09.026 Botschaft über die Genehmigung eines Zusatzabkommens zum Doppelbesteuerungsabkommen mit Frankreich vom 6. März 2009

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung des Zusatzabkommens vom 12. Januar 2009 zum Abkommen vom 9. September 1966 zwischen der Schweiz und Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

6. März 2009

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Hans-Rudolf Merz Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2009-0205

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Übersicht Am 12. Januar 2009 wurde ein Zusatzabkommen zum Abkommen vom 9. September 1966 zwischen der Schweiz und Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen unterzeichnet.

Seit der letzten Revision dieses Abkommens im Jahr 1997 hat die Schweiz sowohl auf bilateraler Ebene mit der EU als auch auf multilateraler Ebene im Rahmen der OECD verschiedene Verpflichtungen im Bereich des Informationsaustausches übernommen. Diese Entwicklungen in der schweizerischen Amtshilfepolitik und insbesondere das mit den EU-Mitgliedstaaten abgeschlossene Abkommen über die Zinsbesteuerung gaben den Anlass für die Aufnahme von Verhandlungen über eine Anpassung des schweizerisch-französischen Doppelbesteuerungsabkommens. Diese führten zum Abschluss eines neuen Zusatzabkommens zu diesem Abkommen.

Das neue Zusatzabkommen löst die durch die vorgenannten Entwicklungen verursachten Probleme weitgehend. Das Ergebnis der Verhandlungen kann als ausgewogen bezeichnet werden.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben den Abschluss dieses Zusatzabkommens begrüsst.

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Botschaft 1

Grundzüge des Zusatzabkommens

1.1

Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Das schweizerisch-französische Abkommen vom 9. September 1966 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (SR 0.672.934.91; nachstehend «das Abkommen» bzw. «DBA-F») wurde durch die beiden Zusatzabkommen vom 3. Dezember 1969 und vom 22. Juli 1997 abgeändert. Seit dieser letzten Teilrevision hat die Schweiz sowohl auf multilateraler Ebene im Rahmen der Organisation für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) als auch auf bilateraler Ebene im Verhältnis zur EU und ihren Mitgliedstaaten verschiedene Verpflichtungen übernommen, die eine Änderung der schweizerischen Abkommenspolitik im Bereich der Amtshilfe zur Folge hatten.

Gegenüber der OECD hat sich die Schweiz mit der Zustimmung zum Bericht des Fiskalkomitees aus dem Jahr 2000 über die Verbesserung des Zugangs zu Bankinformationen für steuerliche Zwecke verpflichtet, Informationen für die Anwendung des innerstaatlichen Rechts eines Vertragsstaates in Fällen von Steuerbetrug auszutauschen. Im Weiteren hat sich die Schweiz im Rahmen der Arbeiten der OECD über die Beseitigung der schädlichen Steuerkonkurrenz bereit erklärt, gewisse Steuerregimes anzupassen und den Informationsaustausch für die Durchführung des innerstaatlichen Rechts im Falle von Holdinggesellschaften im Sinne von Artikel 28 Absatz 2 des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) zu gewähren. Das Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft vom 26. Oktober 2004 über die Besteuerung von Zinserträgen (SR 0.641.926.81; nachstehend «ZBstA») sieht ausserdem für die hierunter fallenden Erträge einen Informationsaustausch im Falle von Steuerbetrug oder eines ähnlichen Deliktes vor. Als solches gilt eine Widerhandlung, die einen dem Steuerbetrug nach schweizerischem Recht vergleichbaren Unrechtsgehalt aufweist. In Ergänzung des ZBstA wurde zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft sowie deren Mitgliedstaaten ein Einverständliches Memorandum unterzeichnet. Artikel 2 dieses Memorandums bestimmt, dass die Schweiz und jeder Mitgliedstaat der EU Verhandlungen im Hinblick auf eine Revision des jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommens aufnehmen mit dem Ziel, in diese Abkommen eine Bestimmung über den Austausch von Informationen, einschliesslich von
Bankinformationen, in Fällen von Steuerbetrug oder ähnlichen Delikten aufzunehmen.

Diese Verpflichtungen der Schweiz entsprechen teilweise den Entwicklungen auf dem Gebiet der Amtshilfepolitik in wichtigen Mitgliedstaaten der OECD bzw. den EU-Mitgliedstaaten. Sie bilden einen Eckpfeiler der heutigen schweizerischen Abkommenspolitik. Im Übrigen haben gewisse Staaten ihr innerstaatliches Recht durch Bestimmungen ergänzt, die für Personen, die in Staaten mit einem genügend weiten abkommensrechtlichen Informationsaustausch ansässig sind, oder für aus solchen Staaten stammende Einkünfte steuerlich günstigere Regimes vorsehen. Dies trifft auch für Frankreich zu, das im Jahr 2004 die Steuergutschrift per 1. Januar 2005 abgeschafft und durch ein Teileinkünfteverfahren (Art. 158.3.2 des Code général des impôts/CGI) ersetzt hat. Nach diesem neuen Verfahren können fran1633

zösische Aktionärinnen und Aktionäre einen Einschlag von 40 % (früher von 50 %) des Betrags der Dividenden geltend machen, die ihnen aus französischen Quellen oder aus einem Staat zufliessen, mit dem Frankreich ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat. Dies gilt somit auch für Dividendenausschüttungen schweizerischer Gesellschaften. Es ist jedoch vorgesehen, dass Frankreich dieses Teileinkünfteverfahren ab 1. Januar 2009 nicht mehr gewähren wird für Dividenden von Gesellschaften, die in Staaten ansässig sind, deren Doppelbesteuerungsabkommen mit Frankreich keine Amtshilfebestimmung enthält, die der Bekämpfung sowohl des Steuerbetrugs als auch der Steuerhinterziehung dient.

Solche Defensivmassnahmen sowie die Entwicklung auf dem Gebiet der schweizerischen Amtshilfepolitik im Allgemeinen und namentlich der Zusammenhang mit dem ZBstA (beispielsweise das Verhältnis zwischen Art. 11 DBA-F und Art. 15 ZBstA) bildeten Anfang 2005 für die zuständigen Behörden der Schweiz und Frankreichs den Anlass, die Situation in Bezug auf mehrere Fragen der Anwendung des Abkommens zu erörtern und diejenigen Punkte festzulegen, für die möglicherweise im Rahmen einer Abkommensrevision eine Lösung gefunden werden könnte. Nach dem Abschluss teilweise schwieriger Verhandlungen konnte schliesslich am 12. Januar 2009 ein Zusatzabkommen unterzeichnet werden.

