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Bundesratsbeschluß über

den Rekurs der Erben des Emil Tobler-Finsler, gewesenen Banquiers, in Zürich, gegen einen Entscheid der Direktion des Innern des Kantons Zürich, die Löschung der Firma ,,Tobler-Finsler" im Handelsregister betreffend.

(Vom 8. Juni l899.)

D e r s c h w e i z e r i s c h e B u n d es r a t hat über den Rekurs der Erben des Emil T o b l e r - F i n s l e r , gewesenen Banquiers, in Zürich, gegen einen Entscheid der Direktion des Innern des Kantons Zürich, die Löschung der Firma ,,ToblerFinsler" im Handelsregister betreffend auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

1. Emil Tobler-Finsler in Zürich 1892 als Inhaber eines Bankgeschäftes ,,Tobler-Finaler" in das Handelsregister teilte er für diese Firma Prokura an

ließ sich am 22. Dezember in Zürich unter der Firma eintragen. Gleichzeitig erMartin Müller in Hottingen

1026 (Schweiz. Handelsamtsblatt. Nr. 271 , vom 26. Dezember 1892, S. 1099). In der Folge erteilte der Firmainhaber eine weitere Prokura an seinen Sohn, Professor Dr. Adolf Tobler, die er am 3. Juli 1897 zum Handelsregister anmeldete (Schweiz. Handelsamtsblatt Nr. 179, vom 7. Juli 1897, S. 736). Diese Prokuren sind seither nicht widerrufen worden.

2. Am 10. Mai 1898 starb Emil Tobler-Finsler. Die Erben gaben seinen Geschäftsfreunden hiervon Kenntnis und zeigten ihnen mit Cirkular vom 15. Mai 1898 an, daß das Bankgeschäft in Liquidation trete, die von den bisherigen Prokuristen besorgt werde.

H.

1. Das Handelsregister-Bureau Zürich forderte seither unter Bezugnahme auf die bundesgesetziichen Bestimmungen über das Obligationenrecht und Art. 25, Abs. l, der bundesrätlichen Verordnung über Handelsregister und Handelsamtsblatt, vom .6. Mai 1890, die Erben des verstorbenen Geschäftsinhabers wiederholt auf, die Firma ,,Tobler-Finsler" löschen zu lassen. Da es die Weigerung derselben für unbegründet erachtete, beharrte es auf seinem Verlangen und setzte ihnen zur Anmeldung der Löschung eine Notfrist.

2. Gegen diese Verfügung rekurrierlen die Betroffenen an die Direktion des Innern des Kantons Zürich. Diese Behörde wies den Rekurs durch Entscheid vom 25. Februar 1899 als unbegründet ab und setzte den Rekurrenten unter Androhung einer Ordnungsbuße im Nichtbeachtungsfalle eine Frist von fünf Tagen, um die Löschung der Firma ,,Tobler-Finsler" zum Handelsregister anzumelden. Sie stützte sich dabei auf folgende Erwägungen: a. Nach Art. 866, Abs. l, O.-R., liegt den Erben eines verstorbenen Geschäftsinhabers ob, dessen Firma im Handelsregister löschen zu lassen. Für den Fall, daß Erben dieser gesetzlichen Pflicht nicht nachkommen, sind die Löschungen von Amtes wegen aufgestellt, diese geschehen gemäß Art. 28, Zi-ff. 2, der Verordnung über das Handelsregister, wenn seit dem Zeitpunkt des Todes ein Jahr verflossen ist, ohne daß die Rechtsnachfolger des Firmainhabers die Löschung nachgesucht haben oder vom Registerführer dazu angehalten werden konnten.

b. Gemäß Kreisschreiben dos Bundesrates vom 11. Juli 1890 soll der Registerführer nicht unthätig zuwarten und erst dann einschreiten, wenn der Grund zur Löschung von Amtes wegen bereits vorliegt. Vielmehr hat er dafür zu sorgen, daß der Fall der amt-

1027 lichen Streichung im Sinne des Art. 28, Ziff. 2, der Verordnung nur äußerst selten vorkomme.

· .

m.

Gegen diesen Entscheid rekurrierten die Erben des Emil Tobler-Finaler am 4. März 1899 an den Bundesrat. Sie stellen das Begehren, derselbe sei aufzuheben, und es sei ihnen zu gestatten, die Löschung der Firma erst nach beendigter gänzlicher Liquidation, eventuell jedenfalls erst nach dem 10. Mai 1899 vorzunehmen.

