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Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer elektrischen Eisenbahn (teilweise Straßenbahn) von Samaden nach Campocologno (Grenze) mit Abzweigung von Pontresina nach St. Moritz.

(Vom 28. November 1899.}

Tit.

Im Februar 1899 reichte die Firma Fr o té & W est erm a n n in Zürich das Gesuch ein, es möchte ihr die Konzession zum Bau und Betrieb einer e l e k t r i s c h e n S t r a ß e n b a h n zwischen S a m a d e n im Engadin und C a m p o c o l o g n o , resp.

der italienischen Grenze im Puschlav erteilt werden.

Der allgemeine Bericht weist auf die bevorstehende Eröffnung der Albulabahn einerseits und der Eisenbahn Mailand-Sondrio-Tirano anderseits hin, welche eine Vermehrung des Fremdenstromes gegen den Berninapaß herbeiführen werden. Es sei daher anzunehmen, daß das Bedürfnis einer Verbindung der beiden Endpunkte jener Bahnen, Samaden und Tirano, durch eine Eisenbahn sich geltend machen werde, wozu noch komme, daß im Puschlav infolge der bevorstehenden Ausbeutung der Wasserkräfte sich Industrien ansiedeln werden, denen eine Bahn nach dem Engadin erwünscht sein müsse.

Genaue Studien hätten nun ergeben, daß der Bau und Betrieb einer Vollbahn, die sowohl im Sommer als im Winter zu betreiben wäre, infolge der bedeutenden technischen Schwierigkeiten und

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der damit verbundenen großen Kosten auf zu große Hindernisse stoßen würde, als daß in absehbarer Zeit auf Verwirklichung eines solchen Projektes gerechnet werden könnte. Deshalb sei von den Konzessionsbewerbern der Bau einer elektrischen Straßenbahn ins Auge gefaßt worden. Der Betrieb einer solchen werde natürlich nur so lange aufrecht gehalten, als nicht die Schneeverhältnisse denselben verbieten. Während des Winters würde nur die Strecke Poschiavo-Campocologno betrieben werden.

Die projektierte Linie nehme ihren Anfang beim zukünftigen Bahnhof Samaden und gehe über Poritresina nach dem Berninahospiz und von hier, immer auf der Straße, über Poschiavo, Brusio und Campocologno nach der schweizerisch-italienischen Grenze zum Anschluß an ein auf italienischem Gebiet zu errichtendes Tramwaj' nach Tirano. Es seien folgende Haltestellen vorgesehen : Samaden, Pontresina, Berninafälle, Berninahospiz, Poschiavo, Le Prese, Brusio und Campocologno. Fakultative Haltestellen würden nach Bedürfnis eingeschaltet, z. B. in La Rosa, Meschino u. s. w.

Dem technischen Bericht ist zu entnehmen, daß die Länge der Bahn rund 51 Kilometer, die Spurweite l Meter betrage. Der Minimalradius sei zu 15 Metern angenommen. Da die Bahn der Straße folge, seien deren Steigungen für sie maßgebend ; das Maximum betrage demnach 10 %.

Als Krafterzeugungsstation sei das Elektrizitätswerk von Campocologno vorgesehen und als Betriebssystem das Drehstromsvstem mit oberirdischer Zuleitung.

Der Voranschlag enthält -folgende Ansätze : 1. Straßenkorrektion Fr. 230,000 2. Oberbau ,, 2,000,000 3. Hochbauten '.n 150,000 4. Rollmaterial ,, 470,000 5. Betriebseinrichtungen , 990,000 6. Landerwerb , '.n 50,000 7. Projektkosten und Bauaufsicht ., " 80,000 8. Gründungskosten und Unvorhergesehenes . ., 200,000 Fr. 4,170,000 Die Einnahmen werden a u f . . . . . . F r . 770,000 veranschlagt, die Ausgaben auf ., 565,700 so daß ein Einnahmenüberschuß von Fr. 204,300 verbliebe, welcher eine 4,9 °/oige Verzinsung des Baukapitals erlauben würde.

