnissen unseres Landes und den von verschiedenen Seiten eingegangenen Wünschen und Postulateli nach Möglichkeit Rechnung getragen. Den doppelten Zweck des Gesetzes, einerseits den Konsumenten vor Gesuridheitsschädigung und vor Ausbeutung zu bewahren, anderseits den reellen Produzenten (Landwirt und Fabrikant) und Handelsmann vor unredlicher Konkurrenz zu schützen, sucht der Entwurf in möglichst sicherer und zuverlässiger Weise zu erreichen. Derselbe ist so einfach und so kurz als möglich gefaßt; alle der Veränderung leicht zugänglichen Detailbestimmungen sind darin weggelassen und werden in Verordnungen Platz finden, welche den oft plötzlich wechselnden Verhältnissen ohne Schwierigkeit jederzeit angepaßt werden können, während die Revision eines Gesetzes stets eine umständliche Sache ist.

Titel und Gegenstand des Gesetzes (Art. 1).

Da das Gesetz sich nicht ausschließlich auf Nahrungs- und Genußmittel erstreckt, so konnte der naheliegende und bequeme Titel ,,Bundesgesetz .betreffend Lebensmittelverkehr a oder kurzweg

616 ,,Eidgenössisches Lebensmittelgesetz" nicht gewählt werden, obwohl der letztgenannte sich der Kürze halber voraussichtlich im gewöhnlichen Verkehre doch einbürgern wird. Die Ersetzung der Worte ,,Nahrungs- und Genußmittela und ,,Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständea durch ,,Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände1'' im Titel bedarf wohl keiner nähern Begründung, ebensowenig das Weglassen der in Art. l, litt. &, enthaltenen Einschränkung.

Der Artikel l ist die beinahe wörtliche Reproduktion von Alinea l des Art. 69bis der Bundesverfassung.

Unter litt, b ist vor ,,Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen " das im Verfassungsartikel enthaltene Wort : ,,andere11 weggelassen worden, weil die in litt, a genannten Nahrungs- und Genußmittel keine Gebrauchsgegenstände sind, und es unlogisch ist zu sagen : ,,Nahrungs- und Genußmittel und andere. Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände1'-.

Aufsichtsorgane (Art. 2).

Die Beaufsichtigung des Verkehrs mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen im Innern des Landes ist entsprechend der Vorschrift des Verfassungsartikels den Kantonen übertragen. Als Organe, welchen unter Leitung der Regierung die Aufsicht obliegt und welche, wenn es notwendig ist, die Hülfe der Polizeiorgane in Anspruch nehmen können, sind vorgesehen : die kantonale Sanitätsbehörde, der Kantonschemiker, die kantonalen Lebensmittelinspektoren, die örtlichen Gesundheitsbehörden und Fleischbeschauer.

Eine sanitarischeKontrolle des Schlachtviehs und derMetzgereien, beziehungsweise die Einsetzung von Fleischbeschauern, ist bereits durch den Art. 10 des Bundesgesetzes über polizeiliche Maßregeln gegen Viehseuchen, vom 8. Februar 1872 und den Art. 80 der zugehörigen Vollziehungsverordnung, vom 14. Oktober 1887, vorgeschrieben. Die übrigen Aufsichtsorgane, mit Ausnahme der Lebensmittelinspektoren, bestehen bereits seit längerer oder kürzerer Zeit in der Mehrzahl der Kantone (Kantonschemiker in 17 Kantonen, Ortsgesundheitskommissionen oder besondere Ortsexperten in 16 Kantonen, kantonale Lebensmittelinspektoren oder analoge kantonale Organe dagegen nur in 6 Kantonen) und haben sich im allgemeinen bewährt. Die geringen Leistungen der Ortsgesundheitskommissionen, über die man sich in manchen Kantonen beklagt, sind auf verschiedene Ursachen zurückzuführen, hauptsächlich aber auf den Umstand, daß dieselben zu wenig Anregung und Anleitung erhalten. Diesem Übelstande sollen die kantonalen Lebensrnittel»

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Inspektoren abhelfen. Sie bilden ein notwendiges Verbindungsglied zwischen dem Kantonschemiker und den örtlichen Gesundheitsbehörden. Ihre Aufgabe ist, die Thätigkeit der letztern anzuregen und ihnen mit Rat und That an die Hand zu gehen, von sich aus Nachschauen und Vorprüfungen vorzunehmen und Proben zu Händen der kantonalen Untersuchungsanstalt zu erheben und überhaupt alles zu thun, was dazu geeignet ist, eine über sämtliche Gemeinden sich erstreckende, möglichst gleichartige Kontrolle zu sichern.

Überall, wo es existiert, hat sich das Institut kantonaler Inspektoren ganz vorzüglich bewährt.

Für die dem Bund übertragene und, abgesehen von der bestehenden Kontrolle des importierten Fleisches, neu einzurichtende Beaufsichtigung an der Landesgrenze sind als ausführende Organe in Aussicht genommen : die Zollämter und die Grenztierärzte.

Die Oberaufsicht über die gesamte, sowohl im Innern als an der Grenze ausgeübte Kontrolle kommt selbstverständlich dem Bundesrate zu.

Kantonale Aufsichtsorgane; Befugnisse und Vorgehen (Art. 3--10).

Zu A r t . 3. Zur Ausübung der durch Art. 2, litt, a, den Kantonen übertragenen Beaufsichtigung muß jeder derselben über den gesamten hierzu notwendigen Apparat verfügen können. Als wesentlichstes Erfordernis stellt der Art. 3 das Vorhandensein einer mit den notwendigen Hülfsmitteln ausgerüsteten technischen Untersuchungsanstalt (kantonales Laboratorium) voran. Zu Leitern dieser Anstalten (Kantonschemikern) können nur solche Fachmänner berufen werden, die sich im Besitze eines eidgenössischen Befähigungsausweises befinden und daher alle Garantien dafür bieten, daß sie ihrer verantwortungsvollen Stellung gewachsen sind. Die Bestimmungen betreffend die Erwerbung dieses Ausweises werden den Gegenstand einer besondern Verordnung des Bundesrates bilden (vgl. Art. 20, Absatz 2).

Diese Untersuchungsanstalten dienen vor allem und hauptsächlich der chemischen, physikalischen und bakteriologischen Prüfung der Nahrungs- und Genußmittel, des Trink- und Brauchwassers, der unter das Gesetz fallenden Gebrauchs- und Verbrauchsgegenstände ; doch soll denselben aus praktischen Rücksichten auch gestattet sein, andere im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege oder der Rechtsprechung gelegene Untersuchungen vorzunehmen. Diese Bestimmung will dem bestehenden Usus Rechnung

618 tragen, wonach die Kantonschemiker nicht selten mit der Vornahme derartiger Untersuchungen beauftragt werden, und zwar vielerorts aus Mangel an ändern kompetenten Fachmännern.

Wenn Kantone zu klein sind, um eine eigene Untersuchuugsanstalt einzurichten und zu unterhalten, so können sie sich zu diesem Zwecke mit ändern Kantonen vereinigen oder sich an einen Kanton, der bereits eine Untersuchungsaristalt besitzt, anschließen.

Anderseits muß größern Gemeindewesen die Möglichkeit offen gelassen werden, eigene Untersuchungsanstalten (städtische Laboratorien) zu errichten, welche in diesem Falle der Ortsgesundheitsbehörde unterstellt werden.

Es bestehen zur Zeit in der Schweiz 18 kantonale und städtische Untersuchungsanstalten, und zwar : 11 s e l b s t ä n d i g e : Zürich-Kanton, Zürich - Stadt, Bern, Luzern, Glarus, Baselstadt, St. Gallen, Thurgau, Tessin, Waadt und Genf ; 6 an L a b o r a t o r i e n v o n L e h r a n s t a l t e n a n g e g l i e d e r t e : Zug, Solothurn, Schaff hausen, Graubünden, Aargau und Neuenburg ; l m i t d e r M i l c h v e r s u c h s s t a t i o n v e r ei ni g t e: Freiburg.

Ohne eigene Untersuchungsanstalten sind die Kantone : Uri, Schwyz, beide Unterwaiden, Baselland, beide Appenzell und Wallis.

Appenzell A.-Rh. hat sich die Benutzung der St. Galler Untersuchungsanstalt vertraglich gesichert. Analog könnten sich auch die übrigen der vorerwähnten Kantone an ein bestehendes Laboratorium anschließen, z. B. Appenzell I.-Rh. an St. Gallen, die Urkantone an Luzern, Baselland an Baselstadt, Schwyz an Zug.

Einzig der Kanton Wallis müßte in Rücksicht auf seine Größe, seinen Fremdenverkehr und seinen bedeutenden Export von Landesprodukten wohl eine eigene Untersuchungsanstalt errichten. Wir bekämen auf diese Weise 19 Laboratorien, welche bei der angenommenen Einteilung folgenden Kantonen und Bevölkerungsgruppen dienen würden : Untersuchungsanstalt.

Zürich (kantonale) ,, (städtische) Bern . . . .

Kantone.

Bevölkerung.

Zürich (ohne Stadt Zürich) Stadt Zürich Bern

.

240,937 158,504 549,387

Übertrag

948,828

619 Kantone.

Untersucht) ngsanstalt.

Luzern .

Luzern .

Uri . .

Obwalden Nidwaiden

Glarus .

Zug . . . .

Glarus .

Zug . .

Schwyz .

Bevölkerung.

Übertrag 136,137 17,249 14,698 13,209

181,293 33,327 23,267 50,777 74,044 124,138 91,918

\>

Freiburg . .

Solothurn .

Baselstadt .

Freiburg · Solothurn Baselstadt .

Baselland

948,828

100,917 65,257 166,174 37,237

Schafl'hausen St. Gallen .

Schaffhausen .

St. Gallen . .

Appenzell A.-Rh.

Appenzell I.-Rh.

250,283 56,696 12,907

Graubünden Aargau .

Thurgau Tessin . .

Waadt . .

Wallis . .

Neuenburg .

Genf

Graubünden Aargau .

Thurgau Tessin Waadt . . . .

Wallis . . .

Neuenburg . .

Genf . . . .

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

319,886 95,941 187,858 111,204 128,79'2 266,994 104,132 121,120 112,457

Total

3,105,343

Dem in den verschiedenen Expertenkommissionen ausgesprochenen Wunsche, daß sowohl an die Brstellungs- und Eiririchtungskosten, als an die Betriebskosten der kantonalen und städtischen Untersuchungsanstalten, sowie an die Kosten der Instruktionskurse für die Lebensmittelinspektoren, Ortsexperten und Fleischbeschauer Bundessubventionen vorgesehen werden möchten, glaubten wir keine Folge geben zu sollen, namentlich in Rücksicht darauf, daß diese Kontrolle überall in erster Linie die Interessen der Einwohnerschaft des Kantons berührt und daß die Kosten, welche dem Bund ohnedies aus der Durchführung des Gesetzes erwachsen, nicht unerhebliche sein werden.

620 Zu A r t . 4. Die Bestimmung dieses Artikels, wonach die Untersuchung der auf Grund dieses Gesetzes amtlich übermittelten Proben von der Untersuchungsanstalt in allen den Fällen gratis besorgt wird, wo die Untersuchung nicht zu einer Beanstandung und Bestrafung (Art. 13, Absatz 4, und Art. 29) führt, braucht keine nähere Begründung. Die ausgeübte amtliche Kontrolle geschieht ja im Interesse des Publikums und nicht oder nur indirekt in dem des Verkäufers.

Wenn dagegen der letztere in seinem Interesse Untersuchungen von Waren vornehmen läßt, z. B. zur Feststellung der Übereinstimmung mit einem Muster, so muß er die Untersuchung bezahlen.

Solche und ähnliche Untersuchungen für Private und für Behörden können von den öffentlichen Untersuchungsanstalten gegen eine tarifgemäße Vergütung vorgenommen werden, soweit es ihre amtliche Thätigkeit gestattet. Sollte auf diese Weise den Anfragen von Privaten nicht in genügender Weise entsprochen werden können, so würden entweder Privatlaboratorien in den Riß treten, oder man müßte die Arbeitskräfte an den staatlichen Anstalten vermehren und eventuell diese letztern vergrößern.

Die Aufstellung des Gebührentarifs wird Sache der Kantone sein, soweit nicht der Bund in dieser Beziehung einheitliche Bestimmungen aufstellt (Art. 20, Absatz 1).

Zu A r t . 5. Durch die Art. 5--8 werden die Kantone verpflichtet, die weitern für die Ausführung des Gesetzes notwendigen kantonalen Organe, die Lebensmittelinspektoren, einzusetzen und ferner dafür zu sorgen, daß in den Gemeinden ein richtiger Aufsichtsdienst organisiert werde.

Um Verhältnissen Rechnung zu tragen, wie sie in einzelneu Kantonen bestehen und sich bewährt zu haben scheinen, enthält Art. 5, Absatz 2, die Bestimmung, daß die Funktionen der Lebensmittelinspektoren ganz oder teilweise den Kantonsehemilcern oder deren Adjunkten oder Assistenten übertragen werden können. In kleinern Kantonen mit eigenem Laboratorium ist es unter Umständen dem Kantonschemiker wohl möglich, neben seinen Funktionen auch noch diejenigen des Lebensmittelinspektors zu übernehmen, wie dies z. B. in Glarus der Fall ist. Anderseits ist es für die Beamten der kantonalen Untersuchungsanstalten oft von Wert, selbst einige Inspektionen vorzunehmen, sei es um gewisse Beobachtungen und Erhebungen zu machen, sei es um mit der Industrie und dem Verkehr in Fühlung zu bleiben und durch die Praxis der Kontrolle Anregungen dieser oder jener Art zu erhalten.

621 Zu Art. 6. Die Organe der Lebensmittelkontrolle in der Gemeinde sind die örtliche Gesundheitsbehörde und der Fleischbeschauer. Letzterer kann Mitglied der Gesundheitsbehörde sein, ist ihr in seiner Eigenschaft als Fleischbeschauer aber untergeordnet.

