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Bundesratsbeschluss über

den Rekurs der Südostbahn gegen Verfügungen der Bezirksämter Einsiedeln und Schwyz, betreffend Einfriedigung des Bahnkörpers.

(Vom 7. September 1899.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t, nach Einsicht 1. einer Eingabe der Direktionskommission der Schweiz. Südostbahn vom 17. April 1899 samt Beilage; 2. einer Eingabe der gleichen Verwaltung vom 2. Mai 1899 nebst Beilage ; 3. einer Eingabe des Bezirksamtes Schwyz vom 6. Juli 1899; 4. einer Eingabe der Regierung des Kantons Schwyz vom 22. August 1899; 5. eines Berichtes und Antrages seines Eisenbahndepartementes, i n E r vv ä g u n g :

1. Mittelst Eingabe vom 17. April 1899 beschwerte sich dio Direktionskommission der Schweiz. Sudostbahn in Wädenswil beim Eisenbahndepartement über eine Verfügung des Bezirksamtes Einsiedeln vom 11. April 1899, durch welche die Südostbahn amtlich angehalten wurde, den Zaun längs der Bahnlinie durch die Liegenschaft ,,Feißriet" des Herrn Franz Kälin in gehörigen Stand zu setzen, unter Androhung einer Buße von Fr. 50 und exekutorischer Maßnahmen im Mißachtungsfalle. Die Beschwerdeführerin machte

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geltend, es handle sich um eine Maßnahme, welche mit dem Bau und Betrieb einer Eisenbahn zusammenhange, deren Rechtsverhältnisse durch das Bundesgesetz vom 23. Dezember 1872 geregelt werde, dessen Vollzug aber nach Art. 44 einzig dem Bundesrat obliege. Wo auf Grund des Art. 16 des genannten Gesetzes längs einer Eisenbahn Einfriedigungen zu erstellen seien, habe zunächst das Eisenbahndepartement zu entscheiden, eventuell die Schätzungskommission; keineswegs aber könne die Administrativ-Prozeßordnung des Kantons Schwyz hierfür maßgebend sein. Gegenüber Franz Kälin habe die Südostbahn keinerlei vertragliche Verpflichtungen zum Hagen eingegangen, noch sei sie durch Urteil der Expropriationsinstanzen dazu verhalten worden. Eine Einfriedigung der Bahn sei au der fraglichen Stelle überhaupt nicht nötig, wegen der dort bestehenden hohen Erdböschungen und weil die Züge der Südostbahn mit höchstens 30 km. Fahrgeschwindigkeit verkehren, in der Regel kein großes Gewicht haben und mit den doppelten Westinghouse-Bremsen auf kürzeste Distanz zum Stehen gebracht werden können. Würde aber die Entscheidung über die Einfriedigungspflicht in Zukunft einfach den kantonalen Behörden überlassen, so stände zu befürchten, daß sie in der Regel nur einseitig vom Standpunkt des Anstößers aus erfolge und in nicht genügender Berücksichtigung der betriebstechnischen Verhältnisse der Bahn. Bei den sehwyzerischen Bezirksämtern sei dies der Südostbahn gegenüber bisanhin stets so zugegangen, indem sie vor Erlaß der Amtsbefehle niemals angehört wurde. Die Beschwerdeführerin ersuche daher das Eisenbahndepartement um seine Intervention und erteile der Regierung des Kantons Schwyz hiervon Abschrift mit der Bitte um gefällige Vernehmlassung an das Departement.

2. Mit einer weitern Eingabe vom 2. Mai 1899, von welcher die Regierung ebenfalls eine Abschrift erhielt, beschwerte sich die Direktionskommission der Schweiz. Siidostbahn über eine Verfügung des Bezirksamtes Schwyz vom 26. April 1899, durch welche sie aufgefordert wurde, unter Androhung einer Buße von Fr. 200, den Hag zwischen dem Bahngebiet und den Liegenschaften des Anton Marty, des Heinrich Anton Schuler und des Gerold Inglin, sämtlich in Rothenthurm, innert längstens 10 Tagen in gehörigen, unklagbaren Zustand stellen, bezw. nach Notwendigkeit reparieren zu lassen.

