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Schweizerisches Bundesblatt

5l. Jahrgang. II.

Nr. 18.

3.Mai 1899.

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Druck und Expedition der Buchdruckerei Stämpfli & de. in Bern.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Postulat Wullschleger (Lohn- und Anstellungsverhältnisse der im Dienste der Bundesverwaltung stehenden Arbeiter) vom 15. Oktober 1897.

(Vom 28. April 1899.)

Tit.

Einleitung.

Am 21. September 1897 hat der Nationalrat und am 15. Oktober gl. Js. der Ständerat folgendes von Herrn Nationalrat W u l l s c h l e g e r anläßlich der Behandlung des Geschäftsberichtes pro 1896 beantragtes Postulat angenommen: ,,Der Bundesrat wird eingeladen, zu prüfen und darüber Bericht zu erstatten, ob nicht die Lohn- und Anstellungsverhältnisse der mindestens 2 Jahre im Dienste der Bundesverwaltung stehenden und vollbeschäftigten Arbeiter gesetzlich zu regeln seien."

Durch Präsidialverfügung vom 19. Oktober 1897 sind sämtliche Departemente und das Bundesgericht eingeladen worden, dem politischen Departemente über das Postulat Bericht zu erstatten.

Wir verzeichnen nachstehend in chronologischer Reihenfolge die eingegangenen Berichte und sonstigen Eingaben, von denen wir einige in extenso als Beilage mitfolgen lassen, andere resümierend wiedergeben. Der Vollständigkeit halber werden sämtliche Eingaben erwähnt, auch wenn sie sich, weil in den betreffenden Bundesblatt. 51. Jahrg. Bd. II.

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622 Departements- oder Verwaltungsabteilungen keine Arbeiter im Sinne des Postulates beschäftigt werden, über dasselbe nicbt äußern.

\. Schreiben des schweizerischen Bundesgerichts vom 25. Oktober 1897 : Das Bundesgericht erscheint bei der Frage der gesetzlichen Regelung der Lohn- und Anstellungsverhältnisse der im Dienste der Bundesverwaltung stehenden Arbeiter nicht als beteiligt.

2. Schreiben des eidgenössischen Versichcrurigsamtes vom 25. Oktober 1897 : Dasselbe beschäftigt keine Arbeiter im Sinne des Postulates und hat daher auch keine Anträge zu stellen.

3. Schreiben des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 27. Oktober 1897 : Bei den verschiedenen Abteilungen des Departements sind nur die im neuen Besoldungsgesetze vorgesehenen Beamten und Angestellten thätig und ist kein sonstiger Arbeiter beschäftigt. Das Departement ist daher nicht in der Lage, in Bezug auf das Postulat einen Antrag zu stellen.

4. Bericht der eidgenössischen Münzverwaltung vom 27. Oktober 1897 : Sie beschäftigt Arbeiter nach den Bestimmungen des eidgenössischen Fabrikgesetzes und hat Minimal- und Maximallöhnung.

5. Schreiben des schweizerischen Zolldepartements vom 27. Oktober 1897 : Die Zollverwaltung wird vom Postulat nicht betroffen; ihr Personal besteht aus Beamten und Angestellten, wovon die erstem jeweilen vom Bundesrate auf eine 3jährige Amtsdauer gewählt werden, während die Anstellung der letzteren auf unbestimmte Zeit erfolgt (vgi. Art. 39 ff. des Zollgesetzes vom 28. Juni 1893, A. S. ri. F. X1H, 692).

Taglohnarbeiter werden nur in außergewöhnlichen Fällen beschäftigt, so daß deren Anstellung jeweilen nur von kurzer Dauer ist.

6. Sehreiben des schweizerischen Landwirtschaftsdepartements vom 27. Oktober 1897 : Letzteres beschäftigt keine Arbeiter, auf welche das Postulat Bezug haben könnte.

7. Schreiben der Abteilung Gold- und Silberwaren des schweizerischen Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartements vom 4. November 1897: Sie beschäftigt keine Arbeiter im Sinne des Postulats.

8. Schreiben des schweizerischen Eisenbahndepartements vom 6. November 1897: Das Departement ist nicht im Falle, Bericht zu erstatten, da es z. Z. keine Arbeiter beschäftigt ; es weist aber darauf hin, daß die Frage im Falle der Durchführung des Eisenbahnrückkaufes mit Rücksicht auf die zahlreichen beim Betriebe

623 und in den Werkstätten beschäftigten Arbeiter für den Bund eine erhöhte Bedeutung gewinnen werde.

9. Schreiben des schweizerischen Handelsdeparternents vom 9. November 1897 : Letzteres beschäftigt keine Arbeiter und ist daher auch nicht im Falle, sich über diese Frage zu äußern.

10. Bericht der eidgenössischen Alkoholverwaltung vorn 27. November 1897 : Die Rechte und Obliegenheiten des aus 4 Vorarbeitern und 9 Arbeitern bestehenden, von der Alkoholverwaltung beschäftigten Arbeiterpersonals sind nach einem vom Bundesrate genehmigten Réglemente festgestellt. Die Bestimmungen, die je nach den Umständen abgeändert werden können, entsprechen den Verhältnissen und der Erlaß eines besondern Gesetzes ist für die Verwaltung kein Bedürfnis.

11. Eingabe des Herrn Nationalrat Wullschleger vom 4. Februar 1898 an den Bundesrat: Die Bundesbehörde wird darin ·auf die Untersuchungs-Ergebnisse der von der Arbeiterschaft der verschiedenen Etablissemente der Bundesverwaltung aufgestellten Kommissionen, bezw. auf die von Herrn Arbeitersekretär Dr.

Wassilieff in einer Druckschrift (,,Die Lohn- und Anstellungsverhältnisse der eidgenössischen Arbeiter") niedergelegte Bearbeitung dieser Ergebnisse aufmerksam gemacht. Des weitern übermittelt Herr Wullschleger dem Bundesrat in besonderer Beilage die 20 Punkte umfassenden ,,Wünsche der eidgenössischen Arbeiter, zusammengestellt zu Händen des hohen Bundesrates durch die zu diesem Zwecke speciell gewählten Kommissionen."· 12. Mit Schreiben vom 1. März 1898 übermittelt das schweizerische Industriedepartement dem politischen Departement einen Kollektivbericht der eidgenössischen Fabrikinspektoren vom 1.7. Februar gl. Js. (Beilage 1). Dieser bespricht in einläßlicher Weise die Lohn- und AnstellungsVerhältnisse der vom Bunde beschäftigten Arbeiter solcher Etablissemente, die dem Bundesgesetz betreffend die Arbeit in den Fabriken unterstellt sind. Das Industriedepartement ist mit den im Bericht enthaltenen Ausführungen einverstanden. Dieser Bericht verhält sich dem Postulate gegenüber ablehnend, befürwortet hingegen den Schutz des Arbeiters vor willkürlicher Entlassung.

13. Bericht des schweizerischen Post- und Eisenbahndepartements, Postabteilung, vom 14. März 1898: Von den im Betriebsdienst der Postverwaltung verwendeten Personen kommen hinsichtlich des Postulates Wullschleger nur die sogenannten ,,Aushelfer a in Betracht, nämlich diejenigen Arbeiter, welche entweder ständig

624 oder nur während eines Teils des Jahres oder auch nur während einiger Stunden des Tages beschäftigt werden. Der Bericht verhält sich dem Postulate gegenüber neutral.

14. Bericht des schweizerischen Militärdepartements vom 21. März 1898. Derselbe konstatiert, daß ein Bedürfnis nach gesetzlicher Ordnung der Betriebsverhältnisse nicht vorhanden ist, und schließt daher auf Ablehnung des Postulats. Der Bericht verweist übrigens auf die Specialberichte der beteiligten Waffen- und Abteilungschefs : a. Der Bericht des Waffenchefs der Kavallerie vom 25. Oktober 1897 verhält sich aus dem doppelten Grunde, weil die Lohnund Anstellungsverhältnisse durch die Verordnung betreffend die Kavalleriepferde, welche am 19. April 1898 erlassea worden ist, so gut wie gesetzlich geregelt werden und weil die Lohnve,rhältnisse keine stabilen seien, sondern den Zeitverhältnissen angepaßt werden müssen, dem Postulate gegenüber ablehnend.

b. Bericht des eidgenössischen Oberkriegskommissariates vom 16. November 1897 : Derselbe bejaht die Frage der Wünschbarkeit einer gesetzlichen Regelung in Sachen der Lohn- und Anstellungsverhältnisse der ständigen Arbeiter des Kriegskommissariates (total 26) im Sinne des Postulates Wullschleger, hält es jedoch für opportun, mit dem Erlasse eines bezüglichen Gesetzes zuzuwarten, bis über das Schicksal der Kranken- und Unfallversicherung entschieden sei.

c. Der Bericht des eidgenössischen Pulververwalters vom 16. November 1897 hält dafür, daß eine Abänderung der bestehenden Verhältnisse für das Personal der Pulververwaltung nicht als geboten erscheine.

d. Der Bericht des Direktors der eidgenössischen Pferde-Regieanstalt vom 7. Dezember 1897 spricht sich gegen ein ständiges Anstellungsverhältnis aus.

e. Bericht der administrativen Abteilung der eidgenössischen Kriegsmaterialverwaltung vorn 11. Dezember 1897: Diese Abteilung beschäftigt nur eine beschränkte Zahl von hier in Betracht kommenden Arbeitern und bezweifelt die Möglichkeit einer einheitlichen Regelung der ihrer Natur nach grundverschiedenen Verhältnisse in den militärischen Etablissementen.

f. Der Bericht der technischen Abteilung der eidgenössischen Kriegsmaterialverwaltung vom 25./27. Januar 1898 verhält sich gegenüber dem vorliegenden Postulate entschieden ab lehnend (s. Beilage 2). Dieser Verwaltungszweig hat eben-

625 falls die ihm unterstellten Betriebsanstalten zur Vernehmlassung eingeladen. Berichte liegen vor: «. vom Direktor der eidgenössischen Konstruktionswerkstätte in Thun vom 11. November 1897, dessen Schlußfolgerung dahin geht, es seien die bisherigen Lohn- und Anstellungsverhältnisse beizubehalten, d. h. es seien keine solche einzuführen, die von denjenigen anerkannt gut geleiteter Privatetablissemente erheblich abweichen ; ß. voû der Direktion der eidgenössischen Munitionsfabrik vom 12. November 1897 : Dieselbe gelangt zur Schlußfolgerung, es sei für die Munitionsfabrik geradezu uuthunlich, die so verschiedenen Arbeitskräfte einheitlich in der Anstellung und Löhnung zu behandeln und in ein festes Anstellungsverhältnis zu bringen; y. vom Direktor der eidgenössischen Waffenfabrik vom 2. Dezember 1897, der dahin resümiert: Ablehnung von Begehren betr. Anstellungsverhältnisse, welche über die gesetzlichen Bestimmungen über Arbeit in den Fabriken und dementsprechende Praxis in gut geleiteten Privatetablissementen hinausgehen ; a. vom Chef der Abteilung Bekleidungswesen (ohne Datum), der sich ablehnend verhält.

Wir fügen an dieser Stelle bei, daß inzwischen das Militärdepartement noch die Frage geprüft hat, ob nicht für die eidgenössischen Regiewerkstätteri (Waffenfabrik, Munitionsfabrik, Kriegspulverfabrik, Laborierwerkstätte in Altdorf, Konstruktionswerkstätte und Montierungsmagazin) eine einheitliche Lohn- und Anstellungsverordnung aufzustellen sei. Ein von der technischen Abteilung ·der eidgenössischen Kriegsmaterialverwaltung ausgearbeiteter Entwurf wurde unter dem Vorsitze des Vorstehers des Militärdepartements in einer Konferenz (9. Februar 1898) der beteiligten Abteilungschefs durchberaten. Dabei stellte es sich heraus, daß selbst für die genannten Werkstätten allein die Aufstellung einer einheitlichen Verordnung betr. die Lohn- und Anstellungsverhältnisse der Arbeiter ein Ding der Unmöglichkeit sei, indem z. B. für die Kriegspulverfabrik und das Montierungsmagazin bei Bestimmung der Löhne ganz andere Faktoren maßgebend sein müßten, als in den übrigen Anstalten. Das Departement sah denn auch vorläufig von der Genehmigung des Entwurfes ab und erachtete es als zweckmäßig, für jede einzelne Anstalt eine Lohn- und Anstellungsverordnung aufzustellen, in der Meinung, daß diejenigen Bestimmungen, welche übereinstimmend geordnet werden können, auch übereinstimmend zu ordnen seien.

626

Auf Veranlassung des stadtbernischen Arbeitersekretärs wurde unter die Arbeiter der eidgenössischen Regiewerkstätten -- die Laborierwerkstätte in Altdorf ausgenommen -- ein die Lohn- und Anstellungsverhältnisse behandelndes Fragenschema ausgeteilt. Die von den Arbeitern eingelangten Antworten wurden, wie schon unter Ziff. 11 erwähnt, von Herrn Dr. Wassilieff zusammengestellt und verarbeitet. Gleichzeitig wurde aber auch dasselbe Fragenschema von den Leitern der Munitionsfabrik, der Konstruktionswerkstätte, der Waffenfabrik und des Montierungsmagazins beantwortet. Eine Vergleichung dieser Antworten mit der Druckschrift des bernischen Arbeitersekretärs zeigt, daß. die Angaben des letzteren unzuverlässig sind und von den authentischen der erstem abweichen.

15. Bericht des eidgenössischen Departements des Innern vom 31. März 1898: Nur 2 Abteilungen des Departements sind in der Lage, sich über das Postulat zu äußern. Es liegen vor: a. ein Bericht des Präsidenten des schweizerischen Schulrates,, der sich gegenüber dem Postulat Wullschleger entschieden ablehnend verhält ; h. ein Bericht der Direktion der eidgenössischen Bauten vom 29. März 1898, welcher der Ansicht ist, daß es nicht angezeigt erscheine, von dem bisherigen erprobten Verfahreil abzugehen.

16. Bericht des schweizerischen Post- und Eisenbahndepartements (Telegraphen-Abteilung) vom 5. April 1898 (Beilage 3).

Derselbe gelangt zum Schlüsse, daß es keine stichhaltigen Gründe gebe, um die Lohn- und Anstellungsverhältnisse zum Gegenstand einer besonderen Gesetzesvorlage zu machen.

Nachdem die Berichte sämtlicher Departemente über das Postulat Wullschleger eingegangen waren, wurden die Akten gemäß Bundesratsbeschluß vom i. Juni 1898 dem Industriedepartement überwiesen, mit der Einladung, vom eidgenössischen Fabrikinspektorat ein Gutachten über die ganze Angelegenheit einzuholen. Das .Industriedepartement war im Falle, das gewünschte Gutachten, datiert vom 25. Oktober 1898, dem Bundesrate unterm 31. Oktober gl. Js. vorzulegen.

In Abänderung der Präsidial-Verfügung vom 19. Oktober 1897 wurde nun das Industriedepartement durch Beschluß des Bundesrates vom 10. Januar 1899 mit der Ausarbeitung eines Gesamtberichtes beauftragt und zugleich eingeladen, die Akten durch Einholung von Berichten über die Behandlung dieser Frage in den größeren Gemeinwesen der Schweiz (z. B. Baselstadt und Zürich} zu vervollständigen.

627 Eingelangt sind in letzterer Hinsicht: 17. Schreiben des Gemeinderates der Stadt Bern vom 16. Januar 1899, dahin gehend, daß er die Materie der Lohn- und Anstellungsverhältnisse der ständigen Arbeiter der Gemeindeverwaltung infolge einer Eingabe des Gemeindearbeitervereins vom 6. Juni 1896 eingehend behandelt habe. 2 Exemplare seines bezüglichen Beschlusses liegen bei den Akten. Der Gemeinderat ·fügt im weitern bei, daß die Einwendungen des Gemeindearbeitervereins sich in der Hauptsache nicht gegen die Anstellungs-, sondern gegen die Lohnverhältnisse gerichtet haben ; die vermittelst eines Initiativbegehrens verlangte Einführung des Minimallohnes für die Gemeindearbeiter sei von der Gemeinde verworfen worden. ^ 18. Rückäußerang der Staatskanzlei von Basel-Stadt vom 18. Januar 1899. Dieselbe beschränkt sich auf die Zusendung von 4 amtlichen Erlassen, von denen 2 die z. Z. bestehenden Vorschriften über Lohn- und Anstellungsverhältnisse der im öffentlichen Dienste beschäftigten Arbeiter enthalten, nämlich: a. .^Allgemeine Dienstordnung für die Arbeiter der öffentlichen Verwaltungen des Kantons Basel-Stadt (vom 11. Dezember 1897)a, worin hauptsächlich die Anstellungsverhältnisse geregelt sind; von der Feststellung des Minimallohnes ist keine Rede.

b. .^Gesetz betr. die Beamten und Angestellten^der kantonalen Straßenbahnen (vom 7. Juli 1898)."

Da diese Verordnungen erst seit kurzem in Wirksamkeit stehen, ist die Staatskanzlei von Basel-Stadt nicht in der Lage, sich über gemachte Erfahrungen zu äußern.

19. Schreiben des Stadtrates von Zürich vom*28. Januar 1899, worin mitgeteilt wird, daß die Anstellungsverhältnisse der städtischen Arbeiter von Zürich noch nicht vollständig geordnet seien. Eine Kommission des Großen Stadtrates prüfe den Entwurf einer Verordnung betr. die teilweise fixe Anstellung der Gemeindearbeiter.

In der Angelegenheit liegen weiter vor: 20. eine Lohnordnung der schweizerischen Centralbahn für die Hauptwerkstätte Ölten vom 18. April 1896; 21. eine Lohnordnung für die Werkstätten der schweizerischen Nordostbahn vom 1. April 1897; ein Reglement für die Werkstättearbeiter der schweizerischen Nordostbahn vom 9. April 1897 ;

628 22. eine Verordnung betr. Anstellungs- und Lolmverhältnisse der Werktättearbeiter der Jura-Simplon-Bahn vom 18. März 1896.

Bei Prüfung des Postulates Wullschleger, das, allgemein formuliert, nicht erkennen läßt, in welcher Weise der Urheber die Lohn- und Anstellungsverhältnisse der mindestens zwei Jahre im Dienste der Bundesverwaltung stehenden und vollbeschäftigten Arbeiter gesetzlich geregelt wissen will, waren wir auf die Dokumente angewiesen, auf welche der Motionssteller sich übrigens in seiner Zuschrift an den Bundesrat vom 4. Februar 1898 (s. Ziff'. 11) ausdrücklich beruft. Es sind dies : a. Wünsche der eidgenössischen Arbeiter an den Bundesrat.

b. Broschüre des Arbeitersekretärs Dr. AYassilieff.

Die ,,Wünsche der eidgenössischen Arbeiter, zusammengestellt zu Händen des h. Bundesrates"1 enthalten zwei Hauptgruppen, welche sich beziehen einerseits auf die Anstellungsverhältnisse, andererseits auf die Lohnverhältnisse.

Erstere wurden bisher durch das eidgenössische Fabrikgesetz geregelt, letztere durch die Betriebsleitungen und ihre Oberbehörden bestimmt. Die Eingabe verlangt in beiden Gruppen einschneidende Veränderungen.

I. Austellungsverhältnisse.

Wohl nicht mit Unrecht sind die Wünsche der eidgenössischen Arbeiter auf das kürzlich erlassene Bundesgesetz betreffend die Besoldungen der eidgenössischen Beamten und Angestellten zurückzuführen. Auch sie möchten ,,möglichste Stetigkeit und Sicherheit1'4 in ihre Erwerbsverhältnisse bringen. Das ist begreiflich, nur übersehen sie die Verschiedenheit der Basis, auf Mrelcher beide Verhältnisse beruhen. Den fix besoldeten, auf eine gewisse Amtsdauer nach vorheriger Konkurrenzausschreibung und genauer Prüfung gewählten Beamten steht die Vielzahl der Arbeiter gegenüber, die, ohne annähernd ähnliche Vorsichtsmaßregeln, höchstens auf ein unmaßgebliches Zeugnis hin angestellt werden. In der Verwaltung läßt der nahe, sozusagen tägliche Verkehr mit den Untergebenen den Vorgesetzten bald über den Wert eines Beamten klar werden, während der Arbeitgeber meist erst nach längerer Zeit seinen Arbeiter unter so vielen kennen und beurteilen lernt. Das Institut der Lehrlinge und Aspiranten in der Post- und Telegraphenverwaltung ermöglicht es dieser, ihre künftigen Beamten genau kennen zu lernen. Eine solche Sichtung ist, wenn auch nur an-

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nähernd, in den Fabriken unmöglich und doch bildet sie die einzige Garantie für die Anstellung auf längeren Termin. Auch der Umstand, daß der Beamte ohne Rücksicht auf Überzeit-, Nachtund Sonntagsarbeit seine Obliegenheiten zu erfüllen hat und reglementarisch keine Entschädigung dafür zugesprochen erhält, muß hier als ein Nachteil erwähnt werden, von dem der Arbeiter in seiner durch das Fabrikgesetz genau geregelten Existenz nicht berührt wird.

Der letztere genießt zudem in anderer Beziehung eben dieselben Vorteile, wie ein ständiger Beamter. Einmal angestellt, verbleibt er es bei gutem Verhalten und andauernder Brauchbarkeit, während bei einem Beamten die Nichtwiederwahl genügt, um ihn um seine Stellung zu bringen.

Die große Gefahr für den rationellen Betrieb der eidgenössischen Fabriken und Etablissemente liegt bei Erfüllung der Wünsche der Bundesarbeiter bezüglich fixer Anstellung in dem je nach Umständen größeren oder geringeren Bedarf an Arbeitskräften. Diesen Schwankungen (z. B. 60 °/o in der Koristruktionswerkstätte, 17 °/o in der Waffenfabrik) stände nicht nur eine Überzahl von MX Angestellten gegenüber, sondern es wäre deren Entlassung durch die verlangten Kautelen überdies noch sehr erschwert. Dem Bunde würde somit zugemutet, was jedes gut geführte Privatetablissement unzweifelhaft finanziell ruinieren müßte.