Die Bestimmung, daß der Gemeinderat direkt als Gesundheits·behörde funktionieren oder daß für verschiedene, zu einem Sanitätsbezirk vereinigte Gemeinden eine einzige Gesundheitsbehörde ernannt werden könne, ist namentlich mit Rücksicht auf kleinere Gemeinden aufgestellt worden.

Im erstem Falle ist es wünschbar, daß der Gemeinderat bei der Behandlung der ihm als Ortsgesundheitsbehörde obliegenden Geschäfte, wenn immer möglich, einen Sachverständigen (Arzt, Apotheker; Tierarzt etc.) zuzieht. In entlegenen Gemeinden, wo aus Mangel an geeigneten Persönlichkeiten am häufigsten von der Einsetzung einer besondern Ortsgesundheitskornmission Umgang genommen werden muß, wird dies leider oft nicht möglich sein.

Aus diesem Grunde hätte eine diesbezügliche gesetzliche Vorschrift, wie eine solche von der großen Expertenkommission postuliert wurde, keine rechte praktische Bedeutung.

Im allgemeinen soll aber als Regel gelten, daß in jeder Gemeinde eine eigene Ortsgesundheitskommission ernannt wird, die aus wenigstens 3--5 Mitgliedern besteht. Als solche eignen sich namentlich Ärzte, Tierärzte (als Fleischbeschauer), Apotheker oder Lehrer der Naturwissenschaften, ehemalige Interessenten, wie Weinhändler, Wirte, Bäcker, Spezereihändler u. dgl. ; es müssen Männer sein, die sich nicht nur durch die nötigen Kenntnisse, sondern auch durch Unabhängigkeit und Unparteilichkeit auszeichnen. Die Kommission kann sich für die verschiedenen Aufgaben (Kontrolle der Milch und Molkereiprodukte, der Fettwaren, der alkoholischen Getränke, des Brotes, des Mehls und der Teigwaren, der Zuckerbäcker- und Spezereiwaren, des Wassers etc.) in Sektionen trennen und einzelne Mitglieder oder auch besondere Beamte oder Angestellte mit speciellen Inspektionen oder Lebensmittelprüfungen betrauen (Ortsexperten).

Zu Art. 7. Es gilt als selbstverständlich, daß die kantonalen Lebensmittelinspektoren und die Ortsexperten, welche technische Prüfungen vorzunehmen haben, die hierzu nötigen Kenntnisse besitzen müssen. Das Nähere über deren Vorbildung und über deren Instruktion wird eine bundesrätliche Verordnung festsetzen (vgL. Art. 20). Zu der Abhaltung der notwendigen Instruktionsund Wiederholungskurse sind die Vorsteher der kantonalen Unter-

622 suchungsanstalten (Kantonschemiker) verpflichtet. In den Gemeinden, die eigene Untersuchungsanstalten besitzen, kann die Instruktion der Ortsexperten selbstverständlich auch dem Vorstand dieser Anstalt (Stadtchemiker) übertragen werden.

Zu A r t . 8. Dieser Artikel enthält die Bestimmungen über die Fleischbeschau, soweit solche ins Gesetz gehören. Die bereits in Art. 10 des Bundesgesetzes über polizeiliche Maßnahmen gegen Viehseuchen vom 8. Februar 1872 enthaltene Vorschrift der Kontrolle des Schlachtviehes ist hier näher präcisiert und erweitert.

Jede Gemeinde soll wenigstens einen mit den nötigen Kenntnissen ausgerüsteten, womöglich tierärztlichen Fleischbeschauer haben und sämtliche Schlachttiere, alles Fleisch und alle Fleischwaren, welche als Nahrungsmittel für den Menschen bestimmt sind, sollen dessen Kontrolle unterstellt werden. Da, wo die Kenntnisse des Fleischbeschauers nicht ausreichen, wo z. B. eine chemische oder bakteriologische Untersuchung nötig wird, wie bei gewissen Fleischwaren, kann er die Hülfe der kantonalen Untersuchungsanstalt in Anspruch nehmen. Eine Verordnung des Bundesrates wird die in dieser Hinsicht notwendigen genauem Vorschriften aufstellen.

Damit diejenigen Fleischbeschaustellen, für welche kein Tierarzt zu bekommen ist, mit genügend instruierten Laien-Fleischbeschauern besetzt werden können, müssen diesbezügliche Instruktionskurse und eventuell auch Wiederholungskurse abgehalten, werden, worin geeigneten Personen die nötigen Kenntnisse (vgl.

Art. 20, Absatz 2) beigebracht werden.

Zu Art. 9. In diesem Artikel werden die Kompetenzen der kantonalen und kommunalen Aufsichtsorgane näher umschrieben.

Vor allem erhalten dieselben bei Ausübung der ihnen übertragenen Aufsicht die Eigenschaft von Beamten der gerichtlichen Polizei, um ihren Konstatierungen namentlich vor dem Richter mehr Bedeutung und Gewicht zu verleihen. Sodann wird ihnen die Befugnis erteilt, in alle Räumlichkeiten, worin Gegenstände, die unter das Gesetz fallen, gewonnen, hergestellt, aufbewahrt oder feilgeboten werden, während der üblichen Geschäftsstunden oder während die Räumlichkeiten dem Verkehr geöffnet sind, einzutreten und dort Nachschau zu halten.

Es ist selbstverständlich, daß die Beamten bei ihren Inspektionen ihr Augenmerk auch auf alles richten sollen, was auf die Qualität der gewonnenen, hergestellten oder aufbewahrten Lebensmittel und sonstigen unter das Gesetz fallenden Gegenständen irgend

623 einen Einfluß ausüben kann, auf den Zustand der Räumlichkeiten, auf die verwendeten Maschinen, Apparate, Gefäße u. s. w.

Fällt ihnen bei der Besichtigung (Sinnenprüfung) oder der Vorprüfung der vorgefundenen fertigen -Waren oder der zu ihrer Herstellung dienenden Substanzen etwas abnormes auf oder besteht sonst irgend ein Verdacht, daß etwas nicht in der Ordnung sei, so haben die Beamten die Pflicht, Proben zum Zwecke der weitern Untersuchung zu entnehmen. Von Zeit zu Zeit sollen sie auch von denjenigen Waren Proben erheben, die normal zu sein scheinen.

Die nähern Bestimmungen über die Probefassung gehören nicht ins Gesetz, sondern werden den Gegenstand eines besondern Regulativs bilden. Dasselbe wird genaue Vorschriften darüber enthalten, wie groß die zu entnehmenden Muster bei den verschiedenen Arten von Nahrungs- und Genußmitteln und sonstigen Objekten sein, wie sie verpackt, verschlossen, bezeichnet und spediert werden müssen.

In der Regel sollen bei vorläufigen Beanstandungen zwei Proben erhoben werden, wovon die eine für eine eventuell nötige zweite Untersuchung oder Oberexpertise in amtliche Verwahrung genommen wird, während die andere zur Vornahme der vorgeschriebenen Untersuchung dient. Außerdem hat der Eigentümer, bezw. Inhaber der Ware das Recht, zu verlangen, daß ihm eine amtlich verschlossene Probe zurückgelassen werde für den Fall, daß er seinerseits eine weitere technische Untersuchung veranlassen will. Ferner hat er Anspruch auf Vergütung des Wertes der erhobenen Proben, sobald eine Beanstandung der Ware nicht erfolgt oder sich später als unbegründet erweist.

Zu Art. 10. Die von den Lebensmittelinspektoren und von Mitgliedern, Beamten oder Angestellten der örtlichen Gesundheitsbehörden (Ortsexperten) gefaßten Proben sind in der Regel der kantonalen Untersuchungsanstalt zur genauen chemischen, physikalischen oder bakteriologischen Untersuchung zu übermitteln, und zwar unter Beilage eines Berichtes über den vorläufigen Befund und die vorhandenen Verdachtsgründe. Die Untersuchungsanstalt ihrerseits giebt der auftraggebenden Amtsstelle so bald als möglich Bericht über das Resultat der Untersuchung.

Wenn infolge der Art der Beanstandung oder der Natur des Objektes die Entnahme von Proben nicht möglich oder wenn eine genauere Untersuchung nicht notwendig ist, so kann der Lebensmittelinspektor oder der Ortsexperte den Fall direkt erledigen, immerhin unter Wahrung des Rekursrechtes. Es kommen da

624 namentlich in Frage unreifes Obst, giftige Pilze, hochgradig verdorbene Lebensmittel, deren Zustand leicht erkennbar ist, ferner Räumlichkeiten, Apparate und Gerätschaften, welche sich in unzulässigem Zustand befinden. Im übrigen haben sich diese untern Kontrollorgane auf Vorprüfungen zu beschränken. Eine bundesrätliche Verordnung wird das Notwendige festsetzen über den Umfang und die Ausführung der Vorprüfungen (von Milch, Butter, Margarine, Speisefetten, Fleischwaren, Wein, Bier, Mehl, Brot etc.)

und überhaupt die technischen Kompetenzen der kantonalen Lebensmittelinspektoren und der Ortsexperten umschreiben.

Zu Art. 11. Sobald die Prüfung oder Untersuchung eines Nahrungs- oder Genußmittels, eines Verbrauchs- oder Gebrauchsgegenstandes oder die Inspektion von Lokalitäten, Apparaten oder sonstigen Geräten Anlaß giebt zu einer Beanstandung, sei diese nun in direktem Anschluß an die Nachschau (Art. .10, Absatz 2) oder erst nach der vorgenommenen Untersuchung der erhobenen Proben im Laboratorium erfolgt, so hat das Aufsichtsorgan, welches die Inspektion gemacht oder die Probe entnommen und dem Kantonschemiker eingesandt hat, die Anzeige bei der in seinem Kanton zuständigen Behörde zu erstatten, unter Beilage des Untersuchungsberichtes und eines eingehenden schriftlichen Rapportes. Die Bezeichnung der zuständigen Behörden und die Vorschriften betreffend das Strafverfahren gegen die Angeklagten sind Sache der einzelnen Kantone.

Zu Art. 12. Derselbe enthält sichernde Bestimmungen gegen das Indenverkehrbringen beanstandeter gesundheitsschädlicher, verdorbener oder gefälschter Waren oder Gegenstände. Um das Publikum vor Gesundheitsschädigungen und ändern Nachteilen zu schützen, sollen die Aufsichtsbeamten derartige Gegenstände mit Beschlag belegen, sobald sie deren Natur erkannt haben. Die beschlagnahmten Gegenstände werden in amtliche Verwahrung genommen oder beim Eigentümer gelassen, wobei dem letztern aber strengstens untersagt ist, dieselben qualitativ oder quantitativ zu verändern, zu beseitigen, in den Verkehr zu bringen oder in anderer Weise der Behörde zu entziehen (vgl. Art. 25). In jedem Fall ist über die Beschlagnahme ein amtliches Schriftstück auszufertigen.

In den Fällen, wo eine Aufbewahrung der mit Beschlag belegten Waren nicht möglich oder nicht thunlich ist, soll die zuständige Behörde deren geeignete Verwertung oder eventuell die Vernichtung anordnen.

625 Selbstverständlich muß anderseits auch der Eigentümer gegenungerechtfertigte Beschlagnahme möglichst geschützt und ihm für vorkommende Fälle ein Entschädigungsrecht eingeräumt werden.

Haftbar gegenüber dein Geschädigten für den enstandenen materiellen Schaden ist der Kanton, dem anderseits auch die aus der Durchführung dieses Gesetzes resultierenden Bußen und Geldstrafen zufallen (Art. 34). Der Kanton wird seinerseits bestimmen, ob und inwieweit Beamte oder Gemeinden in solchen Fällen ihm gegenüber haftbar sind.

Oberexpertisen (Art. 13).

Die Bestimmungen dieses Abschnitts beziehen sich nur auf diejenigen Oberexpertisen, welche durch administrative Behörden angeordnet werden ; die durch kantonale Gesetze geregelten gerichtlichen Expertisen werden dadurch nicht berührt.

Der erste Absatz des Art. 13 präcisiert das bereits in Art. 10, Abs. 2, erwähnte Recht, gegen den Befund oder das Prüfungsergebnis eines Lebensmittelinspektors oder eines Ortsexperten zu rekurrieren. Auch in den Fällen, wo kein Rekurs ergriffen wird, die zuständige administrative Behörde aber Zweifel setzt in die Richtigkeit des Untersuchungsresultates, soll eine zweite Untersuchung stattfinden. Die zweite Untersuchung wird jeweilen der nächst höhern Instanz, der kantonalen, bezw. der städtischen Untersuchungsanstalt übertragen.

Der zweite Absatz handelt von den Fällen, wo die Richtigkeit des von einem Lebensmittelchemiker (Kantons- oder Stadtchemiker) abgegebenen Gutachtens angefochten oder von der zuständigen administrativen Behörde in Zweifel gezogen wird. Im letztern Falle wird, im erstem kann diese Behörde eine Oberexpertise anordnen.

Sie wird die Anordnung in jenen Fällen verweigern, wo sie sich überzeugt hat, daß sie durchaus unnötig und das betreffende Verlangen ganz ungerechtfertigt oder trölerisch ist.

Die Vorschrift,, daß nur diplomierte Lebensmittelchemiker oder sonstige anerkannte Fachleute mit den in diesem Absatz vorgesehenen Oberexpertisen betraut werden können, soll verhüten, daß.

inkompetente Experten bestellt werden, wie dies bei der gegenwärtigen Ordnung der Dinge nicht selten vorkommt.

