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Bundesr atsb eschluß über

die Beschwerde des Peter Gosch-Nehlsen, Spenglermeister in Zürich, betreffend Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit, sowie des Niederlassungsvertrages zwischen der Schweiz und Deutschland.

(Vom 3. Juli 1899.)

Der schweizerische Bundesrat hat

über die Beschwerde des Peter G o s c h - N e h l s e n , Spenglermeister in Zürich, betreffend Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit, sowie des Niederlassungsvertrages zwischen der Schweiz und Deutschland ; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt.

A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt: L

Das Reglement der Stadt Zürich für die Abgabe von Gas in Privatgrundstücke, vom 17. Februar 1894, bestimmt in Art. 3 bezüglich der Anschlüsse an die auf öffentlichem Gebiete gelegten Gasleitungen :

113 Die Herstellung der Zuleitungen bis zu den Gasmessern^ die Lieferung und das Setzen der letztern, sowie alle an Zuleitungen und Gasmessern nötig werdenden Veränderungen und Reparaturen dürfen nur durch das Gaswerk vorgenommen werden und geschehen, unter Vorbehalt der Bestimmungen von Art. 9 -- Kostenzuteilung für Erstellung und Unterhalt der Gasmesser -- auf Kosten der Konsumenten.

Diese Reglementsbestimmung war ,,einige Jahre hindurch ^ von der Verwaltung der Gaswerke der Stadt Zürich nicht gehandhabt worden, insbesondere wurde auch die Installation der sogenannten Steigleitungen einigen Privatinstallateureh ausdrücklich freigegeben.

,,Steigleitungen" sind nach der Bezeichnung des Ingenieurs der Gaswerke die vom Haupthahnen der an das öffentliche Rohrnetz angeschlossenen Hausleitung ausgehenden Leitungen, welche sich vor den Gasmessern belinden, sofern diese in den einzelnen Stockwerken, beziehungsweise Wohnungen aufgestellt sind. Letzteres ist in der Regel der Fall ; legt man ausnahmsweise den Gasmesser in den Keller, so muß für jede einzelne Wohnung für technisches Gas und für Leuchtgas je eine besondere Leitung vom Gasmesser wegbis zur Verbrauchsstelle errichtet werden ; eine solche Einrichtungvon Steigleitungen ist aber widersinnig. Im allgemeinen führt also die Steigleitung das noch nicht gemessene, der Stadt gehörende Gas zum Gasmesser.

Mit Cirkular vom 3. September 1897 teilte der Ingenieur der Gaswerke den Privatinstallateuren Zürichs, und so auch dem deutschen Reichsangehörigen P. Gosch-Nehlsen, Spenglermeister, mit, daß gemäß Verfügung des städtischen Bauvorstandes, vom 3. Juli 1897, Art. 3 des Gasreglementes wieder in seinem ganzen Umfange in Kraft trete. Beigefügt ist: ,,Das Installieren n a c h den Gasuhren bleibt Ihnen unter Beobachtung unseres Réglementes gestattet, vorn 1. Oktober a. c. an dagegen nicht mehr das Erstellen von Steigleitungen. Wir verlangen, daß Sie unsern Weisungen nachkommen werden, ansonst wir die Abgabe von Gas in die betreffenden Gebäulichkeiten verweigern werden".

II.

Die vereinigten Privatinstallateure Zürichs versuchten die Aufhebung dieser Verfügung herbeizuführen ; es gelang ihnen diesinsoweit, als der Große Stadtrat in seiner Sitzung vom 17. September 1898 beschloß: Der Stadtrat wird eingeladen, dem Großen Stadtrate eine Revisionsvorlage über Art. 3 des Réglementes für Abgabe von Gas.

in dem Sinne zu machen, daß

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1. bei der Erstellung von Gasleitungen innerhalb der Stockmauern der Gebäude bis zum Gasmesser Privatkonkurrenz zulässig ist; 2. die Privatinstallateure die nötigen Garantien zu bieten haben ; 3. die Privatinstallation den Vorschriften und der Aufsicht der städtischen Organe unterstellt sein soll; 4. die städtische Aufsicht und Kontrolle auf Kosten der Bauherren zu geschehen hat.

Der Stadtrat beauftragte hierauf den 5. Oktober 1898 den Bauvorstand, ihm über die Abänderung des genannten Réglementes Bericht und Antrag vorzulegen.

III.

Den 3. Juni 1898 wurde die Gasleitung zu den Geschäftslokalitäten und dem Verkaufsmagazin des P. Gosch-Nehlsen durch die Verwaltung der städtischen Gaswerke abgeschnitten, weil er derselben mehrere Rechnungen im Gesamtbetrage von Fr. 261. 95 für bezogene Wasserröhren und Verbindungsstücke schuldig geblieben war. Diese Verfügung stützte sich auf Art. 40 des Gasreglementes, der unter anderm bestimmt: Im Falle von Gasdefraudation, sowie bei saumseliger Zahlung steht dem Gaswerk nach vorgängiger Anzeige durch eingeschriebenen Brief das Recht des Gasentzuges ohne Entschädigungsansprüche seitens des Abnehmers zu.

