09.081 Botschaft über die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Indien über soziale Sicherheit vom 28. Oktober 2009

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung des am 3. September 2009 unterzeichneten Abkommens zwischen der Schweiz und Indien über soziale Sicherheit.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

28. Oktober 2009

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Hans-Rudolf Merz Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2009-1946

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Übersicht Das vorliegende Sozialversicherungsabkommen mit Indien regelt die Vermeidung der Doppelversicherung und erleichtert den Einsatz von Personal sowie die Erbringung von Dienstleistungen im anderen Staat.

Im Rahmen einer zeitlich befristeten Tätigkeit im Gebiet des anderen Vertragsstaats verbleiben Erwerbstätige weiterhin im Sozialversicherungssystem des Heimatstaats und entrichten dort auch ihre Beiträge. Das Abkommen folgt in diesem Bereich grundsätzlich dem Muster der von der Schweiz bislang abgeschlossenen Abkommen und richtet sich nach den im internationalen Sozialversicherungsrecht allgemein geltenden Grundsätzen.

Das Abkommen sieht hingegen keinen Export von schweizerischen Rentenleistungen an indische Staatsangehörige vor, erlaubt jedoch die Beitragserstattung bei definitivem Verlassen des Landes. Umgekehrt erhalten schweizerische Staatsangehörige beim endgültigen Verlassen Indiens ihre Beiträge an die indische Rentenversicherung zurück oder können in bestimmten Fällen eine indische Rente beziehen.

Das Abkommen erfasst die Versicherungszweige Alter, Tod, Invalidität, Unfall und Krankheit.

Die Botschaft befasst sich zunächst mit der Entstehung des Abkommens. Sie beschreibt dann das indische Sozialversicherungssystem und geht schliesslich auf die einzelnen Abkommensbestimmungen näher ein.

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Botschaft 1

Ausgangslage

Im August 2007 fand ein Arbeitsbesuch von Frau Bundesrätin Doris Leuthard beim indischen Handelsminister Kamal Nath in New Delhi statt. Im Rahmen der Gespräche betreffend den Abschluss eines Freihandelsabkommens hat der indische Handelsminister den Wunsch geäussert, mit der Schweiz ein Sozialversicherungsabkommen abzuschliessen.

Bereits 2003 hatte Indien im Rahmen der GATS-Verhandlungen unterstrichen, dass vorübergehend in der Schweiz tätige indische Arbeitnehmende Sozialversicherungsbeiträge in beiden Staaten entrichten müssen, ohne dass die in der Schweiz geleisteten Beiträge einen Rentenanspruch begründen.

Mit Beschluss vom 7. Dezember 2007 stimmte der Bundesrat der Aufnahme von Verhandlungen betreffend den Abschluss eines Freihandelsabkommens zu. Gleichzeitig signalisierte er die Bereitschaft, Gespräche und Verhandlungen zu weiteren Themen wie Sozialversicherungen (Abschluss eines Entsendeabkommens) zu führen.

Die bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und Indien haben sich in den letzten Jahren intensiviert und diversifiziert. Die wirtschaftlichen Beziehungen haben sich bedeutsam entwickelt, ebenso der Personenverkehr. Deshalb und auch im Hinblick auf die Verhandlungen eines Freihandelsabkommens unterbreitete die Schweiz der indischen Seite den Entwurf eines Abkommens, das die Koordination der Sozialversicherungen bei der vorübergehenden Entsendung von Arbeitnehmenden in den anderen Staat und die Rückerstattung von Beiträgen regelt.

1.1

Bedeutung des Abkommens

Ohne Abkommen sind indische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vorübergehend von einem indischen Unternehmen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in die Schweiz entsandt werden, in beiden Ländern sozialversicherungspflichtig. Im umgekehrten Fall entsteht auch bei Schweizer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die von einem Schweizer Arbeitgeber vorübergehend nach Indien geschickt werden und ihre Versicherung in der Schweiz fortführen, eine Doppelbelastung.