1.2

Würdigung

Schweizerischerseits wurden als weitere Revisionspostulate auch die Einführung eines Nullsatzes für Lizenzgebühren sowie die Abkommensberechtigung schweizerischer Pensionskassen vorgebracht. Letztere wird von den französischen Behörden seit 1997 mit der Begründung verweigert, dass sie mangels subjektiver Steuerpflicht nicht als ansässige Personen im Sinne von Artikel 4 DBA-F betrachtet werden können. Obwohl die schweizerische Delegation im Rahmen der Revisionsverhandlungen wiederholt auf eine Lösung für diese beiden Punkte gedrängt hatte, musste sie zur Kenntnis nehmen, dass die französische Seite nicht bereit war, diese in den Revisionskatalog aufzunehmen. Die französische Ablehnung wurde damit begründet, dass die schweizerischen Konzessionen auf dem Gebiet der Amtshilfe nicht genügend weit gingen, um den Revisionsbereich auszuweiten, zumal diese schweizerischen Forderungen gegenüber dem französischen Parlament, das ohnehin durch die Häufung von Fällen, in denen in Frankreich ansässige Gesellschaften ihren Sitz in die Schweiz verlegt hätten, sensibilisiert sei, nicht gerechtfertigt werden könnten.

Trotzdem können die im ausgehandelten Zusatzabkommen erzielten Resultate als für die Schweiz günstig bezeichnet werden. Sie verankern einerseits die seit 2000 eingetretenen Änderungen der schweizerischen Amtshilfepolitik und regeln einige für den Wirtschaftsstandort Schweiz grundlegende Fragen, namentlich in Bezug auf die Artikel 11 und 14 DBA-F. Im Rahmen dieser Revision konnte das Verhältnis zwischen Artikel 11 DBA-F und Artikel 15 ZBstA geklärt werden. Ausserdem gelang es, auf Abkommensstufe verschiedene Anwendungsprobleme zu lösen und in einem Verständigungsverfahren Fragen im Zusammenhang mit der korrekten Anwendung des schweizerisch-französischen Grenzgängerabkommens zu bereinigen. Für das französische Problem der Zustellung von Zahlungsbefehlen für französische Steuerforderungen konnte eine einfache und für beide Seiten befriedigende Regelung vereinbart werden. Das Verhandlungsergebnis beruht auf gegenseitigen 1634

Kompromissen. Es kann als ausgewogen bezeichnet werden und widerspiegelt den Willen beider Seiten, in grösstmöglichem Ausmass Lösungen für bestehende Probleme zu finden.

2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln des Zusatzabkommens

Die im neuen Zusatzabkommen vereinbarten Änderungen des schweizerisch-französischen Doppelbesteuerungsabkommens von 1966 werden nachstehend erläutert.

Art. 1 betreffend Art. 11 des Abkommens ­ Dividenden Artikel 15 Absatz 1 ZBstA enthält einen Vorbehalt für innerstaatliche oder abkommensrechtliche Vorschriften in der Schweiz und in den EU-Mitgliedstaaten zur Verhütung von Betrug und Missbrauch. Die französischen Behörden vertraten die Auffassung, dass Artikel 11 Absatz 2 Buchstabe b) ii) DBA-F im bilateralen Verhältnis zwischen Frankreich und der Schweiz eine solche abkommensrechtliche Vorschrift zur Missbrauchsbekämpfung bei der Anwendung von Artikel 15 Absatz 1 ZBstA darstellt. Dieser Artikel 11 des Abkommens bestimmt, dass die in Buchstabe b) i) vorgesehene Quellensteuerbefreiung für Dividenden aus einer Beteiligung von mindestens 10 % am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft nicht zur Anwendung gelangt, wenn der nutzungsberechtigte Empfänger eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft ist, an der eine oder mehrere nicht in diesem Staat oder in einem EU-Mitgliedstaat ansässige Personen überwiegend, unmittelbar oder mittelbar, durch Beteiligung oder in anderer Weise interessiert sind und wenn weder die ausschüttende noch die die Dividenden empfangende Gesellschaft an der Börse kotiert ist. Auf französischer Seite wurde die Anwendung der innerstaatlichen Missbrauchsbestimmungen, namentlich von Artikel 119ter CGI, auf Artikel 15 Absatz 1 ZBstA von vorneherein abgelehnt. Artikel 119ter CGI sieht für die Anwendung der EU-Richtlinie 90-435 in der durch die Richtlinie 2003/123/CE geänderten Fassung unter bestimmten Voraussetzungen eine Befreiung der von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschütteten Dividenden vor. Wenn die Muttergesellschaft unmittelbar oder mittelbar von einer oder mehreren Personen beherrscht wird, die nicht in einem EU-Mitgliedstaat ansässig sind, wird diese Befreiung nur dann gewährt, wenn dargetan wird, dass die Haltung der Beteiligungsrechte nicht hauptsächlich auf den Erhalt dieser Befreiung abzielt.

Aus Sicht der französischen Behörden war dieses Missbrauchsdispositiv nur anwendbar zwischen Frankreich und den EU-Mitgliedstaaten, die überdies im Hinblick auf die Anwendung des innerstaatlichen Rechts gestützt auf die Richtlinie 77/79/EWG über
die gegenseitige Amthilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern untereinander Amtshilfe leisten. Im Verhältnis zur Schweiz wurde dagegen angenommen, dass Artikel 15 Absatz 1 ZBstA ebenso wie die innerstaatlichen Missbrauchsbestimmungen unmittelbar anwendbar seien, weil es sich bei den Artikeln 11 Absatz 2 Buchstabe b) ii) und 14 des Abkommens um Bestimmungen zur Einschränkung von Abkommensvorteilen handle und nicht, wie aus schweizerischer Sicht, um Missbrauchsbestimmungen im Sinne von Artikel 15 ZBstA.