Sehr richtig bemerkt hierüber der Bericht der eidgenössischen Kriegsmaterial ver waltung, technische Abteilung: ,,Die Natur dieser Werkstätten bringt es jedoch mit sich, daß das Entgegenkommen (den Wünschen der Arbeiter gegenüber) schließlich seine natürliche Grenze im Preise des erzeugten Produktes findet, der sich zusammensetzt aus dem Rohmaterialwerte und dem Werte der zur Erstellung verwendeten Arbeit D i e s e (Staats-) W e r k stätten verlieren ihre Existenzberechtigung, so bald die E r z e u g n i s s e i n f o l g e a b n o r m a l e r Bot r i ebs V e r h ä l t n i s s e die n o r m a l e n Preise üb ersteigen."· Auch dürfte sich die Privatindustrie, die infolge unserer Arbeitsbedingungen mit der ausländischen Konkurrenz einen schweren Kampf zu bestehen hat, eine Schaffung außergewöhnlicher Anstellungs- und Lohnverhältnisse in den eidgenössischen Werkstätten auf die Dauer nicht gefallen lassen. Der Bericht der eidgenössischen Waffenfabrik läßt sich also vernehmen : ,,Nach
unseren bisherigen Erfahrungen ist uns nun ein rationeller Betrieb mit Arbeitern im Angestelltenverhältnisse auf die Dauer nicht denkbar und ist uns kein gut geleitetes Privatetablissement, überhaupt kein

630 Friviitetablissement bekannt, welches diesbezüglich als Vorbild dienen könnte. Andererseits ist schon öfters der Grundsatz aufgestellt worden, daß die eidgenössische Waffenfabrik sich mit einem gut · geleiteten Privatetablissement solle vergleichen lassen können, und ist auch noch speciell im mehrerwähnten Bericht vom 5. Dezember 1895 von Fachleuten der Rat erteilt worden, sich den Verhältnissen der Privatindustrie anzupassen. "Wir würden es daher für einen großen Fehler halten, wenn von diesem Grundsätze abgegangen würde. a Aber nicht allein für das Verhältnis von Arbeitgeber zu Arbeiter, sondern auch für dasjenige von Arbeiter zu Arbeiter würde die Annahme des Postulates bedenkliche Seiten bieten. Es liegt in der beabsichtigten, schon jetzt in gewissem Maße bestehenden Bevorzugung des eidgenössischen Arbeiters gegenüber denjenigen der Privatindustrie eine Unbilligkeit, die unbedingt zu Neid und Unzufriedenheit führen müßte. Thatsächlich ist kein Grund zu einer Sonderstellung der Bundesarbeiter vorhanden, und es ist von vornherein ein grundsätzlicher Fehler,i statt sie mit den anaO logen Berufskategorien in Privatgeschäften zu vergleichen und denselben gleichzustellen, den Vergleich zwischen Beamten, Angestellten und Arbeitern gegenseitig vorzunehmen, in der Meinung, auf diese Weise ..gleiches Recht11 beanspruchen zu können. Hierzu bemerkt der Bericht des Direktors der eidgenössischen Konstruktionswerkstätte : ,,Es wären demnach die eidgenössischen Beamten mit den hohem, die eidgenössischen Angestellten mit den niedrigem Privatangestellten und die eidgenössischen Arbeiter mit den Arbeitern dei- Privatgeschäfte gleichzustellen. Thut man dies nicht, d. h. gesteht man dem Staatspersonal im Vergleiche zu Privaten mit analogen Leistungen weitgehende Vorteile, beziehungsweise besonders günstige Lebensverhältnisse zu, schafft man betreffend Anstellungsverhältnisse, beziehungsweise Kündigung eigene Gesetze für die eidgenössischen Arbeiter und bildet man so gleichsam einen besondern Staat im Staate, so erweckt man Unzufriedenheit und Mißgunst bei der solcher Vorteile nicht teilhaftigen Bevölkerung und Antipathie gegen alle eidgenössischen Institutionen."· Die eidgenössischen Arbeiter bilden nur einen kleinen Teil der gesamten schweizerischen Arbeiterschaft und gerade der Bund kann nicht angehalten
werden, für diese Minderzahl seiner eigenen Arbeiter Ausnahmeverhältnisse zu schaffen.

,,Jetzt schon", sagt der Bericht des Präsidenten des schweizerischen Schulrates, ,,ist die eidgenössische Verwaltung einigermaßen zum Zufluchtsort von Leuten geworden, die anderswo aus

631 diesem oder jenem Grunde nicht recht fortzukommen vermögen; jetzt schon besteht in hohem Grade bei den einmal in die eidgenössische Verwaltung eingestellten Bediensteten das schwer zu bekämpfende Bestreben, sich festzukleben ; daneben zeigt sich in nicht geringem Maße, bei wenig Hingebung und Pflichtgefühl, die Neigung zu stets sich mehrenden Ansprüchen, und dazu es als ein besonderes Verdienst geltend machen zu wollen, daß man seine Dienste dem Staate leiste. Wir sehen voraus, daß die in Frage stehende Regelung der Lohn- und Anstellungsverhältnisse in der Bundesverwaltung beschäftigter Arbeiter einerseits die erwähnten Übelstände und schädlichen Tendenzen fördern, andererseits aber es der eidgenössischen Verwaltung noch schwerer machen würde, als sie es jetzt schon hat, gegen diese Übelstände und Tendenzen aufzukommen. a Die Umschau in den verschiedenen staatlichen Betrieben hat ergeben, daß der Bedarf an Arbeitern einem beständigen Wechsel unterworfen ist. So schreibt z. B. der Direktor der Pferderegieanstalt in seinem Berichte: ,,Gegen ein stehendes Anstellungsverhältnis sprechen schon die Verhältnisse selbst an der Regieanstalt, da während dem größten Teile des Jahres beständige Veränderungen durch Abgang und Zuwachs der Pferde eine entsprechende Reduktion und wieder zeitweilige Anstellung von Wärterpersonal bedingen.* Eine Dauer der Anstellung für die einten grundsätzlich auszusprechen, würde einer großen Ungleichheit gegenüber einem ändern Teile der Wärter gleichkommen. Bei dem großen Wechsel wird übrigens den Verhältnissen der Einzelnen (z. B. ob in Thun ansäßig, ob- mit Familie oder nicht) möglichst Rechnung getragen.a Wieder andere staatliche Betriebe beschäftigen eine bedeutende Anzahl von Arbeitern (die Munitionsfabrik z. B. 385), die entweder aus alten Leuten oder ungelernten jungen Leuten, ja sogar aus solchen besteht, deren geistige oder körperliche Fähigkeiten nicht normale sind. Trotz vielfacher Mutation in dieser Kategorie kann doch bestimmt angenommen werden, daß viele dieser Leute, die in einem ändern Betriebe nur schwierig oder gar keine Verwendung finden könnten, alles thun, um ihrer Anstellung nicht verlustig zu gehen, und daß, wenn das Mitgefühl der Betriebsleitung hinzukommt, dann leicht bei .^Vollbeschäftigung" die vom Motionssteller festgesetzte Norm von zwei Jahren erreicht und überschritten würde. Der Bericht der Munitionsfabrik spricht sich hierüber folgendermaßen aus:

632 ,,Die Anstellungsverhältnisse in der Munitionsfabrik sind für unsere Arbeiter die gleichen, wie in jedem Privatetablissemente, das unter dem eidgenössischen Fabrikgesetz steht, indem durch das in obengenanntem Gesetz verlangte Fabrikreglement die Anstellungsverhältnisse gesetzlich geregelt sind.

,,Wenn durch das Postulat verlangt wird, daß das Anstellungsverhältnis der zwei Jahre ununterbrochen im Etablissement beschäftigten Arbeiter anders geregelt werden soll, so muß voraussichtlich die Abschaffung des Stundenlohnes und des im Fabrikgesetz vorgesehenen 14tägigen Kündigungstermines beabsichtigt sein. Unsere Ansicht in dieser Beziehung geht nun dahin, daß ein industrielles und arbeiten wollendes Etablissement einem solchen Begehren der Arbeiter nicht entsprechen kann.

,,Es können für die Munitionsfabrik Arbeitsperioden eintreten, in welchen Jahre lang forciert und mit successive bedeutend zu vermehrendem Arbeitspersonal gearbeitet werden muß, nach zxvei bis drei Jahren tritt der normale Betrieb wieder ein, und wenn unter solchen Verhältnissen das Etablissement, respektive dessen Direktion an ein Anstellungsverhältnis wie vorerwähnt gebunden ist, so ist uns nicht denkbar, wie die Fabrik -finanziell und rationell weiter arbeiten könnte.

,,Bei normalem Betriebe der Munitionsfabrik, zu welcher /eit sich die Bestellungen für die laufenden Jahre fast gleich bleiben, wird auch die Zahl des Arbeitspersonals dieselbe bleiben, man wird deshalb sagen, daß somit ein Anstellungsverhältnis, analog demjenigen der Post- und Eisenbahnangestellten, auch für unsere Verhältnisse passend sein müßte.

,,Dagegen ist nun einzuwenden, daß die in der Munitionsfabrik vorkommenden Arbeiten von denjenigen der Post- und Eisenbahnangestellten weit verschiedene sind.

,,Die Arbeiter der Munitionsfabrik müssen wenigstens in vier verschiedene Klassen eingeteilt werden : ,,Die 1. Klasse bilden die gelernten Berufsarbeiter in der Anzahl von cirka 80 Mann.

,,Die 2. Klasse bilden diejenigen Arbeiter, die, ohne einen bestimmten Beruf zu kennen, an Werkzeugmaschinen arbeiten, und die Taglohnarbeiter, die schwere Handlangerdienste verrichten, cirka 200 Mann.

,,Die 3. Klasse bilden die Arbeiter der Hülsen- und Geschoßfabrikation, deren Arbeit in einfachster, leichter Maschinenarbeit besteht, die vom Arbeiter keine Kraftaristre'ngung noch weitere

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Kenntnisse oder Intelligenz verlangt, und im Auslande fast überall von weiblichem Arbeitspersonal besorgt wird. In diese Klasse fallen cirka 190 Mann.

,,Die 4. Klasse endlich wird von den jungen Leuten unter 20 Jahren gebildet, deren Arbeit nur in ganz leichter Handarbeit besteht, die sich für ältere Leute so wenig eignet, wie das Stricken oder Nähen für diese passen würde. Solche junge Lente beschäftigt die Fabrik cirka 385, einschließlich solcher Leute, deren geistige oder körperliche Fähigkeiten nicht normale sind.

,,Es liegt nun in der Natur der Sache, daß in den 2 letzten Klassen immer Änderungen, Versetzungen oder Kündigungen vorkommen müssen, da ein Arbeiter, der noch einigermaßen Energie und Pflichtgefühl besitzt, selbst zur Erkenntnis kommen wird, daß er strengere und besser bezahlte Arbeit auszuführen im stände ist.

,,Daß die geringen Handarbeiten, sowie die leichte automatische Maschinenarbeit, die von jungen, ungelernten Arbeitskräften ausgeführt werden können, entsprechend geringer bezahlt werden müssen, wird als berechtigt anerkannt werden müssen.

,,Wenn nun die 1. und 2. Arbeitsklasse als bestimmte ständige Arbeitsklasse anerkannt und zugegeben wird, daß hier ein Anstellungsverhältnis mit längerer Kündigungsfrist und periodischer Aufbesserung eventuell eingeführt werden könnte, erscheint es uns aus Billigkeitsgründen gegenüber den anderen Arbeitsklassen und speciell der Arbeiter der Privat-Etablissemente, nicht für angezeigt, für diese Arbeitsklassen eine Ausnahme zu machen. Es wird einem Arbeitgeber nie zugemutet werden wollen, in Zeiten von Arbeitsmangel sein Personal längere Zeit zu behalten und zu bezahlen, da ein solches Verlangen den Ruin eines jeden Betriebes zur Folge haben müßte.

,,Wir kommen deshalb zur Ansicht, daß die Anstellungsverhältnisse, wie solche bis dahin in der Munitionsfabrik praktiziert und in allen Fabrikreglementen geregelt, die richtigen sind.",,Wenn nun a , sagt auch der Bericht des Militärdepartements, ,,in derartigen oder ähnlichen Fällen (z. B. der schon erwähnten Produktion in der Waffenfabrik, wo die Arbeiterzahl auf 4 bis 5 Jahre versechsfacht, und in der Munitionsfabrik, wo sie verdoppelt wurde), die stets wiederkehren werden, von vorneherein eine Anstellung auf längere Dauer nach 2 Jahren in Aussicht stunde oder gar gesetzlich normiert würde, so ginge naturgemäß das Bestreben der Arbeiter dahin, mit allen Mitteln diesen Zeitpunkt zu erreichen und sich eine dauernde Anstellung zu sichern.

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Bei Beendigung einer Periode außerordentlicher Produktion würde sich eine Überzahl von Arbeitern ergeben, für welche keine oder doch nicht hinreichende Beschäftigung vorhanden wäre."

Andrerseits schreibt der Direktor der Waffenfabrik: ,,Es ist auch zu berücksichtigen, daß, wenn schon efn Arbeiter zwei Jahre in der Waffenfabrik beschäftigt war, ohne entlassen worden zu sein, damit noch nicht bewiesen ist, daß derselbe zu definitiver Anstellung (im Angestelltenverhältnis) geeignet sei. Wir haben uns auch schon veranlaßt gesehen, Arbeiter zu entlassen, welche viele Jahre, sogar mehr als 20 Jahre, in der Waffenfabrik beschäftigt waren, und ist im allgemeinen und in solchen Fällen noch ganz besonders dem Direktor das Entlassen von ungeeigneten Arbeitern bereits so erschwert, daß, wenn solche sich noch dazu im Angestelltenverhältnis befänden, die Schwierigkeiten sich noch ganz erheblich steigern müßten. a Doch nicht allein die fixen Anstellungsverhältnisse, sondern auch der mit ihnen Hand in Hand gehende K ü n d i g u n g s m o d u s bedeutet eine Gefahr.

Der Bericht der eidgenössischen Kriegsmaterialverwaltung (technische Abteilung) äußert sich dahin : ,,Mit der Forderung nach einem ändern Anstellungsverhältnis ist es den Arbeitern jedoch mehr darum zu thun, die Disciplin im Betriebe zu lockern.

Die K ü n d i g u n g a u f k u r z e n T e r m i n ist in g r ü ß e r n B e t r i e b e n und gegenüber der heutigen Ar bei t er s cha ft u n u m g ä n g l i c h n ö t i g als e i n z i g w i r k s a m e s Di sci pli nund O r d n u n g s m i t t e l . Wenn der Arbeiter weiß, daß ihm nur auf langen Termin gekündigt werden kann oder Entlassungen erst durch Rekursinstanzen und Schiedsgerichte definitiv ausgesprochen oder durch solche wieder rückgängig gemacht werden können, wenn er Gelegenheit hat, zu diesem Zwecke einflußreiche Gönner ins Feld zu führen, so ist jede Autorität der Direktion und der Meister dahin, dann haben diese kein Mittel in * der Hand, um sich den nötigen Gehorsam zu verschaffen."

Der zweite Bericht der Fabrikinspektoren äußert sich in ähnlicher Weise: ,,Die Entlassung ist heute noch das einzige wirklich wirksame Disciplinarmittel." Und sowohl die Berichte des Militärdepartements als der Kriegsmaterialverwaltung machen nicht nur auf die finanziellen Folgen, sondern namentlich auch auf die unhaltbaren Zustände aufmerksam, die sich aus dem Aufenthalt von halb- oder gar nicht beschäftigten Arbeitern in den Etablissementen ergeben würden.

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Da das eidgenössische Fabrikgesetz, dem drei Viertel der Bundesarbeiter unterstellt sind, vor ungerechtfertigter plötzlicher Entlassung schützt, und die Arbeiter ihrerseits zum Austritt ohne Kündigung berechtigt sind, sofern sie ungesetzlich behandelt werden, überdies in Streitfällen der Schutz des Arbeiters vor Willkür von den Behörden als etwas selbstverständliches angesehen und ausgeübt wird, so ist die Schaffung einer n e u e n I n s t a n z oder Behörde für die Untersuchung der vorgenannten Fälle überflüssig.

Sie würde auch gefährlich, wenn die Betriebsleitung umgangen oder deren Entscheid gar suspendiert würde. Eine derartige Untergrabung der Autorität ist äußerst schädlich und für militärische Etablissemente geradezu undenkbar. Es bemerkt hierzu der Bericht der eidgenössischen Kriegsmaterial Verwaltung (technische Abteilung), daß in diesem Falle der Direktor auch von seiner Verantwortlichkeit enthoben werden müßte.

Das Gesetz sieht auch längere oder kürzere Kündigungsfristen vor, die durch besondere schriftliche Vereinbarung zum voraus zu ordnen sind. Das Fabrikinspektorat äußert sich in Bezug auf Kündigung in seinem Gutachten vom 25. Oktober 1898 dahin: ,,Längere Kündigungsfristen sind namentlich von Seiten der Arbeiter oft angefochten worden, da sie sich Freiheit der Bewegung sichern wollen, wenn ihnen eine besondere Stelle winkt oder die bisherigen Verhältnisse aus irgend einem Grund unleidlich werden.

Die Arbeitgeber bevorzugen meist längere Termine. Solche werden bei gewissen Kategorien von Arbeitern oder Angestellten durch Vertrag festgestellt, zuweilen aber auch kürzere.11 Die Fabrikordnungen selbst werden vom Arbeitgeber aufgestellt, von der betreffenden kantonalen Regierung -- meist nach Einholung eines Gutachtens des zuständigen Fabrikinspektors -- geprüft und genehmigt, nachdem vorher gemäß Art. 8 des Fabrikgesetzes den Arbeitern Gelegenheit geboten wurde, sich über die sie betreffende Verordnung auszusprechen.

Sind einmal die Verhältnisse derart geregelt, wie sie es durch das Fabrikgesetz faktisch sind, so bedarf es keiner Rekursinstanz zum Schutz der Interessen der Arbeiter. Der zweite Bericht der eidgenössischen Fabrikinspektoren sagt daher übereinstimmend: ,,Wir sehen also k e i n e n G r u n d , e i n e n e u e B e h ö r d e o d e r I n s t a n z für die E n t l a s s u
n g der eidgenössischen Arbeiter zu schaffen, weder für die, welche erst kurze Zeit im Bundesdienste gearbeitet, noch für diejenigen, die mehr als 2 Jahre, oft sehr ohne ihr Verdienst oder Zuthun, darin verblieben sind, am wenigsten in dem Fall, wenn durch diesen Weiterzug vor eine Appellations-

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instane der Entscheid der Betriebsleitung s u s p e n d i e r t und der Betrieb durch die Beibehaltung von unbrauchbaren Leuten gefährdet, die Aufrechterhaltung der Ordnung unmöglich gemacht werden sollte.a Ziffer 12 der Wünsche der eidgenössischen Arbeiter hat folgenden Wortlaut: ,,Eine für alle eidgenössischen Etablissernento gleiche allgemeine Arbeitsordnung, welche von der Bundesversammlung zu genehmigen ist, soll eingeführt werden. Die Wünsche der eidgenössischen Arbeiter sollen dabei berücksichtigt werden, nicht nur die Pflichten, sondern auch die Rechte der Arbeiter sollen fixiert werden. Solche Arbeitsordnungen müssen in allen Werkstätten etc. angeschlagen und jedem Arbeiter eingehändigt werden.a Bis dahin war es das Bestreben der kompetenten Behörden, um so gerecht als möglich zu verfahren, für jede Art von Betrieb eine eigene A r b e i t s o r d n u n g zu schaffen, in welcher die speciellen Verhältnisse der betreffenden Industrie, des Ortes etc. berücksichtigt werden könnten. Man vergleiche die hier in Frage kommenden Bundesbetriebe unter einander, und es wird selbst der Laie zur Überzeugung kommen, daß eine Unifizierung derselben unmöglich ist. Jede Fabrikordnung verlangt detaillierte Vorschriften ; nun wünschen sich die Bundesarbeiter eine echt bureaukratische Zwangsjacke für alle, die niemand paßen kann. Schon vor der Aufstellung des Postulates Wullschleger hatte das Militärdepartement s.Z. versucht, seine Etablissemente unter ein einheitliches Reglement zu bringen, aber es stand bald davon als einem Ding der Unmöglichkeit ab.

Bei diesem Departement kommen in Betracht : Waffenfabrik, Munitionsfabrik, Konstruktionswerkstätte, Montierungsmagazin, Kriegspulverfabrik, Centralrernontedepot, Pferderegieanstalt, Kriegsdepot., Kasernen und Lebensmittelmagazine. Da schon stellen sich den Wünschen unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen. Man versuche aber auch z. B. Pferderegieanstalt- oder Remontendepotverhältnisse nach dem gleichen Schema zu behandeln, wie diejenigen des Telegraphs oder der Post, und es ist in die Augen springend, wie unpraktisch und unmöglich jene ganz theoretische Forderung ist.

Tn ähnlichem Sinne wie die verschiedenen industriellen Etablissemente des Militärdepartements spricht sich auch die Postverwaltung aus, wenn sie sagt: -,,Die Postverwaltung hat schon seit Jahren darauf gehalten, daß die von ihr mit der Verpflichtung zur

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gewöhnlichen Arbeitszeit in ständige Verwendung genommenen Personen (Aushelfer bezw. Arbeiter -- denn nur diese Kategorie von Angestellten kann hier in Betracht fallen --) in ein festes Anstellungsverhältnis, mit fixem Jahresgehalt, gelangen, wodurch dieselben der Vorteile, welche ein festes Anstellungsverhältnis bietet, teilhaftig geworden sind. Wenn trotz dieses Verfahrens noch eine Anzahl nur mittelst Taggeld abgelöhnter Personen vorhanden sind, so ist dies auf ausnahmsweise Verhältnisse zurückzuführen. Unter diesen Personen sind solche, welche früher in fester Anstellung waren, die aber auf dem Disciplinarweg in das Verhältnis von Taglöhnern zurückversetzt worden sind. Dann giebt es solche, welche sich aus persönlichen Gründen verschiedener Art für eine feste Anstellung nicht eignen und wieder andere, die Posten versehen, die voraussichtlich in absehbarer Zeit in Wegfall kommen.0' Die eidgenössische Telegraphen Verwaltung drückt sich in gleicher Weise aus. Obschon bei ihr die Arbeit eine gleichmäßige und stabile ist, läßt sich nach ihrer Ansicht erst nach jahrelanger Verwendung mit Sicherheit bestimmen, ob die dienstlichen und moralischen Eigenschaften eines Arbeiters derart sind, daß die Verwaltung ein Interesse daran fände, denselben durch eine definitive Anstellung dauernd an sich zu knüpfen. Mancher könne auch, gewisser Fähigkeiten wegen, ganz wohl als Taglöhner beschäftigt werden, während ihn andere Eigenschaften zu einer definitiven Anstellung keineswegs empfehlen würden.

