09.079 Botschaft zum Bundesgesetz über die Forschung am Menschen vom 21. Oktober 2009

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Forschung am Menschen mit dem Antrag auf Zustimmung.

Gleichzeitig beantragen wir, folgende parlamentarische Vorstösse abzuschreiben: 1998 M 98.3543

Schaffung eines Bundesgesetzes betreffend medizinische Forschung am Menschen (S 16.3.1999, Plattner; N 21.3.2000)

2004 M 04.3105

Förderung der medizinischen Forschung (N 29.11.2005, Dunant; S 13.3.2006)

2004 M 04.3742

Klinische Versuche. Einheitliches Verfahren (N 19.3.2007, Hochreutener; S 13.12.2007)

2005 M 05.3136

Mehr Transparenz bei klinischen Studien (N 17.6.2005 Hubmann; S 12.12.2005)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

21. Oktober 2009

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Hans-Rudolf Merz Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2009-1966

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Übersicht Der vorliegende Regelungsentwurf setzt den Gesetzgebungsauftrag des Verfassungsartikels über die Forschung am Menschen um. Entsprechend bezeichnet der Gesetzesentwurf diejenigen Forschungsbereiche, die wegen ihres Gefährdungspotenzials für Würde und Persönlichkeit eine gesetzliche Regelung erforderlich machen, nämlich die Forschung zu Krankheiten des Menschen sowie zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers.

Mit der Motion 98.3543 wurde der Bundesrat beauftragt, den Entwurf eines Bundesgesetzes über die medizinische Forschung am Menschen auszuarbeiten. In diesem Gesetz sollten «die ethischen und rechtlichen Grundsätze und Schranken festgeschrieben werden, die in diesem Gebiet befolgt werden müssen, damit einerseits der Schutz der Menschenrechte in möglichst hohem Masse gewährleistet ist und andererseits eine sinnvolle medizinische Forschung am Menschen nicht verhindert wird».

Darüber hinaus wurde der Bundesrat am 19. Dezember 2003 beauftragt, eine Verfassungsbestimmung zur Forschung am Menschen vorzulegen. Diese Verfassungsgrundlage, der neue Artikel 118b BV, wurde vom Parlament am 25. September 2009 verabschiedet. Die Volksabstimmung findet voraussichtlich am 7. März 2010 statt.

Der Verfassungsartikel verpflichtet den Bund dann ­ und nur dann ­ Vorschriften zu erlassen, wenn dies zum Schutz der Würde und Persönlichkeit des Menschen in der Forschung notwendig ist. Des Weiteren benennt Artikel 118b BV vier zentrale Grundsätze, die der Gesetzgeber in der Forschung in Biologie und Medizin mit Personen beachten muss.

Die von der Verfassung geforderte Gefährdungsanalyse hat gezeigt, dass die Forschung zu Krankheiten des Menschen sowie zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers zum Schutz von Würde und Persönlichkeit des Menschen regulierungsbedürftig ist. Dies aufgrund der mit dieser Forschung stets einhergehenden Gefährdung der physischen und psychischen Integrität sowie des Rechts auf Selbstbestimmung der teilnehmenden Personen. Mangels Gefährdungspotenzial nicht geregelt wird der forschungsbezogene Umgang mit anonymisiertem biologischem Material sowie anonymen bzw. anonymisierten gesundheitsbezogenen Personendaten.

Der vorliegende Gesetzesentwurf stellt ­ in Übereinstimmung mit dem primären Ziel von Artikel 118b BV ­ in erster Linie ein Gesetz zum Schutz des Menschen in der
Forschung dar. Zu diesem Zweck verankert und stärkt er einerseits das Selbstbestimmungsrecht der Personen, die an einem Forschungsprojekt teilnehmen oder zur Teilnahme angefragt werden oder deren biologisches Material und gesundheitsbezogene Personendaten zu Forschungszwecken verwendet werden sollen. Andererseits werden objektive Vorkehren zum Schutz der teilnehmenden Personen festgelegt, etwa die Anforderungen an die Einwilligung und Aufklärung, an den Einbezug von urteilsunfähigen Personen, an das zulässige Verhältnis zwischen Risiken und Nutzen sowie an die Überprüfung des Forschungsprojekts durch Ethikkommissionen für die Forschung.

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Daneben schafft der Gesetzesentwurf schweizweit durch einheitliche administrative Anforderungen günstige Rahmenbedingungen für die Forschung am Menschen in der Schweiz. Zweck des Gesetzesentwurfs ist denn auch, die heute nur punktuell vorhandenen und in verschiedenen Gesetzen auf Bundes- und Kantonsebene verstreuten Bestimmungen zur Forschung am Menschen in einer einheitlichen Regelung zusammenzuführen. Deshalb werden die allgemeinen Bestimmungen zur Forschung insbesondere des Transplantations- und des Heilmittelgesetzes wie auch die teilweise vorhandenen kantonalen Vorschriften durch entsprechende Regelungen im vorliegenden Entwurf ersetzt. Die Regelungen berücksichtigen dabei soweit möglich die bewährte Praxis und stimmen mit den international anerkannten Vorschriften überein.

Unter Berücksichtigung der im Verfassungsartikel über die Forschung am Menschen aufgeführten Grundsätze sind folgende zentrale Regelungsaspekte besonders hervorzuheben: ­

Forschung mit Personen darf nur stattfinden, wenn eine Einwilligung nach hinreichender Aufklärung vorliegt. Das Verbot der Forschung mit Personen gegen ihren Willen gilt uneingeschränkt; so ist auch die Ablehnung urteilsunfähiger Personen stets zu beachten. An die Forschung mit besonders verletzbaren Personen werden spezifische Anforderungen gestellt.

­

Die Weiterverwendung von bereits vorhandenem biologischem Material und bereits vorhandenen gesundheitsbezogenen Personendaten wird differenziert geregelt. Die Forschung mit biologischem Material und genetischen Daten unterliegt strengeren Anforderungen als der Umgang mit nichtgenetischen gesundheitsbezogenen Personendaten zu Forschungszwecken. Biobanken haben lediglich adäquaten betrieblichen und fachlichen Anforderungen zu genügen, dagegen bestehen keine spezifischen Bewilligungs- und Meldepflichten für deren Betrieb.

­

Die unabhängige Überprüfung der Forschungsprojekte wird wie bis anhin von kantonalen Ethikkommissionen wahrgenommen. An diese Kommissionen wie auch an die Beurteilungsverfahren werden jedoch einheitliche Anforderungen gestellt. Insbesondere muss ein wissenschaftliches Sekretariat zur Verfügung stehen, damit ein effizienter Verfahrensablauf gewährleistet ist.

Für die umfassende Beurteilung einer Multizenterstudie ist in der Schweiz neu nur noch eine Ethikkommission, nämlich diejenige am Tätigkeitsort der das Projekt koordinierenden Person, zuständig. Eine zentrale Koordinationsstelle gewährleistet den regelmässigen Austausch unter den Ethikkommissionen und weiteren Prüfbehörden.

­

Zur Förderung der Transparenz ist eine Registrierungspflicht von Forschungsprojekten vorgesehen.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Allgemeiner Teil: Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Verfassungsartikel über die Forschung am Menschen 1.1.2 Umsetzung des Gesetzgebungsauftrags 1.1.3 Allgemeine Zielrichtung des Gesetzesentwurfs 1.2 Ethische Aspekte 1.2.1 Der Grundkonflikt 1.2.2 Vier Prinzipien der biomedizinischen Ethik 1.2.2.1 Prinzip der Autonomie 1.2.2.2 Prinzip der Gerechtigkeit 1.2.2.3 Prinzipien der Schadensvermeidung und Fürsorge 1.3 Wissenschaftliche Aspekte 1.4 Rechtslage in der Schweiz 1.4.1 Übersicht 1.4.2 Bundesgesetzgebung 1.4.2.1 Heilmittel 1.4.2.2 Transplantation 1.4.2.3 Forschung mit embryonalen Stammzellen 1.4.2.4 Fortpflanzungsmedizin 1.4.2.5 Genetische Untersuchungen beim Menschen 1.4.2.6 Datenschutz 1.4.2.7 Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung 1.4.3 Kantonale Gesetzgebung 1.5 Internationale Rechtslage und Gesetzgebung in anderen Ländern 1.5.1 Europarat 1.5.2 Europäische Union 1.5.3 Rechtslage in anderen Ländern 1.6 Richtlinien und Deklarationen 1.6.1 Richtlinien der Akademien der Wissenschaften Schweiz 1.6.2 Stellungnahme der Nationalen Ethikkommission 1.6.3 Richtlinien und Deklarationen der Organisation der Vereinten Nationen 1.6.4 Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes 1.6.5 «Guideline for Good Clinical Practice» der «International Conference on Harmonization» 1.7 Überarbeitung des Vorentwurfs 1.7.1 Ergebnisse der Vernehmlassung zum Vorentwurf 1.7.1.1 Allgemeine Ergebnisse 1.7.1.2 Spezifische Ergebnisse 1.7.2 Änderungen im Vergleich zum Vorentwurf 1.8 Ausgewählte Regelungsaspekte 1.8.1 Geltungsbereich 1.8.1.1 Ausgangslage

8053 8053 8054 8054 8056 8057 8057 8058 8058 8059 8059 8061 8062 8062 8063 8063 8064 8064 8064 8065 8065 8065 8066 8067 8067 8068 8069 8070 8070 8071

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1.8.1.2 Ergebnisse der Vernehmlassung 1.8.1.3 Lösungsvorschlag 1.8.2 Forschung mit biologischem Material und gesundheitsbezogenen Personendaten 1.8.2.1 Ausgangslage 1.8.2.2 Wissenschaftliche Aspekte 1.8.2.3 Ethische Aspekte 1.8.2.4 Geltende Rechtslage und Richtlinien 1.8.2.5 Ergebnisse der Vernehmlassung 1.8.2.6 Lösungsvorschlag 1.8.3 Aufgaben und Organisation der Ethikkommissionen für die Forschung 1.8.3.1 Ausgangslage 1.8.3.2 Geltende Rechtslage und Richtlinien 1.8.3.3 Ergebnisse der Vernehmlassung 1.8.3.4 Lösungsvorschlag 1.8.4 Transparenz und Registrierung 1.8.4.1 Ausgangslage 1.8.4.2 Ethische und wissenschaftliche Aspekte 1.8.4.3 Geltende Rechtslage und Richtlinien 1.8.4.4 Ergebnisse der Vernehmlassung 1.8.4.5 Lösungsvorschlag 1.9 Öffentliche Debatte 1.10 Erledigung parlamentarischer Vorstösse 2 Besonderer Teil: Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln 2.1 Kapitel 1: Allgemeine Bestimmungen 2.1.1 1. Abschnitt: Zweck, Geltungsbereich und Begriffe 2.1.1.1 Zweck (Art. 1) 2.1.1.2 Geltungsbereich (Art. 2) 2.1.1.3 Begriffe (Art. 3) 2.1.2 2. Abschnitt: Grundsätze 2.1.2.1 Vorrang der Interessen des Menschen (Art. 4) 2.1.2.2 Relevanz (Art. 5) 2.1.2.3 Nichtdiskriminierung (Art. 6) 2.1.2.4 Einwilligung (Art. 7) 2.1.2.5 Recht auf Information (Art. 8) 2.1.2.6 Kommerzialisierungsverbot (Art. 9) 2.1.2.7 Wissenschaftliche Anforderungen (Art. 10) 2.2 Kapitel 2: Allgemeine Anforderungen an die Forschung mit Personen 2.2.1 1. Abschnitt: Schutz der teilnehmenden Personen 2.2.1.1 Subsidiarität (Art. 11) 2.2.1.2 Risiken und Belastungen (Art. 12) 2.2.1.3 Unentgeltlichkeit der Teilnahme (Art. 13) 2.2.1.4 Unzulässige Anonymisierung (Art. 14) 2.2.1.5 Sicherheits- und Schutzmassnahmen (Art. 15) 2.2.2 2. Abschnitt: Aufklärung und Einwilligung 2.2.2.1 Einwilligung nach Aufklärung (Art. 16)