1635

Die nun auf Veranlassung der Schweiz bilateral vereinbarten Lösungen für dieses Problem, die sinngemäss auch für die Anwendung von Artikel 14 DBA-F gelten (vgl. die nachstehenden Bemerkungen zu Art. 2 des Zusatzabkommens) sehen wie folgt aus: Für die Periode vom 1. Juli 2005 bis zum Inkrafttreten des Zusatzabkommens haben die französischen Behörden in der am 23. November 2006 vereinbarten Verständigungslösung die direkte Anwendung von Artikel 15 Absatz 1 ZBstA in Verbindung mit Artikel 119ter CGI zugestanden, unter der Voraussetzung, dass sie nötigenfalls in Fällen, in denen die ausgeschütteten Dividenden an eine juristische Person fliessen, die unmittelbar oder mittelbar von einer oder mehreren Personen, die nicht in einem EU-Mitgliedstaat ansässig sind, beherrscht wird und in denen diese Gesellschaft begründet, dass weder der Hauptgrund noch einer der Hauptgründe für die Haltung der Beteiligungsrechte darauf ausgerichtet ist, in den Genuss dieser Befreiung zu kommen, auf die hierzu von der Eidgenössischen Steuerverwaltung gehaltenen Informationen zurückgreifen können. Diese Verständigungslösung entspricht der schweizerischen Abkommenspraxis, nach der die für die ordnungsgemässe Durchführung eines Abkommens erforderlichen Auskünfte auch dann erteilt werden können, wenn das betreffende Abkommen keine ausdrückliche Bestimmung über den Informationsaustausch enthält (BGE 96 I 733). Diese Lösung gestattet es schweizerischen Muttergesellschaften, die ihrerseits von in einem Drittstaat (z.B.

den USA) ansässigen Gesellschaften gehalten werden, in den Genuss des Nullsatzes auf den von ihren französischen Tochtergesellschaften ausgeschütteten Dividenden zu gelangen, was bisher nach Artikel 11 Absatz 2 Buchstabe b) ii) und aufgrund des auf diese Bestimmung getätigten Rückgriffs der französischen Behörden bei der Anwendung von Artikel 15 ZBstA nicht möglich war.

Das Zusatzabkommen bringt in Artikel 11 Absatz 2 Buchstabe b) ii) und iii) einen neuen Missbrauchsvorbehalt. Darin werden die Grundsätze der obigen Verständigungsvereinbarung übernommen. Indessen wird der Nachweis vereinfacht, der in Fällen verlangt wird, in denen eine Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar von Personen gehalten wird, die nicht in einem Vertragsstaat ansässig sind. In diesen Fällen ist lediglich darzutun, dass die Haltung der
Beteiligungsrechte nicht hauptsächlich auf den Erhalt der Befreiung abzielt (anstelle des Nachweises, dass weder der Hauptgrund noch einer der Hauptgründe hierauf ausgerichtet ist). Es wird weiter festgehalten, dass diese Abkommenseinschränkung für die Anwendung von Artikel 15 Absatz 1 ZBstA nur in den Fällen angewendet wird, in denen eine unmittelbare oder mittelbare Beherrschung durch nicht in der EU ansässige Personen vorliegt.

Diese für die Schweiz vorteilhafte Lösung ist im Rahmen des vorstehend dargestellten Problems sowie im Zusammenhang mit der Änderung von Artikel 14 des Abkommens zu würdigen. Das im bestehenden Artikel 11 Absatz 2 Buchstabe b) ii) DBA-F enthaltene Kriterium der Börsenkotierung der Mutter- oder der Tochtergesellschaft wurde fallengelassen. Die Verhandlungsdelegationen sind gemeinsam zur Überzeugung gelangt, dass das Kriterium aufgrund der neuen, breiteren Fassung von Buchstabe b) ii) und iii) nicht mehr erforderlich ist, weil börsenkotierte Gesellschaften im Allgemeinen nicht in einem Vertragsstaat errichtet werden, um in den Genuss einer Befreiung von der Quellensteuer zu gelangen.

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Art. 2 betreffend Art. 14 des Abkommens ­ Abkommensmissbrauch Der bestehende Artikel 14 des Abkommens übernimmt in Absatz 1 Teile der Bestimmungen des Bundesratsbeschlusses vom 14. Dezember 1962 betreffend Massnahmen gegen die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen des Bundes (SR 672.202) sowie die im Kreisschreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 31. Dezember 1962 enthaltenen Kriterien.

Andererseits werden nach Absatz 2 die in der Schweiz ansässigen ausländisch beherrschten Gesellschaften von der abkommensrechtlichen Entlastung von den französischen Steuern auf Zinsen und Lizenzgebühren ausgeschlossen, wenn diese Zinsen und Lizenzgebühren nicht in dem Kanton, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, der kantonalen Einkommenssteuer unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen unterliegen wie aufgrund der Anwendung von Artikel 28 Absätze 2­4 StHG. Ausgeschlossen von den Abkommensvorteilen werden im Weiteren schweizerische Familienstiftungen, deren Begünstigte mehrheitlich nicht in der Schweiz ansässige Personen sind. Diese Bestimmungen gelten bilateral und finden deshalb in beiden Staaten Anwendung.

Es bestand Übereinstimmung darin, dass der gegenwärtige Wortlaut dieses Artikels 14 des Abkommens zu rigide ist, weil er lediglich auf objektive Faktoren abstellte und damit auch Fälle ausschloss, in denen keine ungerechtfertigte Beanspruchung von Abkommensvorteilen vorlag. Die nun im neuen Artikel 14 des Abkommens vereinbarte Lösung sieht vor, dass Abkommensvorteile verweigert werden für Einkommensteile, die von einer in eine Vertragsstaat ansässigen Person unmittelbar oder mittelbar zu irgendeinem Zeitpunkt und in welcher Form auch immer mindestens zur Hälfte an eine Person weitergeleitet werden, die nicht in dem Staat ansässig ist, aus dem die Einkünfte stammen. Dieser Ausschluss von der Abkommensberechtigung tritt indessen nicht ein, wenn der in einem Vertragsstaat ansässige Empfänger, der die Abkommensvorteile beansprucht, nachweist, dass den Geschäftsvorfällen keine hauptsächliche Absicht, Abkommensvorteile zu erlangen zugrunde lag. Es wird weiter klargestellt, dass dieser Nachweis als erbracht gilt, wenn die Einkünfte vom Empfänger an eine mit ihm nicht verbundenen Drittperson weitergeleitet werden oder wenn diese Drittperson, wären ihr diese Einkünfte unmittelbar
zugeflossen, Anspruch auf gleichwertige oder weitergehende Abkommensvorteile gehabt hätte. Selbst wenn eine Gesellschaft diese vorgenannten Bedingungen nicht erfüllt, kann sie immer noch nachweisen, dass damit keine hauptsächliche Absicht verbunden war, in den Genuss von Abkommensvorteilen zu gelangen.