Diese Doppelversicherung stellt für Unternehmen und Arbeitnehmerschaft ein nicht unbedeutendes Hindernis für den Austausch von Arbeitskräften zwischen den beiden Staaten dar. Mit dem Abschluss des Abkommens wird dieses Hindernis beseitigt.

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bleiben während der Dauer ihrer Entsendung vollumfänglich den Rechtsvorschriften des Entsendestaats unterstellt und werden von der Beitragspflicht des Staates, in welchem sie vorübergehend eine Erwerbstätigkeit ausüben, befreit. Es handelt sich um ein Abkommen, das den Bedürfnissen beider Staaten, insbesondere dem Bestreben nach wirtschaftlichem Austausch, angemessen Rechnung trägt.

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1.2

Ergebnisse des Vorverfahrens

Erste exploratorische Gespräche über ein Sozialversicherungsabkommen zwischen einer schweizerischen und einer indischen Delegation fanden im September 2008 in Bern statt. Diskussionsgrundlage bildete ein von schweizerischer Seite vorbereiteter Abkommensentwurf. Anlässlich der Verhandlungen im Februar 2009 in New Delhi wurde Einigkeit über den Vertragstext erzielt und das Abkommen paraphiert. Die Unterzeichnung fand am 3. September 2009 in New Delhi statt.

1.3

Vernehmlassung

Die Bestimmungen über die Vernehmlassung finden vorliegend keine Anwendung, weshalb kein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt wurde.

2

Die soziale Sicherheit in Indien

2.1

Allgemeines

Indien hat kein Sozialversicherungssystem, das die gesamte Bevölkerung erfasst.

Lediglich 7 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung sind in den staatlichen Sozialversicherungssystemen versichert.

2.2

Alter, Tod und Invalidität

Die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung erfolgt in Indien durch drei Versicherungssysteme, das Employees' Provident Fund Scheme (EPF) von 1952, das Employees' Pension Scheme (EPS) von 1995 und das Employees' Deposit Linked Insurance Scheme (EDLI) von 1976.

Im EPF müssen Firmen mit mehr als 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bis zu einem Einkommen von 6500 Rupien (INR) (ca. 150 Franken) obligatorisch versichern. Bei höheren Einkommen besteht die Möglichkeit eines freiwilligen Beitritts zum EPF. Arbeitgeber können ihr Personal auch in privaten Rentenversicherungssystemen versichern und sich von der Beitragspflicht zum EPF befreien lassen. Im EPF sind Vorbezüge für die Finanzierung von Immobilien oder Heirat möglich. Die Alters- und Hinterlassenenleistungen und Leistungen für Invalidität werden bei 10 Beitragsjahren oder weniger als Kapitalleistung ausbezahlt. Nach mehr als 10 Beitragsjahren erfolgt die Auszahlung von Leistungen in Rentenform. Das Rentenalter beträgt 55 Jahre.

Das EPS ist ein Zusatzrentensystem mit Staatsgarantie. Arbeitnehmende sind wie im EPF bis zu einem Einkommen von INR 6500 obligatorisch für Alter, Tod und Invalidität versichert. Die Leistungen werden in Rentenform ausbezahlt. Das Rentenalter beträgt 58 Jahre.

Das EPF und das EPS sind beitragsfinanzierte Vorsorgesysteme. Die Beiträge von 24 % des Einkommens gehen hälftig zulasten des Arbeitgebers und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. 8.33 % der Arbeitgeberbeiträge entfallen auf das EPS, 3.67 % auf das EPF.

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Das EDLI ist eine obligatorische Hinterlassenenversicherung und erfasst ebenfalls Erwerbstätige mit einem Einkommen bis INR 6500. Das System wird einseitig von den Arbeitgebern mit einem Beitrag von 0.5 % der Lohnsumme finanziert. Im Todesfall wird eine Kapitalleistung von maximal INR 60 000 ausbezahlt.