8078 8079 8080 8080 8080 8081 8081 8082 8082 8084 8084 8084 8084 8085 8086 8086 8086 8087 8088 8088 8088 8090 8091 8091 8091 8091 8091 8092 8096 8096 8097 8098 8098 8099 8100 8101 8102 8103 8103 8104 8104 8105 8106 8106 8106 8049

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2.2.2.2 Einwilligung in die Weiterverwendung (Art. 17) 2.2.2.3 Unvollständige Aufklärung (Art. 18) 2.2.3 3. Abschnitt: Haftung und Sicherstellung 2.2.3.1 Haftung (Art. 19) 2.2.3.2 Sicherstellung (Art. 20) Kapitel 3: Zusätzliche Anforderungen an die Forschung mit besonders verletzbaren Personen 2.3.1 1. Abschnitt: Forschung mit Kindern, Jugendlichen und urteilsunfähigen Erwachsenen 2.3.1.1 Forschungsprojekte mit Kindern (Art. 21) 2.3.1.2 Forschungsprojekte mit Jugendlichen (Art. 22) 2.3.1.3 Forschungsprojekte mit urteilsunfähigen Erwachsenen (Art. 23) 2.3.2 2. Abschnitt: Forschung mit schwangeren Frauen sowie an Embryonen und Föten in vivo 2.3.2.1 Unzulässige Forschungsprojekte (Art. 24) 2.3.2.2 Forschungsprojekte mit schwangeren Frauen sowie an Embryonen und Föten in vivo (Art. 25) 2.3.2.3 Forschungsprojekte über Methoden des Schwangerschaftsabbruchs (Art. 26) 2.3.3 3. Abschnitt: Forschung mit Personen im Freiheitsentzug 2.3.3.1 Forschungsprojekte mit Personen im Freiheitsentzug (Art. 27) 2.3.3.2 Unzulässigkeit von Erleichterungen im Freiheitsentzug (Art. 28) 2.3.4 4. Abschnitt: Forschung in Notfallsituationen 2.3.4.1 Forschungsprojekte in Notfallsituationen (Art. 29) 2.3.4.2 Nachträgliche oder stellvertretende Einwilligung (Art. 30) Kapitel 4: Weiterverwendung von biologischem Material und gesundheitsbezogenen Personendaten 2.4.1 Weiterverwendung von biologischem Material und genetischen Daten (Art. 31) 2.4.2 Weiterverwendung von nichtgenetischen gesundheitsbezogenen Personendaten (Art. 32) 2.4.3 Fehlende Einwilligung und Information (Art. 33) 2.4.4 Anonymisierung und Verschlüsselung (Art. 34) Kapitel 5: Forschung an verstorbenen Personen 2.5.1 Ethische Aspekte 2.5.2 Rechtliche Aspekte 2.5.3 Einwilligung (Art. 35) 2.5.4 Weitere Voraussetzungen (Art. 36) 2.5.5 Forschung im Rahmen einer Obduktion oder Transplantation (Art. 37) Kapitel 6: Forschung an Embryonen und Föten aus Schwangerschaftsabbrüchen und Spontanaborten einschliesslich Totgeburten 2.6.1 Voraussetzungen für die Forschung an Embryonen und Föten aus Schwangerschaftsabbrüchen (Art. 38)

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2.6.2 Voraussetzungen für die Forschung an Embryonen und Föten aus Spontanaborten einschliesslich Totgeburten (Art. 39) 2.7 Kapitel 7: Weitergabe, Ausfuhr und Aufbewahrung 2.7.1 Weitergabe zu anderen als zu Forschungszwecken (Art. 40) 2.7.2 Ausfuhr (Art. 41) 2.7.3 Aufbewahrung (Art. 42) 2.7.4 Verstorbene Personen, Embryonen, Föten einschliesslich Totgeburten (Art. 43) 2.8 Kapitel 8: Bewilligungen, Meldungen und Verfahren 2.8.1 Bewilligungspflicht (Art. 44) 2.8.2 Melde- und Informationspflichten (Art. 45) 2.8.3 Zuständige Ethikkommission (Art. 46) 2.8.4 Behördliche Massnahmen (Art. 47) 2.8.5 Verfahren (Art. 48) 2.8.6 Rechtsschutz (Art. 49) 2.9 Kapitel 9: Ethikkommissionen für die Forschung 2.9.1 Aufgaben (Art. 50) 2.9.2 Unabhängigkeit (Art. 51) 2.9.3 Zusammensetzung (Art. 52) 2.9.4 Organisation und Finanzierung (Art. 53) 2.9.5 Koordination und Information (Art. 54) 2.10 Kapitel 10: Transparenz und Datenschutz 2.10.1 Registrierung (Art. 55) 2.10.2 Schweigepflicht (Art. 56) 2.10.3 Bearbeitung von Personendaten (Art. 57) 2.10.4 Datenbekanntgabe (Art. 58) 2.10.5 Datenweitergabe an ausländische Behörden und internationale Organisationen (Art. 59) 2.10.6 Evaluation (Art. 60) 2.11 Kapitel 11: Strafbestimmungen 2.11.1 Vergehen (Art. 61) 2.11.2 Übertretungen (Art. 62) 2.11.3 Zuständigkeiten und Verwaltungsstrafrecht (Art. 63) 2.12 Kapitel 12: Schlussbestimmungen 2.12.1 Änderung bisherigen Rechts (Art. 64) 2.12.2 Übergangsbestimmungen (Art. 65) 2.12.3 Referendum und Inkrafttreten (Art. 66) 2.13 Erläuterungen zum Anhang des Gesetzesentwurfs 2.13.1 Datenschutzgesetz vom 19. Juni 1992 2.13.2 Strafgesetzbuch 2.13.3 Bundesgesetz vom 8. Oktober 2004 über genetische Untersuchungen beim Menschen 2.13.4 Transplantationsgesetz vom 8. Oktober 2004 2.13.5 Stammzellenforschungsgesetz vom 19. Dezember 2003 2.13.6 Heilmittelgesetz vom 15. Dezember 2000

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3 Auswirkungen des Gesetzesentwurfs 3.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen 3.1.1 Einleitung 3.1.2 Auswirkungen auf den Bund 3.1.2.1 Registrierung von Forschungsprojekten 3.1.2.2 Koordination und Information 3.1.2.3 Evaluation 3.1.2.4 Kosteneinschätzung 3.1.3 Auswirkungen auf die Kantone 3.1.4 Auswirkungen auf die Gemeinden 3.2 Auswirkungen auf die Informatik 3.3 Auswirkungen auf die privatwirtschaftliche Forschung 3.4 Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft 3.5 Auswirkungen auf die Bevölkerung und die öffentliche Gesundheit 3.6 Auswirkungen auf das Fürstentum Liechtenstein

8151 8151 8151 8152 8152 8153 8153 8154 8154 8155 8155 8155 8157 8157 8157

4 Legislaturplanung

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5 Rechtliche Grundlagen 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen 5.3 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

8158 8158 8158 8158

Anhang: Kosteneinschätzung für den Bund

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Bundesgesetz über die Forschung am Menschen (Humanforschungsgesetz, HFG) (Entwurf)

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Botschaft 1

Allgemeiner Teil: Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Forschung am Menschen leistet unverzichtbare Beiträge zur Weiterentwicklung unserer modernen Gesundheitsversorgung. Bevor neue diagnostische oder therapeutische Verfahren in der Praxis zur Verfügung stehen, müssen diese meist in Forschungsprojekten unter Einbezug des Menschen entwickelt und geprüft werden. Das gilt gleichermassen für die Methoden der Prävention und Gesundheitsförderung.

Einerseits kann auf die Forschung am Menschen also nicht verzichtet werden, da letztlich erst diese Überprüfung zeigen kann, wie verträglich, sicher und wirksam eine neue Massnahme ist. Andererseits gehen Menschen im Rahmen von Forschungsvorhaben im wissenschaftlichen, d.h. in einem fremden Interesse Risiken für ihre Gesundheit ein, nehmen Belastungen auf sich oder geben persönliche Informationen preis. Dies gilt selbst dann, wenn sie vom Forschungsprojekt einen direkten, insbesondere gesundheitlichen Nutzen erwarten können.

Bei der Forschung am Menschen kann dessen Würde und Persönlichkeit verletzt werden. So wird z.B. im Rahmen von klinischen Studien die körperliche oder in Ausnahmefällen die psychische Integrität der teilnehmenden Person tangiert. In anderen Studien, z.B. mit gesundheitsbezogenen Daten, besteht die Gefahr, dass diese in missbräuchlicher Weise verwendet werden. Zum Schutz vor diesen Gefährdungen ist in den letzten Jahrzehnten auf internationaler Ebene insbesondere für die medizinische Forschung ein grundlegendes Regelwerk entstanden. In der Schweiz sind die rechtlichen Regelungen zur Forschung am Menschen heute vielfach unübersichtlich und teilweise lückenhaft. Insbesondere fehlen einheitliche Bestimmungen auf Bundesebene.

Vor diesem Hintergrund forderte die ständerätliche Motion 98.35431 den Bundesrat dazu auf, ein Bundesgesetz über die medizinische Forschung am Menschen auszuarbeiten. In diesem Gesetz sollten «die ethischen und rechtlichen Grundsätze und Schranken festgeschrieben werden, die in diesem Gebiet befolgt werden müssen, damit einerseits der Schutz der Menschenrechte in möglichst hohem Masse gewährleistet ist und andererseits eine sinnvolle medizinische Forschung am Menschen nicht verhindert wird».

Die ersten Vorarbeiten zu einem Gesetzesentwurf über die Forschung am Menschen wurden Ende 2001 zugunsten einer Regelung über die Forschung an überzähligen menschlichen Embryonen und
embryonalen Stammzellen unterbrochen. Darüber hinaus wurde der Bundesrat im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zum Stammzellenforschungsgesetz vom 19. Dezember 2003 (StFG)2 beauftragt, eine Verfassungsbestimmung zur Forschung am Menschen vorzulegen.3 Basierend auf dieser Verfassungsgrundlage, die vom Parlament am 25. September 2009 verabschiedet wurde, regelt der vorliegende Entwurf des Humanforschungsgesetzes die 1 2 3

Motion 98.3543 (Plattner) vom 1. Dez. 1998: «Schaffung eines Bundesgesetzes betreffend medizinische Forschung am Menschen».

SR 810.31 Motion 03.3007 (Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerats) vom 18. Feb. 2003: «Forschung am Menschen. Verfassungsgrundlage».

8053

Forschung zu Krankheiten des Menschen sowie zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers mit lebenden und an verstorbenen Personen, an Embryonen und Föten sowie mit biologischem Material menschlichen Ursprungs und mit gesundheitsbezogenen Personendaten. Eine Ausnahme bildet die Forschung an überzähligen menschlichen Embryonen und menschlichen embryonalen Stammzellen, deren Regelung im Stammzellenforschungsgesetz verbleiben soll.

1.1.1

Verfassungsartikel über die Forschung am Menschen

Der neue Verfassungsartikel4 schafft die Grundlage für eine einheitliche und umfassende Regelung der Forschung am Menschen in der Schweiz. Damit wird bezweckt, Würde und Persönlichkeit des Menschen in der Forschung zu schützen, wobei die Forschungsfreiheit gewahrt und der Bedeutung der Forschung für Gesundheit und Gesellschaft Rechnung getragen werden sollen.

Der Verfassungsartikel verpflichtet den Bund, dann ­ und nur dann ­ Vorschriften zu erlassen, wenn dies zum Schutz der Würde und Persönlichkeit des Menschen in der Forschung notwendig ist. Damit wird der Bundesgesetzgeber beauftragt, zunächst in einer umfassenden Gefährdungsanalyse einerseits zu eruieren, von welcher Forschung ein Risiko für die Menschenwürde und Persönlichkeit ausgeht.

