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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, bezüglich der erforderlichen baulichen Anlagen zur Unterbringung des Materials der Balloncompagnie.

(Vom 31. Mai 1899.)

Tit.

Durch Bundesgesetze vom 14. Dezember 1897 und 1. Juli 1898 wurde eine Balloncompagnie aufgestellt und sind Kredite, -- für die Beschaffung von Material, welches für die erste Ausbildung der Truppe und zur Bewegungsfähigkeit des Parkes der Balloncompagnie notwendig ist, bewilligt worden.

Zur Durchführung des Gesetzes verbleiben noch die Bauten zu erstellen, in welchen das Material und die Fuhrwerke unterzubringen und ein Teil der Übungen während der Schulen und Kurse vorzunehmen sind.

Seit Erlaß unserer Botschaft vom 24. Mai 1897, worin diese Bauten aufgezählt und motiviert wurden, haben sich die Verhältnisse indessen so geändert, daß wir Ihnen heute eine abgeänderte oder vielmehr ergänzte Begründung unterbreiten müssen.

Wir haben bestimmt, daß die ,,baulichen Anlagen für die Balloncompagnie" in Bern, in der nordöstlichen Ecke des Exercierfeldes im Wankdorf zu erstellen seien, und zwar an der Stelle wo der Schermenweg in die Papiermühlestraße einmündet.

Laut dem, mit der Einwohnergemeinde der Stadt Bern unter Datum vom 25. Januar und 1. Februar 1899 abgeschlossenen Vertrage, wurde von der Gemeinde der Eidgenossenschaft ein

194 Stück Terrain von cirka 5600 m 2 für solange zur Verfügung gestellt als dasselbe für die Installation der durch Bundesgesetz errichteten Balloncompagnie benützt wird.

Es ist daher für die Terrainerwerbung kein besonderer Kreditposten vorzusehen.

Ebenso übernimmt die Einwohnergemeinde die Kosten der Wasserzuleitung zu den zu erstellenden Bauten.

In betreif der Ablaufverhältnisse wird ein Anschluß unserer Bauten an die Kloake, welche für die in der Nähe zu erstellende neue Schlachthofanlage zwischen der Thuner- und Oltener Eisenbahnlinie projektiert ist, in Aussicht genommen. Inzwischen darf das Abwasser in Hinsicht auf den kieshaltigen Boden mittelst Senklöcher aufgenommen werden.

Die baulichen Anlagen, die man benötigt sind folgende : a. ein Ballon-Schuppen, b. zwei angebaute Material-Schuppen, c. ein Säure-Schuppen, d. ein Maschinenhaus, e. ein Wachtlokal, f. Aborte, g. Einfriedigungen, h. Umgebungs-, Kanalisations- und Wegarbeiten.

Ada. B a l l o n - S c h u p p e n .

Wie schon früher gesagt wurde, besteht in den Schulen und Kursen ein sehr wichtiger Teil des Unterrichtes einer Luftschiffertruppe nicht nur im Üben des Füllens der Ballons mit Gas, sondern auch im Verwenden der gefüllten Ballons für die Beobachtungen und im Vornehmen von Marschübungen mit den gefüllten Ballons. Für diese Übungen, welche oft wiederholt werden müssen, kann man, wenn größere Ausgaben vermieden werden sollen, die Ballons nicht jeden Tag füllen, da die Füllung eines Ballons von 600 m 8 Fr. 400 bis 500 kostet, Die Ballons müssen daher während mehreren Tagen an denen Übungen stattfinden, gefüllt bleiben. -- Während dieser Zeit können dieselben jedoch nicht wohl im Freien belassen werden, da sie durch Witterxingseinflüsse zu stark leiden würden.

Zur Schonung des Materials muß ein Schuppen erstellt werden, in welchem die gefüllten Ballons untergebracht werden können.

Nach der Botschaft vom 24. Mai 1897 sollte nur ein Ballon mit einer Reservehülle und einem Reservenetz beschafft werden

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und zwar hatte man damals für beide den Kugelballon im Auge.

Es war daher für dessen Remisierung nur ein kleiner Schuppen von 12,50 m. Länge, 16 m. Breite und 16 m. Höhe mit cirka 930 m 2 Dach- und Wandflächen vorgesehen. Für das Gerippe war Eisenkonstruktion vorgesehen, das Dach sollte mit Wellblech eingedeckt und die Wände mit Holz eingeschalt werden.

Inzwischen sind die Studien mit dem Drachenballon in Deutschland zum Abschluß gekommen, dabei zeigte es sich, daß für Fesselballon die Drachenform die geeignetere ist, daß aber für die freien Aufstiege und zum Einüben der Truppe der sphärische Ballon nicht entbehrt werden kann.

Somit sahen wir uns genötigt, anstatt eines sphärischen Ballons mit einer Reservehülle und einem Reservenetz, einen Drachenballon und einen sphärischen Ballon anzukaufen.

Um aber beide Ballons, von welchen der eine 28 m. lang ist und der andere 10 rn. im Durchmesser hat, im Schuppen unterbringen zu können, muß der Ballonschuppen viel größer, als früher angenommen wurde, erstellt werden; derselbe erhält eine Länge von 42 m. bei 17 m. Breite und 16,5 m. Höhe und weist cirka 2650 m 2 Dach- und Wandflächen auf, das ist cirka das dreifache der Oberfläche des zuerst projektierten Schuppens. Es werden dadurch die früher ausgerechneten Kosten entsprechend erhöht.

Das Gerippe ist wieder eine Eisenkonstruktion und das Dach erhält auch wieder eine Wellblecheindeckung, aber auch für die Wände wird eine Wellblechverkleidung statt der früheren Holzverschalung vorgesehen, so daß weniger Reparaturen notwendig werden durften. '' Der Schuppen erhält einen Beton- und Cementboden.

Ad b. M a t e r i a l s c h u p p e n . Der Ballonsclmppen erhält außen an seiner südlichen Längsseite einen ersten 30 m. langen, nach vornen zum Teil offenen 5 m. breiten Anbau, durch Anhängen eines mit dem Eisengerippe des Ballonschuppens verbundenen und auf eisernen Säulen ruhenden Wellblechdaches.

