Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 17. April 2007 zur Visaerteilung durch die Auslandvertretungen der Schweiz Nachkontrolle zur Inspektion der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Antwort des Bundesrates zum Stand der Umsetzung der Empfehlungen der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 30. September 2009

Sehr geehrter Herr Kommissionspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Der Bericht der Kommission vom 17. April 2007 zur Visaerteilung durch die Auslandvertretungen der Schweiz wurde als Folge der Untersuchungen erstellt, die wegen Verdachts auf missbräuchliche Visaerteilung durch einzelne Schweizer Auslandvertretungen eingeleitet worden waren. Mit Schreiben vom 4. Mai 2009 wurde der Bundesrat eingeladen, einen Bericht über den Stand der Umsetzung der Empfehlungen in diesem Bericht zu erstellen.

Die sechs Empfehlungen der Kommission sind nützliche Orientierungspunkte, um die Qualität der konsularischen Dienstleistungen zu wahren, die die Schweizer Auslandvertretungen im Visabereich erbringen. Die Umsetzung dieser Empfehlungen wurde gezielt überprüft, sodass der Bundesrat Ihnen folgenden Bericht unterbreiten kann:

Zu Empfehlung 1:

Rolle der Missionschefs im konsularischen Bereich

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates empfiehlt dem Bundesrat, dafür zu sorgen, dass die Missionschefs ihre Führungsfunktion im konsularischen Bereich wahrnehmen. Die Stellenprofile müssen gemäss ihrer effektiven Bedeutung und den damit verbundenen objektiven Anforderungen klassifiziert werden, insbesondere in den Bereichen Migration und konsularischer Schutz.

In seiner Antwort vom 27. Juni 2007 erklärte sich der Bundesrat bereit, die Empfehlung 1 umzusetzen.

Umsetzung der Empfehlung 1: Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hat in Absprache und Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) und mit der Finanzdelegation (FinDel) eine Überprüfung und Neueinstufung des Stellenprofils der Missions- und Postenchefs vorgenommen. Dabei wurden sowohl die Anforderungen, die sich aus der Bedeutung des betreffenden Landes im 2009-2455

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internationalen Kontext und aus der Wahrung der Schweizer Interessen ergeben, als auch die Verantwortlichkeiten der Missionschefs im Führungsbereich, im finanziellen und interkulturellen Rahmen sowie im konsularischen und insbesondere im Visa-/Migrationsbereich berücksichtigt. Diese Neueinstufung betrifft sowohl die Missions- als auch die Kanzleichefs.

Das Netz der Schweizer Auslandvertretungen wird aufgrund der Ausrichtung unserer Aussenpolitik, unserer Interessenwahrung, der Postenanforderungen und des Katalogs der Leistungen, welche die einzelnen Vertretungen erbringen müssen, kontinuierlich angepasst. Selbstverständlich werden in diesem Evaluationsprozess alle Veränderungen berücksichtigt, die Auswirkungen auf die Pflichtenhefte der Missions- und Postenchefs haben können.

Zu Empfehlung 2:

Analyse des Personalbedarfs im konsularischen Bereich

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates fordert den Bundesrat auf, eine Analyse der Bedürfnisse der einzelnen Vertretungen im konsularischen Bereich durchzuführen. Bei dieser Analyse müssen sowohl die Missbrauchsrisiken und der Umfang der Aufgaben als auch allfällige Rationalisierungsmöglichkeiten berücksichtigt werden. Nach Möglichkeit müssen auch die neuen Anforderungen in Zusammenhang mit dem Beitritt der Schweiz zum Schengen-Raum geprüft werden. Aufgrund dieser Analyse müsste gegebenenfalls das für das Aussennetz der Schweiz vorgesehene Budget angepasst werden.

In seiner Antwort vom 27. Juni 2007 erklärte sich der Bundesrat bereit, die Empfehlung 2 umzusetzen.

