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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Begnadigungsgesuch des Stationsarbeiter Friedrich Wasmer in Ostermundigen.

(Vom 28. November 1899.)

Tit.

Dienstag den 17. Januar 1899 fand auf der Station Ostermundigen bei Anlaß eines Manövers ein Zusammenstoß statt zwischen Viehwagen und ändern Eisenbahnfahrzeugen, infolgedessen einem Viehwärter ein Arm gebrochen wurde.

Der Unfall wurde dadurch verursacht, daß eine Weiche, deren Bedienung ausnahmsweise dem Stationsarbeiter F. Wasmer übertragen worden, unrichtig gestellt war.

Laut Urteil des Polizeirichters von Bern d. d. 4. August 1899 wurde Friedrich Wasmer der fahrlässigen Gefährdung eines Eisenbahnzuges schuldig erklärt und in Anwendung des Art. 67, litt, b, des Bundesstrafrecht zu einem Tag Gefängnis, Fr. 5 Buße und zur Tragung der Kosten verurteilt.

Zugleich beschloß der Richter, gemäß Art. 557 des bernischen Gesetzes über das Verfahren in Strafsachen, von Amtes wegen um Begnadigung des Verurteilten nachzusuchen.

Betreffend die Strafzumessung bemerkt der Richter in der Motivierung des Urteils folgendes :

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,,Hinsichtlich der Strafzumessung rechtfertigt es sich, namentlich den Gründen, welche das Verschulden Wasmers mildern, in weitgehendem Maße Rechnung zu tragen, zumal da Wasmer bis dahin unbescholten war und sein Vorgesetzter ihm ein gutes Zeugnis giebt.

,,Die Billigkeit erheischt es sogar, daß "Wasmer durch den urteilenden Richter selbst zur Begnadigung empfohlen werde.

,,Denn wenn auch die Strenge des Rechtes eine Bestrafung des Angeschuldigten fordert, so sprechen doch die obwaltenden Umstände dafür, aus Gründen der Menschlichkeit Wasmer für den begangenen Fehler nicht durch die auszusprechende, angesichts seiner bisherigen Unbescholtenheit immerhin empfindliche Strafe, büßen zu lassen."

Mit Eingabe vom 22. September 1899 ersucht der Verurteilte auf dem Wege der Begnadigung um Erlaß der über ihn verhängten Gefängnisstrafe und weist darauf hin, daß, wenn ihn auch ein gewisses Verschulden treffe, eine ganze Anzahl von ungünstigen Momenten zusammengewirkt habe, um den Unfall herbeizuführen.

Wir müssen dieses letztere nach der Aktenlage bestätigen und darauf aufmerksam machen, daß das Gericht in seiner Urteilsmotivierung zwar das Vorhandensein einer Fahrlässigkeit des Wasmer angenommen hat, aber ausdrücklich beifügt, es erscheine dieselbe nach der Sachlage als sehr leicht und es sei zu berücksichtigen, daß die Zeit, welche Wasmer zu Gebote gestanden sei, um den erhaltenen Befehl (eine Weiche zu stellen) auszuführen, sehr knapp bemessen und die große Eile, zu der sich der Angeschuldigte deshalb angetrieben gefühlt habe, wohl geeignet gewesen sei, ihn die nötige Sorgfalt außer Acht setzen zu machen.

Das Versehen Wasmers sei zudem noch erleichtert worden durch die herrschende Dunkelheit.

Das Begnadigungsgesuch wird von der Polizeidirektion der Stadt Bern, dem Regierungsstatthalter des Amtsbezirks Bern und von der bernischen Kantonsregierung in empfehlendem Sinne begutachtet.

Auch wir halten dafür, daß das Begnadigungsgesuch Berücksichtigung verdient, um so mehr, als der Richter selbst sich für dieselbe ausspricht und nach der Begründung des Urteils von der Ausfällung einer Freiheitsstrafe Umgang genommen hätte, wenn er nicht hierzu durch die bindende Vorschrift des Gesetzes verpflichtet gewesen wäre.

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Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag: Es sei dem Gesuch des Petenten zu entsprechen und die Gefängnisstrafe in Gnaden zu erlassen.

B e r n , den 28. November 1899.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Begnadigungsgesuch des Stationsarbeiter Friedrich Wasmer in Ostermundigen. (Vom 28. November 1899.)

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06.12.1899

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805-807

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