Eine der fünf cirka 6 m. langen Unterabteilungen dieses Schuppens wird als einfaches Bureau eingerichtet, eine Abteilung dient zur Aufbewahrung des Petrols für den Motor, der Schmiermaterialien, sowie der bei der Gasiabrikution notwendigen Chemikalien ; in den drei übrigen Abteilungen werden die Fuhrwerke und das Material der Balloncompagnie rernisiert.

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Ein z w e i t e r M a t e r i a l s c h u p p en wird an der westlichen Stirnseite des Ballonschuppens in leichter Ziegelbauart mit Holzcementdach erstellt. Derselbe wird cirka 17 m. lang und 4,s m.

tief und ist hauptsächlich zur Aufnahme der für den Dampfkessel und für die Dampfwinde notwendigen Kohlen, sowie der für die Gasbereitung benötigten Eisenvorräte bestimmt.

Ad c. S ä u r e s c h u p p e n . Für die Gaserzeugung braucht es eine sehr große Menge von Schwefelsäure. Zur Unterbringung derselben ist ein besonderer, cirka 25 m. langer und 3 m. breiter einfacher Schuppen aus Holz mit Ziegeldach in der nordöstlichen Ecke des Ballonplatzes vorgesehen. Dieses isolierte Emplacement muß gewählt werden wegen des schädlichen Einflusses, welchen die im Säuredepot entstehenden Gase auf die Eisenkonstruktion des Ballonschuppens, sowie auf Material und Leute haben und endlich wegen der Feuersgefahr.

Ad d. M a s c h i n e n h a u s . Dasselbe soll in drei getrennten Abteilungen enthalten : 1. den Generator oder Wasserstofferzeuger, 2. die Motoren und die Kompressionspumpen, 3. den Gasometer.

Als Maschinenhaus ist ein südlich des Ballonschuppens an denselben angebautes einstöckiges °Backsteingebäude in Aussicht genommen, welches cirka 13 auf 12 m. Grundfläche erhält.

Ad e. W a c h t l o k a l . Als solches wird eine kleine, freistehende Backsteinbaute von etwa 40 m 2 Grundfläche zwischen dem Maschinenhaus und der Papiermühlestraße erstellt.

Ad f. A b o r t e . Die nötigen Aborte und Pissoirs werden in Verbindung mit den Material- und Säureschuppen erstellt.

Ad g. E i n f r i e d i g u n g e n . Einfriedigungen sind notwendig, sowohl um den Zugang zu den leichten und zum Teil offenen Bauten, in welchen das Material untergebracht ist, zu erschweren, als auch um den Platz vor dem Ballonschuppen während den Übungen absperren zu können. Es ist ein eisernes Gitter auf Betonsockel vorgesehen, ähnlich denjenigen, welche um das in der Nähe befindliche eidgenössische Montierungsgebäude und um die Armeeverpflegungsmagazine bei der Station Ostermundingen erstellt wurden.

Diese Einfriedigungen werden drei größere Schiebthore und zwei kleinere Eingangsthüren erhalten.

197 Ad h. U m g e b u n g s- und W e g a r b e i t e n , D i v e r s e s .

Hierher gehören die Ableitung des bei der Gasfabrikation in größeren Quantitäten verbrauchten Wassers, sowie des Regenwassers und des Inhaltes der Abortgruben nach den Senkschachten ; Bekiesung des Vorplatzes der Gebäude, Erstellung von Fahrwegen von der Papiermühlestraße nach den Eingängen des Ballonplatzes und im Innern desselben, Verbindung des Maschinenhauses mit den Kohlen- und Eisendepots durch Decauvillegeleise u. a. m.

Die Kosten aller dieser Bauten würden cirka Fr. 175,000 betragen. Diese Bausumme beruht zum Teil auf fixen Offerten für die Eisenkonstruktion des Ballonschuppens, ferner auf Erfahrungen, welche tür analoge Bauten auf dem Platze Bern gemacht wurden, und auf neuen Berechnungen, welche wir vom eidgenössischen Geniebureau haben machen lassen.

Die Bauten sollten ursprünglich schon auf 28. Juni dieses Jahres erstellt sein, zu welcher Zeit die erste Schule für die bereits ausgehobenen Rekruten der Balloncomgagnie angesetzt war.

Infolge Verzögerung der Vorarbeiten für die Bauten mußte die Schule auf das Jahr 1900 verschoben werden. Gegenwärtig müssen für die Lieferung und Aufstellung der Eisenkonstruktionen sehr lange Termine gewährt werden, und die projektierten Bauten können nur successive erstellt werden ; es wird daher die Vergebung und der Beginn derselben sofort erfolgen müssen, um mit Sicherheit auf nächstes Jahr bereit zu sein. Somit sollte auch der Kredit von Fr. 175,000 schon heute gewährt werden, derselbe würde dann auf die zwei Jahre 1899 und 1900 verteilt.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 31. Mai 1899.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundesprasîident : Müller.

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Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Bundesblatt. 51. Jahrg. Bd. VI.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

Bewilligung des für die baulichen Anlagen der Balloncompagnie erforderlichen Kredites.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 31. Mai 1899, beschließt: Art. 1. Für die baulichen Anlagen, welche die Ausführung des Gesetzes vom 14. Dezember 1897 betreffend die Aufstellung einer Balloncompagnie erfordert, wird dem Bundesrate ein Kredit von Fr. 175,000 bewilligt, welcher auf 2 Jahre verteilt werden soll.

Art. 2. Dieser Beschluß tritt sofort in Kraft. Der Bundesrat wird mit der Vollziehung desselben beauftragt.

--S3§»=--

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Bewilligung eines Bundesbeitrages an den Kanton Tessin für Sicherungsarbeiten gegen Nachstürze vom Sasso rosso oberhalb dem Dorfe Airolo.

(Vom 31. Mai 1899.)