Umsetzung der Empfehlung 2: Im europäischen Vergleich erfüllen die Auslandvertretungen ihre Visaaufgaben mit einem sehr geringen Personalbestand. Die Qualität der Dienstleistungen konnte bis heute auf hohem Niveau gehalten werden. Dieses Bild wird lediglich durch einige Einzelfälle getrübt, und mit der Schaffung neuer Posten und der Anstellung von Visaspezialistinnen und -spezialisten wurden die nötigen Korrekturmassnahmen ergriffen. Eine Anpassung der personellen Ressourcen an die geleistete Arbeit drängte sich auf: Einerseits sind die Aufgaben komplexer und anspruchsvoller geworden, andererseits kommt ein Leistungsabbau nicht in Frage.

Deshalb hat das EDA dem Bundesrat aufgrund einer detaillierten Bedürfnisanalyse Antrag auf langfristige Sicherung der 2007 gewährten zusätzlichen Mittel sowie auf Budgeterhöhung gestellt. Der Bundesrat hat die Auffassung der Kommission zur Kenntnis genommen und diesen Antrag gutgeheissen. Das EDA wurde beauftragt, 2010 aufgrund der praktischen Erfahrungen der Auslandvertretungen mit der Visaerteilung im Rahmen der Umsetzung des Schengen-Assoziierungsabkommens eine weitere Bedürfnisanalyse vorzunehmen und dem Bundesrat Bericht zu erstatten.

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Zu Empfehlung 3:

Profil und Ausbildung des konsularischen Personals im Visabereich

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates fordert den Bundesrat auf, dafür zu sorgen, dass die Auslandvertretungen der Schweiz über genügend Kompetenzen in der Betrugsbekämpfung verfügen. Er prüft insbesondere die Zweckmässigkeit einer Spezialisierung im Rahmen der konsularischen Karriere sowie einer Erhöhung der Anzahl Grenzwächter in den anfälligen Vertretungen.

Der Bundesrat sorgt zudem dafür, dass die Aufgaben und das Netz des spezialisierten Personals zur Optimierung der Synergien und Verhinderung der Doppelspurigkeiten definiert werden.

In seiner Antwort vom 27. Juni 2007 erklärte sich der Bundesrat bereit, die Empfehlung 3 umzusetzen.

Umsetzung der Empfehlung 3: Dem Profil und der Ausbildung der konsularischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Visabereich wurde besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Das EDA setzte die zusätzlichen Mittel, die 2007 zum ersten Mal bewilligt und für die folgenden Jahre bestätigt wurden, zur Stärkung des Visa- und Migrationsbereichs ein. Zu den getroffenen Massnahmen gehören, neben der 2007 als erste Notmassnahme erfolgten Entsendung von 9 Visaspezialistinnen und -spezialisten, die Rekrutierung und Ausbildung von 30 neuen konsularischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Andere Vertretungen wurden verstärkt, und für die Botschaften in Dakar (Senegal) und Abuja (Nigeria) bewilligte das EDA den Einsatz zusätzlicher Migrationsattachés.

Grundlegend für die optimale Umsetzung der getroffenen Massnahmen im Visabereich ist ferner die regelmässige Versetzung der Visaspezialistinnen und -spezialisten innerhalb des Vertretungsnetzes.

Die Erfahrungen mit dem Einsatz von Grenzwächtern sind zwar positiv, und die Förderung solcher Einsätze ist durchaus wünschenswert. Es muss aber festgestellt werden, dass es zurzeit schwierig ist, Grenzwächter zu finden, die zu einem Auslandeinsatz bereit sind und über das erforderliche Profil verfügen, insbesondere was die Sprachkenntnisse betrifft. Die drei betroffenen Departemente (EDA, EJPD, EFD) arbeiten bei der Umsetzung dieser Empfehlung eng zusammen.

Zu Empfehlung 4:

Zusammenarbeit mit Intermediären

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates empfiehlt dem Bundesrat, die Kontrollen bei den von Intermediären eingereichten Visaanträgen zu verbessern und zu intensivieren. Er sollte auch die Möglichkeit der Einführung eines Systems prüfen, das den Antragstellern ermöglicht, zum Visaerteilungsverfahren Stellung zu beziehen. Letztlich fordert die Kommission den Bundesrat dazu auf, dafür zu sorgen, dass die Praktiken bei der Zusammenarbeit mit Dritten in einer Weisung geregelt werden, die für das gesamte schweizerische Aussennetz verbindlich ist.

