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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Ferdinand Schär, Provisionsreisender, von Dürrenroth, wohnhaft in Huttwil.

(Vom 25. September 1899.)

Tit.

Ferdinand Schär, Provisionsreisender, von Dürrenroth, wohnhaft in Huttwil, besuchte im Herbst 1898, weil vorübergehend stellenlos, für das Merceriegeschäft seines Vaters in Koppigen mehrere Personen in den zu einer Kirchgemeinde vereinigten Ortschaften Alchenstorf, Hellsau, Höchstetten und Willadingen, um Tuchwaren zu verkaufen, die er zur sofortigen Übergabe an die Käufer mit sich führte. Nur in zwei Fällen nahm er auf die mitgeführten Waren Bestellungen entgegen, die nachher von Koppigen aus ausgeführt wurden, obwohl, wie Schär angiebt, ,,es ihm lieber gewesen wäre, einem der Besteller den Stoff gleich mitzugeben, um einen Barerlös.zu erzielen".

Gestützt auf diese Thatsachen wurde Ferdinand Schär vom Polizeirichter in Burgdorf am 10. März 1899 bestraft, und zwar einerseits wegen Widerhandlung gegen das Hausiergesetz des Kantons Bern zu einer Buße von Fr. 10 und Nachzahlung von Fr. 2 Hausierpatentgebühr, anderseits wegen Übertretung des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden vom 24. Juni 1892 (A. S. n. F. XIII, 43) zu einer Buße von Fr. 30 und zur Nachzahlung einer Patenttaxe von Fr. 100 für das II. Semester 1898, alles unter Kostenfolge für den Gebüßten.

Gegen dieses Urteil ergriff der Verurteilte die Appellation an die Polizeikammer des Appellations- und Kassationshofes des Kantons Bern, der sich der Generalprokurator des Kantons Bern anschloß.

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Diese Appellationsinstanz bestätigte am 3. Mai 1899 das erstinstanzliche Urteil, soweit dasselbe die Widerhandlung des kantonalen Hausiergesetzes betrifft, änderte dasselbe jedoch hinsichtlich der Übertretung des erwähnten Bundesgesetzes in der Weise ab, daß die ursprüngliche Buße von Fr. 30 auf Fr. 100 erhöht, hingegen die Nachzahlung der Patenttaxe, weil im Patenttaxengesetze nicht ausdrücklich vorgesehen, eliminiert wurde.

Mit Eingabe vom 13. Juli 1899 stellte der Verurteilte beim Großen Rat des Kantons Bern das Gesuch um Erlaß der Buße von Fr. 100, gestützt darauf, daß es ihm bei seinem geringen Verdienst als Provisionsreisender nicht möglich sei, dieselbe neben der Sorge um seine Familie zu bezahlen, und er der Ansicht gewesen sei, daß er am Geschäftssitze seines Vaters keiner Ausweiskarte bedürfe.

Da in Strafsachen wegen Übertretung von Bundesgesetzen das Begnadigungsrecht den Bundesbehörden zusteht, so übermittelte der Regierungsrat des Kantons Bern mit Schreiben vom 16. August 1899 jenes Gesuch mit einem Zeugnis des Gemeinderates Koppigen, in dem bescheinigt wird, daß der Gesuchsteller in allen bürgerlichen Ehren und Rechten stehe, jedoch kein Vermögen besitze, dem Bundesrate.

Die Übertretung ist keine besonders gravierende ; der Petent mochte im Glauben sein, daß es sich um sogenannte Platzgeschäfte handle, für welche nach dem Gesetz keine Ausweiskarten zu lösen sind ; zudem ist derselbe mittellos.

Aus diesen Gründen scheint es uns gerechtfertigt, dem Gesuche teilweise zu entsprechen, und wir beantragen, es sei dem Petenten an der ihm laut Urteil der Polizeikammer des Kantons Bern auferlegten Geldbuße von Fr. 100, Fr. 70 in Gnaden zu erlassen.

Genehmigen Sie, Tit., auch bei diesem Anlaß die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 25. September 1899.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Eingier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Ferdinand Schär, Provisionsreisender, von Dürrenroth, wohnhaft in Huttwil. (Vom 25.

September 1899.)

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27.09.1899

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