Tit.

Mit Schreiben vom 7. April 1899 reichte die Regierung des Kantons Tessin dem schweizerischen Bundesrat zu Händen der Bundesversammlung ein Subventionsgesuch, betreffend die Ausführung von Sicherungsarbeiten oberhalb dem Dorfe Airolo, welche infolge des Felssturzes vom Sasso rosso notwendig geworden sind, ein.

Diesem Gesuche ist beigelegt: ein Situationsplan des untersten Gebietes in l : 2500, das Projekt der Anlage von Schutzdämmen und Ableitungskanälen enthaltend, eine Skizze in l : 10,000, mit eingezeichnetem Perimeter, sowie Normalprofilen in 1:300 für die Schutzdämme und Ableitungskanäle und ein Kosten veranschlag im Betrage von Fr. 620,000.

Über den Vorgang der ganzen Angelegenheit beehren wir uns, Ihnen folgendes zu berichten, wobei wir eine kurze Beschreibung der topographischen und geologischen Verhältnisse vorausgehen lassen :

1. Topographische Beschreibung.

Der Sasso rosso ist einer der Felsvorsprünge, welche aich vom Eingang der Tremolaschlucht hinweg in direkt östlicher Rieh-

200 tung in einer Höhe von rund 1800 m. bis 2000 m. über Meer unter der Loita dura und dem Scipscius durch gegen das Val Canaria hinziehen und so den ohnehin steilen Südabhang der Bergkette, welche zwischen dem Val Torta und dem Bedrettothal liegt, in zwei total voneinander verschiedene Abschnitte teilt. Während der oberhalb dieser Felsbänder liegende Abschnitt aus schönen Alpen besteht, die vom obern Rande der erstem als Plateaux und weite Mulden erst mäßig ansteigen, um dann allerdings gegen die Gräte und Gipfel wieder steiler und in Bezug auf Steinschlag und Lawinen gefährlicher zu werden, bildet der untere, vom Fuß des Felsens bis in die nächste Nähe der Thalsohle und des Dorfes Airolo eine einzige große Schutthalde, auf welcher noch spärliche Tannengruppen den ehemaligen Bestand eines Schutzwaldes erkennen lassen.

Vom untern Rande dieser Schutthalde, deren unmittelbar über dem Dorf gelegener Teil Paura di Airolo genannt wird, zieht sich eia cirka 400 m. breiter Streifen Wieslandes, bis an die Nordlisière der von Ost nach West lang gestreckten Ortschaft hinunter. Diese, mit dem Namen Garnei bezeichneten Wiesen, haben ein bedeutend geringeres Gefäll als die oberhalb liegende Faura, weisen aber immerhin noch ein solches von durchschnittlich 30 °/o auf.

Die erwähnten Felsbänder i bedingen einen beständigen mehr oder weniger starken Steinschlag. Unglücklicherweise sind nun gegenwärtig die Felsköpfe, die unmittelbar über dem Dorf Airolo stehen, diejenigen, die in der Verwitterung am meisten vorgeschritten sind, so der Sasso rosso über dem Westausgang, der Sengio und Goradilli mehr über der Mitte, welche schon seit einer Reihe von Jahren durch zeitweilige größere Felsablösungen die Bewohner von Airolo in beständiger Besorgnis erhalten haben.

Die vier breiten Runsen, welche vom Fuß der Felsen bis Garnei hinunter die Faura durchschneiden und die nun teilweise mit dem Schutt des Felssturzes gefüllt sind, werden, von West nach Ost aufgezählt, mit den Namen Riale di Stuei, Riale di Sasso rosso, Riale sereno und Riale oscuro bezeichnet. Zu erwähnen ist noch der westlich vom Sasso rosso sich befindliche Bach, Fontana della Gola di Stuei genannt, durch dessen Schlucht eine gewaltige Lawine, die in der Loita dura anbricht, niedergeht, und ebenso die tiefe Felsschlucht der Vallascia, welche das gefährdete Gebiet nach Osten begrenzt und durch die eine ebenfalls bedeutende Lawine ihren Weg nimmt.

2. Geologische Notizen.

Der anstehende Fels besteht aus Granatglimmerschiefer und Hornblendeschiefer. Die Schichten fallen von Süd nach Nord und

201 sind leicht nach Westen geneigt. Die geologische Schichtung des Berges ist daher- als eine sehr günstige zu bezeichnen, indem die Lager bergwärts geneigt sind, folglich der gleichzeitige Anbruch ganz großer Massen als ausgeschlossen erscheint, da nur ausgewitterte Schichtenköpfe zu Fall gelangen können.

Diese Schichten sind nun aber nach allen Richtungen mit tiefen Spalten durchzogen, welche den atmosphärischen Einflüssen und namentlich dem Wasser bis in große Tiefen Zutritt gestatten. Die weicheren Schichten sind im Zustande völliger Auflösung begriffen, teilweise bröcklig, ja von Hand zu Pulver zerreibbar. In feuchtem Zustand ist das Gestein in diesem Stadium der Verwitterung weich und plastisch wie Thonerde.

Solche Schichten werden vom Wasser nach und nach ausgewaschen, die überlagernden festeren Gesteine verlieren ihren Stützpunkt, sie spalten ab, die Risse werden immer tiefer, die Verwitterung schreitet immer mehr in das Innere des Berges vor, bis sich eine gewisse Partie des Felsens absetzen oder nach Umständen ablösen muß.

Dies ist in kurzen Zügen der Vorgang, welcher die Katastrophe herbeiführte.

Im übrigen verweisen wir auf den Bericht des Herrn Dr. Albert Heim, Professor der Geologie am Polytechnikum in Zürich, an den tit. Gemeinderat von Airolo vom 24. August 1898, den wir den Akten beigelegt haben.

3. Historisches.

Die Gefahr, welche dem Dorfe Airolo vom Sasso rosso aus drohte, ist schon lange erkannt worden. Vor cirka 80 Jahren haben die Bewohner ganz ernsthaft den Gedanken besprochen, den Felskopf mit Eisen zu binden. Im Jahre 1879 wurde von den Geologen und Ingenieuren der Gotthardbahn auf die Spalten und Absetzungen oben am Sasso rosso aufmerksam gemacht.