Indische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die als Entsandte in der Schweiz arbeiteten und Schweizer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die als Entsandte in Indien ihre Erwerbstätigkeit ausübten, waren bis zum 30. September 2008 nicht in den obligatorischen Rentenversicherungssystemen beitragspflichtig, weil ihr Erwerbseinkommen den Betrag von INR 6500 überstieg. Seit dem 1. Oktober 2008 wurden im Rahmen einer Gesetzesänderung alle Entsandten der Versicherungspflicht unterstellt.

Das Abkommen hebt die Doppelbelastung, die aufgrund einer Versicherung der Entsandten und deren Arbeitgeber im Entsendestaat und im Erwerbsstaat entstehen kann, wieder auf.

2.3

Krankheit und Unfall

Die gesetzliche Grundlage für die obligatorische Versicherung für Krankheit, Mutterschaft und Arbeitsunfälle ist der Employees Insurance Act von 1948. Erfasst sind grundsätzlich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestimmter Berufsgruppen in industriellen Betrieben mit mehr als 10 oder in nicht-industriellen Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten mit einem Monatslohn von höchstens INR 6500.

Diese Versicherung wird durch Beiträge der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (1.75 % des Einkommens) und der Arbeitgeber (4.75 %) finanziert.

Bei einem Unfall werden Geldleistungen für teilweise und vollständige Erwerbsunfähigkeit sowie Hinterlassenenleistungen erbracht. Es werden zudem Bestattungskosten gedeckt. Die medizinische Versorgung erfolgt durch die Einrichtungen der staatlichen Gesundheitsversorgung. Leistungen der Unfallversicherung werden grundsätzlich während drei bis maximal zwölf Monaten, in Fällen von chronischen unfallbedingten Krankheiten bis zu einer Dauer von 3 Jahren, erbracht.

Geldleistungen bei Krankheit werden während einer Dauer von maximal 91 Tagen erbracht. Bei chronischen Krankheiten werden Taggeldzahlungen während maximal 2 Jahren geleistet. Mutterschaftsentschädigungen (100 % des durchschnittlichen Lohnes der entsprechenden Einkommensklasse) werden während 6 bis maximal 10 Wochen geleistet.

Der Zugang zu medizinischen Behandlungen der staatlichen Gesundheitsversorgung ist für Versicherte in bescheidenen Verhältnissen kostenlos. Die Versorgung obliegt den einzelnen Bundesstaaten. Basierend auf der Beitragssituation des Betroffenen können Leistungen während 3 Monaten bis zu einem Jahr bezogen werden. Bei bestimmten chronischen Krankheiten kann der Leistungsbezug bis zu 3 Jahren verlängert werden.

Indische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die als Entsandte in der Schweiz arbeiten und Schweizer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die als Entsandte in Indien ihre Erwerbstätigkeit ausführen, sind in der indischen Kranken- und Unfallversicherung in der Regel nicht beitragspflichtig, weil ihr Einkommen den Betrag von monatlich INR 6500 übersteigt. Eine Doppelbelastung durch die Beitragspflicht 7631

in der obligatorischen Kranken- und Unfallversicherung entsteht somit für die schweizerischen Entsandten in Indien grundsätzlich nicht. Die indischen Entsandten in der Schweiz (mit einem INR 6500 übersteigenden Einkommen) profitieren insofern vom Abkommen, als dass sie nur die Beiträge an ihr freiwilliges staatliches oder privates Vorsorgesystem in Indien entrichten müssen und von der Beitragspflicht in der Schweiz befreit sind.

3

Erläuterungen zu einzelnen Bestimmungen des Vertrags

Das Abkommen bestimmt die anwendbaren Rechtsvorschriften bei Erwerbstätigkeit in den Vertragsstaaten. Diese Unterstellungsregeln richten sich nach dem Muster der anderen von der Schweiz abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommen. Die Bestimmung über die Rückerstattung von Beiträgen verweist schweizerischerseits auf die gemäss schweizerischen Rechtsvorschriften vorgesehene Vergütung der Beiträge bei definitivem Verlassen des Landes. Indischerseits ermöglicht die Abkommensbestimmung die Rückerstattung der Beiträge beim definitiven Verlassen des Landes. Bei einer Beitragsdauer von mehr als 10 Jahren wird eine Rente in die Schweiz oder einen Drittstaat ausbezahlt.