Absatz 3 dieser Bestimmung bestätigt, dass Artikel 11 Absatz 2 Buchstabe b) DBA-F als lex specialis diesem Artikel 14 vorgeht. Artikel 14 gilt deshalb nur für diejenigen Dividenden, die nicht unter Artikel 11 des Abkommens fallen.

Diese Änderung von Artikel 14 kann für beide Seiten als vorteilhaft bezeichnet werden. Die Lockerung erwies sich als nötig, um gewisse Geschäftsmodelle (beispielsweise ausländisch finanzierte internationale Leasingtransaktionen oder die Weiterleitung von aus Frankreich stammenden Lizenzgebühren an in Drittstaaten domizilierte Autoren durch Verlagshäuser) nicht von vorneherein von den Abkommensvorteilen auszuschliessen. Zudem wurde die im geltenden Artikel 14 Absatz 2 des Abkommens enthaltene Vorschrift, wonach Zins- und Lizenzeinnahmen von ausländisch beherrschten schweizerischen Gesellschaften auf kantonaler Ebene nach den für die Bundessteuer geltenden Regeln besteuert werden müssen, aufgehoben.

Die aus Frankreich stammenden und unter verbundenen Unternehmen gezahlten 1637

Lizenzgebühren im Sinne von Artikel 15 ZBstA fallen ­ wie alle anderen aufgrund des Abkommens entlasteten Einkommensteile ­ ebenfalls unter Artikel 14 des Abkommens.

Art. 3 betreffend Art. 17 des Abkommens ­ Angestellte im internationalen Eisenbahnverkehr Aufgrund der Änderung von Artikel 17 Absatz 3 des Abkommens werden die Regeln für die Besteuerung von Vergütungen für unselbständige Arbeit an Bord eines Seeschiffes oder Luftfahrzeuges im internationalen Verkehr auf Vergütungen für eine entsprechende Tätigkeit an Bord eines im internationalen Verkehr betriebenen Eisenbahnfahrzeugs ausgedehnt. Solche Einkünfte können in dem Staat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Soweit es sich um Angestellte öffentlich-rechtlicher Unternehmen handelt, wird auf die Erläuterung zu Artikel 5 dieses Zusatzabkommens verwiesen.

Art. 4 betreffend Art. 20 des Abkommens ­ Ruhegehälter Das Solidaritätssystem der französischen Vorsorgeeinrichtungen, das der schweizerischen beruflichen Vorsorge der 2. Säule entspricht, sieht keine Möglichkeit vor, anstelle einer Pension eine Kapitalauszahlung zu verlangen. Nach geltendem französischem Steuerrecht gelten deshalb Kapitalleistungen, die eine in Frankreich ansässige Person für eine frühere, in der Schweiz ausgeübte unselbständige Erwerbstätigkeit aus der schweizerischen 2. Säule bezieht, nicht als in Frankreich steuerbares Einkommen. Dennoch verpflichtet der geltende Artikel 20 des Abkommens die Schweiz, auf solchen Kapitalleistungen, die an Personen gezahlt werden, die im Zeitpunkt der Fälligkeit in Frankreich ansässig sind, eine Entlastung von der schweizerischen Quellensteuer zu gewähren, da das Abkommen das Besteuerungsrecht Frankreich zuweist. Weil die dadurch bewirkte doppelte Steuerbefreiung als ungerechtfertigt betrachtet wird, wurde Artikel 20 DBA-F geändert. Der Grundsatz der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat des Empfängers wurde beibehalten. Diese Bestimmung sieht nun aber vor, dass, wenn dieser Staat solche Einkünfte ganz oder teilweise von der Besteuerung ausnimmt, der Quellenstaat für den im anderen Staat nicht besteuerten Teil ein subsidiäres Besteuerungsrecht hat. Weil Frankreich gegenwärtig Kapitalleistungen aus der schweizerischen 2. Säule nicht besteuert, kann die Schweiz ihre Quellensteuer
behalten. Diese Lösung erscheint sachgerecht und trägt den Interessen des schweizerischen Fiskus Rechnung.

Art. 5 betreffend Art. 21 des Abkommens ­ Angestellte staatlicher industrieller oder gewerblicher Betriebe Diese Bestimmung wird durch einen neuen Absatz 2 ergänzt.

Im Rahmen früherer Verständigungsverfahren hatten die zuständigen Behörden der beiden Staaten vereinbart, die Besteuerung der Löhne bestimmter Angestellter staatlicher Betriebe dem Artikel 21 des Abkommens über den öffentlichen Dienst zu unterstellen. In einem späteren Verständigungsverfahren war schweizerischerseits eine entsprechende Behandlung des Personals schweizerischer Nationalität eines solchen Unternehmens verlangt worden. Frankreich lehnte dies jedoch mit der Begründung ab, dass es sich bei solchen Unternehmen ungeachtet des Grades der 1638

staatlichen Beteiligung um selbständige Personen des Privatsektors handle und dass eher auf die Funktion des Unternehmens (Ausübung eines industriellen oder gewerblichen Betriebs) als auf dessen Aktionariat abzustellen sei. Diese Haltung stellte somit das Ergebnis früherer Verständigungsverhandlungen in Frage. Aus diesem Grunde und in Berücksichtigung der Entwicklung der staatlichen industriellen oder gewerblichen Betriebe, die vermehrt dem Wettbewerb ausgesetzt sind oder privatisiert werden, kamen beide Seiten überein, die Lage in einem neuen Absatz 2 zu Artikel 21 des Abkommens zu klären. Dieser neue Absatz 2 entspricht dem Artikel 19 Absatz 3 des Musterabkommens der OECD, welcher vorsieht, dass die Gehälter, Löhne, Ruhegehälter und ähnlichen Vergütungen für im Zusammenhang mit unternehmerischen Tätigkeiten eines Vertragsstaates erbrachte Dienstleistungen nach den Bestimmungen des Abkommens über die betreffenden Einkünfte zu behandeln sind.