Der Bundesrat war schon früher im Falle, eine Eingabe der Telephonarbeiter vom 11. Dezember 1896 zu behandeln. Diese Eingabe ging dahin, es möchten die Anstellungsverhältnisse der schweizerischen Telephonarbeiter einer Reorganisation unterworfen werden, in dem Sinne, daß die letztern, d. h. wenigstens die seit einer Reihe von Jahren ständig beim Telephon beschäftigten Arbeiter den übrigen eidgenössischen Angestellten gleichgestellt werden.

Der Eingabe wurde keine Folge gegeben. Die Verwaltung gelangt nun zu folgender Schlußfolgerung: ,,Andrerseits zeigt die Erfahrung auch bei ändern Angestellten, daß der in provisorischer Stellung an den Tag getretene Eifer nicht selten einem gewissen Gehenlassen, verbunden mit einem anspruchsvollen Wesen, Platz macht, sobald die definitive Anstellung gesichert ist. Bei den Telephon-
und Telegraphenarbeitern ist auf diesen Umstand um so mehr Gewicht zu legen, als dieselben unmöglich fortwährend unter Aufsicht und Kontrolle gehalten werden können, weil sie häufig mehr oder weniger selbstständig auswärts beschäftigt werden müssen. Wiederholte, bei Bundesblatt. 51. Jahrg.

Bd. II.

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solchen Gelegenheiten vorgekommene Ausschreitungen, selbst von Seiten jahrelang beschäftigter Arbeiter, sind nicht gerade geeignet, die Verwaltung zu einer Änderung des bisherigen Anstellungsverhältnisses zu ermutigen, da das Taglohnsystem nach hierseitigen Erfahrungen sich durchaus bewährt hat und in Bezug auf Arbeitsleistung, und Aufrechthaltung der Disciplin die besten Resultate ergiebt. Man darf sich nicht verhehlen, daß neben den guten Arbeitern sich zahlreiche schlimme Elemente befinden, die zwar ihre wirklichen oder vermeintlichen Rechte sehr gut geltend zu machen wissen, die aber ein nur unvollkommen ausgebildetes Pflichtgefühl besitzen. Auch solche Leute können ja u n t e r bes t ä n d i g e r A u f s i c h t Verwendung finden, allein gegen eine d e f i n i t i v e A n s t e l l u n g derselben, nach kürzerer oder längerer Probezeit, bestehen die schwersten Bedenken.vWenn selbst in denjenigen Verwaltungszweigen, wie in der Post- und Telegraphenabteilung, wo infolge ihrer Organisation alle Geschäftsteile wie die Räder einer Uhr ineinandergreifen, ein einheitlicher Anstellungsmodus kategorisch verneint und als ein den guten Gang der Administration hinderndes Übel erkläi't wird, um wie viel schwieriger muß es dann sein, für alle diejenigen Etablissemente der Bundesverwaltung, wo die Arbeitsverhältnisse in einem und demselben Etablissement selbst so verschieden und ungleichartig sind, die gleiche Norm aufzustellen.

Die gewünschte Arbeitsordnung soll aber im fernem die R e c h t e und nicht nur die P f l i c h t e n der Arbeiter feststellen.

,,Das -- sagt der zweite Bericht der Fabrikinspektoren -- ist etwas längst gewährtes, wenigstens für diejenigen, welche unter dem Fabrikgesetz stehen. Darum wird jede Fabrikordnung vor ihrer Genehmigung den Arbeitern vorgelegt, damit sie Einwendungen und Wünsche zum Ausdruck bringen können. Die kantonalen Regierungen halten sich bei der Genehmigung nicht nur an den Buchstaben des Gesetzes, sondern sie eliminieren auch, was nach ihrem Dafürhalten unbillig oder unverständlich ist, und hunderte von Änderungen werden so jedes Jahr an den Fabrikordnungen vorgenommen, freilich ebensowenig immer nach der Meinung der Arbeiter, als nach dem Begehren der Prinzipale, sondern nach dem was gerecht und zum Wohl der Arbeiter erforderlich erscheint.a Vollends unverständlich
ist, warum gerade die Bundesversammlung berufen sein soll, sich mit der Formulierung einer solchen Fabrikordnung zu befassen und ebenso unklar ist das Postulat betreffend die A r b e i t e r k o m m i s s i o n e n . Der zweite

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Bericht der Fabrikinspektoren äußert sich dahin: ,,Wir sind sehr für unabhängig gewählte Kommissionen und begreifen es, wenn die Arbeiter die Wahl zu einer durchaus unbeeinflußten machen wollen. Sie sollen bestimmen, wie die Wahl vorgenommen werden soll. Dies geschieht auch in einer großen Zahl von größern Etablissementen, sowohl im Privat- als öffentlichen Betrieb. Es ist ganz am Platz, wenn diese Kommissionen die von den Arbeitern vorgebrachten Beschwerden untersuchen, auf ihre Berechtigung prüfen und, wenn sie dieselben begründet finden, sie bei der G-eschäftsleitung vorbringen. Es wird viel leichter sein, Beschwerden und Differenzen mit einigen wenigen Mittelspersonen zu erörtern, von denen wir voraussetzen, daß sie aus den verständigsten, ruhigsten und mit dem Betrieb vertrautesten Arbeitern gewählt seien. Die Arbeitgeber werden daher gut thun, diese Kommissionen als Vertreter ihrer Arbeiter anzuerkennen, wobei immerhin nicht ausgeschlossen ist, daß sie auch abweichende Äußerungen einzelner Arbeiter hören und berücksichtigen dürfen. Dies gilt natürlich für die Betriebe des Bundes, wie für die Privatbetriebe. Für diese erstem ist nun aber ,,amtliche" Anerkennung gewünscht worden. Wir halten dies für eine überflüssige Formalität. Der Betriebsleitung steht es ja doch frei, die Äußerungen der Arbeiterkommission als die Meinung der gesamten Arbeiterschaft oder nur eines Teils derselben zu betrachten und in letzterm Fall auch die ändern Meinungen anzuhören. Ebenso wird man sie nicht zwingen wollen und können, sich den Ansichten der Arbeiterkommission zu fügen. Es kann sieh also lediglich um eine Verpflichtung der Betriebsleiter handeln, die Vorbringen der Kommission anzuhören und in Erwägung zu ziehen. Dazu bedarf es aber einer bloßen Weisung des Bundesrates und nicht einer förmlichen amtlichen Anerkennung, aus der leicht ganz irrige Folgerungen gezogen werden könnten.ct Zu Ziffer 14 der Wünsche: ,,Es wird jedem eidgenössischen Arbeiter eine humane Behandlung garantiert. Für die Vorgesetzten, welche roh und herrisch sich gegen die Arbeiter benehmen, sollen Disciplinarstrafen bestimmt werden. Das Recht und die Freiheit der Vereinigung der eidgenössischen Arbeiter sind ihnen im vollsten Maße garantiert" machen die Fabrikinspektoren folgende Bemerkung: ,,Wir finden dies gerade so überflüssig, wie in
den Fabrikordnungen die Stellen, wo den Arbeitern Redlichkeit, Sittsamkeit etc.

vorgeschrieben wird. Humane Behandlung soll etwas selbstverständliches sein, Vereinsfreiheit ist schon durch die Verfassung garantiert. Werden diese Anforderungen nicht erfüllt, weiß dei'

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Arbeiter, wo er Klage zu führen hat und wo die Nichterfüllung auch geahndet wird. Die Oberbehörde hat zu beurteilen, ob das Benehmen eines Vorgesetzten roh und herrisch, ob es überhaupt tadelnswert sei. Einen Straf'kodex für derartige Dinge aufzustellen, wäre gerade so klug, ^yie wenn man dasselbe für .,,rohes Benehmen" der Arbeiter thun wollte.a Schwerwiegender wäre der Wunsch der Bundesarbeiter, ihre V o r a r b e i t e r selbst vorzuschlagen, wenn gleichzeitig dieses Vorschlagsrecht verbindlichen Charakter hätte. Dann wäre es einfach das Recht, diese selbst zu wählen und was dann aus Disciplin und Ordnung würde, ist leicht vorauszusehen. Deshalb glaubt der Bericht der Fabrikinspektoren darüber ,,kein weiteres Wort verlieren zu sollen'1.

Noch bleibt die Frage der L e h r l i n g e zu erledigen. Die Bundesarbeiter wollen deren Zahl auf 7 % der Arbeiterschaft reduziert wissen. Was verstehen sie aber unter Arbeiterschaft?

Wohl in diesem Falle die Zahl der g e l e r n t e n Arbeiter, da sonst in Betrieben mit geringer Zahl gelernter Arbeiter die Lehrlingszahl unverhältnismäßig groß würde. Uns scheint in dieser Frage hauptsächlich maßgebend zu sein, daß die Zahl der Lehrlinge nicht höher sei, als es der Zweck einer tüchtigen Lehre erfordert. In den Bundesbetrieben braucht nur die Minderzahl der Arbeiter eine Lehrzeit durchzumachen. Je schwieriger es ist, gelernte Arbeiter zu bekommen und je rascher der Bedarf an Arbeitern steigt, um so mehr steigt auch die Berechtigung, die Lehrlingszahl zu vermehren. Dies ist somit Sache der verantwortlichen Betriebsleitungen und nicht der Arbeiter, deren Wünsche viel zu weit gehen. Solche Fesseln sind in gewöhnlichen Zeiten zwecklos und würden in außergewöhnlichen durch den Drang der Verhältnisse ohne weiteres gesprengt.

II. Lohuverhältnisse.

Wir haben schon bei Erörterung der Anstellungsverhältnisse festgestellt, daß die natürliche Grenze des Entgegenkommens den Wünschen der Arbeiter gegenüber der P r e i s bildet, der aus Rohmaterialwert und Arbeitswert zusammengesetzt ist. Auch im Lohnverhältnis und in Verbindung damit in der Festsetzung der Arbeitstage und der Arbeitsdauer ist dieselbe Grenze zu berücksichtigen ; die Wünsche der Arbeiter bezwecken jedoch darin ganz beträchtliche Änderungen. Wir suchen dieselben übersichtlich zusammenzustellen wie folgt:

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1. Als arbeitsfreie Tage werden verlangt: alle Sonntage, alle Feiertage, wie für Beamte und Angestellte der Eidgenossenschaft, der 1. Mai, "14 Tage Urlaub.

Die Zahl der Feiertage mit 8 berechnet, wie sie im Gesetze als Maximum für die schweizerischen Fabrikarbeiter vorgesehen sind, kommen wir für jeden fix angestellten Arbeiter auf 75 freie, bezw. 290 Arbeitstage, abgesehen von der Abhaltung durch Krankheit, Militärdienst etc.

2. Die Arbeitszeit soll überall eine achtstündige sein.

3. Wo kontinuierliche Arbeit stattfindet, sollen jedem Arbeiter 52 freie Tage, wovon 26 Sonntage, gesichert sein. Die Arbeitsleistung findet in 3 Schichten statt.

4. Überstunden sind zulässig.

5. Gleiche Bezahlung für die Arbeit der Frauen wie der Männer.

6. Taglohn für Arbeiter über 20 Jahre, die noch nicht 2 Jahre im Dienste des Bundes stehen.

7. Jahreslohn für die fix Angestellten, über 2 Jahre im Dienste der Eidgenossenschaft stehenden.

8. Lohnerhöhung alle 3 Jahre bis zur Erreichung des Maximums. Für längere Zeit angestellte soll die Lohnerhöhung rückwirkend sein.

9. Zuschläge von 25 °/o für Überstunden bei Tage, von 50°/o für solche bei Nacht, von 100 % für Sonntagsarbeit. Bei kontinuierlichem Betrieb findet nur Entschädigung von 50 % für Arbeit über die Schichten hinaus statt. Bei Dislokationen oder Arbeit auswärts sind Zulagen zu geben, welche die Extraauslagen vollständig decken.

10. Bei Krankheit und Militärdienst wird voller Lohn bezahlt.

11. Arbeiter, welche 15 Jahre im Dienst des Bundes gestanden und arbeitsunfähig geworden sind, werden mit 4/s des Lohnes pensioniert. Nach seinem Tod bezieht die Witwe die Pension ihres Mannes noch 6 Monate fort.

12. Für besondere Abnutzung der^Kleider wird Entschädigung bezahlt.

13. Für genügendes Werkzeug sorgt die Eidgenossenschaft.

14. Bußengelder fallen in Unterstützungskassen der Arbeiter.

15. Betreffend die Höhe der Löhne wird verlangt: Taglohnminimum für ungelernte Arbeiter 4 Fr.

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Taglohnminimum für Berufsarbeiter 5 Fr.

Jahreslohn für fix angestellte, ungelernte Arbeiter 1500 bis 2200 Fr.

Jahroslohn für fix angestellte Berufsarbeifcer 1800 bis 3500 Fr.

Ad 1. (Feiertage und Ferien.) Das Gesetz hat einen Teil dieses Wunsches der Arbeiter schon längst gewährt. Neu sind das Begehren der offiziellen Freigabe des 1. Mai, den viele Betriebe bereits als Feiertag anerkennen, sowie die 14 Tage Ferien für fix Angestellte. Es existiert kein staatlicher oder Privatbetrieb, in dem dieses Recht auf Ferien besteht, und die Einführung dieser Forderung wäre vom Standpunkt eines rationellen Betriebes aus und in Berücksichtigung der Privatetablissemente, die auch hierin maßgebend sind, bedenklich. Es darf in der Beurteilung solcher Wünsche nie vergessen werden, daß bei aller Geneigtheit, denselben entgegenzukommen, die schweizerische Industrie durch zu weitgehende Begünstigungen nicht gefährdet und in ihrer Konkurrenzfähigkeit beschränkt werden darf. Der zweite Bericht der Fabrikinspektoren sagt hierüber : ,,Dem Obligatorium der Ferien stellen sich aber oft große Schwierigkeiten entgegen. Soll der Prinzipal die Zeit festsetzen, oder der Arbeiter? Wie nun, wenn der letztere zu einer Zeit weggeht, wo das Maß der zu leistenden Arbeit sich regelmäßig häuft oder durch ein ungewöhnliches Ereignis gesteigert wird ? wie, wenn durch seinen Weggang auch die Arbeit vieler anderer, die mit ihm Hand in Hand arbeiten, gestört oder verunmöglicht wird ? Und wie, wenn der Chef nur in flauer Zeit Ferien geben will, einer Zeit, wo vielleicht der AVert der Ferien Null ist?

Wenn aber auch eine freiwillige Verständigung leicht zu erzielen ist, darf die ökonomische Bedeutung dieser Ferien nicht außer acht gelassen werden, die in einer Verminderung des Erwerbs oder bei Jahreslohn in einer Verteuerung der Arbeit um cirka 4 °/o bestehen wird. a Ad 2. (Achtstundentag.) Wir schließen uns hier wiederum dem letzten Berichte der eidgenössischen Fabrikinspektoren an, der sich folgendermaßen ausspricht : ,,Der a c h t s t ü n d i g e Arb e i t s t a g ist ein bekanntes Postulat der organisierten Arbeiterschaft. Daß der Sprung von den jetzigen 11, resp. 10 üblichen Arbeitsstunden auf 8 ein so gewagter ist, daß er heute noch nicht unternommen werden darf, geben -- sofern es sich um unsere Gesamtindustrie handelt -- selbst alle ruhig denkenden Socialisten zu. Sie behandeln ihn nur als . das Ziel künftiger Jahre. Niemand wagt zu behaupten, daß auf einmal, ohne lange dauernde, all-

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mähliche Übergangsperiode in 8 Stunden so viel geleistet werden könne als in 11. Der schweizerische Arbeiterbund hat voi- nicht gar langer Zeit den Zehnstundentag zu verlangen beschlossen.

Die Buchdrucker, die Pioniere der Arbeitszeitverkürzung, haben in Vereinsbetrieben noch nicht zum Achtstundentag sich entschlossen. Keine Erfahrungen in unserer Bevölkerung und bei unsern Betrieben haben noch bewiesen, daß der Achtstundentag ohne Einbuße für die Arbeiter oder Arbeitgeber eingeführt werden könne. Wir sprechen uns infolgedessen gegen seine Einführung in die Betriebe des Bundes aus, ohne weiter zu erörtern, ob er in einzelnen derselben nicht auch aus betriebstechnischen Gründen unmöglich wäre. Wir können aber auch keinen Grund einsehen, warum die Arbeiter des Bundes, die sonst einer durchschnittlich kürzern Arbeitsdauer sich erfreuen, vor ihren Berufsgenossen so sehr bevorzugt werden sollten. Nur da, wo eine sehr anstrengende oder die gespannteste Aufmerksamkeit erfordernde Schichtenarbeit besteht, dürfte die Achtstundenschicht nicht nur im Interesse der Arbeiter, sondern auch in dem des Betriebes gelegen sein."

Ad 3 und 4. Diese Begehren sind von nicht wesentlicher Tragweite, da kontinuierlicher Betrieb selten erforderlich ist.

Was nun die L o h n f r a g e im allgemeinen betrifft, auf die eine Reihe der Wünsche der Arbeiter Bezug nehmen, so geht deren prägnanteste Tendenz nach Steigerung der gegenwärtigen Ansätze, gleicher Bezahlung der Frauenarbeit wie derjenigen der Männer, periodischer Lohnerhöhung, höhern Zuschlägen bei Überzeit-, Nacht- und Sonntagsarbeit und nach vollem Lohn bei Krankheit und Militärdienst.

Ad 5. Was den Wunsch nach G l e i c h b e z a h l u n g der Frauenarbeit betrifft, so gehen wir mit demselben einig, falls die Arbeit die gleiche in Bezug auf Leistung und Güte ist. Auch der zweite Bericht der Fabrikinspektoren schließt sich dieser Ansicht an, wenn er sagt : ,,Wir anerkennen das an die Spitze gestellte Prinzip : gleicher Lohn für gleiche Arbeitsleistung, gleichviel, von welchem Geschlecht sie herrühre. a Ad 6 und 7. Hier stoßen wir auf eine schon bei Besprechung der Anstellungsverhältnisse erwähnte Unbilligkeit, indem die Bevorzugung einer Arbeiterkategorie allein nur wegen ihrer längern Anstellungsdauer den ändern Arbeitern gegenüber schwer zu rechtfertigen wäre. Auch
der letzte Bericht der Fabrikinspektoren sagt hierüber: ,,Dagegen vermögen wir nicht einzusehen, warum der Arbeiter, der nicht zwei Jahre im Dienst des Bundes gestanden,

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aber vielleicht Vorzügliches leistet, schlechter soll gehalten sein, als der geringe Arbeiter, den man aus Mitleid oder ändern Rücksichten seit mehr als 2 Jahren im Dienst behalten hat. Wir f i n d e n , daß diese Bestimmung den Vorschlag der f i x e n A n s t e l l u n g n o c h u n a n n e h m b a r e r m a c h t , a l s er es aus den früher besprochenen Gründen schon war."

Ad S. Die bereits behandelte Frage der fixen Anstellung hier offen lassend, beleuchten wir die der periodischen L o h n a u f b e s s e r u n g , wobei seitens der Urheber der Wünsche abermals von dem Vorbehalt der Arbeitsqualität, sowie disciplinierten Verhaltens abgesehen und das volle Gewicht auf die mehr als zweijährige Arbeitszeit gelegt wird. Hierüber sagt das zuletzt erwähnte Citât aus dem zweiten Bericht der Fabrikinspektoren weiter: ,,Damit ist aber auch der obligatorischen, alle 3 Jahre im bestimmten Betrag von 300 Fr. erfolgenden L o h n e r h ö h u n g das Urteil gesprochen. Selbst für die höchst gestellten Beamten gilt der Vorbehalt anerkannt genügender Pflichterfüllung, -wenn die Gehaltserhöhung eintreten soll. Bei der Arbeiterschaft hingegen soll das Dienstalter allein das maßgebende sein. Wer seine Pflicht noch so mangelhaft thut, wegen mangelnder Fähigkeit noch so Geringes leistet, soll ruhig einer Zulage entgegensehen können, die seinen Lohn aufs doppelte von dem des trefflichsten jungen Arbeiters bringt."

Daß die Lohnaufbesserungen auch fernerhin [zu Recht bestehen, ist schon ihres großen moralischen Einflusses wegen notwendig, jedoch nur, wenn sie kein vom Arbeiter zu beanspruchendes R e c h t darstellen, sondern eine fr ei w i l ü g e A n e r k e n n u n g seiner guten Dienste verbleiben.

Auch der Bericht des Direktors der eidgenössischen Konstruktionswerkstätte teilt diesen Standpunkt, wenn er sagt: ,,Was die periodischen Lohnaufbesserungen anbelangt, so halten wir dieselben g r u n d s ä t z l i c h für gerecht und empfehlenswert, und zwar mit Rücksicht auf die größere Erfahrung, die sich selbst schwach begabte Leute mit der Zeit aneignen und als Anerkennung der geleisteten Dienste. Bei uns werden auch solche Lohnerhöhungen zeitweise vorgenommen. Eine gesetzliche Regulierung mit gleichmäßigen Aufbesserungsperioden mag im allgemeinen am Platze sein für Eisenbahner, Briefträger und überhaupt bei Berufen,
in denen die Stelleninhaber eine bestimmte Summe von Arbeit leisten müssen oder andernfalls die Stelle gar nicht versehen können, und wo das Aufsuchen eines ändern Arbeitgebers

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nicht leicht thunlich ist. Unsern Verhältnissen aber entsprechen gesetzlich normierte periodische Aufbesserungen nicht. Einerseits haben unsere Arbeiter nicht eine stets gleichbleibende Beschäftigung, wie z. B. diejenigen der Eisenbuhnwerkstätten, sondern viele neuartige Arbeiten auszuführen. Wir müssen an einen Teil der Arbeiter größere Ansprüche machen und daher in der Lage sein, befähigten Leuten in kürzern Fristen den Lohn aufbessern zu dürfen, als dies nach gesetzlich für Alle normierten Perioden geschehen könnte, indem wir sonst riskierten, daß fähige Leute in die Privatindustrie übertreten. Andrerseits muß leider betont werden, daß periodische Lohnaufbesserungen, die den Arbeitern s i c h e r in Aussicht stehen, nach unsern Erfahrungen auf die Thätigkeit eines Teils derselben geradezu nachteilig wirken würden: mußte doch schon ohnedies in letzter Zeit konstatiert werden, daß sich die Arbeiter viel weniger anstrengen als früher. Es ist erwiesen und Sie haben dies wohl auch schon aus unsern Devis und Rechnungen bemerkt, daß in neuester Zeit, trotzdem wir in den letzten 5 Jahren die Löhne um cirka 25 % erhöht und die Einrichtungen verbessert haben, durchschnittlich für gleiche Arbeiten mehr Zeit verwendet wird, als früher. Der Grund davon mag zum Teil in der neuerdings von gewisser Seite wieder mit größerer Heftigkeit betriebenen Agitation und Hetzerei zu suchen sein.