716 Mittelst einer weiteren Eingabe vom Mai 1899 teilten die Konzessionsbewerber mit, daß der Große Rat des Kantons Graubünden die Benützung der Berninastraße gestatte mit Ausnahme des Stückes von Samaden bis Morteratsch. Es sei daher das Konzessionsgesuch dahin zu ändern, daß die Bahn auf dieser Strecke auf eigenem Bahnkörper erstellt würde. Dadurch werde die Linie um 1400 Meter länger. Die übrigen Angaben des Gesuches blieben unverändert.

Unterm 13. Juli 1899 reichten die Herren Froté & Westermann, als Ergänzung ihres Gesuches, einen Übersichtsplan und ein Längenprofil für eine Abzweigung von Pontresina nach St. Moritz ein, indem sie geltend machten, der letztere Ort werde Endstation der Rätischen Bahn und sei zugleich der Verkehrsmittelpunkt des Oberengadins, deshalb sollte er auch Endstation der Berninabahn werden. Die neue Strecke werde bei Pontresina die Linie Samaden-Campocologno vorlassen und schlängle sich dann längs des St. Moritzer Sees hin, um in St. Moritz-Bad anzulangen. Hier solle der Anschluß an die zukünftige Station bewerkstelligt werden.

Die Kostenaufstellung sei folgende: \. Grunderwerb Fr. 50,000 2. Unterbau ,, 70,000 3. Oberbau · ,, 200,000 4. Hochbauten ,, 40,000 5. Rollmaterial ,, 120,000 6. Betriebseinrichtungen ,, 100,000 7. Projektkosten und Bauaufsicht ,, 50,000 8. Griindimgskosten, Unvorhergesehenes ,, 170,000 "Fr. 800,000 Bei Fr. 80,000 Einnahmen und Fr. 40,800 Ausgaben ergebe sich ein Einnahmenüberschuß von Fr. 39,200 oder 4,9 % des Baukapitals.

Inzwischen, d. h. unterm 27./30. April 1899, hatten die Elektrizitäts-Aktiengesellschaft vormals Schlickert & Cie. in Nürnberg und Herr F. v. S c h u m a c h e r , Ingenieur in Luzern, ein Konzessionsgesuch für ein elektrisches Bahnnetz St. M o r i t z D o r f P o n t r e s i n a - M o r t e r a t s c h und S a m a d e n - P o n t r e s i n a eingereicht.

Unterm S.September 1899 berichtete das Bau-und Forstdepartement des Kantons Graubünden, daß der Große Rat unterm 23. Mai die Bewilligung zur Benützung der Berninastraße unter einigen Be-

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dingungen erteilt habe und daß sich die Regierung demnächst über ihre Stellung zu dem Konzessionsgesuch schlüssig machen werde. Die Vernehm lassung dieser Behörde erfolgte unterm 22./2S. September und befaßte sich sowohl mit dem Gesuche Schuckert & v. Schumacher als mit demjenigen der Firma Frote & Westermann. Zum erstem wurde bemerkt, das Kreisamt Oberengadin habe berichtet, daß die Gemeinde St. Moritz das Projekt Schuckert-Schumacher unterstütze, ebenso Samaden, sofern Celerina nicht berührt werde. Diese Gemeinde hinwieder verlange berührt zu werden, da sonst ihre Interessen durch das Projekt schwer verletzt würden. Die Gemeinde Pontresina lehne dasselbe ab, weil sie dahin tendieren müsse, direkt mit der Albulabahn verbunden zu werden. Die übrigen Gemeinden scheinen nicht geantwortet zu haben.