Andererseits ist abzuschätzen, ob die bestehende allgemeine Rechtsordnung ausreicht, um diesem Risiko zu begegnen. Fällt diese Einschätzung negativ aus, so verlangt Artikel 118b BV den Erlass von Vorschriften zum Schutz von Menschenwürde und Persönlichkeit. Hingegen bietet Artikel 118b BV keine Kompetenzgrundlage zum Erlass von Vorschriften über die Forschung am Menschen, wenn diese Analyse für bestimmte Forschungsbereiche ergibt, dass das Gefährdungspotenzial nur gering ist respektive dass das geltende Recht bereits hinlänglichen Schutz gewährt. Des Weiteren benennt Artikel 118b BV vier Grundsätze, die der Gesetzgeber in der Forschung in Biologie und Medizin mit Personen beachten muss. Diese Grundsätze betreffen die Einwilligung nach Aufklärung, das Verhältnis zwischen Risiken und Nutzen des Forschungsvorhabens, die Forschung mit urteilsunfähigen Personen sowie die unabhängige Überprüfung der Forschungsvorhaben bezüglich des Schutzes der teilnehmenden Personen. Darüber hinaus kann der Gesetzgeber für einzelne Forschungsbereiche zusätzliche oder strengere Grundsätze festlegen.

1.1.2

Umsetzung des Gesetzgebungsauftrags

Der vorliegende Regelungsentwurf setzt den Gesetzgebungsauftrag des Verfassungsartikels um. Somit ist vorab durch eine Gefährdungsanalyse festzulegen, für welche Forschung aus Gründen des Schutzes von Würde und Persönlichkeit des Menschen eine Regulierung notwendig ist. Die Gefährdung bemisst sich insbesondere an der Art und Intensität eines mit der Forschung verbundenen Eingriffs.

Gleichzeitig ist zu prüfen, ob nicht die allgemeine Rechtsordnung im betreffenden Forschungsbereich bereits einen ausreichenden Schutz von Würde und Persönlichkeit gewährleistet, etwa durch den privatrechtlichen Persönlichkeitsschutz sowie die Datenschutzgesetzgebung. Hilfreich ist schliesslich auch der Vergleich mit inter4

BBl 2009 6649

8054

nationalen und ausländischen Vorschriften. Daraus können sich ebenfalls Hinweise ergeben, welche Forschungsaktivitäten unter Einbezug des Menschen reguliert werden müssen.

Diese Gefährdungsanalyse hat ergeben, dass gegenwärtig nur die Forschung zu Krankheiten des Menschen sowie zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers Vorschriften zur Gewährleistung des Schutzes von Würde und Persönlichkeit notwendig macht. Solche Forschung liegt vor, wenn diesbezüglich verallgemeinerbare Erkenntnisse auf systematische, methodengeleitete und überprüfbare Weise erzielt werden. Darunter fällt insbesondere die präventive, diagnostische, therapeutische und epidemiologische Forschung (zur Umschreibung des Geltungsbereichs vgl. Ziff. 1.8.1 und 2.1.1.2). Für diese Beschränkung des Geltungsbereichs sprechen im Wesentlichen folgende Gründe: ­

Forschung unter Einbezug von Personen zu Krankheiten des Menschen sowie zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers betrifft z.B. klinische Versuche mit Heilmitteln, die Erprobung neuer chirurgischer Techniken oder neue psychotherapeutische Ansätze. Derartige Forschung ist regelmässig mit einem Eingriff in die körperliche oder psychische Integrität der betroffenen Personen verbunden. Deshalb geht mit dieser Forschung offensichtlich eine Gefährdung der Würde und Persönlichkeit der teilnehmenden Personen, insbesondere von deren Gesundheit, einher.

­

Bei der Forschung mit gesundheitsbezogenen Personendaten sowie mit biologischem Material wird mit Informationen aus besonders sensiblen Bereichen gearbeitet. Diese Forschung kann vor allem mit einem Risiko für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einhergehen. Werden Informationen aus solcher Forschung missbräuchlich verwendet oder an Unbefugte weitergegeben, so kann damit eine bedeutende Beeinträchtigung von Würde und Persönlichkeit verbunden sein oder, bei der Entnahme von biologischem Material, die Gefahr einer nicht gerechtfertigten Verletzung der körperlichen Integrität. Werden Daten hingegen anonym erhoben oder korrekt anonymisiert, so geht von ihnen keine Gefährdung für Würde oder Persönlichkeit aus. Forschung mit solchen Daten fällt demzufolge nicht in den Geltungsbereich des Gesetzesentwurfs. Dasselbe gilt für die Weiterverwendung von bereits gewonnenem, korrekt anonymisiertem Material; auch hier ist nicht mehr mit einer Gefährdung der Person zu rechnen, von der es stammt.

­

Die allgemeine Rechtsordnung bietet dem Menschen in der Forschung zu Krankheiten des Menschen sowie zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers keinen hinreichenden Schutz. Es fehlt insbesondere der Datenschutzgesetzgebung und dem übrigen Zivilrecht an spezifischen Schutzvorschriften, die den Besonderheiten der oben genannten Forschung gerecht werden. So lässt sich z.B. aus der allgemeinen Rechtsordnung keine Pflicht zur vorgängigen Überprüfung von Forschungsvorhaben ableiten. Da sich die in entsprechende Forschungsvorhaben einbezogene Person in fremdem Interesse einem Risiko etwa für ihre Gesundheit aussetzt, ist die Notwendigkeit einer solchen Überprüfung jedoch anerkannt. Ebenso finden sich keine forschungsspezifischen Leitplanken zum Schutz der betroffenen Personen im Umgang mit Gesundheitsdaten und biologischem Material.

8055

­

Vorschriften auf internationaler Ebene und die Gesetzgebungen ausländischer Staaten zeigen, dass überwiegend die medizinische Forschung bzw.

die Forschungsaktivitäten zu Fragen der Gesundheit und Krankheit reguliert werden (vgl. Ziff. 1.5).

Demgegenüber ist nach heutiger Einschätzung nicht davon auszugehen, dass Forschung ausserhalb derjenigen zu Krankheiten des Menschen sowie zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers mit einer Gefährdung von Würde und Persönlichkeit des Menschen verbunden ist, die einer spezifischen Bundesregelung bedarf.

Dabei ist vorwiegend an Forschungsaktivitäten der Geistes- und Sozialwissenschaften zu denken, sofern deren Forschungstätigkeiten nicht in oben genannte Forschungsvorhaben eingebettet sind. Ohnehin werden für solche Forschung in vielen Fällen anonyme oder anonymisierte Daten verwendet, von denen keine Gefährdung für die betroffenen Personen ausgeht und deren Erforschung folglich auch nicht auf der Basis von Artikel 118b Absatz 1 BV geregelt werden kann. Hinzu kommt, dass ­ verschlüsselte oder unverschlüsselte ­ Personendaten ausserhalb der Forschung zu Krankheiten des Menschen sowie zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers oftmals Bereiche betreffen (z.B. Forschung zu Mobilität, Konsumverhalten, Freizeitaktivitäten), von denen keine wesentliche Gefährdung für Würde und Persönlichkeit zu erwarten ist. Aber auch bezüglich Forschungsthemen, die im Vergleich zu den oben genannten Bereichen als sensibler einzustufen sind (z.B.

Geschlechter-, Rassismus- und Religionsforschung), ist der Erlass von Vorschriften aufgrund der bisherigen Erfahrungen nicht erforderlich. Es sind in diesen Bereichen bislang in der Schweiz keine Forschungsaktivitäten oder Missbräuche bekannt, deren Gefährdungspotenzial für Würde und Persönlichkeit den Erlass einer spezifischen Regelung erforderlich machen würde.

Mit dem Erlass des Bundesgesetzes über die Forschung zu Krankheiten des Menschen sowie zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers hat der Bund den ihm erteilten Regelungsauftrag aus heutiger Sicht erfüllt. Die zukunftsoffene Kompetenzregelung von Artikel 118b Absatz 1 BV schliesst hingegen nicht aus, dass der Bundesgesetzgeber zu einem späteren Zeitpunkt ­ z.B. wegen neuer Forschungsaktivitäten, Technologieentwicklungen oder infolge einer veränderten Einschätzung der Gefährdungslage ­ den Erlass von Vorschriften auch für weitere Bereiche ausserhalb der oben genannten Forschung für erforderlich hält.

Schliesslich setzt der vorliegende Entwurf auch das Europäische Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin5 (Biomedizin-Konvention; vgl. Ziff. 1.5.1), soweit es die Forschung am Menschen betrifft, auf Landesebene um.

1.1.3

Allgemeine Zielrichtung des Gesetzesentwurfs

Der vorliegende Gesetzesentwurf stellt ­ in Übereinstimmung mit dem primären Ziel von Artikel 118b BV ­ in erster Linie ein Personenschutzgesetz dar. Zu diesem Zweck verankert und stärkt er einerseits das Persönlichkeitsrecht der Personen, die an einem Forschungsprojekt teilnehmen oder hierzu angefragt werden (z.B. das Erfordernis der Einwilligung nach Aufklärung, das Widerrufsrecht, das Recht auf Nichtwissen). Andererseits legt der Gesetzesentwurf objektive Vorkehren zum Schutz der teilnehmenden Personen fest, so z.B. die Anforderungen an die Wissen5

SR 0.810.2

8056

schaftlichkeit des Forschungsvorhabens, an das zulässige Verhältnis zwischen Risiken und Nutzen sowie letztlich die Prüfung des Forschungsprojekts durch eine Ethikkommission für die Forschung.

Von materiellen Vorgaben wurde mit wenigen Ausnahmen abgesehen. Steht die Relevanz eines Forschungsprojekts für die Wissenschaft und das Verständnis von Krankheiten des Menschen sowie von Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers oder aber für die öffentliche Gesundheit fest, so steht es den Forschenden frei, die Zielrichtung und Methodik ihres Vorhabens innerhalb der von der Wissenschaftsgemeinde («scientific community») selbst vorgegebenen Rahmenbedingungen zu wählen. Damit wird die verfassungsrechtliche Vorgabe, die Forschungsfreiheit zu wahren und die Bedeutung der Forschung für Gesundheit und Gesellschaft zu berücksichtigen, umgesetzt. Da die internationale Zusammenarbeit wie auch der internationale Wettbewerb in der Forschung am Menschen sehr wichtig sind, wurde zudem darauf geachtet, dass der vorliegende Entwurf mit den einschlägigen internationalen Regulierungen kompatibel ist. Auf diesen Aspekt wird auch bei der Ausarbeitung des Ausführungsrechts zu achten sein.

Demgegenüber stellt das Humanforschungsgesetz kein eigentliches Forschungsförderungsgesetz dar. Es enthält weder die Grundlage für die Ausrichtung finanzieller Beiträge an Forschungsvorhaben oder Institutionen noch generelle Erleichterungen bezüglich des Personenschutzes für einzelne Forschungsrichtungen. Hingegen wurde Wert darauf gelegt, die administrativen oder prozeduralen Belastungen auf das zum Schutz von Würde und Persönlichkeit unumgängliche Mindestmass zu beschränken. Daneben soll die Möglichkeit zu sachgerechten Differenzierungen im Rahmen des Ausführungsrechts offen bleiben. Die Forschung profitiert durch den Entwurf von grösserer Rechtssicherheit und verbesserter Transparenz, was das Vertrauen der Bevölkerung in die Forschung stärken kann. Insgesamt können so mit dem Gesetzesentwurf günstige Rahmenbedingungen für die Forschung am Menschen in der Schweiz geschaffen werden.

