09.074 Botschaft zu den Volksinitiativen «Für ein steuerlich begünstigtes Bausparen zum Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum und zur Finanzierung von baulichen Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen (Bauspar-Initiative)» sowie «Eigene vier Wände dank Bausparen» vom 18. September 2009

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft beantragen wir Ihnen, die Volksinitiativen «Für ein steuerlich begünstigtes Bausparen zum Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum und zur Finanzierung von baulichen Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen (BausparInitiative)» sowie «Eigene vier Wände dank Bausparen» Volk und Ständen mit der Empfehlung zu unterbreiten, beide Initiativen abzulehnen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

18. September 2009

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Hans-Rudolf Merz Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2009-1512

6975

Übersicht Der Bundesrat lehnt beide Volksinitiativen zum Bausparen ohne Gegenvorschlag ab. Dies deshalb, weil ein steuerlich privilegiertes Bausparen weder ein effektives noch ein effizientes Mittel zur Förderung von selbstgenutztem Wohneigentum ist.

Mit den Vorbezugsmöglichkeiten im Rahmen der beruflichen und der gebundenen Vorsorge bestehen bereits wirksame Instrumente für dessen Förderung.

Zudem hat das Bausparen negative volkswirtschaftliche Auswirkungen und verkompliziert das geltende Steuerrecht.

Die am 29. September 2008 eingereichte Initiative der Schweizerischen Gesellschaft zur Förderung des Bausparens (nachfolgend SGFB-Initiative) sieht die fakultative kantonale Einführung von steuerlich abzugsfähigen Bauspareinlagen für den erstmaligen Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum in der Schweiz (maximal 15 000 Franken jährlich, Ehepaare das Doppelte) und zur Finanzierung von Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen (maximal 5000 Franken jährlich, Ehepaare das Doppelte) vor. Für beide Zwecke können Einlagen je einmal, aber nicht gleichzeitig während längstens zehn Jahren geäufnet werden. Darüber hinaus können die Kantone Bausparprämien von der Einkommenssteuer befreien.

Die am 23. Januar 2009 eingereichte Initiative «Eigene vier Wände dank Bausparen» des Hauseigentümerverbands Schweiz (nachfolgend HEV-Initiative) geht inhaltlich weniger weit. Sie beschränkt sich auf die steuerliche Privilegierung von Bauspareinlagen für den erstmaligen Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum in der Schweiz (maximal 10 000 Franken jährlich, Ehepaare das Doppelte) während längstens zehn Jahren. Im Gegensatz zur SGFB-Initiative ist sie nicht bloss fakultativ, sondern zwingend auf Stufe Bund und Kantone einzuführen.

Der Bundesrat hat das im Kanton Basel-Landschaft geltende und von den eidgenössischen Räten in seinen Grundzügen im Rahmen des Steuerpakets 2001 übernommene Bausparmodell zu keiner Zeit befürwortet. Er hat vielmehr die Meinung vertreten, dass im Rahmen der steuerlichen Wohneigentumsförderung kein neues Instrument eingeführt werden soll. Konsequenterweise und im Einklang mit seiner bisherigen Haltung lehnt er beide Volksinitiativen ohne Gegenvorschlag ab.

Die Gründe für die ablehnende Haltung sind vielfältig. Das geltende Steuerrecht trägt dem Verfassungsauftrag zur Wohneigentumsförderung im Rahmen
der Vorsorge bereits gebührend Rechnung. Die steuerlich privilegierten Vorbezugsmöglichkeiten aus der 2. Säule und der Säule 3a erweisen sich als wirksame Instrumente für den Ersterwerb von selbstgenutztem Wohneigentum. Eine weitere zentrale Förderkomponente ist die steuerliche Festlegung der Eigenmietwerte. Weil diese unter den Marktwerten liegen, unterstützen sie den genannten Verfassungsauftrag. Die bestehenden steuerlichen Massnahmen führen dazu, dass kein Handlungsbedarf für eine weitergehende steuerliche Wohneigentumsförderung vorliegt.

Das Bausparen selbst weist eine ungünstige sozial- und einkommenspolitische Wirkung auf. Aufgrund der progressiv ausgestalteten Einkommenssteuern profitieren vor allem Personen mit höheren Einkommen von einem Bausparabzug. Bauspa-

6976

ren wirkt in Bezug auf das steuerbare Einkommen sogar regressiv, d.h. Haushalte mit einem steuerbaren Einkommen von weniger als 40 000 Franken sind deutlich untervertreten, Bausparende mit steigendem Einkommen zunehmend stärker vertreten.

Effektivität und Effizienz des steuerlich privilegierten Bausparens sind insofern als bescheiden einzustufen, als es nur einem kleinen Teil der sogenannten Schwellenhaushalte, d.h. der Haushalte mit Bruttoeinkommen zwischen 60 000 und 100 000 Franken pro Jahr, ermöglicht, selbstgenutztes Wohneigentum zu erwerben. Von der Einführung steuerlich abzugsfähiger Bauspareinlagen profitieren in erster Linie Steuerpflichtige, die über ausreichend Mittel verfügen, jedoch auch ohne Bausparen in der Lage sind, in den Genuss von selbstgenutztem Wohneigentum zu kommen.

Entsprechend hoch ist der Mitnahmeeffekt zu veranschlagen. Zusätzlich fällt ein Teil der Wirkungen des Bausparens bei den Anbietern von Bausparprodukten (Banken und andere Finanzinstitute) an. Sind gut entwickelte Kapital- und Wohnungsmärkte vorhanden, so stellt Bausparen weder ein effektives noch effizientes Instrument dar, weil es sich nicht als ausreichend zielführend erweist, um das Wohneigentum junger Familien in unteren und mittleren Einkommenskategorien zu fördern.

Volkswirtschaftlich gesehen hat eine steuerlich begünstigte Wohneigentumsförderung negative Wachstums- und Wohlfahrtseffekte. Gründe dafür sind die Verzerrung von Konsumentscheidungen der Haushalte, die Kapitalisierung der Fördermassnahmen in den Bodenpreisen und die Verdrängung der produktivitäts- und wachstumswirksamen Investitionen im Unternehmenssektor durch produktivitätsneutrale Wohnbauinvestitionen.

Die mit der SGFB-Initiative verbundenen Steuererleichterungen erweisen sich in vierfacher Hinsicht als problematisch: Erstens führt die völlige Steuerbefreiung der geäufneten Bauspareinlagen beim Bezug zu einer sachlich nicht begründeten Privilegierung gegenüber den Vorbezugssystemen der 2. Säule und der Säule 3a. Deren Kapitalleistungen aus Vorsorge bauen auf einer separaten Besteuerung mit reduziertem Tarif auf. Zweitens führt das Energie-Bausparen zu einer doppelten Ermässigung der Steuerbelastung. Nicht nur berechtigt das in eine Bauspareinlage eingebrachte Kapital zum Abzug vom steuerbaren Einkommen und zum steuerfreien Bezug bei
zweckmässiger Verwendung. Mit demselben Kapital können energetische Investitionen im Zeitpunkt ihrer Ausführung auch als Unterhaltskosten abgezogen werden, was zu einer ungerechtfertigten Verdoppelung führt. Drittens bleibt die privilegierte Nachbesteuerung zweckentfremdeter Spareinlagen (getrennt vom übrigen Einkommen mit einer Jahressteuer) nicht ausgeschlossen, was ungerechtfertigten Steueroptimierungen Vorschub leistet. Wird viertens in Ergänzung zum Energie-Bausparen auch noch die Steuerbefreiung der Bausparprämien zugelassen, so führen diese zusätzlichen Abzugsmöglichkeiten zu einem Missverhältnis gegenüber der Mieterschaft.

Die HEV-Initiative erweist sich insofern als moderater, als der zweite und vierte der oben genannten Punkte entfallen. Im Gegensatz zur SGFB-Initiative erwähnt die HEV-Initiative keine Nachbesteuerungsbedingungen für den Fall, dass die Bausparmittel nicht zweckgemäss verwendet werden.

6977

Beide Volksinitiativen zum Bausparen stehen im Widerspruch zum Ziel, das Steuerrecht zu vereinfachen. Denn Abzugsmöglichkeiten für den erstmaligen Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum würden das heutige Steuersystem komplizierter machen und den Vollzugsaufwand erhöhen. Bei der SGFB-Initiative kommt erschwerend noch das Energie-Bausparen hinzu, weil auch hier die zweckkonforme Verwendung des geäufneten Kapitals (Durchführung einer energetischen Sanierung) zu prüfen ist. Veranlagungsseitig ist hierzu fachmännisches Know-how beizuziehen und zu entschädigen. Bei nicht zweckgemässer Verwendung des geäufneten Bausparkapitals ist eine Nachbesteuerung vorgesehen. Diese setzt bei interkantonalem Wohnsitzwechsel entsprechende Kontrollmittel voraus. Der Ausbau eines tauglichen Meldewesens erhöht unweigerlich den administrativen Aufwand bei den kantonalen Behörden.

Harmonisierungsrechtlich ergibt sich eine grundsätzliche Divergenz zwischen den beiden Volksinitiativen. Während die HEV-Initiative der formellen Steuerharmonisierung Rechnung trägt, ignoriert die SGFB-Initiative diesen verfassungsrechtlichen Grundsatz, indem sie einzig den Kantonen eine Optionsmöglichkeit für ein Bausparmodell einräumt, was zu sachlich nicht begründbaren unterschiedlichen Regelungen in den Kantonen führen würde.

6978

Inhaltsverzeichnis Übersicht

6976

1 Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiativen 1.1 Wortlaut der Initiativen 1.2 Zustandekommen und Behandlungsfristen 1.3 Gültigkeit

6980 6980 6982 6983

2 Ausgangslage für die Entstehung der Initiativen

6983

3 Ziele und Inhalt der Initiativen

6985

4 Würdigung der Initiativen 4.1 Fehlender Handlungsbedarf für eine weitergehende steuerliche Wohneigentumsförderung 4.2 Kein wirksames Mittel für eine breitere Eigentumsstreuung unter den Schwellenhaushalten 4.3 Negative Auswirkungen auf Wachstum und Wohlfahrt 4.4 Infragestellung des Rechtsgleichheitsgebots 4.5 Widerspruch zu den Vereinfachungsbestrebungen im Steuersystem 4.6 Divergierende harmonisierungsrechtliche Folgen 4.7 Finanzielle Auswirkungen 4.8 Absehbare Schwierigkeiten bei der Umsetzung in den Kantonen

6986

5 Verfahrensrechtliche Herausforderungen

6998

6 Schlussfolgerungen

6999

Anhang Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge

7001

6986 6989 6991 6992 6994 6996 6996 6997

Bundesbeschluss über die Volksinitiative «Für ein steuerlich begünstigtes Bausparen zum Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum und zur Finanzierung von baulichen Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen (Bauspar-Initiative)» (Entwurf) 7003 Bundesbeschluss über die Volksinitiative «Eigene vier Wände dank Bausparen» (Entwurf)

7007

6979

Botschaft 1

Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiativen

Am 29. September 2008 reichte die Schweizerische Gesellschaft zur Förderung des Bausparens (SGFB) die in Form eines ausgearbeiteten Entwurfs abgefasste Volksinitiative «Für ein steuerlich begünstigtes Bausparen zum Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum und zur Finanzierung von baulichen Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen (Bauspar-Initiative)» ein.