Wenn auch an die Entrichtung der regelmäßigen periodischen Lohnaufbesserungen Bedingungen geknüpft würden, wie solche für die Arbeiter der Eisenbahnwerkstätten aufgestellt sind, so könnten dieselben voraussichtlich doch nicht geltend gemacht werden. Die eidgenössischen Arbeiter sind erfahrungsgemäß schwieriger zu behandeln, als diejenigen der Privaten ; sie betrachten sich nebenbei auch ein wenig als Arbeitgeber, würden bei Verweigerung der Aufbesserung bei den Oberbehörden Einspruch erheben, und es wären endlose Streitigkeiten, die nicht zum Vorteil des Etablissements gereichen würden, vorauszusehen."· Ad !). Was die von den Bundesarbeitern gewünschten Zus c h l ä g e betrifft, so muß gesagt werden, daß sie nur teilweise höher sind, als die gegenwärtig in den eidgenössischen Etablissementen üblichen. Bisher galt im allgemeinen der Grundsatz, daß die Überzeitarbeit im Verhältnis zum Taglohn bezahlt werde.

In den Bundesbetrieben,
sowie in denjenigen Privatetablissementen, die am besten bezahlen, werden 25 % für Tagesarbeit und 50 °/o für Nachtarbeit entrichtet. Die Telegraphenverwaltung allein zahlt ,,bei öffentlichen Unglücksfällena zur Nachtzeit 100 °/o.

,,Es giebt aber -- sagt der zweite Bericht der Fabrikinspektoren --

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Beschäftigungen, \vo ihrer Natur nach von bestimmten Arbeitsstunden keine Rede sein kann, wo lange Perioden der Muße die Arbeit unterbrechen, welche regellos bald vor der üblichen Zeit beginnen, bald später endigen muß. Hier kann von eine)1 besonderen Vergütung für die Bethätigung vor oder nach einer gewissen Stunde nicht die Rede sein.a Die Wünsche der Arbeiter betreffend Extravergütungen bei Dislokationen halten wir für zu selbstverständlich, um uns darüber weiter auszusprechen. Der zweite Bericht der Fabrikinspektoreu lautet diesbezüglich : .^Unbeanstandet wird wohl der Wunsch bleiben, daß Mehrauslagen, zu denen der Arbeiter durch die Bes c h ä f t i g u n g a u ß e r h a l b s e i n e s W o h n o r t s gezwungen ist, sowie erforderliche Transportauslagen von der Verwaltung ersetzt werden, wobei es freilich selbstverständlich ist, daß der Ansatz hierfür nicht nach einer oft ungerechten Schablone, sondern mit Berücksichtigung aller Verhältnisse bestimmt werde. Jedenfalls erscheint es uns zweifelhaft, ob es zweckmäßig sei, Arbeitern, welche oft auswärts arbeiten, im Specialfall eine sehr niedrige Entschädigung zu gewähren, dagegen durch einen höhern Lohnansatz im allgemeinen etwelchcn Ersatz für häufig vorkommende Dislokationen zu bieten.''· Aä W. In der ungleich wichtigem Frage der Lohnauszahlung in K r a n k h e i t s f ä l l e n wird erst das Schicksal der Kranken und Unfallversicherung entscheidend sein. Doch werden die gleichen Gründe, die gegen Auszahlung des vollen Lohnes sprechen, hier wie dort maßgebend sein. Jedenfalls liefe man Gefahr, den Neid und die Eifersucht der ändern Arbeiter zu erwecken, wenn man auch in diesem Punkt die Bundesarbeiter günstiger stellen wollte, als alle ändern.

Die Berichte der Leiter der eidgenössischen Etablissemente verhalten sich der Frage der Auszahlung des vollen Lohnes in Krankheitsfällen gegenüber verneinend, mit Ausnahme der Telegraphendirektion, die für provisorisch Angestellte die Hälfte, für ständige Arbeiter den ganzen Lohn in Krankheitsfällen und Militärdienst gewährt. Hier drängt sich die Notwendigkeit einer Regulierung dieser Verhältnisse für a l l e eidgenössischen Betriebe unabweislich auf, da eine Unbilligkeit darin liegt, analoge Fälle verschieden zu behandeln. Die von den verschiedenen Betriebsleitern angeführten Gründe gegen Auszahlung des vollen Lohnes bestehen namentlich in den erfahrungsgemäß zahlreich vorkommenden Mißbräuchen, denen gegenüber sie in dem Maße machtlos

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wären, als die Lohngewährung erhöht würde. Es kommt schon bei Yt-Taglohnauszahlung vor, daß Krankheit simuliert wird. Daraus kann man schließen, welch demoralisierende Wirkung die volle Löhnung haben würde.

Was die Auszahlung des Lohnes im Falle von Militärdienst betrifft, so dürfte sie für die Arbeiter der eidgenössischen Regiewerkstätten durch die den Akten beigegebene Verfügung dos Militärdepartements vom 25. Februar 1898 in befriedigender Weise geordnet sein.

Ad 11. (Pensionierung.) Nachdem seiner Zeit das Pensionsgesetz für die eidgenössischen Beamten und Angestellten vom Volke abgelehnt worden, ist die Möglichkeit der Einführung einer Pensionsberechtigung für die eidgenössischen Arbeiter nicht einzusehen. Die einzige Unterstützung, welche der Bund seinen Beamten zukommen läßt, besteht darin, daß er denjenigen, welche dem Schweizerischen Lebensversicherungsverein beitreten, einen gewissen Prozentsatz an die Prämie zusichert, und man kann gewiß nicht mit Unrecht sagen, daß der invalid gewordene Beami e oder dessen Unterlassene Familie oft noch schlimmer daran ist, als die Familie des Arbeiters, die in der Regel in höherem Maße zur Selbsthülfe befähigt ist. Die Mehrzahl der eidgenössischen Etablissemente besitzt Alters- und Sterbekassen, an die der Bund beträchtliche Beiträge zahlt. Erst wenn einmal die Kranken- und Unfallversicherung ins Leben getreten sein wird, und bezüglich ihres Ganges ein sicheres Resultat erzielt worden ist, kann die Frage betreffend Einführung einer Invalidenunterstützung oder anderer ähnlicher Institutionen näher geprüft werden. Einstweilen ist der Bund finanziell nicht stark genug, um sich an diese Aufgabe heranzuwagen.

Ad 12 und 13. Die hier aufgestellten Forderungen der Arbeiter sind so untergeordneter Natur, daß wir es nicht für nötig erachten, auf sie einzutreten. Eine allgemeine Verordnung einzuführen, wäre unzweckmäßig. Überlassen wir es der Leitung eines jeden einzelnen Etablissements, zweckdienliche Vorschriften, die der Eigenheit eines jeden angepaßt sind, aufzustellen.

Ad 14. (Bußen.) Soweit dieser Teil der Wünsche der eidgenössischen Arbeiter diejenigen Etablissernente betrifft, welche dem Bundesgesetz über die Arbeit in den Fabriken unterstellt sind, ist er gegenstandslos, indem dieses Gesetz in Art. 7, Abs. !J, ausdrücklich vorschreibt : ,,Die verhängten Bußen sind im Interesse der Arbeiter, namentlich für Unterstützungskassen, zu verwenden.a

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Ad lò. Ungleich wichtiger ist endlich die verlangte Aufstellung eines M i n i m a l - und M a x i m al l o h n e s. Die Aufstellung des Minimallohnes ist schon lange ein Programmpunkt der Arbeiterassociationen ; der Minimallohn wird vielfach als eine große Errungenschaft für den Arbeiter bezeichnet. Wie die Erfahrung zeigt, ist derselbe aber oft genug ein zweischneidiges Schwert.

Gewiß ist es Pflicht eines jeden Arbeitgebers, dem Arbeiter einen seinen Leistungen entsprechenden Lohn auszuzahlen, und hinwiederum ist es Pflicht des Staates, der Privatindustrie hierin mit gutem Beispiele voranzugehen. Doch ist es klar, daß einem bestimmten Maß von Ansprüchen auch ein bestimmtes Maß von Leistungen entsprechen muß, wenn der Minimallohn ein faktischer Arbeitsgegenwert und nicht ein Almosen sein soll. Wie der zweite .Bericht der Fabrikinspektoren meldet, ist der Minimallohn in manchen Geschäften bereits eingeführt, und sind dieselben nicht wenig stolz auf ihre Leistung. Diese Neuerung hat aber eine empfindliche Kehrseite : In vielen Etablissementen mit Minimallöhnung wird eben jeder, der nicht eine den Minimallohn rechtfertigende Leistung aufweist, einfach entlassen. Denn daß geringe Leistungen weit über ihren Wert bezahlt worden, kann auf die Dauer nicht angehen ; kein Etablissement könnte es auf Jahre hinaus aushalten. Für schwächere, aber arbeitswillige Hände bedeutet der Minimallohn somit keinen Vorteil, sondern eine Härte, und er ist als eine künstliche, daher verwerfliehe Aufschraubuug der Löhne zu betrachten. Wohl wird ein leistungsfähiger Arbeiterstand geschaffen, aber was soll mit den für untauglich erklärten Leuten geschehen? In den Werkstätten ohne Minimallohn findet auch der geistig unbegabte Junge Anstellung für Arbeit, zu der bloße Kraft ohne viel Verstand hinreicht, und auch Alte, Schwache oder Kränkliche finden Verwendung. Alle diese Leute sind froh, mit einer ihrer Leistungsfähigkeit entsprechenden Arbeit ihren bescheidenen Lebensunterhalt verdienen zu können und niemand zur Last fallen zu müssen. Gewiß müssen auch diese Leute, die z. B. in den eidgenössischen Etablissementen in verhältnismäßig großer Anzahl vorhanden sind, berücksichtigt werden, und gerade der Bund sieht sich dazu verpflichtet. Die Frage der Einführung des Minimallohnes hat eine sehr bedeutende volkswirtschaftliche
Tragweite, von der sich die petitionierende Arbeiterschaft, die doch nächstbeteiligt wäre, nicht genügend Rechenschaft giebt. Neben dem leistungsfähigen Arbeiterstand entstände eine Klasse der Enterbten, denen ungerechterweise die Möglichkeit der Selbsterhaltung geraubt würde. Dieselben

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fielen den Gemeinden und wohlthätigen Anstalten zur Last, die entweder finanziell unterliegen würden oder nur in ganz ungenügender Weise für diese Großzahl von Bedürftigen sorgen könnten.

Die Wichtigkeit der Frage des Minimallohnes verdient auch von dieser Seite beleuchtet zu werden, damit nicht einer Theorie zu liebe entweder unzählbare Existenzen geopfert, oder die Arrnenfonds der Gemeindewesen erschöpft werden. Der letzte Bericht der Fabrikinspektoren schließt sich dieser Ansicht völlig an, wenn er bezüglich der Einführung des Minimallohnes sagt: ,,Was soll aber auf diese Weise aus dem beschränkten Jungen, aus dem unbeholfenen Mann, aus der alten oder kränklichen Person werden, wie solche auch in einzelnen Betrieben des Bundes sich nicht selten vorfinden ? Sollen diese Leute, denen Kraft oder Intelligenz zur Erworbung eines vollen Lohnes fehlt, die aber bei leichter Arbeit sich doch noch ganz oder zum Teil ihren Lebensunterhalt erwerben, durch Arbeit ihrem langweiligen Dasein einen gewissen Reiz verleihen können, abgeschoben werden, oder sollen die Kosten des Betriebs, in dem man sie zum Minimallohn beibehält, ins ungemessene erhöht, die Bundesgelder verschleudert werden? Sind die Ortschaften, welche solche Leute liefern, durch deren Zurückweisung schwer zu schädigen oder durch übermäßigen Lohn für geringe Arbeit übermäßig zu begünstigen? Und wie soll es in den Fällen gehalten werden, wo der Arbeiter im Vertrauen auf den Minimallohn in seiner Thätigkeit nachläßt, wo er darauf baut, daß man nicht wage, ihn, den Vater einer zahlreichen Familie, brotlos zu machen, oder daß er mit seiner bekannten Tüchtigkeit im Arbeiten unentbehrlich geworden sei und sich wohl seiner Neigung zum Nichtsthun hingeben dürfe? So geben wir denn einer wohlwollenden, sachverständigen Prüfung der Lohnansätzo durch die Oberbehörden, wobei die Löhne weit eher den Leistungen und dem Bedarf der Arbeiter angepaßt worden können, weitaus den Vorzug vor der Festsetzung eines Minimallohnes, mit dem man Parteilichkeit und Ungerechtigkeit zu verhüten hofft, der aber oft genug eine Ungerechtigkeit selbst wäre.a Der Direktor der eidgenössischen Konstruktionswerkstätte schreibt: ,,Die Einführung von gesetzlichen Minimallöhnen könnte für unser Etablissement mit Rücksicht auf die Privatkonkurrenz lediglich nur zur Folge haben, daß Arbeiter,
welche den Minimallohn nicht verdienen, entlassen werden müßten. Für die Arbeiter hätte deren Einführung somit keinen Vorteil. Unsere dermaligen Lohnminima sind übrigens beträchtlich höher, als bei den Privaten der gleichen Berufsarten in hiesiger Gegend.

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Die Festsetzung von Maximallöhnen hängt mit der Einführung der periodischen Lohnaufbesserungen zusammen und könnte ohne diese nur den Sinn haben, den Direktoren von der Oberbehörde aus eine Grenze zu ziehen, die nicht überschritten werden darf.

Wir halten es für zweckmäßiger, eine solche nicht gesetzlich zu normieren, indem besondere Umstände doch wieder Abweichungen nötig machen -könnten."· Auch der Bericht des Post- und Eisenbahndepartements (Telegraphenabteilung) konstatiert, daß die von ihr bezahlten Löhne beträchtlich höher seien, als in allen ihr bekannt gewordenen fremden Verwaltungen, wie der deutschen Reichsverwaltung, der bairischen, württembergischen und österreichischen Verwaltung.

Dieselben durch Einführung des Minimal- und Maximallohnes nach einer festen Schablone zu bestimmen, sei durchaus unzweckmäßig, da der Lohn sich nicht nach der Arbeit zu richten habe, wie sie dem Arbeiter übertragen werde, sondern wie er sie qualitativ und quantitativ leiste.

Was die Gemeinwesen der Städte Basel, Bern und Zürich betrifft, so hat nur letztere die Lohnansätze der im Dienste der Stadt beschäftigten Arbeiter reglementarisch geregelt. Art. 152 der Gemeindeordnung der Stadt Zürich vom 24. Juli 1892 besagt: ,,Der Stadtrat bestimmt die Lohnansätze für die im Taglohn beschäftigten Bediensteten und Arbeiter. Als Mindestlohn bei zehnstündigem Arbeitstage ist für erwachsene Handlanger ein Ansatz von Fr. 4, für erwachsene Handwerker ein Ansatz von Fr. 4. 50 zu Grunde zu legen.a Wir konnten nicht darüber unterrichtet werden, welche Erfahrungen bei der Ausführung der citierten Gemeindeordnung gemacht worden sind.

Basel-Stadt hat in seiner Allgemeinen Dienstordnung für die Arbeiter der öffentlichen Verwaltungen vom 11. Dezember 1897 nur das Anstellungs-, nicht aber das Lohnverhältnis gesetzlich geregelt und der Gemeinderat der Stadt Bern teilt in seiner Zuschrift vom 16. Januar 1899 mit, daß die vermittelst eines Initiativbegehrens verlangte Einfuhrung des Minimallohnes in der Gemeindeverwaltung von der Gemeinde verworfen worden sei, nachdem der Gemeinderat mit Beschluß vom 18. August 1897 eine auf die Festsetzung des Minimallohnes hinzielende Eingabe des Gemeindearbeitervereins vom 6. Juni 1896 abschlägig beschieden hatte.

651 Aus dem Gebiete einzelner Gemeinden ist also wenig Rat zu holen. Der Bund aber darf nicht das Versuchsfeld für die Lösung von Problemen bilden, deren Nützlichkeit für die Allgemeinheit zweifelhaft ist. In allen seinen Regiewerkstätten steigen die Löhne mit der Anzahl der Dienstjahre, aber selbstverständlich müssen gute Leistungen die Voraussetzung der Lohnerhöhung bilden.

Damit gelangt der Bund in den Besitz eines ,,Stockes11 von guten und zuverlässigen Arbeitern, der namentlich für den Betrieb der Militäranstalten von großem Werte ist. Wenn nun aber diese Löhne allzusehr das Maß derjenigen der anerkannt am besten zahlenden Etablissemente der Privatindustrie übersteigen sollten, so würde damit wiederum der übrige und weitaus größere Teil der Arbeiterschaft zu gunsten einer einzelnen Arbeiterklasse benachteiligt.

In der vom Militärdepartement veranstalteten Konferenz betr.

Anstellungs- und Lohnverordnung für die eidgenössischen Regiewerkstätten (vom 9. Februar 1898) waren die Direktoren mit der Aufstellung einer Lohnordnung einverstanden, sofern sie als Wegleitung für die leitenden Organe gelten solle. Im übrigen sprachen sich die Direktoren im allgemeinen gegen eine periodische Lohnaufbesserung aus. Die Thatsache, daß infolge der periodischen Lohnaufbesserungen alle Arbeiter, ob gut oder schlecht, gleiche Löhne erhalten, ist nach ihrer Meinung von ungünstigem Einfluß auf die Disciplin ; die Autorität der Direktoren und Meister leidet, wenn sie nicht mehr das Recht der Festsetzung der Löhne besitzen.

Über die in den Bundesbetrieben bezahlten Löhne liegen zuverlässige Angaben vor ; sie stimmen allerdings mit denjenigen, die Herr Dr. Wassilieff in seiner Broschüre ,,Die Lohn- und Anstellungsverhältnisse der eidgenössischen Arbeiter" gemacht hat, nicht ganz überein. Der zweite Bericht der Fabrikinspektoren bringt hierüber folgendes : ,,Dies erklärt sich leicht, einerseits aus dem Umstand, daß letztere nicht den Lohn per A r b e i t s t a g angiebt, wie sonst überall üblich, sondern Arbeits-, Sonn- und Feiertage zusammen in den Gesamtlohn dividiert und so einen um cirka 1/ä zu kleinen Lohn herausrechnet, andrerseits wohl auch aus der Mangelhaftigkeit und Ungenauigkeit ihrer Quellet. Wie sehr damit zu rechnen ist, beweist die Pulverfabrik Worblaufen mit ihrer Korrektur im genannten Schriftchen
und noch mehr die Erfahrung, welche das schweizerische Arbeitersekretariat seiner Zeit mit seinem Versuch einer partiellen Lohnstatistik machte.

,,Um die Lohnangaben richtig beurteilen zu können, genügt, es nicht, die nackten Zahlen zu kennen, es kommt das Alter, die

652

Leistungsfähigkeit der beschäftigten Personen und vor allern auch die Art ihrer Arbeit in Betracht, die Leistungen, welche der Arbeitgeber für Kranke, Invalide, Hinterlassene der Arbeiter, für solche, die Militärdienst zu leisten haben, für Speiseanstalten und andere sogenannte Wohlfahrtseinrichtungen macht. Für all dies liegen uns nicht genügende Zahlen vor; doch wissen wir, daß es eine sehr erhebliche Zulage zum Lohn bedeutet. So werden die, auch sonst in üblicher Weise berechneten, Löhne der Munitionsfabrik in Thun in ganz anderm Licht erscheinen als in der Wassilieffscheu Broschüre, wenn man berücksichtigt, wie wenig Leistungsfähigheit ein Teil der dortigen Arbeiter besitzt, bei denen 98 Knaben und 86 Männer über 50 Jahre beschäftigt sind, d. h. cirka 22 % aller Arbeiter, welche große Summen für Wohlfahrtseinrichtungen und Anstalten aller Art ausgegeben werden, die zum Teil auf ökonomische Besserstellung der Arbeiter abzielen.u Der Bericht der eidgenössischen Kriegsmaterial Verwaltung, technische Abteilung, läßt sich über diesen Punkt folgendermaßen vernehmen: ,,Was nun die H ö h e der L ö h n e anbelangt, so hat diese Frage schon zu wiederholten Malen Anlaß zu Untersuchungen gegeben. Es ist dies auch der Angelpunkt, um welchen sich alle Bestrebungen drehen, die im Grunde genommen, stets auf eine direkte und indirekte Lohnerhöhung hinzielen. Die angestellten Untersuchungen haben stets ergeben, daß die in den eidgenössischen Werkstätten bezahlten Löhne denjenigen in keiner Weise nachstehen, welche in den bestgeleiteten schweizerischen Etablissementen den Arbeitern gleicher oder ähnlicher Berufstätigkeit bezahlt werden. Allerdings darf man bei dieser Vergleichung den auf die Woche entfallenden Lohn nicht das eine Mal auf 7, das andere Mal auf 6 Tage verteilen und wenn Dr.

Wassilieff bei einer solchen Vergleichung zum Schlüsse kommt, daß die Lohn Verhältnisse der eidgenössischen Arbeiter noch lange nicht die idealen, in einigen Etablissementen sogar sehr traurige sind, so vergißt er, zu erwähnen, daß in der eidgenössischen Munitionsfabrik, welcher diese Bemerkung gilt, mehrere hundert Knaben, selbst Krüppel Beschäftigung finden, welche anderwärts .zum großen Teil überhaupt keine Arbeit finden, auf alle Fälle nirgends nur annähernd diesen ,,traurigen" Lohn erhalten würden.