1.2

Ethische Aspekte

1.2.1

Der Grundkonflikt

Die rasche Entwicklung der Forschung in Biologie und Medizin wirft eine Reihe von Fragen auf, die sich nicht alleine durch die Berufung auf das in der medizinischen Praxis geltende ärztliche Ethos beantworten lassen. Während sich die medizinische Praxis am Wohl und am Nutzen der Patientin bzw. des Patienten orientiert, steht bei der Forschung der Gewinn wissenschaftlicher Erkenntnisse im Vordergrund. Dies selbst dann, wenn bei einem bestimmten Forschungsprojekt ein direkter Nutzen für die Patientin bzw. den Patienten erwartet werden kann. Der ethische Grundkonflikt bei der Forschung am Menschen besteht somit darin, dass die betroffene Person, egal ob gesund oder krank, nie nur in ihrem eigenen Interesse, sondern auch oder nur in fremdem Interesse psychische oder physische Belastungen und Risiken auf sich nimmt. Diese Interessen betreffen zum einen die Forschung (Forschungsfreiheit), zum andern die Gesellschaft (z.B. Fortschritt in der medizinischen Praxis). Die Lösung dieses Interessenkonflikts muss über eine Abwägung erfolgen, bei der den Interessen der betroffenen Person grundsätzlich Priorität einzuräumen ist.

8057

1.2.2

Vier Prinzipien der biomedizinischen Ethik

Die Missachtung der Interessen von Versuchspersonen hat in den vergangenen Jahrzehnten zur Verabschiedung einiger wichtiger, weltweit anerkannter Grundsatzdokumente über den Umgang mit Personen, die an medizinischen Forschungsprojekten teilnehmen, geführt. So ist z.B. im «Nürnberger Kodex» von 1947, der als Reaktion auf die menschenverachtenden Experimente während der Herrschaft des Nationalsozialismus zu verstehen ist, erstmals unmissverständlich festgehalten, dass vor jeder Durchführung eines Versuchs mit einer gesunden oder kranken Person deren freiwillige und informierte Zustimmung («informed consent») vorliegen muss.

Aus ethischer Sicht stellen sich im Zusammenhang mit der Forschung am Menschen grundsätzliche Fragen wie z.B. die, ob die Instrumentalisierung eines Menschen im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie überhaupt gerechtfertigt ist oder nicht.

Daneben ist auch über Aspekte zu befinden, die einer Abwägung bedürfen, wie z.B.

die Zumutbarkeit von Risiken und Belastungen für die betroffene Person. In der Regel werden zur Beantwortung solcher Fragen die vier klassischen Prinzipien der biomedizinischen Ethik herangezogen. Es sind dies: «Autonomie», «Gerechtigkeit», «Schadensvermeidung» und «Fürsorge». Die vier Prinzipien stützen sich auf unterschiedliche Denktraditionen und reichen im Falle des ethischen Prinzips der Schadensvermeidung bis zum Hippokratischen Eid zurück. Die Stärke des auf diesen Prinzipien der biomedizinischen Ethik abgestützten Ansatzes besteht darin, dass bei der Beurteilung konkreter Probleme auf unterschiedliche Aspekte Rücksicht genommen werden kann. Die Prinzipien können nicht immer streng voneinander getrennt werden, sondern überlagern einander oft.

1.2.2.1

Prinzip der Autonomie

Der Mensch darf niemals nur als Mittel zum Zweck missbraucht werden (Verbot der Instrumentalisierung). Grundsätzlich gilt deshalb für alle Forschungsprojekte, dass der Wille, die Interessen und das Wohl jedes Einzelnen die Interessen der Allgemeinheit und der Wissenschaft überwiegen müssen. Daraus leitet sich die Forderung nach Autonomie ab, d.h. nach einer freiwilligen und informierten Einwilligung als Grundvoraussetzung für die Rechtmässigkeit einer medizinischen Handlung im Allgemeinen und eines Forschungsprojekts im Besonderen. An die Aufklärung, die der Einwilligung vorausgehen muss, sind besonders hohe Ansprüche zu richten.

Denn sie umfasst die Informationen, die es der betroffenen Person erlauben, Tragweite und Bedeutung eines Forschungsprojekts zu erfassen, um einen autonomen Entscheid fällen zu können. Die Freiwilligkeit kann insbesondere durch übermässige finanzielle Anreize beeinträchtigt werden. Solche Anreize, etwa in Form von Entschädigungen für die Teilnahme, dürfen nicht unverhältnismässig hoch sein. Dies könnte dazu führen, dass jemand sich nur oder vorwiegend aus finanziellen Gründen zur Teilnahme an einem Forschungsprojekt bereit erklärt, ohne die Risiken in genügendem Masse abzuwägen. Eine Einwilligung ist aber nur dann als freiwillig ­ und somit autonom ­ zu werten, wenn sie ohne Einbezug sachfremder Erwägungen erfolgt.

Personen, die Zweck, Nutzen und Risiken eines Versuchs nicht verstehen bzw. nicht vollumfänglich abschätzen können und deshalb unfähig sind, eine gut informierte und wohlüberlegte Entscheidung zu treffen, gelten aus ethischer Sicht als besonders 8058

verletzbar. Ob Forschung mit urteilsunfähigen Personen ethisch vertretbar ist oder nicht, wird kontrovers diskutiert. Dies insbesondere dann, wenn es um Forschung ohne erwarteten direkten Nutzen geht und somit der Einbezug einer Person in ein Forschungsprojekt nicht mit dem Prinzip der Fürsorge gerechtfertigt werden kann.

Die eine Seite hält die Forschung mit urteilsunfähigen Personen für ethisch nicht vertretbar, weil die betroffenen Personen ihre Eigeninteressen und ihren Willen nicht selbst rechtskräftig artikulieren können. Die andere Seite hält die Unterlassung der Forschung mit urteilsunfähigen Personen für ethisch inakzeptabel, weil sie eine Benachteiligung und Diskriminierung dieser Personengruppe darstellt. Die Diskriminierung bezieht sich in diesem Zusammenhang nicht auf die fehlende Teilnahme dieser Personen an Forschungsprojekten, sondern darauf, dass sie deswegen vom medizinischen Fortschritt ausgeschlossen sind. Dadurch werden ihnen Resultate von Forschungsprojekten vorenthalten, z.B. die Entwicklung von therapeutischen Ansätzen, die gerade ihre gesundheitlichen Probleme betreffen. Dabei wird eine stellvertretende Einwilligung auch vor dem Hintergrund des Autonomieprinzips als ausreichend erachtet.

1.2.2.2

Prinzip der Gerechtigkeit

Gerechtigkeit in der Forschung als ethisches Prinzip soll dadurch gewährleistet werden, dass sorgfältig auf eine gerechte Verteilung zwischen den mit Forschungsuntersuchungen verbundenen Belastungen und den sich daraus ergebenden Vorteilen geachtet wird. Grundsätzlich gilt es als ethisch unzulässig, Lasten und Nutzen bewusst ungleich zu verteilen und z.B. einer Gruppe nur die Risiken und Belastungen von Forschungsprojekten aufzuerlegen, wenn ein daraus resultierender Nutzen oder Fortschritt ausschliesslich einer anderen Gruppe zukommt.

Das ethische Prinzip der Gerechtigkeit beinhaltet zudem das Gebot der Gleichbehandlung. Unter diesem Gesichtspunkt wird insbesondere der allfällige Ausschluss urteilsunfähiger Personen von der Forschung thematisiert. Ein unbegründeter Ausschluss ist diskriminierend, weil er dem Gebot der Gleichbehandlung widerspricht.

Die Tabuisierung dieser Forschung kann dazu führen, dass Krankheiten, die zu Urteilsunfähigkeit führen können (z.B. Alzheimer), nicht hinreichend erforscht werden. Dies wiederum kann sich negativ auf die Gesundheit der entsprechenden Personengruppen auswirken, weil aufgrund der unzureichenden Forschung Behandlungsmöglichkeiten fehlen. Die Diskussion rund um den gerechten Zugang zur Forschung betrifft auch Frauen im gebärfähigen Alter. Die Sorge um ihre Gesundheit und die ihrer Kinder hat dazu geführt, dass Frauen im Alter zwischen 15 und 50 Jahren oft gar nicht in Studien miteinbezogen werden. Auf diese Weise bleiben ihnen oft geeignete und getestete Mittel und Verfahren vorenthalten.

1.2.2.3

Prinzipien der Schadensvermeidung und Fürsorge

Aus den wohl grundlegendsten ethischen Prinzipien ­ dem Verbot, Böses zu tun, und dem Gebot, Gutes zu tun ­ leiten sich für den Gesundheitsbereich die beiden ethischen Prinzipien der Schadensvermeidung und der Fürsorge ab. Nebst der Sicherstellung des selbstbestimmten Entscheids der Versuchsperson (Autonomie) ist die Abwägung von Nutzen und Risiken, die ein Forschungsprojekt mit sich bringt, 8059

zentral. Eine Güterabwägung im Rahmen therapeutisch orientierter Forschung muss ergeben, dass der erwartete Nutzen und die voraussehbaren Risiken und Belastungen für die teilnehmenden Personen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Ist dies nicht der Fall, so dürfen Personen gar nicht erst um eine Einwilligung angefragt werden.

Bei Forschungsprojekten, die keinen direkten Nutzen für die teilnehmende Person erwarten lassen, bei denen also die Interessen der Allgemeinheit die unmittelbaren Interessen der Versuchsperson überwiegen, gilt ein Eingriff dann als unproblematisch, wenn die voraussehbaren Risiken und Belastungen minimal sind. Bei urteilsfähigen Versuchspersonen kann sich eine informierte Einwilligung auch auf grössere Risiken und Belastungen erstrecken. Phase-I-Versuche, bei denen erstmals eine Substanz an einem ­ in den meisten Fällen ­ gesunden Menschen getestet wird und aus Tier- und In-Vitro-Versuchen nur Anhaltspunkte für die Verträglichkeit dieser Substanz bestehen, sind mit besonderen Risiken behaftet und sollten grundsätzlich nicht unter Einbezug besonders verletzbarer Personengruppen durchgeführt werden.

Forschung mit und ohne erwarteten direkten Nutzen wird aus ethischer Sicht unterschiedlich beurteilt, insbesondere dann, wenn es um urteilsunfähige Personen geht.

Deutlich wird dies auch im Bereich der Placebo-kontrollierten Studien. Bei diesen erhält ein Teil der Studienteilnehmenden den Wirkstoff nicht, damit der genaue Effekt der Wirksubstanz im Vergleich mit den Teilnehmenden, die den Wirkstoff erhalten, wissenschaftlich belegt werden kann. Die jeweiligen Teilnehmenden wissen dabei nicht, ob sie der Kontrollgruppe angehören oder nicht. Selbstverständlich ist es aber Teil einer hinreichenden Aufklärung, auf die Placebo-kontrollierte Studie hinzuweisen. Dabei ist zu entscheiden, ob die Studie den Anforderungen an ein Forschungsprojekt ohne direkten Nutzen unterliegt, weil für die PlaceboKontrollgruppe ein Nutzen ausgeschlossen werden kann. Sie sind zwar von den Risiken und Nebenwirkungen, die die Wirksubstanz hat, ausgeschlossen, riskieren aber auch, von einem eventuellen Nutzen ausgeschlossen zu sein. Die ethische und auch wissenschaftliche Diskussion um Placebos hat die Einteilung solcher Studien zu den Projekten mit einem erwarteten direkten Nutzen bejaht,
dabei aber zu einigen Prämissen geführt, die berücksichtigt werden sollten: Um die Risiken einer Nichtbehandlung einer bestehenden Krankheit zu minimieren, ist ein neuer Wirkstoff in der Regel gegen eine Standardtherapie und nur beim Fehlen einer solchen gegen ein Placebo zu testen. Somit wird die Kontrollgruppe nach dem besten bestehenden Standard der Medizin behandelt. Zum zweiten gilt es, sobald die verbesserte Wirksamkeit einer Substanz festgestellt wird, den Versuch auf die ganze Studiengruppe auszudehnen.