Sodann bespricht die Regierung das Projekt Frote & Westermann und fährt fort, es müsse zunächst konstatiert werden, daß die beiden Projekte, soweit die Linien St. Moritz-Pontresina und Samaden-Pontresina-Morteratsch in Frage kommen, zu einander in Konkurrenz stehen, so daß aus naheliegenden Gründen nicht beide zur Ausführung werden kommen können. Es frage sich daher, welches der beiden Projekte den Vorzug verdiene. In dieser Beziehung müsse anerkannt werden, daß das Projekt Frote & Westermann weit größern Interessen diene als das Projekt SchuckertSchumacher, und es sich daher rechtfertige, daß jenem der Vorzug gegeben werde. Immerhin wäre es unbillig, diesen Vorzug länger andauern zu lassen als nötig sei, um das Unternehmen zu sichern.

Die Regierung beantrage daher, die Konzession für den Bau der Berninabahn und damit auch für den Bau der Linien St. MoritzMorteratsch und Samaden-Morteratsch den Herren Frote & Westermann zu erteilen, in der Meinung, daß der Finanzausweis innerhalb eines Jahres, vom Datum der Konzession an gerechnet, erbracht werde. Sollte dieser Voraussetzung nicht nachgekommen werden, so falle die erteilte Konzession dahin, und möge die Frage erwogen werden, ob sie an Schuckert & Schumacher zu erteilen sei.

Das Eisenbahndepartement acceptierte diesen Vorschlag und stellte einen entsprechenden Beschlußentwurf auf, welcher den Gegenstand der konferenziellen Verhandlungen vom 29. September abhin bildete. Auch wir sind der Ansicht, daß das Projekt Frote & Westermann, weil einer großem Summe von Interessen entsprechend, den Vorzug verdiene, weshalb wir Ihnen den nachstehenden Beschlußentwurf zur Annahme empfehlen.

718 Kurz vor den konferenziellen Verhandlungen wurde von don Konzessionsbewerbern noch ein modifizierter Übersichtsplan eingereicht, laut welchem nunmehr das Tracé die Berninastraße beim Lago Nero, westlich des Berninapasses, verlassen und sich durch das Val di Pila nach Poschiavo ziehen soll, wo die Straße wieder gewonnen wird. Diese Änderung ist, wie der Vertreter der Konzessionsbewerber anläßlich der konferenziellen Verhandlungen mündlich erklärte, deshalb vorgenommen worden, weil die Regierung von Graubünden Reduktion der Maximalsteigung von 10 °/o auf 7,5 % verlangt habe. Diese letztere Grenze werde allerdings noch überschritten, indem zeitweise Steigungen bis zu 8 °/o angewandt werden müssen ; es sei aber dies kein Hindernis für einen gefahrlosen elektrischen Betrieb.

.Der Konzessionsentwurf enthält im großen und ganzen die für elektrische Bahnen üblichen Bestimmungen, jedoch mit den den besondern Verhältnissen angemessenen Änderungen; So ist in A r t i k e l 5 die Frist zur Einreichung der technischen und finanziellen Vorlagen, sowie der Gesellschaftsstatuten, auf 12 Monate festgesetzt, entsprechend dem Wunsche der Regierung von Graubünden, während die Ausdehnung des Projektes eine etwas längere Frist gerechtfertigt hätte. Wir sind aber mit der Regierung von Graubünden der Ansicht, daß sich innerhalb 12 Monaten wenigstens zeigen dürfte, ob das Unternehmen zu stände kommt oder nicht, und daß, wenn innerhalb dieser Frist auch nicht alle Vorlagen fertiggestellt werden können, die Behörden einem allfälligen Fristverlängerungsgesuche wohl zu entsprechen in der Lage wären.

0 Dem Wunsche der Konzessionsbewerber entsprechend, wurde der Gesellschaft in A r t i k e l 13 die Befugnis eingeräumt, den Betrieb auf die Touristensaison zu beschränken. Diese Befugnis muß aber, im Interesse der Postverwaltung, an die Bedingung geknüpft werden, daß die Gesellschaft während der Betriebseinstellung diejenigen Pflichten zu übernehmen hat, welche sonst der Post zufielen, beziehungsweise dieser den Überschuß der Ausgaben über die Einnahmen während der betreffenden Zeit zu ersetzen hat. Denn es ist nur recht und billig, wenn die Unternehmung, welche den rentabeln Som in er v erkehr übernimmt, auch für die · Verkehrsbedürfnisse des Winters aufkommt.