Seit 10 Jahren haben sich nun diese Spalten beständig, in den letzten 5 Jahren bedenklich erweitert. Eine starke Quelle, die am Westrand des Sasso rosso zu Tage tritt, die schon erwähnte Fontana della Gola di Stuei, die sehr konstantes Wasser lieferte, wurde in letzter Zeit intermittierend und überhaupt unregelmäßig.

Im Jahre 1892 haben Felsablösungen stattgefunden, die aber mehr vom Sengio und Goradilli, am östlichen Rand des Sasso rosso herrührten.

202 Solche wiederholten sich nun im Sommer 1898 in so verstärktem Maß, daß sie zu einer Begehung seitens eidgenössischer und kantonaler Techniker Anlaß gaben, welche den Zustand des Sasso rosso als einen bedenklichen bezeichneten und die Gefahr für Airolo als entschieden vorhanden erkannten. Herr Professor Heim, der von den Gemeindebehörden von Airolo beauftragt worden war, den Sasso rosso zu untersuchen, gab einen mit obigem vollständig übereinstimmenden Bericht ab. Damals wurde vorgeschlagen, der drohenden Gefahr durch Anlage von Schutzmauern mit Erdanschüttungen, sowie Abräumungsarbeiten im Abbruchgebiet vorzubeugen.

Die Ausführung dieser gewiß dringlichen Arbeiten ist jedoch unterblieben, die Bewohner von Airolo gewöhnten sich nach und nach an die nun in steter Folge sich ereignenden kleineren Felsablösungen und erst, als am 12. Dezember desselben Jahres der erste größere Absturz erfolgte, wurde der Gedanke wieder aufgegriffen, mit den Schutzarbeiten zu beginnen.

Inzwischen war es aber hierfür zu spät geworden. Am 27. Dezember früh Vz4 Uhr und sodann um .9 Uhr erfolgten zwei Abstürze, von denen cirka 100 Blöcke von 4 bis 10 m8 Inhalt bis an die Dorflisière gelangten.

Diesem Umstände ist es zu verdanken, daß das Gefühl der Sicherheit nun sehr rasch schwand. Die Häuser am Westausgang des Dorfes wurden sofort verlassen. Es war aber auch höchste Zeit, denn die Abbruche folgten sich nun ununterbrochen und wurden von 11 Uhr an stärker, ohne daß jedoch mehr als einzelne Blöcke bis in die Nähe des Dorfes gelangt wären. Um Mitternacht wurden die Ablösungen sehr stark, immer aber blieb die Masse noch auf dem Plateau unmittelbar unten an der Schutthaldej cirka 400 m. von der Dorflisière entfernt, liegen.

4. Der Felssturz.

Gegen l Uhr morgens am 28. Dezember 1898 erfolgte nun der große Absturz, eingeleitet durch einen heftigen Knall, ähnlich dem eines Schusses.

Nach Aussage von Augenzeugen stürzte die Masse unter lautem Getöse ab, man hörte das Knicken der Bäume, das Anschlagen an Ställe, ein intensiver Harzgeruch verbreitete sich, herrührend von den hunderten von zersplitterten Tannen, die mit dem Trümmerstrom zu Thaïe fuhren.

Jetzt überschreitet auch, in der hellen Mondnacht deutlich sichtbar, die Geröllmasse die Crête des oben erwähnten Plateaus

203 und bewegt sich nun mit großer Geschwindigkeit, nicht mehr stürzend, sondern mehr rutschend über die Wiesen von Garnei.

Der Boden wird weit aufgerissen, eine dichte Staubwolke verhüllt, jetzt alles, es ist unmöglich zu erkennen, ob die Masse ins Dorf gelangt ist und dort Schaden angerichtet hat oder nicht.

Nacty wenigen Minuten jedoch konnte festgestellt werden, daß eine Anzahl von Gebäuden am Westausgang des Dorfes, darunter das Hotel Airolo vom Bergsturz begraben oder zertrümmert worden sind, und bald wurde es bekannt, daß eines der unter dem Schutt liegenden Häuser von den Bewohnern nicht verlassen worden war.

Zum Felssturz als solchem übergehend, ist vorerst die A n b r u c h s t e l l e , sodann d e r W e g , den das a b g e s t ü r z t e Mat e r i a l genommen hat und schließlich die A b l a g er u n g desselben zu besprechen.

a. Anbruchstelle.

Angebrochen sind die in verschiedenen Terrassen aufgebauten Felsköpfe des Sasso rosso, welch erstere durch die stets fortschreitende Verwitterung und dahei'ige allmähliche Absetzungen entstanden sind und die sich in 1000 m. bis 1200 m. Entfernungdirekt nördlich über dem Westausgang des Dorfes Airolo auf 1800 in. bis 2000 m. über Meer, also rund 600 m. bis 800 m.

über dieser Ortschaft befinden. Die Fläche des Anbruches mag 25,000 m 2 betragen. Die Mächtigkeit der zum Sturz gelangten Schicht darf durchschnittlich wohl auf 20 m. geschätzt werden, so daß die T r ü m m e r m a s s e des B e r g s t u r z e s auf mindestens 5 0 0 , 0 0 0 K u b i k m e t e r angenommen werden muß.

Die durch die Ablösungen abgedeckte Fläche ist in zwei total voneinander verschiedene Partien zu teilen. Während am Fuß, bis ungefähr zur halben Höhe hinauf, alle bis tief in das innere des Berges zerspaltenen und verwitterten Schichten abgestürzt sind, so daß nun die gesunden Schichtenköpfe zu Tage treten, besteht der obere Teil noch aus in sich zusammengesunkenen, vollständig geborstenen Lagern, eine Menge von einzelnen Blöcken verschiedenster Größe bildend. Das Ganze ist noch zusammengehalten durch einen Kitt von Verwitterungsprodukten, der jedoch gegen atmosphärische Einflüsse durchaus keinen Widerstand bieten kann. Daher müssen auch stets noch kleinere oder größere Nachstürze erfolgen, sobald sich Partien dieses Kittes ablösen, was selbstverständlich bei dem geringfügigsten Anlaß der Fall ist.