Hauptmotiv für die Teilnahme an einem Forschungsprojekt ist idealerweise der Wunsch, aktiv zum medizinischen Fortschritt im Interesse der Gesellschaft und von Patientinnen und Patienten beizutragen. Schwierig sind vor diesem Hintergrund Situationen zu beurteilen, in denen schwerstkranke Menschen in Forschungsprojekte miteinbezogen werden. Diese Menschen sind angesichts der Hoffnungslosigkeit der eigenen Situation oftmals bereit, in die Teilnahme an Projekten einzuwilligen und vielleicht hohe Belastungen und Risiken zulasten der Lebensqualität in Kauf zu nehmen. In diesem Falle ist neben dem Prinzip der Schadensvermeidung und Fürsorge freilich auch der Grundsatz der Autonomie tangiert. Solche Menschen nicht auszunutzen, indem der scheinbar rettende Strohhalm angeboten wird, sondern das Wohl und die Interessen der Betroffenen vertieft mitzubedenken, ist ebenfalls ein Teilgehalt des Prinzips der Fürsorge. So hat die Aufklärung in diesem Bereich der 8060

Darstellung der Risiken und der realistischen Einschätzung des möglichen Nutzens in besonderem Masse Rechnung zu tragen.

Der enge Zusammenhang zwischen der Nutzen-Risiko-Abwägung und dem Erfordernis einer Einwilligung wird mit Blick auf die Forschung mit urteilsunfähigen Personen offensichtlich. In diesem Fall hat die Abwägung ganz besonders sorgfältig zu erfolgen, denn die betroffene Person kann den Risiken in aller Regel nicht im vollen Bewusstsein ihrer Auswirkungen zustimmen. Spezifische Fragen der Rechtfertigung stellen sich bei Forschungsprojekten mit urteilsunfähigen Personen, die keinen unmittelbaren Nutzen für die in die Forschung einbezogene Person erwarten lassen, eventuell aber einen Gruppennutzen, d.h. einen zukünftigen Nutzen für Personen, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden. In einem solchen Fall sind ausschliesslich minimale Risiken und Belastungen ethisch vertretbar.

1.3

Wissenschaftliche Aspekte

Forschung zu Krankheiten des Menschen sowie zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers im Sinne des vorliegenden Entwurfs findet in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen statt. Dazu zählen namentlich die Humanbiologie, die Medizin im engeren Sinne, die Ernährungs-, Pflege- und Sportwissenschaften und die Psychologie. Gleichzeitig können unabhängig von der wissenschaftlichen Disziplin drei grosse Bereiche in der oben genannten Forschung unterschieden werden, nämlich die Grundlagenforschung, die klinische Forschung und die PublicHealth-Forschung.

Die Grundlagenforschung betrifft allgemein die Funktionsweisen biologischer Systeme und Prozesse. Sie liefert unverzichtbare Basiserkenntnisse etwa über Aufbau und Funktionen von Zellen und Organen. Darüber hinaus können in der Grundlagenforschung Erkenntnisse über Ursachen und Entstehung von Krankheiten des menschlichen Körpers wie auch von psychischen Krankheiten gewonnen werden, die in die klinische Forschung einfliessen. Zu den wichtigen Bereichen der Grundlagenforschung zählen die Anatomie, die Physiologie und die Pathophysiologie.

Mit dem Begriff «klinische Forschung» ist in der Regel die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Erkennung und Behandlung von Krankheiten und Gesundheitsstörungen gemeint. Klinische Forschung ist die Grundlage der sogenannten evidenzbasierten Medizin («evidence based medecine»), die heute allgemein das ärztliche Handeln bestimmt. Evidenzbasierte Medizin verlangt, dass alle medizinischen Massnahmen auf der Basis wissenschaftlich geprüfter Erkenntnisse betreffend ihre Wirksamkeit und Sicherheit getroffen werden. Diese Erkenntnisse liefert die klinische Forschung.

Oft handelt es sich bei der klinischen Forschung um klinische Versuche mit Heilmitteln. Klinische Versuche mit Heilmitteln werden in vier Phasen unterteilt: In Phase I wird die Verträglichkeit eines Wirkstoffs meist an einer kleinen Gruppe gesunder Personen geprüft. In Phase II werden die Wirksamkeit und der Dosierungsbereich des Wirkstoffs an 50­200 Personen getestet, die an der Krankheit leiden, gegen die der Wirkstoff entwickelt wurde. In Phase III wird die Sicherheit und Wirksamkeit des Wirkstoffs an einer grossen Patientengruppe (ca. 200­10 000 Personen) untersucht. Wenn Phase III erfolgreich beendet ist, kann die Marktzulassung beantragt werden. Phase IV-Studien finden nach der Markteinführung des Medikaments statt, 8061

um z.B. seltene Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen Substanzen zu erforschen.

In den Phasen I­III handelt es sich meist um sogenannte randomisierte kontrollierte Studien. Dabei wird eine Personengruppe mit der zu prüfenden Therapiemethode behandelt und die Resultate werden mit denjenigen einer Kontrollgruppe verglichen, bei der diese Methode nicht angewendet wird. Die Personen werden dabei nach dem Zufallsprinzip in Gruppen eingeteilt. Diese Studien erlauben statistische Aussagen über die Wirksamkeit einer Methode im Vergleich zu einer anderen. In einer randomisierten kontrollierten Studie kann z.B. eine neue mit einer bereits etablierten Therapieform oder mit einem Placebo, d.h. einem Scheinmedikament, verglichen werden.

Neben der auf den einzelnen Menschen konzentrierten Forschung im Hinblick auf Krankheiten des Menschen sowie zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers kann Gesundheit auch als ein Gut der Allgemeinheit wahrgenommen werden.

Forschung in diesem Gebiet wird als «Public-Health-Forschung» bezeichnet und richtet sich nach den Bedingungen, unter denen die Gesundheit der Bevölkerung oder Teilen davon als Gesamtheit verbessert werden kann. Hierzu zählen Prävention und Gesundheitsförderung, gesundheitliche Versorgung, Umwelthygiene, Sozialhygiene sowie Epidemiologie, die zusammen den Begriff «Public Health» ausmachen. Zentrale Fragestellungen in diesen Forschungsrichtungen sind z.B. die Identifikation der wichtigsten Gesundheitsprobleme der Bevölkerung, die Festsetzung von Prioritäten in der Gesundheitspolitik und die Optimierung der im Gesundheitswesen aktiven Institutionen. Forschungsprojekte in «Public Health» werden typischerweise interdisziplinär gestaltet. Dementsprechend kommen oft verschiedene Forschungsmethoden parallel zum Einsatz, z.B. eine Kombination von sozial- und naturwissenschaftlichen Methoden.

1.4

Rechtslage in der Schweiz

1.4.1

Übersicht

Mit Artikel 118b BV besteht neu eine umfassende Bundeskompetenz zur Regelung der Forschung am Menschen. Aus Absatz 2 dieser Bestimmung ergeben sich zudem materielle Grundsätze (vgl. Ziff. 1.1.1). Zusätzlich finden sich in den Verfassungsnormen zur Fortpflanzungsmedizin und Gentechnologie im Humanbereich (Art. 119 BV) und zur Transplantationsmedizin (Art. 119a BV) Vorgaben, die auch für die Forschung relevant sind.6 Die geltende Gesetzgebung zur Forschung am Menschen in der Schweiz ist demgegenüber unvollständig und ergibt insgesamt ein unübersichtliches Bild. Auf Bundesebene ergeben sich allgemeine Schranken zum Schutz der an Forschungsvorhaben teilnehmenden Personen aus dem zivilrechtlichen Schutz der Persönlichkeit7 und durch strafrechtliche Normen, insbesondere zum Schutz von Leib und Leben.8 Forschungsspezifische Vorschriften finden sich nur in bestimmten, nachfolgend 6

7 8

Diesbezüglich wird auf die Ausführungen in der Botschaft vom 12. Sept. 2007 zum Verfassungsartikel über die Forschung am Menschen verwiesen (BBl 2007 6713, insbes. 6740 ff.).

Zivilgesetzbuch (ZGB; SR 210) Strafgesetzbuch (StGB; SR 311.0)

8062

aufgeführten Bereichen. Zudem stellt die Krankenversicherungsgesetzgebung klar, dass die obligatorische Krankenpflegeversicherung grundsätzlich keine Kosten für die medizinische Forschung übernimmt.9 Im Übrigen liegen in den meisten Kantonen zwar Bestimmungen zur Forschung am Menschen vor, insbesondere zur medizinischen Forschung mit Personen; diese unterscheiden sich in ihrem Umfang und ihrem Detaillierungsgrad aber sehr stark.

1.4.2

Bundesgesetzgebung

1.4.2.1

Heilmittel

Das Heilmittelgesetz vom 15. Dezember 200010 (HMG) soll zum Schutz der Gesundheit gewährleisten, dass nur qualitativ hochstehende, sichere und wirksame Arzneimittel und Medizinprodukte in Verkehr gebracht werden. Zu diesem Zweck müssen deren Sicherheit und Wirksamkeit vor ihrer Markteinführung im Rahmen klinischer Versuche geprüft werden. Die im HMG zum Schutz der an solchen Versuchen teilnehmenden Personen bestehenden Vorschriften werden in der Verordnung vom 17. Oktober 200111 über klinische Versuche mit Heilmitteln konkretisiert.

Die wichtigsten Vorgaben betreffen die Einhaltung der anerkannten Regeln der «Guten Praxis der klinischen Versuche»12, die Einholung der Einwilligung nach umfassender Aufklärung, die Gewährleistung der vollumfänglichen Entschädigung im Schadensfall sowie die Zustimmung der zuständigen Ethikkommission.

Klinische Versuche an urteilsunfähigen sowie urteilsfähigen, aber unmündigen oder entmündigten Personen unterliegen zusätzlichen Bedingungen. Derartige Versuche dürfen nur durchgeführt werden, wenn neben der Zustimmung der gesetzlichen Vertretung mit einem Versuch an urteilsfähigen und mündigen Personen keine vergleichbaren Erkenntnisse erzielt werden können. Zudem muss die urteilsfähige, aber unmündige oder entmündigte Person eingewilligt haben bzw. es dürfen keine Anzeichen eines Widerstands seitens der urteilsunfähigen Person erkennbar sein.

An den genannten Personengruppen sind klinische Versuche ohne erwarteten direkten Nutzen für diese ausnahmsweise dann erlaubt, wenn zusätzlich zu den obengenannten Anforderungen der Versuch wichtige Erkenntnisse über den Zustand, die Krankheit oder die Leiden der Versuchspersonen erwarten lässt, die den betroffenen Versuchspersonen oder anderen Personen derselben Personengruppe langfristig einen Nutzen bringen. In diesem Fall müssen die Risiken und Unannehmlichkeiten zudem geringfügig sein.

Geregelt sind ferner die klinischen Versuche in medizinischen Notfallsituationen.

Bei klinischen Versuchen in solchen Situationen muss namentlich vorgesehen sein, innert nützlicher Frist die Zustimmung der gesetzlichen Vertretung einzuholen und den Willen der Versuchsperson abzuklären. Zudem hat eine Ärztin oder ein Arzt, die oder der nicht am Versuch beteiligt ist, die Wahrung der Interessen der Versuchsperson sicherzustellen.

9 10 11 12

Art. 49 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (SR 832.10).

SR 812.21 SR 812.214.2 Diesbezüglich verweist die Verordnung u.a. auf die ICH-GCP-Guideline (vgl. Ziff. 1.6.5).

8063

Das Heilmittelgesetz regelt auch die Kontrolle der klinischen Versuche. So muss jeder klinische Versuch mit Heilmitteln zusätzlich zum positiven Votum der Ethikkommission dem Schweizerischen Heilmittelinstitut (Swissmedic) gemeldet werden, das ihn nach erfolgter Prüfung freigibt (sog. Notifikation). Die von den Kantonen bezeichneten Ethikkommissionen beurteilen die Versuche von einem ethischen Standpunkt aus und überprüfen deren wissenschaftliche Qualität unter Berücksichtigung der örtlichen Voraussetzungen.

1.4.2.2

Transplantation

Das Transplantationsgesetz vom 8. Oktober 200413 regelt auch klinische Versuche der Transplantation menschlicher Organe, Gewebe und Zellen. Im Wesentlichen werden die oben beschriebenen Bestimmungen des Heilmittelgesetzes sinngemäss für anwendbar erklärt. In Analogie zum Heilmittelgesetz ist u.a. die Kontrolle der klinischen Versuche durch die zuständigen Ethikkommissionen und das Bundesamt für Gesundheit vorgeschrieben.