Die Taxen in den A r t i k e l n 16 und l 8 sind den Steigungsund besondern Bau- und Betriebsverhältnissen der Bahn angemessen ; es würde sich sogar teilweise ein höherer Ansatz rechtfertigen,

719 so für die Personenbeförderung in der dritten Klasse auf der Bergstrecke, wo auf Verlangen des Großen Rates des Kantons Graubünden 25 Rappen angesetzt werden mußte, während der Taxe in der zweiten Klasse (60 Rappen) eine solche von 30 Rappen entsprechen würde.

Lediglich der Vervollständigung der Akten halber fügen wir denselben die Eingaben eines Herrn J. Lardelli in Chur bei, welcher wiederholt verlangte, es solle die Konzession für eine schmalspurige Bahn über den Bernina nicht erteilt werden, da er sich um diejenige für eine Normalbahn mit Tunnel und Jahresbetrieb zu bewerben gedenke. Da der Petent indessen nicht in der Lage war, die vorgeschriebenen Konzessionsvorlagen einzureichen, konnte seinem Begehren keine Folge gegeben werden ; denn es ließe sich -unseres Erachtens nicht rechtfertigen, die Erstellung einer Schmalspurbahn zu verhindern lediglich mit Rücksicht- auf ein Projekt, das noch gar keine greifbare Gestalt gewonnen hat und das auch aller Wahrscheinlichkeit nach keine Aussicht auf Verwirklichung hat.

Wir benützen auch diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 28. November 1899.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Bingier.

720 (.Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Konzession einer elektrischen Eisenbahn (teilweise Straßenbahn) von Samaden nach Campocologno (Grenze), mit Abzweigung von Pontresina nach St* Moritz.

Die Bundesversammlung der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Einsicht 1. dreier Eingaben der Herren Froté und Westermann in Zürich, vom Februar, Mai und 13. Juli 1899; 2. einer Eingabe der Elektrizitäts-Aktiengesellschaft, vormals Schuckert & Cie., in Nürnberg und des Herrn F. von Schumacher, Ingenieur in Luzern, vom 27. / 30. April 1899 ; 3. einer Botschaft des Bundesrates vom 28. November 1899, beschließt: I. Den Herren F r o t é und W e s t e r m a n n in Zürich wird zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession für den Bau und Betrieb einer elektrischen Eisenbahn (teilweise Straßenbahn} von S am a d e n nach C a m p o c o l o g n o (Grenze) mit Abzweigung von P o n t r e s i n a nach St. M o r i t z unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt: Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteilt.

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Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Poschiavo.

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Art. 5. Binnen einer Frist von 12 Monaten, vom Datum des Konzessionsaktes an gerechnet, sind dem Bundesrate die vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist der Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. Binnen 3 Jahren, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionierte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Die Ausführung des Bahnbaues und der zum Betriebe erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausführungsplänen, welche vorher dem Bundesrate vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind.

Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn wird mit Spurweite von l Meter und eingeleisig erstellt und mittelst Elektrizität betrieben.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigentum des Kantons Graubünden und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den Bundesbeamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrat kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigen Falls entlassen werden.

Btmdesblatt. 51. Jahrg. Bd. V.

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Art. 12. Die Gesellschaft übernimmt die Beförderung von Personen, Gepäck und Grütern. Zum Viehtvansport ist sie nicht verpflichtet.

Art. 13. Die Beförderung von Personen soll täglich mindestens viermal nach beiden Richtungen, von einem Endpunkt der Bahn zum ändern und unter Anhalt bei allen Stationen erfolgen.

Die Fahrgeschwindigkeit der Züge wird vom Bundesrate bestimmt.

Die Gesellschaft kann den Betrieb auf die Touristensaison beschränken; sie ist aber verpflichtet, während der Einstellung des Betriebes auf ihre Kosten und im Einverständnis mit der Postverwaltung die Beförderung der Reisenden, des Gepäcks derselben und der Postsendungen in geeigneter Weise zu besorgen.