Da der Fuß, auf welchem nun diese bewegliche Masse ruht, als fest angenommen werden darf, so ist anzunehmen, daß keine

204 Nachstürze von so großen Dimensionen entstehen werden, die das Dorf neuerdings erreichen könnten; die abstürzenden Blöcke werden vielmehr in dem gewaltigen Trümmerhaufen liegen bleiben.

Immerhin müßte nach starken Niederschlägen oder bei Schneeschmelze die Gefahr wieder größer werden, dies um so mehr, da ungefähr in der Mitte des Anbruches zeitweise ganz deutlich der Austritt von Wasser beobachtet werden kann.

Das Eintreten einer weitern Katastrophe ist daher nicht ausgeschlossen.

Besonders ist es der Felskopf am obern Eade des Riale sereno, auf dem Nordostrande des Anbruchs, der dem mittlern Teile von Airolo noch gefährlich werden könnte. Der Felskopf wird cirka 50,000 Kubikmeter ausmachen, und müßte, wenu er in einem Male anbrechen und seinen Weg mehr östlich nehmen würde, teilweise ins Dorf gelangen. Zu bemerken ist noch, daß die Nachstürze, im Falle die Anbruchnische sich selber überlassen bleibt, noch Jahre lang andauern werden.

b. Eingeschlagener Weg.

Die Richtung, welche der gewaltige Trümmerstrom eingeschlagen hat, ist die für das Dorf denkbar günstigste. Die Lage des Sasso rosso, der Ortschaft Airolo gegenüber, ist eine solche, daß mindestens die ganze westliche Hälfte derselben von einem Felssturz, der so gewaltige Dimensionen annahm, hätte verschüttet, oder doch arg beschädigt werden müsseu, wenn nicht ein günstiger Umstand mitgewirkt hätte, der die unmittelbare drohende Gefahr abgelenkt und das entstandene Unglück auf ein Minimum beschränkt hat.

Vom östlichen Fuß des Sasso rosso, zwisehem dem Riale di Sasso rosso und dem Riale sereno steigt eine Felsrippe weniger steil gegen den Ostrand des Anbruchs an, die aus verhältnismäßig gesundem Gestein besteht und infolgedessen nicht mitgerissen worden ist. Die schief gegen den Riale dio Sasso rosso abfallende glatte Fläche hat nun als Ablenkungswuhr gewirkt und die Trümmerniassen gezwungen,, eine mehr westliche Richtung einzuschlagen.

Nur ein kleiner Teil der mit Wucht abstürzenden Blöcke war im stände, diese Rippe zu überspringen und diese wurden fast vollständig im Riale sereno zurückgehalten. Was unten an die Trümmerhalde gelangte, verlor auf dem Plateau von Garnei di fuori seine Geschwindigkeit und blieb dort cirka 250 m. oberhalb der Dorflisière liegen.

205 Der Hauptstrom wandte sich, dem Riale die Sasso rosso folgend, gegen San Carlo und den Westausgang des Dorfes. Diese Massen trafen auf dem Plateau am obern Ende von Garnei di dentro mit denjenigen, welche durch den Riale di Stuei zu Thaïe fuhren, zusammen und stauten sich dort, ihre Wucht brechend, zu hohen Trümmerhaufen auf, die dann endlich über die selbstgebildete Crête hinausgestoßen, als Rutsch bis über die Gotthardstraße gelangten. Das geringe Gefalle, in welches nun das Gelände von Garnei di dentro nach und nach übergeht, war dazu angethan, den Strom zum Stillstand zu bringen. Eine stark ausgeprägte Terrainwclle, die sich cirka 150 m. westlich der Kirche in direkt nördlicher Richtung aufwärts zieht, verhütete, daß die Trümmermasse sich nach Osten gegen das Dorf ausbreiten konnte.

c. Ablagerung.

Die große Hauptmasse der Trümmer liegt, den Riale die Sasso rosso und teilweise auch den Riale die Stuei ausfüllend, auf der Paura di Airolo, zwischen 1600 m. und 1300 m. Höhe über Meer.

Derjenige Teil, der über die oben genannte Crête am untern Ende der Faura, beim Beginn der Wiesen von Garnei, hinausgelangt ist, setzte seinen Weg direkt gegen San Carlo und den Westausgang des Dorfes fort, überschritt die Gotthardstraße im Westen bei San Carlo, unmittelbar da, wo die alte Gotthardstraße von der jetzigen abzweigt, im Osten beim Dorfeingang und kam nun, cirka 40 Meter unterhalb der Straße zum Stillstand, sich von San Carlo aus gegen die unmittelbar unter dem Hotel Airolo stehenden Häuser zuspitzend.

Nach Westen hat sich oberhalb San Carlo ein Lappen bis zu dem westlieh von Stuei abfließenden Bach, der Fontana della Gola die Stuei bis gegen den alten Gotthardweg ausgebreitet. Der Westrand der. Trümmer zieht sich von der Gruppe von Ställen Al Tecchio bianco gegen Probella und den Riale di Stuei hinauf.

Im Osten liegt ein weiterer Lappen, wie schon erwähnt, am untern Ende des Riale sereno.

Die Form, der auf Wiesland abgelagerten Trümmer ist ungefähr ein Dreieck, dessen Basis auf dem Plateau oberhalb Garnei und dessen Spitze 50 m. unterhalb dem ehemaligen Hotel Airolo liegt. Die Basis mag 500 m., die Höhe des Dreiecks ebensoviel ausmachen, so'daß die bedeckte Fläche auf 125,000 bis 150,000 Quadratmeter zu bemessen ist: Von den Trümmern bedeckt wurden 9 Häuser, 2 weitere sind so beschädigt, daß sie abgetragen werden müssen. Leider sind auch drei Menschenleben zu beklagen.