Am 23. Januar 2009 reichte der Hauseigentümerverband Schweiz (HEV) die in Form eines ausgearbeiteten Entwurfs abgefasste Volksinitiative «Eigene vier Wände dank Bausparen» ein.

1.1

Wortlaut der Initiativen

Die SGFB-Initiative lautet wie folgt: I Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert: Art. 129a (neu)

Besteuerung von Bauspareinlagen

Die Kantone können, während einer Spardauer von höchstens zehn aufeinanderfolgenden Jahren, Bauspareinlagen von der Vermögenssteuer und die auf dem Bausparkapital angewachsenen Zinsen von der Einkommenssteuer befreien.

1

Die Kantone können zudem vorsehen, dass Bauspareinlagen zum Zweck nach Absatz 3 Buchstabe a bis zu einem jährlichen Betrag von 15 000 Franken und zum Zweck nach Absatz 3 Buchstabe b bis zu einem jährlichen Betrag von 5000 Franken von den steuerbaren Einkünften abgezogen werden können; ein solcher Abzug ist auf höchstens zehn Jahre befristet. Gemeinsam steuerpflichtige Ehegatten können diesen Abzug je für sich beanspruchen. Die Bundesversammlung kann die Höchstbeträge mit einer Verordnung der Teuerung anpassen.

2

3

Bauspareinlagen im Sinne dieses Artikels müssen folgenden Zwecken dienen: a.

dem erstmaligen entgeltlichen Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum an einem schweizerischen Wohnsitz; oder

b.

der Finanzierung von Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen für selbstgenutztes Wohneigentum an einem schweizerischen Wohnsitz.

Die Bauspareinlagen können je nur einmal, aber nicht gleichzeitig, für die Zwecke nach Absatz 3 und nur von volljährigen, in der Schweiz wohnhaften Personen geäufnet werden.

4

5

Sie sind bei einer der Aufsicht des Bundes unterstellten Bank anzulegen.

Die Bauspareinlagen und die gutgeschriebenen Zinsen dürfen nicht verpfändet werden.

6

6980

Die Kantone können eine Altersbegrenzung für die bausparberechtigten Personen, einen jährlichen Bauspareinlage-Minimalbetrag und eine Minimalspardauer vorsehen.

7

Die geäufneten Bauspareinlagen und die gutgeschriebenen Zinsen werden nach Massgabe der kantonalen Regelungen als Einkommen nachbesteuert, wenn:

8

a.

die Bauspareinlagen nicht innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf der maximalen Spardauer oder ab dem Zeitpunkt eines früheren Bezuges zweckgemäss verwendet werden; wird nur ein Teil der Bauspareinlagen und gutgeschriebenen Zinsen innerhalb dieser Frist nicht zweckgemäss verwendet, so wird nur dieser Teil als Einkommen nachbesteuert;

b.

die bausparende Person stirbt und deren Bauspareinlagen nicht vom überlebenden Ehegatten oder den Nachkommen für die Restzeit als eigene Bauspareinlagen fortgesetzt werden;

c.

in den ersten fünf Jahren nach dem Erwerb gemäss Absatz 3 Buchstabe a die Nutzung des Wohneigentums auf Dauer geändert oder das Wohneigentum an Dritte abgetreten wird, ohne dass der erzielte Erlös zum Erwerb eines gleich genutzten Wohneigentums in der Schweiz verwendet wird.

Beim Wegzug in einen anderen Kanton wird die Besteuerung der Bauspareinlagen aufgeschoben. Die Kantone treffen eine Regelung, wonach der Steueraufschub entfällt und eine Nachbesteuerung nach Absatz 8 erfolgt, wenn die Bauspareinlagen in dem anderen Kanton nicht zweckgemäss verwendet werden.

9

10 Die Kantone können Härtefallregelungen vorsehen für Fälle, in denen sich aus Nachbesteuerung der Bauspareinlagen sachlich ungerechtfertigte Belastungen ergeben.

11 Die Kantone erlassen Regelungen, um Missbräuche bei der steuerlichen Begünstigung des Bausparens zu verhindern.

Art. 129b (neu)

Besteuerung von Bausparprämien

Die Kantone können Bausparprämien im Zusammenhang mit Bauspareinlagen für erstmalig entgeltlich erworbenes und selbstgenutztes Wohneigentum in der Schweiz oder für die Finanzierung von Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen für selbstgenutztes Wohneigentum in der Schweiz von der Einkommenssteuer befreien.

Die Kantone sind für die Regelung der Einzelheiten zuständig.

II Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden wie folgt ergänzt: Art. 197 Ziff. 8 (neu) 8. Übergangsbestimmung zu den Artikeln 129a und 129b Bis zum Inkrafttreten der an die Artikel 129a und 129b angepassten Bundesgesetzgebung können die Kantone Bestimmungen unmittelbar gestützt auf die Artikel 129a und 129b erlassen.

6981

Die HEV-Initiative lautet wie folgt: I Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert: Art. 108a (neu)

Wohneigentumsförderung mittels Bausparen

Bund und Kantone fördern den Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum mittels Bausparen.

1

2

Sie beachten dabei die folgenden Grundsätze: a.

Für den erstmaligen entgeltlichen Erwerb von dauernd selbstgenutztem Wohneigentum in der Schweiz kann jede in der Schweiz wohnhafte steuerpflichtige Person Spargelder in der Höhe von höchstens 10 000 Franken jährlich von den steuerbaren Einkünften abziehen. Gemeinsam steuerpflichtige Ehegatten können diesen Abzug je für sich beanspruchen. Der Bund passt den Höchstbetrag periodisch der Teuerung an. Der Abzug kann während höchstens zehn Jahren geltend gemacht werden.

b.

Während der Bauspardauer sind das Sparkapital sowie die daraus resultierenden Zinserträge von der Vermögens- und der Einkommenssteuer befreit.

c.

Nach Ablauf der maximalen Bauspardauer wird die Besteuerung in dem Masse aufgeschoben, wie die Mittel für den Erwerb von dauernd selbstgenutztem Wohneigentum eingesetzt werden.

II Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden wie folgt geändert: Art. 197 Ziff. 8 (neu) 8. Übergangsbestimmung zu Art. 108a (Wohneigentumsförderung mittels Bausparen) Bund und Kantone führen das Bausparen spätestens fünf Jahre nach der Annahme von Artikel 108a durch Volk und Stände ein. Sind die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen bis zu diesem Zeitpunkt nicht in Kraft getreten, so ist Artikel 108a unmittelbar anwendbar.

1.2

Zustandekommen und Behandlungsfristen

Die Bundeskanzlei stellte mit Verfügung vom 29. Oktober 2008 fest, dass die am 29. September 2008 eingereichte SGFB-Initiative mit 142 222 gültigen Unterschriften formell zustande gekommen ist.1 Am 17. Februar 2009 verfügte sie, dass die am 23. Januar 2009 eingereichte HEV-Initiative mit 120 460 gültigen Unterschriften ebenfalls formell zustande gekommen ist.2 1 2

BBl 2008 8701 BBl 2009 1393 2550

6982

Spätestens ein Jahr nach Einreichen einer zustande gekommenen Volksinitiative sind der Bundesversammlung nach Artikel 97 Absatz 1 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20023 (ParlG) eine Botschaft und ein Beschlussentwurf zu unterbreiten. Da sich der Bundesrat mit Beschluss vom 25. Februar 2009 für die Abfassung einer einzigen Botschaft zu beiden Volksinitiativen zum Bausparen entschieden hat, bezieht sich die einjährige Abfassungsfrist auf die zuerst eingereichte Volksinitiative.

Der Beschluss der Bundesversammlung, ob eine Volksinitiative in der Form des ausgearbeiteten Entwurfs Volk und Ständen zur Annahme oder zur Ablehnung empfohlen wird, hat gemäss Artikel 100 ParlG innert 30 Monaten nach deren Einreichung zu erfolgen.

1.3

Gültigkeit

Beide Initiativen entsprechen den Anforderungen an die Gültigkeit nach Artikel 139 Absatz 2 der Bundesverfassung4 (BV). Sie sind als vollständig ausgearbeiteter Entwurf formuliert und erfüllen die Anforderungen an die Einheit der Form und der Materie. Die Initiativen verletzen auch keine zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts und erfüllen somit die Anforderungen an dessen Vereinbarkeit. Sie sind deshalb als gültig zu erklären.

2

Ausgangslage für die Entstehung der Initiativen

Ein Bausparabzug ist weder im Bundesgesetz vom 14. Dezember 19905 über die direkte Bundessteuer (DBG) noch im Bundesgesetz vom 14. Dezember 19906 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) vorgesehen. Artikel 9 Absatz 4 StHG regelt die auf kantonaler Ebene zulässigen Abzüge abschliessend. Daher verfügen die Kantone in dieser Hinsicht über keinen Spielraum mehr. Nach dem Inkrafttreten des StHG am 1. Januar 1993 und mit Blick auf das im Steuerharmonisierungsgesetz fixierte Stichdatum des 1. Januar 2001 (Anpassung der kantonalen Gesetzgebungen) wurden parlamentarische Vorstösse eingereicht, um bestehende Abzugsmöglichkeiten zur Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums in den kantonalen Steuergesetzen beizubehalten oder neue einzuführen.