1.4.2.3

Forschung mit embryonalen Stammzellen

Das Stammzellenforschungsgesetz vom 19. Dezember 200314 (StFG) legt fest, unter welchen Voraussetzungen menschliche embryonale Stammzellen aus überzähligen, im Rahmen der In-vitro-Fertilisation erzeugten Embryonen gewonnen und zu Forschungszwecken verwendet werden dürfen. Verboten bleibt hingegen die Forschung an Embryonen in vitro. Nicht unter das Stammzellenforschungsgesetz fallen die Gewinnung und Verwendung von Stammzellen aus Embryonen bzw. Föten aus Schwangerschaftsabbrüchen zu Forschungszwecken.

Jedes Forschungsprojekt mit embryonalen Stammzellen untersteht Bewilligungsund Meldepflichten bei Ethikkommissionen und beim Bundesamt für Gesundheit.

1.4.2.4

Fortpflanzungsmedizin

Das Fortpflanzungsmedizingesetz vom 18. Dezember 199815 regelt die Verfahren der medizinisch unterstützten Fortpflanzung, bezieht sich aber grundsätzlich nicht auf die Forschung in diesem Bereich. Es enthält jedoch mehrere Verbote, die auch die entsprechende Forschung erfassen: So sind z.B. das Erzeugen eines Embryos zu Forschungszwecken, der verändernde Eingriff in das Erbgut von Keimbahnzellen, die Keimbahntherapie und die Bildung eines Klons sowie die Chimären- und die Hybridbildung unzulässig.

Demgegenüber erfasst das Fortpflanzungsmedizingesetz nicht die Samen- und Eizellenspende zu Forschungszwecken, die Forschung mit schwangeren Frauen, an Embryonen und Föten in vivo bzw. aus Schwangerschaftsabbrüchen und Spontanaborten oder an Totgeburten.

13 14 15

SR 810.21 SR 810.31 SR 810.11

8064

1.4.2.5

Genetische Untersuchungen beim Menschen

Das Bundesgesetz vom 8. Oktober 200416 über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG) regelt die Forschung nur bezüglich der Weiterverwendung von biologischem Material für genetische Untersuchungen. Danach dürfen genetische Untersuchungen zu Forschungszwecken mit biologischem Material, das zu anderen als Forschungszwecken entnommen worden ist, durchgeführt werden, wenn die Anonymität der betroffenen Person gewährleistet ist und diese nach Information über ihre Rechte eine solche Weiterverwendung nicht ausdrücklich untersagt hat.

1.4.2.6

Datenschutz

Das Bundesgesetz vom 19. Juni 199217 über den Datenschutz (DSG) bezeichnet insbesondere Daten über die Gesundheit und die Intimsphäre als besonders schützenswert. Dabei gelten als Angaben über die Gesundheit alle Informationen, die direkt oder indirekt Rückschlüsse über den physischen oder psychischen Gesundheitszustand einer Person zulassen.

Das Gesetz enthält einleitend allgemeine Grundsätze. So dürfen Personendaten nur für den Zweck bearbeitet werden, der bei der Beschaffung angegeben wurde, aus den Umständen ersichtlich oder gesetzlich vorgesehen ist. Für die Beschaffung besonders schützenswerter Personendaten besteht eine Informationspflicht. Die Persönlichkeit der betroffenen Person darf durch die Bearbeitung ihrer Daten nicht widerrechtlich verletzt werden. Wie beim zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz kann eine Persönlichkeitsverletzung durch die Einwilligung der betroffenen Person, durch ein überwiegendes Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt werden.

Das Datenschutzgesetz enthält für das Bearbeiten von Personendaten in der Forschung gewisse Erleichterungen («Forschungsprivilegien»). So fällt ein überwiegendes Interesse der bearbeitenden Person in Betracht, wenn diese Personendaten zu nicht personenbezogenen Zwecken (wie zur Forschung) bearbeitet und die Ergebnisse so veröffentlicht werden, dass die betroffenen Personen nicht bestimmbar sind. Auch Bundesorgane dürfen Personendaten zu nicht personenbezogenen Zwecken bearbeiten, wenn u.a. die Daten anonymisiert werden, sobald es der Zweck des Bearbeitens erlaubt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so ist eine Einwilligung der betroffenen Person nicht notwendig. Dies gilt selbst dann, wenn die Bearbeitung besonders schützenswerter Personendaten in der Forschung durch die betroffene Person vorgängig ausdrücklich untersagt wurde.

1.4.2.7

Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung

Mit Artikel 321bis Absatz 1 StGB ist das Berufsgeheimnis, das Personen durch eine Forschungstätigkeit im Bereich der Medizin oder des Gesundheitswesens bekannt wird, strafrechtlich geschützt. Absatz 2 bezweckt hingegen, die Offenbarung des Berufsgeheimnisses bzw. die Weitergabe von durch das Berufsgeheimnis geschützten Personendaten an Dritte unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne ausdrück16 17

SR 810.12 SR 235.1

8065

liche Einwilligung der betroffenen Personen zu ermöglichen. Basierend auf dieser Regelung werden insbesondere retrospektive Forschungsaktivitäten mit Personendaten durchgeführt. Unter den Begriff «Forschung» werden hier auch Aus- und Weiterbildungsaktivitäten subsumiert.18 Die ausnahmsweise Offenbarung des Berufsgeheimnisses zugunsten der medizinischen Forschung muss durch die Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung bewilligt werden. Die Kommission erteilt die Bewilligung, wenn die Forschung nicht mit anonymisierten Daten durchgeführt werden kann, die Einholung der Einwilligung unmöglich oder unverhältnismässig schwierig ist und wenn die Forschungs- die Geheimhaltungsinteressen überwiegen. Zudem darf die betroffene Person nach Aufklärung über ihre Rechte nicht von ihrem Vetorecht Gebrauch gemacht haben.

Neben den Bewilligungen für konkrete Forschungsprojekte können zwei weitere Arten von Bewilligungen erteilt werden: ­

Klinikbewilligungen ermöglichen die Weitergabe von Personendaten für die Forschung innerhalb einer bestimmten Klinik bzw. Institution; die Bewilligung ist mit der Auflage verbunden, das jeweilige Forschungsprojekt von einer Ethikkommission oder einem anderen Gremium genehmigen zu lassen.

­

Registerbewilligungen ermöglichen die Weitergabe von Personendaten an Krebsregister oder andere medizinische Register.

1.4.3

Kantonale Gesetzgebung

Mit Ausnahme einiger weniger Kantone, die zur Forschung am Menschen keinerlei Vorschriften erlassen haben, finden sich in den kantonalen Gesetzgebungen Regelungen zur medizinischen Forschung mit Personen. Dabei werden oftmals die Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften zu Forschungsuntersuchungen an Personen (vgl. Ziff. 1.6.1) oder die «Gute Praxis der klinischen Versuche» (vgl. Ziff. 1.6.5) für verbindlich erklärt.

Besonderes Gewicht wird in den kantonalen Regelungen auf das Erfordernis einer Aufklärung und freien Einwilligung der Versuchsperson gelegt. Mehrere Kantone regeln zudem ausdrücklich die Forschung an urteilsunfähigen Personen. Dabei wird diese Forschung unter bestimmten Voraussetzungen, namentlich bei Einwilligung der gesetzlichen Vertretung, mehrheitlich zugelassen. Einzelne Kantone erlauben die Forschung an Urteilsunfähigen nur, wenn sie einen direkten Nutzen für deren Gesundheitszustand anstrebt (z.B. NE und TI), verbieten also die fremdnützige Forschung an Urteilsunfähigen.

Bezüglich der Forschung mit Personendaten sehen einige kantonale Datenschutzgesetze analog zur Bundesregelung (vgl. Ziff. 1.4.2.6) die Möglichkeit vor, Daten zu Forschungszwecken auch dann bearbeiten zu können, wenn keine Einwilligung der betroffenen Person vorliegt (z.B. BE und BS).

Alle Kantone, die die medizinische Forschung am Menschen regeln, schreiben die Prüfung von Projekten mit Personen in der Medizin oder zumindest im Heilmittel18

Vgl. Botschaft vom 23. März 1988 zum Bundesgesetz über den Datenschutz, BBl 1988 II 490.

8066

bereich durch Ethikkommissionen fest. Über diese Bereiche hinausgehende Forschung wird nur teilweise explizit der Kontrolle einer Ethikkommission unterstellt (z.B. klinisch-psychologische Forschung in BE, Forschung mit Patientendaten und Geweben in BS und BL).

Einige Kantone haben die Bildung gemeinsamer Ethikkommissionen vereinbart (z.B. BL und BS) oder erklären aufgrund eines interkantonalen Vertrags eine ausserkantonale Ethikkommission für zuständig (z.B. ist die Ethikkommission LU auch zuständig in OW, NW, SZ, UR und ZG). Vereinzelt haben Kantone (z.B. GE und ZH) entscheidkompetente Subkommissionen für bestimmte Fachbereiche oder Örtlichkeiten und eine zentrale Kommission zwecks Aufsicht und Koordination eingesetzt. In formeller Hinsicht wird das Votum der Ethikkommission als anfechtbare Verfügung, befürwortende Stellungnahme oder als Empfehlung bezeichnet, was entsprechend unterschiedliche Auswirkungen auf den Rechtsschutz zur Folge hat.

1.5

Internationale Rechtslage und Gesetzgebung in anderen Ländern

1.5.1

Europarat

­

Das Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin (Biomedizin-Konvention, 1997)19 ist in der Schweiz seit dem 1. November 2008 in Kraft. Es enthält unter anderem Regelungen für Forschungsvorhaben mit Personen.

So ist Forschung mit Personen nur erlaubt, wenn es keine Alternative von vergleichbarer Wirksamkeit zur Forschung mit Personen gibt (allgemeines Prinzip der Subsidiarität). Daneben werden die allgemeinen Grundsätze zur Einwilligung nach Aufklärung, zum Risiko-Nutzen-Verhältnis und zu einer unabhängigen Überprüfung der Forschungsvorhaben festgesetzt. Forschung an nicht einwilligungsfähigen Personen ist nur erlaubt, wenn zusätzlich zu den allgemeinen Anforderungen die gesetzliche Vertretung eingewilligt hat, die betroffene Person nicht ablehnt und die erwarteten Forschungsergebnisse für die Gesundheit der betroffenen Person von unmittelbarem Nutzen sind.

Ist Letzteres nicht der Fall, muss das Vorhaben wesentliche Erkenntnisse über den Zustand, die Krankheit oder die Störung der betreffenden Personengruppe bezwecken und darf für die teilnehmende Person nur mit minimalen Risiken und Belastungen verbunden sein.

Im Übrigen lässt es die Biomedizin-Konvention den einzelnen Staaten frei, einen über ihren Standard hinausreichenden Schutz zu gewährleisten.

­

19 20

Das Zusatzprotokoll zur Biomedizin-Konvention bezüglich der Forschung am Menschen (2005)20 konkretisiert und ergänzt die in der BiomedizinKonvention enthaltenen Grundsätze für den Bereich der biomedizinischen Forschung. Es erfasst das gesamte Spektrum von Forschungsaktivitäten im SR 0.810.2; vgl. auch die Botschaft vom 12. Sept. 2001 zur Genehmigung der Biomedizin-Konvention, BBl 2002 271.

Einsehbar unter www.coe.int, Rubrik «Legal Affairs».

8067

Gesundheitsbereich, die mit Interventionen an Personen verbunden sind. Mit «Intervention» ist entweder eine körperliche Intervention oder jede andere Intervention gemeint, soweit sie mit einer Gefahr für die psychische Gesundheit der betroffenen Person verbunden ist. Das Zusatzprotokoll regelt auch die Forschung an Embryonen und Föten in vivo ohne erwarteten direkten Nutzen für die Gesundheit der Frau, des Embryos, des Fötus oder des Kindes nach der Geburt; hierzu gelten analoge Zusatzbedingungen wie für die Forschung ohne direkten Nutzen mit einwilligungsunfähigen Personen.