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In seiner Antwort vom 27. Juni 2007 erklärte sich der Bundesrat bereit, die Empfehlung 4 zu prüfen und gegebenenfalls umzusetzen.

Umsetzung der Empfehlung 4: Die Zusammenarbeit mit gewissen Intermediären, insbesondere Reisebüros, erfolgt vor allem aus logistischen Gründen. In grossen Vertretungen, wie es sie in Indien, Russland und China gibt, würden persönliche Gespräche im Vergleich zu den heutigen Verhältnissen einen viel grösseren Aufwand an Personal und Infrastruktur erfordern. Solche Investitionen wären unverhältnismässig und würden sicher auch andere Probleme nach sich ziehen, insbesondere im Sicherheitsbereich.

Die Verstärkung der Zusammenarbeit mit anderen europäischen Staaten, wie sie die Kommission in ihrem Bericht empfiehlt, erlaubt es der Schweiz, die ­ guten oder schlechten ­ Erfahrungen anderer Länder mit diesen Intermediären zu teilen und die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen. Das operative Inkrafttreten des Schengen-Assoziierungsabkommens gestattet es den Vertretungen, sich vor Ort aktiv an Treffen der Schengen-Staaten zu beteiligen und die Zusammenarbeit im Rahmen der lokalen konsularischen Zusammenarbeit im Visa- und Migrationsbereich zu intensivieren.

Eine andere Massnahme im Zusammenhang mit den Intermediären ist das Outsourcing eines Teils oder gewisser Etappen des Visaverfahrens, ohne dass dabei die Entscheidkompetenz des Karrierepersonals bei der Visaerteilung, das Vieraugenprinzip und die Verantwortung der Missionschefin oder des Missionschefs in Frage gestellt werden. Auch diese Massnahme ist im Rahmen der Schengener Zusammenarbeit vorgesehen. Ein Outsourcing in Form von Callcentern, deren Ausgestaltung und Modalitäten je nach Land und Dienstleistungsangebot definiert wurden, wird in einigen Auslandvertretungen bereits als Pilotprojekt praktiziert. Die angebotenen Dienstleistungen richten sich nach den Bedürfnissen der Vertretungen und dem vor Ort verfügbaren Angebot. Das Angebot kann sich auf die Terminvereinbarung beschränken, wodurch der Andrang der Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller am Schalter eingeschränkt werden kann. Damit kann die Sicherheit merklich verbessert, das Korruptionsrisiko verringert und verhindert werden, dass Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller den Schalter (und damit ihre Kontaktperson) selber wählen können. Das Outsourcing kann sich
auch auf die Erteilung gewisser grundlegender Auskünfte und die Kontrolle der Vollständigkeit der eingereichten Dokumente erstrecken. Dieses Vorgehen ist denkbar bei Vertretungen, die viele Visa erteilen. Es kann durch andere Dienstleistungen wie statistische Erhebungen und Umfragen ergänzt werden.

Aus Gründen der Einheit der Materie wäre es sinnvoll, wenn eine verbindliche Weisung zur Zusammenarbeit mit Intermediären nicht nur diesen Aspekt regeln, sondern auch die Problematik des Outsourcing gewisser Leistungen, insbesondere der Terminvereinbarung, umfassen würde. Die Auslagerung von Dienstleistungen war Gegenstand verschiedener Pilotprojekte, aufgrund deren festgestellt werden konnte, welche Aspekte genau geregelt werden müssen. Die Ausarbeitung eines Rahmens für die Zusammenarbeit mit beauftragten Unternehmen wurde innerhalb des EDA, aber auch mit anderen Dienststellen der Bundesverwaltung wie dem Bundesamt für Migration (BFM) und insbesondere dem Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) intensiv geprüft. Die Änderung des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20), die im Frühling 2010 in Kraft treten sollte, wird die formell-gesetzliche Grundlage für das 7388

Outsourcing von Dienstleistungen schaffen. Dann wird es möglich sein, eine gemeinsame Weisung für die beiden verwandten Probleme, nämlich die Zusammenarbeit mit Intermediären und die Auslagerung von Leistungen, auszuarbeiten.

