Bericht Konzept betreffend lufthygienische Massnahmen des Bundes vom 11. September 2009

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen das Konzept betreffend lufthygienische Massnahmen des Bundes mit Antrag auf Kenntnisnahme. Das Konzept geht auf die Motion 00.3184 der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie zurück. Es legt dar, wie die Luftreinhalte-Ziele bei allen Schadstoffen erreicht werden können.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

11. September 2009

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Hans-Rudolf Merz Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2009-1221

6585

Übersicht Der Bundesrat hat in seinem Bericht über die lufthygienischen Massnahmen des Bundes und der Kantone (99.077) die Auswirkungen der Luftverschmutzung dargelegt sowie die lufthygienischen Ziele und den Handlungsbedarf aufgezeigt. Daraufhin hat die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie den Bundesrat in einer Motion beauftragt, dem Parlament ein Konzept vorzulegen, wie die Luftreinhalte-Ziele erreicht und die Grenzwerte bei allen Luftschadstoffen eingehalten werden können. Die Motion wurde von beiden Räten überwiesen.

Der vorliegende Bericht zeigt auf, dass die Zielvorgaben nach wie vor richtig sind und dem Schutz von Mensch und Umwelt dienen. Die Schadstoffemissionen müssen in etwa halbiert werden. Der Bericht beurteilt die Zieleffizienz der bisher getroffenen Massnahmen. Daraus können Lehren für das weitere Vorgehen gezogen werden.

Die heute absehbaren und bis 2020 zu erwartenden technischen Fortschritte werden es erlauben, mit einer konsequenten Luftreinhalte-Politik die Luftschadstoffbelastung weiter zu senken. Zusammen mit Massnahmen zur Senkung des Energie- und Treibstoffverbrauchs ­ welche auch nach Vorgaben des Kyoto-Protokolls und des CO2-Gesetzes nötig sind ­ wird es nach heutigem Stand des Wissens gelingen, die übermässigen Immissionen weitgehend zu beseitigen und dem Schutzauftrag für Mensch und Umwelt nachzukommen. Voraussetzung dazu sind neben den Emissionsreduktionen in der Schweiz auch entsprechende Massnahmen in anderen Staaten, da Luftschadstoffe grenzüberschreitenden Charakter haben. Die Schweiz setzt sich aktiv für die Weiterentwicklung der entsprechenden internationalen Abkommen ein.

6586

Inhaltsverzeichnis Übersicht

6586

1 Auftrag und Ausgangslage 1.1 Parlamentarischer Auftrag für diesen Bericht 1.2 Lufthygienische Ausgangslage 1.3 Emissionsentwicklung 1.4 Vergleich mit anderen Staaten

6588 6588 6588 6591 6592

2 Ziele 2.1 Immissionsseitige Ziele 2.2 Emissionsseitige Ziele 2.3 Emissionsseitiger Handlungsbedarf bezogen auf 2005

6594 6594 6595 6595

3 Bisherige Massnahmen 3.1 Zieleffizienz 3.2 Erfolge und Defizite 3.3 Nebennutzen von Luftreinhalte-Massnahmen 3.4 Lehren aus bisherigen Erfahrungen 3.5 Erfolgversprechende Ansätze im Ausland 3.6 Einfluss der Rahmenbedingungen in der Schweiz 3.7 Synergien Luftreinhaltung ­ Klimaschutz

6596 6596 6597 6598 6599 6600 6600 6601

4 Zusätzlich geprüfte Massnahmen bezogen auf die einzelnen Schadstoffe 4.1 Reduktion des Brenn- und Treibstoffverbrauchs 4.2 Reduktion der Stickoxide (NOx) 4.3 Reduktion der flüchtigen organischen Verbindungen (NMVOC) 4.4 Reduktion von lungengängigem Feinstaub (PM10) und Russ 4.5 Reduktion von Ammoniak (NH3) 4.6 Reduktion von Schwefeldioxid (SO2) 4.7 Fazit

6602 6602 6603 6604 6604 6605 6607 6607

5 Weiteres Vorgehen zur Schliessung der Lücken 5.1 Einleitung 5.2 Rechtskräftig beschlossene Massnahmen 5.3 Bereits eingeleitete Massnahmen 5.4 Zusätzliche Massnahmen 5.4.1 Fahrzeuge und Maschinen 5.4.2 Industrie, Feuerungen, Gebäude, Anlagen 5.4.3 Landwirtschaft 5.5 Vorläufig nicht weiterverfolgte Massnahmen 5.6 Bilanz und Ausblick

6607 6607 6608 6609 6610 6611 6612 6613 6614 6614

6 Würdigung

6615

6587

Bericht 1

Auftrag und Ausgangslage

1.1

Parlamentarischer Auftrag für diesen Bericht

Im Jahr 1999 legte der Bundesrat Rechenschaft über die Auswirkungen der Luftverschmutzung, die Erfolge der Luftreinhalte-Politik und den verbleibenden Handlungsbedarf ab1. Im Anschluss daran reichte die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrates eine Motion (00.3184) ein. Sie beauftragt den Bundesrat, dem Parlament ein Konzept vorzulegen, wie die Luftreinhalte-Ziele erreicht und die Grenzwerte zum Schutz der Gesundheit und der Umwelt bei allen Luftschadstoffen eingehalten werden können. Dabei sei zu prüfen, ob Änderungen der Zielvorgaben aus umwelt- und gesundheitspolitischen Gründen erforderlich sind.

Das Konzept soll die bisher getroffenen lufthygienischen Massnahmen im Hinblick auf ihre Zieleffizienz evaluieren und die zu ergreifenden Massnahmen insbesondere in Bezug auf die Schadstoffe Stickoxide, flüchtige organische Verbindungen, Feinstaub und Ammoniak aufzeigen und quantitativ bewerten. Die Motion wurde von beiden Räten überwiesen.

Das erste derartige Konzept stammt aus dem Jahr 19862. Es enthält Zwischenziele und Fristen für die drei Luftschadstoffe, welche damals im Vordergrund standen.

Das jetzt vorgelegte Konzept ist eine Fortführung und Erweiterung des ursprünglichen Luftreinhalte-Konzepts.

In den Zielen des Bundesrates im Jahr 2006 ist die Neuauflage des LuftreinhalteKonzepts unter Ziffer 1.4 aufgeführt. Während der Aktionsplan Feinstaub vom Januar 2006 auf einen speziellen Teil der Luftschadstoffproblematik, nämlich die primären Partikel des Feinstaubs fokussiert, ist das vorliegende LuftreinhalteKonzept umfassender. Es bezieht alle aktuellen Luftreinhalte-Probleme ein und widmet sich auch dem sekundären Anteil im Feinstaub, der aus den gasförmigen Schadstoffen gebildet wird und gegen die Hälfte der Feinstaubbelastungen ausmacht.

1.2

Lufthygienische Ausgangslage

Der Bundesrat hat 1999 ausführlich über den Stand und die Auswirkungen der Luftverschmutzung informiert3. Auch wenn die Schadstoffemissionen in den letzten Jahren leicht zurückgegangen sind, sind die Kernaussagen nach wie vor gültig. Die Tabelle 1 gibt eine Übersicht über den aktuellen Stand der Luftqualität (Immissionen).

1 2 3

99.077 Bericht vom 23. Juni 1999 über die lufthygienischen Massnahmen des Bundes und der Kantone, BBl 1999 7735.

86.047 Bericht Luftreinhalte-Konzept vom 10. September 1986, BBl 1986 III 269.

99.077 Bericht vom 23. Juni 1999 über die lufthygienischen Massnahmen des Bundes und der Kantone, BBl 1999 7735.

6588

Tabelle 1 Luftbelastung an den NABEL-Stationen in den Jahren 2005­2007 NO2: Stickstoffdioxid PM10: lungengängiger Feinstaub Ozon O3 : SO2: Schwefeldioxid JMW: Jahresmittelwert in Mikrogramm pro Kubikmeter Überschreitungen der Immissionsgrenzwerte sind fett markiert O3

SO2

Standorttyp

JMW

NO2 Anzahl Tage >80

PM10 JMW

Anzahl Tage >50

Anz. Stunden >120

JMW

Stadt, Strasse Stadt Vorstadt Autobahn ländliches Mittelland ländliches Tessin Voralpen/Jura

44­52 34­37 22­30 35­40 13­17 22­26 6­ 8

0­10 0­9 0­5 0­11 0 0 0

26­38 21­32 20­24 22­27 18­23 26­30 11­12

19­66 15­43 9­27 7­43 5­30 44­54 0­ 7

15­ 99 253­805 260­425 101­238 233­405 570­643 596­816

Immissionsgrenzwert

30

1

20

1

1

4­7 3­4 3­5 1 1 30

Der Luftschadstoff Ammoniak trägt wesentlich zu den übermässigen Stickstoff- und Säureeinträgen bei. Die kritischen Eintragswerte für Stickstoff sind auf 95 % der Waldflächen und bei 55 % der übrigen naturnahen Ökosysteme (wie Hochmoore, Trockenwiesen) überschritten4.

Für diejenigen Luftschadstoffe, deren Immissionsgrenzwerte eingehalten bzw. deren Immissionen nicht übermässig sind, sind gemäss Umweltschutzgesetz5 vorsorgliche Massnahmen zu treffen. Dies bedeutet, dass die technisch und betrieblich möglichen und wirtschaftlich tragbaren Massnahmen durchgeführt werden müssen, um die Luftbelastung so gering wie möglich zu halten. Die vorsorglichen Emissionsbegrenzungen gelten für die ganze Schweiz und müssen periodisch dem fortschreitenden Stand der Technik angepasst werden. Das Vorsorgeprinzip trägt dem Umstand Rechnung, dass nicht alle Einzel- und Kombinationswirkungen der Schadstoffe heute bereits bekannt sind. Mit zunehmender Forschung und Erfahrung hat sich in mehreren Fällen gezeigt, dass schädliche Effekte bereits bei tieferen Konzentrationen auftraten als früher angenommen und nachgewiesen wurde. Aus diesen Gründen haben z.B. die EU und die USA ihre Ozongrenzwerte nach unten angepasst. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat im Jahr 2006 für die Schadstoffe Feinstaub (PM10), Ozon (O3) und Stickstoffdioxid (NO2) Richtwerte veröffentlicht, welche auf dem neusten Stand der Wissenschaft bezüglich Schutz der Gesundheit der Bevölkerung beruhen. Die WHO-Richtwerte für Feinstaub PM10 entsprechen den PM10-Immissionsgrenzwerten, welche die Schweiz 1998 festgelegt hat. Der WHORichtwert für Ozon ist etwas strenger als der entsprechende Grenzwert der Schweiz.

4 5

Eidgenössische Kommission für Lufthygiene 2005: Stickstoffhaltige Luftschadstoffe in der Schweiz. Status-Bericht, BUWAL (Ed.), Schriftenreihe Umwelt Nr. 384, Bern.