Der in dem Gutachten des schweizerischen Handels- und Industrievereins vom 7. April 1894 über den Erlaß eines Bundesgesetzes betreffend die Lebensmittelpolizei enthaltene Vorschlag, eine

626 ständige, aus Fachleuten zusammengesetzte eidgenössische Kommission zu ernennen, welche die Untersuchungsbeamten zu überwachen, die Resultate ihrer Untersuchungen zu beurteilen und zugleich als Rekursinstanz zu funktionieren hätte, erscheint weniger praktisch.

Ebenso muß der naheliegende Gedanke, das schweizerische Gesundheitsamt, Abteilung für Lebensmittelkontrolle, mit der Ausführung sämtlicher Oberexpertisen zu beauftragen, zurückgewiesen werden, indem die Aulgaben der genannten Abteilung ohnedies schon sehr große und weitschichtige sind, so daß eine derartige weitere Belastung derselben entschieden vom Übel wäre. Der Vorstand der Abteilung soll in dieser Beziehung gleich gehalten sein wie die Vorstände der kantonalen und städtischen Untersuchungsanstalten und nicht das Monopol für Oberexpertisen erhalten.

In analoger Weise wie gegen die Befunde und Gutachten von Ortsexperteri, Lebensmittelinspektoren und Kantonschemikern kann auch gegen den Befund und Entscheid eines Fleischbeschauers auf administrativem Wege rekurriert werden ; ebenso gegen Befunde und Gutachten von Aufsichtsorganen über die Beschaffenheit, beziehungsweise Zulässigkeit von Räumlichkeiten, Apparaten und Gerätschaften (vgl. Art. 9, Abs. 3, und Art. 11, Abs. 2). In allen ·diesen Fällen soll die kantonale Behörde die Oberexperten bezeichnen, um bei deren Auswahl einerseits der kantonalen Organisation des Sanitätswesens, beziehungsweise des Veterinärsanitätswesens, anderseits der jeweiligen Besonderheit des einzelnen Falles Rechnung tragen zu können.

Die Bestimmung des letzten Absatzes des Art. 13 betreffend die Tragung der Kosten bei unbegründeten Rekursen hat namentlich den Zweck, die Zahl der letztern möglichst zu reduzieren.

Die große Expertenkommission hat die Aufnahme einer Bestimmung verlangt, wonach dein Rekurrenten das Recht eingeräumt wird., sich bei Oberexpertisen stets durch Sachverständige vertreten zu lassen. Wir haben davon Umgang genommen, weil eine derartige Bestimmung einerseits öfters in technischer Hinsicht kaum oder gar nicht ausführbar wäre, z. B. bei chemischen und bakteriologischen Untersuchungen, die längere Zeit in Anspruch nehmen, anderseits im Grunde genommen durchaus überflüssig ist. Denn ·der Rekurrent ist eo ipso berechtigt, von sich aus Untersuchungen und Privatexpertisen vornehmen zu lassen
und deren Resultat der Behörde einzureichen. Zu diesem Zwecke wird ihm ja laut Art. 9, Abs. 6, bei Anlaß der Probeentnahme auf sein Verlangen eine amtlich verschlossene Probe eingehändigt. Auch wird die zuständige Behörde bei der Bestellung der Oberexperten, ähnlich wie dies

627

bei den gerichtlichen Obei'expertisen überall üblich ist, die Vorschläge des Beschwerdeführenden stets nach Möglichkeit berücksichtigen. Und schließlich unterliegt es gar keinem Zweifel, daß die Beteiligten in allen Fällen von Oberexpertisen, wo dies thunlich ist, z. B. bei einer Nachschau, bei einem Augenschein, selbst zugegen sein oder sich durch Sachverständige vertreten lassen können.

Eidgenössische Aufsichtsorgane; Befugnisse und Vorgehen derselben (Art. 14--19).

Zu A r t . 14. Wie die Kantone, so muß auch der Bund eine eigene Untersuchungsanstalt für Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände besitzen. .Dieselbe wird dem Gesundheitsamt unterstellt und bildet eine besondere Abteilung desselben. Dieser Anstalt liegt als Hauptaufgabe ob, alle für die Gesetzgebung und die Aufstellung von Ausführungsbestimmungen gemäß Art. 21 und 32 notwendigen technischen und experimentellen Vorarbeiten auszuführen und alles einschlägige Material fortlaufend zu sammeln, zu sichten und zu ergänzen.

Um diese Aufgabe, zu der noch die sub Ziffer 2 des Art. 14 erwähnten, mehr sekundären Pflichten kommen, gerecht werden zu können, muß diese Abteilung über ein mit allen Hülfsmitteln ausgestattetes chemisch - bakteriologisches Laboratorium verfügen, und müssen die leitenden Beamten in jeder Hinsicht tüchtige und kompetente Fachleute sein.

Zu A r t . l 5--l 9. .Für die Handhabung der Kontrolle der Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände an der Landesgrenze sind nach Art. 2, litt. &, zwei Kategorien von Beamte u in Aussicht genommen: 1. Die Grenztierärzte, die wie bisher das eingeführte Fleisch und die eingeführten Fleisch waren zu untersuchen haben (siehe Art. 19).

2. Die Zollämter, welchen die Kontrolle der übrigen Nahrungsund Genußmittel und der sonstigen unter das Gesetz fallenden Gegenstände zusteht (Art. 15--18).

Die Kontrolle des Fleisches und der Fleischwaren ist obligatorisch, die der übrigen Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände fakultativ, wie dies auch bei der Kontrolle im Innern des Landes der Fall ist (vgl. Art. 8 und 9).

Die Organisation des Grenzkontrolldienstes muß eine derartige sein, daß eine möglichst wirksame Kontrolle ausgeübt werden kann,

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ohne dadurch den Handel und Verkehr in merkbarer Weise zu beeinträchtigen. Diesem von den verschiedenen Sektionen des schweizerischen Handels- und Industrievereins schon in dem Gutachten von 1894 über den Erlaß eines Bundesgesetzes betreffend die Lebensmittelpolizei aufgestellten Postulate wird durch den in Art. 15--19 vorgeschriebenen Modus der Kontrolle hinreichend Rechnung getragen, jedenfalls bedeutend besser als durch Annahme des in dem betreffenden Gutachten enthaltenen Vorschlages, am Sitze der Zolldirektionen Untersuchungsanstalten zu errichten. Der Gedanke an der Grenze eidgenössische Untersuchungsanstalten zu errichten wurde auch in der großen Expertenkommission besprochen, aber mit großem Mehr verworfen.

Im wesentlichen sind die Kompetenzen der eidgenössischen Organe für die Grenzkontrolle die gleichen wie diejenigen der kantonalen Aufsichtsorgane. Sie sind berechtigt, in alle Räumlichkeiten (Warenschuppen, Eisenbahnwaggons, Schiffe etc.), welche Lebensmittel oder sonstige unter Art. l des Gesetzes fallende Gegenstände enthalten, einzutreten, den Zustand dieser Lokalitäten zu inspizieren, von den die Warensendungen begleitenden Papieren (Frachtscheinen, Deklarationen, Ursprungsscheinen etc.)

Einsicht zu nehmen, Warensendungen durch die Deklaranten (Empfänger oder Warenfuhrer) öffnen zu lassen, die Waren zu besichtigen und zu prüfen und zum Zwecke der Untersuchung davon Proben zu entnehmen, worüber jeweilen unter Angabe der erhobenen Quantität eine Bescheinigung auf dem Frachtbrief auszustellen ist.

Selbstverständlich werden direkt nach dem Auslande transitiereude Warensensendungen der Kontrolle nicht unterworfen. Das nämliche gilt auch für solche Sendungen, ·welche im Transit nach einem eidgenössischen Niederlagshaus instradiert werden ; dagegen wird man die nötigen Anordnungen treffen, um diejenigen Waren, welche aus einem Niederlagshaus in den inländischen Konsum übergehen, der Kontrolle zu unterstellen.

Auf das Ansuchen eidgenössischer und kantonaler Sanitätsbehörden sind die Zollämter verpflichtet, Proben von aus dem Auslande eingehenden Sendungen von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen zu erheben und der ersuchenden Amtsstelle, einzusenden. Selbstverständlich ist diese Berechtigung nicht so aufzufassen, daß jede Stelle bis zu den örtlichen Gesundheitsbehörden hinab das Recht
habe, bei jedem Grenzzollamt oder bei jedem internen Zollamt in unbegrenzter Weise die Enthebung von Proben verlangen zu dürfen. Es wird Sache der zu erlassenden Verordnung sein, den Dienstweg zu bestimmen, auf welchem solche

629 Gesuche von den kantonalen Behörden auszugehen haben und bei welcher Stelle der Zollverwaltung sie anzubringen sind, und dafür zu sorgen, daß die Ausführung dieses Artikels nicht zu einer Inanspruchnahme des Zollpersonals führe, durch welche diesesletztere seinem eigentlichen Dienste entfremdet würde.

Die Zollämter werden aber auch von sich aus Proben nehmen, wenn die Sinnenprüfung oder eine chemische oder physikalische Vorprüfung oder sonstige Umstände den Verdacht erwecken, daß eine Ware vorschriftswidrig beschaffen sei. Die im letztern Falle entnommenen Proben werden in der Regel samt einem schriftlichen Bericht auf schnellstem Wege an die Untersuchungsanstalt des Kantons, in welchem der Bestimmungsort liegt, oder in Fällen, wo der Bestimmungsort eine eigene Untersuchungsanstalt besitzt (Stadt Zürich), an diese letztere gesandt. Der Bericht enthält die Angabe der Verdachtsgründe, der Größe und Art der Sendung, des Bestimmungsortes und der Adresse dés Empfängers.

Da Fälle vorkommen können, wo es aus diesen oder jenen Gründen zweckmäßiger ist, die Proben einer ändern als der in Art. 17, Abs. l, vorgeschriebenen Untersuchungsanstalt zu übermitteln, so ist diese Möglichkeit in Absatz 2 des nämlichen Artikels vorgesehen.

Die Untersuchungsanstalt ist gehalten, die von den Zollämtern eingesandten Proben s o f o r t zu untersuchen und das Resultat so rasch als möglich, unter Beilage des erhaltenen Berichts, der Gesundheitsbehörde des Bestimmungsorts der Warensendung zu übermitteln. Letztere wird dann gerade so verfahren, wie wenn die Fassung und Einsendung der Probe von ihr ausgegangen wäre ; sie wird also dem Empfänger der Ware das Resultat der Untersuchung mitteilen und in den Fällen, wo sich eine vorschriftswidrige Beschaffenheit der Ware ergeben hat, die Anzeige au die zuständige Behörde erstatten und die eventuell nötige Beschlagnahme verfügen.

Dieses Verfahren verursacht an der Grenze keine oder nur unwesentliche Verzögerungen im Weitertransport der Waren, indem die Kontrolle in der Regel gleichzeitig mit der Zollrevision vorgenommen werden kann. Ferner wird dadurch die endgültige technische Untersuchung den Organen desjenigen Kantons übertragen, in welchem der Empfänger wohnt und wo die betreffenden Waren also in den Verkehr gelangen sollen. Endlich ist durch diese Art des Vorgehens die
Möglichkeit gegeben, die Proben von verdächtig befundenen Waren zu untersuchen, während die letztern als Frachtoder Eilgut an ihren Bestimmungsort weitergehen, so daß das GutBundesblatt. 51. Jahrg. Bd. I.

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630 achten der Untersuchungsanstalt sich nicht selten schon bei der Ankunft der Warensendung in den Händen der Gesundheitsbehürde des Ankunftsortes befindet. Wo die Zeit hierzu wegen der Schnelligkeit der Spedition oder der Kürze des Transports halber nicht ausreicht, kanu die betreffende Ortsgesundheitsbehörde eventuell telegraphisch von dem Verdachtgrunde und der angehobenen Untersuchung benachrichtigt werden, damit sie die durch die Verhältnisse gebotenen Maßnahmen treffen kann.

Außerdem verpflichtet der Art. 17 die Zollämter, von den Resultaten der Untersuchungen, welche sie zum Zwecke der Warenklassifikation vornehmen lassen, den kantonalen Behörden diejenigen Mitteilungen zu machen, welche mit Bezug auf den Zweck des vorliegenden Gesetzes von Interesse sind. Die Zollverwaltung läßt^ zur Zeit schon folgende Nahrungsmittel und GenïïBmîtïël mïT Rüchsicht auf die Tarifanwendung von ihrem Personal vorprüfen und im Zweifelsfalle durch Sachverständige näher untersuchen : 1. Schweineschmalz (ob rein oder gemischt, mit Cottonöl u. dgl.) ; 2. Butter, Kunstbutter, Margarinbutter, Kokosfette und Speisefette (unrichtige Deklaration, Beimischung gesundheitsschädlicher Stoffe etc.) ; 3. Mehle (angeblich zu Viehfutter bestimmt) ; 4. Sogenannte Kindermehle (ob unter Nr. 438 des Zolltarifs zu Fr. 20 oder Nr. 379 zu Fr. 50 [Kindernahrungmittel] fallend) ; 5. Gewürze: Pfeffer, Zimmt, Safran (Fälschungen infolge Beimischung wertloser Stoffe) ; 6. Senfpulver (Beimischung) ; 7. Malzextrakt (ob mit Droguen vermischt, etc.) ; 8. Frucht- und Beerensäfte (ob Liqueurs oder nicht) ; 9. Essig (wegen der Gradstärke) ; 10. Natur- und Kunstweine (wegen der Differenz im Zollansatz) ; 11. Medizinalweine; 12. Alkoholfabrikate, die sich als Getränke qualifizieren oder zur Fabrikation von Getränken dienlich sind (Alkoholgehalt) ; 13. Olivenöl (Fälschungen mit Sesamöl u. dgl.).

Die nähern Vorschriften über den Umfang und die Art der von den Zollämtern vorzunehmenden Kontrolle, über die Probeentnahme, über die vorzunehmenden Vorprüfungen, über die Verpackung und Einsendung der Proben an die kantonalen oder städtischen Untersuchungsanstalten oder auch an die eidgenössische Untersuchungsanstalt u. s. w. werden don Gegenstand einer besondern vom Bundesrat zu erlassenden Verordnung bilden (Art. 16, letzter Absatz).