Anderwärts wird der
größte Teil der in der Munitionsfabrik vorkommenden Arbeiten durch Frauen mindestens ebenso gut, aber durchwegs rascher und bedeutend billiger ausgeführt."

Vergleichen wir schließlich noch die Lohnansätze der eidgenössischen Regiewerkstätten mit denen der schweizerischen Central-

653 bahn, der Nordostbahn und der Jura-Simplon-Bahn, so ergiebt sich, daß die vom Bund- bezahlten Löhne im Durchschnitt günstiger sind, als diejenigen jener Bahnverwaltungen.

Schlussfolgerung.

Nachdem durch Umfrage bei den verschiedenen Leitern eidgenössischer Etablissemente diesen Gelegenheit geboten worden ist, sich in der durch das Postulat Wullschlcger angeregten Frage zu äußern, können wir in Berücksichtigung ihrer maßgebenden, auf Sachkenntnis und Erfahrung beruhenden Begutachtung folgendes konstatieren : 1. Alle gehen darin einig, daß in Zukunft wie bisher die eidgenössischen Werkstätten in Bezug auf Anstellungs- und Lohnverhältnisse den bestgeleiteten Privatetablissernenten vorangehen sollen.

2. Daß jedoch diese Begünstigung des Bundesarbeiters in denjenigen Schranken zu halten sei, welche die Rücksicht auf die schweizerische Privatindustrie einerseits und auf die solcher Vorzüge nicht teilhaftig werdende Arbeitermehrheit außerhalb der Bimdesbetriebe andrerseits ihr setzen.

3. Für eidgenössische--Betriebe, welche unter dem Fabrikgesetze stehen und deren Leiter für die Jahresbilanz verantwortlich sind, haben die bisherigen erprobten Lohn- und Anstellungsverhältnisse weiter zu bestehen.

4. Von der Einführung des Minimallohnes ist in Berücksichtigung der verschiedenartigen Arbeitskräfte Umgang zu nehmen.

5. Von der Einführung des Achtstundentages ist abzusehen, da sie die einheimische Industrie in ihrer Konkurrenzfähigkeit gefährdet und der Natur einzelner eidgenössischer Betriebe zuwiderläuft.

6. Die projektierte Kranken- und Unfallversicherung dürfte die Wünsche der Arbeiterschaft des Bundes bezüglich Lohnauszahlung bei Krankheit u. s. w. in einer alle schweizerischen Arbeiter berücksichtigenden Weise erledigen. Eine diesem Gesetz vorgreifende Bestimmung ist inopportun.

7. Nachdem das Schweizervolk durch Abstimmung vom 15. März 1891 das Bundesgesetz betr. die arbeitsunfähig gewordenen eidgenössischen Beamten und Angestellten (vorn 26. September 1890) verworfen hat, kann nicht erwartet werden, daß dasselbe Bundesblatt.

51. Jahrg. Bd. U.

43

654

einer Pensionierung der Bundesarbeiter allein zustimmen würde, und es darf in Berücksichtigung der schweren finanziellen Folgen auf das Gesuch der Bundesarbeiter nicht eingetreten werden.

Dies sind nach Einsichtnahme der einschlägigen umfangreichen Berichte und nach sorgfältiger Abwägung aller dabei ins Gewicht fallenden Faktoren die Schlußfolgerungen, zu denen man gelangen muß. Das Bestreben, allen Arbeitskräften, Verhältnissen und Institutionen nach Möglichkeit gerecht zu werden, ohne jedoch in näherer oder entfernterer Zukunft die Finanzen des Landes durch Experimente zu gunsten einer Kategorie von Arbeitern und auf einem Boden zu gefährden, auf dem es der im Kampf mit der Konkurrenz begriffenen Privatindustrie unmöglich ist, nachzufolgen, bestimmen den Bundesrat, das Postulat Wullschleger a b l e h n e n d zu beantworten. Jeder Tendenz nach Besserung des Loses der Arbeiter i n d e n S c h r a n k e n d e r M ö g l i c h k e i t u n d Ger e c h t i g k e i t hold, kann der Bundesrat in den Wünschen der Bundesarbeiter diese Garantien nicht erblicken, und er muß davon absehen, den Ansprüchen verhältnismäßig Weniger zu ungunsten der Mehrheit zu entsprechen. Das Wohl der Allgemeinheit im Auge behaltend, wird der Bundesrat bestrebt sein, auch fernerhin sowohl in seinen Etablissementen als auf andere Weise die Wohlfahrt des schweizerischen Arbeiterstandes zu fördern und zu heben.

Wir schließen, indem wir Ihnen beantragen, das Postulat Nr. 549 als mit gegenwärtigem Berichte erledigt zu betrachten.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 28. April 1899.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

655 Beilage 1.

Mollis, den 17. Februar

1898.

An das schweizerische Industriedepartement m

Bern.

Sie haben uns die Frage zur Beantwortung vorgelegt : ,,ob nicht die Lohn- und Anstellungsverhältnisse der mindestens zwei Jahre im Dienste der Bundes Verwaltung gestandenen, vollbeschäftigten Arbeiter gesetzlich zu regeln seien.a Wir beehren uns, Ihrem Wunsche nachzukommen.

Es handelt sich bei diesem Antrag um die Arbeiterschaft von cirka 20 Betrieben mit 1700--2000 Personen. Die große Mehrzahl derselben steht im Dienste der Militärverwaltung. Mit verschwindenden Ausnahmen sind alle Schweizerbürger, alle männlichen Geschlechts und fast alle erwachsen. Ihre Funktionen sind sehr verschiedener Natur; zum Teil ganz fabrikmäßige, wie in der Waffenfabrik und Telegraphenreparaturwerkstätte, sowie in der eidgenössischen Münze in Bern, in der Munitionsfabrik und Konstruktionswerkstätte in Thun, in den verschiedenen Pulvor. fabriken. Wesentlich anders gestaltet sich der Betrieb in den verschiedenen Materialverwaltungen und Depots oder wieder in der Pferderegieanstalt oder dem Hengstendepot, in welche uns unsere amtlichen Obliegenheiten nie geführt haben.

Der weitaus größte Teil dieser Arbeiter steht unter dem eidgenössischen Fabrikgesetz.

Die Lohn- und Anstellungsverhältnisse der meisten dieser Leute sind also durch die Bestimmungen des Fabrikgesetzes bereits

656

bis auf einen gewissen Punkt geregelt. Die Motion sagt uns nicht, wie und in welcher Richtung dies weiter geschehen soll.

Es liegt zunächst, an eine E r h ö h u n g des L o h n e s zu denken. Um darüber ein richtiges Urteil -/M gewinnen, mülitcn wir nicht nur die Löhne kennen, welche gegenwärtig in den verschiedenen Etablisscmenten gezahlt werden, sondern auch die Zusammensetzung der Arbeiterschaft nach Alter und Leistungsfähigkeit.

Diese Kenntnis geht uns in vielen Fällen ab. In den Schwarzpulverfabriken beziffert sich der durchschnittliche Lohn eines gewöhnlichen Arbeiters nach uns vorliegenden Angaben in 10 Arbeitsstunden auf Fr. 5. 60. Eine bei Anlaß einer amtlichen Untersuchung gemachte Zusammenstellung der Löhne in der Waffenfabrik in Bern ergab, daß bei 9 Va stündiger Arbeit 86,2 % der Arbeiter Löhne über Fr. 4 per Arbeitstag und 41,i n/o solche über Fr. (S bezogen, während die entsprechenden Zahlen in ändern, privaten, Waffenfabriken nur auf 70,s, resp. 21,3 °/o stiegen, in letztem bei 10 stündiger Arbeitsdauer. Von 160 Arbeitern der Lohnliste waren 71 seit 10--24 Jahren in der eidgenössischen Waffonfabrik und manche davon standen in den 60er und 70er Jahren. Von diesen verdienten 14 Mann Fr. l per Stunde, 5: 80--95, 29: 60--80, 23 unter 60 Cts.

Leider beweisen die von der Pulverfabrik Worblauferi an den Angaben der Wassilieffschen Broschüre angebrachten Korrekturen, daß die demselben gemachten Mitteilungen über die Lohnbeträge nicht ganz zuverlässig sind und von uns hier nicht benutzt werden dürfen, obwohl sie das einzige uns /u Gebote stehende Material aus einzelnen Betrieben bilden würden. Immerhin glauben wir annehmen zu dürfen, daß sich die Löhne der Bundesarbeiter so stellen,i da3 sie von denen in Privatgeschäften selten oder nie O erreicht, jedenfalls aber für gleiche Leistung nicht übertreffen werden. Es ist nämlich hervorzuheben, daß eine ebenso große Zahl alter und daher wenig leistungsfähiger Männer in keiner ändern Gruppe von Fabriken für Maschinenbau oder Metallarbeiteri getroffen wird, wie sie in den analogen Betrieben des Bundes zu finden ist, daß also der für die Gesamtarbeiterschaf't erreichte Durchschnittslohn um so höher zu schätzen ist. In Ermangelunggenügender Detailkenntnis gestatten wir uns aber kein Urteil über die Hinlänglichkeit der Löhne in einem nicht
unbeträchtlichen Teil der Bundesbetriebe.

Die beantragte Regelung der Löhne kann sich aber auch auf die Berechnungsweise des Lohnes, die Feststellung von Minimallöhnen, auf Alterszulagen und ähnliches beziehen. Die Art d e r

657

B e r e c h n u n g kann jedenfalls nur diskutiert werden für jeden «inzelnen Betrieb. Wo z. B. die Arbeit eine unregelmäßige, auch am Sonntag nicht ganz zu unterbrechende ist, wie etwa bei der Besorgung von Tieren, wird ein Wochen- oder Monatslohn ebenso begreiflich sein, wie beim bäuerlichen Dienstboten. Die Gründe für Tag- oder Akkordlohn, die so unzählige Male erörtert sind, hier wieder anzuführen, ist zwecklos : die Art der Arbeit und die Qualität der Arbeiterschaft wird hier ausschlaggebend sein.

Ein M i n i m a l l o h n wird vielfach als eine große Errungenschaft für den Arbeiter betrachtet. Auch wir betrachten es als eine Pflicht des Arbeitgebers, seinen Arbeitern einen Lohn zu bezablen, der ihnen ein anständiges Auskommen sichert, d. h. sofern es ihm seine Mittel ermöglichen, was leider nicht in allen Industrien der Fall ist. Wir halten es vor allem für eine Pflicht des Bundes und der Kantone. Aber diesem bestimmten Maß von Ansprüchen muß auch ein bestimmtes Maß der Leistung entsprechen, wenn der Minimallohn wirklich ein Lohn und nicht ein Almosen sein soll. Legt man aber diesen Maßstab an, wie soll es mit der Beschäftigung von Leuten werden, welche wegen Alter, Schwäche, Mangel an Intelligenz etc. zu dieser Leistung nicht befähigt sind?

Soll man sie entlassen? Dies geschieht in manchen Geschäften, dio sich mit der Einführung des Minimallohnes brüsten. Wer einen «wissen Lohnbetraa; nicht erreicht,j wird entlassen. Anderwärts ö & aber findet der beschränkte Junge, den man sonst nirgends brauchen kann, Anstellung zu einer Arbeit, zu der bloße Kraft ohne viel Verstand hinreicht; die alte Frau gewinnt mit einer leichten, ihren Kräften entsprechenden Arbeit ihren bescheidenen Lebensunterhalt und freut sich, niemand zur Last fallen zu müssen. Aber auch diese Leute sind zu berücksichtigen.

Sie werden entweder die gleichen Ansprüche zu erheben berechtigt sein, wie alle ändern Arbeiter, oder es wird ihnen eine Ausnahmsstellung angewiesen werden müssen. Wo bleibt dann aber der Minimallohn? -- Und wie soll es in den Fällen gehalten werden, wo der Arbeiter im Vertrauen auf den Minimallohn in seiner Thätigkeit nachläßt; wo er darauf baut, daß man nicht wage, ihn, den dürftigen Vater einer zahlreichen Familie brotlos zu machen ; daß er mit seiner bekannten Tüchtigkeit im Beruf unentbehrlich geworden
sei und sich wohl seiner Neigung zum Nichtsthun hingeben dürfe? So erheben sich überall Schwierigkeiten.

Wir geben deshalb einer wohlwollenden und sachverständigen Prüfung der Lohnansätze durch die Oberbehörden, wobei die Löhne weit eher den Leistungen und dem Bedarf des Arbeiters angepaßt

658 werden können, weitaus den Vorzug vor der Festsetzung eines Minimallohnes.

Weit sympathischer stehen wir den mit den Dienstjahren steigenden L o h n Z u l a g e n gegenüber, selbstverständlich unter den gleichen Bedingungen, wie sie auch für die Lohnzulagen der eidgenössischen Beamten vorgesehen sind. Es sollen gute Leistungen die Voraussetzung jeder Gehaltserhöhung bilden. Damit wird die Möglichkeit geboten sein, den Betrieben des Bundes einen Stamm guter und zuverlässiger Arbeiter zu erhalten, was ja gerade findie Militäranstalten von hohem Wert sein dürfte. Wir denken, es sei auch bisher so ziemlich in diesem Sinne vorgegangen worden.

Die Möglichkeit, auch P e n s i o n e n einzuführen, scheint uns gar nicht vorhanden zu sein. Der Bund kennt sie nicht; er hat für seine Beamten -am dadurch gesorgt, daß er eine Alters- und Sterbekasse subventioniert, ohne sie zum Beitritt zu verpflichten.

Und doch sind die invalid gewordenen Beamten oder deren hinterlassene Familien nicht selten noch viel schlimmer daran, als die Familien der Arbeiter, die in der Regel in höherm Maß zur Selbsthülfe befähigt sind.

Wenn die Arbeiter des Bundes den gleichen Weg der Für sorge für das Alter einzuschlagen wünschen, wird sicher der Bund seine Beihülfe nicht versagen. Ob es aber zweckmäßig und klug ist, solche Projekte vorzulegen, bevor die eidgenössischen Versicherungsgesetze gesichert und ins Leben geführt sind, ist eine Frage, die wir nicht mit ja beantworten möchten.

Die A n s t e l l u n g d e r A r b e i t e r des Bundes unterlag bisher den gleichen Bestimmungen, wie die aller ändern unter dem Fabrikgesetz stehenden Arbeiter. Diese bevorzugen im allgemeinen kurze Kündigungsfristen ; vierwöchentliche werden sehr häufig angefochten. Ausnahmsweise vernimmt man von den Arbeitern des Bundes den Wunsch nach einer langen Frist. Es wird nicht gesagt, scheint uns aber selbstverständlich zu sein, daß Arbeiter und Arbeitgeber an die gleichen Bedingungen gebunden werden.

Das Verlangen einer langen Kündigungsfrist ist ein gutes Zeugnis für die Betriebsleitungen des Bundes. Es ist auch begreiflich.

Der solide Arbeiter will seiner Stelle möglichst lange sicher sein.

Auch dem Bund kann daran gelegen sein, einen Arbeiter, der sich zwei Jahre als brauchbar, und fleißig erprobt, für längere Zeit festzuhalten. Das kann aber
ganz einfach durch vertragliche Verlängerung der Kündigungsfrist geschehen; es bedarf nicht der Aufstellung einer besondern Klasse der Arbeiter, der ,,ständigen Ar-

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Leiter", als wenn mari ihnen damit auch andere Vorrechte sichern will. Dies hängt ohne Zweifel sehr davon ab, in welcher Weise die E n t l a s s u n g , resp. der A u s t r i t t geregelt wird.

Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß eine sofortige Entlassung ohne Kündigung festgehalten werden muß, wie auch dein Arbeiter das Recht plötzlichen Austritts gewahrt bleiben muß, aber alles nur unter gewissen Bedingungen, wie sie in Art. 9 des Fabrikgesetzes schon vorgesehen sind. Eine vernünftige Disciplin wäre sonst unmöglich. Und ebenso klar ist, daß der Betriebsleitung das Recht zu dieser plötzlichen Entlassung zustehen muß. Von ihr muß auch die regelmäßige Kündigung ausgehen ; denn es kann doch unmöglich Sache einer Aufsichtsbehörde sein, in jedem Entlassungsfall nachzuforschen, ob Mangel an Arbeit, mangelhafte Pflichterfüllung, ungenügende Leistungsfähigkeit dazu berechtige.

Auch sie c würde in den meisten Fällen auf die Auseinandersetzungen der Geschäftsleitung angewiesen sein. Aber es giebt Fälle, wo die Entlassung unmotiviert oder aus ganz verwerflichen Motiven erfolgt. Gegen solchen Mißbrauch der Macht den Arbeiter zu schützen, soweit möglich, ist geboten. Es ist nicht schwer, eine Anzahl von Gründen der Entlassung auszuschließen, gewisse Rücksichtnahmen auf Alter, Familienverhältnisse etc. vorzuschreiben.

Die Beachtung dieser Vorschriften muß aber durch eine Amtsstelle gesichert sein, welche in endgültiger Weise über angefochtene Entlassungen entscheidet. Steht doch ein solcher Oberentscheid in Privatgeschäften auch gegenüber dem Direktor eines Betriebs sehr oft dem Besitzer der Fabrik zu.

Wenn wir einen Schutz des Arbeiters in dieser Richtung befürworten, sehen wir aber nicht recht ein, warum er nur dem zukommen soll, der zufällig das zweite Jahr seiner Thätigkeit in einem Buudesbetrieb überschritten hat. Er gebührt allen fest angestellten Arbeitern. Wir wissen nicht, ob vielleicht den zwei Jahre beschäftigten in Bezug auf ihre Anstellungsverhältnisse eine gleiche Stellung zugedacht ist, wie den Beamten, d. h. daß ihre Entlassung nur durch besondern Beschluß einer Behörde erfolgen könne. In diesem Fall möchten wir auf einen großen Unterschied aufmerksam machen.

Der Beamte ist der Wiederwahl unterworfen, er kann einfach nicht mehr gewählt werden und damit ist alles abgethan. Der Arbeiter
bleibt an seinem Posten, so lange ihm nicht gekündigt wird. Er wäre somit weit mehr geschützt als ein Beamter.

Wir glauben nicht weiter ins Detail der in so allgemein gehaltener Fassung gestellten Motion eintreten zu sollen. Über Dinge,

660

welche wir bloß vermuten, uns zu äußern, wäre zwecklos. Sie entnehmen dem bereits Gesagten, daß in einzelnen Punkten auch .nach unserm Dafürhalten eine genauere Normierung der Verhältnisse der Bundesarbeiter wünschbar wäre. Zu entscheiden, auf welchem Wege und in welchem Umfang dies zu geschehen habe, wird erst möglich sein, wenn genaue Angaben über die Verhältnisse in allen in Betracht kommenden Betrieben und über die vom Motionssteller ins Auge gefaßten Maßregeln und deren Begründung vorliegen.

Empfangen Sie, hochgeehrter Herr Bundesrat, bei diesem Anlaß die erneute Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

Die eidgen. Fabrikinspektoren :

(Sig.) Dr. F. Schuler.

,, H. Rauschenbach.

,.

Ami Campiche.

661 Beilage 2.

B e r n , den 25/27. Januar 1898.

Tit, schweizerisches Militärdepartement Bern.

Mit Überweisung Nr. 79/53 haben Sie uns zur Berichterstattung aufgefordert über das nachstehende von den Räten angenommene Postulat : ,,Der Bundesrat wird eingeladen, zu prüfen und darüber Bericht zu erstatten, ob nicht die Lohn- und Anstellungsverhältnisse der mindestens 2" Jahre im Dienste der Bundesverwaltung stehenden und vollbeschäftigten Arbeiter gesetzlich zu regeln seien."

Bei der Beurteilung der Zweckmäßigkeit und Tragweite einer O solchen Maßnahme muß in erster Linie in Berücksichtigung; geo o o zogen werden, daß die im Dienste der Bundesverwaltung stehenden Arbeiter in 3 Klassen zerfallen, innerhalb welchen die Art der Beschäftigung, die Beaufsichtigung und Organisierung der Arbeit durchaus verschieden sind.

Das Hauptkontingent stellen diejenigen Arbeiter, welche in einheitlich organisierten Anstalten mit Fabriksc h a r a k t e r beschäftigt sind (Waffenfabrik, Munitionsfabrik, Konstruktionswerkstätte, Kriegspulverfabrik, Montierungsmagazin).

Eine andere Klasse bilden die Arbeiter der Anstalten mit m i l i t ä r i s c h e m Charakter, Regieanstalt, Remontendepots, Fortwächter.

Eine dritte Klasse bilden endlich alle diejenigen Arbeiter, welche bei den verschiedenen Verwaltungen einzeln oder in kleinern Gruppen beschäftigt werden.

662.

Nachdem die unserer Verwaltung unterstellten Etablissements resp. deren Arbeiterschaft mit wenigen Ausnahmen der ersterwähnten Klasse angehören, halten wir uns in den nachstehenden Ausführungen an die hierfür maßgebenden Verhältnisse.

Wir halten dafür, daß bei Behandlung des Postulates die strengste Auseinanderlialtung dieser 3 Klassen durchaus notwendig ist, denn es sind die Lebensbedingungen für dieselben grundverschieden.

Es wäre sehr gefährlich, die Arbeiter oder Bediensteten dieser 3 Klassen unter einen Hut bringen zu wollen, indem wohl jede Verwaltung für ihre Leute gewisse Bedingungen eventuell Begünstigungen aufstellen wird, die für die speciellen Verhältnisse, aber nicht allgemein, passen mögen. Schließlich würde gerade dadurch erreicht, daß die im Dienste der Bundesverwaltung stehenden Arbeiter in jeder Beziehung eine Ausnahmestellung einnehmen würden, was gewiß nicht Absicht der gesetzgebenden Räte sein kann.

Die dem eidgenössischen Militärdeparternente unterstellten Regiewerkstätteri befassen sich mit der Erstellung und Reparatur Von Kriegsmaterial (Pulver, Munition, Waffen, Kriegsfuhrwerke).

Die nämlichen Produkte wurden von jeher und werden he\itc in noch größerem Umiange von der Privatindustrie auch erstellt.