Die Haltung der Kantone zu einem steuerlich privilegierten Bausparen wurde in den Jahren 2000 und 2001 im Rahmen von zwei Vernehmlassungen ermittelt. Die erste geht auf einen Gesetzesentwurf zurück, den die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) auf der Grundlage einer parlamentarischen Initiative von Nationalrat Hans Rudolf Gysin (98.455) erarbeitet hatte und der eine freiwillige kantonale Einführung eines Bausparabzugs vorsah. Die zweite Vernehmlassung wurde im Zuge der parlamentarischen Behandlung der Botschaft zum Steuerpaket 2001 und des entsprechenden Entwurfs für ein Bundesgesetz über den 3 4 5 6

SR 171.10 SR 101 SR 642.11 SR 642.14

6983

Systemwechsel bei der Besteuerung des Wohneigentums durchgeführt. Die vorberatende WAK-N stellte dabei ein in den Grundzügen von der Regelung des Kantons Basel-Landschaft inspiriertes Bausparmodell einer vom Bundesrat vorgeschlagenen hälftigen Erhöhung des zulässigen Maximalabzugs für die Säule 3a gegenüber. Bei dem von der WAK-N vorgeschlagenen Bausparmodell war die Einführung zwingend auf Bundes- und Kantonsebene vorgesehen, sodass sie den Erfordernissen der formellen Steuerharmonisierung standhielt. Die Resultate beider Vernehmlassungen liessen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Einzig der Kanton BaselLandschaft sprach sich für ein schweizweit anwendbares steuerlich privilegiertes Bausparmodell aus, die übrigen Kantone äusserten sich kritisch. Der Tenor lief zu beiden Vorlagen grossmehrheitlich darauf hinaus, dass einerseits die Zielerreichung (breitere Wohneigentumsstreuung) mit Hilfe der steuerlichen Begünstigung des Bausparens stark bezweifelt, anderseits eine Unterwanderung der Verfassungsgrundsätze der Gleichbehandlung und der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit befürchtet wurde.

Mit Rücksicht auf die Situation des Kantons Basel-Landschaft wurde im Rahmen des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 20007 zur Koordination und Vereinfachung der Veranlagungsverfahren für die direkten Steuern im interkantonalen Verhältnis eine Übergangsbestimmung im StHG verankert. Gemäss diesem Artikel 72d StHG sollten die kantonalen Bausparabzüge noch bis Ende 2004 zulässig sein. Damit wurde bezweckt, Basel-Landschaft die Weiterführung seines Bausparmodells so lange zu erlauben, bis das Steuerpaket 2001 definitiv verabschiedet war. Dessen Bestimmungen zur Förderung des Wohneigentums wurden von den eidgenössischen Räten in der Zwischenzeit anstelle der Ausweitung der Säule 3a durch das oben genannte WAK-N-Bausparmodell ergänzt. Dadurch sollte dem Kanton BaselLandschaft erspart werden, sein Bausparen vorübergehend aufgeben zu müssen, um es in der Folge gemäss den vom Parlament beschlossenen Gesetzesbestimmungen wieder einzuführen. In der Volksabstimmung vom 16. Mai 2004 wurde das Steuerpaket 2001, gegen das erstmals in der Geschichte der Schweiz ein Kantonsreferendum zustande gekommen war, deutlich mit 65,9 zu 34,1 Prozent abgelehnt.8 Damit war auch das darin vorgesehene Bausparmodell
gescheitert.

Mit dem Ablauf der in Artikel 72d StHG erwähnten Übergangsfrist ist die Gewährung von Bausparabzügen seit dem 1. Januar 2005 bundesrechtswidrig. Der Bundesrat hat auf der Basis des Verfassungsauftrags zur Steuerharmonisierung konsequent die Meinung vertreten, dass es nicht haltbar sei, im StHG den Kantonen eine Optionsmöglichkeit für ein fakultatives Bausparmodell einzuräumen.9 Sowohl den drei parlamentarischen Initiativen (04.446, 04.448, 04.475) als auch der Standesinitiative des Kantons Basel-Landschaft (04.308), die kurze Zeit nach Ablehnung des Steuerpakets 2001 eingereicht wurden und erneut die fakultative kantonale Einführung eines steuerbegünstigten Bausparens forderten, wurde bereits in der Phase der Vorprüfung eine Absage erteilt: der genannten Standesinitiative in der Wintersession 2007, den drei parlamentarischen Initiativen in der Sommersession 2008.

7 8 9

BBl 2000 6182 BBl 2004 3943 Antwort des Bundesrates vom 3. November 2004 auf die Anfrage von Nationalrat Caspar Baader betreffend Stempelabgabe und steuerlich begünstigtes Bausparen (04.1087).

6984

Angesichts der Ablehnung durch das Parlament haben die Befürworterinnen und Befürworter nun zum Instrument der Volksinitiative gegriffen, um das Bausparen in der Bundesverfassung zu verankern.

3

Ziele und Inhalt der Initiativen

Laut SGFB erweist sich Bausparen als ein äusserst effizientes Förderungsmittel für Mieterinnen und Mieter, die selbstgenutztes Wohneigentum erwerben wollen. Den Promotoren zufolge wird damit der Zugang zu Wohneigentum schwergewichtig unteren und mittleren Einkommensklassen erleichtert. Das im Kanton BaselLandschaft seit über 18 Jahren praktizierte Bausparen belege dies deutlich. Die zweite Komponente der Volksinitiative, das sogenannte Energie-Bausparen, wird als innovative Ergänzung angepriesen. Dank den gewährten Steuervergünstigungen würden energetisch wirksame Baumassnahmen zur Erneuerung des selbstgenutzten Wohneigentums gefördert. Die steuerlichen Anreize hätten überdies positive Auswirkungen auf die Bauwirtschaft. Die Nachfrage nach energieeffizientem Bauen treibe auch die technische Innovation voran. Die ebenfalls fakultativ einführbare Befreiung der Bausparprämien von der kantonalen Einkommenssteuer schliesslich schaffe zusätzliche Anreize für den Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum und die Vornahme energetischer Sanierungen, indem die entsprechenden Sparbemühungen verstärkt würden.

Gemäss HEV ist die heutige Förderung des Erwerbs von selbstgenutztem Wohneigentum in der Schweiz ungenügend. Mit der von ihm eingereichten Initiative werde der Verfassungsauftrag der Wohneigentumsförderung in idealer Weise eingelöst.

Bei Umsetzung dieses dringenden Handlungsbedarfs würden Kantone und Gemeinden aus den durch das Bausparen ausgelösten wirtschaftlichen Aktivitäten im Wohnungsbau ein Mehrfaches an eingesetzten Steuern und Abgaben zurückerhalten, so dass das Bausparen insgesamt eine positive Nettowirkung aufweise.

Was den erstmaligen Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum mittels steuerlich privilegierter Bauspareinlagen betrifft, stimmen die beiden eingereichten Volksinitiativen inhaltlich in hohem Mass überein. Die markantesten Unterschiede sind folgende: ­

Im Gegensatz zur SGFB-Initiative respektiert die HEV-Initiative die horizontale und vertikale Steuerharmonisierung: Während bei der SGFBInitiative jährliche Spareinlagen zur erstmaligen Finanzierung von selbstgenutztem Wohneigentum von den Kantonen fakultativ zugelassen werden können, sind diese in der HEV-Initiative von Bund und Kantonen zwingend zuzulassen.

­

In der HEV-Initiative finden Nachbesteuerungsbedingungen mit Ausnahme des Grundsatzes, dass die Bausparmittel für den Erwerb von dauernd selbstgenutztem Wohneigentum einzusetzen sind, keine Erwähnung. Weder wird ein Zeitpunkt genannt für die spätestmögliche zweckkonforme Verwendung des geäufneten Bausparkapitals (SGFB: 2 Jahre nach Ablauf der maximalen Spardauer von 10 Jahren) noch eine Mindestdauer bis zur Nutzungsänderung oder zum Verkauf an Dritte ohne zweckgemässe Wiederverwendung des erzielten Erlöses (SGFB: 5 Jahre).

6985

­

Bei der HEV-Initiative können zum Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum jährlich bis zu 10 000 Franken bzw. für Ehepaare 20 000 Franken in Bauspareinlagen steuerfrei eingelegt werden (SGFB: 15 000 Fr. bzw. für Ehepaare 30 000 Fr.).

Darüber hinaus gilt es zwei zusätzliche Komponenten zu erwähnen, die jedoch einzig bei der SGFB-Initiative zum Tragen kommen: die steuerlich privilegierte Finanzierung von Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen für bestehende Wohneigentümer (sogenanntes Energie-Bausparen) sowie die Steuerbefreiung von Bausparprämien. Bei Letzteren handelt es sich um Zuschüsse der öffentlichen Hand im Sinne ausgabenseitiger Subventionen.

4

Würdigung der Initiativen

4.1

Fehlender Handlungsbedarf für eine weitergehende steuerliche Wohneigentumsförderung

Artikel 108 BV verpflichtet den Bund zur Wohnbau- und Wohneigentumsförderung.

Dem Verfassungsauftrag wird wohnungspolitisch über die Förderung von preisgünstigem Wohnraum Rechnung getragen.

Das Wohnraumförderungsgesetz vom 21. März 200310 (WFG) bezweckt die Förderung eines Angebots von preisgünstigen Mietwohnungen für Haushalte mit geringem Einkommen, den Zugang zu preisgünstigem Wohneigentum, die Stärkung der Tätigkeiten der Organisationen des gemeinnützigen Wohnungsbaus sowie die Verbesserung der Grundlagen zur Forschung im Wohnbereich. Im Rahmen des Entlastungsprogramms 2003 für den Bundeshaushalt sind die direkt gewährten Bundesdarlehen bis Ende 2008 sistiert worden. Am 28. Februar 2007 beschloss der Bundesrat, ab 2009 für die Wohnbauförderung wieder Mittel im Finanzplan einzustellen, jedoch auf direkt gewährte Unterstützung definitiv zu verzichten. Die Gewährung indirekter Förderung soll dabei an die Kriterien des ökologischen und energieeffizienten Bauens geknüpft werden. In der Wintersession 2008 hat das Parlament beschlossen, im Budget 2009 die Förderung von gemeinnützigen Bauträgern zur energetischen Erneuerung von Wohneigentum um 45 Millionen Franken aufzustocken, sodass neben den bereits eingestellten 5 Millionen für die Wohnbauförderung im Jahr 2009 Darlehen im Umfang von 50 Millionen zur Verfügung stehen.

Vom Volumen her stehen heute mit den Bürgschaften und den Fonds de Roulement zwei Förderinstrumente im Zentrum des WFG-Vollzugs. Beim zuerst genannten Instrument verbürgt der Bund die Anleihen der Emissionszentrale für gemeinnützige Wohnbauträger. Mit den am Kapitalmarkt aufgenommenen Mitteln gewährt diese ihren Mitgliedern, den gemeinnützigen Bauträgern, zinsgünstige Darlehen zur Finanzierung des Baus von preisgünstigen Wohnungen. Als gemeinnützige Bauträger gelten Genossenschaften, Stiftungen, Vereine und weitere Bauträger, die nach ihren Statuten die Bereitstellung von preisgünstigen Wohnungen bezwecken.