631 Jedenfalls muß über sämtliche untersuchten Gegenstände eine genaue Kontrolle geführt werden, in der die Größe und Art der Sendung, der Versender und der Empfänger, der allfällige Verdachtsgrund, das Quantum der erhobenen Probe, die Untersuchungsanstalt, welcher die Probe übersandt wurde, und das definitive Untersuchungsergebnis anzugeben sind. Das letztere wird den Zollämtern, durch Vermittlung des Zolldepartements, von dem Departement des Innern mitgeteilt, welchem die kantonalen oder städtischen Untersuchungsanstalten in allen Fällen, wo sie von eidgenössischen Aufsichtsorganen eingesandte Proben untersucht haben, einen kurzen Untersuchungsbericht einsenden müssen.

Die Mitteilung des Untersuchungsergebnisses an das Departement des Innern ist unerläßlich ; sie bildet die notwendige Grundlage der von demselben auszuübenden Überwachung des gesamten Grenzkontrolldienstes.

Die laut Art. 19 von dem Bundesrat zu erlassenden Vorschriften betreffend die Untersuchung des eingeführten Fleisches, wozu auch Wildbret, tote Fische und totes Geflügel zu rechnen sind, und der eingeführten Fleischwaren durch die Grenztierärzte werden sich an die bestehenden anlehnen (Bundesratsbeschluß vom 1. Dezember 1893 betreffend die Abänderung des Art. 100 der Voll/,ugsverordmmg vom 14. Oktober 1887 zu den Bundesgesetzen über polizeiliche Maßnahmen gegen Viehseuchen, Instruktion für die Grenztierärzte vom 26. März 1891 und 14. Dezember 1893, Verfügung des schweizerischen Landwirtschaftsdepartements vom 5. Dezember 1898 betreffend die grenztierärztlicho Behandlung der aus dem Ausland eintretenden konservierten Speck- und Fleischsendungen zu Handelszwecken) und dieselben entsprechend den Bedürfnissen umgestalten und erweitern.

In dem mehrerwähnten Gutachten des schweizerischen Handelsund Industrievereins und in der großen Expertenkommission ist der Wunsch geäußert worden, es möchten über die Grenze eingehende gefälschte Waren, sofern sie als solche sich ohne weiteres erkennen lassen, dort sofort zurückgewiesen werden, vor der Verzollung, da der Empfänger für den Zollbetrag keinen Regreß auf den Lieferanten habe. Es geschieht dies für diejenigen Sendungen von Fleisch und Fleischwaren, welche den Anforderungen der bestehenden Vorschriften nicht entsprechen. Dagegen halten wir ein analoges Verfahren in Bezug auf die übrigen
Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände für unthunlich und undurchführbar.

Erstlich unterliegen dieselben nicht einer obligatorischen Kontrolle, wie Fleisch und Fleischwaren, so daß also voraussichtlich nur ein

632 relativ kleiner Teil der gefälschten betroffen würde. Zweitens aber erscheint es überhaupt fraglich, ob es sich empfiehlt, derartige Waren einfach zurückzuweisen. Die in den letzten Jahren häufiggemachten Erfahrungen, daß gefälschte oder verfälschte Waren, welche dem Versender zur Disposition gestellt worden waren, in Kantone mit mangelhaft ausgeübter Lebensmittelpolizei transportiert und dort in den Verkehr gebracht wurden, sprechen durchaus dagegen. Aber auch für den Fall, daß unsere Grenzkontrolle es mit Sicherheit verhindern könnte, daß die refüsierten Waren auf einem ändern Wege in unser Land eingeführt werden, was bei einer fakultativen Kontrolle unmöglich ist, könnten wir das vorgeschlagene Verfahren nicht befürworten. Die Bekämpfung der Lebensmittelfälschung ist in gewissem Sinne eine internationale Angelegenheit, und es wäre nicht richtig, sich in dieser so wichtigen Sache auf einen engherzig nationalen Standpunkt zu stellen. Die gefälschten, verfälschten, gesundheitsschädlichen und verdorbenen Waren müssen gefaßt werden, wo man sie findet und unschädlich gemacht werden, wie es in Art. 31 des Gesetzentwurfes vorgesehen ist ; es wäre unklug, solche wieder in die Hände gewissenloser Fabrikanten und Händler gelangen zu lassen.

Ermächtigung des Bundesrates zum Erlass von Vorschriften (Art. 20 und 21).

Zu A r t . 20. Es ist für die möglichst gleichmäßige Ausführung und Anwendung des Gesetzes durchaus erforderlich, daß der Bundesrat einheitliche Vorschriften über die Grundsätze in der Prüfung und in der Beurteilung der Untersuchungsobjekte und über die anzuwendenden Untersuchungsmethoden aufstellt (Art. 20, Absatz 1). Als Grundlage dieser Vorschriften sollen namentlich die von den schweizerischen analytischen Chemikern nach und nach aufgestellten Vereinbarungen betreffend die Untersuchung und Beurteilung einzelner Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände dienen, welche dieselben im Auftrage unseres Departements des Innern revidiert und ergänzt haben (schweizerisches Lebensmittelbuch, wissenschaftlicher Teil).

Auch über die Taxen für die Lebensmitteluntersuchungen, soweit dieselben nicht nach Art. 4 und 17, Absatz 3, gratis ausgeführt werden, und für die Fleischbeschau wird es am Platze sein, einheitliche Bestimmungen aufzustellen. Es wird dabei den aus den Kreisen der Handel- und Gewerbetreibenden laut gewordenen Wünschen einer möglichsten Verbilligung der von Privaten veranlaßten Analysen Rechnung zu tragen sein.

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Der Absatz 2 des Art. 20 überträgt dem Bundesrat ferner die Aufstellung einheitlicher Bestimmungen über die Ausbildung der mit der technischen Untersuchung und Beurteilung der Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände betrauten Beamten.. Diese Bestimmungen müssen, namentlich in Bezug auf die Lebensmittelchemiker, sehr strenge sein ; denn die Stellung dieser Beamten ist eine so wichtige und verantwortungsvolle, daß zu deren Bekleidung nur ganz kompetente Fachleute sich eignen.

Zu Art. 21. Dieser Artikel ist von hervorragender Bedeutung; er erteilt dem Bundesrat die Befugnis, eine ganze Reihe von Verordnungen zu erlassen, die sich auf alle unter das Gesetz fallenden Gegenstände erstrecken und die Anforderungen, welche an dieselben zu stellen sind, und den Verkehr mit diesen Objekten betreffen.

Es sind dies Bestimmungen, welche entsprechend dem wechselnden Stand der Wissenschaft, der Technik, der Industrie, des Verkehrs und vor allem der Lebensmittelfälschung, die sich in neuerer Zeit die Wissenschaft dienstbar gemacht hat, häufig modifiziert und geändert werden müssen und daher nicht in einem Gesetz Platz finden können, dessen Revision umständlich und zeitraubend ist und so selten als möglich vorgenommen werden sollte.

Die wichtigsten Verordnungen, welche der Bundesrat in Ausführung von Art. 21 zu erlassen haben wird, sind : 1. Verordnung betreffend den Verkehr mit Fleisch- und Fleisch vvaren.

2. Verordnung betreffend den Verkehr mit Milch und Milchprodukten.

3. Verordnung betreffend den Verkehr mit Butter, Margarin, Speisefetten und Speiseölen.

4. Verordnung betreffend den Verkehr mit Mehl, Teigwaren und Brot.

' 5. Verordnungen betreffend den Verkehr mit alkoholischen Getränken (Wein, Bier, Branntweinen und Liqueuren ; Bierpressionen und Bierausschank).

6. Verordnungen betreffend den Verkehr mit Honig und Konditoreiwaren, Kolonialwaren und Spezereien.

7. Verordnung betreffend den Verkehr mit kohlensäurehaltigen Wassern und Limonaden.

8. Verordnung betreffend den Verkehr mit Obst, Gemüse, Schwämmen, Obst- und Gemüsekonserven.

9. Verordnung betreffend Verwendung gesundheitsschädlicher Farben bei der Herstellung -vjjn Nahrungs- und Genußmitteln und von Gebrauchsgegenständen,~~" - · ..

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10. Verordnung betreffend den Verkehr mit Geschirren, Geräten und .ändern Gebrauchsgegenständen.

11. Verordnung betreffend den Verkehr mit Petroleum und ändern Beleuchtungsartikeln.

Die Vorschriften dieser Verordnungen, bei deren Ausarbeitung sowohl als bei den später eventuell notwendig werdenden Revi^ sionen die Sachverständigen und Fachleute jeweilen in erster Linie konsultiert werden sollen, sind durch die Bestimmungen des Art. 23 limitiert, wonach sie sich nur so weit erstrecken dürfen, als es der ,,Schutz der Gesundheit" und die ,,Verhütung von Täuschung im Lebensmittelverkehr" erheischen.

Zu den unter Ziff. 6 von Art. 21 genannten Gegenständen, welche zur Fälschung von Lebensmitteln dienen oder dienen können, sind z. B. zu rechnen: künstliehe Kaffeebohnen, Maschinen zu deren Herstellung, Rosinen und andere Substanzen, die eventuell zur Fabrikation von Kunstwein dienen, gewisse Farbstoffe etc.

Strafbestimmungen (Art. 22 bis 38).

Wenn bereits ein eidgenössisches Strafgesetzbuch bestünde, so wäre dieser Abschnitt bedeutend kürzer ausgefallen, indem man dann einfach auf die einschlägigen Artikel des Strafgesetzes hätte verweisen können. So aber mußten die Strafbestimmungen genau formuliert und derart fixiert werden, daß bei dem jetzigen Zustande der Rechtsprechung eine möglichst gleichmäßige Anwendung derselben in den einzelnen Kantonen erzielt wird. Anderseits war auch auf den bereits bestehenden Vorentwurf zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch nach den Beschlüssen der Expertenkommission (Bern, Buchdruckerei Stämpfli & Cie., März 1896), ganz besondere Rücksicht zu nehmen. Wir glaubten uns bei der Formulierung der Straf bestimmungen diesem Vorentwurf möglichst genau anschließen zu sollen, weil in demselben die technischen und besondern Sprachwendungen des Strafgesetzgebers zur Anwendung gekommen sind. Die Strafbestimmungen der wichtigern kantonalen und ausländischen Lebensmittelgesetze wurden ebenfalls zum Vergleich herbeigezogen.

Der in dem eidgenössischen Strafgesetzentwurf sich kundgebenden Tendenz, die obere Grenze von Geldstrafen im Vergleich zu den bisherigen Normen stark hinaufzurücken, glaubten wir indessen nicht Folge leisten zu sollen, obschon wir grundsätzlich die Meinung hegen, daß niedere Geldstrafen für den geriebenen Lebensmittelfälscher in Wahrheit nur ,,Aufmunterungsbußena sind,

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da dieselben in keinem Verhältnis zu dem durch die Fälschungen oder Verfälschungen erzielten Gewinn stehen. Wir möchten aber doch nicht durch allzuhohe Maxima der Geldstrafen den Eindruck erwecken, als ob das Gesetz einen fiskalischen Zweck verfolge.

Bußen und Geldstrafen allein sind für leichtere Vergehen vorgesehen, den Fälschern dagegen soll namentlich durch Freiheitsstrafen mit oder ohne Geldstrafe das Handwerk gelegt werden.

Die-Bußenansätze unseres Entwurfs halten sich ungefähr auf der Höhe derjenigen der hauptsächlichsten kantonalen und ausländischen Lebensmittelgesetze.

Zu Art. 22 u n d 23. Diese beiden Artikel entsprechen dem Art. 83, Abs. l, des Vorentwurfs zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch.J) Der Umstand, daß für die eine der im letztgenannten Artikel mit Strafe bedrohten Handlungen nicht nur die wissentliche oder vorsätzliche, sondern auch die fahrlässige Begehung, entgegen dem Vorentwurf 2 ), als strafbar bezeichnet werden muß, machte diese Trennung notwendig. Die übrigen Änderungen beschränken sich darauf, daß in Art. 22 nach dem Ausdruck ,,zum Zwecke der Täuschung"1 eingefügt wurde ,,in Handel und Verkehr", daß in Art. 23 auch das Feilhalten und Indenverkehrbringen von ,,verdorbenen oder im Wert verringerten'1 Nahrungs- und Genußmitteln mit Strafe bedroht wird, und daß endlich in beiden Artikeln statt ,,in den Handel bringen1' stets gesagt ist ,,in den Verkehr bringen'1. Außerdem wurde das Strafmaß für die w i s s e n t l i c h e Begehung der That in beiden Artikeln in der Weise modifiziert, daß das Maximum der Gefängnisstrafe auf 2 Jahre festgesetzt und ') ,,Wer eine Ware zum Zwecke der Täuschung fälscht, verfälscht oder im Werte verringert, ,,wer gefälschte, verfälschte oder im Werte verringerte Waren feilhält oder in den Handel bringt, als ob sie echt, unverfälscht und vollwertig wären, ,,wer gefälschte oder verfälschte Waren, von denen er weiß, daß sie als echt oder unverfälscht in den Handel gebracht werden sollen, einführt, ausführt oder lagert, wird mit Gefängnis oder mit Geldstrafe bis 10,000 Franken oder mit Gefängnis und Geldstrafe bis 10,000 Franken bestraft."

2 ) Art. 14 des Vorentwurfes lautet: ,,Bestimmt das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist nur strafbar, wer vorsätzlich handelt.

,,Vorsätzlich handelt, wer eine als Verbrechen bedrohte That mit Wissen
und Willen begeht.