Die gegen diesen Gasentzug erhobene Beschwerde des GoschNehlsen erklärte der Bezirksrat von Zürich den 3. November 1898 als begründet; der Regierungsrat des Kantons Zürich bestätigte mit Schlußnahme vom 19. Januar 1899 diesen Entscheid. Beide Instanzen fanden den angefochtenen Gasentzug als mit Art. 40 des Réglementes nicht im Einklänge stehend, da sich derselbe nur auf saumselige Zahlung der continuierlichen Gaslieferung, nicht aber auf den Verkauf von Waren aus dem Installationsgeschäft der Gaswerke beziehe. Der Entschädigungsanspruch Gosch-Nehlsens wurde auf den Civilweg verwiesen.

IV.

Trotz des Entscheides des Regierungsrates stellte die Verwaltung der Gaswerke die abgeschnittene Gasleitung des Gosch-Nehlsen nicht wieder her, sondern verlangte vorher Leistung einer Kaution für künftige Gaslieferungen. Sie berief sich dabei auf den Umstand, daß Gosch-Nehlsen schon verschiedene Male für teilweise

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geringfügige Beträge auf dem Betreibungswege hatte belangt werden müssen und stützte sich auf folgenden Art. 33 des Grasreglements: Das Gaswerk hat die Befugnis, gutscheinenden Falls als Garantie für zu konsumierendes Gas eine Hinterlage bei der Stadtkasse zu verlangen, oder für den Gasverbrauch alle acht oder vierzehn Tage Rechnung zu stellen.

Die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde GoschNehlsens wurde vom Audienzrichter des Bezirksgerichtes den 17. Februar 1899 und von der Rekurskammer des Obergerichts des Kantons Zürich den 15. April 1899 als unbegründet abgewiesen, weil das Gaswerk befugt sei, in ihm gutscheinender Weise nach Art. 33 des Gasreglements eine Sicherheitsleistung zu verlangen, und weil gegen Gosch-Nehlsen innerhalb der letzten sechs Monate zu verschiedenen Malen Konkursbegehren gestellt worden seien, derselbe es sogar wegen einer Forderung von Fr. 25 bis zu einer Konkursandrohung habe kommen lassen.

V.

In Verbindung mit der Beschwerde wegen Gasentzugs hatte Gosch-Nehlsen dem Bezirksrate von Zürich auch eine Beschwerde gegen die Verfügung des Bauvorstandes vom 3. Juli/3. September 1897 und gegen die Rechtsbeständigkeit des Art. 3 des Gasreglements, vom 17. Februar 1894, eingereicht. Zur Begründung seines Gesuches um Aufhebung der auf diesem Art. 3 beruhenden Verfügung betreffend Steigleitungen verwies er in erster Linie auf ein Rechtsgutachten des Prof. F. Meili in Sachen der vereinigten Privatinstallateure in Zürich gegen das Gaswerk der Stadt Zürich.

Prof. Meili stellt die Conclusion auf: Die Verfügung des Bauvorstandes und Art. 3 des Gasreglements enthält eine offenbare Verletzung der Gewerbefreiheit; soweit also die Privatinstallateure von der Mitthätigkeit bei der Erstellung von Gassteigleitungen ausgeschlossen werden, sind sie berechtigt, den Schutz der eidgenössischen Behörden anzurufen. Zur Begründung dieser Rechtsansicht \vird namentlich auf einen Entscheid des Regierungsrates des Kantons Schaffhausen vom 18. Mai 1898 abgestellt, durch den festgesetzt wurde, daß sämtlichen mit Gasinstallationen sich abgebenden Gewerbetreibenden die Einrichtung von Gaseinrichtungen im Innern der Privathäuser zu gestatten sei, und daß eine entgegenstehende Verfügung des Stadtrates von Schaff hausen, durch die einer Gasgesellschäft ein quasi Monopol für Installationen von Gasleitungen eingeräumt worden war, mit Art. 31 der Bundesverfassung im Widerspruch stehe.

116 Der Stadtrat von Zürich dagegen machte geltend: der angefochtene Art. 3, dessen Ausführung durch den Erlaß des Ingenieurs der Gaswerke vom 3. September 1897 im Einverständnis mit dem Bauvorstand durchgesetzt werden soll, enthält keine Verletzung der Gewerbefreiheit. Denn so gut, wie jeder Bierbrauer sein Bier in eigenen Flaschen und Fässern verkaufen darf, ebenso gut darf die Stadt Zürich als Eigentümerin der Gaswerke ihr Gas den Abonnenten in eigenen Röhren bis dahin zuleiten, wo die Abgabe an den Konsumenten erfolgt, also bis zum Gasmesser.

Von diesem weg kann der Konsument weitere Leitungen machen lassen von wem er will, denn nun handelt es sich um sein Eigentum. Dieser Gedanke liegt auch dem Beschluß des Regierungsrates, von Schaffhausen zu Grunde, der im übrigen zur Entscheidung, der hierseitigen Sache nicht herbeigezogen werden kann, da ja nicht der Anspruch erhoben wird, die Leitungen auch n a c h dem Gasmesser durch das städtische Werk ausführen zu lassen.