Mit vollem Recht hat man sich daher bei der Gründung dieser Werkstätten sowie bei der Aufstellung der Verordnungen über den Betrieb derselben an das gehalten," was sich in der Privatindustrie als rationell erwiesen und nur da Abweichungen eintreten lassen, wo es die Einfügung dieser Fabrikationsbetriebe in die Bundesverwaltung unbedingt erforderte, das heißt hauptsächlich nur mit Hinsicht auf die Aufsichts- und Kontrollbehörden. M i t d i e s e n B e t r i e b s v e r o r d n u n g e n , v o m J a h r e 1876 h e r rührend, sind sowohl die Arbeiter, als auch die V e r w a l t u n g gut g e f a h r e n . Die in der Waffenfabrik zu Tage getretenen Mißstände waren einerseits der unfähigen Leitung, anderseits dem Umstände zuzuschreiben, daß diesen Betriebsverordnungen nicht mehr nachgelebt wurde.

Die Bestrebungen der Arbeiter in den eidgenössischen Werkstätten, ihre Lage zu verbessern, ist nach den Erfolgen der Eisenbahnarbeiter, sowie nach der Einführung des neuen Besoldungsgesetzes für eidgenössische Beamte und Angestellte begreiflich.

Diesen Bestrebungen ist man von
jeher schon so weit entgegen gekommen. daß gegenwärtig die Arbeiter der eidgenössischen Werkstätten sowohl bezüglich Arbeitszeit als Löhnung sich besser stellen, als gleich qualifizierte Arbeiter der Privatindustrie. Die

663

Natur dieser Werkstätten bringt es jedoch mit sich, daß das Ent gegenkommen schließlich seine natürliche Grenze im Preise des erzeugten Produktes findet, der sich zusammensetzt aus dem Rohmaterialwerte und dem Werte der zur Erstellung verwendeten Arbeit. Der Staat hat es allerdings in der Hand, den Preis für die in seinen Werkstätten erzeugten Produkte beliebig hoch anzusetzen, er ist alleiniger Abnehmer. Es handelt sich nur darum, die Budgetposten entsprechend hoch anzusetzen und die Möglichkeit ist gegeben, alle Wünsche der Arbeiter der Staatsbetriebe bezüglich Lohn- und Anstellungsverhältnisse -- welche schließlich immer auf finanzielle Mehrbelastung des Betriebes hinauskommen -- zu befriedigen.

Nachdem es jedoch nicht die Staatswerkstätten sind, welche das Geld zur Unterhaltung des Staates liefern, sondern Handel und Industrie, so kann der Staat nicht wohl ohne Rücksichtnahme auf diese Faktoren vorgehen, so lange in den Staatswerkstätten nur Produkte erstellt werden, welche -- eine gut organisierte Kontrolle vorausgesetzt -- durch die Privatindustrie in gleicher Ausführung geliefert werden können, so wird die Industrie und deren Vertreter mit Recht darauf hinweisen, daß diese Werks t ä t t e n i h re E x i s t e n z b e r e c h t i g u n g v e r l i e r e n , sobald die Erzeugnisse infolge abnormaler Betriebsverh ä l t n i s s e die n o r m a l e n P r e i s e ü b e r s t e i g e n . Daß der Privatindustrie durch die Staatswerkstätten Arbeit entzogen wird, muß sie sich gefallen lassen. Daß ihr der Kampf mit der ausländischen Konkurrenz, der zufolge unserer Arbeiterverhältnisse ohnehin kein leichter ist, durch Schaffung außergewöhnlicher Lohnund Anstellungsverhältnisse in den eidgenössischen Werkstätten und dadurch hervorgerufener Unzufriedenheit in den Arbeiterkreisen überhaupt, erschwert wird, dürfte sie sich aber auf die Dauer nicht gefallen lassen.

Man wird daher gut thun, auch für die Zukunft dem Betrieb und den bezüglichen Verordnungen der eidgenössischen Regiewerkstätten den Grundsatz zu Grunde zu legen, daß dieselben geleitet werden sollen, wie gut betriebene Privatetablissemente.

Dann erhält der Bund seine Produkte zu annehmbaren Preisen, die Arbeiter bekommen Löhne, wie solche in den bessern Fabriken bezahlt werden und die Privatindustrie kann sich nicht beklagen über Erregung von
Unzufriedenheit bei ihren Arbeitern. Die nun seit 22 Jahren bestehenden Betriebsverordnungen haben den notwendigen Spielraum gelassen, um unter Wahrung des vorerwähnten Grundsatzes die Arbeiter bezüglich Lohn und Anstellung stets

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so zu stellen, daß dieselben aus freiem Willen die eidgenössischen Werkstätten, nicht verlassen, um Arbeit in privaten Btablissemcnten zu suchen. Es werden im Gegenteil die Direktionen beinahe täglich von Arbeitern aus der ganzen Schweiz herum um.

Arbeit augefragt, ein Beweis dafür, daß es in Arbeiterkreisen bekannt ist, daß sich der rechte Arbeiter in den Staatswerkstätten nicht zu beklagen hat und daß die von einzelnen unzufriedenen Elementen und mit den Verhältnissen nicht bekannten Arbeiterführern erhobenen Klagen in den Arbeiterkreisen selbst nicht für ernst genommen werden, es sei denn, daß die Arbeiter, wie es in der Waffenfabrilc der Fall ist, schon so verwöhnt sind, daß sie kein Ziel mehr kennen und Ordnung als Bedrückung und Blaßregelung ansehen.

Selbstverständlich \3gehen wir vollständigö einig durch O mit der Annahme des Postulates durch die Räte bekundeten Ansicht, daß auch in den eidgenössischen Werkstätten nicht in konservativer Weise am Althergebrachten festgehalten werde, sondern daß alle Neuerungen, welche auf Verbesserung der Lage der Arbeiterklasse hinzielen, geprüft und eventuell eingeführt werden. Maßgebend hierfür muß aber der Umstand bleiben, daß durch eine solche NeuerungO der rationelle Betrieb nicht leidet oder verun möglich t O wird. Von diesem Gesichtpunkto ausgehend, werden wir in Nachstehendem auf das Postulat näher eintreten.

Das Eingangs citicrte Postulat ist allgemein gehalten und enthält keine bestimmt formulierten Wünsche oder Forderungen der Arbeiterschaft der eidgenössischen Werkstätten. Einigen Aufschluß über /weck und Ziele derselben giebt ein in der ,,Tagwacht" publiziertes Fragenscheina, das auf Veranlassung des Postulatstellers den Arbeitern der verschiedenen eidgenössischen Werkstätten und Anstalten zur Beantwortung zugestellt wurde. (Beilagen l--4.)

Um den Arbeitern zu ermöglichen, die gestellten Fragen in zuverlässiger Weise beantworten zu können, haben wir von Ihnen zu Händen der Direktoren die Ermächtigung erwirkt, auf bestimmt gestellte Anfragen seitens der Arbeiter die entsprechenden Auskünfte zu erteilen. Gleichzeitig haben wir die Direktoren aufgefordert, die nämlichen Fragen, soweit ihnen das einschlägige Material zu Gebote steht, zu unsern Händen ebenfalls zu beantworten.

(Beilagen i--4.)

Von Arbeitersekretär Wassiliefl' wurden die seitens der Arbeiter eingelangten Angaben zusammengestellt. (Beilage 5.) In wie weit diese Zusammenstellung und die daran geknüpften Schluß-

665

folgerungen Glaubwürdigkeit verdienen, zeigen nachstehende Beispiele.

Von den Arbeitern der Waffenfabrik, die sich nicht bemüssigt gefühlt, die Direktion um Auskunft zu ersuchen, sondern es vorziehen, durch falsche Angaben ihre nur zu schönen Lohnverhältnisse der übrigen Arbeiterschaft zu verheimlichen, werden die Lohne nach gewöhnlichen Ziffern angegeben, während dieselben faktisch den fetten Ziffern entsprechen.

Von den Arbeitern der Munitionsfabrik, welche ihre Angaben von der Direktion erhalten, wurde die Umrechnung auf 7 Tage der Woche, wie dies das Fragenschema verlangt, vergessen, so daß nun dort die gewöhnlichen Ziffern günstiger sind, als die faktischen fetten Ziffern.

Waffenfabrik

über Löhne bis zu Franken Fr.

2. 2--3. 3--3,50. 3,50--4. 4--4,50. 4,50--5. 5--6. G.

(l 4 24 36 22 16 33 10 < Q 6 ,8 ,8 9 ]6 4, 4]

-,., ... ,. , ., Munitionsfabrik

(125 235 1 74 36,

,181 64

106 81

62

45

25

2,

23

9

Q

0

Die eidgenössische Laborierwerkstätte in Altdorf mit 100 Arbeitern und 15 Arbeiterinnen wurde ganz vergessen.

Wir sind auf diese Details eingetreten, weil wir annehmen, daß dieses vom Postulatsteller gesammelte Material bei Gelegenheit der Diskussion über dieses Postulat eventuell zur Verwendung gelangen wird.

Auf den eigentlichen Gegenstand unserer Berichterstattung zurückkommend, greifen wir als Hauptpunkte, welche in ein gehender Weise behandelt werden müssen, heraus: I. Lohnverhältnisse, II. Anstellungsverhältnisse, III. Arbeitszeit, um auf Grund des vorerwähnten Fragenschemas festzustellen, was seitens der Arbeiterschaft unter der "gesetzlichen Regelung" eigentlich angestrebt wird.

I. Lohnverhältnisse.

Es sind uns keine Privatetablissemente bekannt, in welchen andere Lohnsysteme in Anwendung kommen, als in unsern eidgenössischen Werkstätten. Die Löhnung der Arbeiter erfolgt durch-

666

weg.s nach der Zeit (Stunden-, Tag- oder Wochenlohn), oder mich der erstellten Stückzahl (Accord).

Nun ist das Bestreben der großen Masse der Arbeiter von jeher dahin gegangen, die StUcklöhnung abzuschaffen. Bei genügender Kontrolle des Produktes entspricht der nach dieser Methode bezahlte Lohn genau der Leistungsfähigkeit des Arbeiters. Der gute, gewissenhafte Arbeiter kann zu einem schönen Verdienste kommen, der schlechte, unzuverlässige Arbeiter muß sich mit einem kleineren Verdienste begnügen und wird daher unwillkürlich angespornt, seine Leistungsfähigkeit zu steigern.

Es liegt die Accordarbeit also nicht nur im Interesse des Arbeitgebers, sondern auch im Interesse des g u t e n Arbeiters und wird daher überall angewendet, wo die nämliche Arbeit sich stets oder in größerer Zahl wiederholt.

Es hat übrigens im Jahr 1895 der socialdemokratische Parteitag in Breslau beschlossen, in den socialdemokratischen Druckereien die Accordarbeit beizubehalten, nachdem von seilen der Parteileitung kurz und einfach die Thatsache erwähnt worden war, daß in jenen Druckereien, in welchen die Accordarbeit abgeschafft war, dieselbe wieder habe eingeführt werden müssen, weil sowohl Arbeitgeber wie Arbeitnehmer jedes andere System als ihre Interessen schädigend gefunden haben (siehe Bund Nr. 283, 2. Blatt, 1895).

Accordarbeiten kommen in allen unsern Werkstätten, hauptsächlich jedoch in der Waffenfabrik, vor. Ein schlagendes Beispiel, wie es angezeigt ist, der heutigen Arbeiterschaft gegenüber dasjenige Lohnsvstem möglichst in Anwendung zu bringen, das die beste Kontrolle für die Leistungen jedes einzelnen bietet, lieferte die Arbeiterschaft der Waffenfabrik.

Vom 1. April 1894 an wurde die durch Oberst Schmidt luidie Dauer der außerordentlichen Gewehrbeschaffung beseitigte Accordlöhnung successive wieder eingeführt. Dies hatte zur Folge, daß bis im September die Leistung bei gleichzeitiger Erhöhung der Arbeitszeit von 8 auf 9 ] /o Stunden sich ungefähr auf das D o p p e l t e steigerte.

Der Bericht der im Juli 1895 zur Untersuchung der Lohnverhältnisse in der Waffenfabrik vom Departemente beauftragten Experten Sulzer-Großmann, Fabrikinspektor Schuler und Direktor Schweizer, den wir noch einige Male anzuführen im Falle sein werden, spricht sich über diesen Punkt wie folgt aus:

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,,Die Bestrebungen der Direktion, überall wo es sich um eine eigentliche Fabrikation handelt, Accordarbeit einzuführen, sind durchaus gerechtfertigt. Es war ein geradezu unbegreiflicher und unverzeihlicher Fehler der früheren Direktion, das Accordsystem für diese Arbeiten, die sich ganz ausgezeichnet und ganz speciell dafür eignen, abzuschaffen.41 Das am Schlüsse der Gewehrbeschaffung zu Tage getretene Delicit von cirka l'/2 Millionen und der ganz übermäßig hohe Preis des Gewehres sind nicht zum geringsten Teil dieser Maßnahme zuzuschreiben gewesen.

Seit 1895 haben sich die Arbeitsverhältnisse nicht derart geändert, daß das vorstehende Urteil der Experten nicht auch heute und voraussichtlich für einen längeren Zeitraum Gültigkeit hat, so daß kein Grund vorhanden ist, die Stücklölmung nicht im bisherigen Umfange und in der bisher gepflogenen Weise beizubehalten.

Von einer Feststellung der Stückpreise durch Regulativ auf längere Dauer kann natürlich keine Rede sein. Es wechseln nicht nur die zu erstellenden Gegenstände, sondern in viel größerein Umfange dei'eu Bearbeitung. Irn Interesse eines ökonomischen Betriebes hat die Fabrikleitung auf Verbesserungen in der Fabrikation bedacht zu sein. Tritt infolge einer solchen eine Steigerung in der Produktion ein, so erfolgt dies ohne Zuthun des an der betreffenden Maschine beschäftigten Arbeiters und wird die Ersparnis in erster Linie zur Bestreitung der neuen Einrichtungskosten dienen.

Es sollen die Accordlöhne so angesetzt sein, daß der Tagesverdienst des Arbeiters -- einen normalen Stundenlohnansatz vorausgesetzt -- bei Accordarbeit etwas größer wird als bei Stundenlöhnung. Wird der Tagesverdienst im Verhältnis zu demjenigen anderer Arbeiter gleicher Qualifikation zu hoch, oder sinkt er unter den Verdienst bei Stundenlöhnung, so muß es die Direktion in der Hand haben, durch Reduktion oder Erhöhung des Accordansatzes normale Verhältnisse zu schaffen.

Die Z e i t l ö h n u ng kommt überall da in Anwendung, wo von der Stücklöhnung abgesehen werden muß und wird festgestellt per Arbeitsstunde oder per Arbeitstag. Diese neben der Stücklöhnung allgemein übliche Löhnungsweise scheint jedoch den Arbeitern der eidgenössischen Werkstätten .ebenfalls nicht mehr zu behagen, indem das Fragenschema die Zusammenstellung der Löhne auf 7 T a g e per Woche umgerechnet verlangt. Abgesehen von der Tendenz, auf diese künstliche Art und Weise für

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die eidgenössischen Arbeiter gegenüber den in der Privatindustrie beschäftigten geringere Taglöhne herauszurechnen, zeigt diese Umrechnung, daß das Bestreben dahingeht, statt des Stunden- und Taglohnes einen Wochen- oder Monatslohn zu erhalten, in weichein Bezahlung der Sonn- und Feiertage Inbegriffen wäre. Bei gleichzeitig vorgenommener Reduktion des Taglohnes um '/o, welche von Seiten der Arbeiter jedoc'h kaum in Anregung gebracht wird, hätte diese Neuerung anscheinend keine finanzielle Mehrbelastung (Jer Betriebe zur Folge. Andernfalls würde dieselbe einer Lohnaufbesserung von 17 % entsprechen, auf welche einzutreten keine Gründe vorhanden sind. Am klarsten und mit der Accordlöhnung am besten in Übereinstimmung stehend ist die Löhnung, bei welcher nur die e f f e k t i v e Arbeitszeit bezahlt wird. Regelmäßig wiederkehrende Mehrleistungen, welche schließlich auf eine Lohnerhöhung für die effektiv geleistete Arbeit herauskommen und daher richtiger im Lohriansatz Berücksichtigung finden würden, werden seitens der Arbeiter bei Vergleichungen doch stets außer acht gelassen und nicht gewürdigt.

Umgekehrt hat das Bestreben der Arbeiter, so lange es nur dahin geht, sich einen bestimmten Wochen- oder Monatslohn zu sichern, seine Berechtigung. Beim jetzigen Löhnungsmodus hat der Arbeiter gerade in den Zeiten, wo am meisten Geld gebraucht wird, um AVeihnachten und Neujahr herum, den größten Ausfall in seinem Verdienste. In etwas geringerem Maße ist das nämliche der Fall an den übrigen offiziellen Feiertagen.

Es kann diesem Bestreben der Arbeiter dadurch entgegenarekommeri werden,; daß die Bezahlung für eine bestimmte wöohentO O liehe Arbeitsstundenzahl (56 per Woche) auch für die Fälle garantiert wird, wo offizielle Feiertage auf die Wochentage fallen. Daneben müßte der Stundenlohnansatz fortbestehen, und bleibt es alsdann dem Arbeiter freigestellt, diesen auf 56 Arbeitsstunden basierenden Wochenlohn auf 6 oder 7 Tage umzurechnen, er hat die Sicherheit, so viel per Woche oder per Jahr zu verdienen, wenn er selbst die Arbeitszeit innehält.

Die in der Erreichung eines auf längere Zeitdauer festgesetzten Lohnes verkörperten Bestrebungen zielen jedoch weiter.

Abgesehen von der Rückwirkung eines solchen Lohnsystemes auf das Anstellungsverhältnis sollen die Lohnabzüge für Wegbleiben von der Arbeit und in
Krankheitsfällen verschwinden und schließlich der Arbeiter in das Verhältnis des Angestellten gelangen.

Auf den letztern Punkt werden wir zurückkommen. Auf die Lohnabzüge für Wegbleiben von der Arbeit, sowie auf die

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Ausrichtung eines reduzierten Lohnes in Krankheitsfällen kann in einem geordneten Betriebe keinesfalls verzichtet werden.

Mit der Vollbezahlung der Krankentage würde der Simulation in einer Weise Vorschub geleistet, daß auch hier unhaltbare Verhältnisse sich ausbilden würden. Schon jetzt sind eine große Anzahl Arbeiter nicht nur in einer, sondern in mehreren Krankenkassen, .so daß dieselben in Krankheitsfällen unter Zuschuß des vom Bunde bezahlten 1/4 Taglohnes höher zu stehen kommen, als wenn sie arbeiten. Nur infolge der Selbstkontrolle der Arbeiter untereinander kann die Simulation möglichst verhindert werden. Bezahlt der Betrieb den ganzen Taglohn, so kann der Arbeiter nicht wohl zu einem größern Beitrag an die Krankenkasse angehalten werden.

Damit verliert er jedoch das Interesse, mißbräuchliche Inanspruchnahme der nicht aus seiner Tasche gespiesenen Krankenkasse zu verhindern. Die Fabrik ist nicht im Falle, die nämliche Kontrolle auszuüben und wird geschädigt.

Eine einheitliche Regelung dieser Verhältnisse ist nicht dringlicher Natur und wird damit am zweckmäßigsten zugewartet, bis das Gesetz über die Krankenversicherung angenommen ist. Indem '/4 Taglohn ausbezahlt wird, gehen wir schon wesentlich weiter als Privatetablissemente, die wegen Risiko der Simulation in Krankheitsfällen gar nichts bezahlen.

In den drei Regiewerkstätten werden die Löhne entsprechend den Leistungen jedes einzelnen Arbeiters durch die Direktoren festgesetzt. Art. 3 der Betriebsverordnung.

Selbstverständlich werden dabei gewisse Normen eingehalten. Entsprechend den verschiedenen Arbeiterbranchen müssen die Ansätze variieren.

Langjährige Dienstzeit und tüchtige Leistung wird durch Lohnerhöhung anerkennt. Teilweise sind auch periodische Lohnaufbesserungen nach Dienstalter in Anwendung.

Im Montierungsmagazin besteht insofern eine kleine Abweichung, als dort durch Einteilung der Arbeiter in Kategorien mit Minimal- und Maximalansätzen und periodischen Aufbesserungen für den Chef der Abteilung für Bekleidung der Rahmen festgesetzt wurde, innerhalb welchem die Löhne sich zu bewegen haben. Die Ansätze selbst werden halbjährlich durch den Chef der technischen Abteilung genehmigt. Es ist dies der Anfang zu einer L o h n o r d n u n g , die in dem Verlangen der ,,gesetzlichen Regelung der Lohnverbältnisse11 inbegriffen sein wird.

Was nun die H ö h e d e r L ö h n e anbelangt, so hat diese Frage schon zu wiederholten Malen Anlaß zu Untersuchungen geBundesblatt. 51. Jahrg.

Bd. II.

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geben. Es ist dies auch der Angelpunkt, um welchen sich alle Bestrebungen drehen, die im Grunde genommen stets auf eine direkte und indirekte Lohnerhöhung hinzielen. Die angestellten Untersuchungen haben stets ergeben, daß die in den eidgenössischen Werkstätten bezahlten Löhne denjenigen in keiner Weise nachstehen, welche in den bestgeleiteten schweizerischen Etablissementen den Arbeitern gleicher oder ähnlicher Berufsthätigkeit bezahlt werden. Allerdings darf man bei dieser Vergleichung den auf die Woche entfallenden Lohn nicht das eine Mal auf 7, das andere Mal auf 6 Tage verteilen, und wenn Dr. Wassilieff bei einer solchen Vergleichung zum Schlüsse kommt, daß die Lohnverhältnisse der eidgenössischen Arbeiter noch lange nicht die idealen, in einigen Etablissementen sogar sehr traurige sind, so vergißt er, zu erwähnen, daß in der eidgenössischen Munitionsfabrik, welcher diese Bemerkung gilt, mehrere hundert Knaben, selbst Krüppel, Beschäftigung finden, welche anderwärts zum großen Teil überhaupt keine Arbeit finden, auf alle Fälle nirgends nur annähernd diesen ,,traurigen" Lohn erhalten würden. Anderwärts wird der größte Teil der in der Munitionsfabrik vorkommenden Arbeiten durch Frauen mindestens ebenso gut, aber durchwegs rascher und bedeutend billiger- ausgeführt.