Bundesgesetz vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz (SR 814.01).

6589

Für NO2 unterscheidet die WHO einen Grenzwert zum Schutz der Gesundheit und einen Grenzwert zum Schutz der Ökosysteme. Die schweizerischen Vorgaben liegen zwischen diesen WHO-Richtwerten.

Für diejenigen Luftschadstoffe, deren Immissionsgrenzwerte trotz vorsorglicher Emissionsbegrenzungen überschritten sind, müssen verschärfte bzw. zusätzliche Massnahmen zur Verminderung des Schadstoffausstosses getroffen werden. Dabei tritt nach Umweltschutzgesetz das Kriterium der wirtschaftlichen Tragbarkeit in den Hintergrund, da es primär um die Beseitigung einer für Umwelt und Gesundheit schädlichen Situation geht. Bei der Beseitigung schädlicher Immissionen sind sowohl der Bund mit seinem Luftreinhalte-Konzept als auch die Kantone mit ihren Massnahmenplänen gefordert. Die kantonalen Massnahmenpläne erlauben massgeschneiderte Lösungen zur Sanierung lokaler und regionaler Belastungsgebiete. Dazu können die gesamtschweizerisch geltenden vorsorglichen Emissionsbegrenzungen lokal oder regional verschärft und zusätzliche Massnahmen angeordnet werden.

Viele Luftreinhalte-Probleme sind eng vernetzt. Dieselbe Quelle emittiert verschiedene Luftschadstoffe. Jeder dieser Schadstoffe trägt wiederum zu verschiedenen Umweltproblemen bei. Das nachstehende Schema zeigt einige Zusammenhänge in vereinfachter Form (z.B. ohne sekundäre Feinstaubanteile).

Abbildung 1 Zusammenhänge zwischen Quellen, Luftschadstoffen, Wirkungen und Rezeptoren SO2: NH3: NO2: O3 : VOC: PM:

Schwefeldioxid Ammoniak Stickstoffdioxid Ozon flüchtige organische Verbindungen Feinstaub

Quellen

Schadstoffe

Wirkungen

Rezeptoren Grundwasser

Energie

SO2

Versauerung

Landwirtschaft

NH3

Eutrophierung

NO2 Industrie

O3

Wachstumsund Ertragseinbussen

Seen Terrestrische Ökosysteme (Wald, Boden)

Landwirtschaftliche Kulturen

VOC Verkehr PM

6590

Gesundheitsschäden

menschliche Gesundheit

Beispielsweise ist bei Anwendung herkömmlicher Techniken von dem im Hofdünger anfallenden Stickstoff rund die Hälfte für die Pflanzen verfügbar. Ein Teil des restlichen Stickstoffs gelangt als Ammoniak in die Luft, ein anderer Teil als Nitrat ins Grundwasser, und ein weiterer Teil wird durch mikrobielle Prozesse im Boden in Lachgas umgewandelt, welches das Klima schädigt. Ammoniak in der Luft wiederum bildet durch chemische Umwandlung lungengängigen Feinstaub (PM10) und gelangt in die Böden, wo er zur Überdüngung naturnaher Ökosysteme (Eutrophierung) und zur Versauerung beiträgt.

Eine Verminderung der Umweltbelastung ist nur durch Massnahmen an der Quelle, also durch eine Verminderung des Schadstoffausstosses, möglich. Auf die Zusammenhänge mit dem Klimaschutz wird in Ziffer 3.7 hingewiesen.

1.3

Emissionsentwicklung

Dank den bisherigen Luftreinhalte-Massnahmen konnte der Schadstoffausstoss bereits wesentlich vermindert werden. Dies führte dazu, dass die Immissionsgrenzwerte für viele Schadstoffe heute eingehalten sind. Dies trifft für Kohlenmonoxid (CO), Schwefeldioxid (SO2) und die Metalle Blei (Pb), Kadmium (Cd) und Zink (Zn) zu.

Die Abbildung 2 zeigt, welche Erfolge bei den Emissionen der Schadstoffe Schwefeldioxid (SO2), Stickoxide (NOx), flüchtige organische Verbindungen ohne Methan (NMVOC), lungengängiger Feinstaub (PM10) und Ammoniak (NH3) bereits erzielt wurden (Stand 2005). Der Verlauf der Kurven gibt einen Eindruck, wie gross der Handlungsbedarf ist, um die übermässigen Immissionen zu beseitigen und in den Bereich zu gelangen, wo nach Umweltschutzgesetz nur noch vorsorgliche Emissionsbegrenzungen erlassen werden müssen. Die Emissionen müssen mit verschärften Massnahmen so weit reduziert werden, dass alle Werte in den weissen Bereich zu liegen kommen.

6591

Abbildung 2 Zeitlicher Verlauf der Schadstoffemissionen relativ zum Vorsorgebereich 500 450

Vorsorgebereich

400

Feinstaub PM10

350

%

300

Ammoniak NMVOC Stickoxide Schwefeldioxid

250 200 150 100 50

19 00 19 05 19 10 19 15 19 20 19 25 19 30 19 35 19 40 19 45 19 50 19 55 19 60 19 65 19 70 19 75 19 80 19 85 19 90 19 95 20 00 20 05 20 10 20 15 20 20

0

Jahr

1.4

Vergleich mit anderen Staaten

In den 1980er-Jahren übernahm die Schweiz eine Vorreiterrolle in der Luftreinhaltung. In den Folgejahren hat sie technische Handelshemmnisse gegenüber der EU und weiteren wichtigen Handelspartnern abgebaut und sukzessive Produktevorschriften auch im Luftreinhalte-Bereich mit der EG harmonisiert. So übernimmt die Schweiz beispielsweise die Abgasgrenzwerte der EG für Strassenfahrzeuge zeitgleich.

Bereits früh wurde erkannt, dass Luftschadstoffe ein grenzüberschreitendes Problem darstellen und internationale Regelungen nötig sind. 1979 wurde das Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung (Genfer Konvention) unterzeichnet. Mit seinen bisher acht Protokollen sorgt es dafür, dass die Emissionen zahlreicher Luftschadstoffe in allen europäischen Ländern, den zentralasiatischen Staaten, den USA und Kanada vermindert werden.

6592

Abbildung 3 NOx-Reduktionen der Länder der Genfer Konvention zwischen 1990 und 20056. Balken gegen oben zeigen eine Verbesserung, Balken gegen unten eine Verschlechterung der Schadstoffsituation 80%

60%

40%

Griechenland Österreich Albanien Spanien Portugal Island Türkei Luxemburg

20%

-20%

Moldawien Armenien Litauen Tschechien Estland Slowakei Weissrussland Asarbaijan Georgien Deutschland Polen Ukraine Schweiz Grossbritannien Finnland Lettland Italien Niederlande Bulgarien Mazedonien Rumänien Frankreich Schweden Dänemark Bosnien­Herzegowina Ungarn USA Belgien Kroatien Kasachstan Malta Russland Norwegen Zypern Serbien+Montenegro Slowenien Irland Kanada

0%

-40%

-60%

Die Luftreinhalte-Probleme stellen sich in den Nachbarländern ähnlich wie in der Schweiz. In den Städten und verkehrsnahen Gebieten gefährden lungengängiger Feinstaub und Stickstoffdioxid die Gesundheit der Bewohnerinnen und Bewohner, und die Ozonbelastungen, die Stickstoff- und Säureeinträge sind in weiten Gebieten übermässig.

Während die Schweiz den Ausstoss von Stickoxiden NOx im Vergleich zu anderen Ländern stark vermindert hat (Abb. 3), kann sie beim Ammoniak erst geringe Emissionsreduktionen ausweisen. Sie zählt zu den europäischen Ländern mit der grössten Emissionsdichte von Ammoniak aus der Landwirtschaft (Abb. 4).

6

Quelle: EMEP (European Monitoring and Evaluation Programme) und US EPA (Environmental Protection Agency) T

T

6593

Abbildung 4 Ammoniakemissionen der Landwirtschaft (in Kilogramm AmmoniakStickstoff pro Hektare Landwirtschaftsfläche) im europäischen Vergleich für das Jahr 2000; LF= landwirtschaftliche Nutzfläche. Quelle: EKL7 70 60

kg NH3-N/ha LF

50 40 30 20 10

Ir l an d I ta D lie eu n ts ch la nd D än em ar k Sc hw ei z Be lg ie n H ol la nd

d

ed en Ö st er re ic Fr h an kr ei ch

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0

Soweit die EG und die USA wirkungsorientierte Immissionsgrenzwerte festgelegt haben, sind sie mit den schweizerischen in etwa vergleichbar. Unterschiede ergeben sich aus den unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben (wie stufenweises Vorgehen in der EG) oder den unterschiedlichen klimatischen Bedingungen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat bei ihrer umfassenden neuen Evaluation der Luftqualitätskriterien Werte festgelegt, die den schweizerischen Immissionsgrenzwerten entsprechen8. Somit sehen sich alle Länder vor einen ähnlichen Handlungsbedarf gestellt, um den Schadstoffausstoss und die Schadstoffbelastungen auf ein verträgliches Mass zu vermindern.

2

Ziele

2.1

Immissionsseitige Ziele

Das ökologische Ziel der Luftreinhaltung besteht darin, dass wir saubere, gesunde Luft zum Atmen haben, Ökosysteme nicht übermässig belasten und die Luftbelastung vorsorglich so gering wie möglich gehalten wird. Die Immissionswerte, die nicht überschritten werden dürfen, sind in rechtsverbindlicher Form als Immissions-

7 8

Eidgenössische Kommission für Lufthygiene 2005: Stickstoffhaltige Luftschadstoffe in der Schweiz. Status-Bericht, BUWAL (Ed.), Schriftenreihe Umwelt Nr. 384, Bern.

WHO air quality guidelines global update 2005, WHOLIS number E87950, WHO 2005.

6594

grenzwerte in der Luftreinhalte-Verordnung (LRV)9 und als «critical levels» und «critical loads» in staatsrechtlichen Verträgen (Protokolle zur Genfer Konvention) festgelegt. Die Grenzwerte wurden so festgesetzt, dass nach aktuellem Stand des Wissens keine Gefährdung der Gesundheit und der Umwelt zu erwarten ist, wenn sie eingehalten sind. Die in der LRV festgelegten Immissionsgrenzwerte für PM10, Ozon und Stickstoffdioxid entsprechen sowohl bezüglich der Messgrössen wie auch der Höhe der Werte dem heutigen Wissensstand und den Vorgaben des Umweltschutzgesetzes. Die Eidgenössische Kommission für Lufthygiene empfiehlt deshalb im Moment keine Änderung und keine zusätzlichen Immissionsgrenzwerte, etwa für PM2.5 oder für ultrafeine Feinstaubpartikel. Hingegen soll bei der Auswahl der Massnahmen der Bekämpfung der Feinstpartikel besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.10

2.2

Emissionsseitige Ziele

Die emissionsseitigen Ziele bestehen darin, den besten Stand der Technik anzuwenden und den Schadstoffausstoss vorsorglich so gering wie möglich zu halten. Sind die Immissionen (Einwirkungen) trotz vorsorglicher Begrenzung der Emissionen übermässig, müssen die Emissionsvorschriften verschärft werden. Die Emissionswerte, die nicht überschritten werden dürfen, lassen sich aus den Immissionsgrenzwerten und «critical loads» ableiten und sind für das Bezugsjahr 1995 im Bericht über die lufthygienischen Massnahmen des Bundes und der Kantone11 enthalten.