Zweiter zentrale Pfeiler indirekter Bundeshilfe sind die von den drei anerkannten Dachorganisationen der gemeinnützigen Wohnbauträger (Schweizerischer Verband für Wohnungswesen, Schweizerischer Verband Liberaler Baugenossenschaften, Schweizerischer Verband für Wohnbau- und Eigentumsförderung) mit Bundesdarle10

SR 842

6986

hen treuhänderisch verwalteten Fonds de Roulement. Aus diesen Fonds werden den gemeinnützigen Bauträgern zinsgünstige Mittel zur Verfügung gestellt. Die Gelder dienen der Rest- oder Überbrückungsfinanzierung bei Erstellung, Erneuerung und Erwerb von preisgünstigem Wohneigentum.

Obschon der verfassungsrechtliche Auftrag zur Wohneigentums- und Wohnbauförderung weder implizit noch explizit steuerliche Massnahmen vorschreibt, wird das Verfassungsziel auch steuerlich konkretisiert: im Rahmen der Vorsorge durch die steuerliche Privilegierung der Vorbezugsmöglichkeiten (2. Säule und Säule 3a) sowie mittels einer attraktiven Ausgestaltung der Eigenmietwertbesteuerung.

Im Bereich der Vorsorge erweist sich der Vorbezug aus der 2. Säule als ein wirksames und zielgerichtetes Instrument für den Ersterwerb von selbstgenutztem Wohneigentum. Die seit 1995 geltenden Massnahmen zur Wohneigentumsförderung greifen gut und werden rege benutzt: 2008 haben 44 385 Versicherte mehr als 3 Milliarden Franken vorbezogen. Seit 1995 beträgt das Gesamttotal an Vorbezügen mehr als 30 Milliarden Franken (vgl. Details in der Statistik im Anhang). Zudem bestehen seit 1990 Vorbezugsmöglichkeiten aus der Säule 3a. Beide Vorbezüge dienen dem Wohneigentumserwerb und werden als Kapitalleistungen aus Vorsorge steuerlich begünstigt, d.h. sie werden gesondert besteuert und unterliegen einer vollen Jahressteuer, die bei der direkten Bundessteuer zu einem Fünftel des entsprechenden Tarifs berechnet wird.

Eine 2003 im Auftrag des Bundesamts für Sozialversicherungen veröffentlichte Wirkungsanalyse11 stellt dem Vorbezug mit Mitteln der beruflichen Vorsorge ein gutes Zeugnis aus. Mehr als die Hälfte der vorbeziehenden Personen verfügten in der Untersuchungsperiode (1995­2002) über ein jährliches Bruttoeinkommen von unter 100 000 Franken. Etwas mehr als ein Fünftel aller Vorbezüge wurde durch die Einkommensklasse 80 000­100 000 Franken getätigt, knapp ein Fünftel durch die Einkommensklasse 60 000­80 000 Franken. Die sogenannten Schwellenhaushalte, d.h. die Haushalte mit einem Bruttoeinkommen zwischen 60 000 und 100 000 Franken, hätten ohne Rückgriffsmöglichkeit auf verfügbare Mittel aus der 2. Säule mangels ausreichenden Eigenkapitals möglicherweise kein selbstgenutztes Wohneigentum erwerben können. Die meisten Personen waren zum Zeitpunkt des
Vorbezugs zwischen 30 und 44 Jahre alt, wobei die 35- bis 39-Jährigen besonders stark vertreten waren. Die Mittel der beruflichen Vorsorge erweisen sich gemäss Wirkungsanalyse als ein geeignetes und zielgerichtetes Mittel, um Schwellenhaushalten zu Wohneigentum zu verhelfen, und sie leisten einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Wohneigentumsquote.

Demgegenüber wird die Säule 3a als weitere Finanzierungsquelle für selbstgenutztes Wohneigentum namentlich von besser Verdienenden genutzt. Mit steigendem Einkommen steigt sowohl der Anteil der Haushalte, die einen Abzug in der gebundenen Selbstvorsorge tätigen, als auch der durchschnittliche Abzug. Über die Hälfte des Totals aus dem Säule-3a-Abzug sind im Steuerjahr 2005 von Haushalten mit einem steuerbaren Einkommen von über 75 300 Franken getätigt worden. Im Zeitraum 1995­2002 haben 12 Prozent aller Vorbezügerinnen und Vorbezüger aus der 2. Säule auch auf Säule-3a-Gelder zurückgegriffen.

11

Hornung, Daniel et al., 2003, Wirkungsanalyse der Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge (WEF), in: Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht Nr. 17/03.

6987

Das heutige System der Eigenmietwertbesteuerung ist überwiegend mit einer steuerlichen Begünstigung von selbstgenutztem Wohneigentum verbunden. Dem im Zusammenhang mit der Eigennutzung zu versteuernden, reduzierten Eigenmietwert stehen eine Reihe vollumfänglich abzugsfähiger Aufwendungen gegenüber: angefallene Unterhaltskosten, Versicherungsprämien, Verwaltungskosten Dritter sowie Schuldzinsen. Bei Letzteren besteht insofern eine Restriktion, als der Abzug bei den privaten Schuldzinsen seit dem 1. Januar 2001 eine Obergrenze aufweist im Umfang des steuerbaren Vermögensertrags zuzüglich weiterer 50 000 Franken. Das geltende Steuerrecht erweist sich somit namentlich in jenen Fällen als eigentumsfördernd, bei denen eine negative Liegenschaftsrechnung ausgewiesen wird, das heisst, wenn die mit dem Wohneigentum verbundenen abzugsfähigen Kosten den Eigenmietwert übersteigen. Die Abzugsfähigkeit der Unterhaltskosten wird mit der vom Parlament am 3. Oktober 2008 beschlossenen Abschaffung der Dumont-Praxis zusätzlich erweitert, indem bei der direkten Bundessteuer ab 1. Januar 2010 und im kantonalen Steuerrecht ab 1. Januar 2012 auch die in den ersten fünf Jahren nach dem Erwerb einer vernachlässigten Liegenschaft anfallenden Instandstellungskosten (anschaffungsnaher Aufwand) zum Abzug berechtigen. Der Wegfall der Dumont-Praxis hat zudem die vollständige Abzugsberechtigung energiesparender und dem Umweltschutz dienender Investitionen in bestehenden Gebäuden ab Erwerb zur Folge.

Das selbstgenutzte Wohneigentum wird zusätzlich durch die milde Festlegung der steuerlichen Eigenmietwerte gefördert. Indem diese unter den Marktmietwerten liegen, wird dem Verfassungsauftrag zur Wohneigentumsförderung ebenfalls Rechnung getragen. Dieser Art der Förderung setzt die bundesgerichtliche Rechtsprechung jedoch Grenzen, um eine rechtsgleiche Besteuerung von Mieterinnen und Mietern einerseits sowie Wohneigentümerinnen und Wohneigentümern andererseits zu gewährleisten: Der Eigenmietwert darf bei den kantonalen Einkommenssteuern im Einzelfall nicht tiefer als 60 Prozent des Marktwerts zu stehen kommen. Die Eidgenössische Steuerverwaltung hat als Aufsichtsbehörde für eine einheitliche Veranlagung der direkten Bundessteuer zu sorgen. Zu diesem Zweck führt sie in den Kantonen periodisch Erhebungen über die Festsetzung der
Eigenmietwerte durch und interveniert, wenn diese ihren Ermessensspielraum überschreiten. Nach gängiger Praxis ist dies dann der Fall, wenn im Kantonsdurchschnitt die ermittelten Eigenmietwerte weniger als 70 Prozent des Marktwerts betragen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das geltende Recht dem Verfassungsauftrag zur Wohneigentumsförderung im Rahmen steuerlicher Massnahmen heute schon gebührend Rechnung trägt. Wie oben dargelegt, begünstigen eine Reihe gesetzlicher Bestimmungen den Erwerb und Erhalt von selbstgenutztem Wohneigentum und stehen somit im Dienste des genannten Verfassungsziels.12

12

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang der Grundsatzentscheid des Bundesrates vom 17. Juni 2009 in Bezug auf die HEV-Volksinitiative «Sicheres Wohnen im Alter».

Er hat sich bezüglich der Festlegung der inhaltlichen Stossrichtung der Botschaft gegen die Initiative ausgesprochen, stellt ihr jedoch einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber.

Dessen Eckwerte sehen vor, dass die Besteuerung des Eigenmietwerts für alle Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer aufgegeben und im Gegenzug die bisherigen Abzugsmöglichkeiten auf zwei Ausnahmen beschränkt werden sollen: zeitlich limitierter Abzug der Hypothekarzinsen ab Ersterwerb von selbstgenutztem Wohneigentum sowie Abzug für qualitativ hochwertige Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen.

6988

4.2

Kein wirksames Mittel für eine breitere Eigentumsstreuung unter den Schwellenhaushalten

Schwellenhaushalte profitieren kaum vom Bausparen Effektivität und Effizienz erweisen sich beim steuerlich privilegierten Bausparen insofern als bescheiden, als Familien mit kleinerem und mittlerem Einkommen trotz Bausparabzug häufig nicht genügend sparen können, um innerhalb von 10 Jahren 20 Prozent des für die Finanzierung in der Regel notwendigen Eigenkapitals zu erwirtschaften. Eine im Auftrag des Bundesamts für Wohnungswesen im Jahr 2000 veröffentlichte Studie13 hat dazu verschiedene Modellrechnungen durchgeführt: Ausgehend von einer jährlichen Spartätigkeit von 6000 Franken ­ eine solche wird nach der damaligen Einkommens- und Verbrauchserhebung des Bundesamts für Statistik von Haushalten mit einem Bruttoeinkommen von ca. 90 000 Franken pro Jahr erreicht ­ zeigen diese Berechnungen für die Periode 1992­1997, dass das in einer Sparphase von sechs Jahren geäufnete Bausparkapital (44 200 Fr., das sich aus den Bauspareinlagen plus Verzinsung zusammensetzt) auch in einer allfälligen Kombination mit Vorbezügen aus der 2. Säule kaum ausgereicht hätte, Wohneigentum zu erwerben. Dies trifft auch zu, wenn die Sparphase zehn Jahre angedauert hätte, wie dies beide Volksinitiativen vorsehen. Bei diesen Überlegungen noch nicht berücksichtigt ist der Aspekt der Bauteuerung: In Zeiten eines stark teuerungsbedingten Anstiegs der Baukosten und der Bodenpreise wird der Spareffekt erheblich beeinträchtigt, wenn nicht gar zunichte gemacht.