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Außerdem sind 8 Ställe zerstört und die Gotthardstraße auf eine Strecke von 150 Meter unter 5 bis 6 Meter hohen Schuttmassen begraben worden.

In nächster Nähe von San Carlo, bei der Abzweigung der alten Gotthardstraße und kaum 15 m. oberhalb derselben liegt ein Felsblock, der cirka 300 m 8 mißt. Charakteristisch ist, daß die bis auf die Wiesen heruntergelangten Blöcke fast keine neuen Bruchflächen zeigen, ein Beweis dafür, daß die Verwitterung der angebrochenen Felspartien außerordentlich weit vorgeschritten war.

Die Massen waren schon oben vollständig aufgelöst und in einzelne Blöcke zerspalten.

Ob die Katastrophe durch sofortige Ausführung der im Sommer 1898 vorgeschlagenen Arbeiten hätte verhütet werden können, ist schwer zu entscheiden. Jedenfalls dürfte die Anlage von Schutzdämmen, wie sie vorgesehen waren, im Hinblick auf die gewaltige Masse der abgestürzten Felsen kaum genügt haben und eine Abräumung der sturzbereiten Massen, die schon zu lose aufgetürmtem Schutt zusammengesunken war, verspätet gewesen sein.

5. Auszuführende Arbeiten.

Auf Wunsch des Gemeinderates von Airolo traten nun Delegierte des Bundes und des Kantons Tessin, sowie der Gotthardbahn, welche sich nach erfolgter Katastrophe sofort auf Ort und Stelle begeben und das ganze Gebiet des Felssturzes besichtigt hatten, am 30. Dezember gemeinsam mit den Abgeordneten der Gemeinde und deren Berater, Herrn Professor Heim zu einer Konferenz zusammen, um zu besprechen, was für Maßnahmen zur möglichsten Verhütung weitern Unglücks nun getroffen werden sollten. Hierbei wurde als dringlich erachtet, die Abraurnung der im Abbruchgebiet noch sturzbereiten Massen, die Erstellung von Schutzdämmen am untern Ende des Riale di Stuei und Kiale sereno, wenn möglich auch im Riale di Sasso rosso, sowie von Kanälen, welche zur Abfuhr des zur Zeit der Schneeschmelze oder starker Niederschläge den Trümmern entfließenden Schlammstroms dienen sollen. Zugleich wurde die Organisation eines Sicherheitsdienstes empfohlen, um den Sasso rosso zu beobachten und im Falle drohender Gefahr die Einwohnerschaft zu allarmieren.

Die Regierung des Kantons Tessin hat uns mit Schreiben vom 30. Dezember 1898 hiervon Kenntnis gegeben und bemerkt, daß sie die von den technischen Delegierten empfohlenen Sicherheitsmaßregeln sofort ausführen lassen werde, indem sie uns zugleich

207 ersuchte, diese Notarbeiten möchten .bei einer Subventionsbewilligung mitberücksichtigt werden.

Zugleich teilte sie uns mit, daß baldmöglichst ein allgemeines Verbauungsprojekt aufgestellt und dasselbe zur hierseitigen Genehmigung eingesandt werden solle.

Unterm 2. Januar langte noch ein Telegramm des Staatsrates von Tessin ein, in welchem dieses Gesuch wiederholt wurde.

Wir haben hierauf am 5. Januar 1899 beschlossen, es sei dem Staatsrat des Kantons Tessin telegraphisch mitzuteilen, daß seinem Gesuche innert den Grenzen der Bundesgesetzgebung entsprochen werde und der Bundesrat seiner Zeit den eidgenössischen Räten beantragen wolle, daß diese Arbeiten als integrierender Bestandteil der zu subventionierenden Schutzwerke für Airolo angesehen werden.

Dieses Telegramm wurde der Regierung von Tessin noch schriftlich bestätigt.

Mit den notwendigsten Arbeiten ist hierauf in den ersten Tagen des Januars 1899 begonnen werden, indem.durch ein Détachement Sappeurs die verschüttete Gotthardstraße provisorisch wieder fahrbar gemacht und an einigen Stellen die Schutzdämme, allerdings ebenfalls mehr mit provisorischem Charakter, in Angriff genommen wurden. Ein starker Schneefall, der sich Mitte Januar einstellte, verhinderte-den weitern Fortgang der Sicherungsarbeiten.

Dieselben wurden dann Mitte Februar wieder aufgenommen und zwar in der Weise, daß man nunmehr das Hauptgewicht auf die Erstellung der Kanäle zur Abfuhr der Muhrgäoge, die am 11. schon begonnen und die Hauptstraße des Dorfes mit 40 cm.

hohem Schlamm eingedeckt, sowie die Bahnhofanlage bedroht hatten, legte. Ebenso schien es ratssam, mit dem definitiven Bau von Schutzdämmen zu beginnen, so namentlich über dem Tunnelportal und dem Voreinschnitt, sowie von San Carlo gegen den Westausgang des Dorfes, dies um so mehr, als die Abräumungsarbeiten irn Anbruchgebiet noch nicht in Angriff genommen werden konnten.

Mit Schreiben vom 8. März 1899 drückte sodann das tessinische Departement der öffentlichen Bauten dem eidgenössischen Departement des Innern gegenüber den Wunsch aus, es möchte von letzterm neuerdings eine Konferenz, bestehend aus Vertretern des eidgenössischen Militärdepartements, des eidgenössischen Departements des Innern, der Gotthardbahn, des Kantons Tessin und der Gemeinde Airolo, nach Airolo einberufen werden, welche die Möglichkeit
und die Zweckmäßigkeit der Abräumungsarbeiten zu prüfen und den Zeitpunkt des Beginns derselben zu bestimmen hätte. Dem Wunsche ist entsprochen worden. Die Konferenz hat am 28. März abhin stattgefunden und wurde in derselben unter anderm beschlossen,

208 mit der Abräumung der gefährlichsten Partien sofort zu beginnen.