Werden diese Emissionshöchstmengen unterschritten, kann davon ausgegangen werden, dass die Immissionsgrenzwerte grossräumig eingehalten sind. Je nach geografischer Verteilung starker Quellen können aber lokal weiterhin übermässige Immissionen und Schadstoffeinträge auftreten. Bei Ozon, Feinstaub und den übermässigen Stickstoff- und Säuredepositionen spielt der Schadstofftransport über die Grenzen hinaus eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Neben den Emissionsreduktionen in der Schweiz sind auch beträchtliche Schadstoffverminderungen im Ausland Voraussetzung für die Einhaltung der Grenzwerte. Hier zeigt sich die Wichtigkeit der Genfer Konvention mit ihren Protokollen zur Reduktion diverser Luftschadstoffe.

2.3

Emissionsseitiger Handlungsbedarf bezogen auf 2005

Seit der letzten auf das Jahr 1995 bezogenen Bilanz haben die LuftreinhalteMassnahmen zu weiteren Verbesserungen geführt. Bezogen auf das Jahr 2005 bestehen noch die folgenden Erfordernisse zur Senkung der schweizerischen Schadstoffemissionen, um in den Bereich zu gelangen, wo nur noch vorsorgliche Massnahmen nötig sind (Tab. 2).

9 10 11

SR 814.318.142.1 Eidgenössische Kommission für Lufthygiene, Feinstaub in der Schweiz, Bern, 2007.

99.077 Bericht vom 23. Juni 1999 über die lufthygienischen Massnahmen des Bundes und der Kantone, BBl 1999 7735.

6595

Tabelle 2 Zur Einhaltung der Schutzziele notwendige Emissionsreduktionen für die wichtigsten Luftschadstoffe Schadstoff

notwendige Emissionsreduktion gegenüber 2005

aufgrund des Schutzziels

Stickoxide NOx

ca. 50 %

Critical Load für Säure Immissionsgrenzwert Ozon

flüchtige organische Verbindungen NMVOC

20­30 %

Immissionsgrenzwert Ozon

Feinstaub PM10

ca. 45 %

Immissionsgrenzwert PM10

kanzerogene Stoffe (z.B. Russ)

so weit wie technisch möglich und verhältnismässig

Gesundheit

Ammoniak NH3

ca. 40 %

Critical Load für Stickstoff

Schwefeldioxid SO2

Wiederanstieg verhindern vorsorgliche Massnahmen

Immissionsgrenzwert SO2 Critical Load für Säure

Darüber hinaus setzt sich die Schweiz weiterhin aktiv für eine Verschärfung des Göteborger Protokolls ein, damit auch andere Länder ihre Schadstoffemissionen noch stärker vermindern.

3

Bisherige Massnahmen

3.1

Zieleffizienz

Seit nunmehr zwei Jahrzehnten bestehen Erfahrungen mit Luftreinhalte-Massnahmen. Damit ergibt sich die Möglichkeit, zu untersuchen, welche der getroffenen Massnahmen erfolgreich waren, welche weniger12. Massnahmen werden als zieleffizient betrachtet, wenn sie eine klar erkennbare Wirkung zur Verminderung der Gesamtemissionen erzielen und in ihrer Umsetzung im Vergleich zu anderen zur Auswahl stehenden Massnahmen ein günstiges Verhältnis von Aufwand zu Ertrag haben. Da die Ursachen-Wirkungszusammenhänge manchmal zu komplex sind, um quantitativ erfasst zu werden, werden in diesen Fällen auch qualitative Beurteilungsgrössen zur Bewertung beigezogen. Bei der Bewertung der Massnahmen sollte nicht nur auf den Rückgang der gesamtschweizerischen Emissionen abgestützt werden.

Wichtig ist auch der Einfluss auf die lokalen Immissionen, insbesondere in stark besiedelten Regionen. Sie bestimmen die Schadstoffexposition der Einwohnerinnen und Einwohner. Massnahmen in Städten und Agglomerationen, welche die Belastung lokal stark beeinflussen, aber wenig zum Rückgang der Gesamtemissionen beitragen, können aus gesundheitlicher Sicht trotzdem sehr effizient sein.

12

Künzler, P. 2005: Weiterentwicklung des Luftreinhalte-Konzepts. Schriftenreihe Umwelt Nr. 379, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Bern; erhältlich unter: www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00546/index.html?lang=de

6596

3.2

Erfolge und Defizite

Der Verlauf der Schadstoffemissionen in Abbildung 2 zeigt den Erfolg bei der Bekämpfung der Schwefeldioxidemissionen. Er kam vor allem durch die Senkung des Schwefelgehaltes in Brenn- und Treibstoffen, den Ersatz von Kohle und Schweröl durch Heizöl EL, Gas oder alternative umweltfreundliche Energien sowie durch den Einsatz der besten verfügbaren Techniken bei stationären Anlagen (Industrieanlagen und Heizungen) zustande. Beachtliche Erfolge wurden auch bei den Stickoxiden erzielt. Hier fallen neben der Sanierung der stationären Anlagen vor allem die Abgasvorschriften beim Strassenverkehr («Katalysator») ins Gewicht. Die Probleme der zu hohen Feinstaub- und Ammoniakemissionen rückten erst später ins Zentrum der Aufmerksamkeit, als klare wissenschaftliche Erkenntnisse über deren Auswirkungen vorlagen.

Bei gefassten Quellen (Abgase aus Kaminen oder Auspuff) erwiesen sich Vorschriften zur Anwendung des besten Standes der Technik (Emissions- und Abgasvorschriften) als sehr erfolgreich13. Auf diese Weise können z.B. die Stickoxidemissionen von Heizungen bis 2020 gegenüber 1990 um gut 65 % vermindert werden. Bei den Personenwagen beträgt die erreichbare Reduktion sogar 80 %. Die Kehrichtverbrennungsanlagen vermindern ihre Staubemissionen im gleichen Zeitraum um 95 %, drastische Abnahmen gibt es auch bei anderen Schadstoffen wie Salzsäure und Dioxin. Ebenso werden die Dieselrussemissionen der Baumaschinen bei konsequenter Ausrüstung mit Partikelfiltern um mehr als 90 % zurückgehen. Sehr erfolgreich waren auch die Qualitätsvorschriften für Brenn- und Treibstoffe. Dadurch haben sich die Schwefeldioxid- und die Bleiemissionen massiv verringert. Durch diese Vorschriften zur Anwendung des besten Standes der Technik fand eine Entkopplung zwischen der Entwicklung der Luftschadstoffe und der Entwicklung des BIP statt.14 Diffuse, nicht gefasste Schadstoffquellen sind durch Emissionsvorschriften schwerer in den Griff zu bekommen. In diesem Fall kommen gezielte Lenkungsinstrumente wie die VOC-Abgabe zum Einsatz. Erfolg brachte auch die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA), welche die Transporteure anhält, die Auslastung der LKWs zu optimieren und auf unnötige Fahrten zu verzichten15. Die Einteilung der LKWs mit geringen Luftschadstoffemissionen in eine günstigere LSVA-Klasse setzt einen Anreiz für saubere
Fahrzeuge. Der für die Lufthygiene wichtige Prozess der Verlagerung des alpenquerenden Verkehrs von der Strasse auf die Schiene befindet sich in vollem Gang. Die strassenseitigen Instrumente wie die LSVA und die flankierenden Massnahmen zur finanziellen Förderung des Schienengüterverkehrs wirken: 2007 querten rund 10 Prozent weniger schwere Güterverkehrsfahrzeuge die Schweizer Alpen als im Referenzjahr 2000. Dank der LSVA und den weiteren griffigen strassen- und schienenseitigen Massnahmen konnte die Schiene ihren Marktanteil im alpenquerenden Güterverkehr in den letzten Jahren stabilisieren. 2007 lag der Schienenanteil bei 64 %. Wenig erfolgreich war die Luftreinhal13

14 15 T

T

Künzler, P. 2005: Weiterentwicklung des Luftreinhalte-Konzepts. Schriftenreihe Umwelt Nr. 379, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Bern; erhältlich unter: www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00546/index.html?lang=de Binswanger, M. et al. 2005: Wachstum und Umweltbelastung: Findet eine Entkopplung statt? Umwelt-Materialien Nr. 198, BUWAL, Bern.

UVEK Medienmitteilung vom 8.11.2007 «LSVA-Bilanz: Mehr Effizienz, Zusatzkosten gering».

6597

tung bisher dort, wo keine strengen Emissions- und Abgasvorschriften eingeführt wurden oder der Stand der Technik aus strukturellen oder anderen Gründen nicht angewandt wurde.

In vielen Bereichen bestehen für die Zukunft noch wesentliche technische Potenziale zur Schadstoffminderung. Deutschland z.B. sieht die Sanierung bestehender Holzheizungen und Holzöfen vor. Die EU hält weitere beträchtliche Emissionsreduktionen beim Flugverkehr für möglich (Programm Clean Sky; Vision der ACARE16).

Beim Ausbringen von Hofdünger bestehen ebenfalls beträchtliche technische Minderungspotenziale. Alle diese Quellengruppen spielen auch in der Schweiz eine Rolle. Individuelle Massnahmen wie Aufrufe zum Verzicht auf unnötige Fahrten oder zum Verzicht auf das Verbrennen von Waldabfällen und von Abfall in privaten Holzheizungen zeigen kaum Wirkung, solange sie nicht mit Sanktionen verbunden sind.

Die OECD anerkennt die Fortschritte der Schweiz bei der Luftreinhaltung. Sie empfiehlt der Schweiz angesichts der immer noch zu hohen Schadstoffbelastung und der in den letzten Jahren fehlenden substanziellen Fortschritte dringend weitere Massnahmen gegen PM10, Ozon, Stickoxide, Ammoniak und Treibhausgase. An erster Stelle erwähnt sie die Verschärfung der Emissionsvorschriften, die Förderung der Innovation und den Einsatz von Partikelfiltern bei Dieselfahrzeugen. Auch eine ökologische Steuerreform und die Abwälzung der externen Kosten der Luftverschmutzung auf den Verkehr hält sie für unverzichtbare Elemente17.