Bei einer jährlichen Sparleistung von 12 000 Franken konnte während des gleichen Ansparzeitraums (sechs Jahre) ein Bausparkapital von 88 500 Franken akkumuliert werden, was bei notwendigen 20 Prozent Eigenkapital einem möglichen Erwerbspreis von 440 000 Franken entspricht. Eine jährliche Sparleistung von 12 000 Franken erreichten im damaligen Untersuchungszeitraum Haushalte mit einem Bruttoeinkommen von mindestens 110 000­120 000 Franken pro Jahr. So gesehen sind bei einem steuerlich privilegierten Bausparmodell vorab jene Steuerpflichtigen benachteiligt, die sich entsprechende Spareinlagen aus finanziellen Gründen gar nicht erst leisten können. Die Studie zeigt auch, dass im Kanton Basel-Landschaft vor allem Personen mit mittleren und höheren Einkommen das Bausparen genutzt haben. Sie hält folglich als Fazit fest, dass Bausparen eine ungünstige sozial- und einkommenspolitische
Wirkung aufweist und nur zu einem kleinen Teil dazu führt, dass Schwellenhaushalte selbstgenutztes Wohneigentum erwerben. Daher bleibt der Effekt bezüglich Verbreitung von Wohneigentum gering.

Die veröffentlichten Daten einer im Auftrag der SGFB verfassten Studie14 zeigen ebenfalls, dass Haushalte mit einem steuerbaren Einkommen von unter 40 000 Franken beim Bausparen deutlich untervertreten sind. Demgegenüber sind Bausparende mit steigendem steuerbarem Einkommen stärker vertreten. In Bezug auf das steuerbare Einkommen wirkt Bausparen daher regressiv. Der Bausparabzug bevorzugt aufgrund der progressiv angelegten Einkommenssteuern vor allem die wohlhabenden Schichten ­ Steuerpflichtige, die auch ohne Bausparen den erstmaligen Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum ins Auge fassen. Dies führt zu sogenannten Mitnahmeeffekten, die dann auftreten, wenn Individuen finanzielle Zuwen13 14

Hornung, Daniel, 2000, Bausparen ­ geeignetes Mittel zur Förderung von Wohneigentum in der Schweiz? Bern.

Füeg, Rainer / Studer, Tobias, 2005, Bausparen im Kanton Baselland, Liestal, S. 18­19.

6989

dungen des Staates für eine Handlung erhalten, die sie auch ohne staatliche Förderung vorgenommen hätten. Somit stellt Bausparen bei Vorhandensein gut entwickelter Kapital- und Wohnungsmärkte insgesamt weder ein effektives noch ein effizientes Instrument dar und erweist sich auch nicht als ausreichend zielführend, um das Wohneigentum junger Familien in unteren und mittleren Einkommenskategorien zu fördern.

Unter dem Mangel der Zielschärfe leiden auch die Bausparprämien. Die in der SGFB-Initiative anvisierte Steuerfreiheit von Bausparprämien hätte zur Folge, dass einkommensstarke Personen mit einer entsprechend hohen Grenzsteuerbelastung, die auf diese Zuschüsse eigentlich gar nicht angewiesen sind, am meisten profitieren würden. Gerade sie sind aber auch ohne solche direkte Förderung in der Lage, Wohneigentum zu erwerben oder energetische Sanierungen vorzunehmen. Diese Komponente der SGFB-Initiative bewirkt daher ebenfalls Mitnahmeeffekte.

Ein Teil der Wirkung fällt bei Anbietern von Bausparprodukten an Ein weiterer Punkt, der bei der Beurteilung der Effektivität des Bausparens berücksichtigt werden muss, ist die Frage, wer letztlich von einer steuerlichen Förderung profitiert (sogenannte Inzidenz). Eine Subventionierung bestimmter Sparformen wie Bausparen oder Energie-Bausparen wirkt als indirekte Begünstigung der Anbieter (Banken und andere Finanzinstitute) und ihrer Produkte. Wer rational spart, wird nämlich bei einer staatlichen Förderung bestimmter Sparformen geringere Renditen dieser Sparformen akzeptieren, weil er auf die gesamte Rendite (inkl. Förderung) achtet. Die Anbieter der geförderten Produkte können deshalb schlechtere als marktübliche Konditionen bieten und stossen trotzdem auf Interesse, wodurch die Anbieter ein sogenanntes Renteneinkommen generieren. Ein Teil der durch Bausparen beabsichtigten Sparförderungswirkung kommt also nicht der eigentlichen Zielgruppe, sondern den Anbietern von entsprechenden Sparprodukten zugute.

Energie-Bausparen ist kein effektives Mittel zur Förderung von Sanierungen Ein von der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates in Auftrag gegebener Bericht einer interdepartementalen Arbeitsgruppe hat Anfang 2009 gezeigt, dass die Steuerabzüge zur Förderung von energieeffizienten Sanierungen im Gebäudebereich nur bedingt geeignet sind.15 Steuerliche
Anreize sind vorab punkto Verteilungswirkung keine zielgerichteten Instrumente, da Personen mit höheren Einkommen progressionsbedingt von den Steuererleichterungen stärker profitieren als Personen mit tieferen Einkommen. Dies ist beim Energie-Bausparen verstärkt der Fall, da dieselbe Massnahme zweimal von den Steuern abgezogen werden kann: zuerst bei der Bildung der Spareinlage, nachher bei der Vornahme der Investition.

Auch die Nachbesteuerung zweckentfremdeter Spareinlagen (beispielsweise durch eine separate Besteuerung mit Teiltarif) kann Steueroptimierungen Vorschub leisten.

Energie-Bausparen würde sich in diesem Fall wegen der Durchbrechung der Steuerprogression auch dann lohnen, wenn eine energetische Investition gar nicht beabsichtigt ist. Auch in dieser Hinsicht würden in erster Linie gut situierte Steuerzahlerinnen und Steuerzahler begünstigt.

15

Baur, Martin / Schneider, Lukas / Himmel, Margit / Gutzwiller, Lukas / Wiederkehr, Stefan / König, Felix, 2009, Steuerliche Anreize für energetische Sanierungen von Gebäuden, Bern.

6990

Darüber hinaus treten bei einer steuerlichen Förderung von energetischen Sanierungen hohe Mitnahmeeffekte auf, d.h. es werden Steuervergünstigungen für die Kosten von Massnahmen gewährt, die auch sonst ausgeführt würden, weil sie wirtschaftlich sind oder zum etablierten Stand der Technik gehören. Die Effektivität des EnergieBausparens wird weiter dadurch gemindert, dass ein Teil der Förderung den Anbietern von Energie-Bauspar-Produkten (Banken und andere Finanzinstitute) zugute kommt.

4.3

Negative Auswirkungen auf Wachstum und Wohlfahrt

Die oben bereits erwähnte Studie, die die SGFB in Auftrag gegeben hat, misst dem Bausparen im Kanton Basel-Landschaft hohe volkswirtschaftliche Wirkung bei. Den beiden Autoren zufolge stehen einer Wertschöpfung von rund 40 Millionen Franken bausparabzugsbedingte Steuerausfälle von jährlich durchschnittlich 4,5 Millionen Franken und 0,5 Millionen ausbezahlte Bausparprämien gegenüber. Der gesamte volkswirtschaftliche Nutzen, welcher direkt oder indirekt durch das Bausparen in der Region Nordwestschweiz ausgelöst wird, beläuft sich gemäss Studie auf knapp 68,8 Millionen Franken, was einem Volumen von 550 Arbeitsplätzen entsprechen soll.

Die beiden Verfasser gehen davon aus, dass der Baselbieter Fiskus durch die mit dem Bausparen ausgelösten wirtschaftlichen Aktivitäten im Wohnungsbau zeitlich verzögert jährlich 6,1 Millionen Franken an Steuern und Abgaben generiert, womit die mit dem Bausparabzug in Kauf zu nehmenden Steuerausfälle mehr als kompensiert würden.16 Diese Ergebnisse erscheinen insofern als unplausibel, als sie auf einer methodischen Fehleinschätzung beruhen.17 Die Opportunitätskosten des Bausparens, d.h. die alternative Verwendung der eingesetzten Mittel, bleiben in der Studie unberücksichtigt. Die eingesetzten Mittel könnten sowohl vom Steuerzahler wie auch von der öffentlichen Hand für produktivere Zwecke als für Wohneigentum verwendet werden. Ebenso wenig werden die indirekte Begünstigung der Anbieter von Bausparverträgen wie auch die Kapitalisierung der Bausparförderung in den Bodenpreisen berücksichtigt, die beide den Wirkungsgrad des Bausparens reduzieren.

Insgesamt gesehen führt eine steuerlich begünstigte Wohneigentumsförderung zu volkswirtschaftlich negativen Wachstums- und Wohlfahrtseffekten. Dafür sind drei Wirkungsmechanismen verantwortlich: ­

16 17

Bausparen verzerrt die Konsumentscheidungen der privaten Haushalte sowohl bezüglich der Form des Wohnens als auch zwischen dem Wohnen und anderen Konsumgütern. Durch die steuerliche Förderung des Bausparens entscheiden sich Haushalte vermehrt dafür, Wohnraum zu erwerben statt zu mieten, obwohl sie bei den bestehenden Marktpreisen eigentlich lieber mieten würden. Ausserdem erhöht die Bausparförderung die Nachfrage nach Wohnraum zulasten anderer Konsumgüter, weil die angehenden Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer einen Anreiz haben, ein grösseres Haus zu erwerben, als sie es täten, wenn das selbstgenutzte WohnFüeg, Rainer / Studer, Tobias, 2005, Bausparen im Kanton Baselland, Liestal, S. 32­35.

Daepp, Martin, 2006, Stellungnahme zur Studie «Bausparen im Kanton Baselland» von Dr. Rainer Füeg und Prof. Dr. Tobias Studer, Bern, S. 13­14.

6991

eigentum steuerlich nicht privilegiert wäre. Die Erhöhung der Wohneigentumsquote ist ein zentrales Ziel der Initianten. Das bedeutet jedoch nicht, dass dies aus Effizienzsicht auch ein gutes Ziel ist. Die in der Schweiz tiefe Wohneigentümerquote ist ein Marktergebnis, das unter anderem auf dem funktionierenden Mietwohnungsmarkt beruht. Das Bedürfnis, Wohneigentum zu erwerben, ist in der Praxis aus vielfältigen Gründen nicht so stark wie in anderen Ländern. Wird Wohneigentum künstlich verbilligt und damit in ein bisher effizientes Marktergebnis eingegriffen, entstehen Wohlfahrtsverluste. Diese treten auf, weil die Nachfrage künstlich verzerrt wird und die Personen nicht mehr ihr «optimales» Güterbündel konsumieren.

­

Soweit die durch das Bausparen gesteigerte Nachfrage nach Wohneigentum nicht von einer Ausweitung des Angebots an erschlossenem Bauland begleitet wird, resultiert lediglich eine Steigerung der Haus- bzw. Bodenpreise.