3.1

Geltungsbereich

Der sachliche Geltungsbereich (Art. 2) bezieht sich schweizerischerseits auf die AHV/IV, die Krankenversicherung und die Unfallversicherung. Für Indien erstreckt sich der Geltungsbereich auf die Sozialversicherungsgesetzgebung betreffend die Alters- und Hinterlassenenrenten, die Renten für dauernde Vollinvalidität und die Krankenversicherung.

Der persönliche Geltungsbereich wird nicht in einer generellen Bestimmung geregelt. Mit Ausnahme von Artikel 4 des Abkommens sind die Bestimmungen des Abkommens offen formuliert und gelten für alle Personen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit.

3.2

Allgemeine Bestimmungen

Artikel 3 umschreibt die versicherungsrechtliche Unterstellung von Personen, die im Gebiet eines Vertragsstaats eine Erwerbstätigkeit ausüben. Im vorliegenden Vertrag gilt, wie in allen anderen Abkommen, der Grundsatz der Unterstellung am Erwerbsort.

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3.3

Rückvergütung von Beiträgen und Auslandzahlung von Renten

Artikel 4 regelt die Rückvergütung von Beitragszahlungen und auf indischer Seite auch den Rentenexport.

Die schweizerische Gesetzgebung sieht vor, dass Staatsangehörige von Staaten, mit denen die Schweiz kein Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat, beim definitiven Verlassen der Schweiz die Rückerstattung der Beiträge (Arbeitnehmerund Arbeitgeberbeiträge), die sie an die AHV bezahlt haben, verlangen können, sofern diese während mindestens eines Jahres geleistet worden sind und keinen Rentenanspruch begründen (Verordnung vom 29. November 1995 über die Rückvergütung der von Ausländern an die AHV bezahlten Beiträge1).

Da das vorliegende Abkommen die Auslandzahlung von Renten nicht regelt, ist die Aufrechterhaltung der Beitragsrückvergütung für indische Staatsangehörige, die in der AHV/IV versichert waren und Beiträge bezahlt haben, notwendig. Ansonsten hätten indische Staatsangehörige bei Verlassen der Schweiz weder Anspruch auf eine Rente noch auf die Rückerstattung der Beiträge.

Im Übrigen hat die Erfahrung gezeigt, dass die sofortige Beitragsrückerstattung eher den Bedürfnissen der Versicherten aus weit entfernten Ländern entspricht als die spätere Rentenzahlung. So bevorzugen beispielsweise Versicherte, die nur kurze Zeit in der Schweiz gearbeitet haben und meist lange vor der Pensionierung in ihr Land zurückkehren, eine Auszahlung des Kapitals. In Abkommen mit entsprechenden Ländern wie zum Beispiel Australien oder den Philippinen hat die Schweiz deshalb neben dem Rentenexport auch die Beitragsrückerstattung vorgesehen.

Für die Schweizerische Ausgleichskasse, die Leistungen an Personen im Ausland ausrichtet, bedeutet die Beitragserstattung eine administrative Vereinfachung. Nach der Erstattung der Beiträge können keine Rentenansprüche auf ordentliche Renten der AHV/IV mehr geltend gemacht werden.

Die Gesetzgebung Indiens sieht die Möglichkeit der Beitragsrückerstattung vor, wenn weniger als 10 Beitragsjahre vorliegen und ein Sozialversicherungsabkommen besteht. Wurden Beiträge während mehr als 10 Jahren entrichtet, so besteht ausschliesslich ein Rentenanspruch und die Rückerstattung der Beiträge ist nicht mehr möglich. Das vorliegende Abkommen ermöglicht deshalb nicht nur die Erstattung der indischen Beiträge, sondern auch die Auslandszahlung einer indischen Rente, wenn kein Anspruch auf die Rückerstattung der Beiträge besteht.