3.3

Nebennutzen von Luftreinhalte-Massnahmen

So klar der Auftrag zur Luftreinhaltung in der Verfassung und im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert ist, aus Sicht der Wirtschaft wird sie auf den ersten Blick als Kostenfaktor wahrgenommen. Konkrete Luftreinhalte-Vorschriften sind nötig, um dem Verfassungs- und Gesetzesauftrag zum Durchbruch zu verhelfen. LuftreinhalteVorschriften sind zwar meist mit Kosten für den Verursacher der Luftverschmutzung verbunden (Verursacherprinzip gemäss Umweltschutzgesetz), haben aber auch Nebennutzen. Sie führen zu Energie- und damit Kosteneinsparungen (z.B. Vorschriften für Ölheizanlagen, welche mit Anforderungen über den Wärmeverlust der Anlagen verbunden sind und den Brennstoffverbrauch verringern; LSVA, welche Anreize zur Optimierung der Auslastung von Strassentransporten schafft) und tragen zur Bekämpfung des Klimawandels bei (neben dem CO2 haben auch verschiedene Luftschadstoffe klimaerwärmende Wirkung, z.B. Ozon, Russ oder Methan). Durch strenge, im Voraus bekannte Luftreinhalte-Vorschriften werden Innovationen ausgelöst und Märkte für neue Technologien geschaffen. Umweltschutz ist ein Wirtschaftsfaktor. Es wird geschätzt, dass sich der wirtschaftliche Wert von Umweltschutzmassnahmen in der Schweiz auf rund 6,7 Milliarden Franken oder rund 1,6 % des BIP beläuft. Damit verbunden sind 61 000 Vollzeitstellen oder rund 1,9 % der

16

17

Advisory Council for Aeronautics Research in Europe (ACARE), 2008 Addendum to the Strategic Research Agenda, S. 22 ff, erhältlich unter: www.acare4europe.com/html/documentation.asp; Ziel 2020 ­80 % NOx und ­50 % CO2 pro Passagierkilometer.

OECD Umweltprüfberichte: Schweiz, Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Paris 2007.

6598

Gesamtbeschäftigung18. Verschiedene schweizerische und europäische Untersuchungen zum Kosten/Nutzen-Verhältnis von bisherigen und zukünftigen Luftreinhaltemassnahmen zeigen positive Resultate19, 20.

Die Luftverschmutzung führt jährlich zu 3500­4000 vorzeitigen Todesfällen und ungedeckten Gesundheitskosten von 5,1 Milliarden Franken21, 22. Mit LuftreinhalteMassnahmen können die gesundheitlichen Schäden und die Kosten wesentlich vermindert werden. Neue schweizerische Untersuchungen im Rahmen von SAPALDIA (Swiss Cohort Study on Air Pollution and Lung Diseases in Adults) und SCARPOL (Swiss Surveillance Program of Childhood Allergy and Respiratory Symptoms with respect to air pollution and climate) zeigen, dass sich die Gesundheit von Kindern und Erwachsenen relativ rasch verbessert, wenn der Schadstoffgehalt in der Luft abnimmt.

Eine wesentliche Rolle für die Reduktion der Luftverschmutzung spielt der Umgang mit der Energie. Energieeinsparungen führen in der Regel auch zu Verminderungen des Luftschadstoffausstosses (Ausnahme: Ersatz von Benzin- durch Dieselfahrzeuge, solange für diese keine gleich strengen Abgasvorschriften gelten). Das heisst, dass Energiesparmassnahmen im Inland nicht nur den Ausstoss des Klimagases Kohlendioxid, sondern auch die Luftverschmutzung vermindern. Bei Kostenberechnungen müssen diese Sekundärnutzen einbezogen werden. So haben z.B. die Niederlande berechnet, dass zur Optimierung der Kosten 50 % der CO2-Reduktionsverpflichtung gemäss Kyotoprotokoll im Inland und 50 % im Ausland erbracht werden müssten, wenn man CO2 allein betrachtet. Bezieht man die damit verbundene Reduktion von Stickoxiden in die Berechnung ein, ist die günstigste Variante, 75 % der CO2-Einsparungen im Inland zu verwirklichen. Zieht man weitere Luftschadstoffe in die Betrachtung ein, erhöht sich dieser Anteil nochmals23.

3.4

Lehren aus bisherigen Erfahrungen

Die beobachtete Entwicklung bei den Luftschadstoffemissionen ergibt sich aus zwei gegenläufigen Tendenzen. Einerseits ist es nicht gelungen, die Zunahme luftbelastender Tätigkeiten zu stoppen, Verhaltensänderungen wurden kaum realisiert. Hingegen hat der technische Fortschritt ­ soweit er mit strengen Vorschriften gekoppelt war ­ zu einer starken Abnahme des Luftschadstoffausstosses pro Aktivitätseinheit geführt. Dort, wo technische Massnahmen und gezielte Lenkungsabgaben das Wachstum umweltbelastender Tätigkeiten überkompensieren konnten, erfolgte ein wesentlicher Rückgang der Emissionen und der Schadstoffbelastung. Die Erfahrung 18 19 20

21 22 23

Wirtschaftliche Dimensionen der Umweltpolitik. Schriftenreihe Umwelt Nr. 385, BUWAL, Bern 2005.

Nachrüstung von Baumaschinen mit Partikelfiltern, Umwelt-Materialien Nr. 148, BUWAL, Bern 2003.

Proposed air quality Directive: Assessment of the Environmental impact of Parliament's amended proposal, Policy Brief for the EP Environment Committee IP/A/ENV/FWC/2005-35, Institute for European Environmental Policy (IEEP), 2006.

Externe Gesundheitskosten durch verkehrsbedingte Luftverschmutzung in der Schweiz.

Aktualisierung für das Jahr 2000. Bundesamt für Raumentwicklung ARE, Bern 2004.

Externe Kosten des Verkehrs in der Schweiz. Aktualisierung für das Jahr 2005 mit Bandbreiten. Bundesamt für Raumentwicklung ARE, Bern 2008.

J. Sliggers, The need for more integrated policy for air quality, acidification and climate change: reactive nitrogen links them all, Environmental Science & Policy 7(1), 47­58, 2004.

6599

zeigt, dass eine Entkopplung zwischen Luftverschmutzung und wirtschaftlichem Wachstum möglich ist. Um dies beizubehalten und Innovationsanreize zu schaffen, müssen strenge technische Vorschriften konsequent gemäss dem besten erreichbaren Stand der Technik nachgeführt werden.

3.5

Erfolgversprechende Ansätze im Ausland

Neben strengen technischen Vorschriften spielen die Rahmenbedingungen, die der Staat setzt, eine wesentliche Rolle bei der Schadstoffminderung. Deutschland hat zu seinem ambitionierten Umwelt- und Klimaschutzprogramm (Erneuerbare-EnergienGesetz, ökologische Steuerreform) weit gehende Untersuchungen über Effekte auf Wirtschaft und Beschäftigung durchgeführt.

Deutschland führte 1999 eine ökologische Steuerreform ein, womit die «externen», vom Verursacher nicht gedeckten Kosten des Energieverbrauchs internalisiert wurden. In kleinen, vorhersehbaren Schritten wurde die Mineralölsteuer stufenweise erhöht und eine Stromsteuer eingeführt, die erneuerbaren Energien wurden konsequent gefördert. Im Gegenzug wurden die Beitragssätze zur Rentenversicherung (entspricht der AHV) herabgesetzt. Dies verteuert den Produktionsfaktor Energie, verbilligt aber den Produktionsfaktor Arbeit24. Dieser Ansatz hatte grossen Einfluss auf das Umweltverhalten privater Haushalte und von Unternehmen. Mit der ökologischen Steuerreform konnte die Zahl der Erwerbstätigen im Umweltschutzbereich innert 4 Jahren auf fast 1,5 Millionen gesteigert werden. Bis 2020 wird mit einem Beschäftigungseffekt von 400 000­500 000 Arbeitplätzen gerechnet25. Der Export von Umweltgütern nahm stark zu, und im Jahr 2003 lag Deutschland mit einem Welthandelsanteil von knapp 19 % an erster Stelle26.

Die meisten europäischen Länder, die ökologische Steuerreformen durchgeführt haben27, sind innerhalb der EU führend bei der Verminderung der Luftschadstoffund Treibhausgasemissionen28, 29.

3.6

Einfluss der Rahmenbedingungen in der Schweiz

Die 1980er-Jahre waren geprägt vom starken politischen und öffentlichen Willen in der Schweiz, die Luftverschmutzung zu reduzieren (Einführung der LuftreinhalteVerordnung, «Katalysatorvorschrift» etc.). Die Weiterentwicklung der Technik bietet auch in Zukunft Chancen für die Luftreinhaltung. Eine fortschrittliche Luftreinhalte-Politik wiederum fördert die technische Innovation und bietet damit Chancen für die Wirtschaft. Nach bisherigen Untersuchungen überwiegt der volkswirt24 25 26 27 28 29

Quantifizierung der Effekte der ökologischen Steuerreform auf Umwelt, Beschäftigung und Innovation, Hintergrundpapier, Umweltbundesamt Berlin, November 2004.

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, «Umwelt und Beschäftigung», Berlin 2005.

BMU/UBA Pressemitteilung vom 16.9.2005 «Deutschland wieder Weltmeister beim Export von Umweltschutzgütern».

Zusammenstellung in EEA Technical Report No 8/2005 «Market-based instruments for environmental policiy in Europe».

EEA Technical Report 6/2005, Annual European Community CLRTAP emission inventory 1990­2003.

EEA Report No 8/2005, Greenhouse gas emission trends and projections in Europe 2005.

6600

schaftliche Nutzen von Luftreinhalte-Massnahmen z.B. auf die Gesundheit die Kosten der Massnahmen gegen die Luftverschmutzung deutlich30, 31.

In den letzten Jahren ist das Umfeld für die Luftreinhaltung in der Schweiz allerdings härter geworden. Dies schlägt sich in den Emissionskurven und dem Verlauf der Schadstoffbelastung nieder (Abb. 2), wo der Rückgang in den letzten Jahren abflachte. In welchem Mass die Umwelt vom technischen Fortschritt profitieren kann, hängt auch vom internationalen Umfeld ab: Um technische Handelshemmnisse zu vermeiden orientiert sich die Schweizer Gesetzgebung seit Mitte der 1990er-Jahre stark an der Rechtsetzung der EG.

Verschiedene direkte und indirekte Beiträge der öffentlichen Hand im Bereich des motorisierten Verkehrs und der Landwirtschaft haben negative Auswirkungen auf die Luftreinhaltung. Der Einbezug von Luftreinhalte-Anliegen in die Beitragsvoraussetzungen könnte wesentliche Impulse für die Luftreinhaltung geben.