Art. 14. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahnen zu uuterziehen. Soweit sie Änderungen nötig findet, können dieselben nur mit Genehmigung des Bundesrates eingeführt werden.

Art. 15. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen nach amerikanischem System mit zwei Klassen aufstellen. In der Regel sind allen Personenzügen Wagen beider Klassen beizugeben ; Ausnahmen kann nur der Bundesrat gewähren.

Die Gesellschaft hat stets ihr möglichstes zu thun, damit alle auf einen Zug mit Personenbeförderung sich Anmeldenden durch denselben, und zwar auf Sitzplätzen, befördert werden können.

Art. 16. Die Gesellschaft wird ermächtigt, für den Transport von Personen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze per Kilometer der Bahnlänge zu beziehen: in der zweiten Wagenklasse 40 Rappen auf den Thalstrecken (Samaden-Pontresina und Pontresina-St. Moritz) und 60 Rappen auf der Bergstrecke (Pontresina-Campoeologno), in der dritten Wagenklasse 20 Rappen auf den Thalstrecken und 25 Rappen auf der Bergstrecke.

Für Kinder unter drei Jahren, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, ist nichts, für solche zwischen dem dritten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe in beiden Wagenklassen zu zahlen.

10 Kilogramm des Reisendengepäcks sind frei, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für das übrige Gepäck der Reisenden kann per 100 Kilogramm und per Kilometer eine Taxe von höchstens 10 Rappen auf den Thalstrecken und 20 Rappen auf der Bergstrecke bezogen werden.

723 Für Hin- und Rückfahrt sind die Personentaxen mindestens 20 °/o niedriger anzusetzen als für einfache und einmalige Fahrten.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, nach mit dem Bundesrate zu vereinbarenden Bestimmungen Abonnementsbillete zu ermäßigter Taxe auszugeben.

Art, 17. Arme, welche als solche durch Zeugnis zuständiger Behörde sich für die Fahrt legitimieren, sind zur Hälfte der Personentaxe zu befördern. Auf Anordnung eidgenössischer oder kantonaler Polizeistellen sind auch Arrestanten mit der Eisenbahn zu spedieren. Der Bundesrat wird hierüber die nähern Bestimmungen aufstellen.

Art. 18. Im Tarif für den Transport von Waren sind Klassen aufzustellen, wovon die höchste nicht über 5 Rappen auf den Thalstrecken und 10 Rappen auf der Bergstrecke, die niedrigste nicht über 2,5 Rappen auf den Thalstrecken und 5 Rappen auf der Bergstrecke per 100 Kilogramm und per Kilometer betragen soll.

Eine ganze Wagenladung (d. h. mindestens 5000 Kilogramm oder 5 Tonnen) hat gegenüber den Stücksendungen Anspruch auf Rabatt.

Die der Landwirfschaft und Industrie hauptsächlich zudienenden Rohstoffe, wie fossile Kohlen, Holz, Erze, Eisen, Salz, Steine, Diingungsrnittel u. s. w., in Wagenladungen sollen möglichst niedrig taxiert werden.

Für den Transport von barem Gelde und von Kostbarkeiten mit deklariertem Werte soll die Taxe so berechnet werden, daß für 1000 Fr. per Kilometer höchstens l Rappen zu bezahlen ist.

Wenn Waren in Eilfracht transportiert werden sollen, so darf die Taxe um 100 % des gewöhnlichen Ansatzes erhöht werden.

Traglasten mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, welche in Begleitung der Träger, wenn auch in besondern Wagen, mit den Personenzügen transportiert und am Bestimmungsort sogleich wieder in Empfang genommen werden, sind, soweit sie das Gewicht von 15 Kilogramm nicht übersteigen, frachtfrei. Für das Mehrgewicht ist die Taxe für Waren in gewöhnlicher Fracht zu bezahlen.

Die Gesellschaft ist berechtigt, für den Transport von Fahrzeugen aller Art und außergewöhnlichen Gegenständen besondere Taxen festzusetzen.