3.4

Anwendbare Gesetzgebung

Ein wesentlicher Punkt, der in den Abkommen über soziale Sicherheit geregelt wird, ist die versicherungsrechtliche Unterstellung von Staatsangehörigen des einen Vertragsstaats, die im Gebiet des anderen Staates beschäftigt werden. Im vorliegenden Vertrag gilt, wie in allen anderen Abkommen, der Grundsatz der Unterstellung am Erwerbsort (Art. 3).

Die Artikel 5 bis 8 enthalten besondere Vorschriften, die vom Grundsatz der Unterstellung am Erwerbsort abweichen.

1

SR 831.131.12

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Heute sind Personen, die für indische Unternehmen vorübergehend in der Schweiz tätig sind, aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit in der Schweiz sowohl in der AHV/IV als auch in der indischen Rentenversicherung beitragspflichtig.

Auch in der Krankenversicherung und in der Unfallversicherung kann es beim vorübergehenden Einsatz von indischen Arbeitskräften in der Schweiz zu einer Doppelversicherung kommen.

Umgekehrt kommt es auch beim Einsatz von Personal schweizerischer Unternehmen in Indien zu einer stossenden Doppelbelastung. Personen, die von ihrem schweizerischen Arbeitgeber vorübergehend nach Indien geschickt werden und, in den meisten Fällen, mit Einverständnis ihres Arbeitgebers die obligatorischen Versicherung in der AHV weiterführen (Art. 5 AHVG), müssen zusammen mit ihrem Arbeitgeber in Indien ebenfalls Beiträge an die Rentenversicherung entrichten.

Artikel 5 des Abkommens erlaubt es, solche Doppelbelastungen durch die Beitragspflicht im Entsende- und im Erwerbsstaat zu vermeiden.

Nach dieser Bestimmung unterstehen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vorübergehend zur Arbeitsleistung in das Gebiet der anderen Vertragspartei entsandt werden, während 72 Monaten weiterhin den Rechtsvorschriften der entsendenden Vertragspartei.

Während der Dauer der Entsendung besteht generell keine Beitragspflicht in der Renten-, Unfall- und Krankenversicherung in dem Staat, in dem die vorübergehende Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. So erfolgt auch kein Wechsel in das Sozialversicherungssystem des anderen Staats.

Selbständigerwerbstätige, die in einem Vertragsstaat wohnen und ihre Tätigkeit im anderen Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ausüben, sind den Rechtsvorschriften ihres Wohnsitzstaats unterstellt (Art. 6 Abs. 1). Bestehen zwischen den Staaten Divergenzen bei der Beurteilung, ob eine Tätigkeit als unselbständig oder als selbständig zu qualifizieren ist, so sind die Rechtsvorschriften des Staates anwendbar, der die Tätigkeit als selbständige Erwerbstätigkeit qualifiziert, falls die Person in diesem Staat ihren Wohnsitz hat (Art. 6 Abs. 2). In allen anderen Fällen sind die Rechtsvorschriften des Staates anwendbar, der die Tätigkeit als eine unselbständige Erwerbstätigkeit qualifiziert.

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die bei einem Transportunternehmen mit Sitz in einem Staat angestellt
sind, ihre Tätigkeit aber in beiden Ländern ausüben, unterstehen den Rechtsvorschriften des Landes, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat, es sei denn, sie sind dort bei einer Zweigniederlassung oder ständigen Vertretung auf Dauer beschäftigt (Art. 8 Abs. 1 und 2). In Abweichung zu der Regelung in Artikel 8 Absatz 1 und 2 ist eine Person, die teilweise oder ausschliesslich in ihrem Wohnsitzstaat tätig ist, den Rechtsvorschriften dieses Staates unterstellt.

Im Herkunftsland unterstellt bleiben auch Personen, die im öffentlichen Dienst des einen Staates stehen und in den andern Staat entsandt werden (Art. 7).