3.7

Synergien Luftreinhaltung ­ Klimaschutz

Ein wichtiger Aspekt für die Luftreinhaltung ist die Klimaschutzpolitik. Ein grosser Teil der Stickoxid-, Feinstaub- und Schwefeldioxidemissionen geht auf die Verbrennung von Brenn- und Treibstoffen zur Energiegewinnung zurück. Eine Verminderung des Verbrauchs von Brenn- und Treibstoffen hat deshalb in der Regel einen positiven Einfluss sowohl auf die Klimaproblematik als auch auf die Luftverschmutzung. Ausnahmen bestehen dort, wo zur Verminderung der CO2-Emissionen auf Technologien oder Energieträger ausgewichen wird, für welche weniger strenge Emissions- und Abgasvorschriften gelten (Dieselfahrzeuge, Holzöfen). Ebenso hat eine Reihe von Luftreinhalte-Massnahmen positive Effekte für das Klima, denn auch Russ, Ozon und Methan tragen zur Klimaerwärmung bei. Eine Verminderung der Russemissionen z.B. durch Partikelfilter hilft daher, den Temperaturanstieg einzudämmen. Führende Klimaforscher empfehlen, als rasch umsetzbare Massnahme schwergewichtig den Russ zu vermindern.

Die Rahmenbedingungen für den Klimaschutz sollten derart gestaltet werden, dass Synergien zur Luftreinhaltung ausgenützt werden können (vgl. Ziff. 3.3). Dies bedeutet, dass die CO2-Reduktionen schwergewichtig im Inland erfolgen sollten.

Beim Einsatz von Holz und Diesel muss die beste verfügbare Technik zur Anwendung gelangen. Es dürfen im Vergleich zu Heizöl und Benzin keine erhöhten Luftschadstoffemissionen entstehen.

30 31

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 21.9.2005, Thematische Strategie zur Luftreinhaltung, KOM(2005) 446 endg.

Nachrüstung von Baumaschinen mit Partikelfiltern, Umwelt-Materialien Nr. 148, BUWAL, Bern 2003.

6601

4

Zusätzlich geprüfte Massnahmen bezogen auf die einzelnen Schadstoffe

Im Grundlagenbericht «Weiterentwicklung des Luftreinhalte-Konzepts»32 wurden mögliche Luftreinhalte-Massnahmen systematisch auf ihre emissionsmindernde Wirkung untersucht. Zusätzlich wurden für jede Verursacherkategorie die Emissionsmenge im Jahr 2020 ohne weitergehende Massnahmen («Trend»), die Wachstumsdynamik, die Chancen der Technik für zusätzliche Massnahmen sowie die Chancen im Vollzug bewertet. Auf diese Weise konnte ermittelt werden, welche Massnahmen am zieleffizientesten sind und mit hoher Priorität umgesetzt werden sollten. Die im oben genannten Expertenbericht empfohlenen Hauptaktivitätsfelder sind in den folgenden Kapiteln für die einzelnen Schadstoffe skizziert.

4.1

Reduktion des Brenn- und Treibstoffverbrauchs

Obwohl die Verminderung des Brenn- und Treibstoffverbrauchs nicht primär aus lufthygienischen Überlegungen anvisiert wird, sollten die bestehenden Synergien ausgenützt werden. Energiesparmassnahmen tragen je nach betrachtetem Luftschadstoff bis zu 30 % zu den erreichbaren Emissionsminderungen bei. Aus der Sicht des Expertenberichts33 sind folgende Energiesparmassnahmen prioritär umzusetzen:

32

33

­

Gebäude, Feuerungen: Die schweizerischen Standards der Wärmedämmung für Neu- und Altbauten werden durch die Kantone mittelfristig an die Minergie-Standards angepasst. Ein schweizweiter obligatorischer Gebäudeenergieausweis, wie ihn die EU kennt, kann zur Förderung energieeffizienter Neu- und Umbauten beitragen. Bei Heizungen sind nur noch kondensierende Systeme oder Niedertemperatursysteme zuzulassen, bei Industriefeuerungen Abwärmetauscher einzubauen. Eine CO2-Abgabe setzt Anreize zum sparsamen Umgang mit Energie.

­

Motorisierter Verkehr: Die Koordination zwischen Richtplänen der Raumplanung und Luftreinhalte-Massnahmenplänen soll verbessert werden mit dem Ziel, die Gesamtmobilitätszunahme zu minimieren. Anstrengungen zur Verlagerung des Verkehrs auf den öV und den Langsamverkehr sind insbesondere dort fortzuführen wo noch grössere Potenziale bestehen. Der Verkehrsfluss ist zu verstetigen (z.B. mittels Kreiseln, Wechselsignalisation der Höchstgeschwindigkeit in Abhängigkeit vom Verkehrsaufkommen). Schadstoffarme, energiesparende Fahrzeuge sowie umweltschonende alternative Antriebstechniken sollten gefördert werden.

­

Flugverkehr: Ansatzpunkte ergeben sich bei der Förderung neuster verbrauchsarmer Technologien. Der Einführung einer Besteuerung von Flugtreibstoff auf internationalen Flügen durch einzelne Staaten steht das Chicago Abkommen entgegen. Die grössten Chancen im Bereich marktbasierter Lenkungsmassnahmen bestehen momentan im Aufbau eines interKünzler, P. 2005: Weiterentwicklung des Luftreinhalte-Konzepts. Schriftenreihe Umwelt Nr. 379, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Bern; erhältlich unter: www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00546/index.html?lang=de Künzler, P. 2005: Weiterentwicklung des Luftreinhalte-Konzepts. Schriftenreihe Umwelt Nr. 379, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Bern; erhältlich unter: www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00546/index.html?lang=de

6602

nationalen Emissionshandelssystems. Deshalb sollen die Ziele bis auf weiteres über ein solches System anvisiert werden.

Es ist zu erwarten, dass bei Einführung dieser zusätzlichen Massnahmen der Brennund Treibstoffverbrauch im Jahr 2020 gegenüber dem Trend beträchtlich sinken wird. Wie bereits erwähnt hat die Verminderung des Brenn- und Treibstoffverbrauchs nicht nur einen Rückgang der CO2-Emissionen zur Folge, sondern auch eine wesentliche Absenkung der Luftschadstoffemissionen. Die beschriebenen Energiesparmassnahmen tragen bei NOx fast einen Drittel, bei Feinstaub einen Viertel und bei NMVOC etwa einen Zehntel zu den erreichbaren Schadstoffeinsparungen bei. Dies zeigt die Bedeutung von Energiesparmassnahmen für die Luftreinhaltung.

4.2

Reduktion der Stickoxide (NOx)

Die Stickoxide sind für die übermässigen NO2-Immissionen verantwortlich, tragen zur Überschreitung der Ozon- und Feinstaubgrenzwerte, zum übermässigen Stickstoffeintrag und zur Versauerung bei. Der überwiegende Teil der Stickoxide stammt aus Motoren, v.a. Dieselmotoren. Gemäss der im Bericht «Weiterentwicklung des Luftreinhalte-Konzepts»34 enthaltenen Basisentwicklung (berücksichtigt Luftreinhalte-Massnahmen, welche bis 2005 rechtskräftig beschlossen wurden) werden die Schadstoffimmissionen auch bis 2020 nicht unter die Immissionsgrenzwerte sinken.

Wesentliche zusätzliche Verminderungen sind nötig.

Die in Ziffer 4.1 beschriebenen Massnahmen zur Brenn- und Treibstoffeinsparung müssen gemäss dem früher erwähnten Expertenbericht durch abgasseitige Massnahmen ergänzt werden.

34

­

Fahrzeuge, Maschinen: Die Abgasgrenzwerte aller Fahrzeugkategorien sind an den Stand der Technik anzupassen. Insbesondere bei dieselbetriebenen Fahrzeugen sind wesentliche NOx-Reduktionen nötig.

­

Flugverkehr: Weitere internationale Verbreitung der schadstoffabhängigen Landegebühren, deren periodische Anpassung an den aktuellen Stand des Wissens sowie Umsetzung der technisch möglichen Verbesserungen in internationaler Zusammenarbeit können zur Schadstoffverminderung beitragen.

­

Industrie: Anpassung der Emissionsvorschriften der LRV an den Stand der Technik (insbesondere bei grossen Feuerungen und stationären Motoren ist eine NOx-Reduktion möglich).

­

Landwirtschaft: Eine Verminderung der ausgebrachten Menge Stickstoff (Mineraldünger, Hofdünger), zeit-, bedarfs- und bodenstrukturgerechte Applikation führen zu einer Verminderung der Stickoxidemissionen landwirtschaftlicher Böden.

Künzler, P. 2005: Weiterentwicklung des Luftreinhalte-Konzepts. Schriftenreihe Umwelt Nr. 379, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Bern; erhältlich unter: www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00546/index.html?lang=de

6603

Mit einer Kombination dieser emissionsseitigen Massnahmen, Energiesparmassnahmen gemäss Ziffer 4.1. und konzentrierten Anstrengungen im Vollzug können die übermässigen Immissionen voraussichtlich weitgehend beseitigt werden. Beim Ozon sind zusätzlich weitreichende Massnahmen auch im Ausland nötig.

4.3

Reduktion der flüchtigen organischen Verbindungen (NMVOC)

Die flüchtigen organischen Verbindungen tragen zu den übermässigen Ozon- und Feinstaubimmissionen bei, einzelne Substanzen sind zudem krebserregend. Die Kombination von Abgas-, Emissionsvorschriften und gezielter VOC-Lenkungsabgabe35 hat zu einem starken Rückgang der Emissionen geführt, der aber noch nicht ausreicht. Rund die Hälfte der bis 2020 verbleibenden NMVOC-Emissionen geht auf diffuse Quellen (Lösemittelverdunstung) zurück. Daher muss schwergewichtig in diesem Bereich angesetzt werden.

­

Lösemittel: Der Bericht «Weiterentwicklung des Luftreinhalte-Konzepts»36 empfiehlt, die VOC-Abgabe beizubehalten und in ihrer Wirkung zu verstärken. In Zusammenarbeit mit dem Gewerbe soll der Einsatz lösemittelarmer Farben gefördert sowie durch Kennzeichnung und Substitution von Lösemitteln in Produkten analog zur EU die VOC-Verdunstung vermindert werden.

­

Motorräder: verschärfte Abgasvorschriften insbesondere für Zweitakter.

Mit diesen Massnahmen sollten die Emissionen mittelfristig im erforderlichen Mass gesenkt werden können.

4.4

Reduktion von lungengängigem Feinstaub (PM10) und Russ

Lungengängiger Feinstaub gelangt einerseits durch den Ausstoss primärer Partikel in die Luft und wird andererseits in der Atmosphäre aus den Vorläufergasen Stickoxide, NMVOC, Ammoniak und Schwefeldioxid gebildet. Dieses so genannte sekundäre PM10 muss durch die Reduktion der Vorläuferstoffe vermindert werden, die in den Ziffern 4.2, 4.3, 4.5 und 4.6 behandelt ist. In diesem Abschnitt werden nur die primären PM10-Emissionen betrachtet. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Russ, einem Teil des PM10, welcher krebserregend ist. Primäres PM10 stammt aus einer Vielzahl von Quellen, aus Verbrennungs-, Abriebs- und Aufwirbelungsprozessen.