Bezüglich der Löhne in der Waffenfabrik spricht sich der vorerwähnte Expertenbericht wie folgt aus : ,,Davon -- aus der Abschaffung der Accordlöhnuug -- sind dann die Stundenlöhne entstanden, die in der Periode der außerordentlichen Gewehrfabrikation über alle Maßen, zum Teile geradezu unsinnig hoch waren und über alles, was in den mechanischen Werkstätten der Schweiz besteht und je bestanden hat, enorm hinausragen. Auch die jetzigen Stundenlöhne sind, wie bereits bemerkt, fast durchwegs zu hoch, was zwar erklärlich ist, wenn in Betracht gezogen wird, wie sie entstanden sind. S i e s i n d a b e r in d i e s e r H ö h e d i e U r s a c h e , d a ß e i n r a t i o n e l l e s Lohnsystem weder besteht, noch leicht wird eingef ü h r t w e r d e n können. 1 1 Berücksichtigt man im fernem die weitern, auf Verbesserung der Lage der Arbeiter hinzielenden Leistungen des Bundes, wie : Unterstützung alter, invalider Arbeiter, Beiträge an die Krankenkasse, Auszahlung eines reduzierten Lohnes in Krankheitsfällen, Errichtung von Speiseanstalten und Bädern, welche Leistungen nur von wenig Privatetablissementen erreicht

671 werden, so liegt für eine Änderung der Löhnung in den eidgenössischen Werkstätten -- mit Ausnahme der Waffenfabrik -- kein Grund vor.

II. Anstellungsverhältnis.

Auch in dieser Frage ist kein Grund vorhanden, der dafür sprechen würde, von dem in der Privatindustrie üblichen Modus der Anstellung der Arbeiter abzugehen. Unter der gesetzlichen Regelung der Anstellungsverhältnisse der mehr als zwei Jahre vollbeschäftigten Arbeiter soll wohl verstanden sein: Anstellung auf längere Dauer, eventuell '/ajährige Genehmigung durch das Departement, oder Wahl durch den Bundesrat für je 3 Jahre, also Gleichstellung der Arbeiter mit den Angestellten und Beamten.

Nun finden sich aber in jedem industriellen Etablissemente neben einer relativ großen Zahl von Arbeitern eine kleine Anzahl Angestellte. Diese werden zum Teil aus den besten Elementen der Arbeiter ausgewählt, wobei nicht nur Kenntnisse und Fähigkeiten, sondern auch die Charaktereigenschaften in Frage kommen.

An dieselben werden höhere Anforderungen gestellt, sie haben zum Teil beträchtliche Verantwortlichkeit, sie müssen zeitweise ohne Mehrbezahlung über die Zeit arbeiten oder Sonntags in das Geschäft kommen, sie haben auch in ihrer freien Zeit wichtigere Fragen zu überlegen und an den Sorgen der Geschäftsleitung zu partizipieren. Die ihnen obliegenden Arbeiten, Aufsicht oder Bureauarbeiten, bleiben das ganze Jahr durch die nämlichen. Anstellungsverhältnisse auf längere Dauer mit Monatslöhnung sind daher ganz am Platz.

Was die Anstellungen auf der Post- und Telegraphenverwaltung anbelangt, welche den Arbeitern der eidgenössischen Werkstätten wohl hauptsächlich vorschweben, so ist zu bemerken, daß dieselben jeweilen zur Konkurrenz ausgeschrieben werden, und daß meistens aus einer großen Zahl von Bewerbern eine Auswahl getroffen werden kann. Ferner handelt es sich besonders bei der Post um eigentliche Vertrauensstellungen, die zum Teil mit KautionsstellungVerbünden sind. Mißbräuchliche Abwesenheiten oder Verwendung der Zeit sind infolge der Organisierung und Art des Dienstes ausgeschlossen. Im weitern verteilen sich die Post- und Telegraphenbeamten im Verhältnis zur Bevölkerung über das ganze Land, während die hier in Frage kommenden Etablissemente auf

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einzelne wenige Ortschaften beschränkt sind, deren Einwohnerschaft ohnehin schon einer großen Bevorzugung teilhaft wird. · , Beim Arbeiter liegen die Verbältnisse anders. Hat er die Fabrik verlassen, so braucht er sich um dieselbe nicht mehr zu kümmern. Für Überzeitarbeit erhält er an Wochentagen 25 %, an Sonntagen 50 % Lohnzuschlag.

Monatslohn und damit in Verbindung stehende längere Anstellungsdauer würde in erster Linie denjenigen Elementen zu gute kommen, welche darauf ausgehen, unter allerlei Vorwänden von der Arbeit wegzubleiben. Die Organisierung, und Verteilung der Arbeit und damit ein rationeller Betrieb würden erschwert.

Soll der Preis des Produktes, auf das die Arbeit verwendet wird, dem Marktwerte entsprechen, oder diesen nicht erheblich übersteigen, so muß das Prinzip der Teilung der Arbeit in möglichst rationeller Weise durchgeführt werden. Dieses Prinzip besteht jedoch nicht darin, daß der nämliche Gegenstand bis zu seiner Vollendung durch möglichst viele Hände geht, sondern daß für die einzelnen Operationen jeweilen der größern oder geringeren Schwierigkeit entsprechend, die passenden Arbeitskräfte gewählt werden. Wenn eine einfache Arbeit durch einen weniger befähigten Arbeiter recht und billig ausgeführt werden kann, so ist kein Grund vorhanden, dieselbe Arbeit durch einen hoch bezahlten, ausgezeichneten Arbeiter nicht besser, aber t e u r e r ausführen zu lassen. Die Erstellung der einzelnen Stücke und deren Zusammenstellung erfordert Maschinenarbeit und Handarbeit und werden dazu Holzarbeiter, Metallarbeiter, Hulfsarbeiter · und Handlanger verwendet, von verschiedenem Alter, verschiedenen Fähigkeiten und Leistungen. Die Erstellung des geringsten Bestandteiles erfordert die rationelle Kombination an sich verschiedener Bedingungen, deren Zahl gesteigert wird durch die verschiedenen Bestandteile und deren Zusammenstellung zu verschiedenen Objekten.

Nun wechselt nicht nur die Art der Bearbeitung infolge Verbesserungen in der Maschinenarbeit oder Änderung des Objektes, sondern auch Zahl und Liefertermine.

Im Gegensatz zu dem Angestellten ist die Leistung des Arbeiters keiner wesentlichen Steigerung fähig. Steigender Bedarf an bearbeiteten Gegenständen kann zum kleinsten Teil durch Mehrleistung des Arbeiters ausgeglichen werden, sondern es muß die Anzahl der Arbeiter dem veränderten
Bedarfe angepaßt werden.

Veränderte Bearbeitung stellt andere Anforderungen an die Fähigkeiten des Arbeiters, welche, wie wir bereits erwähnt, ebenfalls im Einklang mit der zu leistenden Arbeit sein sollen.

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Nun ist selbst in normalen Jahren die Produktion in den eidgenössischen Werkstätten erheblichen Schwankungen unterworfen. Dementsprechend mußte die Arbeiterzahl in der Konstruktionswerkstätte während der letzten zwei bis drei Jahre um cirka 60 % reduziert werden. In der Waffeufabrik kommen im gleichen Zeiträume Schwankungen bis auf cirka 17 °/0 vor, während die Munitionsfabrik geringere Schwankungen aufweist.

In Zeiten außerordentlicher Beschaffungen, wie solche in den Jahren 1889--1894 eingetreten, hat sich in der Waffenfabrik die Arbeiterzahl beinahe v e r s e c h s f a c h t , in der Munitionsfabrik v e r d o p p e l t . Diese Ausnahmeverhältnisse erstreckten sich auf einen Zeitraum von 4--5 Jahren. Die große Mehrzahl der Arbeiter war also mehr als zwei Jahre v o l l beschäftigt. Nun bestand, wenigstens bei den Arbeitern der Waffenfabrik, diese' v o l l e Beschäftigung darin, nur die Hälfte von dem zu leisten, was hätte geleistet werden können und später in der Stücklöhnung geleistet wurde. Damit wurde die Beendigung der außerordentlichen Gewehrbeschaffung ohnehin möglichst hinausgeschoben. Wenn nun von vorneherein nach zweijähriger Beschäftigung eine Anstellung auf längere Dauer in Aussicht gestellt oder gar gesetzlich normiert würde, so dürften sich die oben erwähnten Erfahrungen zur Regel gestalten, und das Bestreben aller Arbeiter darauf hin gerichtet sein, auf alle Art und Weise diese zwei Jahre zu erreichen. Was soll aber gerade in solchen Fällen außerordentlicher Beschaffungen, die immer wiederkehren werden, mit den Arbeitern,, für welche schließlich keine Arbeit mehr vorhanden ist, angefangen werden ? Soll in den eidgenössischen Werkstätten, das sogenannte ,,Recht auf Arbeit"' -- besser Recht auf Lohn ohne Arbeit -- zur Einführung gelangen, von welchem das Schweizervolk in seiner großen Mehrheit nichts wissen wollte?

Die Forderung, daß man gewisse Maschinen nicht verwenden dürfe, oder nur mit bestimmter Geschwindigkeit und Leistungsfähigkeit arbeiten lassen dürfe, würde wohl wie in England auch bei uns sehr bald gestellt, um eine große Arbeiterzahl zu bedingen.

Neben den finanziellen Folgen einer gesetzlich festgesetzten längern Anstellungsdauer, resp. Kündigungsfrist, welche besonders bei solchen nicht vorauszusehenden außerordentlichen Beschaffungen ganz unberechenbare sein und einen rationellen Betrieb durchaus verunmöglichen würden, sprechen andere Momente gegen ein solches Vorgehen.

674 Unbeschäftigte oder halbbeschäftigte Arbeiter dürfen in den Werkstätten nicht geduldet werden, da dadurch die übrigen Arbeiter zu lässiger Arbeit aufgemuntert werden.

Einer längern oder kürzern Kündigungsfrist wegen zweierlei Arbeiterkategorien schaffen, ist überflussig. Es ist ohnehin und eigentlich in vielen Fällen mit einem rationellen Betrieb im Widerspruch in den eidgenössischen Werkstätten üblich, stets den Letzteingetretenen zuerst zu kündigen und den Betreffenden so früh als möglich zu avisieren. Denjenigen Arbeitern, welche ihre Pflicht erfüllen, ist Arbeit garantiert, solange welche vorhanden ist.

Mit der Forderung nach einem anderen Anstellungsverhältnis ist es den Arbeitern jedoch mehr darum zu thun, die Disciplin im Betriebe zu lockern. D i e K ü n d i g u n g a u f k u r z e n T e r m i n i s t i n g r ö ß e r n B e t r i e b e n u n d g e g e n ü b e r d e r heutigen A r b e i t e r s c h a f t u n u m g ä n g l i c h n ö t i g , als einzig wirks a m e s D i s c i p l i n - u n d O r d n u n g s m i t t e l . Wenn der Arbeiter weiß, daß ihm nur auf langen Termin gekündigt werden kann, oder Entlassungen erst durch Rekursinstanzen und Schiedsgerichte definitiv ausgesprochen oder durch solche wieder rückgängig gemacht werden können, wenn er Gelegenheit hat, zu diesem Zwecke einflußreiche Gönner ins Feld zu führen, so ist jede Autorität der Direktion und der Meister dahin, dann haben diese kein Mittel in der Hand, um sich den nötigen Gehorsam zu verschaffen, und sind daher die Direktoren von jeder Verantwortlichkeit zu entheben.

Wir machen auch darauf aufmerksam, daß an Stelle der gewöhnlich hauptsächlich zum Schaden der Arbeiter ausfallenden Streiks nun neue Kampfesweisen vorgeschlagen werden unter der Bezeichnung ,,Go canny" oder ,,sabot", d. h. es soll zum Schaden des Arbeitgebers schlecht gearbeitet werden (siehe ,,Berner Tagwacht", Nr. 95, vom 27. November 1897, Beilage 6).

In unsern Regiewerkstätten wurde noch nie mit Streik gedroht, denn die Arbeiter können wohl wissen, daß wir die Werkstätten ruhig kürzere oder längere Zeit geschlossen lassen können, und daß sogar die Frage, diese Werkstätten für immer zu sehließen, gar nicht so fern liegt. Diese für den Arbeitgeber günstige Position braucht auch der Staat nicht zu verscherzen, indem er den Arbeitern Anstellung auf lange
Zeit sichert. Bei s c h l e c h t e r A r b e i t i s t s o f o r t i g e E n t l a s s u n g d a s E i n z i g e , u m sich gegen S c h ä d i g u n g z u s c h ü t z e n u n d zu v e r h i n d e r n , daß solche e r b ä r m l i c h e Kampf weis en, wie die o b e n a n g e d e u t e t e n , i r g e n d w e l c h e Aussicht auf Erfolg haben.

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III. Arbeitszeit.

Diese Frage ist insoweit von Bedeutung, als sie der Privatindustrie gegenüber die nämliche Rolle spielt, wie die Lohnfrage.

Auch hier sollen die Staatswerkstätten der Privatindustrie um etwas weniges vorausgehen. Wird die wöchentliche Arbeitszeit auf 56 effektive Arbeitsstunden festgesetzt, was der gegenwärtigen Arbeitszeit in der Waffenfabrik entspricht, so befinden sich die Arbeiter der eidgenössischen Werkstätten nach der schweizerischen Fabrikstatistik vom Jahre 1895 unter den 8,3 % derjenigen schweizerischen Arbeiter, welche per Woche bis 57 Stunden arbeiten. Nur 2 °/o arbeiten weniger, die übrigen 94,7 % arbeiten mehr als 57 Stunden.

Eine Festsetzung der wöchentlichen Arbeitsstunden kalten wir, abgesehen von dem bereits unter .^Löhnung11 angeführten Grunde gegenüber der Festsetzung der täglichen Arbeitsstunden für richtiger, weil dadurch den verschiedenen Etablissernenten Gelegenheit gegeben ist, die Arbeitsstunden innerhalb der Zeit von morgens 6 Uhr bis abends 6 Uhr den örtlichen Verhältnissen entsprechend etwas variieren zu können.

In den Thuner Werkstätten beträgt die gegenwärtige effektive Arbeitszeit 93/4 Stunden, es brächte die Normierung der Arbeitszeit auf 56 wöchentliche Arbeitsstunden für diese also eine kleine Reduktion mit sich. Ein Ausfall im Lohne sollte für diese Werkstätten durch eine Reduktion der Arbeitszeit nicht herbeigeführt werden.

Auf eine Auseinandersetzung der Verhältnisse in den Anstalten mit militärischem Charakter treten wir nicht ein, da dies von anderer Seite geschehen wird und für die unter der technischen Abteilung stehenden Etablissemente eine Organisation in diesem Sinne vollständig ausgeschlossen ist, wir möchten wenigstens eine solche nicht befürworten.

Bezüglich derjenigen Arbeiter, welche bei den verschiedenen Verwaltungen einzeln oder in kleinern Gruppen beschäftigt sind, liegen die Verhältnisse wesentlich anders. Die Art ihrer Beschäftigung erheischt sehr oft keine besondere Berufsbildung, sie stehen unter direkter Aufsicht und eher in dem Verhältnis eines Dienstboten, als in dem eines Arbeiters.

Für diese Klasse Arbeiter ließe sich ein Anstellung^Verhältnis auf längere Dauer schaffen, vorausgesetzt, daß für solche auf Jahre hinaus Beschäftigung gesichert wäre. Man hat aber gewiß schon

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eher zuviel Personal in das Angestelltenverhältnis gebracht und Vermehrung desselben würde neuerdings für die übrigen Arbeiter Anlaß zu Unzufriedenheit geben, so daß es angezeigt erscheint, auch für diese keine besonderri Gesetze zu machen. Es kann deren Anstellung und Löhnung wohl in durchaus gerechter Weise von Fall zu Fall geregelt werden. Auch diese Leute stellen si oli wohl mit wenig Ausnahmen besser als bei Privatanstellungen.

Wir haben in verschiedenen Konferenzen und Einzel Besprechungen mit den Direktoren die für die Beantwortung des Postulates maßgebenden Verhältnisse und in Betracht kommenden Vorschläge besprochen, nachdem die Direktoren in ihren schriftlichen Beantwortungen des Postulates (Beilagen 7, la bis 10) ihren Standpunkt gekennzeichnet hatten. Wir haben uns die größte Mühe gegeben, eine einheitliche Vorlage zu stände zu bringen, haben aber leider nicht vollständig reüssiert, indem die Direktoren der Munitionsfabrik, Konstruktionswerkstätte und Waffenfabrik unserer Vorlage einer Anstellung«- und Lohnordnimg für die Arbeiter der eidgenössischen ßegiewerkstätten (Beilage 11) nicht zustimmen zu können glauben und hauptsächlich einer periodischen Lohnaufbesserung widersprechen (Beilage 12). Der Chef der Laborierwerkstätte in Altdorf und der Chef der Abteilung Bekleidungswesen (Montierungsmagazin) haben unsero Vorschlägen zugestimmt.

Die Direktoren besitzen mehr Erfahrung, indem sie stets mit den Arbeitern direkt verkehren müssen. Sie wahren auch nicht ihre persönlichen Interessen, indem es für sie ja leichter wäre, nach gesetzlich normierten Vorschriften Löhnung und Anstellung zu bestimmen. Sie bieten auch persönlich Garantie, daß ihre Vorschläge auf jeden Fall ihnen durch die Interessen des Staates geboten erscheinen. Wir können uns daher nicht entschließen, weitergehende Maßnahmen, als die von den Direktoren beantragten, von uns aus bestimmt zu empfehlen. Hinwiederum können uns die von den Direktoren vorgebrachten Gründe nicht von der Überzeugung abbringen, daß der Staat als Arbeitgeber nicht in kurzsichtiger Weise Institutionen von der Hand weisen sollte, deren Gestaltung er jetzt in seiner Hand hält, während in absehbarer Zeit diese Institutionen unter dem Zwang der Verhältnisse in einer dem Arbeitgeber weit unangenehmeren Form zur Durchführung gelangen müssen. Die Bahn
Verwaltungen haben Lohnordnungen einführen müssen, ob dieselben ganz zweckentsprechend sind, muß erst noch bewiesen werden. Bei Übergang der Bahnen an den Bund wird man aber kaum den Arbeitern der Reparatur-

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Werkstätten diese zum Teil im Kampfe mit dein Arbeitgeber errungenen Lohnordnungen wieder nehmen können, unsere bisherigen Regiewerkstätten müssen dann ähnliche Vorschriften er halten.

Wir haben uns bei Ausarbeitung einer Lohn- und Anstellungsordnung an die von der schweizerischen Centralbahn, der Nordostbahn und Jura-Sirnplon-Bahn für ihre Werkstätten erlassenen Lohnordnungen und anderseits an den Schlußsatz des Expertenberichtes gehalten, der wie folgt lautet: ,,Wir sind der Meinung, daß die eidgenössische Waffent'abrik wie überhaupt die staatlichen Werkstätten gute Löhne zahlen sollen, Löhne, die sich eher etwas höher stellen, als für gleichwertige Leistungen in der Privatindustrie bezahlt werden. Es steht dem Staate wohl an, mit dem guten Beispiel voranzugehen. Unverhältnismäßig höhere Löhne zu zahlen als die Privatindustrie, braucht auch der Staat nicht, es käme das einfach auf eine Bevorzugung eines kleinen Trüppchens Arbeiter auf Kosten der Steuerzahler hinaus. Den richtigen Maßstab für die Bemessung der Löhne muß auch der Staat immer in der Privatindustrie suchen, welche unter dem Zwange der Verhältnisse das Richtige zu treffen allein in der Lage ist und jederzeit diejenigen Löhne bezahlen wird, welche der Lage des Arbeitsmarktes entsprechen."

Auf Grund der vorangegangenen Betrachtungen der Verhältnisse der in einheitlich organisierten Anstalten mit Fabrikscharakter beschäftigten eidgenössischen Arbeitern kommen wir zu nachstehenden

Schlussfolgerungen und Anträgen: 1. An dem Grundsatze, der zu wiederholten Malen und auch im Geschäftsberichte pro 1893 zum Ausdruck gelangte, daß die eidgenössischen Regiewerkstätten wirtschaften und geleitet werden sollen wie gut geleitete Privatetablissemente, ist festzuhalten.

2. Eine gesetzliche Regelung der Lohn- und Anstellungsverhältnisse, wie solche von den Arbeitern angestrebt wird, ist mit vorstehendem Grundsatz unvereinbar und für die Arbeiterschaft der Regiewerkstätten daher nicht in Aussicht zu nehmen.

. 3. Bezüglich Löhnung und Arbeitszeit soll wie bis anhin der Grundsatz maßgebend sein, daß die Arbeiter der eidgenössischen Werkstätten um ein geringes besser gestellt sein sollen, als die Arbeiter gleicher Berufsthätigkeit in der Privatindustrie.

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4. In den der Arbeiterschaft im allgemeinen zu gute kommenden Wohlfahrtseinrichtungen, Speiseanstalten, Badeeinrichtungen, Fürsorge für Kranke und alte, invalide Arbeiter sollen die eidgenössischen Werkstätten der Privatindustrie vorangehen und zum Vorbilde werden.

Besonders soll die Sicherstellung der nicht mehr arbeitsfähigen Arbeiter in Aussicht genommen werden, selbstverständlich auch mit etwelchen Beiträgen der Arbeiter selbst. Bevor aber einmal die Kranken- und Unfallgesetzgebung und damit auch die Leistungen der Arbeiter und der Arbeitgeber festgestellt sind, kann kaum ein neues Projekt für Altersversicherung vorgelegt werden. Wir würden es aber sehr begrüßen, wenn schon in das nächste Budget der Regiewerkstätten eine der Arbeiterzahl entsprechende Summe für Kreierung eines Fonds für Altersversicherung aufgenommen werden dürfte.

Kriegsmaterialverwaltung : Der Chef der technischen Abteilung : C. v. Orelli.

Beilagen.

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Beilage 3.

B e r n , den 5. April 1898.

Das Schweiz, Post- und Eisenbahndepartement (Telegraph, enabteiltung) an das

Eidg. politische Departement, Bern.

Gemäß der Präsidialverfügung vom 19. Oktober abbin beehren wir uns, Ihnen hiermit vom Standpunkte der Telegraphenverwaltung aus Bericht zu erstatten über das unterm 15. gleichen Monates von den eidgenössischen gesetzgebenden Räten angenommene Postulat ,,Der Bundesrat wird eingeladen, zu prüfen und darüber Bericht zu erstatten, ob nicht die Lohn- und Anstellungsverhältnisse der mindestens zwei Jahre im Dienste der Bundesverwaltung stehenden und vollbeschäftigten Arbeiter gesetzlich zu regeln seien".