Art. 6 betreffend Art. 27 des Abkommens ­ Verständigungsverfahren Bereits in der Botschaft zum revidierten Doppelbesteuerungsabkommen mit Südafrika (BBl 2007 6589 ff.) wurde dargelegt, dass sich das Fiskalkomitee der OECD mit der Frage der Einführung einer Schiedsgerichtsklausel befasst. Eine solche Klausel entspricht der Zielsetzung eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Verständigungsverfahren (Art. 25 des Musterabkommens der OECD) keine Verpflichtung zur Lösung von Doppelbesteuerungskonflikten enthält, sondern die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten lediglich verpflichtet, «sich zu bemühen», die Doppelbesteuerung zu beseitigen. Es kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass in gewissen Fällen eine dem Sinn und Zweck eines solchen Abkommens widersprechende Doppelbesteuerung verbleibt. Die schweizerische Haltung ist, in Verständigungsverhandlungen zu vernünftigen Lösungen Hand zu bieten. Letzteres trifft leider für gewisse andere Staaten, die Gewinnaufrechnungen, namentlich im Bereich der Verrechnungspreise, vornehmen und damit wirtschaftliche oder effektive Doppelbesteuerungen verursachen, nicht immer zu. Dies ist aus Sicht der Rechtssicherheit unbefriedigend, und die Aufnahme einer Schiedsgerichtsklausel in ein Doppelbesteuerungsabkommen wäre geeignet, die Stellung der Steuerpflichtigen
zu verbessern.

Aus diesen Überlegungen wurde in Artikel 27 DBA-F ein entsprechender neuer Absatz 5 eingefügt. Entgegen dem schweizerischen Begehren schliesst diese Bestimmung natürliche Personen vom Schiedsgerichtsverfahren aus. Aus französischer Sicht war eine solche Klausel einzig denkbar für Unternehmen in Verrechnungspreisfällen, für die Gewinnaufteilung zwischen einer Betriebstätte und dem Stammhaus sowie für die Frage, ob aufgrund des Abkommens eine Betriebstätte begründet worden ist oder nicht. Können sich die zuständigen Behörden innerhalb einer Frist von drei Jahren nicht im Rahmen eines Verständigungsverfahrens einigen, so kann das Unternehmen ein Schiedsgericht anrufen, ausser wenn der Rechtsweg noch offensteht oder wenn ein Gerichtsentscheid bereits ergangen ist. Die Entscheidung des Schiedsgerichts ist von den Vertragsstaaten ungeachtet der innerstaatlichen Fristen umzusetzen. Die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten legen gemeinsam die Durchführungsbestimmungen für das Schiedsgerichtsverfahren fest.

Diese Lösung geht weiter als diejenige, die Frankreich im Rahmen der Schiedsgerichtskonvention der EU anwendet. Es trifft zu, dass eine Schiedsgerichtsklausel in die schweizerische Steuerhoheit eingreift. Indessen liegt sie im Interesse der 1639

Steuerpflichtigen, die der Einleitung eines Schiedsgerichtsverfahrens vorgängig schriftlich zustimmen müssen. Ausserdem müssen die Rechtsmittel ausgeschöpft worden sein. Es ist davon auszugehen, dass eine Schiedsgerichtsklausel in erster Linie ein Druckmittel darstellt, um die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten zu einer Einigung im Rahmen eines Verständigungsverfahrens zu veranlassen und eine möglicherweise weniger günstige Entscheidung des Schiedsgerichts zu vermeiden.

Die Anzahl der Fälle, die letztlich vor ein Schiedsgericht gelangen, dürfte deshalb gering sein, wie dies auch die Erfahrungen mit der Schiedsgerichtskonvention der EU gezeigt haben.

Art. 7 betreffend Art. 28 des Abkommens ­ Informationsaustausch Wie bereits in der Einleitung ausgeführt, bestand eines der Ziele der Revision des Abkommens darin, die von der Schweiz im Bereich der Amtshilfe eingegangenen internationalen Verpflichtungen umzusetzen. Der neue Artikel 28 DBA-F folgt den Grundsätzen, die die Schweiz bereits mit wichtigen anderen OECD- bzw. EUStaaten (z.B. mit Österreich oder Spanien) vereinbart hat.

Der Informationsaustausch im Einzelfall und auf Verlangen ist nicht nur vorgesehen für ordnungsgemässe Anwendung des Abkommens, sondern auch für die Durchführung des innerstaatlichen Rechts des ersuchenden Staates in Fällen von Steuerbetrug und, aufgrund des ZBstA und des in diesem Zusammenhang unterzeichneten Einverständlichen Memorandums, für «ähnliche Delikte». Damit ein Delikt als ein dem Steuerbetrug «ähnliches Delikt» gilt, muss es einen Unrechtsgehalt aufweisen, der demjenigen des Steuerbetrugs nach schweizerischem Recht vergleichbar ist. Materiell stellt dies gegenüber dem Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG, SR 351.1) keine Ausweitung der schweizerischen Verpflichtung zur Hilfeleistung dar, weil das Erfordernis der beidseitigen Strafbarkeit vorbehalten bleibt. Indessen können im schweizerisch-französischen Verhältnis beide Staaten inskünftig Informationen beim Vorliegen eines Steuerbetrugs auch auf dem Weg der Amtshilfe verlangen, so wie dies bereits aufgrund der Doppelbesteuerungsabkommen mit anderen Staaten (z.B. mit Deutschland, Österreich, Spanien und den Vereinigten Staaten) möglich ist. Dies hat für die Steuerbehörden den Vorteil, dass sie die erhaltenen
Auskünfte für die Veranlagung der betroffenen Steuerpflichtigen verwenden können. Letzteres ist für auf dem Rechtshilfeweg erhaltene Auskünfte nicht möglich, weil der im IRSG enthaltene Spezialitätsvorbehalt die Verwendung einzig für die Strafverfolgung, nicht aber für die Steuerveranlagung, zulässt.

Nach der neuen Ziffer XI des Zusatzprotokolls zum Abkommen gilt als Steuerbetrug oder ähnliches Delikt ein betrügerisches Verhalten, das nach dem Recht des ersuchten Staates ein mit Freiheitsstrafe bedrohtes Delikt darstellt. Damit wird klargestellt, dass die Schweiz nur dann gehalten ist, Informationen (einschliesslich Bankinformationen) auszutauschen, wenn die Tat der steuerpflichtigen Person, wäre sie in der Schweiz begangen worden, als Steuerbetrug zu qualifizieren wäre.