Das Minimum der Transporttaxe eines einzelnen Stückes kann auf 40 Rappen festgesetzt werden.

Art. 19. Bei eintretenden Notständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Teuerung der Lebensmittel, ist die Gesellschaft ver-

724 pflichtet, für den Transport von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten, Kartoffeln u. s. w. zeitweise einen niedrigem Specialtarif einzuführen, dessen Bedingungen vom Bundesrate nach Anhörung der Bahnverwaltung festgesetzt werden.

Art. 20. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchteile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet. In betreff des Gewichtes gelten Sendungen bis auf 20 Kilogramm für volle 20 Kilogramm. Das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 Kilogramm berechnet, wobei jeder Bruchteil von 10 Kilogramm für eine ganze Einheit gilt. Bei Geld- und Wertsendungen repräsentieren Bruchteile von Fr. 500 volle Fr. 500. Ist die genaue Ziffer der so berechneten Taxe keine durch 5 ohne Rest teilbare Zahl, so darf eine Âbrundung nach oben auf die nächstliegende Zahl, welche diese Eigenschaft besitzt, erfolgen.

Art. 21. Die in den Art. 16 und 18 aufgestellten Taxbestimmungen beschlagen bloß den Transport von Station zu Station. Die Waren sind von den Aufgebern an die Stationsladplätze abzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen. Das Auf- und Abladen der Waren ist Sache der Gesellschaft, und es darf eine besondere Taxe dafür in der Regel nicht erhoben werden.

Ausnahmen hiervon sind nur unter Zustimmung des Bundesrates zulässig für einzelne Klassen von Wagenladungsgütern, für lebende Tiere und andere Gegenstände, deren Verladung mit besondern Schwierigkeiten verbunden ist.

Art. 22. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 23. Die sämtlichen Réglemente und Tarife sind mindestens zwei Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrate zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 24. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transporttaxen verhältnismäßig herabzusetzen. Kann diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrate und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

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Art. 25. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äuffnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Ferner sind die Reisenden und das Personal bezüglich der aus dem Bundesgesetz über die Haftpflicht, vom 1. Juli 1875, hervorgehenden Verpflichtungen bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 26. Mit Bezug auf die Benützung der öffentlichen Straße für den Bau und Betrieb der Bahn gelten die Bestimmungen des Beschlusses des Großen Rates von Graubünden vom 23. Mai 1899, soweit diese Bestimmungen der gegenwärtigen Konzession und der Bundesgesetzgebung nicht widersprechen.

Art. 27. Für die Geltendmachung des Rückkaufsrechtes des Bundes oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons Graubünden, gelten folgende Bestimmungen : a. Der Rückkauf kann frühestens 30 Jahre nach Eröffnung des Betriebes und von da an je auf 1. Mai eines Jahres erfolgen, Vom Entschluß des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören.

Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensionsund Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge gethan werden und sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnismäßiger Betrag von der Rückkaufssurnme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Mai 1935 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Jahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen ; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1935 und 1. Mai 1950 erfolgt, den 22Vafachen Wert; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1950 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages; -- unter Abzug der Erneuerungs- und Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzedierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluß

726 aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

(i. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch ' letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche ;tuf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 28. Hat der Kanton GraubUnden den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein daheriges Recht, wie es im Art. 27 definiert worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

IÏ. Auf das Konzessionsgesuch der Elektrizitäts-Aktiengesellschaft, vormals Schuckert & Cie., in Nürnberg und des Herrn F. von Schumacher, Ingenieur in Luzern, vom 27./30. April 1899, für ^ein elektrisches Bahn netz St. Moritz Dorf-Poutresina-Morteratsch und Samaden-Pontresina wird zur Zeit nicht eingetreten.

uö~.

III, Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer elektrischen Eisenbahn (teilweise Straßenbahn) von Samaden nach Campocologno (Grenze) mit Abzweigung von Pontresina nach St. Moritz. (Vom 28. November 1899.}

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06.12.1899

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