Der Russ stammt aus Dieselmotoren und der Holzverbrennung. Ohne zusätzliche Massnahmen wird der Ausstoss von primärem Feinstaub auch im Jahr 2020 voraussichtlich noch wesentlich zu hoch sein.

35

36

Am 1.1.2000 wurde eine Lenkungsabgabe auf Lösemittel von 2 Fr./kg eingeführt. Sie stieg ab 1.1.2003 auf 3 Fr./kg. Die Einnahmen werden an die Bevölkerung zurückerstattet. Der Höchstabgabesatz liegt gemäss Umweltschutzgesetz bei 5 Franken pro Kilogramm.

Künzler, P. 2005: Weiterentwicklung des Luftreinhalte-Konzepts. Schriftenreihe Umwelt Nr. 379, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Bern; erhältlich unter: www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00546/index.html?lang=de

6604

Folgende Massnahmen werden im Bericht «Weiterentwicklung des LuftreinhalteKonzepts»37 zur Verminderung der Feinstaubemissionen empfohlen: ­

Verkehr, Maschinen: Die Abgasgrenzwerte aller Fahrzeugkategorien sind an den Stand der Technik anzupassen. Dieselfahrzeuge sind nach Möglichkeit mit Partikelfiltern auszurüsten. Die öffentliche Hand (Bund, Kantone, Gemeinden) soll Dieselfahrzeuge nur beschaffen, wenn sie mit Partikelfiltern ausgerüstet sind, resp. erdgasbetriebene Fahrzeugen einsetzen. Diese Massnahmen vermindern schwergewichtig den krebserregenden Dieselruss in den bevölkerungsreichen Agglomerationen.

­

Industrie: Die Emissionsgrenzwerte der LRV sollen an den Stand der Technik angepasst werden (insbesondere Ausrüstung grosser Biomasse- und Schwerölfeuerungen mit effizienten Partikelabscheidern wie Gewebe- oder Elektrofilter; Verschärfung der allgemeinen Staubemissionsgrenzwerte).

­

Land- und forstwirtschaftliche Abfallentsorgung: Verzicht auf die Verbrennung von Waldabfällen; Anwendung alternativer Methoden zur Borkenkäferbekämpfung (z.B. Häckseln, Verwertung des Holzabraums).

­

Baustellen: Verschärfung der Baurichtlinie Luft.

Es steht noch nicht fest, ob diese Massnahmen in Kombination mit den Energiesparmassnahmen genügen werden, um die Immissionsgrenzwerte einzuhalten.

Insbesondere bei Abriebs- und Aufwirbelungsprozessen muss die Wissensbasis noch verbessert werden, bevor eine abschliessende Beurteilung erfolgen kann. Die rasche Umsetzung der abgasseitigen Massnahmen ist besonders wichtig, da diese Feinstäube krebserregend sind. Massnahmen bei Dieselfahrzeugen und Holzheizungen können effizient zur Verringerung der lokal hohen Belastung und insbesondere der Russkonzentrationen in Städten und Agglomerationen beitragen und damit die Gesundheit der Bevölkerung verbessern. Erste Verbesserungen sind aufgrund des im Jahr 2006 lancierten Aktionsplans Feinstaub zu erwarten.

4.5

Reduktion von Ammoniak (NH3)

Ammoniak hat einen bedeutenden Anteil an der zu hohen Belastung der Ökosysteme mit Stickstoff und Säure. Er trägt auch zur Bildung von Feinstaub bei. Ohne zusätzliche Massnahmen wird die Ammoniakbelastung auch mittelfristig weit über dem tolerierbaren Bereich liegen. Da rund 95 % der Ammoniakemissionen von der Landwirtschaft, insbesondere der Tierhaltung stammen, haben Massnahmen vor allem in diesem Bereich anzusetzen.

Die in Ziffer 4.1 beschriebenen Massnahmen zur Brenn- und Treibstoffeinsparung spielen beim Ammoniak eine untergeordnete Rolle, da nur ein sehr geringer Teil des Ammoniaks aus Verbrennungsprozessen stammt.

37

Künzler, P. 2005: Weiterentwicklung des Luftreinhalte-Konzepts. Schriftenreihe Umwelt Nr. 379, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Bern; erhältlich unter: www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00546/index.html?lang=de

6605

Folgende Massnahmen können gemäss Expertenbericht38 zur Verminderung der Ammoniakemissionen beitragen: ­

Laufställe, Laufhöfe: Laufställe ohne emissionsmindernde Vorkehrungen weisen gegenüber konventionellen Ställen erhöhte Emissionen auf. Der Bund fördert Laufställe aus Gründen des Tierwohls über Ethoprogramme (BTS, RAUS). Daher nehmen die Stallemissionen gegenüber heute zu, solange keine Vorkehrungen getroffen werden wie emissionsarme Bauweise und die Anwendung des besten Standes der Technik zur Emissionsminderung.

­

Ausbringen von Hofdünger: Mit dem Prallteller entweichen grosse Mengen von Ammoniak in die Luft, anstatt dass er als Dünger dem Boden zugeführt wird. Emissionsarme Ausbringtechniken (z.B. Schleppschlauchverteiler, Injektion) sind erprobt und können zusammen mit organisatorischen Massnahmen (zeit- und witterungsgerechte Düngung, Gülle-Verdünnung) zu wesentlichen Emissionsminderungen führen.

­

Lagerung Hofdünger: Die systematische Abdeckung der Güllelager, wie sie früher selbstverständlich war, vermindert die Ammoniakemissionen erheblich. Alle Güllelager sollten wieder mit Abdeckungen versehen werden. Die Luftreinhalte-Verordnung verlangt auch die Sanierung bestehender Anlagen.

Zur Wahrung der Rechtssicherheit und des Investitionsschutzes können die entsprechenden Instrumente der LRV Artikel 10 und 11 genutzt werden (Sanierungsfristen, Erleichterungen).

­

Weidegang: Zu prüfen ist vermehrtes Weiden in der Tierhaltung, soweit Klima, Bodenbeschaffenheit, Grund- und Quellwasserschutz dies zulassen.

­

Proteinoptimierte Fütterung: Diese Querschnittsmassnahme hat Auswirkungen auf die Stickstoffausscheidung und damit auf alle Emissionskategorien (Stall, Lagerung, Ausbringung) der Tierhaltung.

­

Mineralische Stickstoffdünger: Der Einsatz von harnstoffhaltigem Mineraldünger führt zu höheren Ammoniakemissionen als andere Mineraldünger und muss vermindert werden.

­

Motorisierter Verkehr: Optimierung der Abgasreinigungssysteme zur Verminderung der bestehenden NH3-Emissionen.

­

Flankierende Massnahmen: Zur möglichst vollständigen Ausschöpfung der Reduktionspotenziale in der Landwirtschaft müssen entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden (z.B. Anreizprogramme zur Förderung emissionsarmer Techniken, Aufnahme von lufthygienischen Anforderungen in den ökologischen Leistungsnachweis mit frühzeitiger Ankündigung, intensive Information zu den Ammoniakemissionen und emissionsmindernden Massnahmen, Anleitung zum möglichen Selbstbau von Güllelagerabdeckungen).

Bei der Tierhaltung ist wichtig, dass von der Fütterung bis zur Gülleausbringung alle Betriebsstufen in einem integrierten Ansatz betrachtet werden. Nur bei vollständiger und konsequenter Umsetzung der obenstehenden Massnahmen können übermässige Immissionen voraussichtlich weitgehend beseitigt werden.

38

Künzler, P. 2005: Weiterentwicklung des Luftreinhalte-Konzepts. Schriftenreihe Umwelt Nr. 379, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Bern; erhältlich unter: www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00546/index.html?lang=de

6606

4.6

Reduktion von Schwefeldioxid (SO2)

Im Falle des Schwefeldioxids sind keine speziellen Massnahmen über die Vorsorge hinaus vorgesehen, da die Immissionen bereits unter den Grenzwerten liegen und auch in Zukunft nicht mit übermässigen Immissionen zu rechnen ist. Die Massnahmen zur Verminderung des Brenn- und Treibstoffverbrauchs (Ziff. 4.1) bewirken als Nebeneffekt jedoch auch eine willkommene Verminderung der Schwefeldioxidemissionen und damit indirekt der Feinstaubbelastung und des Säureeintrags.

4.7

Fazit

Bei den meisten Schadstoffen ist die vorgeschlagene Kombination von energie- und abgasseitigen Massnahmen zielführend. Emissionsmindernde Techniken stehen zur Verfügung. Entsprechende Vorschriften und ihr konsequenter Vollzug führen mittelfristig zu einer weitgehenden Beseitigung der übermässigen Immissionen. Offene Fragen gibt es noch im Bereich des primären Feinstaubs aus Abriebs- und Aufwirbelungsprozessen. Beim grenzüberschreitenden Transport von Ozon und Feinstaub sind Emissionsminderungen auch in anderen Ländern nötig. Entsprechende Abkommen werden im Rahmen der Genfer Konvention erarbeitet, wo sich die Schweiz aktiv beteiligt.

5

Weiteres Vorgehen zur Schliessung der Lücken

5.1

Einleitung

Der Bundesrat anerkennt die Wichtigkeit der Luftreinhalteproblematik und der damit verbundenen Gesundheits- und Umweltschäden. Er ist deshalb im Anschluss an die Erarbeitung des Grundlagenberichts «Weiterentwicklung des LuftreinhalteKonzepts»39 nicht untätig geblieben. Im Januar 2006 wurde der Aktionsplan Feinstaub lanciert, der eine Reihe von Massnahmen zur Verbesserung der Luftqualität enthält. Auch im Bereich der Abgasnormen wurden weitere Fortschritte erzielt.

Viele Massnahmen der Aktionspläne «Energieeffizienz» und «Erneuerbare Energien» wirken sich positiv auf die Luftreinhaltung aus.

Die folgenden Kapitel geben eine Übersicht über die inzwischen getroffenen Massnahmen und zeigen auf, wo der Bundesrat weitere Schwerpunkte zum Schutz der Gesundheit und der Umwelt zu setzen gedenkt.

39

Künzler, P. 2005: Weiterentwicklung des Luftreinhalte-Konzepts. Schriftenreihe Umwelt Nr. 379, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Bern; erhältlich unter: www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00546/index.html?lang=de

6607

5.2

Rechtskräftig beschlossene Massnahmen

Folgende, im Grundlagenbericht40 empfohlene Massnahmen wurden inzwischen getroffen.