In Bezug auf Holdinggesellschaften können, entsprechend der von der Schweiz im Rahmen der Arbeiten der OECD zur Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs eingegangenen Verpflichtung, im Einzelfall und auf Verlangen Auskünfte für die Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts erteilt werden. Die neue Ziffer X des Zusatzprotokolls bestimmt aber, dass über Holdinggesellschaften nur diejenigen Informationen zu erteilen sind, die sich im Besitz der Steuerbehörden befinden oder 1640

ihr normalerweise zugestellt werden müssen. Für Zwecke dieses Informationsaustausches gelten schweizerischerseits als Holdinggesellschaften die unter Artikel 28 Absatz 2 des StHG fallenden Gesellschaften und auf französischer Seite die diesen gleichgestellten Gesellschaften.

Artikel 28 Absatz 1 Buchstabe d) DBA-F verpflichtet beide Vertragsstaaten, auf Verlangen die für die Anwendung von Artikel 15 ZBstA notwendigen Auskünfte zu erteilen. Dieser Informationsaustausch für die ordnungsgemässe Anwendung eines Abkommens entspricht der schweizerischen Amtshilfepraxis.

Gemäss der neuen Ziffer XI des Zusatzprotokolls zum Abkommen setzt die Leistung von Amtshilfe einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem betrügerischen Verhalten und der verlangten Amtshilfemassnahme voraus. Allgemeine Suchaktionen sind ausgeschlossen. Im Weiteren werden die Anhaltspunkte für das Vorliegen eines begründeten Verdachts für das Vorliegen eines Steuerbetrugs oder eines ähnlichen Delikts seitens des ersuchenden Staates aufgelistet. Es kann sich insbesondere um Dokumente wie Buchführungsunterlagen, Aussagen der steuerpflichtigen Person, glaubhafte Auskünfte von Dritten oder andere Indizienbeweise handeln.

Das schweizerische Verfahren für die Beschaffung von verlangten Informationen entspricht demjenigen, das bereits mit anderen Staaten (z.B. mit Deutschland, Norwegen oder Spanien) vereinbart worden ist. Es wird Gegenstand einer vom Bundesrat zu erlassenden Verordnung sein.

Frankreich verlangte ursprünglich eine automatische Meistbegünstigungsklausel für den Fall, dass die Schweiz nach der Unterzeichnung dieses Zusatzabkommens mit einem anderen Staat, der Mitglied der OECD ist, eine weiter gehende Amtshilfebestimmung vereinbaren sollte. Dieses für die Schweiz nicht annehmbare Begehren konnte in einem neuen Absatz 3 zu Artikel 28 DBA-F wie folgt eingeschränkt werden.

Sollte die Schweiz nach der Unterzeichnung des vorliegenden Zusatzabkommens mit einem EU-Mitgliedstaat einen Anwendungsbereich auf dem Gebiet der Amtshilfe in Steuersachen vereinbaren, der über den im vorliegenden Zusatzabkommen vorgesehenen Bereich hinausgeht, so wird Frankreich automatisch derselbe Anwendungsbereich des Informationsaustausches zugestanden. Eine analoge Bestimmung findet sich auch im revidierten Doppelbesteuerungsabkommen mit Spanien. Diese
Lösung ist im Lichte der Bilateralen II zwischen der Schweiz und der EU zu werten.

Sowohl das Betrugsbekämpfungsabkommen als auch die Schengen-Assoziierungsabkommen statuieren eine Gleichbehandlung aller EU-Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Rechtshilfe. Es erscheint deshalb gerechtfertigt, eine solche gleiche Behandlung auch in den Doppelbesteuerungsabkommen zu verankern, zumal auch das ZBstA hinsichtlich des Steuerbetrugs eine Gleichbehandlung gegenüber allen EU-Mitgliedstaaten vorsieht. Es ist im Übrigen sehr unwahrscheinlich, dass diese Meistbegünstigungsklausel praktische Auswirkungen zeitigen wird, hat doch die Schweiz in Ziffer 2 des Einverständlichen Memorandums zwischen der Schweiz, der EU und ihren Mitgliedstaaten zugesichert, in die Doppelbesteuerungsabkommen eine Amtshilfebestimmung auch in Fällen von Steuerbetrug und ähnlichen Delikten aufzunehmen.

Für den Fall, dass die Schweiz nach der Unterzeichnung dieses Zusatzabkommens gegenüber einem nicht der EU angehörenden Mitgliedstaat der OECD eine weiter gehende Amtshilfe gewähren sollte, ist vereinbart worden, dass die zuständigen Behörden beider Staaten innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten einer solchen 1641

Ausweitung Verhandlungen über ein neues Zusatzabkommen aufnehmen werden, um eine entsprechende Anpassung des Anwendungsbereichs von Artikel 28 Absatz 1 DBA-F zu vereinbaren. Auf französischer Seite galt diese Bestimmung als eine unverzichtbare Voraussetzung für den Abschluss der Verhandlungen über das vorliegende Zusatzabkommen.

Art. 8 betreffend Art. 28bis (neu) ­ Vollstreckungshilfe Aufgrund von Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Zustellung von Zahlungsbefehlen für französische öffentlich-rechtliche Forderungen an in der Schweiz ansässige Personen sind die französischen Behörden 2003 bei der Schweiz vorstellig geworden und haben eine Mitwirkung der Schweiz auf diesem Gebiet verlangt. Der Gesamtbetrag der französischen öffentlich-rechtlichen ­ meist steuerlichen ­ Forderungen gegenüber in der Schweiz ansässigen Schuldnern beläuft sich nach französischen Angaben auf 58 Millionen Euro, von denen nur ein sehr geringer Anteil eingetrieben werden könne. Nach innerstaatlichem Recht muss die französische Verwaltung vor der Einleitung eines formellen Vollstreckungsverfahrens den Steuerpflichtigen den geschuldeten Betrag und die Absicht, ein solches Verfahren durchzuführen, eröffnen. Wenn der Schuldner in der Schweiz ansässig ist, sind die französischen Behörden auf eine Mithilfe der Schweiz bei dieser Eröffnung angewiesen.