3. Unterm
6. Juli 1899 erklärte das Bezirksamt Schwyz mittelst Zuschrift an das Eisenbahndeparternent, es seien ihm seit dem 26. April 1899 wieder mehrere Gesuche um Erlaß gleichartiger

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Amtsverfuguugen eingereicht worden, welche Begehren es jeweilen mit der Begründung abgewiesen habe, daß die Angelegenheit höhern Ortes anhängig sei. Es wäre nun dem Bezirksamt erwünscht, wenn das Departement, bezw. der Bundesrat, den Rekurs baldmöglichst grundsätzlich entscheiden würde.

4. Eine Vernehmlassung der Regierung des Kantons Schwyz ging nicht ein ; dagegen unterstützte diese mittelst Eingabe vom 22. August 1899 an den Bundesrat das erwähnte Gesuch des Bezirksamtes Schwyz um baldige Erledigung des Rekurses.

5. Für die Beurteilung der Frage, ob die kantonalen Administrativbehörden kompetent seien, die Bahngesellschaften zur Erstellung, bezw. Wiederherstellung von Einfriedigungen längs des Bahnkörpers, kommt zunächst Art. 26 der Bundesverfassung in Betracht, wonach die Gesetzgebung über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen Bundessache ist. Was unter Bau und Betrieb der Eisenbahnen zu verstehen sei, wird in den meisten Fällen nicht fraglich sein. So kann z. B. kein Zweifel darüber bestehen, daß Einfriedigungen des Bahnkörpers zum Bahnbau bezw. Bahnbetrieb gehören : denn ihrer Natur nach haben sie den Zweck, einerseits den Bahnbetrieb gegen Störungen von außen zu schützen und anderseits der Umgebung eine gewisse Sicherheit gegen die mit dem Bahnbetrieb verbundenen Gefahren zu bieten. Es bleibt daher das Recht, über die Aufstellung, bezw. den Unterhalt von solchen Einfriedigungen gesetzliche Vorschriften zu erlassen, den Bundesbehörden vorbehalten.

6. Nun bestimmt das Bundesgesetz über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen auf dein Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft vom 23. Dezember 1872 in Art. 16, daß die Bahn, wo es die öffentliche Sicherheit erheische, auf Kosten der Gesellschaft auf eine diese Sicherheit hinlänglich gewährleistende Weise eingefriedigt und die Einfriedigung stets in gutem Zustand erhalten werden müsse. Mit der Vollziehung des Eisenbahngesetzes und also auch mit der Überwachung der Bahnen bezüglich der Ausführung des Art. 16 ist laut Art. 44 der Bundesrat betraut. Daraus geht hervor, daß kantonale Behörden nicht kompetent sind, ohne Auftrag oder Ermächtigung des Bundesrates Verfügungen zu treffen, welche sich auf die durch das Eisenbahngesetz geordneten Verhältnisse beziehen und daß daher die von den Bezirksämtern Einsiedeln und Schwyz gegen die Südostbahn erlassenen Verfugungen als in die Kompetenz der Bundesbehörden eingreifend aufzuheben sind.

705 7. Die materielle Entscheidung über die von der Beschwerdeführerin aufgestellte Behauptung, daß sie nicht pflichtig sei, an den fraglichen Stellen die Einfriedigung reparieren zu lassen, kann ausgesetzt werden, bis die Entscheidung des Eisenbahndepartementes eventuell auf dem Berufungswege vor den Bundesrat gezogen wird; beschließt: 1. Die Beschwerden der Direktionskommission der Schweiz.

Südostbahn in Wädenswil gegen die Verfügungen des Bezirksamtes Einsiedeln vom 11. April 1899 und des Bezirksamtes Schwyz vom 26. April 1899 sind begründet.

2. Der Regierungsrat des Kantons Schwyz wird eingeladen, die erwähnten Verfügungen der Bezirksämter Einsiedeln und Schwyz aufzuheben.

3. Die materielle Entscheidung der Frage, ob die Südostbahn verpflichtet sei, die Einfriedigung an den fraglichen Stellen reparieren zu lassen, ist erstinstanzlich vom Eisenbahndepartement zu fällen.

B e r n , den 7. September 1899.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident:

Haus er.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Kingier.

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Bundesblatt. öl. Jahrg. Bd. IV.

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