40

41

­

Strassenverkehr: Anpassung Abgasvorschriften an Stand der Technik Mit der Einführung der Euro-5 und Euro-6-Abgasgrenzwerte für Personenwagen und Lieferwagen sowie der Euro-3-Abgasgrenzwerte für Motorräder (ausgenommen Kleinmotorräder und Motorschlitten) wurde ein wichtiger Schritt zur weiteren Schadstoffreduktion vollzogen. Er führt insbesondere zu einem starken Rückgang der Stickoxidemissionen. Die Euro-5-Grenzwerte gelten ab 2009, die Euro-6-Grenzwerte ab 2014. Mit Euro-6 nähern sich die Vorschriften dem Stand der Technik.41

­

Luftreinhalte-Verordnung: Anpassung an den Stand der Technik im Bereich Feinstaub Mit der Revision der LRV im Jahr 2007 wurden strengere Emissionsgrenzwerte für allgemeine Staubemissionen und Holzfeuerungen eingeführt, sowie strengere Auflagen zur forstlichen Holzabfallverbrennung erlassen.

Diese Massnahmen werden zu einem bedeutenden Rückgang der Feinstaubemissionen führen.

­

Differenzierte Treibstoffsteuerrückerstattung Konzessionierte Transportunternehmen erhalten die volle Rückerstattung nur, wenn ihre Strassenfahrzeuge mit Partikelfilter ausgerüstet sind. Die entsprechende Verordnungsänderung trat am 1. Januar 2008 in Kraft.

­

Partikelfilterpflicht für neue Schiffe Neue, gewerbsmässig eingesetzte Schiffe müssen seit dem 1. Juni 2007 mit Partikelfiltern oder gleichwertigen Systemen ausgerüstet sein.

­

Partikelfilterpflicht für neue Dieselfahrzeuge des Bundes Bei Neubeschaffungen von Dieselfahrzeugen der Bundesverwaltung und des Militärs müssen diese mit Partikelfiltern oder gleichwertigen Systemen ausgerüstet sein, soweit geeignete Fahrzeuge auf dem Markt erhältlich sind.

­

Verstetigung des Verkehrs, angebotsorientierte Verkehrsplanung Das Instrumentarium der angebotsorientierten Verkehrsplanung und der Verstetigung des Verkehrs gemäss der Wegleitung BUWAL 2002 stellt einen integralen Bestandteil der Zweckmässigkeitsbeurteilung (ZMB) von kantonalen Strassen im Siedlungsgebieten dar.

Künzler, P. 2005: Weiterentwicklung des Luftreinhalte-Konzepts. Schriftenreihe Umwelt Nr. 379, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Bern; erhältlich unter: www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00546/index.html?lang=de Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge, ABl. L 171 vom 29.6.2007, S. 1; Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge, ABl. Nr. L 199 vom 28.07.2008, S. 1.

6608

­

CO2- Abgabe für Brennstoffe Der Bundesrat hat am 1. Juli 2007 die CO2-Verordnung erlassen. Seit dem 1. Januar 2008 unterliegen fossile Brennstoffe einer Abgabe von 12 Franken pro Tonne CO2. Der Ertrag aus der Abgabe wird an die Bevölkerung und die Wirtschaft zurückerstattet.

­

Partikelfilter für Baumaschinen Für Baumaschinen auf Baustellen wird ab 2009 ein Partikelanzahl-Grenzwert eingeführt, der nach dem heutigen Stand der Technik nur mit einem wirksamen Partikelfiltersystem eingehalten werden kann. Der Bundesrat hat im September 2008 eine entsprechende Änderung der LRV beschlossen.

­

Verschärfung der NOx-Grenzwerte für Flugzeuge Mit der Revision des ICAO Annex 16, Volume II wurden per 1. Januar 2008 die international gültigen Abgasvorschriften verschärft.

­

Förderung emissionsmindernder Techniken in der Landwirtschaft Im Rahmen des Programms «Nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen» besteht die Möglichkeit, zur Verminderung der Ammoniakemissionen Massnahmen für emissionsarme Ställe, Laufhöfe, Güllelager und -ausbringmethoden zu fördern.

Diese Massnahmen werden bis 2020 zu einer bedeutenden Verminderung insbesondere der Stickoxid- und Feinstaubemissionen führen. Sie genügen jedoch nicht, um die notwendigen Reduktionen zu verwirklichen.

5.3

42

Bereits eingeleitete Massnahmen

­

Strassenverkehr: Anpassung Abgasvorschriften an Stand der Technik Die Euro-VI-Abgasnorm für schwere Nutzfahrzeuge soll in der Schweiz zeitgleich mit der EG eingeführt werden. Seit dem 21. Dezember 2007 liegt ein Entwurf der Europäischen Kommission für die Norm vor42.

­

Strassenverkehr: Anpassung Abgasvorschriften an Stand der Technik Die EU sieht die Einführung von Grenzwerten für die Partikelanzahl vor, um auch den Ausstoss kleiner Russpartikel zu vermindern. Die Schweiz wird die Partikelanzahlgrenzwerte mindestens zeitgleich übernehmen.

­

Abgaswartungspflicht für Motorräder Das UVEK untersucht zurzeit das Wirkungspotenzial und die Möglichkeiten einer systematischen Kontrolle der Abgasemissionen von Motorrädern und Motorfahrrädern.

­

Umweltetikette für Personenwagen Heute bestehen mit KeeF (Kriterienset für energieeffiziente und emissionsarme Fahrzeuge) und der Energieetikette zwei Bewertungssysteme zur Beurteilung der Umweltbelastung von Personenwagen. Das UVEK hat 2007 beschlossen, die beiden Systeme zusammenzuführen und zu einer Umweltetikette weiterzuentwickeln. Anwendungsmöglichkeiten sind neben umfasVorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlament und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen und Motoren hinsichtlich der Emissionen von schweren Nutzfahrzeugen (Euro VI) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge, COM (2007) 851 endg.

6609

sender Information der Konsumentinnen und Konsumenten z.B. die ökologischen Ausgestaltung der kantonalen Motorfahrzeugsteuern und die renzierung der Automobilsteuer des Bundes.

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Flugverkehr Das UVEK setzt sich international für allgemein gültige umweltabhängige Landegebühren, eine weitere Verschärfung der NOx-Grenzwerte, die Entwicklung einer Feinstaubzertifizierung für Flugzeugtriebwerke und den Einbezug des Flugverkehrs in ein internationales Emissionshandelssystem ein.

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Verminderung der Lösemittelemissionen Das UVEK (BAFU) untersucht weitere Möglichkeiten zur Verminderung der Lösemittelemissionen. Dazu zählen eine Kennzeichnungspflicht und eine Begrenzung des Lösemittelgehalts in Produkten in Anlehnung an die EU, Vereinbarungen zur Verminderung der diffusen Lösemittelemissionen, Technologieförderung und Verstärkung des Vollzugs.

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Alpentransitbörse Das neue Güterverkehrsverlagerungsgesetz ermächtigt den Bundesrat, mit der EG und den Nachbarländern Verhandlungen über die Einführung einer Alpentransitbörse aufzunehmen.

Diese bereits eingeleiteten Massnahmen haben das Potenzial, den Luftschadstoffausstoss insbesondere von Stickoxiden, flüchtigen organischen Verbindungen und Feinstaub wesentlich zu vermindern. Die Arbeiten werden weiter vorangetrieben, um die skizzierten Handlungsbereiche in verbindliche Massnahmen überzuführen.

Im Rahmen von Forschungsaufträgen wird das Grundlagenwissen über Feinstäube aus Abriebs- und Aufwirbelungsprozessen verbessert.

Dennoch werden auch diese Massnahmen nicht genügen, um die Luftschadstoffbelastung bis 2020 auf ein unschädliches Niveau zu senken. Der Bundesrat erteilt deshalb Aufträge für zusätzliche Massnahmen.

5.4

Zusätzliche Massnahmen

Die in den Ziffern 5.2 und 5.3 beschriebenen Massnahmen werden zwar zu einem Rückgang der Luftverschmutzung führen, jedoch nicht im nötigen Mass. Aus diesem Grund setzt der Bundesrat zusätzliche Schwerpunkte zum Schutz der Gesundheit und der Umwelt. Er hat Aufträge für die Realisierung oder tiefergehende Prüfung von zusätzlichen Massnahmen erteilt.

Die vertiefte Prüfung umfasst auch eine volkswirtschaftliche Beurteilung der Massnahmen sowie ihrer Kompatibilität mit den europarechtlichen und handelspolitischen Rahmenbedingungen. Die Massnahmen zur Schadstoffreduktion dienen der Verhinderung von Gesundheits- und Umweltschäden. Bei der Beurteilung der Massnahmen gegen solche übermässige Immissionen tritt gemäss Artikel 11 Absätze 2 und 3 des Umweltschutzgesetzes die Wirtschaftlichkeit in den Hintergrund, die Verhältnismässigkeit ist jedoch zu wahren.

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5.4.1

Fahrzeuge und Maschinen

Baumaschinen, landwirtschaftliche Fahrzeuge, Kleingeräte, Schienenfahrzeuge und Schiffe: Anpassung Abgasvorschriften an den Stand der Technik Die Schweiz wird sich international für die weitere Verschärfung der Abgasvorschriften für Baumaschinen, landwirtschaftliche Fahrzeuge, Kleingeräte, Schienenfahrzeuge, Luftfahrzeuge und Schiffe einsetzen. Insbesondere sollen die Grenzwerte für den Stickoxid (NOx)- und Feinstaubausstoss (PM) an den Stand der Technik angepasst werden.

Verschärfte Abgasvorschriften für Motorräder Die Schweiz wird sich zum Beispiel im Rahmen der Vereinbarung mit dem Joint Research Centre of the European Commission (JRC EU)43 dafür einzusetzen, dass die Abgasvorschriften für Motorräder, Kleinmotorräder und Motorfahrräder international verschärft werden.

Umwelt-Etikette für weitere Fahrzeugkategorien Wenn die Umwelt-Etikette für Personenwagen erfolgreich eingeführt und angewendet wurde, soll eine entsprechende Etikette für weitere Fahrzeugkategorien entwickelt werden. Zudem wird geprüft, was die EU in diesem Bereich unternimmt. Die Umwelt-Etikette soll eine Beurteilung der Fahrzeuge nach umfassenden ökologischen und insbesondere auch lufthygienischen Kriterien ermöglichen. Grundlage für die Umwelt-Etikette bildet die Methode der Ökobilanzierung, wie sie in den «Kriterien für energieeffiziente und emissionsarme Fahrzeuge (KeeF)» angewandt wurde.

Differenzierung der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) Es soll geprüft werden, wie Lastwagen mit nachgerüsteten hochwirksamen Partikelfiltern oder gleichwertigen Systemen im Rahmen der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe begünstigt werden können.