,,Fahrlässig handelt, wer eine als Verbrechen bedrohte That aus Mangel an der Vorsicht begeht, zu der er nach den Umständen und nach seiner persönlichen Verhältnissen verpflichtet war."

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das Maximum der Geldstrafe von 10,000 Fr. auf 2000 Fr. reduziert worden ist. Infolge dieser Herabsetzung der obera Grenze der Geldstrafe wurde von der Aufnahme des 2. Absatzes von Art. 83 des Vorentwurfes, wonach .,,die Geldstrafe mindestens das Fünffache des Minderwertes der Ware betragen soll00, abgesehen.

Für die zum Zwecke der Täuschung in Handel und Verkehr vorgenommene Fälschung (Nachmachen) oder Verfälschung von Nahrungs- oder Genußmitteln und für das wissentliche Verkaufen oder Feilhalten gefälschter (nachgemachter), verfälschter oder verdorbener Nahrungs- oder Genußmittel sind folgende Strafen vorgesehen : In den K a n t o n e n B e r n : Geldbuße von 50--5000 Fr.

mit Gefängnis bis zu 60 Tagen, in gewissen Fällen Gefängnis bis zu 60 Tagen oder Geldbuße bis zu 1000 Fr. (Art. 233 b des Lebensmittelgesetzes vom 26. Februar 1888), N e u e n b u r g : Geldbuße bis zu 5000 Fr. mit Gefängnis bis zu 6 Monaten, Z ü r i c h : Gefängnis mit Geldbuße bis 2000 Fr. oder bloß Buße, Bas eist ad t: Geldbuße bis zu. 1000 Fr. oder Gefängnis bis zu 6 Monaten, G e n f : Gefängnis von 8 Tagen bis l Jahr und Geldbuße von 50--500 Fr., St. G a l l e n : Geldbuße bis 100 Fr. oder Gefängnis bis 6 Monate mit oder ohne Buße bis 600 Fr. u. s. w.

(siehe Botschaft des Bundesrates betreffend Bundesgesetzgebung über den Verkehr mit Nahrungs- und Genußmitteln und mit solchen Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen, welche das Leben und die Gesundheit gefährden können, vom 8. März 1895, Tabelle HI, Bundesbl. 1895, I, 790); in D e u t s c h l a n d : Geldstrafe bis 1500 Mark oder Gefängnis bis zu 6 Monaten oder beides zusammen, in Ö s t e r r e i c h : Geldstrafe von 5--500 fl. mit oder ohne Arrest von l Woche bis 3 Monaten.

Das österreichische Gesetz bedroht mit der nämlichen Strafe auch denjenigen, der Lebensmittel zum Zwecke der Täuschung unter einer falschen Bezeichnung feilhält oder verkauft, wobei eine hinsichtlich der Beschaffenheit und Qualität der Ware allgemein übliche Bezeichnung, welche derselben nicht in einer auf Täuschung gerichteten Absicht beigelegt wird, nicht als falsche Bezeichnung gilt.

Bin in der großen Expertenkommission gestellter Antrag, eine gleichlautende Bestimmung in" den Art. 23 aufzunehmen, wurde abgelehnt, da der Verkauf oder das Feilhalten natürlicher, also nicht gefälschter, oder verfälschter
Lebensmittel unter einer täuschenden Bezeichnung mit einer weniger schweren Strafe zu bedrohen sei. Derartige Delikte fallen nach dem vorliegenden Entwurf unter die Bestimmungen des Art. 26.

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Die fahrlässige Begehung der in Art. 23 bezeichneten Handlung wird, in Abweichung von Art. 83 des Vorentwurfs zu einem eidgenössischen Strafgesetzbuch, mit Strafe bedroht, und zwar mit Geldstrafe bis 1000 Fr. Wir sind der Ansicht, daß eine solche Strafbestimrnung im Lebensmittelverkehr absolut notwendig ist, um die Händler zur Vorsicht zu veranlassen und Täuschung und Übervorteilung des Publikums möglichst zu verhüten. Ohne diese Bestimmung würden die Verkäufer von gefälschten Lebensrnitteln in den meisten Fällen unter der Ausrede von Unkenntnis straffrei ausgehen. Diese Anschauung stimmt auch mit der Mehrzahl der bestehenden gesetzlichen Vorschriften überein. So wird das fahrlässige oder sogar das unwissentliche Verkaufen oder Feilhalten gefälschter oder verfälschter Lebensrnittel bestraft in Z ü r i c h , G l a r u s und G r a u b l i n d e n mit Geldbuße bis 1000 Fr., in S c h w y z und N e u e n b u r g niit Geldbuße bis 500 Fr., in B e r n mit Geldbuße von 10--300 Fr., in St. G a l l e n , je nach der Höhe des Schadens, .mit Geldstrafe bis 150 Fr. oder mit Geldstrafe bis 300 Fr. allein oder in Verbindung mit Gefängnis bis auf 2 Monate oder mit Geldstrafe bis 1000 Fr. allein oder in Verbindung mit Gefängnis bis auf 6 Monate, in B a s e l s t a d t mit Geldbuße bis 300 Fr. oder Haft, in der W a a d t mit Geldbüße bis 300 Fr., in Zug mit Geldbuße bis 50 Fr. u. s. w. Auf der Begehung des nämlichen Delikts steht in D e u t s c h l an d Geldstrafe bis 150 Mark oder Haft und in Ö s t e r r e i c h Geldstrafe von 3--500 fl. oder Arrest von 3--14 Tagen, eventuell verbunden mit Geldstrafe bis zu 100 fl.

Zu Art. 24. Dieser Artikel beschäftigt sich mit den gesundheitsschädlichen oder lebensgefährlichen Lebensmitteln (Nahrungsund Genußmitteln) und Gebrauchsgegenständen (d. h. Gegenständen, welche zum Gebrauche in der Haushaltung, zu häuslichen oder gewerblichen Einrichtungen oder zur Bekleidung bestimmt sind, und Spiel waren) und bedroht denjenigen, der w i s s e n t l i c h solche herstellt, einführt, ausführt, lagert, feilhält oder in Verkehr bringt, mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren, womit in dem einen und in dem andern Fall Geldstrafe bis 3000 Fr. zu verbinden ist. Im K a n t o n B e r n ist für dieses Delikt vorgesehen : Gefängnis bis zu 60 Tagen oder Korrektionshaus
bis zu 2 Jahren, in beiden Fällen mit Geldbuße von 100--5000 Fr.; in N e u e n b u r g : Gefängnis bis zu (i Monaten mit Geldbuße bis zu 5000 Fr. ; in Z ü r i c h : Gefängnis, Arbeitshaus oder Zuchthaus und Geldstrafe; in St. G a l l e n : Gefängnis oder Arbeitshaus bis auf l Jahr, allein oder mit Geldstrafe bis 1000 Fr. ;

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in G e n f : Gefängnis von 6 Monaten bis zu 3 Jahren; in B a s e l s t a d t : Gefängnis bis zu l Jahr ; in G l a r u s undTessin: Gefängnis und Geldstrafe ; im T h u r g a u , i n O b w a l d e n und W a 11 i s : Gefängnis oder Geldstrafe bis 200 Fr. (Wallis) oder bis 2000 Fr.

(Obwalden); in S c h w y z und G r a u b ü n d e n : Geldstrafe bis 1000 Fr.; in D e u t s c h l a n d : Gefängnis, eventuell mit Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte; in Ö s t e r r e i c h : Strenger Arrest von l--6 Monaten, eventuell mit Geldstrafe bis zu 500 fl.

Ist die betreffende Handlung fahrlässig begangen worden, so ist die Strafe Gefängnis bis zu 2 Jahren, verbunden mit Geldstrafe bis 2000 Fr. oder bloß Gefängnis oder Geldstrafe allein ( B a s e l s t a d t : Gefängnis bis zu 6 Monaten oder Geldstrafe bis 1000 Fr. 5 B e r n : Gefängnis bis zu 60 Tagen oder Geldstrafe bis 500 Fr. ; Z ü r i c h , S c h w y z , G r a u b ü n d e n : Geldstrafe bis 1000 Fr. ; N e u e n b u r g : Geldstrafe von 20--500 Fr. ; D e u t s c h l a n d : Geldstrafe bis 1000 Mark oder Gefängnis bis zu 6 Monaten; Ö s t e r r e i c h : Geldstrafe von 5--500 fl. mit oder ohne Arrest von 3 resp. 7 Tagen bis 3 Monaten).

Wenn ein Mensch durch den Genuß gesundheitsschädlicher oder lebensgefährlicher Lebensmittel oder durch den Gebrauch gesundheitsschädlicher oder lebensgefährlicher Gebrauchsgegenstände an seiner Gesundheit schwer geschädigt wird oder sogar stirbt, so beträgt die Strafe bei w i s s e n t l i c h e r Begehung der strafbaren Handlung im Minimum Zuchthaus nicht unter 2 Jahren.

Für die f a h r l ä s s i g e Begehung ist eine Erhöhung der im ersten Absatz des Art. 24 normierten Strafe nicht vorgesehen.

Das b e r n i s c h e Lebensmittelgesetz sieht als Strafe für derartige Delikte je nach der Schwere der Folgen (erhebliche Gesundheitsschädigung oder Tod) vor: Korrektionshaus bis zu 5 Jahren oder Zuchthaus bis zu 8 Jahren, beziehungsweise Zuchthaus von 2--10 Jahren (bei Fahrlässigkeit: Korrektionshaus bis zu sechs Monaten, beziehungsweise bis zu 2 Jahren oder Geldbuße bis 1000 Fr.); das z u r che r i s e he: Zuchthaus bis zu 15 Jahren; das b a s e l s t ä d t i s c h e : Gefängnis nicht unter 6 Monaten oder Zuchthaus bis zu 15 Jahren (bei Fahrlässigkeit : Gefängnis bis zu l Jahr oder Geldbuße) ; das st. g a l l i s c h e : Gefängnis
oder Arbeitshaus bis auf 2 Jahre oder Geldstrafe bis 2000 Fr., beziehungsweise Gefängnis oder Arbeitshaus oder Zuchthaus, letzteres bis auf 5 Jahre, oder Geldstrafe bis 5000 Fr. ; die Geldstrafe kann in allen Fällen mit der Freiheitsstrafe verbunden- werden ;

639 das n e u e n b u r g i s c h e : Gefängnis bis zu l Jahr, beziehungsAveise Zuchthaus bis zu 3 Jahren, in beiden Fällen verbunden mit Geldstrafe bis zu 15,000 Fr. (bei Fahrlässigkeit: Geldbuße von 20--500 Fr.); das w a a d t l ä n d i s c h e : Zuchthaus von 3 Monaten bis zu 4 Jahren und Geldstrafe von 200--1000 Fr.; das d e u t s c h e : Zuchthaus bis zu 5 Jahren, beziehungsweise von 10 Jahren bis 'lebenslänglich (bei Fahrlässigkeit: Gefängnis bis zu l Jahr, beziehungsweise von l Monat bis zu 3 Jahren) ; das ö s t e r r e i c h i s c h e : Strengen Arrest von 6 Monaten bis zu l Jahr, womit Geldstrafe bis zu 1000 fl. verbunden werden kann, bezw. Kerker von l--5 Jahren, allein oder mit Geldstrafe bis zu 1000 fi. (bei Fahrlässigkeit: Arrest von l--6 Monaten, eventuell mit Geldbuße bis 500 fl., bezw. strenger Arrest bis zu l Jahr, allein oder mit Geldstrafe bis zu 1000 fl.).

Der vorliegende Art. 24 entspricht den Art. 164, Abs. l und 2, und 165 des Vorentwurfs zu einem eidgenössischen Strafgesetzbuch. ') Der in letztern enthaltene Ausdruck ,,gesundheitsgefährlich" wurde durch den üblicheren und in der bisherigen Gesetzgebung allgemein gebrauchten ,,gesundheitsschädlich41 ersetzt.

Dem Antrage der großen Expertenkommission, es sei in den vorliegenden Artikel eine Bestimmung des Inhalts aufzunehmen, daß in Zweifelsfällen die kantonale Sanitätsbehörde über die Ge') Art. 164. ,,Wer Sachen, die zum Genüsse oder Gebrauche für Menschen bestimmt sind, wissentlich so herstellt oder behandelt, daß ihr Genuß oder Gebrauch gesundheitsgefährlich oder lebensgefährlich ist, ,,wer wissentlich Sachen einführt, ausführt, lagert, feilhält oder in Verkehr bringt, deren Genuß oder Gebrauch für Menschen gesundheitsgefährlich oder lebensgefährlich ist, wird mit Gefängnis oder mit Zuchthaus bis zu 5 Jahren bestraft. Mit der Freiheitsstrafe ist Geldstrafe bis 20,000 Fr. zu verbinden.

,,Stirbt ein Mensch infolge des Genusses oder Gebrauches solcher Sachen, oder wird ein Mensch dadurch an der Gesundheit schwer geschädigt, so ist die Strafe Zuchthaus nicht unter 2 Jahren."

,,Art. 165. Wer Sachen, die zum Genuß oder Gebrauch für Menschen bestimmt sind, fahrlässig so herstellt oder behandelt, daß ihr Genuß oder Gebrauch gesundheitsgefährlich oder lebensgefährlich ist, ,,wer aus Fahrlässigkeit Sachen einführt, ausführt,
lagert, feilhält oder in Verkehr bringt, deren Genuß oder Gebrauch für Menschen gesundheitsgefährlich oder lebensgefährlich ist, wird mit Gefängnis und Geldstrafe bis 10,000 Fr. bestraft.

,,Stirbt ein Mensch infolge des Genusses oder Gebrauches, oder wird die Gesundheit eines Menschen dadurch schwer geschädigt .so ist die Strafe Gefängnis nicht unter 3 Monaten -und Geldstrafe bis 15,000 Fr."