Den 3. November 1898 wies der Bezirksrat die Beschwerde als unbegründet ab, von der Erwägung ausgehend: Die Stadtgemeinde Zürich betreibt für sich als Privatperson die Gasfabrikation, und da sie die Unannehmlichkeiten der Reparaturen, besonders der direkten Reklamationen der Konsumenten an sich trägt, hat sie die Reglementsbestimmung aufgenommen,, dalS die Gasleitungen bis zum Gasmesser von ihr selbst und nicht von Privatinstallateuren erstellt werden sollen. Wird dieser Bestimmung nicht nachgelebt, so verabfolgt sie kein Gas. Art. 3 des Reglements stellt sich also als eine Verkaufsbedingung dermit Gas handelnden Stadt dar, und es wird gerade unter dem Gesichtspunkte der Handels- und Gewerbefreiheit kaum dem Käufer zugestanden werden können, dem Verkäufer die Verkaufsbedingungen vorzuschreiben. Daß die Stadt als Besitzerin aller Straßen,, welche für Gasleitungen beansprucht werden, in der Abgabe von Gas auf ihrem Gebiete allein Herr und Meister ist, ändert an diesem Verhältnisse nichts. Bis und solange nicht das Reglement vom 17, Februar 1894 nichtig erklärt wird, hat deshalb die Stadt das Recht, dasselbe in Anwendung zu bringen.

Der Regierungsrat des Kantons Zürich bestätigte diesen Entscheid mit Beschluß vom 19. Januar 1899 aus folgenden Gründen:.

Gegen das vom Großen Stadtrat am 17. Februar 1894 erlassene Reglement für die Abgabe von Gas in Privatgrundstücke ist die Gemeindeabstimmung nicht begehrt worden, dasselbe trat deshalb am 31. März 1894 in Kraft. Die in Art. 3 enthaltene

117 Bestimmung, daß die Herstellung der Zuleitungen bis zu den Gasmessern, die Lieferung und das Setzen der letztern, sowie alle an Zuleitungen und Gasmessern nötig werdenden Veränderungen und Reparaturen nur vom Gaswerk vorgenommen werden dürfen, findet sich schon in den Reglementen vom 16. Februar 1887, 17. März 1892 und 3. August 1893. Die Verfügung vom 3. September 1897 wurde im Hinblick auf diese Reglementsbestimmung erlassen und bezweckt nichts weiteres als die Erstellung der Steigleitungen vor den Gasmessern durch die städtischen Gaswerke. Sie kann erst mit Aufhebung der Reglementsbestimmung hinfällig werden, und dies ist es, was der Beschwerdeführer eigentlich bezweckt.

Für die Verwaltungsbehörden wäre Anlaß zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Norm geboten gewesen, wenn gegen den Erlaß derselben innert gesetzlicher Frist nach dem 31. März 1894 Beschwerde eingelegt worden wäre. Dies ist nicht geschehen. Allerdings konnte gerade der heutige Beschwerdeführer, der nicht Schweizerbürger und in der Stadt Zürich nicht stimmberechtigt ist, diesen Weg nicht betreten und steht ihm auch das Mittel der Motion zur Abänderung des Reglements nicht zu Gebote. Allein dieser Umstand bildet für die Administrativbehörden keinen Grund, eine Beschwerde zuzulassen, die nur im ordentlichen Beschwerde verfahren eingebracht werden kann. Der Regieruugsrat teilt übrigens in materieller Beziehung die Auffassung der ersten Instanz, daß in Art. 3 des Reglements keine Verletzung der Gewerbefreiheit liege; derselbe führt nur eine Bedingung auf, unter der das Gaswerk Zürich Gas zu liefern sich verpflichtet.

Wird diese Bedingung nicht erfüllt, so fällt auch für die Stadt die Pflicht der Gaslieferung dahin. Über Verletzung der Gewerbefreiheit hätte sich Gosch-Nehlsen dann zu beklagen, wenn er selber Gas fabrizieren und abgeben wollte und durch die Stadt verhindert würde,' seinen Konsumenten Gasleitungen zu erstellen.

O

VI.

Den 18. Februar 1899 reichte Gosch-Nehlsen beim~Bundesrate Beschwerde ein wegen Verletzung des Art. 31 der Bundesverfassung und des schweizerisch-deutschen Niederlassungsvertrags.

Er stellt das Rechtsbegehren: Der Bescheid des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 19. Januar 1899 sei aufzuheben, und es sei ferner auszusprechen : 1. Die Verfügung des Gaswerks der Stadt Zürich vom 3. September 1897 betreffend die Steigleitungen und Art. 3 des Bundesblatt. 51. Jahrg. Bd. IV.

9

118 Gasreglements enthalten eine Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit.

2. Das Gaswerk der Stadt Zürich ist pflichtig, die abgeschnittene Gasleitung wieder zu erstellen, o h n e Auferlegung einer Kaution.