43

Agreement No 382710 SOSC between the European Community and the Swiss Federal Council on Scientific cooperation in the field of vehicle and engine emissions vom 27.9.2007.

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Finanzielle Anreize für emissionsarme Fahrzeuge und Maschinen Es werden für diejenigen Fahrzeug- und Maschinenkategorien, welche relevante Schadstoffmengen ausstossen, Möglichkeiten für lenkende finanzielle Anreize ausgearbeitet, so dass schadstoffarme Fahrzeuge und Maschinen einen Marktvorteil erhalten und den Zielen der Luftreinhaltung entsprochen wird.

Verminderung der Russemissionen von land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen und Maschinen Im Gegensatz zu anderen Fahrzeugkategorien bestehen bei Traktoren noch keine Anreize oder Vorschriften zur Verminderung von krebserregendem Dieselruss.

Für neue land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge sollen deshalb Regelungen wie bei den Baumaschinen vorbereitet werden. Nach der internationalen Notifikation wird das weitere Vorgehen festgelegt.

Es soll abgeklärt werden, ob als Übergangsregelung Branchenvereinbarungen mit dem Schweizerischen Landmaschinenverband oder dem Bauernverband möglich wären.

5.4.2

Industrie, Feuerungen, Gebäude, Anlagen

Energieeffizienz von Feuerungen Heute existieren energieeffiziente Systeme wie kondensierende oder Niedertemperatursysteme. Die Vorschriften über Abgasverluste von Feuerungen sollen nach Möglichkeit an den Stand der Technik angepasst werden.

Emissionsgrenzwerte von stationären Quellen Die Emissionsgrenzwerte der LRV sollen an den Stand der Technik angepasst werden. In Betracht gezogen werden insbesondere die Emissionsgrenzwerte für Grossfeuerungen, stationäre Motoren inkl. Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen (WKK) und Gasturbinen, Raffinerien, Grastrocknungsanlagen und Kleinmotoren.

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Steine und Erden (Vereinbarungen mit Industrie) Der Stand der Technik bei den Luftschadstoffemissionen von Zementwerken wird überprüft.

Stand der Technik bei Biomassevergärung Von ungenügend abgedichteten Biogasanlagen auf Gülle- und Cosubstratbasis gehen starke Geruchs- und Schadstoffemissionen aus. Das Ausbringen des Gärrückstandes durch ungeeignete Techniken kann zu hohen Ammoniakemissionen führen. Der Stand der Technik für derartige Anlagen soll explizit in der Luftreinhalte-Verordnung geregelt und deren Betrieb mit der Auflage verbunden werden, dass Gärrückstände emissionsarm ausgebracht werden.

5.4.3

Landwirtschaft

Umsetzung der Umweltziele Landwirtschaft betreffend Luft in der Agrarpolitik Bei der Weiterentwicklung der Agrarpolitik wird skizziert, wie die vom BAFU und BLW gemeinsam erarbeiteten Umweltziele Landwirtschaft (UZL) im Bereich Luftreinhaltung (Ammoniak, Dieselruss) erreicht werden sollen. Zwischenziele für substanzielle Verminderungen der Luftschadstoffemissionen werden festgelegt und entsprechende Massnahmen verwirklicht.

Erfolgskontrolle Der Einsatz emissionsmindernder Massnahmen in der Landwirtschaft soll erfasst werden. Damit werden die Grundlagen geschaffen, um den Einsatz von emissionsarmen Produktionstechniken zeitlich zu verfolgen und den Erfolg der ergriffenen Massnahmen in der Landwirtschaft auszuweisen.

Ergänzend zu dieser anlagenspezifischen Erfolgskontrolle führen Bund und Kantone Immissionsmessungen der Ammoniak- und Ammoniumverbindungen durch, um zu überprüfen, wie sich die Luftbelastung durch die agrarpolitischen und weiteren Massnahmen verändert.

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5.5

Vorläufig nicht weiterverfolgte Massnahmen

Die übrigen im Grundlagenbericht über die Weiterentwicklung des LuftreinhalteKonzeptes erwähnten Massnahmen44 gedenkt der Bundesrat im Moment nicht weiterzuverfolgen.

5.6

Bilanz und Ausblick

Die in Ziffer 5 beschriebenen Massnahmen werden voraussichtlich genügen, um die Schadstoffemissionen von Stickoxiden, flüchtigen organischen Verbindungen und lungengängigem Feinstaub bis etwa 2020 im erforderlichen Mass zu senken. Die bestehenden Unsicherheiten der Verkehrs-, Energie-, und Wirtschaftsprognosen fliessen jedoch auch in die lufthygienischen Prognosen ein. Die abschliessende Bewertung muss anhand der zukünftigen Immissionen erfolgen.

Beim Ammoniak ist keine Voraussage darüber möglich, ob die Ziele erreicht werden können. Dies hängt davon ab, welche konkreten Massnahmen im Rahmen der Agrarpolitik ergriffen werden und zu welchem Zeitpunkt. Das Potenzial für weit reichende Verminderungen der landwirtschaftlichen Ammoniakemissionen würde bestehen: ­

Bei konsequenter Anwendung emissionsarmer Techniken beim Ausbringen von Hofdünger (z.B. Schleppschlauch, Injektion), konsequenter Ausrüstung von Hofdüngerlagern mit festen Abdeckungen, bei Berücksichtigung emissionsmindernder Techniken beim Stallbau und dem Einsatz von Abluftreinigungsanlagen wo nötig könnten die Ammoniakemissionen durch die Landwirtschaft im erforderlichen Mass vermindert werden. Entsprechende Massnahmen werden auch in anderen Ländern angewandt und von der UNECE als erprobt beurteilt45. In vielen Fällen können sie insbesondere im Vergleich zu Massnahmen bei anderen Luftschadstoffen als relativ kostengünstig beurteilt werden.

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Die öffentliche Hand unterstützt die Landwirtschaft mit hohen Beiträgen.

Würde ein Teil dieser Mittel an Bedingungen zum Einsatz emissionsarmer Techniken, Bauten und Bewirtschaftungsmethoden geknüpft, könnten die Ammoniakemissionen wesentlich vermindert und die Tiergesundheit verbessert werden.

Beiträge zur Ausschöpfung des bestehenden Ammoniakminderungspotenzials könnten beispielsweise von folgenden Ansatzpunkten ausgehen: ­

44

45

46

befristete Ressourceneffizienzbeiträge zur Einführung ressourcenschonender Techniken, wie im Bericht WDZ46 vorgesehen Künzler, P. 2005: Weiterentwicklung des Luftreinhalte-Konzepts. Schriftenreihe Umwelt Nr. 379, Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft, Bern; erhältlich unter: www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/00546/index.html?lang=de Guidance Document on Control Techniques for Preventing and Abating Emissions of Ammonia, revised version 2007 (ECE/EB.AIR/WG.5/2007/13) ; erhältlich unter: www.unece.org/env/documents/2007/eb/wg5/WGSR40/ece.eb.air.wg.5.2007.13.e.pdf Weiterentwicklung des Direktzahlungssystems; Bericht des Bundesrates vom 6. Mai 2009 in Erfüllung der Motion der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates vom 10. November 2006 (06.3635) erhältlich unter: www.blw.admin.ch/themen/00005/00513/index.html?lang=de

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anschliessende Verankerung der entsprechenden Techniken im ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN), damit die Wirkung auch nach Ablauf der befristeten Förderung erhalten bleibt, wie im Bericht WDZ skizziert

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Beiträge und Kredite für neue Ställe und Auslaufflächen nur für Bauten, die nach neuesten Erkenntnissen emissionsarm konstruiert sind (Förderung des Tierwohls durch saubere Flächen und ammoniakarme Atemluft; Ammoniakminderung)

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Ausrichtung von Ethobeiträgen an Bedingungen zur Sauberhaltung von Ställen und Auslaufflächen knüpfen (Förderung des Tierwohls, Ammoniakminderung)

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Engagement der landwirtschaftlichen Forschungsanstalten des Bundes bei der weiteren Verbesserung des Standes der Technik zur Emissionsminderung

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Untersuchungen zum Ammoniakminderungspotenzial proteinoptimierter Fütterung und konsequente Anwendung dort, wo dies bereits möglich ist (z.B. Schweinemast)

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Aufnahme von Ammoniak in die kantonalen Massnahmenpläne zur Luftreinhaltung, konsequenter Vollzug der Vorschriften der LuftreinhalteVerordnung durch die Kantone

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Nutzung der bereits bestehenden Fördermöglichkeiten für emissionsmindernde Techniken im Rahmen des Programms «Nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen» durch Kantone, Regionen und Branchen.

Eine Reihe solcher Massnahmen wird auch von der Konferenz der kantonalen Landwirtschaftsämter zur Umsetzung empfohlen47.

6

Würdigung

Die Luftverschmutzung konnte dank zielgerichteten Massnahmen seit den 1980erJahren vermindert werden. Ohne diese Massnahmen hätten der Schadstoffausstoss und die Luftbelastung weiter zugenommen und würden heute um einiges höher liegen. Trotz der Verbesserungen hat die Luftverschmutzung in der Schweiz aber noch immer negative Auswirkungen auf die Gesundheit, auf Wälder, naturnahe Ökosysteme und Bauwerke. Zusätzliche Massnahmen sind nach wie vor dringend nötig, wie dies bereits der Bericht des Bundesrates über die lufthygienischen Massnahmen des Bundes und der Kantone (99.077) gezeigt hat. Der Bundesrat hat deshalb im Auftrag des Parlamentes die Grundlagen für ein zieleffizientes Vorgehen zur Verminderung der Luftbelastung erarbeiten lassen. Der vorliegende Bericht zeigt, wie der Bundesrat die Ziele zum Schutz der Gesundheit und der Umwelt zu verwirklichen gedenkt. Eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Luftverschmutzung spielen die Kantone. Sie sind für den Vollzug der meisten Bundesmassnahmen und für die kantonalen Massnahmenpläne zuständig. Alle Vorschriften entfalten ihre volle Wirkung nur, wenn deren Einhaltung durch einen effizienten und kompetenten 47

Konferenz der Landwirtschaftsämter der Schweiz (KOLAS): Empfehlungen zur Reduktion der Ammoniakverluste aus der Landwirtschaft, Sissach, 28. Juni 2006; erhältlich unter: www.landwirtschaftsamt.tg.ch/documents/Schlussbericht_KOLASAG_Ammoniak_20_definitiv_pdf.pdf

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Vollzug sichergestellt wird. Dass den Bürgerinnen und Bürgern, Kantonen und Städten an guter Luft gelegen ist, hat die Episode mit hohen Feinstaubwerten Anfang 2006 gezeigt. Der Bundesrat wird sich auch in Zukunft für griffige Luftreinhalte-Massnahmen in der Schweiz und auf internationaler Ebene einsetzen. Er zählt weiterhin auf die Unterstützung und das Engagement der Kantone und der Bundesversammlung.

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