Dieses P o s t u l a t fällt nach I n h a l t und T e n d e n z zusammen mit einer dem Bundesrat vom N a t i o n a l r a t zur v o r g ä n g i g e n B e r i c h t e r s t a t t u n g ü b e r w i e s e n e n E i n g a b e der T e l e p h o n a r b e i t e r vom 11. D e z e m b e r 1 8 9 6 , welche bisher ihre Erledigung nicht gefunden hat und nun am richtigsten gleichzeitig und in Verbindung mit dem Postulat behandelt wird. Die Eingabe geht nämlich dahin, es möchten die Anstellungsverhältnisse der schweizerischen Telephonarbeiter einer Reorganisation unterworfen werden in dem Sinne, daß die letztern, d. h. wenigstens die seit einer Reihe von Jahren ständig beim Telephon beschäftigten Arbeiter, den ü b r i g e n e i d g e n ö s s i s c h e n A n g e stellten gleichgestellt werden.

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Das nämliche Gesuch wurde vorher schon wiederholt gestellt, nämlich im November 1891 au die Telegraphendirek'tion, im März 1894 und im November 1896 an den Bundesrat.

Die Gründe, warum demselben keine Folge gegeben wurde, fassen sich im wesentlichen dahin zusammen: Die personelle Organisation des Telephonwesens trägt zur Zeit nur einen provisorischen Charakter und harrt einer gesetzlichen Regelung. In seinem Berichte an die gesetzgebenden Räte vom 1. Dezember 1893, betreffend das Postulat über gesetzliche Regelung der Stellung eidgenössischer Beamten und Angestellten hat der Bundesrat eingehend die Gründe dargelegt, welche für eine einstweilige Belassung dos bisherigen Verhältnisses sprechen und welche bei der durch die Taxherabsetzung bewirkten neuen Ausdehnung des Telephonwesens an Gewicht nur gewinnen können. Es scheine deshalb nicht angezeigt, nur für eine einzelne Kategorie von Telephonangestellten eine Neuordnung des Anstellungsverhältnisses vorzunehmen, zumal die Einführung eines ganz neuen Prinzips in die Verwaltung in Frage komme, dessen Zweckmäßigkeit oder Unzweckmäßigkeit am richtigsten im Zusammenhang mit der gesamten Reorganisation der Verwaltung zu beurteilen sein werde (Protokollauszug vom 18. Juni 1894 und 12. Dezember 1896).

Nach diesen erläuternden Vorbemerkungen über die Entstehung und bisherige Behandlung der durch das Postulat aufgeworfenen, beziehungsweise verallgemeinerten Frage treten wir nun auf diese selbst ein, soweit dieselbe die Telegraphenverwaltung betrifft.

Bei Prüfung des vorliegenden Postulates scheinen uns folgende Punkte in Betracht zu kommen: 1. das Lohnsystem (Tag- oder Stundenlohn, Accordarbeit, Jahresbesoldung mit fester Anstellung) ; 2. die Löhne selbst und deren Ausrichtung unter gewissen Umständen (Krankheit, Blilitärdienst) und an Feiertagen, Zahltage, Lohnregulativ; 3. die Arbeitszeit, Überstunden und Nachtarbeit; 4. Dauer und Kündigung des Dienstvertrages, Kündigungsfrist; 5. Invalidität und Lohhnachgenuß im Todesfall.

Wir beobachten in unsern Ausführungen die vorstehende Reihenfolge und behandeln daher 1. Das L o h n s y s t e m . Hier berührt sich das Postulat mit der oben erwähnten Eingabe der Telephonarbeiter, welche eine definitive Anstellung mit Jahresbesoldung anstreben. Im allge-

681 meinen können wir nur wiederholen, was hierüber in dem Bericht an den Bundesrat vom 23. Mai 1894 gesagt wurde. Seit Einführung des Telegraphenwesens in der Schweiz im Jahre 1852 hat die Telegraphenverwaltung nie fix angestellte Linienarbeiter gehabt, vielmehr wurden die mit diesem Dienst vertrauten Leute je nach Bedürfnis einberufen und kürzere oder längere Zeit im Taglohn beschäftigt. Neue Linien wurden meistens im Accord gebaut. Diesem System verdankt die Schweiz den in Anbetracht der ungünstigen territorialen und klimatischen Verhältnissen billigen Bau und Unterhalt ihres sehr ausgebildeten und weitverzweigten Telegraphennetzes und daher zum Teil auch die günstigen Rechnungsergebnisse während einer langen Reihe von Jahren.

Auch die seit Einführung des Telephons (1881) mit dem gleichen System bei den Telephonarbeitern gemachten Erfahrungen sind durchaus befriedigend und sprechen keineswegs für eine Änderung, trotzdem die Natur und die Ausdehnung des Telephonwesens die ständige Verwendung eines zahlreichen Arbeiterpersonals mit sich bringt.

Die Rekrutierung dieses Personals ist keineswegs eine leichte Sache, und in den meisten Fällen läßt sich erst nach jahrelanger Verwendung mit Sicherheit bestimmen, ob die dienstlichen und moralischen Eigenschaften eines Arbeiters derart sind, daß die Verwaltung ein Interesse daran fände, denselben durch eine definitive Anstellung dauernd an sich zu knüpfen. Mancher Arbeiter kann auch, gewisser Fähigkeiten wegen, ganz wohl als Taglöhner beschäftigt werden, während ihn andere Eigenschaften zu einer definitiven Anstellung keineswegs empfehlen würden. Anderseits zeigt die Erfahrung auch bei ändern Angestellten, daß der in provisorischer Stellung an den Tag getretene Eifer nicht selten einem gewissen Gehenlassen, verbunden mit einem anspruchsvollen Wesen, Platz macht, sobald die definitive Anstellung gesichert ist.

Bei den Telephon- und Telegraphenarbeitern ist auf diesen Umstand um so mehr Gewicht zu legen, als dieselben unmöglich fortwährend unter Aufsicht und Kontrolle gehalten werden können, weil sie häufig mehr oder weniger selbständig auswärts beschäftigt werden müssen. Wiederholte, bei solchen Gelegenheiten vorgekommene Ausschreitungen, selbst von Seiten jahrelang beschäftigter Arbeiter, sind nicht gerade geeignet, die Verwaltung zu einer Änderung des
bisherigen AnstellungsVerhältnisses zu ermutigen, da das Taglohnsystem nach hierseitigen Erfahrungen sicli durchaus bewährt hat und in Bezug auf Arbeitsleistung und Autrechthaltung der Disciplin die besten Resultate ergiebt. Man

682 darf sich nicht verhehlen, daß neben den guten Arbeitern sieh zahlreiche schlimme Elemente befinden, die zwar ihre wirklichen oder vermeintlichen Rechte sehr gut geltend zu machen wissen, die aber ein nur unvollkommen ausgebildetes Pflichtgefühl besitzen.

Auch solche Leute können ja u n t e r b e s t ä n d i g e r A u f s i c h t Verwendung finden, allein gegen eine d e f i n i t i v e A n s t e l l u n g derselben, nach kürzerer oder längerer Probezeit, bestehen die schwersten Bedenken.

Auch bei den auswärtigen Verwaltungen besteht in betreff der gewöhnlichen Arbeiter das gleiche Anstellungssystem wie in der Schweiz, mit dem einzigen Unterschied, daß etwa einzelne besonders qualifizierte Arbeiter, Vorarbeiter, Aufseher u. s. w., definitiv mit einer Jahresbesoldung .angestellt sind. In diesem Sinne beabsichtigt auch unsere Verwaltung, den obern Behörden die Kreierung einer beschränkten Zahl definitiver Stellen für Vorarbeiter und Monteure vorzuschlagen, doch wollten wir hierfür den Moment einer Reorganisation der Verwaltung abwarten, die in Vorbereitung ist. Für solche Stellen können aber nur solche Arbeiter in Betracht kommen, die durch mehrjährige Dienste Proben ihrer geschäftlichen und moralischen Tüchtigkeit abgelegt haben, wobei es sich nicht darum handeln kann, von vornherein gesetzlich oder reglementarisch zu bestimmen, nach wie langer provisorischer Verwendung (im Taglohn) die definitive Anstellung zu erfolgen habe.

2. Die L ö h n e . Die Telegraphenverwaltung beschäftigt gegenwärtig: a. in der Reparaturwerkstätte 26 Arbeiter b. im Centralmagazin : Monteure 3 Arbeiter 31 34 ot

,,

c. Telegraphenarbeiter, bei den Kreisinspektionen 104 ,,.

d. Telephonarbeiter in den Telephonnetzen . . 462 ,, Total 626 Arbeiter Davon beziehen : 57 oder 9,1 % weniger als Fr. 4. -- Taglohn 239 ,, 38,2 % Fr. 4. -- bis ,, 4. 50 ,, 110 ,, 17,6 o/o ,, 4.60 ,, ,, 5.,, ' 80 ,, 12,3 % ,, 5.10 ,, ,, 5.50 ,, 57 ,, 9,1 ,, 5.60 ,, ,, 6.-- ,, 67 ,, 10,7% ,, 6.10 ,, ,, 7.,, 16 ,, 2,5 % über Fr. 7. -- Taglohn.

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Unter Fr. 4 werden nur ganz ungeübte Arbeiter (nicht Berufsarbeiter) eingestellt und zwar in der Regel mit Fr. 3. 50, doch steigen dieselben, falls sie überhaupt brauchbar sind, nach kurzer Zeit auf Fr. 3. 80 bis Fr. 4. Alle Jahre findet eine Revision der Löhne statt, wobei bei befriedigenden Leistungen um 30--50 Cts. gestiegen wird. Als Blaximum gilt für gewöhnliche Arbeiter der Ansäte von Fr. 6, für Vorarbeiter und Monteure Fr. 7. 50, doch muß den örtlichen Verhältnissen Rücksicht getragen werden, so daß das Maximum in der Regel nur an tüchtige Arbeiter in größern Ortschaften ausgerichtet wird. Die Telephonarbeiter erhalten überdies bei Verwendung außerhalb ihres Domizils Zulagen von Fr. 2 bis Fr. 3 per Tag. Die Telegraphenarbeiter, die fast immer auswärts beschäftigt sind, erhalten diese Zulagen nicht, wogegen die Taglöhne durchschnittlich etwas höher gehalten sind.

In der Reparaturwerkstätte der Central ver waltung besteht Stundenlohn, der für den Werkführer Fr. 1.20, für die Arbeiter 55--75 Cts. beträgt. Es beziehen : l Arbeiter 4 ,, 7 ,, 5 ,, 8 *

- «--· z/Ä, 55 Cts.

Fr. 4. 95 60 ,, ,, 5.40 . . . . . . . 65 ,, ,, 5. 85 70 ,, ,, 6.30 75 ,, ,, 6.75 Durchschnitt per Tag Fr. 6.12.

Diese Arbeiter, wie diejenigen des Centralmagaziris, sind in obiger Zusammenstellung inbegriffen.

Diese Löhne stehen durchwegs beträchtlich höher als alle uns bekannt gewordenen fremder Verwaltungen, wie der deutschen Reichsverwaltung, der württembergischen, der bayerischen und der österreichischen Verwaltung, und durchschnittlich wohl auch höher als bei Privatgeschäften jeder Art in der Schweiz. Dieselben nach einer festen Schablone festzusetzen, mit Minimal- und Maximallohn, geht durchaus nicht an, da unbedingt an dem Grundsatz festgehalten werden muß, daß sich der Lohn nach der Arbeit zu richten habe und zwar nicht nur nach der Arbeit, wie sie dem Arbeiter übertragen wird, sondern wie sie derselbe qualitativ und quantitativ leistet.

Wir können daher einen haltbaren Grund für die Aufstellung eines speciellen Lohnregulativs nicht finden, vielmehr möchten

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wir die Beibehaltung des bisherigen Systems dringend empfehlen.

Das gleiche gilt für den Zeitpunkt der A u s r i c h t u n g der Löhne, welche der allgemeinen Übung gemäß alle 14 Tage, das heißt auf Mitte und Ende Monats, stattfindet. Die 14tägigen Zahltage scheinen den Verhältnissen der Arbeiter und des Arbeitgebers im allgemeinen am besten zu entsprechen.

Damit hängt nun zusammen die Frage, wie es mit den Löhnen an Sonn- und Feiertagen, bei Krankheit und im Militärdienst zu halten sei. Im allgemeinen gilt in der Telegraphenverwaltung von jeher der Grundsatz, daß die Taglöhne nur an denjenigen Tagen ausgerichtet werden, an denen gearbeitet wird, und es sind darnach auch die Lohnansätze bemessen. ' Die Einbeziehung der Sonntage in die Zahl der Lohntage müßte die Löhne notwendig herabdrilcken.

Die Telegraphen- und Telephonarbeiter dürfen, laut bestehender Vorschrift, an Sonntagen nur in dringenden Fällen und soweit ein geordneter Dienstgang es erfordert, zur Arbeit angehalten werden. In solchen Fällen erhalten sie selbstverständlich den entsprechenden Taglohn und überdies, je nach Uniständen, einen ganzen oder halben Ruhetag in der folgenden Woche ohne Lohnabzug. Auswärts in Arbeit stehende Arbeiter, die Samstags nicht nach Hause können oder wollen, erhalten an Sonntagen auch ohne Arbeitsleistung die Hälfte des Lohnes und der üblichen Zulage.

Den bei der Centralverwaltung beschäftigten Arbeitern wird der Lohn für die vom B u n d e s r a t f r e i g e g e b e n e n W e r k t a g e ausbezahlt, nicht aber für Sonn- und Feiertage.

Hinsichtlich der Lohnzahlung in K r a n k h e i t s f ä l l e n und bei M i l i t ä r d i e n s t hat die Verwaltung sich bisher an Art. 15 der bundesrätlichen Verordnung über die Urlaube der Telcgraphenbeamten und Bediensteten gehalten, welcher sich auf einen Bundesratsbeschluß vom 28. Oktober 1887 stützt. Darnach bewilligte sie provisorischen Bediensteten und Taglöhnern, welche ständige Verwendung linden, in den beiden genannten Fällen .eine Entschädigung, die in jedem einzelnen Falle von der Direktion bestimmt wird und höchstens die Hälfte der verlorenen Taglöhne beträgt.

In Krankheitsfällen, wo nicht offenbar eigenes Verschulden vorliegt, wird ausnahmslos die Hälfte des Taglohnes bewilligt, ebenso bei Militärdienst an v e r h e i r a t e t e Arbeiter, wogegen unverheiratete im letztern Falle nur eine Vergütung von Fr. \. 50 erhalten.

685 Diese vom Bundesratsbeschluß vom 20. März 1894, betr. Ausrichtung des Gehaltes an Beamte, Angestellte und Bedienstete während des Militärdienstes, abweichende Praxis der Telegraphenverwaltung wird damit begründet, daß die Arbeiter in jenem Beschlüsse nicht speciell erwähnt und als Taglöhner mit kur/er Kündigungsfrist auch nicht als eigentliche Angestellte zu betrachten seien. Dieselbe steht indessen mit dem genannten Bundesratsbeschlusse insofern in Widerspruch, als sien wenigstens bei den a l t e r n Arbeitern unverkennbar ein mehr oder weniger festes und dauerndes Anstellungsverhältnis gebildet hat, welches denselben ein Anrecht auf die gleichen Begünstigungen giebt, wie sie den vom Bundesrate oder vom Departement gewählten eigentlichen Angestellten gewährt werden. Dasselbe Prinzip wäre vorläufig, bis zum allfälligen Inslebentreten einer eidgenössischen Unfall- und Kranken Versicherung,, auch für den Krankheitsfall in AnO) wendung zu bringen.

Dabei wird es sich darum handeln, eine angemessene, aber i'est bestimmte Grenze zwischen a l t e r n und J ü n g e r n Arbeitern zu ziehen und der Verwaltung die Möglichkeit zu geben, Mißbräuchen entgegentreten zu können. In diesem Sinne möchte es sich empfehlen, festzusetzen, daß den Arbeitern nach d r e i j ä h r i g e r ununterbrochener Verwendung in der eidgenössischen Verwaltung im Falle von Militärdienst oder Krankheit in der Regel der volle Lohn auszurichten sei, in der Meinung, daß es in das Ermessen des Departementsvorstehers gestellt bleibe, wenn besondere Umstände vorliegen, den teilweisen oder ganzen Entzug des Lohnes zu verfügen.

Dagegen könnte für Arbeiter, die noch nicht drei Jahre ununterbrochen in Verwendung stehen, der bisher von der Telegraphenverwaltung befolgte Modus beibehalten werden. Dabei wird vorausgesetzt, nur z e i t w e i l i g und v o r ü b e r g e h e n d beschäftigte Arbeiter bleiben, wie bisher, in solchen Fällen überhaupt von einer Vergütung ausgeschlossen, da sonst zahlreiche Mißbräuche unvermeidlich wären.

Die vorgeschlagene Dienstaltersgrenze von 3 Jahren, die der Dauer einer Amtsperiode der Beamten entspricht, erscheint als ausreichend, um ein bleibendes Anstellungsverhältnis zu begründen, ·anderseits aber auch nicht zu lange bemessen, um die intellektuellen und moralischen Eigenschaften eines Arbeiters kennen zu lernen.

Bundesblatt. 51. Jahrg. Bd. II.

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686 3. Die A r b e i t s z e i t . In der Reparaturwerkstätte der Centralverwaltung wird, auf Wunsch der Arbeiter selbst, täglich 9 Stunden gearbeitet, im Centralmagazin dagegen nur 8 Stunden. Im übrigen beträgt die Arbeitszeit der Telegraphen- und Telephonarbeiter im Sommer (1. April bis 15. Oktober) 10 Stunden, im Winter (16. Oktober bis 31. März) 9 Stunden, mit einer Unterbrechung von "L1/2 Stunden über die Mittagszeit.

Nachtarbeit, wie solche bei öffentlichen Unglücksfällen (wie Feuorsbrünsten u. s. w.) notwendig werden kann, wird im Verhältnis zum Taglohn doppelt bezahlt. Die bei solchen Anlässen verwendeten Arbeiter dürfen ohne besondern Notfall vor Blittag des folgenden Tages nicht wieder in den Dienst berufen werden, ohne daß deshalb ein Lohnabzug eintritt.

Überstunden, wenn die Umstände solche nötig machen, werden nach Verhältnis des Taglohnes bezahlt.

4. Hinsichtlich der D a u e r und K ü n d i g u n g des Ans t e l l u n g s v e r h ä l t n i s s e s der Arbeiter gelten die hier zu Lande allgemein üblichen Normen mit 14tägiger Kündigungsfrist, doch wird von letzterer häufig abgewichen und die Frist auf einen Monat oder 6 Wochen, bisweilen auch noch länger, ausgedehnt.

Hierüber besondere Normen aufzustellen, in Abweichung von der allgemeinen Übung, somit noch über den Art. 343 des Obligationenrechts hinauszugehen, dazu scheint uns keia Grund vorhanden und speciell kein Interesse der Verwaltung, da es dieser nicht erschwert werden sollte, sich untüchtiger und unsolider Elemente auf dem kürzesten Wege zu entledigen.

o. Invalidität und L o h n n a c h g e n u ß im Todesfall.

Was zunächst die Invalidität betrifft, so kommen wir damit zu einem äußerst heiklen Kapitel, das auch in betreff der Beamten noch keine gesetzliche Lösung gefunden hat. Ist die Sache schon hinsichtlich der Beamten schwierig, so ist dies nicht minder deiFall betreffs der Arbeiter, und wir glauben uns diesfalls auf den Hinweis beschränken zu sollen, daß eine allgemeine Invaliditätsversicherung, in ähnlicher Weise wie die projektierte Krankeuund Unfallversicherung, wohl die richtigste Lösung wäre, obwohl auch hier mit großen Schwierigkeiten gerechnet werden muß.

Zur Zeit behilft sich die Verwaltung damit, daß sie invalid gewordene, sonst tüchtige Arbeiter, soweit nicht das Haftpflichtgesetz in Anwendung kommt, für leichtere Arbeiten, etwa in Magazinen u. s. w., verwendet.

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Einen Lohnnacligenuß im Todesfall würden wir auch für die Arbeiter befürworten, trotz der nicht unerheblichen Belastung der Verwaltung, da wir darin ein G-ebot der Humanität gegenüber den meist mittellosen Hinterbliebenen erblicken. Daß diese sowohl als die Armenbehörden zuerst von daher Hülfe erwarten, wo ihr Ernährer während eines größern oder geringern Teils seiner Lebenszeit gearbeitet hat, ist begreiflich, und vollends wenn der Staat der Arbeitgeber ist. Ein im Verhältnis zur Dauer der Anstellung stehender Lohnnachgenuß von 6--12 Monaten würde uns daher nur als billig erscheinen, wenn ein Arbeiter während einer gegewissen Zeitdauer, z. B. 3 Jahre, a n d a u e r n d und o h n e U n t e r b r e c h u n g in der eidgenossischen Verwaltung verwendet wurde. Eine Beschränkung in diesem Sinne scheint uns unerläßlich, um Mißbräuche und zu weit gehende Ansprüche, die mit den Dienstleistungen des Verstorbenen in keinem richtigen Verhältnisse stehen, zu verhüten.

Wir halten dafür, es bedürfe keines Gesetzes, um den Arbeitern, bezw. ihren Angehörigen, die Wohlthat des Lohnnachgenusses zukommen zu lassen, da dies auf dem Wege eines Bundesratsbeschlusses erreichbar sein dürfte.

Nachdem wir im Vorstehenden alle mit dem Postulat in Beziehung stehenden Verhältnisse der Telegraphenverwaltung dargelegt haben, kommen wir zum Schlüsse, es seien keine .stichhaltigen Gründe vorhanden, um dieselben zum Gegenstande einer besonderen Gesetzes vorläge zu machen.

Das Post- und Eisenbahndepartement, D e r S t e 11 v e r t r e t e r :

TlEtiiser.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Postulat Wullschleger (Lohn- und Anstellungsverhältnisse der im Dienste der Bundesverwaltung stehenden Arbeiter) vom 15. Oktober 1897. (Vom 28. April 1899.)

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1899

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03.05.1899

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