Sie machen geltend : 1. Von Amtes wegen kann die Firma Tobler-Finsler nicht gestrichen werden, da die Voraussetzungen des Art. 28, Ziff. 2, der Vorordnung über -das Handelsregister noch nicht eingetreten sind. Weder hat der Geschäftsbetrieb der Firma aufgehört, noch ist seit dem Tode des Geschäftsinhabers ein Jahr verstrichen.

2. Solange aber liquidiert wird, ist es geradezu nötig, daß die Firma noch eingetragen bleibt.

3. Da die Rekurrenten die Firma mit dem Zusatz ,,in Liquidation a zeichnen, kann für niemand eine Schädigung aus der beibehaltenen Eintragung im Handelsregister entstehen. Die Liquidation wird einige Zeit io Anspruch nehmen, da langsichtige Bankaccepte vorhanden sind, ferner Oblighi, die erst im Juni und Juli fällig werden.

Vor Fälligkeit und Einkassierung derselben ist aber die Liquidation nicht beendigt.

Es sollte von der Handelsregisterbehörde nur begrüßt werden, daß die Liquidatoren sich durch Belassung der Firma im Handelsregister bis zu Ende der Liquidation der Wechselstrenge und dem gewichtigeren Betreibungsverfahren auf Konkurs unterziehen wollen.

Für diejenigen, die noch mit der Firma Geschäfte abzuwickeln haben, ist es jedenfalls weitaus angenehmer, die Firma bleibe bis nach Abwickelung derselben im Handelsregister eingetragen.

4. Dagegen würde auf der anderò Seite durch die jetzige Löschung der Firma leicht Schaden entstehen können, indem bei der Eintreibung von Forderungen nach der Löschung die Rechtsnachfolger jeweilen zuerst ihre Legifimatioa zu den einzelnen Forderungstiteln nachweisen müßten.. Das ist bekanntlich besonders bei der Geltendmachung von Wechselforderungen oft von unangenehmen Schwierigkeiten begleitet, insbesondere im Ausland, während der Firmainhaber, dessen Firma auf dem Wechsel figuriert, dabei ohne Hindernisse vorgehen kann, 5. Der angefochtene Entscheid geht lediglich darauf aus, das formelle Recht der ß.egisterbehörde darzuthun, die Frage der

1028 Löschung schon jetzt zu einem Entscheid zu bringen; über die materielle Frage, ob unter den vorliegenden Umständen die Löschung zweckmäßig sei, oder ob nicht mit Recht noch mit derselben zugewartet werden dürfe, spricht sich der Entscheid nicht aus.

Das von der Direktion des Innern des Kantons Zürich angerufene Kreisschreiben des Bundesrates sagt übrigens keineswegs, daß bei jedem Todesfall unbedingt zu löschen sei, ohne Rücksicht auf die besonderen Umstände. Daß aber solche Rücksichten zu tragen sind, geht aus Art. 25 der Verordnung hervor, wonach derjenige, der sich weigert, die betreffende Änderung anzumelden, seine Gründe anzugeben gehalten ist. Damit ist zugestanden, daß eine begründete Weigerung zulässig ist.

IV.

Die Direktion des Innern des Kantons Zürich begnügte sich mit Schreiben vom 18. März, die Akten dem ßundesrat zur Verfügung zu halten, beifügend, sie stelle den Entscheid über die Beschwerde in das Ermessen der eidgenössischen Rekursinstanz.

B.

In rechtlicher Hinsicht fällt in Betracht:

I.

1. Nach Art. 866 O.-R. Hegt dem bisherigen Inhaber einer Firma, oder, wenn er verstorben ist, seinen Erben ob, die im Handelsregister eingetragene Firma löschen zu lassen, w e n n d a s Geschäft, für welches die Firma eingetragen ist, aufhört.

Um das Handelsregister von thatsächlich erloschenen Firmen reinigen zu können, hat der Bundesrat in Ausübung der ihm durch Art. 864, Abs. 2, und Art. 865, Abs. 4, am Ende, O.-R. (Novelle vom 11. Dezember 1888) eingeräumten Befugnis in Art. 28, Ziffer 2, der Verordnung vom 6. Mai 1890 bestimmt: Die Löschung eingetragener Firmen geschieht von Amtes wegen w e n n der G e s c h ä f t s b e t r i e b einer E i n z e l f i r m a infolge Wegzuges oder Todes des Inhabers a u f g e h ö r t hat.

2. Gesetz und Verordnung setzen also das Aufhören des Geschäftsbetriebes bei der Löschung der eingetragenen Firma voraus.