Am 29. März soll seitens der anwesenden Techniker neuerdings «ine Begehung des ganzen Gebietes vorgenommen werden, um die Angriffspunkte für die vorzunehmenden Sprengungen genau zu bestimmen.

Die Erstellung der Kanäle für die Ableitung der Muhrgänge, sowie der angefangenen Schutzdämme im untern Gebiet sei nicht zu unterbrechen.

Die Mitglieder der Konferenz konstituieren sich überdies zu einer ständigen Kommission, die jederzeit nach Bedürfnis vom Geniechef der Gotthardbefestigungen direkt einberufen werden kann.

Zur Besprechung des vom Staatsrate des Kantons Tessin eingesandten Projektes übergehend, so ist von vornherein zu bemerken, daß es im Hinblick auf die außerordentlich schwierigen Arbeiten, namentlich im obern Gebiet, nicht möglich ist, einen detaillierten Kostenvoranschlag aufzustellen, daß derselbe im Gegenteil die einzelnen Arbeiten nur in großen Zügen ins Auge fassen kann.

Dieselben bestehen, wie schon erwähnt, der Hauptsache nach im untern Gebiet in der Aufführung von kräftigen Schutzdämmen aus Mauerwerk mit Erdansehüttungen zum Aufhalten abstürzender Felsblöcke, sowie in der Erstellung von Kanälen, mit sorgfältig ausgewähltem Tracé und möglichst gleichmäßigem Sohlengefäll zur Ableitung der Schlammströme, welche nach jedem stärkern Niederschlage aus den Felstrümmern, die große Mengen von Humus und zu Schlamm aufweich bare Verwitterungsprodukte enthalten, austreten und sowohl die Wiesen als weiter unten die Straßen des Dorfes bedecken und auf diese Weise empfindliche Übelstände herbeiführen würden.

Diese Kanäle sind so projektiert, daß die Muhrgänge, welche den Hauptablagerungen entströmen, in die schon bestehenden Schalen der Bäche, die über das Tunnelportal und vor dem Voreinschnitt durchführen, geleitet werden, während den Schlammströmen des Riale sereno und des östlichen Lappens der Ablagerung die Richtung gegen die Vallasela zugewiesen wird.

Im Abbruchgebiet muß die Abräumung der sturzbereiten Massen vorgenommen werden. Wenn auch mit Recht gesagt werden kann, daß die Gefahr eines erneuten größern Felssturzes, wenn auch im Bereiche der Möglichkeit, doch höchst unwahrscheinlich sei und daß die bis jetzt erfolgten häufigen Nachstürze, trotzdem sie zuweilen mehrere tausend Kubikmeter ausmachten, nie über die
Trümmer des großen Abbruches hinausgelangt sind, und somit für Airolo von dieser Seite wohl keine direkte Gefahr mehr drohe, dagegen aber die im Abbruchgebiet zu lösende Aufgabe eine außerordentlich

209 schwierige und kostspielige sei, so muß doch daran erinnert werden, daß diese Nachstürze, wenn die angebrochene Fläche sich selbst überlassen wird, während einer ganzen Reihe von Jahren in größerro oder geringerm Maße andauern müßten, und daß unter solchen Umständen an eine weitere Entwicklung der in dea letzten Jahren wieder neu aufblühenden Ortschaft nicht zu denken wäre. Zudem könnte von einer Verbauung der Steinschlagrinnen und der Aufforstung der Faura vorläufig keine Rede sein. Das einzige Mittel,, Airolo dauernd zu sichern, besteht in der Anlage eines dicht geschlossenen Schutzwaldes, der bis au den obern Rand des Sassorosso, Sengio und Goradilli reicht. Je eher die gründliche Aufforstung vorgenommen wird, desto größer ist die Aussicht auf Erfolg, daher sind die Abräumungen dringend notwendig.

In dem von Tessin eingereichten Kostenvoranschlage im Betrage von Fr. 620,000 ist eine Summe von Fr. 110,000 für forstliche Arbeiten und Lawinen verbauungen in begriffen, so daß sich der Devis für die Sicherungsarbeiten, welche mit dem Felssturz von Sasso rosso in direktem Zusammenhange stehen, auf Fr. 510,000 stellt.

Unser Oberauinspektorat, welches das Projekt geprüft hat, findet das Verhältnis der vorgesehenen Arbeiten am untern Rande de» Trümmerstroms, für welche Fr. 391,850 vorgesehen sind, zu den nur zu Fr. 18,150 veranschlagten im Abbruchgebiet nicht zweck- ' entsprechend. Dasselbe glaubt vielmehr, ohne an der Gesamtsumme etwas zu ändern, für die Arbeiten im obern Gebiet etwas mehr in Anschlag bringen zu müssen und dafür die Arbeiten unten etwas reduzieren zu sollen, indem die Länge der Schutzdämme von 1770 Laufmeter auf 1200 Laufmeter, diejenige der Kanäle von 2590 Laufmeter auf 2000 Laufmeter gebracht wird, was übrigens den Einzeichnungen im Situationsplan entspricht.

Der Kostenanschlag stellt sich demnach folgendermaßen zusammen : \. Schutzdämme, 1200 Laufmeter à 157 Fr. = Fr. 188,400 2. Kanäle, 2000 Laufmeter à 44 Fr. = ...

,, 88,000 3. Abräumungsarbeiten im Abbruchgebiet und Wasserableitungen oberhalb desselben . . . ,, 143,600 4. Unvorhergesehenes, cirka 10 % = . . . . ,, 50,000 5. Projekt, Bauleitung und Aufsicht ,, 40,000 Fr. 510,000 Was die Aufforstungen und Lawinenverbauungen anbelangt, welche zur Ergänzung der Wirkung der Sicherungsbauten notwendig.