Die Mitglieder der Besatzung eines Seeschiffes, das die Flagge eines Vertragsstaates führt, sind nach den Rechtsvorschriften des Flaggenstaats versichert (Art. 8 Abs. 4).

Die Unterstellung unter die schweizerischen Rechtsvorschriften hat nicht automatisch auch die Versicherung der Betroffenen zur Folge, was zu einer Lücke in der Rentenversicherung führen kann. Damit Besatzungsmitglieder von Seeschiffen, die den schweizerischen Rechtsvorschriften unterstehen, in der Schweiz obligatorisch versichert werden können, wird in dieser Bestimmung die Erwerbstätigkeit, die auf 7634

einem Schiff mit Schweizer Flagge ausgeübt wird, einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz gleichgestellt. Somit ist die Voraussetzung von Artikel 1a Absatz 1 Buchstabe b AHVG, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit in der Schweiz, für die obligatorische Versicherung erfüllt.

Für das Personal der diplomatischen Missionen, ständigen Missionen und konsularischen Posten erlauben die Wiener Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen die Fortführung der Unterstellung unter die Sozialversicherung des Entsendestaats (Art. 9).

Die Bestimmungen über die anwendbare Gesetzgebung werden durch eine sogenannte Ausweichklausel (Art. 10) ergänzt, die es den zuständigen Behörden der beiden Vertragsparteien erlaubt, in besonderen Fällen im Interesse der betroffenen Personen abweichende Regelungen zu vereinbaren.

Artikel 11 regelt die Rechtsstellung des Ehegatten und der Kinder einer Person, die vom einen Vertragsstaat in den andern entsandt wird. Die Familienmitglieder, die die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer begleiten, bleiben mit ihm bzw. ihr während der vorübergehenden Tätigkeit im Ausland den Rechtsvorschriften des Herkunftslands unterstellt, sofern sie im Ausland nicht selber eine Erwerbstätigkeit ausüben. In der Schweiz sind in diesen Fällen die Ehegatten und die Kinder in der AHV/IV versichert (Art. 11 Abs. 2).

3.5

Verschiedene Bestimmungen

In diesen Bestimmungen des Abkommens sind verschiedene Regelungen enthalten, die sich auch in anderen Sozialversicherungsabkommen finden. Es wird unter anderem geregelt, welche Behörden die Entsendebescheinigungen ausstellen (Art. 12) und es werden die Rahmenbedingungen für den gegenseitigen Informationsaustausch und die Verwaltungshilfe festgelegt. Die Vertragsparteien garantieren sich gegenseitig die Anerkennung von Dokumenten, die in einer der Landessprachen des anderen Staates ausgestellt sind und verzichten auf die Beglaubigung solcher Schriftstücke (Art. 14). In Artikel 15 ist der Datenschutz bei der Übermittlung von Personendaten detailliert geregelt. Insbesondere dürfen übermittelte Daten nur für die Zwecke des Abkommens verwendet werden und müssen gegen unberechtigten Zugang und Verwendung geschützt werden. Auf die übermittelten Daten finden die Datenschutzbestimmungen des Empfängerstaates Anwendung. Es ist darauf hinzuweisen, dass für die Anwendung des vorliegenden Abkommens, das lediglich die Unterstellung und die Beitragsrückerstattung regelt, in der Regel kein Datenaustausch zwischen den Behörden oder Trägern der Vertragsstaaten erforderlich ist.

In Artikel 16 wird die Möglichkeit geschaffen, die Massnahmen für die Durchführung des Abkommens in einer Verwaltungsvereinbarung zu regeln. Vorliegend wurde auf eine Verwaltungsvereinbarung vorläufig verzichtet, weil die notwendigen Durchführungsmassnahmen betreffend die Entsendung von erwerbstätigen Personen in den anderen Vertragsstaat bereits abschliessend im Abkommen geregelt sind.

Artikel 17 sieht vor, dass Streitigkeiten durch die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten geregelt werden.

