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Bundesgesetz über

Bau und Betrieb der schweizerischen Nebenbahnen.

(Vom 21. Dezember 1899.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 5. März 1897, beschließt: Art. 1. Nebenbahnen sind diejenigen Bahnen und Bahnstrecken, welche vorzugsweise dem Lokalverkehr oder speciellen Verkehrszwecken dienen und nicht den großen Durchgangsverkehr für Personen und Güter vermitteln.

Der Bundesrat wird nach Inkrafttreten dieses Gesetzes die Bahnen und Bahnstrecken bezeichnen, welche als Nebenbahnen zu betrachten sind.

Gegen diesen Entscheid kann innert drei Monaten der Rekurs an die Bundesversammlung ergriffen werden.

Bei der Konzessionserteilung für neu zu bauende Bahnstrecken ist die Bestimmung, ob diese den Nebenbahnen zugeteilt werden, in die Konzession aufzunehmen.

1065 Durch Bundesbesehluß kann bei veränderten Verhältnissen, nach Anhörung der Konzessionäre und der Kantone, eine Nebenbahn zur Hauptbahn oder eine Hauptbahn zur Nebenbahn erklärt werden.

Art. 2. Für die Nebenbahnen gelten die Bestimmungen des Bundesgesetzes über Bau und Betrieb der Eisenbahnen vom 23. Dezember 1872 und aller ändern für die schweizerischen Eisenbahnen erlassenen Bundesgesetze, soweit nicht im gegenwärtigen Gesetze abweichende Vorschriften aufgestellt sind.

Art. 3. Der Bundesrat wird den Nebenbahnen sowohl für die Bauausführung und den Betrieb diejenige Einfachheit gestatten, welche ihrer Eigenart und Zweckbestimmung entspricht, als auch bezüglich der Bestimmungen über die Arbeitszeit bei den Transportanstalten Erleichterungen gewähren; immerhin soll die Betriebssicherheit gewahrt und das Personal vor Überanstrengung geschützt bleiben.

Insbesondere sind Einfriedigungen der Bahn und Barrieren nur da zu verlangen, wo die Fahrgeschwindigkeit der Bahnzüge und die Sicherheit des Bahn- und des Straßenverkehrs solche durchaus erfordern.

Der Bundesrat wird nach Anhörung der Vertreter der betreffenden Bahnen besondere Vorschriften erlassen für die normal- und schmalspurigen Nebenbahnen und die Straßenbahnen mit mechanischem Betrieb zur Bedienung des Lokalverkehrs, für die Bergbahnen, die nur während der Sommermonate betrieben werden, sowie für die Zahnradbahnen, Drahtseilbahnen und für die Tramways.

In Bezug auf Tarifbildung wird er inuert den konzessionsgemäßen Grenzen thunlichste Freiheit gewähren.

Art. 4. Der Bund wird den Nebenbahnen, welche nicht Bestandteile des Netzes einer Hauptbahn bilden, für Beförderung der Fahrpoststücke die volle Eilguttaxe, beziehungs-

1066 weise die höchste Gütertaxe, und da, wo Gütertaxen nicht bestehen, die volle Gepäcktaxe vergüten. Die Entschädigung wird auf Grund des monatlichen Gesamtgewichtes der Fahrpoststücke ermittelt, und es kann für dieselbe ein Aversalbetrag vereinbart werden.

Für die Beförderung der zu den Posttransporten gehörigen Kondukteure und der zu den Bahnpostwagen gehörenden Beamten und Angestellten wird vom Bunde ferner den genannten Nebenbahnen eine Entschädigung von 2 Cts.

per Fahrt und Kilometer vergütet.

Für die Beförderung von Bahnpostwagen erhalten die Nebenbahnen außerdem eine Vergütung von 2 Cts. per Achskilometer.

Bedient sich die Postverwaltung zum Transporte der Postgegenstände der Fahrzeuge der Nebenbahnen, so sind diesen die Mehrauslagen für Anschaffung und Unterhalt der speciellen Einrichtung der Fahrzeuge zu vergüten.

Diese vom Bunde zu leistenden Entschädigungen, insoweit sie über die auf das Bundesgesetz vom 23. Dezember 1872 begründeten Entschädigungen hinausgehen, fallen weg, sobald und für so lange, als die Bahnunternehmung nach Abzug der auf Abschreibungsrechnung getragenen oder einem Reservefonds einverleibten Summen einen Reinertrag von 4 °/o oder mehr abwirft.

Die Bestimmungen des 1. und 2. Absatzes des Art. Iht des Eisenbahngesetzes vom 23. Dezember 1872 finden keine Anwendung auf Nebenbahnen, welche der Personenbeförderung innerhalb der Ortschaft dienen.

Art. 5. Die Straßenbahnen, welche der Personenbeförderung innerhalb einer Ortschaft und deren Umgebung dienen, und die nur während der Sommermonate im Betriebe stehenden eigentlichen Bergbahnen, welche nicht Bestandteile des Netzes einer Haup.tbahn bilden, sind nicht verpflichtet, wenn der Betrieb durch Naturereignisse zeitweise

1067 unterbrochen wird, auf andere Weise für Herstellung des periodischen Personentransportes bis zur Wiedereröffnung des Bahnbetriebes zu sorgen.