210 sind, so ist das diesbezügliche Projekt an das eidgenössische Oberforstinspektorat gewiesen worden, das sich dahin ausspricht : ,,Das Projekt über die Aufforstungen ist im vorherigen Einverständnis mit dem Oberforstinspektorat aufgestellt worden, somit fanden wir an demselben nichts auszusetzen. Der Voranschlag stützt sich auf die bisherigen diesfälligen Erfahrungen. Das Projekt über die Lawinenverbaue wurde ebenfalls unter Mitwirkung des Oberforstinspektorates ausgearbeitet, mit Ausnahme der zwei untersten Mauern, wogegen eine Prüfung des Entwurfes an Ort und Stelle über die Verbaue im Bannwalde und unter demselben, bisher der Schneeverhältnisse wegen, noch nicht stattfinden konnte. Es ist daher dem Bundesrat, im Falle der Genehmigung dieser Projekte eine nachträgliche Prüfung der Notwendigkeit der zwei untersten Mauern in Scinfus (Scipscius) und ferner der Vornahme allfällig notwendiger Abänderungen der projektierten Bauten im Bannwald und unter demselben vorzubehalten.

Die Einheitspreise sind für sämtliche Verbaue den Verhältnissen angemessen."

Auf das Beitragsverhältnis übergehend, sind wir der Ansicht, daß mit Rücksicht auf die schweren Schädigungen, welche die Bewohner von Airolo durch den Felssturz des Sasso rosso erljtten haben und die Notwendigkeit, denselben in außerordentlicher Weise zu Hülfe zu kommen, dasselbe auf 50 % angesetzt werden sollte.

Was dann endlich das Jahresmaximum anbelangt, so glauben wir, dasselbe zu Fr. 50,000 bemessen und die erste Anzahlung für das Jahr 1899 in Aussicht nehmen zu sollen, um eine thunlichste Beschleunigung der Arbeiten zu begünstigen.

Somit erlauben wir uns, den hohen eidgenössischen Räten den nachfolgenden Beschlussesentwurf zu unterbreiten und zur Genehmigung zu empfehlen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 31. Mai 1899.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

211

(Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

Bewilligung einer Subvention an den Kanton Tessin für Sicherungsarbeiten gegen Nachstürze des Sasso rosso oberhalb dem Dorfe Airolo.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht zweier Schreiben vom Kanton Tessin vom 30. Dezember 1898 und 7. April 1899 und einer Botschaft des Bundesrates vom 31. Mai 1899, besehließt: Art. 1. Dem Kanton Tessin wird für die Ausführung von Sicherungsarbeiten gegen Nachstürze des Sasso rosso oberhalb dem Dorfe Airolo ein Bundesbeitrag von 50 % der wirklichen Kosten, bis zum Maximum von Fr. 255,000, als 50 °/o der Voranschlagssumme von Fr. 510,000, bewilligt.

Art. 2. Für die Ausführung dieser Arbeiten werden vier Jahre eingeräumt, von dem Inkrafttreten der Beitragszusicherung (Art. 7) an gerechnet.

212 Art. 3. Das Ausführungsprojekt und der definitive Kostenvoranschlag bedürfen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 4. Die Ausbezahlung dieser Subvention erfolgt im Verhältnis des Fortschreitens der Arbeiten, gemäß den von der Kantonsregierung eingesandten und vom eidgenössischen Departement des Innern verifizierten Kostenausweisen ; das jährliche Maximum beträgt Fr. 50,000 und die Auszahlung desselben findet erstmals im Jahre 1899 statt.

Bei Berechnung des Bundesbeitrages werden berücksichtigt die eigentlichen Baukosten, einschließlich Expropriation, und die unmittelbare Bauaufsicht, dann die Kosten des Ausführungsprojektes und des speciellen Kostenvoranschlages, sowie die Aufnahme des Perimeters ; dagegen sind hier nicht in Anschlag zu bringen irgendwelche andere Präliminarien, die Funktionen von Behörden, Kommissionen und Beamtungen (von den Kantonen laut Art. 7 a des Wasserbaupolizeigesetzes zu bestellenden Organe), auch nicht Geldbeschaffung und Verzinsung.

Art. 5. Dem eidgenössischen Departement des Innern sind jährliche Bauprogramme zur Genehmigung einzureichen.

Art. 6. Der Bundesrat läßt die planmäßige Bauausführung und die Richtigkeit der Arbeits- und Kostenausweise kontrollieren. Die Kantonsregierung wird zu obigem Zwecke dem Beauftragten des Bundesrates die nötige Auskunft und Hülfeleistung zukommen lassen.

Art. 7. Die Zusieherung des Bundesbeitrages tritt erst in Kraft, nachdem von Seiten des Kantons Tessin die Ausführung dieser Sicherungsarbeite'n, sowie der in Art. 9 vorgesehenen Aufforstungen und Lawinenverbauungen unter den Bestimmungen dieses Beschlusses gesichert sein wird.

213 Für die Vorlegung der bezüglichen Ausweise wird der Regierung eine Frist von einem Jahr, vom Datum dieses Beschlusses an gerechnet, gesetzt.

Der Bundesbeitrag fällt dahin, wenn der geforderte Ausweis nicht rechtzeitig geleistet wird.

Art. 8. Der Unterhalt der subventionierten Arbeiten ist gemäß dem eidgenössischen Wasserbaupolizeigesetz vom Kanton Tessin zu besorgen und vom B.undesrate zu überwachen.

Art. 9. Im Gebiete der Loita dura und der Alpe di ·Scipscius, sowie des Sasso rosso, Sengio und der 'Paura di Airolo sind die Aufforstungen und Lawinenverbauungen, welche zur Ergänzung der Wirkung der Sicherungsbauten notwendig sind gemäß dem von der Regierung von Tessin ·eingereichten und vom Bundesrate genehmigten und besonders subventionierten Projekte auszuführen.

Art. 10. Dieser Beschluß tritt, als nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft.

ç Art. 11. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung desselben beauftragt.

Bundesblatt. 51. Jahrg. Bd. III.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, bezüglich der erforderlichen baulichen Anlagen zur Unterbringung des Materials der Balloncompagnie. (Vom 31. Mai 1899.)

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1899

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22

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