Die Fördermassnahmen werden in den Bodenpreisen kapitalisiert, d.h. das Förderziel wird nicht erreicht, weil die Erwerberinnen und Erwerber nunmehr höhere Kaufpreise für ihr Wohneigentum entrichten müssen. Bezüglich Bodenkapitalisierung gilt es daran zu erinnern, dass schweizweit zwar genügend Bauzonen bestehen mögen. Dies ist aber nicht unbedingt dort der Fall, wo die Leute auch tatsächlich wohnen wollen. In der Nähe von Zentren zeigt sich dieses Spannungsfeld am Augenfälligsten. An diesen Standorten kann man von einer Kapitalisierung der Fördermassnahmen ausgehen, auch bei nur kleiner Wirkung des Bausparens.

­

Das Bausparen vermag zwar unter Umständen die Bauwirtschaft anzukurbeln, die eingesetzten Ressourcen könnten jedoch für andere Zwecke verwendet werden, deren positive volkswirtschaftliche Auswirkungen grösser wären (Opportunitätskosten des Bausparens). Grundsätzlich werden durch das Bausparen produktivitätserhöhende und damit wachstumswirksame Investitionen im Unternehmenssektor durch Wohnbauinvestitionen ohne Wirkung auf die Produktivität verdrängt.

4.4

Infragestellung des Rechtsgleichheitsgebots

Bundesgericht und Lehre haben sich kritisch zu einer Einführung des Bausparens auf Gesetzesstufe geäussert. So hat das Bundesgericht betreffend die Verfolgung ausserfiskalischer Zwecke im sogenannten «Obwaldner-Entscheid» vom 1. Juni 2007 Folgendes festgehalten:18 Dem Gesetzgeber ist es nicht grundsätzlich verwehrt, sich der Einkommens- und Vermögenssteuer als Instrument der Wirtschaftslenkung zur Förderung sozialpolitischer Zwecke und dergleichen zu bedienen.

Bereits das geltende Recht sieht solche Massnahmen vor (z.B. Abzug von Beiträgen an die Säule 3a, Steuerbefreiung von Einrichtungen der beruflichen Vorsorge, Abzüge für Umweltschutz, Energiesparen und Denkmalpflege bei privaten Grundstücken). Die steuerliche Förderung solcher Anliegen wird zwar in der Steuerrechtsdoktrin kritisiert, weil sie das Leistungsfähigkeitsprinzip verfälscht und damit der Steuergerechtigkeit zuwiderläuft. Soll das Einkommen als Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit dienen, ist es nach dem Totalitätsprinzip lückenlos zu erfassen.

Zudem gibt es häufig andere und bessere Möglichkeiten, Anliegen dieser Art zu 18

BGE 133 I 206, Erwägung 11.

6992

verwirklichen. Deshalb werden enge Schranken postuliert, innerhalb welcher der Steuergesetzgeber solche Ziele berücksichtigen darf. Verlangt wird daher eine klare gesetzliche oder sogar verfassungsmässige Grundlage. Zudem muss die Steuergesetzgebung zur Erreichung des mit der Massnahme anvisierten Zwecks geeignet sein. Je mehr das Leistungsfähigkeitsprinzip durch steuerliche Förderungsmassnahmen beeinträchtigt wird, desto höhere Anforderungen stellt das Bundesgericht dabei an das öffentliche Interesse. Als zulässig wird das Anliegen erachtet, die Selbstvorsorge durch Eigentumsbildung fiskalisch zu fördern.

In der rechtswissenschaftlichen Lehre wird der Bausparabzug kritisch beurteilt. In einem Gutachten von Cagianut / Cavelti19 wird betont, dass ein Bausparabzug an sich systemfremd sei, da keine Aufwendungen zur Erzielung der Einkünfte vorlägen, womit die Abzugsfähigkeit von Einzahlungen zu Bausparzwecken grundsätzlich einer Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip gleichkomme. Da es jedoch auch andere systemfremde Abzüge im Steuerrecht gebe, sei ein Bausparabzug nicht als gänzlich unzulässig zu bezeichnen. Dem Gesetzgeber seien aber verfassungsrechtlich enge Grenzen gesetzt; insbesondere habe er bei der Ausgestaltung das Gleichbehandlungsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV) sowie die Grundsätze der Allgemeinheit, der Gleichmässigkeit und der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 Abs. 2 BV) zu berücksichtigen. Die im Steuerpaket 2001 beschlossenen Eckwerte mit steuerlich begünstigten Einzahlungen auf das Bausparkonto von maximal 16 Prozent des oberen Grenzbetrags nach Artikel 8 Absatz 1 BVG (Steuerjahr 2009: 13 132 Fr.) würden den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit hingegen massiv verletzen.

Bereits in früheren Jahren äusserten sich andere bekannte Steuerrechtler zur Frage der zulässigen Abzugshöhe. So hat Zuppinger in einem Gutachten zuhanden der St. Galler Kantonsregierung einen Bausparabzug von 1000­2000 Franken zwar als zulässig, aber kaum wirksam bezeichnet.20 Auch Höhn / Meier betonten in einem Gutachten für das Finanzdepartement des Kantons St. Gallen, dass nur ein geringer Abzug aufgrund der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit toleriert werden könne.21 Bei Einführung eines Bausparprivilegs für den erstmaligen Erwerb
von selbstgenutztem Wohneigentum sei somit bezüglich des Gleichbehandlungsgebots die Benachteiligung jener Steuerpflichtigen zu hinterfragen, die sich entsprechende Spareinlagen aus finanziellen Gründen gar nicht leisten können.

Ausgehend von diesen Einschätzungen ist davon auszugehen, dass die Einführung des steuerlich privilegierten Bausparens für bestimmte Kategorien von Steuerpflich19

20

21

Cagianut, Francis / Cavelti, Ulrich, 2003, Gutachten über die Verfassungsmässigkeit der vom eidgenössischen Parlament beschlossenen Vorschriften im Bundesgesetz über die Änderung von Erlassen im Bereich der Ehe- und Familienbesteuerung, der Wohneigentumsbesteuerung und der Stempelabgaben vom 20. Juni 2003, erstattet im Auftrag der Konferenz der Kantonsregierungen, St. Gallen, S. 36­40, sowie von denselben Autoren, 2004, Zur Verfassungsmässigkeit der neuen Bestimmungen über die Wohneigentumsbesteuerung, in: ASA 72, S. 538­541.

Zuppinger, Ferdinand, 1984, Gutachten zur Frage der Verfassungsmässigkeit der Volksinitiative für breitere Streuung und massvolle Besteuerung von Wohneigentum, in: Botschaft und Anträge des Regierungsrates vom 11. Dezember 1984 betreffend «Volksinitiative für breitere Streuung und massvolle Besteuerung von Wohneigentum», Rechtmässigkeit und Inhalt, S. 15.

Höhn, Ernst / Meier, Alfred, 1986, Steuerliche Massnahmen zur Wohneigentumsförderung. Gutachten des Instituts für Finanzwirtschaft und Finanzrecht, dem Finanzdepartement des Kantons St. Gallen erstattet am 2. Januar 1986, in: Beilage zur Nachtragsbotschaft des Regierungsrates vom 4. Februar 1986, S. 47.

6993

tigen nicht primär für den erstmaligen Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum verwendet wird, sondern vielmehr als zweckdienliches Instrument der Steueroptimierung dient.

Im Zusammenhang mit der Einhaltung des Rechtsgleichheitsgebots ist schliesslich darauf hinzuweisen, dass die SGFB-Initiative im Gegensatz zur HEV-Initiative zusätzliche steuersparende Komponenten enthält: das Energie-Bausparen zur Finanzierung von Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen sowie die Bausparprämien, die von der kantonalen Einkommenssteuer befreit werden können. Das heutige System der Eigenmietwertbesteuerung kennt bereits die Abzüge von Hypothekarzinsen, Liegenschaftsunterhaltskosten sowie von Energie sparenden und dem Umweltschutz dienenden Investitionen. Zusätzliche Abzugsmöglichkeiten im Rahmen des bestehenden selbstgenutzten Wohneigentums wie das Energie-Bausparen und die Nicht-Besteuerung von Bausparprämien, die zur Finanzierung von Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen eingesetzt werden können, würden zu einem Missverhältnis gegenüber der Mieterschaft führen und damit das Rechtsgleichheitsgebot in Frage stellen. Da eine Annahme der beiden Initiativen eine Verfassungsänderung zur Folge hätte, wäre eine allfällige Durchbrechung des Rechtsgleichheitsgebots allerdings verfassungsrechtlich abgestützt und insofern aus rechtlicher Sicht hinzunehmen.

4.5

Widerspruch zu den Vereinfachungsbestrebungen im Steuersystem

Die Einführung eines steuerlich privilegierten Bausparens steht den Bemühungen um eine Vereinfachung des Steuersystems in der Schweiz im Weg. Denn jeder zusätzliche Abzug und jede Nachbesteuerung bei nicht zweckkonformer Verwendung der geäufneten Bauspareinlagen führen zu einer zusätzlichen Komplizierung.

Dies steht quer zur wiederholt geforderten Steuervereinfachung. Im Bericht des Perspektivstabs der Bundesverwaltung, der im Auftrag des Bundesrats und als Grundlagendokument für die Legislaturplanung alle vier Jahre eine Gesamtschau zu den wichtigsten Zukunftsfragen für die Bundespolitik erarbeitet, ist ein Abschnitt der Steuervereinfachung gewidmet.22 Darin wird betont, dass unser Steuersystem die Tendenz unnötiger und übermässiger Komplizierung in sich trage. Mittels Vereinfachungen könnten letztlich die Vollzugskosten minimiert werden. Das Parlament selbst hat im Bundesbeschluss vom 18. September 200823 über die Legislaturplanung 2007­2011 ein grundsätzliches Bekenntnis abgelegt zur «Einführung der einfachstmöglichen Besteuerung von Bürgerinnen und Bürgern».

Solche Grundsätze bleiben freilich Makulatur, wenn das bestehende Steuersystem mit der Schaffung neuer Abzüge erschwert wird. Im System der Reineinkommensbesteuerung werden Vermögensabgänge grundsätzlich nur zum Abzug zugelassen, wenn sie mit der Einkommenserzielung in Zusammenhang zu bringen sind. Diesbezüglich ist ein Bausparprivileg genauso systemfremd wie die Äufnung von Spareinlagen bei der Säule 3a. Die völlige Steuerbefreiung des geäufneten Bauspar22

23

Schweizerische Bundeskanzlei, 2007, Herausforderungen 2007­2011. Trendentwicklungen und mögliche Zukunftsthemen für die Bundespolitik. Bericht des Perspektivstab der Bundesverwaltung vom 3. April 2007. Vom Bundesrat am 18. April 2007 zur Kenntnis genommen, Bern, S. 102.