Er führt mit Berufung auf seine Ausführungen vor den kantonalen Instanzen folgendes aus : Da der Große Stadtrat am 17. September 1898 beschlossen hat, dem Begehren der Privatinstallateure um Abänderung der angefochtenen Reglementsbestimmung gerecht zu werden, darf der Kleine Stadtrat den Beschluß nicht ignorieren, sondern hat ihn auch gegenüber dem Beschwerdeführer anzuwenden. Die Gaswerke sind sodann nicht befugt, die Stellung einer Kaution für weitere Gasliei'erungen an den Beschwerdeführer zu verlangen, da er die normalen Rechte eines aufrechtstehenden Niedergelassenen geltend machen kann : er hat alle seine Verbindlichkeiten bisher erfüllt, ist seit langer Zeit Mieter einer der Stadt Zürich gehörenden Wohnung und versteuert ein Vermögen von Fr. 6000 und ein Einkommen von Fr. 3500. Unter diesen Umständen erscheint es als ein Akt unerlaubter Willkür, ihm die Abgabe von Gas zu verweigern, gegen welche ihm der Bundesrat gemäß Bundesverfassung und Staatsvertrag Schutz zu gewähren hat.

In einem vom Beschwerdeführer eingelegten zweiten Rechtsgutachten macht Prof. Meili geltend : Der Regierungsrat des Kantons Zürich befindet sich im Irrtum, wenn er glaubt, daß das Gasreglement vom 17. Februar 1894 innert gesetzlicher Frist seit seinem Inkrafttreten hätte angefochten werden müssen, und daß deshalb die jetzige Anfechtung verwirkt sei; vielmehr kann gemäß Art. 189 und 190 des Organisationsgesetzes über die Bundesrechtspflege vom 22.-März 1893 die Verfassungsmäßigkeit desselben in jedem konkreten -Falle aufs neue zur Diskussion gestellt werden.

Dieses Reglement ist in seinem, Art. 3 verfassungswidrig, es beseitigt die garantierte Gewerbefreiheit der privaten Installateure ohne Berechtigung. Insbesondere hat Gosch-Nehlsen bishin das Recht gehabt, Gassteigleitungen zu erstellen; dieses Recht wird ihm von der Stadt Zürich nur deshalb streitig gemacht, weil sie es rationeller und fiskalisch nützlicher findet, wenn sie sich jene Thätigkeit monopolistisch zueignet. Das widerspricht dem Art. 31 der Bundesverfassung, auf den sich auch der deutsche Reichsangehörige Gösch berufen kann, der in Zürich niedergelassen ist.

Die monopolistische Auslegung des fraglichen Art. 3 ist übrigens

119 vom Großen Stadtrate abgelehnt worden, und es steht dem Kleinen Stadtrate nicht zu, sich über jenen Beschluß hinwegzusetzen. Auch wird Art. 3 gegenwärtig in einem ganz ändern Sinne ausgelegt, als in demjenigen, in welchem er gemeint und erlassen worden war. Zur Zeit des Erlasses war es gebräuchlich, die Gasmesser in den Kellerräumen der Häuser aufzustellen, erst später wurden dieselben in den einzelnen Stockwerken und Wohnungen angebracht. Gerade nach dem wirklichen Sinne des Reglements war die Konkurrenz der Privatinstallateure zugelassen : sie durften Steigleitungen erstellen. .Die Verfügung des Bauvorstandes vom 3. September 1897 stützt sich also zu Unrecht auf den Art. 3 des Gasreglements. Das Vorgehen gegen Gosch-Nehlsen enthält auch eine Verletzung des deutsch-schweizerischen Niederlassungsvertrags vorn 31. Mai 1890. Dieser Vertrag verlangt, daß den Deutschen in Zürich ein ungestörter Betrieb ihres Gewerbes auf Grund der allgemeinen Normen des Privatrechts gestattet werde. Hier aber werden in ganz ungebührlicher Weise Erschwerungen und abnorme Bedingungen gegen Gosch-Nehlsen versucht, die zürcherischen und ändern schweizerischen Angehörigen nicht gestellt werden.

VII.

In der Vernehmlassung vom 2S./27. März 1899 beantragt der Regierungsrat des Kantons Zürich Abweisung der Beschwerde ; er begleitet die zur Begründung eingelegten Antworten des Stadtrates und des Bezirksrates von Zürich mit folgenden Bemerkungen : Der Beschwerdeführer behauptet, ein zahlungsfähiger Mann zu sein, auf den Art. 33 des Gasreglementes betreffend Leistung einer Sicherheit nicht anwendbar sei. Nun ist aber die Verwaltung der Gaswerke ebenso berechtigt, sich auf die angewendete Art die Bezahlung der Gaszinse zu sichern, als sie befugt ist, sich Liegenschaftenmietzinse zum voraus bezahlen zu lassen. Art. 33 ist nicht in chikanöser Weise zur Anwendung gebracht worden ; die Thatsache wiederholter Betreibungen des Beschwerdeführers genügt, um zu zeigen, daß die Stadt ihres Gaszinses ohne Hinterlage nicht sicher ist. Die angefochtene Maßregel mag die freie Bewegung des Beschwerdeführers hemmen, aber sie ist gerade ein Ausfluß der Gewerbefreiheit, welche die Stadt Zürich als Produzentin und Verkäuferin des Gases für sich zu beanspruchen hat.

Zum Begriffe der Gewerbefreiheit gehört es nicht, daß jemand die Abgabe von Gas auch auf die Gefahr hin, den Zins schuldig zu bleiben, erlangen kann; einen solchen Anspruch garantiert ihm auch der schweizerisch-deutsche Niederlassungsvertrag nicht.