Nun ist es immerhin klar, daß das Geschäft eines Verstorbenen keineswegs ohne weiteres auf seinen Namen kann fortgeführt

1029 werden. Vielmehr muß die eingetretene Veränderung zum Register angemeldet werden (Art. 861 O.-R.), und ein allfälliger Übernehmer des Geschäftes hat eine den Vorschriften des Gesetzes entsprechende Firma zu wählen.

Daß aber die Löschung der Firma im Falle des Aufhörens des Geschäftsbetriebes oder die Änderung der Firma im Falle der Übernahme des Geschäftsbetriebes sofort mit dem Tode des bisherigen Firmainhabers zu erfolgen habe, ist im Gesetz nicht vorgeschrieben und wäre auch ^tatsächlich gar nicht durchführbar, denn der Geschäftsbetrieb hört in der Regel nicht sofort mit dem Tode des Inhabers auf, und ebensowenig erfolgt die Übernahme des Geschäftsbetriebes sofort mit dem Tode des bisherigen Inhabers.

n.

1. So lange das rechtliche Schicksal über den Nachlaß eines verstorbenen Firmainhabers nicht feststeht, solange namentlich eine Erbmasse vorhanden ist, ist eine Änderung der im Handelsregister eingetragenen Firma auch rechtlich unmöglich. Hatte der verstorbene Firmainhaber einen oder mehrere Prokuraträger, so wird, im Hinblick auf Art. 428, Abs. 2, O.-R. für die Firma in der Regel eine genügende Vertretung nach außen vorhanden sein. Erst wenn die Erben oder ein dritter das Geschäft des verstorbenen Firmainhabers übernommen haben und weiter führen, so ist gesetzlicher Vorschrift entsprechend der Firmaeintrag im Handelsregister zu ändern, vgl. O.-R., Art. 866, Abs. 2.

2. Wenn nun aber die Erben das Geschäft nicht weiterführen, sondern sei es persönlich, sei es durch den oder die bisherigen Prokuraträger liquidieren, so ist es, wie die Rekurrenten mit Recht hervorhoben, im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten, daß bis zur Abwicklung der pendenten Geschäfte die bisherige Firma beibehalten wird. Und da eine gesetzliche Vorschrift dieser Weiterführung nicht entgegensteht, muß es Sache der Registerbehörden sein, unter Berücksichtigung aller Verhältnisse den Erben eine angemessene Frist für diese Abwicklung zu setzen, nach deren Ablauf entweder die Änderung oder die Löschung der bisherigen Firma zu erfolgen hat. Eine sofortige Änderung der bisherigen Firma erscheint unzutreffend, denn die Erben sind ja nicht Übernehmer der Firma, im Gegenteil, sie führen nur die laufenden Geschäfte zu Ende. Und wenn auch der Firmazusatz ,,in Liquidation11 nicht geradezu als ungesetzlich bezeichnet werden müßte, so wäre derselbe doch nicht zutreffend; denn eine Liquidation irn Rechtssinne liegt bei der Abwicklung der Geschäfte einer Einzelfirma im Gegensatz zu derjenigen der Gesellschaftsverhältnisse nicht

1030 vor; die Aufnahme eines solchen Firmazusatzes könnte übrigens mangels gesetzlicher Grundlage nicht verlangt werden.

in.

Auf Grundlage des Gesagten ergiebt sich, daß die Erben Tobler-Finsler bis zur vollständigen Abwicklung der im Zeitpunkte des Todes des Firmainhabers pendenten Geschäfte die Firma Tobler-Finsler nicht zur Löschung im Handelsregister anzumelden verpflichtet sind. Der Registerbehörde des Kantons Zürich bleibt aber vorbehalten, ihnen eine den Verhältnissen angemessene Frist zu setzen, nach deren Ablauf die Rekurrenten zur Änderung der Firma Tobler-Finsler verpflichtet sind.

Demnach wird erkannt: Der Rekurs wird im Sinne der Erwägungen für begründet erklärt; der Entscheid der Direktion des Innern des Kantons Zürich vom 25. Februar 1899 wird daher aufgehoben.

B e r n , den 8. Juni 1899. .

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Biiigier.

-S=-«X5--

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Bundesratsbeschluß über den Rekurs der Erben des Emil Tobler-Finsler, gewesenen Banquiers, in Zürich, gegen einen Entscheid der Direktion des Innern des Kantons Zürich, die Löschung der Firma ,,Tobler-Finsler" im Handelsregister betreffend. (Vom 8. Ju...

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1899

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24

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14.06.1899

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1025-1030

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