BBl 2008 8543

6994

kapitals beim Bezug führt jedoch zu einer Privilegierung gegenüber dem System der Säule 3a. Bei Letzterer wird der Vorbezug als Kapitalleistung aus Vorsorge besteuert ­ wenn auch milde, d.h. separat vom übrigen Einkommen mit einer Jahressteuer und zu einem Fünftel der ordentlichen Tarife (DBG). Bei den kantonalen Steuergesetzen gilt die verfassungsmässige Tarifhoheit der Kantone; das StHG sieht als Grundsatz lediglich vor, dass auch hier die Kapitalleistungen aus Vorsorgeeinrichtungen getrennt vom übrigen Einkommen zu versteuern sind. Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung des Bezugs von Bausparkapital einerseits und des Vorbezugs von Vorsorgekapital aus der 2. Säule sowie der Säule 3a anderseits ist nicht ersichtlich und hat unnötige Verzerrungen im Bereich der Wohneigentumsförderung zur Folge. Insofern würden die in beiden Volksinitiativen zum Bausparen vorgesehenen Verfassungsbestimmungen zwei miteinander konkurrierende Systeme der Wohneigentumsförderung schaffen, die nicht aufeinander abgestimmt sind: die HEV-Initiative im Bereich der Einkommenssteuern des Bundes und der Kantone, die SGFB-Initiative nur bei der kantonalen Einkommenssteuer.

Dieser unerwünschte Nebeneffekt käme bei der SGFB-Initiative angesichts des fakultativen Charakters nur in jenen Kantonen zum Tragen, die in ihrem Steuergesetz dann auch tatsächlich ein steuerlich privilegiertes Bausparen einführen würden.

Schwerer wiegt hingegen der Umstand, dass sich im Zusammenhang mit einem Wohnsitzwechsel im interkantonalen Verhältnis Probleme abzeichnen können, die in Ziffer 4.8 genauer ausgeführt werden. Aus Vollzugssicht ist die Wohneigentumsförderung entlang der bewährten Kanäle (Mittel aus der beruflichen Vorsorge und der gebundenen Selbstvorsorge) einfacher als das Bausparen mit seiner Spardauer von höchstens zehn aufeinanderfolgenden Jahren, dem Bezug innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf der maximalen Spardauer, wie es die SGFB-Initiative vorsieht, sowie der Nachbesteuerung und den interkantonal noch zu definierenden Härtefall- und Missbrauchsregelungen.

Auch durch das Energie-Bausparen würde das Steuerrecht weiter verkompliziert.24 In Ergänzung zur heute bei der direkten Bundessteuer und in den meisten kantonalen Steuergesetzen bestehenden Abzugsmöglichkeit von energiesparenden und dem
Umweltschutz dienenden Investitionen schafft dieses Element der SGFB-Initiative bei den kantonalen Einkommenssteuern einen zusätzlichen, wenn auch ineffizienten steuerlichen Anreiz zur energetischen Gebäudesanierung. Die steuerlich privilegierte Finanzierung von Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen kann zu Steuererleichterungen führen, die nur Besitzerinnen und Besitzern von bestehendem selbstbewohntem Eigentum eingeräumt werden. Aus steuerrechtlicher Sicht ist insbesondere die doppelte Ersparnis problematisch: Das in einer Spareinlage geäufnete Kapital berechtigt nicht nur zum Abzug vom steuerbaren Einkommen und zum steuerfreien Bezug bei zweckmässiger Verwendung. Mit demselben Kapital kann die energetische Investition im Zeitpunkt ihrer Ausführung auch als den Unterhaltskosten gleichgestellte Aufwendung zum Abzug gebracht werden, womit sich per saldo eine zweimalige Ermässigung der Steuerbelastung einstellt: ein erstes Mal bei der Bildung der Spareinlage, ein zweites Mal bei der Vornahme der den Unterhaltsarbeiten steuerlich gleichgestellten energiesparenden Sanierung. Steuerrechtlich gesehen würde unser System durch die Einführung dieser zusätzlichen Abzugsmög24

Mit der Motion der CVP-Fraktion «Steueranreize für energieeffiziente Sanierungsmassnahmen» (07.3031) ist die steuerlich privilegierte Bildung von Spareinlagen zur Finanzierung energieeffizienter Sanierungen bereits in den eidgenössischen Räten behandelt und in einen Prüfungsauftrag an den Bundesrat umgewandelt worden.

6995

lichkeit komplizierter und der Vollzugsaufwand nähme zu. Dies rührt insbesondere daher, dass die Veranlagungsbehörden prüfen müssten, ob das für Energie sparende und dem Umweltschutz dienende Investitionen geäufnete Bausparkapital tatsächlich zweckkonform verwendet worden ist. Da Veranlagungsbehörden in der Regel keine Fachkompetenz für derartige Fragestellungen mitbringen, müsste für die korrekte Beurteilung fachmännisches Know-how beigezogen werden, was wiederum Kosten generieren würde.

4.6

Divergierende harmonisierungsrechtliche Folgen

Die Harmonisierung im Sinne der Rechtsangleichung der schweizerischen Steuerordnungen von Bund und Kantonen ist als dynamischer Prozess zu verstehen, der entsprechend dem Harmonisierungsbedarf und der Harmonisierungsreife der einzelnen Sachbereiche voranschreitet. Die Einführung eines optionalen Bausparabzugs nur auf kantonaler Ebene, wie es die SGFB-Initiative vorsieht, widerspricht dem Verfassungsauftrag zur Harmonisierung der direkten Steuern von Bund, Kantonen und Gemeinden (Art. 129 Abs. 1 BV). Der Harmonisierungsauftrag hat zum Ziel, das schweizerische Steuerrecht transparenter zu gestalten und die Steuerveranlagung zu vereinfachen. Soweit das Bausparen für den Bund nicht vorgesehen und für die Kantone freiwillig ist, käme es mit der Annahme der SGFB-Initiative zu einer doppelten Disharmonisierung: einerseits vertikal zwischen Bund und Kantonen, andererseits horizontal zwischen den Kantonen. Als Folge davon würde die Transparenz des Schweizer Steuersystems sinken.

Dasselbe negative Signal würde im Zusammenhang mit der in der SGFB-Initiative vorgesehenen Steuerfreiheit von Bausparprämien ausgesendet. Auch finanzielle Zuschüsse des Staates sind grundsätzlich als Einkommen zu versteuern, sofern es sich nicht um öffentliche Unterstützungsleistungen zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts handelt. Dies soll mit Hilfe der SGFB-Initiative in Bezug auf die Bausparprämien geändert werden. Die anvisierte Steuerfreiheit von Bausparprämien stünde jedoch logischerweise nur in jenen Kantonen offen, die Bausparprämien ausrichten. Damit läge auch hier eine doppelte Disharmonisierung vor: zwischen Bund und Kantonen einerseits und zwischen den Kantonen andererseits.

Harmonisierungsrechtlich ergeben sich hingegen bei der HEV-Initiative keine Probleme, da gemäss deren Wortlaut der Bausparabzug zwingend auf Stufe Bund und Kantone einzuführen ist.

4.7

Finanzielle Auswirkungen

Da bei der SGFB-Initiative die kantonale Einführung des Bausparens fakultativ ist und nicht vorausgesehen werden kann, welche Kantone bei einer Annahme der Initiative das Bausparen einführen würden, ist keine verlässliche Schätzung der Steuerausfälle möglich. Eine grobe Schätzung ist hingegen für die HEV-Initiative machbar, da diese eine zwingende Einführung des Bausparens auf Stufe Bund und Kantone vorsieht. Für die Berechnungen wird von den verfügbaren Datengrundlagen des Kantons Basel-Landschaft ausgegangen. Werden diese auf den Bund und alle Kantone hochgerechnet, so ergibt sich folgendes Bild: Die jährlichen Minderein-

6996

nahmen betragen bei den kantonalen Einkommenssteuern insgesamt rund 96 Millionen Franken, bei der direkten Bundessteuer rund 36 Millionen Franken.

4.8

Absehbare Schwierigkeiten bei der Umsetzung in den Kantonen

Bei Annahme der Initiativen würden auch im Zusammenhang mit der Verwendung von Bauspareinlagen im interkantonalen Verhältnis neue Verfahrensvorschriften unumgänglich sein. Die SGFB-Initiative sieht einen Besteuerungsaufschub der Bauspareinlagen beim Wegzug in einen anderen Kanton vor, sofern die Mittel aus dem verkauften Wohneigentum zweckkonform verwendet werden. Bei nicht zweckgemässer Verwendung haben die Kantone hingegen sicherzustellen, dass eine Nachbesteuerung erfolgt. Im Wortlaut der HEV-Initiative wird einzig der Grundsatz des Besteuerungsaufschubs festgehalten, sofern das geäufnete Bausparkapital für den Erwerb von dauernd selbstgenutztem Wohneigentum eingesetzt wird. Die Konkretisierung hat auf Gesetzes- und Verordnungsstufe zu erfolgen. Beide Konzeptionen erfordern eine detaillierte Ausführungsgesetzgebung auf der Basis interkantonaler Regelungen. Denn nur ein funktionierendes Meldewesen unter den Kantonen vermag die Nachbesteuerung zweckentfremdeter Bauspareinlagen sicherzustellen.

Erfassungslücken können in erster Linie wegen fehlender interkantonaler Kontrolle entstehen. Ob bei mehreren hintereinander gestaffelten Ersatzbeschaffungen das kantonale Meldewesen reibungslos funktionieren würde, ist aus heutiger Sicht zumindest fraglich. Ferner wäre im Rahmen von interkantonalen Regelungen zu entscheiden, wer bei zweckwidriger Verwendung von geäufnetem Bausparkapital zur Nachbesteuerung berechtigt ist: der ursprüngliche Bausparkanton oder der Zuzugskanton, der unter Umständen in seinem kantonalen Recht keine Bausparbestimmungen kennt, weil sich die SGFB-Initiative auf die freiwillige kantonale Einführung des Bausparens beschränkt. Hier zeigt sich eine Inkonsistenz dieser Initiative: Einerseits soll den Kantonen die Wahlfreiheit für die Verankerung des Bausparmodells gewährt werden, beim Aufschub der Besteuerung der Bauspareinlagen durch Wegzug in einen nicht bausparfördernden Kanton wird die kantonale Autonomie hingegen eingeschränkt, indem sich alle Kantone daran zu halten haben ­ auch jene, die das Bausparen in ihrem kantonalen Recht nicht kennen. Unbesehen davon erhöht der sowohl für eine funktionierende Nachbesteuerung als auch zur Missbrauchsbekämpfung unumgängliche Aufbau eines tauglichen Meldesystems den administrativen Aufwand der kantonalen Behörden.