Art. 6. Die Bestimmungen des Art. 25 des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1872 betreffend Begünstigungen für die Militärtransporte finden keine Anwendung auf Nebenbahnen, welche der Personenbeförderung innerhalb einer Ort.schaft dienen, und auf die nur während der Sommermonate im Betrieb stehenden Bergbahnen, welche nicht Bestandteile des Netzes einer Hauptbahn bilden.

Art. 7. Die Kreuzung in Schienenhöhe bestehender Haupt- oder Nebenbahnen durch eine neu zu erstellende Nebenbahn kann vom Bundesrate unter Anordnung der zur Wahrung der Betriebssicherheit erforderlichen Vorkehren gestattet werden; die bezüglichen Kosten sind von der Bahnuuternehmung zu tragen, welche die Kreuzung verlangt.

Wenn aus Gründen der Betriebssicherheit eine Kreuzung in Schienenhöhe nicht zulässig erscheint, fallen die Erstellungskosten der zur Vermeidung der Niveaukreuzung auszuführenden Unter- oder Überführung ebenfalls zu Lasten der die Kreuzung verlangenden Bahnunternehmung, mit Ausnahme des Falles, daß die Kreuzung auf einer öffentlichen Straße stattfindet, oder die im übrigen auf einer öffentlichen Straße angelegte Nebenbahn zur Vermeidung der Niveaukreuzung außerhalb derselben geführt werden muß. In diesem Falle sind die bezüglichen Kosten zwischen der bereits bestehenden und der neuen Bahnunternehmung im Verhältnisse des durch die betreffenden Bahnlinien zu vermittelnden Verkehres zu verteilen.

Die Kostenverteilung wird in Ermanglung einer Verständigung unter den Beteiligten vom Bundesgerichte bestimmt.

Art. 8. Soweit zur Herstellung des technischen und Betriebsanschlusses von Nebenbahnen unter sich und an

1068 Hauptbahnen die Mitbenutzung bestehender Bahnhofanlagen und Bahnstrecken bis zur Einmündüngsstation erforderlich wird, ist dafür angemessene Entschädigung nach folgenden Grundsätzen zu leisten. Der Bahn, welche die Anschlußstation, beziehungsweise Anschlußstrecke, besitzt und verwaltet, sind unter Berücksichtigung der Vorteile, welche ihr durch den Anschluß erwachsen, höchstens die ihr zufolge der Mitbenützung erwachsenden Mehrausgaben an Verzinsung des Anlagekapitals der nach Bedarf erweiterten Anlagen und Einrichtungen, sowie an Betriebskosten zu vergüten, jedenfalls aber nicht mehr als der Betrag, welcher von der Anschlußbahn für Verzinsung der Anlage einer eigenen Endstation, beziehungsweise Zufahrtsstrecke, und für Besorgung des Betriebsdienstes auf denselben auszugeben wäre. Die zu entrichtende Entschädigung wird in Ermanglung einer Verständigung unter den Beteiligten vorn Bundesgerichte bestimmt.

Art. 9. Bei Erlaß des in Art. 36 des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1872 vorgesehenen Transportreglementeswird der Bundesrat den Nebenbahnen nach Möglichkeit Erleichterungen gewähren und diese für die einzelnen Kategorien nach Anhörung der Bahnverwaltungen in einem Anhang zum Transportreglement namhaft machen.

Art. 10. Den Nebenbahnen, welche nicht Bestandteile des Netzes einer Hauptbahn bilden, werden bei Anwendung des Bundesgesetzes über das Rechnungswesen der Eisenbahnen vom 27. März 1896 folgende Ausnahmen gestattet : 1. Bei Bemessung der normalen Einlagen in den Erneuerungsfonds sind die bei den Nebenbahnen bestehenden besondern Verhältnisse zu berücksichtigen.

2. Bei Festsetzung der Fristen für die Tilgung der zu amortisierenden Verwendungen und der allfälligen Deficite des Erneuerungsfonds ist der finanziellen Lage der Nebenbahnen Rechnung zu tragen.

1069 Art. 11. Der Bundesrat wird beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

Also beschlossen vom Nationalrate, B e r n , den 20. Dezember 1899.

Der Präsident: Geilinger.

Der Protokollführer : Ringier.

Also beschlossen vom Ständerate, B e r n , den 21. Dezember 1899.

Der Präsident: Arnold Robert.

Der Protokollführer: Schatzmann.

Der schweizerische Bundesrat beschließt: Das vorstehende Bundesgesetz ist zu veröffentlichen.

B e r n , den 27. Dezember 1899.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Note. Datum der Veröffentlichung: 27. Dezember 1899.

Ablauf der Referendumsfrist : 27. März 1900.

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Bundesgesetz über Bau und Betrieb der schweizerischen Nebenbahnen. (Vom 21.

Dezember 1899.)

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