Vergleichbare Vorschriften bestehen zudem für die Forschung in Notfallsituationen und mit Gefangenen. Das Zusatzprotokoll enthält zudem detailliertere Regelungen zu der von den Ethikkommissionen durchzuführenden Überprüfung und den diesen Gremien zu unterbreitenden Unterlagen.

­

Die Empfehlung über die Forschung mit humanbiologischem Material (2006)21 umfasst sowohl Forschung mit eigens zu Forschungszwecken gewonnenem Material wie auch Forschung mit Material, das in einem anderen Zusammenhang (z.B. Operation) entnommen wurde. Verankert werden Grundsätze wie das Verbot der Diskriminierung und der Kommerzialisierung. Die Entnahme von biologischem Material zu Forschungszwecken hat in Übereinstimmung mit dem Zusatzprotokoll über die Forschung am Menschen zu erfolgen. Für die Weiterverwendung von biologischem Material zu Forschungszwecken, die zu einem anderen Zweck entnommen worden sind, wird grundsätzlich eine Einwilligung verlangt. Für Sammlungen von biologischem Material und Bevölkerungs-Biobanken wird insbesondere verlangt, dass die Proben dokumentiert, die Bedingungen für den Zugang und die Verwendung bestimmt sowie Qualitätssicherungsmassnahmen vorgesehen werden. Auch ein Recht auf Rückzug oder einer Änderung der Einwilligung wird vorgesehen. Der Export von biologischem Material ist zulässig, falls im Zielland ein adäquates Schutzniveau vorliegt. Generell ist die Durchführung von Forschungsprojekten mit biologischem Material nur mit einer Einwilligung zulässig. In Fällen, wo Forschungsprojekte an nicht anonymisiertem Material durchgeführt werden sollen, für das keine Einwilligung vorliegt, ist ein Einwilligungssubstitut möglich. Anonymisiertes Material darf für Forschungszwecke ohne Einwilligung verwendet werden, wenn die betroffene Person keine Einwände dagegen erhoben hat. Für jedes Forschungsprojekt wird eine Überprüfung durch eine Ethikkommission verlangt.

1.5.2

Europäische Union

Die Richtlinie 2001/20/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 4. April 2001 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln (EG-GCP-Richtlinie, 2001)22 regelt die Durchführung klinischer Prüfungen mit Arzneimitteln an Menschen einschliesslich multizentrischer Prüfungen. Die Richtlinie setzt die allgemeinen Grundsätze (z.B. das zulässige Risiko-Nutzen-Verhältnis, Einwilligung nach Aufklärung) fest. Sie ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen die Forschung mit minder21 22

Einsehbar unter www.coe.int, Rubrik «Legal Affairs».

ABl. L 121 vom 1.5.2001, S. 34.

8068

jährigen Personen sowohl mit als auch ohne direkten Nutzen für die teilnehmenden Personen. Hingegen ist die Forschung mit gesunden einwilligungsunfähigen Erwachsenen unzulässig. Für jeden klinischen Versuch mit Arzneimitteln ist ein positives Votum einer Ethikkommission notwendig. Ethikkommissionen werden als unabhängige Gremien definiert, deren Aufgabe es ist, den Schutz der Rechte, die Sicherheit und das Wohlergehen von Personen sicherzustellen, die an einem klinischen Versuch teilnehmen. Bei Multizenterstudien wird ein einziges Votum verlangt, auch wenn im betreffenden Land mehrere Versuchsorte vorgesehen bzw.

Ethikkommissionen zuständig sind; die landesinterne Umsetzung wird den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen. Prüfkriterien, Beurteilungsfristen, Zusammensetzung und Organisation haben sich an den ICH-GCP-Leitlinien (vgl. Ziff. 1.6.5) zu orientieren.

1.5.3

Rechtslage in anderen Ländern

In inhaltlicher Hinsicht berücksichtigen die Gesetzgebungen anderer Länder zur Forschung am Menschen die anerkannten Grundsätze, wie sie insbesondere durch die Deklaration von Helsinki, die ICH-GCP-Guideline sowie ­ für die Mitgliedstaaten der EG ­ die EG-GCP-Richtlinie vorgegeben werden. Unterschiede bestehen demgegenüber bezüglich der Bereiche, die von den nationalen Gesetzgebungen erfasst werden: ­

Nationale Vorschriften bezüglich Forschung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten: Über eine bundesgesetzliche Regelung allein der Forschung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten verfügt z.B. Deutschland (Arzneimittelgesetz von 2004 und Medizinproduktegesetz von 1994). Die übrige Forschung mit Personen wird meist durch das Standesrecht oder vereinzelt in Ländervorschriften geregelt.

­

Nationale Vorschriften zur Forschung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten als auch zur Forschung in bestimmten Institutionen: Neben der Arzneimittel- und Medizinprodukteforschung (Clinical Trial Regulations, 1994) regelt z.B. Grossbritannien auch die vom National Health Service durchgeführte bzw. geförderte Forschung. Gleiches gilt für die Vereinigten Staaten von Amerika (21. sowie 46. Titel des Code of Federal Regulations). Ebenso verfügt Österreich neben einem Arzneimittel- und Medizinproduktegesetz auch über Forschungsvorschriften in der Krankenhaus- und Universitätsgesetzgebung.

­

Nationale Vorschriften zur gesamten Forschung mit Personen: Mit dem «loi relative aux expérimentations sur la personne humaine» (2004) verfügt insbesondere Belgien über ein Gesetz, das die biomedizinische Forschung mit Personen umfassend regelt.

­

Umfassende nationale Gesetzgebung zur Forschung am Menschen: Eine umfassende, die Forschung an biologischem Material einschliessende Gesetzgebung findet sich z.B. in Frankreich (Code de la santé publique, 2004) und in Spanien (Ley sobre investigación Biomédica, 2007).

8069

­

Spezifische nationale Gesetzgebungen zur Forschung mit biologischem Material oder Biobanken: Eigenständige, nicht in die übrige Forschungsgesetzgebung integrierte Vorschriften existieren z.B. in Grossbritannien (Human Tissue Act, 2004) und in Schweden (Biobanks in Medical Care Act, 2002).

1.6

Richtlinien und Deklarationen

1.6.1

Richtlinien der Akademien der Wissenschaften Schweiz

Die Akademien der Wissenschaften Schweiz, insbesondere die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW)23, haben Richtlinien zur Forschung am Menschen erlassen. Diese sind zwar nicht rechtlich bindend, entfalten aber insbesondere bei deren Aufnahme in das Standesrecht24 eine nicht zu unterschätzende indirekte Wirkung. Rechtliche Verbindlichkeit können sie aber bei einem Verweis in der Gesetzgebung von Bund und Kantonen erlangen.

So verweisen mehrere Kantone in ihrer Gesetzgebung ganz oder teilweise auf die Medizinisch-ethischen Richtlinien für Forschungsuntersuchungen am Menschen (1997) der SAMW. Diese wurden inzwischen zurückgezogen und 2009 durch einen Leitfaden für die Forschung mit Menschen abgelöst. Der Leitfaden anerkennt die Helsinki-Deklaration des Weltärztebundes (vgl. Ziff. 1.6.4) als Referenzdokument und verzichtet auf konkrete Vorgaben. Vielmehr soll der Leitfaden namentlich der Orientierung bei der Konzeption und der Beurteilung von Forschungsvorhaben mit Menschen dienen.

Im Weiteren publizierte die SAMW Richtlinien zur Zusammenarbeit Ärzteschaft ­ Industrie (2005), welche die Wahrung von Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der Ärzteschaft und der Forschung bezwecken. So kann die Transparenz der klinischen Forschung z.B. durch die Erfassung aller klinischen Versuche in einem zentralen Register und die Offenlegung der Finanzierungsquellen bei der Publikation der Versuchsergebnisse erhöht werden. Zudem soll die Unabhängigkeit der forschenden Ärzteschaft durch diverse Vorgaben (z.B. das Verbot eines finanziellen Interesses der Ärzteschaft am Versuch oder dessen Ergebnis, die Verwaltung von Drittmittelkonten durch die Forschungsinstitutionen selbst) gewährleistet werden.

Bezüglich der Forschung mit biologischem Material sind die medizinisch-ethischen Richtlinien der SAMW zu Biobanken: Gewinnung, Aufbewahrung und Nutzung von menschlichem biologischem Material für Ausbildung und Forschung (2006) beachtenswert. Diese auch Ausbildung und Qualitätssicherung einschliessenden Vorgaben legen einerseits allgemeine Anforderungen an Biobanken bezüglich Qualitätsstandards, Datenschutz und Modalitäten der Weitergabe von biologischem Material und Daten fest; zudem soll eine Biobank über ein Reglement verfügen. Andererseits enthalten die Richtlinien Vorgaben zu Aufklärung, Einwilligung und Widerruf, zum Umgang mit urteilsunfähigen Spendern und mit biologischem Material verstorbener

23 24

Die Richtlinien und der Leitfaden für die Forschung mit Menschen sind einsehbar unter www.samw.ch.

Z.B. die Standesordnung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH, einsehbar unter www.fmh.ch.

8070

Personen sowie zur nachträglichen Information der Spendenden über relevante Ereignisse.

Schliesslich haben die Akademien der Wissenschaften der Schweiz Grundsätze und Verfahrensregeln zur wissenschaftlichen Integrität (2008)25 festgehalten. Sie regeln insbesondere die Planung und Durchführung von Forschungsprojekten unter dem Blickwinkel der Wahrhaftigkeit und Transparenz sowie der Fairness. So muss insbesondere ein Projektplan vorliegen, der die Nachvollziehbarkeit der Forschungsergebnisse ermöglicht, die Verantwortlichkeiten und die Rolle der einzelnen Personen aufzeigt sowie die Finanzierung und deren Quellen transparent macht. Ebenso sind Interessenbindungen offenzulegen und Interessenkonflikte durch geeignete, schriftlich festzuhaltende Vorkehren zu vermeiden. Forschungsergebnisse müssen zudem unvoreingenommen und vollständig publiziert werden. Als Autorin oder Autor darf nur aufgeführt werden, wer einen wesentlichen wissenschaftlichen Beitrag geleistet hat, wobei die Leitung des Forschungsprojekts verantwortlich für die gesamte inhaltliche Richtigkeit der Publikation ist. Das Dokument enthält zudem eine Umschreibung des wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Bei einem entsprechenden Verdacht wird ein bei der Trägerinstitution angesiedeltes Verfahren zur Ermittlung und Feststellung eines solchen Fehlverhaltens empfohlen.

1.6.2

Stellungnahme der Nationalen Ethikkommission

Die Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK-CNE) veröffentlichte 2009 eine Stellungnahme zur Forschung mit Kindern.26 Die NEK-CNE bejaht dabei die besondere Schutzbedürftigkeit von Minderjährigen und namentlich Kindern, da diese nicht in vollem Sinn urteilsfähig sind und die Entscheidung über die Teilnahme an der Forschung durch die gesetzliche Vertretung (in der Regel die Eltern) getroffen wird. Demzufolge besteht, speziell bei der sogenannten «fremdnützigen» Forschung, die Gefahr, Kinder zu instrumentalisieren oder anderweitig nicht in ihrem spezifischen Interesse zu handeln.

Zugleich besteht gemäss der Stellungnahme ein grosser Bedarf an Forschung mit Kindern und Jugendlichen, um das medizinische Wissen über sie zu erweitern. Dies betrifft vor allem die Verabreichung und Erprobung von Medikamenten. Die NEKCNE macht sich in ihren Empfehlungen deshalb für eine vermehrte Generierung medizinischen Wissens stark, das im Interesse der Minderjährigen selbst liegt. Sie fordert hierbei aber die konsequente Einhaltung ethisch gebotener Schutzmassnahmen. Zu diesen Massnahmen werden unter anderem das Subsidiaritätsprinzip, die altersgerechte Aufklärung des Kindes und die Berücksichtigung allfälliger Zeichen einer Ablehnung gegen Forschungshandlungen gezählt. Bei fremdnütziger Forschung müssen Risiken und Belastungen für das Kind «zumutbar» sein.