120 Vom S t a d t rat Z ü r i c h wird in der Eingabe vom 8. März 1899 insbesondere darauf hingewiesen, daß Gosch-Nehlsen nicht der einzige ist, von dem Kaution verlangt wurde; eine solche mußte auch von Kantonsbürgern und ändern Schweizern geleistet werden, wofür auf die Bücher der Gaswerke abgestellt wird. Was Art. 3 des Gasreglements betrifft, so ist vor allem in Betracht zu ziehen, daß nur das den Gasmesser verlassende Gas vom Konsumenten bezahlt wird, daß also die Leitungen v o r demselben städtisches Gas enthalten und jede fehlerhafte Anlage derselben die Stadt, nicht den Konsumenten schädigt; die Anwendung der Bestimmung ist also materiell gerechtfertigt. Formell ist sie als bloße Kaufbedingung bei der Abgabe von Gas zulässig; ein Eingriff in die Rechte des Spenglermeisters Gösch liegt dabei nicht vor, höchstens ein solcher in die Rechte der Gasabnehmer, die vorziehen würden, die Steigleitung von einem Dritten erstellen zu lassen.

Ebensogut wie die Stadt ein Reglement erlassen könnte, laut dessen sie nur in städtische oder öffentliche Gebäude das Gas liefern würde und die Gasabgabe an Private privater Konkurrenz überließe, die auch heute nicht ausgeschlossen ist, ebensogut kann sie die Abgabe von Gas an Private nur unter ihr gutscheinenden Bedingungen bewilligen ; wem diese nicht gefallen, mag auf Gasbezug seitens der Stadt verzichten, in seinen Rechten ist er dadurch jedenfalls nicht verletzt. Der Stadtrat hat nicht sofort nach dem Beschluß des Großen Stadtrates vom 17. September 1898 die Erstellung von Steigleitungen wieder freigeben können, da das Reglement immer noch in Kraft steht. Der Beschwerdeführer weiß auch sehr wohl, daß sich diese Reglementsabänderung durch Prüfung der Frage, ob nicht die Stadt die Steigleitungen künftig unentgeltlich erstellen und alles andere den Privatinstallateuren überlassen soll, womit sich letztere einverstanden erklärten, verzögert hat.

Eine Zusammenstellung des Ingenieurs der Gaswerke über das Verfahren bei den Installationsarbeiten sämtlicher größerer Gaswerke der Schweiz ergiebt, daß bei allen diesen Anstalten die Zuleitungen bis zum Gasmesser ausschließlich vom Gaswerk selbst hergestellt werden; Genf besorgt diese Installationsarbeiten allerdings nicht in Regie, sondern vergiebt sie auf seine Kosten an zwei Specialisten, so daß auch in dieser Stadt
die freie Privatkonkurrenz unterdrückt ist.

Der B e z i r k s r a t Zürich hebt in seiner Vernehmlassung vom 13. März namentlich hervor: Die städtische Gasfabrik untersteht den Bezirks- und Kantonsbehörden, weil sie einen Teil der Güter der Stadt Zürich bildet und berufen ist, der Öffentlichkeit zu dienen;

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ihrer Natur nach ist und bleibt sie aber ein Geschäft privaten Charakters und muß um so mehr als solches betrachtet werden, als sie kein Monopol besitzt, sogar nicht einmal auf dem Boden der Stadt Zürich. Dem Stadtrat Zürich, als Inhaber der Gasfabrik, muß daher das unbedingte Recht zustehen, die Bedingungen für seine Gasabgabe an Dritte selbst zu normieren, wie dies vermittelst Reglement vom 17. Februar 1894 geschehen ist, speciell muß ihm auch das Recht zustehen, von Gasabnehmern Kaution oder sogar Vorausbezahlung verlangen zu können.

vm.

Der Beschwerdeführer erwidert in seiner Replik vom 14. April 1899 im wesentlichen : Mit dem Beschlüsse des Großen Stadtrates vom 17. September 1898 wurde neues Recht geschaffen und für den Kleinen Stadtrat in absolut bindender Weise festgestellt, daß das angemaßte Monopol mit jenem Tage dahingefallen sei. Weil sie mit ihrer Auffassung durchdrangen, haben die Installateure eine Beschwerde an die Bundesbehörden nicht erheben können.

Daß eine Verständigung der Privatinstallateure mit dem Ingenieur des Gaswerks in dem von der Beschwerdebeantwortung angedeuteten Sinne stattgefunden habe, wird bestritten. Eine Verletzung des schweizerisch-deutschen Niederlassungsvertrages liegt auch darin, daß es den Schweizer Installateuren möglich war, die Aufhebung des städtischen Monopols zu verlangen, während dies dem Fremden nicht gestattet ist. Und auch mit Bezug auf Art. 33 des Gasreglements ist dieser Vertrag verletzt worden, da noch nie gegen einen Schweizerbürger dasselbe Verfahren des Gasentzuges angewendet worden ist. Konkursbegehren wurden gegen den Beschwerdeführer erst gestellt, als dessen Gläubiger erfuhren, daß ihm das Gas abgeschnitten worden sei. Als die Röhren demoliert wurden, schuldete die Stadt dem Beschwerdeführer für gelieferte Arbeiten über 300 Franken. Ferner ermächtigte derselbe das Gaswerk, das Geld für das Gas zweimal per Tag bei ihm einzukassieren. In einem Entwurfe zu einer gütlichen Vereinbarung über die Entschädigungsfrage hat zudem die Stadt auf Leistung einer Kaution verzichten wollen. In der Behauptung, die Stadt Zürich sei bezüglich des Gasvertriebs ein gewöhnlicher Kaufmann, liegt eine prinzipielle Verkennung .der Stellung, in welcher sich Gemeinden bezüglich ,,verstaatlichter" Thätigkeiten befinden; hier besteht ein T)Kontrahierungszwanga, der im normalen Privatrechte nicht zu finden ist. Darnach hat jedermann ein Recht, die