640

sundheitsschädlichkeit einer Sache entscheide, unter Vorbehalt dés Rekurses an die Bundesbehörde, glaubten wir keine Folge geben zu sollen, indem eine solche Bestimmung mit den allgemein geltenden Grundsätzen im Widerspruch steht, wonach der Richter über das Vorhandensein sämtlicher Thatbestandsmerkmale frei entscheidet ; dabei ist es selbstverständlich, daß der Richter im Falle des Zweifels oder des Streites über die Gesundheitsschädlichkeit eines Objektes auf das Gutachten von Sachverständigen abstellt.

Zu A r t . 25. Die wissentliche Verletzung der nach Art. 12 vorgenommenen Beschlagnahme (quantitative oder qualitative Veränderung, Beseitigung, Indenverkehrbringen etc. der mit Beschlag belegten Waren) ist mit Geldbuße bis 1000 Fr. oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten zu bestrafen (B e r n : Geldbuße von 20 bis 200 Fr. oder Gefängnis bis zu 40 Tagen ; B a s e l s t a d t : Geld-, büße oder Haft oder, wenn damit das Erbrechen eines amtlichen Siegels verbunden war, Buße bis zu 2000 Fr. oder Gefängnis bis zu sechs Monaten, eventuell l Jahr).

Der Vorentwurf zu einem Schweiz. Strafgesetzbuch sieht für den Bruch einer amtlichen Beschlagnahme Gefängnis vor (Art. 189) und für die vorsätzliche und unbefugte Erbrechung oder Entfernung eines Siegels, mit dem eine Sache amtlich verschlossen worden ist, Gefängnis oder Geldstrafe bis zu 1000 Fr. (Art. 190).

Zu Art. 26. Die Zuwiderhandlungen gegen die Verordnungen, welche in Ausführung von Art. 21 zu erlassen sind, werden nur zum Teil unter die Straf bestimmungen von Art. 22--24 fallen. Für die übrigen schreibt Art. 26 Geldbuße bis 500 Fr. oder Haft bis zu 3 Monaten vor. Das b e r n i s c h e Lebensmittelgesetz, dessen Art. l4 ähnlich lautet wie Art. 21 des vorliegenden Entwurfs, sieht für den gleichen Fall eine Geldbuße bis 200 Fr. oder Gefängnis bis zu 3 Tagen vor, das b a s e l s t ä d t i s c h e Polizeistrafgesetz Geldbuße bis zu 50 Fr. oder Haft bis zu l Woche, das d e u t s c h e Lebensmittelgesetz Geldstrafe bis 150 Mark oder Haft, und das ö s t e r r e i c h i s c h e Geldstrafe von 5--500 tl. mit oder ohne Arrest von 3 Tagen bis 3 Monaten.

Unter die Strafbestimmungen des Art. 26 fallen auch eine Reihe von Vergehen, die sich als Zuwiderhandlungen gegen zu erlassende Verordnungen (Art. 21) darstellen, für welche aber von einzelnen Lebensmittelgesetzen
besondere Strafen vorgesehen sind.

Als solche sind zu erwähnen : 1. § 12, l, des b e r n i s c h e n Lebensmittelgesetzes: ,,Wer zum Zwecke der Täuschung im Handel und Verkehr ein Nahrungs-

64t

oder Genußmittel in der Auf- oder Umschrift oder in einer öffentlichen Ankündigung oder durch die Art der Verpackung oder auf irgend eine andere Weise seinem Wesen nach falsch oder mißr verständlich bezeichnet, Avird mit Buße von 5--500 Fr. bestraft/1 2. § 13 des gleichen Gesetzes: ,,Verkäufer von Nahrungsmitteln oder Genußmitteln, welche dieselben auch in Kunstprodukten (Kunstweine, Kunstbutter, Surrogate etc.) halten, auch wenn dieselben angeblich nur zum eigenen Gebrauch bestimmt sind, haben den Besitz solcher Ware mittelst deutlichen Anschlags im Verkaufslokal bekannt zu machen, bei 5--100 Fr. Buße im Unterlassungsfalle."

3. § 8 des b a s e l s t ä d t i s c h e n Lebensmittelgesetzes: .n~b. Wer Gegenstände zum Zwecke der Fälschung von Nahrungsmitteln und Genußmitteln herstellt, feilhält oder verkauft, wird mit Geldbuße bis zu 200 Fr. oder Haft bis zu vier Wochen bestraft. Die betreffenden Gegenstände sind zu konfiszieren.

,,c. Wer zum Zwecke der Fälschung von Nahrungs- und Genußmitteln erstellte Gegenstände oder gefälschte Nahrungs- und Genußmittel oder gesundheitsschädliche Gebrauchsgegenstände öffentlich zum Verkauf auskündet, verfällt in Geldbuße bis zu 100 Fr.

oder Haft ; in dieselbe Strafe verfällt, wer als Redaktor oder Herausgeber eines öffentlichen Blattes solche Ankündigungen aufnimmt."1 Der Art. 26 bezieht sich auch auf jene geringeren Übertretungen, wie sie im Marktverkehr, irn Hausier- und Kleinhandel hauptsächlich aus Mangel an Aufmerksamkeit, seltener in der Absicht zu betrügen oder zu schaden, begangen 'werden. Der Vor«ntwurf zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch hat hierfür einen besondern Artikel vorgesehen, welcher lautet : ,,Wer wissentlich oder aus Fahrlässigkeit verdorbene Lebensmittel oder unreifes Obst feilhält, verkauft oder sonst in Verkehr bringt, wird, sofern nicht die Bestimmungen der Art. 164 und 165 zutreffen, mit Buße bis ·zu 500 Fr. bestraft. "· Analoge Bestimmungen enthalten u. a. folgende kantonale Lebensmittelgesetze : das b e r n i s c h e (§ 5, Alinea 3): ,,Die Ortspolizeibehörde ist befugt, gegen denjenigen, welcher aus Mangel an Aufmerksamkeit nachgemachte oder verfälschte oder verdorbene oder gesundheitsschädliche Lebens- oder Genußmittel, wie Fleisch, Butter, Obst, Gemüse und dergl. zu Markte bringt, eine Buße von l bis 20 Fr.

zu verhängen, falls die Fahrlässigkeit keine grobe wara ;

642 das g l a r n e r i s c h e (Art. 6) : ,,Der Verkauf und^das Feilhalten von unreifem Eßobst und verdorbenen Nahrungsmitteln wird mit einer Buße von 5 bis 100 Fr. bestraft"- ; das t h u r g a u i s c h e (§ 11): ,,Wer Lebensmittel, deren Genuß, wegen Unreife oder Verdorbenheit, der Gesundheit schädlich ist, in Verkehr bringt oder feilhält, wird ohne Rücksicht darauf, ob ihm deren Gesundheitsschädlichkeit bekannt war, mit Polizeibuße von 5 bis 100 Fr. bestraft."

Das Lebensmittelgesetz des Kantons Z ü r i c h sieht für das nämliche Vergehen eine Buße bis 1000 Fr., diejenigen der Kantone S c h w y z , Z u g und S o l o t h u r n dagegen bloß eine solche bis 50 Fr. vor.

Es'war ursprünglich beabsichtigt, einen analogen Strafartikel aufzunehmen ; die Diskussion in der großen Expertenkommission hat aber sattsam bewiesen, daß der vorliegende Art. 26 auch für die Übertretungen im Marktverkehr und Kleinhandel vollständig ausreicht. Die auf Grund von Art. 21 zu erlassenden Verordnungen werden die für den Verkehr mit den" einzelnen Nahrungs- und Genußmitteln und namentlich auch mit den Surrogaten notwendigen .Detailvorschriften aufstellen, deren Nichtbeachtung eben nach Art. 2l> bestraft wird.

Zu A r t . 27. Die hier vorgesehene Strafe, Goldbuße bis Fr. 500 oder Haft bis zu l Monat ( B e r n : Geldbuße von 10--50 Fr.

oder Gefängnis von 8--40 Tagen ; B a s e l s t a d t : Geldbuße bis 50 Fr. oder Haft bis zu l Woche; N e u e n b u r g : Geldbuße von 20--500 Fr.; D e u t s c h l a n d : Geldstrafe von 50--150 Mark oder Haft; Ö s t e r r e i c h : Geldstrafe von 5--100 fl. oder Arrest von l--14 Tagen) gilt nur für die Fälle, wo eine Erschwerungöder Verunmöglichung der Amtshandlung ohne Anwendung voa Gewalt oder Drohung stattfindet (z. B. Verheimlichung, falsche Angaben, Verweigerung des Eintritts in Räumlichkeiten, Verweigerung^ von Auskunft etc.) 1). Wird dagegen den Beamten bei der Ausübung ihrer Funktionen mit Gewalt oder Drohung Widerstand geleistet, so treten die in den kantonalen Strafgesetzen hierfür vorJ

) Art. 240 des Vorentwurfs zu einem Schweiz. Strafgesetz: ,,Wer einen Polizeiangestellten an der Ausübung seines Dienstes hindert oder stört oder ihm auf berechtigte Aufforderung hin Namen und Wohnung.

nicht angiebt oder falsch angiebt, ,,wer den Anordnungen, die eine Polizeibehörde oder ein Polizeiangestellter befugterweise trifft, nicht nachkommt, wird mit Busse bis zu 100 Fr. oder Haft bis zn 8 Tagen bestraft."

643

gesehenen Strafen ein '). Der Umstand, daß trotz der Weigerung oder des Widerstandes die beabsichtigte Nachschau oder Probeentnahme vorgenommen wurde, was, wenn irgend möglich, stets zu geschehen hat, ändert nichts an der in diesem Artikel vorgesehenen Bestrafung; die bei der durchgeführten Kontrolle sich ergebenden Delikte werden für sich geahndet.

Zu A r t . 28. Prinzipiell- soll der Angeschuldigte an seinem Wohnort belangt werden. Für den Fall aber, wo derselbe keinen Wohnsitz hat oder im Ausland wohnt, muß die strafrechtliche Verfolgung auch am Ort, wo das Delikt begangen worden ist, stattfinden können. Eine solche Bestimmung ist namentlich auch nötig für die schweren Delikte, für welche eine Auslieferung vorgesehen ist.

Zu Art. 29. Daß den Fehlbaren außer der Strafe auch die Kosten der technischen Untersuchung der beanstandeten Waren auferlegt wird, bedarf wohl keiner Begründung.

Zu A r t . 30 und 31. Diese beiden Artikel stehen in engem Zusammenhange mit Art. 12. Während die in Art. 12 vorgesehene Beschlagnahme nur eine vorläufige Maßregel darstellt, welche den Zweck hat, das konsumierende Publikum während der Dauer der Untersuchung und der eventuell folgenden Straf Verhandlung vor Gesundheitsschädigung oder mindestens vor Betrug zu schützen, handelt es sich hier, nachdem die Böschung oder Verfälschung, die Gesundheitsschädlichkeit oder Verdorbenheit einer Ware gerichtlich festgestellt ist, um definitive Maßnahmen. Die als gesundheitsschädlich oder lebensgefährlich erkannten Lebensmittel oder sonstigen Gegenstände werden eingezogen und vernichtet oder in unschädlicher Weise verwertet 2 ). Auch in den auf die Art. 22, 23 und 26 J

) Art. 180 des Voventwurfs zu einem Schweiz. Strafgesetz:

,,Wer einen Beamten durch Gewalt oder Drohung an einer rechtmässigen Amtshandlung zu hindern oder zu einer Amtshandlung zu nötigen sucht oder ihn während einer Amtshandlung thStlich angreift, wird mit Gefängnis nicht unter 14 Tagen bestraft.

,,Wird eine dieser Handlungen von einem zusammengerotteten Haufen vereint begangen, so wird jeder Teilnehmer an der Zusammenrottung mit Gefängnis nicht unter l Monat bestraft.

,,Der Teilnehmer, der Gewalt an Personen oder Sachen verübt, oder damit droht, wird mit Zuchthaus bis zu 5 Jahren oder mit Gefängnis nicht unter 6 Monaten bestraft."

2 ) Art. 30 des Vorentwurfs zu einem Schweiz. Strafgesetzbuch: ,,Neben der Strafe oder statt einer Geldstrafe kann dem Schuldigen das Eigentum an Gegenständen abgesprochen werden, die zu dem Verbrechen

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basierenden Straffällen, wo es sieh um gefälschte, verfälschte, verdorbene, im Wert verringerte, falsch deklarierte, unrichtig verpackte . oder bezeichnete und ähnliche Waren handelt, kann auf Wegnahme derselben erkannt werden. Absatz 3 des Art. 83 des Vorentwurfs zu einem Schweiz. Strafgesetz geht weiter und verlangt, daß gefälschte und verfälschte Waren stets eingezogen werden. Der Art. 30 des vorliegenden Entwurfs hingegen will den Entscheid darüber in jedem einzelnen Falle der zuständigen Behörde überlassen.

Die Einziehung derartiger Waren kann auch stattfinden, wenn aus diesen oder jenen Gründen eine Verfolgung oder Verurteilung des Fehlbaren nicht möglich ist. Dies ist zum Schütze der Konsumenten durchaus notwendig.

Da die Einziehung der Waren eine polizeiliche Maßregel darstellt und nicht etwa eine Strafmaßnahme ist, so fällt auch dei' allfällige Reinerlös, der aus der technischen oder anderweitigen zweckdienlichen Verwertung der eingezogenen Waren sich ergiebt, nicht dem Fiskus zu, sondern wird im Interesse des Eigentümers in der im 2. Absatz des Art. 31 angegebenen Weise verwendet.