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3.6

Schlussbestimmungen

In den Artikeln 19 und 20 wird das Inkrafttreten sowie die Dauer des Abkommens geregelt. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, sich gegenseitig mitzuteilen, wenn die jeweiligen nationalen Voraussetzungen für ein Inkrafttreten erfüllt sind. Das Abkommen tritt 30 Tage, nachdem die zweite Notifikation beim Empfängerstaat eingetroffen ist, in Kraft. Der Vertrag ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber von jedem Vertragsstaat unter Einhaltung einer Frist von zwölf Monaten zum Ende eines Kalenderjahres auf diplomatischem Weg gekündigt werden. Die bereits erworbenen Ansprüche, die Personen in Anwendung dieses Abkommens erworben haben, werden durch die Beendigung des Abkommens nicht tangiert.

4

Auswirkungen

4.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Das Abkommen verursacht keine Mehrkosten.

Es regelt in erster Linie die Entsendung von Arbeitnehmenden. Personen, welche von indischen Unternehmen in die Schweiz entsandt werden, verbleiben im indischen Sozialversicherungssystem und generieren in der Schweiz keine Leistungsansprüche. Umgekehrt zahlen von der Schweiz nach Indien entsandte Personen weiterhin Beiträge in der Schweiz.

Das Abkommen sieht im Unterschied zu anderen Sozialversicherungsabkommen der Schweiz keinen Export von schweizerischen Rentenleistungen an indische Staatsangehörige vor und verursacht in diesem Bereich keine Mehrkosten.

Die Beitragsrückerstattung an indische Staatsangehörige in der ersten Säule und die Barauszahlung der Austrittsleistung in der zweiten Säule sind bereits heute nach innerstaatlichem Recht vorgesehen. Das Abkommen bringt den Schweizer Staatsangehörigen in Indien einen zusätzlichen Nutzen, indem neu die Rückerstattung der Beiträge und gegebenenfalls sogar eine Rentenzahlung ins Ausland gewährleistet wird.

Das Abkommen erzeugt keinen zusätzlichen Personalbedarf.

4.2

Auswirkungen wirtschaftlicher Art

Für die Schweiz ist die wirtschaftliche Verflechtung mit dem Ausland von grosser Bedeutung. Die Entsendung von Mitarbeitenden ­ sogenannten Expatriates ­ ist notwendig, um Kundenkontakte und Auslandsgesellschaften aufzubauen, Aufträge abzuschliessen und Projekte zu realisieren.

Die Entsendung ins Ausland stellt international tätige Firmen und die betroffenen Mitarbeitenden vor sozialversicherungsrechtliche Probleme. Das vorliegende Abkommen löst diese Probleme und erleichtert damit den wirtschaftlichen Austausch mit Indien.

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5

Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 23. Januar 20082 über die Legislaturplanung 2007­2011 noch im Bundesbeschluss vom 18. September 20083 angekündigt, da ihr in der Geschäftsliste des Bundesrates kein Vorrang zukommt und es sich im Hinblick auf die anderen von der Schweiz abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommen um ein Geschäft mit Wiederholungscharakter handelt.

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verhältnis zu anderen Sozialversicherungsabkommen und zum internationalen Recht

Das Abkommen wurde grösstenteils nach dem Muster anderer von der Schweiz in jüngerer Zeit abgeschlossener bilateraler Abkommen ausgearbeitet und enthält weitgehend Regelungen aus dem europäischen und internationalen Sozialversicherungsrecht.

6.2

Verfassungsmässigkeit

Der vorliegende Bundesbeschluss stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV), der dem Bund die allgemeine Kompetenz für die auswärtigen Angelegenheiten zuweist und ihn zum Abschluss von Staatsverträgen mit dem Ausland ermächtigt. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung zur Genehmigung solcher Verträge ergibt sich aus Artikel 166 Absatz 2 BV.

Gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2) oder wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3).

Das Abkommen mit Indien ist jederzeit kündbar, sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor und seine Umsetzung erfordert auch keinen Erlass von Bundesgesetzen.