Ohne ein bilaterales oder multilaterales Abkommen über die Vollstreckungshilfe kann die erforderliche Notifikation höchstens im Rahmen der internationalen Courtoisie und ohne verfahrensrechtlichen Zwang vorgenommen werden. Fehlt eine Möglichkeit zur Eröffnung auf diplomatischem Wege, so können die geschuldeten Beträge dem Schuldner nicht förmlich eröffnet werden, was nach französischem Recht eine Voraussetzung für ein Betreibungsverfahren darstellt. Damit ist die Eintreibung solcher Schulden unmöglich und es können nicht einmal dem Schuldner gehörende, in Frankreich gelegene Vermögenswerte gepfändet werden.

Das schweizerische Recht und bestehende bilaterale Verträge sehen bei der Eröffnung von ausländischen Forderungen nichtsteuerlicher Art und deren Eintreibung in Zivil-, Straf- und Verwaltungsstrafverfahren sowie für Krankenpflegerechnungen eine weit gehende schweizerische Mitwirkung vor. Zwischen den zuständigen Behörden beider Staaten wurde, weil es sich um ein französisches
Begehren zur Leistung einer Art Amtshilfe handelt, vereinbart, die Frage der Mithilfe bei der Eröffnung von Zahlungsbefehlen über öffentlich-rechtliche Forderungen im Rahmen der Revision des Doppelbesteuerungsabkommens zu prüfen.

Auch wenn das Interesse der Schweiz an einer bilateralen Lösung aus fiskalischer Sicht gering war, weil nach schweizerischem Recht für die Eröffnung einer Steuerforderung an einen nicht oder nicht mehr in der Schweiz wohnhaften Schuldner andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen (beispielsweise die Publikation in offiziellen Amtsblättern), erschien das französische Begehren berechtigt. Ein schweizerisches Anliegen war jedoch, dass eine Lösung nicht zu einer zusätzlichen administrativen Belastung kantonaler Behörden führen sollte. Aus diesem Grund wurde für die Eröffnung von Steuerforderungen durch die französischen oder die schweizerischen zuständigen Behörden an einen im anderen Vertragsstaat ansässigen Schuldner im neuen Artikel 28bis DBA-F eine direkte Übermittlung auf postalischem Weg vereinbart. Sie gilt nicht nur für die unter das Abkommen fallenden Einkommens- und Vermögenssteuern, sondern auch für die Mehrwertsteuern, Handänderungsabgaben und Liegenschaftssteuern beider Staaten sowie französischerseits für die Steuer auf dem Verkehrswert von Liegenschaften im Besitz juristischer 1642

Personen, die Gewerbesteuer und die Wohnsteuer und schweizerischerseits für die Erbschafts- und Schenkungssteuern. Nach Artikel 28bis Absatz 3 DBA-F kann der ersuchende Staat im Übrigen in dringlichen Fällen oder wenn die Eröffnung auf postalischem Weg erfolglos geblieben ist, auf Begehren des ersuchenden Staates eine Notifikation nach seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften vornehmen. Ist die Schweiz der ersuchte Staat, so ist vorgesehen, dass die Eidgenössische Steuerverwaltung die Notifikation durch Zustellung mit eingeschriebenem Brief durchführt.

Nach französischen Angaben sollte die Zahl der Fälle, in denen eine solche «Noteröffnung» erforderlich ist, sehr gering sein. Die Durchführungsbestimmungen für diese Eröffnung durch den ersuchten Staat werden in einem Briefwechsel zwischen den zuständigen Behörden geregelt.

Mit dieser Lösung kann ein berechtigtes Anliegen erfüllt werden. Selbst wenn in einer ersten Zeit in einem bescheidenen Ausmass (für Eröffnungen in dringlichen Fällen oder bei fruchtloser Eröffnung auf dem normalen postalischen Weg) eine Zunahme des Aufwandes erwartet werden kann, dürfte dieses Verfahren der Eröffnung durch den ersuchten Staat wegen der abschreckenden Wirkung auf die Steuerpflichtigen die Ausnahme bleiben.

Art. 9 betreffend die Ziff. X und XI (neu) des Zusatzprotokolls zum Abkommen ­ Informationsaustausch Es wird verwiesen auf die Erläuterungen zu Artikel 7 des Zusatzabkommens betreffend die Änderung der Bestimmung über den Informationsaustausch (Art. 28 DBA-F).

Art. 10 betreffend Ziff. XII (neu) des Zusatzprotokolls zum Abkommen ­ Reduktion der Bemessungsgrundlage für die Besteuerung von an in Frankreich ansässige Aktionärinnen und Aktionäre gezahlten Dividenden Wie in den einleitenden Bemerkungen ausgeführt wurde, war es eines der Ziele dieser Revision, in Bezug auf die von schweizerischen Gesellschaften an in Frankreich ansässige natürliche Personen gezahlten Dividenden die durch die ab 1. Januar 2009 gültige Verweigerung des Teileinkünfteverfahrens (Einschlag von gegenwärtig 40 %) gemäss Artikel 158.3.2 CGI eintretende Diskriminierung zu beseitigen. Die schweizerische Delegation verlangte, im Abkommen in allgemeiner Form festzuhalten, dass die Amtshilfe gemäss der revidierten Fassung von Artikel 28 DBA-F allen Bestimmungen des französischen Rechts genüge,
die ein Doppelbesteuerungsabkommen mit einer Amtshilfebestimmung für die Bekämpfung sowohl des Steuerbetrugs als auch der Steuerhinterziehung verlangen, um in den Genuss der steuerlichen Vorzugsbehandlung zu kommen. Diesem Begehren wurde von französischer Seite entgegengehalten, dass zwar die Amtshilfe im Falle von juristischen Personen als genügend betrachtet werden könne. Im Falle von natürlichen Personen sei diese Voraussetzung jedoch nicht gegeben, weshalb dem schweizerischen Begehren nicht stattgegeben werden könne. Auf Drängen der Schweiz zeigte sich die französische Seite indessen bereit, eine pragmatische Lösung zu akzeptieren, die sich lediglich auf die Frage der Teileinkünftebesteuerung bezieht, aber gewisse missbräuchliche Gestaltungen im Zusammenhang mit schweizerischen Gesellschaften ausklammert, die von in Frankreich ansässigen natürlichen Personen beherrscht werden. Gemäss der schliesslich vereinbarten Lösung in der neuen Ziffer XII des Zusatzprotokolls zum Abkommen können die in Frankreich ansässigen Empfänger von Dividenden 1643

schweizerischer Gesellschaften auch nach dem 1. Januar 2009 das Teileinkünfteverfahren beanspruchen, obwohl die mit dieser Revision verbundene Ausweitung der Amtshilfe als ungenügend angesehen wird. Sollte indessen die Anwendung des Artikels 28 DBA-F auf Schwierigkeiten stossen, so kann die zuständige französische Behörde ab dem 1. Januar 2011 die zuständige schweizerische Behörde konsultieren und wenn die Schwierigkeiten nicht einvernehmlich beseitigt werden können, die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens aussetzen.