Eine weitere Unklarheit
bilden die Modalitäten der Nachbesteuerung im kantonalen Recht. Eine nach Massgabe der kantonalen Regelungen als Einkommen vorzunehmende Nachbesteuerung lässt bei der SGFB-Initiative die Frage offen, ob die geäufneten Bauspareinlagen sowie die während der Bausparphase aufgelaufenen Zinserträge dem übrigen steuerbaren Einkommen zugerechnet oder ­ analog den Kapitalleistungen aus Einrichtungen der beruflichen Vorsorge und der gebundenen Selbstvorsorge ­ gesondert besteuert und einer ganzen Jahressteuer unterstellt werden.

Sollten Bauspareinlagen und Zinserträge nicht dem übrigen steuerbaren Einkommen zugerechnet werden, so erweist sich die separate Besteuerung allein schon wegen der Progressionsmilderung als vorteilhaft. Von dieser Ausgangslage könnten alle potenziellen Bausparerinnen und Bausparer profitieren und das nicht zweckgemäss verwendete Bausparkapital je nach kantonal gestaltetem Tarifverlauf steueroptimierend einsetzen. Bei der HEV-Initiative gilt die Problematik der zu treffenden 6997

Modalitäten bei der Nachbesteuerung nicht nur für die kantonalen Einkommenssteuern, sondern auch für die direkte Bundessteuer.

5

Verfahrensrechtliche Herausforderungen

Die Tatsache, dass über zwei Volksinitiativen abzustimmen ist, die beide die steuerliche Förderung des Bausparens betreffen, bedarf der Klärung bei der rechtlichen Umsetzung. Um ein unverfälschtes Abstimmungsergebnis zu garantieren, sieht der Bundesrat zeitlich gestaffelte Urnengänge vor. Allerdings würde trotz Ansetzung unterschiedlicher Abstimmungstermine die Annahme sowohl der SGFB- als auch der HEV-Initiative durch Volk und Stände zu Abstimmungsergebnissen führen, die bezüglich zweier Rechtsnormen zwar denselben Sachverhalt regeln (Verfassungsgrundlage zum Bausparen), einander jedoch teilweise widersprechen. Falls beide Volksinitiativen angenommen werden, führt dies zu einem Konflikt. Solche Normkonflikte werden gemäss Doktrin und Praxis nach folgenden drei Maximen gelöst: 1. Das höherrangige Gesetz bricht niederrangiges Recht (lex superior derogat legi inferiori); 2. Das spezielle Gesetz verdrängt das allgemeine Gesetz (lex specialis derogat legi generali); 3. Das spätere Gesetz geht dem früheren vor (lex posterior derogat legi priori).

Da es sich bei beiden Volksinitiativen per se um Verfassungszusätze handelt, entfällt die Vorrangregel der Hierarchisierung. Zur Anwendung kommen bloss die beiden anderen Kollisionsregeln, die Vorrangregel der Spezialisierung und der Temporalisierung. Dies bedeutet, dass aufgrund der lex-specialis-Regel die in der HEVInitiative nicht vorgesehenen Elemente (Energie-Bausparen und Bausparprämien) in der Bundesverfassung in jedem Fall erhalten blieben, da sie als Sonderregelungen zur Bauspar-Rechtsnorm zu verstehen und zu behandeln sind. Hervorzuheben gilt insbesondere, dass Bausparprämien nicht mit Bauspareinlagen zu verwechseln sind.

Ersteres sind ausgabenseitige Direktsubventionen der öffentlichen Hand, die gemäss SGFB-Initiative von der kantonalen Einkommenssteuer zu befreien sind. Letzteres sind Spargelder, die im Sinne einer einnahmenseitigen Subvention zum Abzug von der Bemessungsgrundlage berechtigen sollen.

Aufgrund der lex-posterior-Regel würde die später erlassene Norm zum Bausparen für den erstmaligen Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum die Bausparnorm im Sinne der zuvor gutgeheissenen Volksinitiative verdrängen. Das heisst: Für den Fall, dass die SGFB-Initiative zuerst zur Abstimmung kommt und bei Volk und Ständen eine Mehrheit findet, würden
die darin enthaltenen Bauspar-Bestimmungen durch jene der ebenfalls von Volk und Ständen angenommenen, jedoch später zur Abstimmung unterbreiteten HEV-Initiative ersetzt. Für die beiden Rechtsnormen, die zwar denselben Sachverhalt regeln, jedoch unterschiedliche Geltungsbereiche vorsehen, gälte im Sinne des Vorrangs der später angenommenen Norm, dass die formelle Steuerharmonisierung mit zwingender Einführung des Bausparens auf Stufe Bund und Kantone (HEV-Initiative) die freiwillige Einführung des Bausparens auf Stufe Kantone (SGFB-Initiative) ersetzen würde. Die umgekehrte Situation ergäbe sich, falls die HEV-Initiative zuerst zur Abstimmung kommt.

Schliesslich gilt es im Auge zu behalten, dass gemäss Artikel 195 BV die ganz oder teilweise revidierte Bundesverfassung in Kraft tritt, wenn sie von Volk und Ständen angenommen wird. Ein aufgeschobenes Inkrafttreten ist nur möglich, wenn die Revisionsvorlage ein späteres Inkrafttreten vorsieht bzw. eine Kompetenzdelegation 6998

bezüglich dieser Frage an die Bundesversammlung oder an den Bundesrat vornimmt. Weder das eine noch das andere trifft auf die beiden eingereichten Volksinitiativen zum Bausparen zu. Diese Ausgangslage hat folgende Konsequenzen: Falls die SGFB-Initiative zuerst zur Abstimmung vorgelegt und von Volk und Ständen angenommen wird, kann sie aufgrund der darin festgelegten Übergangsbestimmung (Art. 197 Ziff. 8) von den Kantonen umgehend angewendet werden. Da das Abstimmungsergebnis der HEV-Initiative noch nicht vorliegt, dürften die Kantone, um Zusatzarbeiten zu vermeiden, mit der Konkretisierung der Verfassungsbestimmungen zuwarten. Falls die HEV-Initiative zuerst zur Abstimmung vorgelegt und von Volk und Ständen angenommen wird, sollten Bund und Kantone die ihnen in der Übergangsbestimmung gewährte 5-Jahres-Frist (Art. 197 Ziff. 8) zur Umsetzung der entsprechenden Verfassungsbestimmungen nutzen. Auf diese Weise liesse sich ebenfalls Zusatzaufwand vermeiden.

6

Schlussfolgerungen

Artikel 108 BV verpflichtet den Bund zur Wohnbau- und Wohneigentumsförderung.

Steuerlich wird das Verfassungsziel durch Massnahmen im Rahmen des Vorsorgesparens und der Eigenmietwertbesteuerung konkretisiert. Der Vorbezug aus der 2. Säule erweist sich als ein wirksames Instrument für den Ersterwerb von selbstgenutztem Wohneigentum. Die seit 1995 geltenden Massnahmen zur Wohneigentumsförderung greifen gut und werden rege benutzt. Dank der gebundenen Selbstvorsorge via Säule 3a bestehen seit 1990 weitere Vorbezugsmöglichkeiten. Eine zusätzliche zentrale Förderkomponente ist die steuerliche Festlegung der Eigenmietwerte. Weil diese unter den Marktwerten liegen, wird dem genannten Verfassungsauftrag gebührend Rechnung getragen.

Beide Volksinitiativen zum Bausparen vermögen wegen ihrer Wirkung, den volkswirtschaftlichen Folgen und der zusätzlichen Verkomplizierung des Steuerrechts nicht zu überzeugen: ­

Bausparen weist eine ungünstige sozial- und einkommenspolitische Wirkung auf und wirkt in Bezug auf das steuerbare Einkommen sogar regressiv: Haushalte mit einem steuerbaren Einkommen von weniger als 40 000 Franken sind deutlich untervertreten, Bausparende mit steigendem Einkommen zunehmend stärker vertreten. Von der Einführung steuerlich abzugsfähiger Bauspareinlagen profitieren in erster Linie Steuerpflichtige, die über ausreichend Mittel verfügen, jedoch auch ohne Bausparen in der Lage sind, in den Genuss von selbstgenutztem Wohneigentum zu kommen. Effektivität und Effizienz des steuerlich privilegierten Bausparens sind insofern als gering einzustufen, als es nur einem kleinen Teil der sogenannten Schwellenhaushalte, d.h. der Haushalte mit Bruttoeinkommen zwischen 60 000 und 100 000 Franken pro Jahr, ermöglicht, selbstgenutztes Wohneigentum zu erwerben.

­

Volkswirtschaftlich gesehen hat eine steuerlich begünstigte Förderung des Bausparens negative Wachstums- und Wohlfahrtseffekte. Gründe dafür sind die Verzerrung von Konsumentscheidungen der Haushalte, die Kapitalisierung der Fördermassnahmen in den Bodenpreisen und die Verdrängung der produktivitäts- und wachstumswirksamen Investitionen im Unternehmenssektor durch produktivitätsneutrale Wohnbauinvestitionen.

6999

­

Beide Volksinitiativen zum Bausparen stehen im Widerspruch zum Vereinfachungsziel im Steuerrecht. Denn Abzugsmöglichkeiten für den erstmaligen Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum würden das heutige Steuersystem komplizierter machen und den Vollzugsaufwand erhöhen.

­

Harmonisierungsrechtlich ergibt sich eine grundsätzliche Divergenz zwischen den beiden Volksinitiativen. Während die HEV-Initiative der formellen Steuerharmonisierung Rechnung trägt, wird dieser verfassungsrechtliche Grundsatz von der SGFB-Initiative ignoriert, indem sie einzig den Kantonen eine Optionsmöglichkeit für ein Bausparmodell einräumt.

7000

Vorbezüge in Franken

7001

Quelle: ESTV

0

500'000'000

1'000'000'000

1'500'000'000

19'058

20'378

24'465 25'440

30'056

32'449

35'250

39'422 37'149 29'159

36'279

44'385

3'206'272'256

2'881'999'121

2'546'299'772

1'667'855'511

1'490'570'801

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

1'273'476'670

26'256

1'925'247'517

2'000'000'000

1'684'025'464

2'500'000'000

2'311'514'623

39'393

2'865'799'268

3'000'000'000

2'619'507'173

Säule = jährliche Vorbezüge in Franken Dreieck = jährliche Anzahl Meldungen

2'491'081'404

3'500'000'000

2'065'359'366

Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge

1'222'190'736

35'000

40'000

45'000

50'000

0

5'000

10'000

15'000

20'000

25'000

30'000

Anzahl Meldungen

Anhang

7002