Zu Empfehlung 5:

Zusammenarbeit mit anderen europäischen Staaten

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates empfiehlt dem Bundesrat, sämtliche Optionen einer Zusammenarbeit mit europäischen Staaten im konsularischen Bereich zu prüfen. Besonders sinnvoll scheint eine Zusammenarbeit im infrastrukturellen sowie polizeilichen Bereich.

In seiner Antwort vom 27. Juni 2007 erklärte sich der Bundesrat bereit, die Empfehlung 5 zu prüfen und gegebenenfalls umzusetzen.

Umsetzung der Empfehlung 5: Bei der im Rahmen der Schengener Zusammenarbeit vorgesehenen konsularischen Zusammenarbeit vor Ort werden Informationen ausgetauscht über Betrug, Fälschung, Verdacht auf Schlepperei im Zusammenhang mit Visa sowie Informationen zu Migrationsströmen und zum sogenannten Visa-Shopping. Die Schweiz nimmt an diesen lokalen konsularischen Treffen teil. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass dieser Austausch für die Schweizer Vertretungen äusserst nützlich ist und weitergeführt werden sollte.

Der Schengen-Besitzstand sieht solche Möglichkeiten der Zusammenarbeit ausdrücklich vor; dies kann bis zur Vertretung eines Staates durch einen andern bei der Visaerteilung oder die gemeinsame Nutzung von Visabüros gehen. Sechs EUStaaten haben im April 2007 in Moldawien das erste gemeinsame europäische Konsulat in Betrieb genommen.

Der Bundesrat hat von der Möglichkeit der Vertretung in Visumsangelegenheiten Kenntnis genommen und ist offen für jede Form der Zusammenarbeit. Es muss aber in der Praxis und von Fall zu Fall geprüft werden, welches Zusammenarbeitsmodell sich je nach den Bedürfnissen, Bedingungen und Ressourcen vor Ort am besten eignet. Es haben erste Kontakte zu Staaten stattgefunden, die an einer Zusammenarbeit in diesem Bereich interessiert sind, und der Bundesrat wird demnächst einen Grundsatzentscheid bezüglich der Vertretung im Bereich der Visaerteilung treffen.

Zu Empfehlung 6:

Zusammenarbeit mit den kantonalen Behörden

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates lädt den Bundesrat ein, gemeinsam mit den Kantonen die Praktiken der kantonalen Behörden bei der Visaerteilung zu harmonisieren, eine erhöhte Transparenz zu schaffen und die Kommunikation mit den Auslandvertretungen zu verbessern.

In seiner Antwort vom 27. Juni 2007 erklärte sich der Bundesrat bereit, die Empfehlung 6 umzusetzen.

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Umsetzung der Empfehlung 6: Die Kantone und die Auslandvertretungen arbeiten eng und intensiv zusammen. Das EDA organisiert seit Anfang 2006 regionale konsularische Treffen. Die Vertretungen der jeweiligen Region sind dabei generell durch den Missions- oder Postenchef und den Kanzleichef vertreten. Neben den Vertretungen und Dienststellen des EDA nehmen zudem ein Vertreter des EJPD (BFM) und ein Vertreter der kantonalen Migrationsämter teil, der gleichzeitig die Vereinigung der kantonalen Migrationsbehörden vertritt. Im Gegenzug nimmt ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin des EDA an den Jahrestreffen der kantonalen Migrationsämter teil. Schliesslich ist der Besuch eines kantonalen Migrationsamtes künftig Bestandteil der Ausbildung der Konsularpraktikanten und Visaspezialisten.

Dieser Austausch führt zu einem besseren Verständnis der realen Verhältnisse und der Arbeitsweise der verschiedenen Stellen und trägt dazu bei, die Zusammenarbeit und den Dialog zwischen den betroffenen Behörden zu verbessern. Wir müssen also unsere Anstrengungen auf allen Ebenen weiterführen oder sogar noch intensivieren, damit eine einheitliche Praxis der Kantone und der Auslandvertretungen entsteht.

Der Bundesrat wird sich weiterhin für diesen Austausch einsetzen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Kommissionspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

30. September 2009

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Hans-Rudolf Merz Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

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