Schliesslich bleibt zu prüfen, ob das Abkommen wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes (ParlG) enthält.

Gemäss dieser Bestimmung sind dies direkt anwendbare generell-abstrakte Bestimmungen, die Pflichten begründen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen.

In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Bestimmungen wichtig, die unter Anwendung von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssen.

Das vorliegende Abkommen mit Indien enthält zwar rechtsetzende Bestimmungen.

Es unterscheidet sich aber von den bisher abgeschlossenen bilateralen Abkommen lediglich dadurch, dass es sich auf die Regelung der anwendbaren Rechtsvorschriften sowie die Rückerstattung von Beiträgen beschränkt. Die für die Schweiz entste2 3

BBl 2008 753 BBl 2008 8543

7637

henden Verpflichtungen (Befreiung von entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern von der Versicherungspflicht) erfüllen die Voraussetzungen von Artikel 22 Absatz 4 ParlG nicht.

Im Sinne der Entwicklung einer gangbaren Praxis zur neuen Ziffer 3 von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV und um die wiederholte Unterstellung gleichartiger Abkommen unter das Referendum zu vermeiden, hat der Bundesrat in seiner Botschaft vom 19. September 2003 zum Doppelbesteuerungsabkommen mit Israel4 festgehalten, dass er dem Parlament Staatsverträge, die im Vergleich zu früher abgeschlossenen Abkommen keine wichtigen zusätzlichen Verpflichtungen für die Schweiz beinhalten, auch in Zukunft mit dem Vorschlag unterbreiten werde, diese dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nicht zu unterstellen.

Die Schweiz hat in den letzten 10 Jahren mit Kroatien5, Zypern6, Tschechien7, Irland8, Slowenien9, der Slowakei10, Ungarn11, Mazedonien12 und Bulgarien13 weitgehend gleichartige Abkommen abgeschlossen. Diese Abkommen enthalten analoge Regelungen über die anwendbare Gesetzgebung, die auf dem Erwerbsortsprinzip beruhen und Ausnahmen für bestimmte Personenkategorien vorsehen. Sie gehen insofern über die Regelungen des vorliegenden Abkommens hinaus, als dass sie zusätzlich den Leistungsbezug und den Leistungsexport für die Vertragsstaatsangehörigen gewährleisten.

Die Kapitel «Verschiedene Bestimmungen» sowie «Schlussbestimmungen» orientieren sich ebenfalls an den erwähnten Abkommen. Es handelt sich demnach um einen Vertrag mit standardisiertem Inhalt: In Bezug auf die anwendbaren Rechtsvorschriften regelt er den gleichen Gegenstand und hat die gleiche Tragweite wie die obgenannten von der Schweiz abgeschlossene Abkommen, unter Berücksichtigung der Abweichungen aufgrund der nationalen Gesetzgebung des anderen Vertragsstaates.

Das vorliegende Abkommen beinhaltet keine zusätzlichen Verpflichtungen für die Schweiz.

Das Abkommen ist überdies hinsichtlich seiner Tragweite und in Bezug auf die Wahl des vertragsschliessenden Staates von geringerem rechtlichem und politischem Gewicht als früher abgeschlossene Sozialversicherungsabkommen, da es sich auf die Regelung der anwendbaren Rechtsvorschriften und die Rückerstattung von Beiträgen beschränkt, welche schweizerischerseits bereits im nationalen Recht vorgesehen ist.

4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

BBl 2003 6467 6474 f.

SR 831.109.291.1 SR 831.109.258.1 SR 831.109.743.1 SR 831.109.441.1 SR 831.109.691.1 SR 831.109.690.1 SR 831.109.418.1 SR 831.109.520.1 BBl 2007 153

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Das vorliegende Abkommen mit Indien erfüllt daher die Voraussetzungen für die Nichtunterstellung unter das fakultative Referendum im Sinne der zitierten Praxis.

Der Bundesrat beantragt deshalb, den Bundesbeschluss über das Sozialversicherungsabkommen mit Indien dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV nicht zu unterstellen.

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