122 Gewährung von Gas zu verlangen, und unter allen Umständen ist es unstatthaft, willkürliche Bedingungen diesem Rechte entgegenzusetzen.

IX.

Der Stadtrat Zürich bestreitet in seiner Duplik vom 26. April, der sich der Bezirksrat und der Regierungsrat mit Zuschriften vom 1. und 4. Mai 1899 anschließen, daß der Große Stadtrat mit seinein Antrage auf Vorlage eines abgeänderten Reglements habe anerkennen wollen, es liege im bisherigen Art. 3 eine Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit. Ebenso unrichtig ist es, in dem betreffenden Beschlüsse schon den Vollzug der Reglementsänderung erblicken zu wollen, da derselbe nur eine Einladung zur Vorlage einer Revision enthält. Die Behauptung des Einverständnisses der Privatinstallateure mit der Gratiserstellung der Steigleitungen durch die Gaswerke stützt sich auf einen Bericht des Ingenieurs der letztern an den städtischen Bauvorstand.

Der Vollzug des Art. 3 des Reglements trifft sämtliche Installateure der Stadt, Schweizer und Ausländer, es kann in ihm also keine Verletzung des Niederlassungsvertrages liegen. Die Frage der Auslegung des Art. 33 ist ausschließlich Gerichtssache und auch durch Entscheid der Rekurskammer des zürcherischen Obergerichts endgültig erledigt. Unrichtig ist die Behauptung, gegen Gosch-Nehlsen seien erst Konkursbegehren gestellt worden, als seine Gläubiger erfuhren, das Gas sei ihm abgeschnitten worden : er war schon vorher oftmals am Rechtstriebe, wie sich aus den Berichten des Betreibungsamts Zürich I und der Bezirksgerichtskanzlei ergeben wird. Die ins Recht gelegten Anzeigen des Ingenieuis der Gaswerke zeigen, daß der Entzug von Gas ohne Rücksicht auf die Heimatangehörigkeit der Abnehmer vorkommt, ebenso das Begehren einer Kaution. Die Röhren mußten beim Beschwerdeführer abgeschnitten werden, weil er den Angestellten der Gasfabrik den Zutritt zum Haupthahn der Gasleitung verwehrt hatte ; die diesbezüglich erhobene Schadensersatzklage ist eine rein civilrechtliche und hat mit dem Niederlassungsvertrag gar nichts zu thun. Ob Gosch-Nehlsen zur Zeit, als ihm der Gasentzug angedroht wurde, eine Forderung an das Hochbauamt hatte, konnte dem Ingenieur der Gaswerke nicht bekannt sein, da jede städtische Dienstabteihmg eigene Rechnungsführung hat. Er ist denn auch längst bezahlt worden.

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X.

Eine Ergänzungsanfrage des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements beantwortete die Justizdirektion des Kantons Zürich den 6. Juni 1899, unter Einlage des bezüglichen Entwurfes, dahin, daß der städtische Bauvorstand in Ausführung des Auftrages vom 5. Oktober 1898 einen gedruckten Antrag über die Revision des Reglements für die Abgabe von Gas in Privatgrundstücke eingereicht habe. Aus demselben ist ersichtlich, daß künftighin die Erstellung, Reparatur und Umänderung aller auf den Gasmesser folgenden Einrichtungen der freien Privatkonkurrenz -- einschließlich der Gaswerke selbst als Installierungsgeschäft -- überlassen werden soll, während die Einrichtung bis innerhalb der Stockmauern der Gebäude ausschließlich durch die Gaswerke, und von den Stockmauern bis zum Gasmesser durch die Gaswerke oder solche Privatinstallateure, welche 1000 Fr. Kaution leisten, ausgeführt wird. Der städtische Bauvorstand bemerkt ausdrücklich, es stehe nichts entgegen, daß auch der Beschwerdeführer GoschNehlsen nach Leistung der Kaution sich das Recht auf Ausführung dieser Arbeiten erwerben könne. Des ferneren wird davon abgesehen, ein Reglement über die Konzessionierung von Privatinstallateuren, wie ursprünglich beabsichtigt, aufzustellen; jeder, der Fr. 1000 Kaution leistet, kann mit Ausführung von Zuleitungen ab Stockmauer bis Gasmesser betraut werden; von da weg ist die Konkurrenz ganz uneingeschränkt, soweit nicht die Vorschriften über Dimensionierung der Röhren, Art des Materials, technische Anlage u. s. w. in Betracht kommen.

B.

In rechtlicher Hinsicht fällt in Betracht:

I.

Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die Bestimmung des Art. 3 des Reglements der Stadt Zürich für die Abgabe von Gas an Privatgrundstücke, vom 17. Februar 1894, wonach die Herstellung der Zuleitungen bis zu den Gasmessern, die Lieferung und das Setzen der letzteren, sowie alle an Zuleitungen und Gasmessern nötig werdenden Veränderungen und Reparaturen den städtischen Gaswerken vorbehalten sind,

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sodann gegen die auf dieser Bestimmung beruhende Verfügung des Bauvorstandes der Stadt Zürich vom 3. Juli und gegen das Cirkular des Ingenieurs der Gaswerke vom 3. September 1897; endlieh gegen die Anwendung des Art. 33 des genannten Réglementes, indem gestützt auf diesen Artikel dio Verwaltung der Gaswerke die Wiederherstellung der abgeschnittenen Gasleitung zu den Geschäftslokalitäten und dem Verkaufsmagazine des Beschwerdeführers Gosch-Nehlsen nur gegen Erlegung einer Kaution vornehmen will.

In diesem Thatbestande erblickt der Beschwerdeführer eine Verletzung der ' in Art. 31 der Bundesverfassung garantierten Handels- und Gewerbefreiheit, sowie eine Verletzung des Niederlassungsvertrages zwischen der Schweiz und Deutschland, vom 31. Mai 1890, der den in der Schweiz niedergelassenen deutschen Reichsangehörigen die Ausübung jeder Art von Handel und Gewerbe in gleicher Weise gewährleistet, wie den Angehörigen der verschiedenen Kantone.

II.

Was die Verfassungsmäßigkeit des Art. 3 des Gasreglements vom 17. Februar 1894 betrifft, so machen die kantonalen Instanzen der Beschwerde Gosch-Nehlsens gegenüber die Verspätungseinrede geltend: da das Reglement innert gesetzlicher Frist seit seinem Inkrafttreten nicht angefochten worden sei, müsse die erst jetzt erfolgte Anfechtung als verwirkt erklärt werden. Diese Auffassung ist im Hinblick auf die staatsrechtliche Beschwerde des Art. 175 ff.

des Organisationsgesetzes der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893, die Gosch-Nehlsen beim Bundesrat anhängig gemacht hat, nicht haltbar; Bundesrat und Bundesgericht halten in konstanter Praxis daran fest, daß die Frage der Verfassungsmäßigkeit einer kantonalen Vorschrift nicht nur im Zeitpunkt des Erlasses derselben, sondern auch später bei deren Anwendung aufgeworfen werden kann. Da die angefochtene kantonale Entscheidung am 19. Januar 1899 gefällt, die Beschwerde aber beim Bundesrat am 18. Februar eingereicht worden ist, hat der Beschwerdeführer seine Beschwerdebefugnis weder verwirkt, noch ist seine Beschwerde verspätet. (Vgl. Bundesbl. 1897, IV, S. 390, Erw. l ; 1895, I, S. 224, Erw. 1; Salis, Bundesrecht, H, Nr. 544.)

HI.

Art. 3 des Gasreglementes vom 17. Februar 1894 kann nicht als bundesrechtsjvidrig erklärt werden. Vorerst nicht, soweit die Gaswerke der Stadt Zürich, wie übrigens alle derartigen Institute

125 der größern Städte in der Schweiz, im Interesse der öffentlichen Sicherheit es für nötig erachtet haben, den Anschluß an die in öffentlichem Grund und Boden ruhenden Hauptleitungen bis zu den Gasmessern in den Häusern in möglichst solider und gut kontrollierbarer Art und Weise s e l b s t auszuführen und damit auch die Verantwortlichkeit gegenüber Dritten zu übernehmen. Denn der Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit ist durch die Bundesbehörden von jeher nur mit der Einschränkung anerkannt worden, daß die Ausübung der .kommerziellen oder industriellen Thätigkeit weder im allgemeinen noch im einzelnen die Sicherheit des Lebens oder Eigentums oder die Gesundheit Anderer ernstlich gefährde (vergi. Salis, Bundesrecht, II, Nr. 554--558, 560; Bundesbl.

1895, II, S. 148). Welche Gefahren in dieser Richtung aber aus mangelhafter Anlage von Gasleitungen und Gasmessern erwachsen können, darf als bekannt vorausgesetzt werden. Aber auch soweit die angefochtene Reglementsbestimmung von den Beschwerdebeklagten bloß aus privatrechtlichen Gründen aufgestellt wurde, erscheint ein Einschreiten der Bundesbehörden nicht als gerechtfertigt. Die durch Art. 31 der Bundesverfassung gewährleistete Gewerbefreiheit berechtigt Niemanden, von einem Dritten die käufliche Abgabe seines Produktes ohne weiteres zu verlangen; dem Produzenten oder Verkäufer steht es vielmehr frei, den Abschluß eines Werk-, Lieferungs- oder Kaufvertrages an die ihm gutscheinenden Bedingungen zu knüpfen, auch wenn dadurch die wirtschaftliche Bewegungsfähigkeit des Abnehmers mehr oder weniger eingeschränkt wird (vergi, den Entscheid des Bundesrates über die Beschwerde A. Kunkler, vom 19. Juli 1881, Bundesbl. 1882, H, S. 756; Salis, II, Nr. 536; vergi, auch daselbst Nr. 537«).