Art. 11 ­ Inkrafttreten Das Zusatzabkommen tritt am ersten Tag des zweiten Monats nach dem Empfang der späteren der beiden Ratifikationsurkunden in Kraft. Die Amtshilfebestimmung gilt für Steuerbetrugs- und ähnliche Delikte, die nach seiner Unterzeichnung begangen werden. In Bezug auf die Mithilfe bei der Notifikation von Steuerforderungen ist es auf alle Forderungen anwendbar, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens nicht verjährt sind.

Die übrigen Bestimmungen des Zusatzabkommens finden Anwendung auf Einkünfte, die in den Kalender- oder Geschäftsjahren erzielt werden, die nach dem Kalenderjahr beginnen, in denen das Abkommen in Kraft tritt.

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Finanzielle Auswirkungen

In einem Doppelbesteuerungsabkommen verzichten beide Vertragsstaaten auf gewisse Steuereinnahmen. Das vorliegende Zusatzabkommen ändert bloss einige wenige Regeln über die Zuteilung von Besteuerungsrechten, namentlich in Bezug auf Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit sowie auf Pensionen aus früherer unselbständiger Erwerbstätigkeit. Die hieraus resultierenden Zusatz- oder Mindereinnahmen für die schweizerischen Steuerbehörden können mangels entsprechender Unterlagen nicht beziffert werden, dürften sich aber aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung zwischen den beiden Staaten kaum auswirken. Die Einführung eines subsidiären schweizerischen Besteuerungsrechts für Kapitalleistungen aus der beruflichen Vorsorge schliesst eine Besteuerungslücke. Soweit Frankreich sein innerstaatliches Recht nicht ändert und solche Kapitalleistungen der Besteuerung unterstellt, kann mit zusätzlichen Steuereinnahmen für die Schweiz gerechnet werden. Im Übrigen bringt das Zusatzabkommen eine Flexibilisierung der Bestimmungen zur Bekämpfung von Abkommensmissbräuchen und eine Verstärkung der Rechtssicherheit durch die Einführung einer Schiedsgerichtsklausel. Schliesslich klärt es das Verhältnis zwischen Artikel 15 ZBstA und dem Doppelbesteuerungsabkommen.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben das Zusatzabkommen begrüsst. Insgesamt trägt es in positiver Weise zur Beibehaltung und zum Ausbau der bilateralen Wirtschaftsbeziehung bei und unterstützt damit die wesentlichen Ziele der schweizerischen Aussenhandelspolitik.

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Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage für das vorliegende Abkommen ist Artikel 54 der Bundesverfassung (BV), der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist. Nach Artikel 166 Absatz 2 BV ist die Bundesversammlung zuständig für die Genehmigung des Zusatzabkommens, das einen integrierenden Bestandteil des aus dem Jahre 1966 stammenden schweizerisch-französischen Doppelbesteuerungsabkommens bilden wird. Das Abkommen ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Das Zusatzabkommen sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstehen seit dem 1. August 2003 die Staatsverträge, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes gilt eine Bestimmung eines Staatsvertrags dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generellabstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt.

Um eine einheitliche Praxis bei der Anwendung von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu gewährleisten und zu vermeiden, dass Abkommen von ähnlicher Tragweite wiederholt dem Referendum unterworfen werden, hat der Bundesrat in der Botschaft vom 19. September 2003 über ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Israel in Aussicht gestellt, dem Parlament künftig zu empfehlen, internationale Abkommen nicht dem fakultativen Referendum zu unterstellen, sofern sie für die Schweiz keine neuen Verpflichtungen enthalten.

Das vorliegende Zusatzabkommen schafft namentlich in Bezug auf die Bekämpfung von Abkommensmissbräuchen günstigere Lösungen als das geltende Abkommen.

Die Amtshilfe im Falle von Holdinggesellschaften wurde auch schon Finnland, Österreich und Spanien zugestanden. Die Amtshilfe in Fällen von Steuerbetrug gilt bereits als neuer schweizerischer Standard in Abkommen mit Mitgliedstaaten der OECD und, hinsichtlich Geltung für die dem Steuerbetrug ähnlichen Delikte, in Abkommen mit EU-Mitgliedstaaten. Sie wurde bereits mit Grossbritannien und mit Spanien vereinbart. Diese neue Amtshilfebestimmung bestätigt das schweizerische Engagement
auf diesem Gebiet.

Das Zusatzabkommen bringt hingegen einerseits eine Mithilfe bei der Notifikation von Steuerforderungen und andererseits eine Meistbegünstigungsklausel in Bezug auf die Amtshilfe in Abkommen mit OECD-Staaten, die nicht Mitglied der EU sind.

Es sichert Frankreich also auf dem Weg einer Meistbegünstigungsklausel Revisionsverhandlungen in Bezug auf eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des Informationsaustausches zu, sollte die Schweiz in einem Abkommen mit einem anderen OECD-Mitgliedstaat eine breitere Amtshilfe zugestehen als in diesem Zusatzabkommen vereinbart wurde. Diesbezüglich zieht dieses Zusatzabkommen für die Schweiz wichtige neue Verpflichtungen nach sich, wie dies beispielsweise auch bei der Revision des Doppelbesteuerungsabkommens mit Österreich der Fall war (vgl. die Botschaft des Bundesrates vom 24. Mai 2006, BBl 2006 5155, Ziff. 4).

Es enthält gegenüber den bisher mit anderen Staaten vereinbarten Verpflichtungen damit wichtige neue Bestimmungen im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV. Der Bundesbeschluss über das Zusatzabkommen zum schweizerischfranzösischen Doppelbesteuerungsabkommen aus dem Jahre 1966 unterliegt daher dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 BV.

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