Zu A r t . 32. Der entsprechende Art. 32 des Vorentwurfs zu einem Schweiz. Strafgesetz lautet: ,,Hat der Thäter durch ein Verbrechen die Pflichten des Berufes, Gewerbes, oder Handels, den er betreibt, grob verletzt, und liegt die Gefahr weitern Mißbrauchs vor, so untersagt ihm der Richter die Ausübung des Berufes, Gewerbes oder Handels für die Zeit von 1--15 Jahren. Bei Verurteilung zu Freiheitsstrafe fällt die Strafzeit nicht in Berechnung.u Zu Art. 33. Die Veröffentlichung des Strafurteils auf Kosten des Verurteilten ist in den Fällen von Art. 22---24 stets zu verfügen, wenn die Handlung wissentlich begangen worden ist; in allen übrigen Fällen einer auf Grund des Gesetzes stattgefundenen Verurteilung k a n n sie von der zuständigen Behörde angeordnet werden. Diese Veröffentlichung wird von den Fälschern sehr gefürchtet und stellt deshalb eine sehr wirksame präventive Maßregel benutzt worden sind oder benutzt werden sollten, oder die durch das Verbrechen hervorgebracht worden sind.

,,Gefährdet ein Gegenstand, der mit einem Verbrechen in Zusammenhang steht, das öft'entliche Wohl, so zieht ihn der Richter ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer Person ein und lässt ihn erforderlichen Falls unbrauchbar machen oder vernichten."

645

·dar. Um aber eine ungleiche Praxis zu vermeiden, muß die Veröffentlichung des Strafurteils bei den schwereren Delikten obligatorisch erklärt werden.

Umgekehrt ist auch eine-Veröffentlichung des freisprechenden Urteils, und zwar auf öffentliche Kosten, vorgesehen worden.

.Der Vorentwurf zu einem Schweiz. Strafgesetzbuch stimmt mit dem vorliegenden Artikel im wesentlichen überein, indem es in Art. 83, Alinea 4, und Art. 164, Alinea 3, heißt: ,,Das verurteilende Erkenntnis wird veröffentlicht"1, und im Art. 239, Alinea 3 : ,,Das verurteilende Erkenntnis kann veröffentlicht werden."· Außerdem enthält Art. 34 des genannten Vorentwurfs im fernem folgende allgemeine Bestimmungen : ,,Der Richter ordnet die Veröffentlichung des Strafurteüs in dem .amtlichen Blatte und in einer oder mehreren Zeitungen auf Kosten -des Verurteilten an, sofern das öffentliche Interesse des Verletzten es erfordert.

,,Ebenso ordnet der Richter die Veröffentlichung eines freisprechenden Urteils auf Staatskosten oder auf Kosten des Anzeigers an, wenn das öffentliche Interesse oder das Interesse des Freigesprochenen es erheischt. "· Zu Art. 34. Von der Aufnahme besonderer Bestimmungen über die Art der Bestrafung des Versuchs, der in den Fällen der Art. 22--24 als strafbar bezeichnet ist, über den Rückfall, über Verjährung der Strafverfolgung und des Strafvollzugs, sowie über den Wegfall der Strafe und Einstellung des Strafvollzugs (vgl.

Art. 17, 41, 47--50 des Vorentwurfs zu einem eidgenössischen Strafgesetz) wurde abgesehen. Solange kein eidgenössisches all-gemeines Strafrecht existiert, empfiehlt es sich, in dieser Hinsicht ·die kantonalen Strafrechtsbestimmungen weiter anwenden zu lassen.

Im übrigen ist dieser Artikel die Konsequenz des zweiten Absatzes des Art. 69bis der Bundesverfassung.

Ausfuhrungsbestimmungen (Art. 35 bis 38).

Diese Bestimmungen sind selbstverständlich und bedürfen angesichts des Wortlauts des Art. 69bis der B. V. keiner weitern Begründung.

Bundesblatt. 61. Jahrg. Bd. I.

44

646

Gestützt auf vorstehende Auseinandersetzungen, beehren wir uns, Ihnen die Annahme des Gesetzesentwurfes bestens zu empfehlen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 28. Februar 1899.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Eingier.

647

(Entwurf.)

ßundesgesetz betreuend

den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 28. Februar 1099; in Ausführung des Art. 69bl" der Bundesverfassung, beschließt:

Gegenstand des Gesetzes.

Art. 1. Der Beaufsichtigung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen unterliegen : a. der Verkehr mit Nahrungs- und Genußmitteln; b. der Verkehr mit Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen, soweit solche das Leben oder die Gesundheit gefährden können.

Aufsichtsorgane.

Art. 2. Die Beaufsichtigung liegt ob : a. In den Kantonen unter Leitung der Regierung und, soweit notwendig, unter Mithülfe der Polizei:

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1. der kantonalen Sanitätsbehörde; 2. dem Kantonschemiker ; 3. den kantonalen Lebensmittelinspektoren ; 4. den örtlichen Gesundheitsbehörden; 5. den Fleischbeschauern; b. an der Landesgrenze : 1. den Zollämtern; 2. den Grenztierärzten.

Dem Bundesrate steht die Oberaufsicht zu.

Kantonale Aufsichtsorgane; Befugnisse und Vorgehen.

Art. 3. Jeder Kanton hat als Centralstelle für die chemische, physikalische oder bakteriologische Untersuchung von Nahrungs- und Genußmitteln, Trink- und Brauchwasser, Gebrauchs- und Verbrauchsgegenständen eine Untersuchungsanstalt (kantonales Laboratorium) einzurichten und zu unterhalten. Die Leitung dieser Anstalt ist einem diplomierten Lebensmittelchemiker (Kantonschemiker) zu übertragen.

Die kantonalen Untersuchungsanstalten können auch andere Untersuchungen zur Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege und zu gerichtlichen Zwecken ausführen.

Ausnahmsweise können einzelne Kantone mit Genehmigung des Bundesrates sich zur Einrichtung und Unterhaltung einer gemeinschaftlichen Untersuchungsanstalt vereinigen oder sich die Benutzung der Untersuchungsanstalt eines Nachbarkantons durch Vertrag sichern.

Größere Ortschaften können mit Genehmigung der kantonalen Regierung eine eigene, der örtlichen Gesundheitsbehörde unterstellte Untersuchungsanstalt (städtisches Laboratorium) einrichten und unterhalten. Die Leitung dieser Anstalt ist einem diplomierten Lebensrnittelchemiker (Stadtchemiker) zu übertrafen.

649 Art. 4. Die Untersuchung der von den Aufsichtsorganen auf Grund dieses Gesetzes amtlich übermittelten Proben wird durch die Untersuchungsanstalten unentgeltlich besorgt, unter Vorbehalt der Bestimmungen der Art. 12, Absatz 4, und 29.

Andere Untersuchungen werden von diesen'Anstalten gegen eine tarifgemäße Vergütung ausgeführt.

Art. 5. Die Kantone haben einen oder mehrere Lebensmittelinspektoren einzusetzen. Diese sind demKantonschomiker unterstellt.

Ausnahmsweise können mit Genehmigung des Bundesrates einzelne oder sämtliche Funktionen der Lebensmittelinspektoren dem Kantonschemiker oder ändern Beamten der kantonalen Untersuchungsanstalt übertragen werden.

Art. 6. Die Kantone haben örtliche Gesundheitsbehörden einzusetzen. Als solche können ausnahmsweise die Gemeinderäte bezeichnet werden.

Die Kantone sind befugt, verschiedene Gemeinden zu einem Sanitätsbezirk zu vereinigen, für den eine gemeinsame Gesundheitsbehörde bestellt wird.

Die örtlichen Gesundheitsbehörden können einzelne Mitglieder oder besondere Beamte mit der Vornahme von Nachschauen oder von Lebensmittelprüfungen betrauen (Ortsexperten).

Art. T Die Kantonschemiker haben die nötigen Instruktions- und Wiederholungskurse für die kantonalen Lebensmittelinspektoren und die Ortsexperten abzuhalten.

Art. 8. Jede Gemeinde ist zur Anstellung wenigstens eines Fleischbeschauers verpflichtet, welcher, wenn möglich, patentierter Tierarzt sein soll. Ausnahmsweise darf die Fleischbeschau einem Nichltierarzt, der sich über den Besitz der notwendigen Kenntnisse (Art. 20, Absatz 2) ausweist, übertragen werden.

650 Ftlr benachbarte Gemeinden kann ein gemeinschaftlicher Fleischbeschauer bestellt werden.

Jedem Fleischbeschauer ist ein Stellvertreter beizugeben, der im Besitz der notwendigen Kenntnisse sein muß und ihn im Falle der Verhinderung vertritt.

Der Fleischbeschau sind unterworfen die Schlachttiere, sowie Fleisch und Fleischwaren, welche zum Genuß bestimmt sind.

Durch bundesrätliche Verordnung wird bestimmt, in welchen Fällen die Fleischbeschau durch eine chemischphysikalische oder bakteriologische Untersuchung zu ergänzen ist.

Die Kantone veranstalten die nötigen Instruktions- und Wiederholungskurse für Fleischbeschauer.

Art. 9. Die kantonalen Aufsichtsorgane haben bei Ausübung der ihnen durch dieses Gesetz übertrageneu Aufsicht die Eigenschaft von Beamten der gerichtlichen Polizei.

Sie sind berechtigt, in die Räumlichkeiten, wo zum Verkauf bestimmte Gegenstände der in Art. l bezeichneten Art gewonnen, hergestellt, aufbewahrt oder feilgeboten werden, während der üblichen Geschäftsstunden oder während die Räumlichkeiten dem Verkehr geöffnet sind, einzutreten und daselbst zum Zwecke der Handhabung dieses Gesetzes Nachschau zu halten.

Sie haben die Befugnis zur Kontrolle des Zustandes dieser Räumlichkeiten und der darin befindlichen Apparate, Vorrichtungen und Gefäße, welche zur Herstellung, Behandlung und Aufbewahrung von in Art. l genannten Gegenständen dienen.

Sie sind befugt, von den in Art. l genannten Gegenständen, welche sich in den angegebenen Räumlichkeiten vorfinden oder welche an öffentlichen Orten oder im Umher- .

ziehen verkauft oder feilgehalten werden, oder von den Substanzen, welche zur Herstellung dieser Gegenstände bestimmt

651

sind, nach einer Vorprüfung oder auch oboe eine solche, Proben zum Zwecke der Untersuchung zu entnehmen.

Das Nähere über die Art der Probefassung, das Quantum ·der zu entnehmenden Proben," die Verpackung, den amtlichen Verschluß, die Bezeichnung und die Versendung derselben ·wird durch ein R e g u l a t i v des Bundesrates bestimmt.

Auf Verlangen ist dem Besitzer eine amtlich verschlossene Probe zurückzulassen und für die mitgenommenen Proben ·eine Empfangsbescheinigung auszustellen.

Wenn es sich herausstellt, daß die betreffende Ware nicht zu beanstanden ist, so kann der Eigentümer Vergütung -des Wertes der Proben beanspruchen.

Art. 10. Die zu untersuchenden Proben werden samt -einem schriftlichen Bericht in der Regel der kantonalen oder ·städtischen Untersuchungsanstâlt übermittelt, welche der auftraggebenden Amtsstelle sobald als möglich von dem Untersuchungsresultate Kenntnis giebt.

Eine bundesi-ätliche V e r o r d n u n g wird die technischen Befugnisse der Lebensmittelinspektoren und der Ortsexperten festsetzen und bestimmen, welche Untersuchungsfälle direkt von diesen Organen unter Vorbehalt des Rekurses erledigt ·werden können.

Art. 11. Giebt die Untersuchung Anlaß zur Beanstandung von Gegenständen, so hat das Aufsichtsorgan, welches die Untersuchung veranlaßt hat, unter Beilage des Untersuchungsberichts, der zuständigen Behörde unverzüglich schriftliche Anzeige zu erstatten.

Bei unzulässiger Beschaffenheit von Räumlichkeiten, Apparaten oder Gerätschaften ist ebenfalls schriftliche Anzeige an die zuständige Behörde zu erstatten.

Art. 12. Die beanstandeten Gegenstände sind von den Aufsichtsbeamten, wenn die Umstände es erfordern, mit Beschlag zu belegen.

652 Die Beschlagnahme ist sofort anzuordnen, wenn die betreffenden Gegenstände gesundheitsschädlich, augenscheinlichverdorben oder gefälscht sind.

Üher die Beschlagnahme ist eine Urkunde aufzunehmen..

Die beschlagnahmten Gegenstände können in amtliche Verwahrung genommen werden.

Wenn die Natur der mit Beschlag belegten Gegenständeeine Aufbewahrung nicht zuläßt, so sind dieselben in geeigneter Weise zu verwerten oder nötigenfalls zu vernichten.

Die Kantone haften für den aus einer ungerechtfertigtea Beschlagnahme entstehenden Schaden.

Oberexpertisen.

Art. 13. Wenn das Resultat einer durch einen Lebensmittelinspektor oder einen Ortsexperten vorgenommenen Untersuchung bei der Behörde Zweifel erregt oder auf dem Rekurswege angefochten wird (Art. 10, Absatz 2), so erfolgt, eine zweite Untersuchung durch die kantonale (oder städtische} Untersuchungsanstalt.

Wenn das Gutachten eines Rantonschemikers oder einesStadtchemikers bei der Behörde Zweifel erregt oder auf dem Rekurswege angefochten wird, so kann eine Oberexpertiseangeorduet werden, mit deren Vornahme diplomierte Lebensmittelchemiker oder sonstige anerkannte Fachleute zu betrauen sind.

Bei Rekursen gegen den Befund eines Fleischbeschauersbezeichnet die kantonale Behörde den oder die Oberexperten ebenso bei Rekursen gegen Befunde oder Gutachten, welche Räumlichkeiten, Apparate oder Gerätschaften betreffen.

Die Kosten der Oberexpertisen können dem Beschwerdeführer auferlegt werden, wenn der Entscheid zu seinen Ungunsten ausfällt.

653 Eidgenössische Aufsichtsorgane; Befugnisse und Vorgehen.

Art. 14. Auf dem schweizerischen Gesundheitsamt wird eine besondere Abteilung für Lebensmittelkontrolle mit einem chemisch-bakteriologischen Laboratorium errichtet.