Die vom Beschwerdeführer hervorgehobene Thatsache, daß die Stadt Zürich die Verwaltung der Gaswerke in ihren Geschäftskreis gezogen und dem Institute gewisse Rechte, wie dasjenige der Expropriation, verliehen habe, ist bei Entscheidung der vorliegenden Beschwerde deshalb nicht von Bedeutung, weil ein Zwang der Bürger zum Bezug von Gas überhaupt oder gerade desjenigen der städtischen Gaswerke nicht besteht; letzteres nimmt vielmehr gegenüber seinen Abnehmern keine andere Stellung ein als die eines Privatunternehmers, der die Lieferung von Leucht-, Koch- oder Industriegas
unter gewissen Bedingungen, die in keiner Weise als chikanös bezeichnet werden können, zusichert.

IV.

Auch die A n w e n d u n g dieser nicht bundesrechtswidrigen Reglementsbestimmung im Falle des deutschen Reichsangehörigen

126

Gosch-Nehlsen kann weder aus dem Gesichtspunkte der Gewerbefreiheit und Rechtsgleichheit, noch aus demjenigen der im deutschschweizerischen Niederlassungsvertrage den Deutschen gewährleisteten Rechtsstellung ajs unzulässig erklärt werden ; denn : Die Verfügung des Bauvorstandes der Stadt Zürich, vom 3. Juli, und das in Ausführung derselben erlassene Cirkular des Ingenieurs der Gaswerke, vom 3. September 1897, sind keine ·willkürlichen, einer objektiven Begründung entbehrenden Verwaltungshandlungen, sondern innert der Kompetenz der genannten Organe den Verhältnissen angepaßte Maßregeln; ob die Interpretation des Réglementes eine juristisch zutreffende sei oder nicht, haben die Bundesbehörden nicht zu entscheiden.

Eine Verletzung der Rechtsgleichheit gegenüber Gosch-Nehlsen liegt nicht vor, da allgemein a l l e n Installateuren davon Kenntnis gegeben wurde, daß vom i. Oktober 1897 an nur noch denjenigen Abnehmern Gas zugesichert werden könne, die sich der notwendig erscheinenden Verfügung betreffend Erstellen der Steigleitungen fügen.

Damit ist auch schon die Berufung des Beschwerdeführers auf den schweizerisch-deutschen Staatsvertrag als unzutreffend zurückgewiesen ; derselbe gewährleistet dem Deutschen keine bessern Rechte, als sie die im Kanton Zürich eingebürgerten oder ansäßigen Schweizer verlangen können. Daß den letztern die Beschwerdeführung auf dem Wege der Einreichung einer Motion und dergleichen offen steht, nicht aber dem Deutschen GoschNehlsen, ist eine Folge der verschiedenen staatsbürgerlichen Stellung der Schweizer und der Ausländer, welch letztern durch den Staatsvertrag selbstredend keine specifisch-politischen Rechte zugesichert werden wollten. Überdies hat der Bauvorstand der Stadt Zürich noch ausdrücklich die Erklärung abgegeben, es stehe nichts entgegen, daß der Beschwerdeführer die Konzession im Sinne des revidierten Réglementes wie jeder Andere erhalte, sofern er die Kaution von Fr. 10UO leiste ; die von den Schweizer-Installateuren unternommenen Schritte kommen also auch unbeschränkt dem Nichtschweizer zu gute.

V.

Die Anwendung des Art. 33 des Gasreglements ist ebenfalls weder eine verfassungswidrige, noch eine dem mehrerwähnten Staatsvertrage entgegenlaufende. Daß das Gaswerk allen Abnehmern, an deren Solvabilität es zweifelt,'die Aufforderung zur Leistung einer angemessenen Kaution für seine Gaslieferungen zustellt und im Falle

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der Nichtbefriedigung das Gas absperrt, geht aus den eingelegten Aktenstücken hervor. Die Unterbrechung der Grasleitung im Falle Gosch-Nehlsen war allerdings eine unberechtigte, wie die kantonalen Instanzen bereits entschieden haben; die Frage des civilrechtlichen Schadenersatzes wird durch die zuständigen Gerichte erledigt. Dagegen ist durch Urteil der Rekurskammer des zürcherischen Obergerichtes in rechtsverbindlicher Weise festgestellt, daß die Auferlegung der KautionsVerpflichtung für erneute Lieferung von Gas eine reglementsgemäß zulässige und den Verhältnissen angepaßte war. Von einer Verletzung der Rechtsgleichheit oder des deutsch-schweizerischen Niederlassungsvertrages kann demnach auch hier keine Rede sein, da auch in dieser Richtung Schweizer und Ausländer durchaus gleich behandelt werden.

Demnach wird erkannt: Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Bern, den 3. Juli 1899.

Im Namen .des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Eingier.

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Bundesratsbeschluß über die Beschwerde des Peter Gosch-Nehlsen, Spenglermeister in Zürich, betreffend Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit, sowie des Niederlassungsvertrages zwischen der Schweiz und Deutschland. (Vom 3. Juli 1899.)

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Bundesblatt

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Jahr

1899

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27

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

05.07.1899

Date Data Seite

112-127

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10 018 832

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