Diese Abteilung hat im wesentlichen folgende Aufgaben: Ì. Besorgung der für die Ausführung des Gesetzes notwendigen technischen und experimentellen Vorarbeiten, dauernde Sammlung und Sichtung der neuen Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungen auf dem Gebiete der Lebensmitteluntersuchungen, Nachprüfung derselben und Ergänzung durch eigene Arbeiten ; 2. Abgabe von Gutachten, Berichten u. s. w. zu Händen der Bundesbehörden und Besorgung weiterer ihr von der Oberbehörde zugewiesenen Arbeiten auf dem Gebiete der Lebensmitteluntersuchung und Hygieine.

Art. 15. Die eidgenössischen Aufsichtsorgane sind berechtigt, die aus dem Ausland eingehenden Waren der in Art. l genannten Art, mit Ausnahme der transitierenden Sendungen, auf den schweizerischen Zollstellen und in den schweizerischen Niederlagshäusern zu kontrollieren.

Der Weitertransport der Waren soll durch die Kontrolle in der Regel nicht verzögert werden.

Art. 16. Die Zollämter haben auf Ansuchen eidgenössischer oder kantonaler Gesundheitsbehörden von den im Art. 15 genannten Waren Proben zu erheben und dieselben der ersuchenden Amtsstelle zuzusenden.

Sie sind auch berechtigt, von sich aus von Waren, welche verdächtig erscheinen, Proben zum Zwecke der Untersuchung zu erheben.

Die Entnahme der Probe ist auf dem Frachtbrief anzumerken.

654

Eine vom Bundesrate zu erlassende Verordnung wird das Nähere über das bei der Kontrolle der Waren und bei der Entnnlime und Verpackung der Proben zu beobachtende Verfahren feststellen.

Art. 17. Die Zollämter übermitteln die Proben, welche sie von sich aus erhoben haben, unter Angabe des Verdachtsgrundes, der Art und Größe der Sendung, des Bestimmungsortes und der Adresse des Empfängers, der Untersuchungsanstalt des Kantous, in welchem der Bestimmungsort liegt, oder, wenn der Bestimmungsort eine eigene Untersuchungsaustalt (städtisches Laboratorium) besitzt, dieser letzteren.

In besondern Fällen können die Proben einer ändern Untersuchungsanstalt zugestellt werden.

Die Untersuchungsanstiilt hat die Untersuchung der übermittelten Proben unverzüglich und, mit Ausnahme der im Art. 29 vorgesehenen Fälle, unentgeltlich vorzunehmen und das Resultat, unter Beilage des von dem Zollamt erhaltenen Berichts, der Gestindheitsbehörde des Bestimmungsorts der Warensendung mitzuteilen. Die Gesundheitshehörde verständigt ihrerseits den Empfänger von dem Untersuehungsergel>nis und erstattet in den Fällen, wo die. Untersuchung eine vorschriftswidrige Beschaffenheit der Ware ergeben hat, bei der zuständigen Behörde Anzeige (Art. 11) und trifft ferner die in Art. 12 vorgesehenen Maßnahmen.

Das definitive Ergebnis der Untersuchung soll jeweilen auch dem eidgenössischen Departement des Innern mitgeteilt werden, welches seinerseits das Zolldepartement davon benachrichtigt.

Art. 18. Die Zollämter sind verpflichtet, von den Untersuchungen, d i e ° s i e z u m Behufe der Warenklassifikation vornehmen, der Untersuchungsanstult des Kantons, in welcher der Bestimmungsort der betreffenden Warensendung liegt,

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·oder wenn der Bestimmungsort eine eigene Untersuchungsanstalt besitzt, dieser letztern, Kenntnis zu geben, insofern diese Untersuchungen für die Kontrolle der Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände von Wert sind. Wenn immer möglich, soll der Uatersuchungsanstalt gleichzeitig eine Probe der betreffenden Ware übermittelt werden.

Art. 19. Fleisch und Heisch waren, welche vom Auslande her in die Schweiz eingeführt werden, sind auf den schweizerischen Zollstellen und in den schweizerischen Niederlagshäusern durch die Grenztierärzte 'zu untersuchen.

Eine Verordnung des Bundesrates bestimmt das bei diesen Untersuchungen zu beobachtende Verfahren.

Ermächtigung des Bundesrates zum Erlaß von Vorschriften.

Art. 20. Der Bundesrat stellt e i n h e i t l i c h e B e s t i m m u n g e n auf betreffend die Grundsätze in der Prüfung und in der B e u r t e i l u n g der U n t e r s u c h u n g s o b j e k t e (Begriff der Fälschung, Verfälschung, Gesundheitsschädlichkeit und Verdorbenheit der einzelnen Lebensrnittel u. a. m.), betreffend die anzuwendenden U n t e r s u c h u n g s m e t h o d e n und betreffend die G e b ü h r e n t a r i f e für die Lebensmittelkontrolle und für die Fleischbeschau.

Er erläßt die notwendigen B e s t i m m u n g e n bezüglich der A n f o r d e r u n g e n , denen die Lebensmittelchemiker, die kantonalen Lebensmittelinspektoren, die Ortsexperten und die Fleischbesehauer zu genügen haben.

Art. 21. Der Bundesrat ist ermächtigt, zum Schütze der Gesundheit und zur Verhütung von Täuschung im Lebensmittelverkehr Vorschriften zu erlassen, welche betreffen : 1. die Einfuhr, die Art der Gewinnung, Herstellung, Aufbewahrung, Verpackung und Bezeichnung von Lebensmitteln, welche zum Verkaufe bestimmt sind ;

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2. die Einfuhr, Herstellung, Aufbewahrung, Verpackung und Kennzeichnung von Lebensmittelsurrogaten; 3. die Verwendung von Farbstoffen bei der Herstellung von zum Verkaufe bestimmten Nahrungs- und Genußmitteln;.

4. die öffentliche Ankündigung, das Peilhalten und Verkaufen von Lebensmitteln und Lebensmittelsurrogaten -r 5. das Schlachten, die Fleischbeschau und den Verkehr mit Fleisch und Fleisch waren; 6. die Einfuhr, Herstellung, Aufbewahrung, öffentliche Ankündigung, das Feilhalten und den Verkauf von Gegenständen, welche zur Fälschung von Lebensmitteln bestimmt sind oder bestimmt sein können; 7. die Verwendung gewisser Stoffe und Farben zur Herstellung von Bekleidungsgegeoständen, Spielwaren, Tapeten und sonstigen Gebrauchsgegenständen, sowie Gefäßen, Apparaten und Utensilien, welche bei der Herstellung, Zubereitung oder dem Verkaufe von Lebensmitteln zur Anwendung kommen; ebenso denVerkauf oder die Verwendung derartiger vorschriftswidrig hergestellter Gegenstände; 8. die Konstruktion, Behandlung und Instandhaltung von Apparaten und Utensilien, welche bei der Herstellung,, Zubereitung oder dem Verkaufe von Nahrungs- und Genußmitteln zur Anwendung gelangen; 9. diejenigen Anforderungen, welche an die zur Herstellung, Aufbewahrung und zum Verkauf von Lebensrnitteln dienenden Räumlichkeiten zu stellen sind; 10. das Verkaufen und Feilhalten von Petroleum, Ligroinr Benzin und ändern Beleuchtungs- und Verbrauchsartikeln des Haushalts.

Strafbestimmungen.

Art. 22. Wer zum Zwecke der Täuschung in Handel und Verkehr Nahrungs- oder Genußmittel fälscht, verfälscht oder im Wert verringert,

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wer Nahrungs- oder Genußmittel, von denen er weiß, daß sie gefälscht oder verfälscht siüd und daß sie als echt oder unverfälscht in Verkehr gebracht werden sollen, einführt, ausführt oder lagert, wird mit Gefängnis bis zu 2 Jahren und mit Geldstrafe bis Fr. 2000, oder mit einer dieser beiden Strafen bestruft.

Der Versuch ist strafbar.

Art. 23. Wer gefälschte, verfälschte, verdorbene oder im Wert verringerte Nahrungs- oder Genußmittel feilhält oder in Verkehr bringt, als ob sie echt, unverfälscht, unverdorben oder vollwertig wären, wird, wenn er die Handlung wissentlich begeht, mit Gefängnis bis auf 2 Jahre und mit Geldstrafe bis Fr. 2000, oder mit einer dieser beiden Strafen, wenn er die Handlung fahrlässig begeht, mit Geldstrafe 'bis Fr. 1000 bestraft.

Der Versuch ist strafbar.

Art. 24. Wer Sachen, die zum Genüsse oder Gebrauche für Menschen bestimmt sind, so herstellt oder behandelt,
einer dieser beiden Strafen bestraft.

Stirbt ein Mensch infolge des Genusses oder Gebrauches solcher Sachen, oder wird ein Mensch dadurch an der Gesundheit schwer geschädigt, so ist die Strafe bei wissentlicher Begehung der Handlung Zuchthaus nicht unter 2 Jahren.

Der Versuch ist strafbar.

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Art. 25. Wer nach Art. 12 mit Beschlag belegte Sachen wissentlich verändert, beseitigt, io den Verkehr bringt oder in anderer Weise der Behörde entzieht, wird mit Gefängnis bis zu 6 Monaten oder mit Geldstrafe bis Fr. 1000 bestraft.

Art. 26. Wer die Vorschriften der in Ausführung des Art. 21 erlassenen Verordnungen wissentlich oder fahrlässig verletzt, wird, sofern nich.t die Bestimmungen der Art. 22 bis 24 zutreffen, mit Buße bis zu Fr. 500 oder mit Haft biszu 3 Monaten bestraft.

Art. 27. Wer einem Aufsichtsbeamten die Vornahme der ihm obliegenden Amtshandlungen wissentlich unmöglich macht oder erschwert, wird mit Buße bis zu Fr. 500 oder mit Haft bis zu l Monat bestraft.

Art. 28. Die strafrechtliche Verfolgung erfolgt entweder am Wohnort des Angeschuldigten oder am Ort, wo das Vergehen begangen worden ist. In keinem Falle dürfen für das gleiche Vergehen mehrere strafrechtliche Verfolgungen eintreten.

Art. 29. Der auf Grund der Bestimmungen der Art. 22,.

23, 24 und 26 Verurteilte trägt die Kosten der technischen Untersuchung.

Art. 30. Die unter die Bestimmungen des Art. 24 fallenden Waren müssen, die unter die Bestimmungen der Art. 22, 23 und 26 fallenden Waren können durch die zuständige Behörde eingezogen werden, und zwar auch im Falle der Freisprechung oder Einstellung der strafrechtlichen Verfolgung.

Art. 31. Die eingezogenen gesundheitsschädlichen und lebensgefährlichen Nahrungs- und Genußmittel und Gebrauchsgegenstände müssen vernichtet werden, wenn eine technische oder anderweitige unschädliche Verwertung nicht möglich

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oder nicht thunlich ist. Die übrigen eingezogenen Waren sind unter amtlicher Kontrolle io geeigneter Weise zu verwerten.

Der Reinerlös wird, zur Bezahlung der Geldstrafe oder Buße, der Kosten und der Entschädigung an den Geschädigten verwendet; ein allfälliger Überschuß fallt dem Eigentümer der eingezogenen Wareu zu.

Art. 32. Hat der Thäter die auf Grund der Art. 22, 23, 24 und 26 zu bestrafende Handlung in Ausübung eines konzessionierten Berufes oder Gewerbes begangen, so kann ihm der Richter für eine Zeit von l bis 15 Jahren die Ausübung seines Berufes oder Gewerbes untersaget). Bei Verurteilung zu Freiheitsstrafe fällt die Strafzeit nicht in Berechnung.

Art. 33. Bei wissentlicher Begehung der auf Grund der Art. 22--24 zu bestrafenden-Handlungen hat die zuständige Behörde die Veröffentlichung des Strafurteils in dem amtlichen Blatte und in einer oder mehreren Zeitungen auf Kosten des Verurteilten anzuordnen ; er kann diese Veröffentlichung auch in den übrigen Fällen einer Verurteilung auf Grund der Bestimmungen dieses Gesetzes anordnen.

Ebenso kann die zuständige Behörde die Veröffentlichung eines freisprechenden Urteils auf Staatskosten anordnen.

Art. 34. Soweit dieses Gesetz keine besonderen Vorschriften enthält, finden die kantonalen Strafrechtsbestimmungen sinngemäß Anwendung.

Die strafrechtliche Verfolgung und Beurteilung der auf Grund dieses Gesetzes zu verfolgenden Handlungen ist Sache der zuständigen Behörden der Kantone.

Die ausgefällten Geldstrafen und Bußen fallen den Kantonen zu.

660 Ausfuhrungsbestimmungen.

Art. 35. Die Ausführung dieses Gesetzes, mit Ausnahme der Bestimmungen betreffend die Grenzkontrolle, ebenso die Vollziehung der Verordnungen, Réglemente, Regulative und Verfügungen, die der Bundesrat auf Grund dieses Gesetzes erläßt, liegt den Kantonen ob.

Die kantonalen Vollziehungsbestimmungen unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Die Kantonsregierungen erstatten dem Bundesrat alljährlich über die Ausführung des Gesetzes und die dabei gemachten Beobachtungen und Erfahrungen' einen eingehenden Bericht, dessen Anordnung vom Bundesrat bestimmt wird.

Art. 36. Der Bundesrat überwacht die Vollziehung des Gesetzes und trifft die hierzu erforderlichen Maßnahmen.

Art. 37. Die Bestimmungen eidgenössischer und kantonaler Gesetze und Verordnungen, welche mit diesem Gesetz im Widerspruch stehen, sind aufgehoben.

Art. 38. Der Bundesrat ist beauftragt, nach Maßgabe der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1879, betreffend Volksabstimmungen über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurfe eines Bundesgesetzes betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen. (Vom 28. Februar 1899.)

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