25 26

Einsehbar unter www.akademien-schweiz.ch.

Stellungnahme Nr. 16/2009, einsehbar unter www.nek-cne.ch.

8071

1.6.3

Richtlinien und Deklarationen der Organisation der Vereinten Nationen

Seitens der Organisation der Vereinten Nationen (UNO) liegen zur Forschung am Menschen Dokumente der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie der Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) vor. Diese nehmen regelmässig Bezug auf die anerkannten Grundsätze, wie sie in der Helsinki-Deklaration (vgl. Ziff. 1.6.4) und der ICH-GCP-Guideline (vgl. Ziff. 1.6.5) festgehalten sind; nachfolgend wird deshalb nur auf einige spezifische Aspekte hingewiesen.

27 28 29 30 31

­

Die «Operational Guidelines for Ethics Committees that review biomedical research» (2000)27 der WHO beinhalten Vorgaben zu organisatorischen Fragen der Prüfgremien, zum Beurteilungsverfahren und zu den Prüfkriterien. Sie beziehen sich auf die biomedizinische Forschung, wobei dieser Begriff auch die Forschung mit Biomaterialien sowie die psychologische und sozialwissenschaftliche Forschung mit einschliesst. Für die Schweiz besteht eine auf die hiesigen Verhältnisse angepasste Interpretationshilfe (2002).28

­

Die «Guideline for obtaining informed consent for the procurement and use of human tissue, cells and fluids in research» (2003)29 der WHO listet die Inhalte auf, über die Spenderinnen und Spendern von Körpersubstanzen aufzuklären sind. Diesen muss u.a. auch bekanntgegeben werden, welche Personen Zugang zu den Proben haben, wie lange die Aufbewahrungsdauer ist und ob ein Auskunftsrecht über Forschungsresultate besteht.

­

In der «Universellen Deklaration über die Bioethik und die Menschenrechte» (2005)30 der UNESCO sind u.a. die wichtigsten Grundsätze zur Forschung am Menschen enthalten. So sollen insbesondere bei der Anwendung und Weiterentwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse die positiven direkten und indirekten Wirkungen für die betroffenen Personen maximiert und die erwarteten negativen Wirkungen minimiert werden. Forschung mit nichteinwilligungsfähigen Personen ohne erwarteten direkten Nutzen sollte nur ausnahmsweise und dann durchgeführt werden, wenn sie höchstens minimale Risiken und Belastungen beinhaltet, sie im gesundheitlichen Interesse anderer (derselben Gruppe angehörenden Personen) steht und der allfällige Widerstand der nichteinwilligungsfähigen Person gegenüber einer Teilnahme berücksichtigt wird.

­

Die «International Declaration on Human Genetic Data» (2003)31 der UNESCO regelt auch den Umgang mit genetischen Daten zu Forschungszwecken. Sie enthält wichtige Grundsätze wie das Diskriminierungsverbot, die vertrauliche Behandlung von Daten, die informierte Einwilligung der betroffenen Person und den Beizug von Ethikkommissionen. Dabei sind die Interessen der Forschung mit dem Datenschutz, dem Schutz der betroffenen Personen und wirtschaftlichen Interessen in Einklang zu bringen.

Einsehbar unter www.who.int, Rubrik «health topics / ethics».

Einsehbar unter www.swissethics.ch.

Einsehbar unter www.who.int, Rubrik «health topics / reproductive health».

Einsehbar unter www.unesco.org.

Einsehbar unter www.unesco.org.

8072

­

Die «International ethical guidelines for biomedical research involving human subjects» (2002) des Council of International Organizations of Medical Sciences (CIOMS), einer von der WHO, der UNESCO und den Organisationen der medizinischen Wissenschaften gegründeten Vereinigung, erfassen die biomedizinische Forschung und die Verhaltensforschung unter Einbezug des Menschen im Hinblick auf die Förderung der Gesundheit. Sie orientieren sich inhaltlich an anerkannten internationalen Dokumenten, insbesondere an der Helsinki-Deklaration. Für die epidemiologische Forschung besteht eine spezifische Richtlinie («International ethical guidelines for epidemiological studies»; 2008).32

1.6.4

Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes

Der Weltärztebund, ein Zusammenschluss nationaler ärztlicher Berufsverbände, hat mit der Deklaration von Helsinki33 (1964/2008) einen über die Ärzteschaft hinaus stark beachteten Standard zur Forschung am Menschen gesetzt.

Die Deklaration schliesst neben der Forschung mit Personen die Forschung mit identifizierbarem menschlichem Material und Daten mit ein. Die wichtigsten Grundsätze betreffen die Forderung nach einem schriftlichen und umfassenden Forschungsprotokoll, die Wissenschaftlichkeit der Forschung, die Registrierung des Vorhabens in einer öffentlich zugänglichen Datenbank, die informierte und freie Einwilligung der teilnehmenden Person, die sorgfältige Abschätzung der voraussehbaren Risiken und Belastungen im Verhältnis zum voraussichtlichen Nutzen sowie die Begutachtung eines jeden Forschungsprojekts durch eine unabhängige Ethikkommission. Zusätzliche Bedingungen bestehen für die Forschung mit nichteinwilligungsfähigen Personen: deren Ablehnung ist, selbst bei einer allfälligen Zustimmung durch die gesetzliche Vertretung, stets zu respektieren. Ausnahmsweise sind auch Forschungsvorhaben ohne direkten Nutzen für die teilnehmende nichteinwilligungsfähige Person zulässig, wenn mit dem Vorhaben nur minimale Risiken und Belastungen verbunden sind. Wenn Patientinnen bzw. Patienten in ein Forschungsprojekt einbezogen werden, so müssen die Vorteile, Risiken, Belastungen und die Effektivität eines neuen Verfahrens mit denjenigen der gegenwärtig besten medizinischen Methode verglichen werden. Existiert kein erprobtes Verfahren, dann sind Placebo-Studien bzw. eine Nicht-Behandlung erlaubt. Der Einsatz eines Placebos ist zudem dann zulässig, wenn dies zur Bestimmung von Wirksamkeit und Sicherheit einer Behandlung notwendig ist und mit der Verwendung keine schweren oder irreversiblen Schädigungen verbunden sind. Schliesslich verpflichtet die Deklaration zu einer vollständigen, auch die negativen Ergebnisse beinhaltenden Publikation der Forschungsvorhaben.

32 33

Beide Richtlinien sind einsehbar unter www.cioms.ch.

Einsehbar unter www.wma.net.

8073

1.6.5

«Guideline for Good Clinical Practice» der «International Conference on Harmonization»

Die Guideline for Good Clinical Practice (1996; ICH-GCP-Guideline34) der ICH35, eine nicht-staatliche Organisation der pharmazeutischen Industrie und der Arzneimittelbehörden Europas, Nordamerikas und Japans, wird international sehr stark beachtet. Sie enthält Vorgaben für die Durchführung klinischer Studien mit pharmazeutischen Produkten am Menschen («clinical trials»); ihre Grundsätze werden in der Praxis aber auch für andere Forschungsprojekte mit Personen herangezogen. Auch die ICH-GCP-Guideline verweist auf die Helsinki-Deklaration (vgl.

Ziff. 1.6.4) und enthält insbesondere die allgemein anerkannten Grundsätze zur Einwilligung nach Aufklärung, zum zulässigen Verhältnis von Risiko und Nutzen, zur Wissenschaftlichkeit und zur Überprüfung durch unabhängige Ethikkommissionen.

Daneben enthält die ICH-GCP-Guideline detaillierte Vorgaben über die Aufgaben und Zusammensetzung der Ethikkommission sowie der Verantwortlichkeiten des Forschenden («Prüfer») und des «Sponsors». Ebenso werden u.a. formal der Inhalt des Forschungsprojekts («Prüfplan») und das Vorgehen bei allfälligen Änderungen, die Qualitätssicherung, der Umgang mit Daten, das Vorgehen bei unerwünschten Ereignissen bzw. solchen Arzneimittelnebenwirkungen und die Dokumentation in klinischen Studien detailliert geregelt.

1.7

Überarbeitung des Vorentwurfs

1.7.1

Ergebnisse der Vernehmlassung zum Vorentwurf

Die Vernehmlassung zum Vorentwurf wurde mit Bundesratsbeschluss am 1. Februar 2006 eröffnet und dauerte bis Ende Mai 2006. Am 21. Februar 2007 wurde der Vernehmlassungsbericht veröffentlicht.36

1.7.1.1

Allgemeine Ergebnisse

Ein einheitliches Bundesgesetz über die Forschung am Menschen wird von der Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsst. Zwei Drittel der Vernehmlassungsteilnehmenden beurteilen den Vorentwurf positiv bzw. neutral und ein Drittel äussert sich negativ. Bei den Negativ-Stellungnahmen variieren das Ausmass und die Richtung der Kritik stark. Knapp 15 % aller Vernehmlassungsteilnehmenden beurteilen den Vorentwurf negativ, weil er ihrer Meinung nach zu forschungsfeindlich sei, und etwas mehr als 15 % der Vernehmlassungsteilnehmenden sind der Ansicht, dass der Vorentwurf zu forschungsfreundlich ausgerichtet sei. Die Mehrheit der Kantone beurteilt den Vorentwurf positiv oder neutral. Von den Parteien begrüssen namentlich FDP und CVP den Vorentwurf insgesamt, die SP äussert sich neutral, und SVP, Grüne und csp lehnen ihn ab.

34 35 36

Einsehbar unter www.ich.org.

International Conference on Harmonisation of Technical Requirements for Registration of Pharmaceuticals for Human Use (ICH).

Für eine differenziertere Analyse der Vernehmlassungsergebnisse vgl. Vernehmlassungsbericht vom 15. Febr. 2007: www.bag.admin.ch/themen/medizin.

8074

Etwas mehr als die Hälfte der Vertreter der biomedizinischen Forschung betrachtet den Vorentwurf positiv oder neutral, während sich Vertreter der Sozialwissenschaften und Psychologie eindeutig negativ äussern, da der Vorentwurf ihren Fachbereichen nicht gerecht werde. Wirtschaftsvertreter, Ethikkommissionen und Patientenorganisationen bewerten ihn mehrheitlich positiv oder neutral. Bei den kirchlichen Organisationen halten sich die positiven und negativen Stellungnahmen die Waage.

1.7.1.2

Spezifische Ergebnisse

Viele Vernehmlassungsteilnehmende kritisieren den Geltungsbereich. Für sie ist der Anwendungsbereich des Vorentwurfs zu unscharf formuliert. Einige plädieren für einen weiteren, andere wiederum für einen engeren Geltungsbereich. Von Seiten der Forschung und der KMU wird gefordert, die Forschung mit anonymisiertem biologischem Material und Personendaten aus dem Geltungsbereich auszuschliessen (vgl.

Ziff. 1.8.1).

Etwas mehr als die Hälfte der Vernehmlassungsteilnehmenden spricht sich für die Organisation der Ethikkommissionen auf Bundesebene aus. Demgegenüber bevorzugt die Mehrheit der Kantone eindeutig die Kantonsvariante. Kleinere Kantone (ohne eigene Forschungszentren) plädieren für die Organisation auf Bundesebene, während grössere, forschungsaktive Kantone für die kantonale Organisation der Ethikkommissionen sind. Die Übertragung der Aufsichtspflicht auf die Ethikkommissionen sowie fehlende ethische Abwägungskriterien bei der Bewilligung von Forschungsprojekten werden vielfach kritisiert. Auf grosse Zustimmung stösst das vereinfachte Verfahren bei Multizenterstudien. Die Bewilligungspflicht für die Forschung mit anonymisiertem biologischem Material und für Biobanken wird vielfach negativ beurteilt. Bewilligungen seien bei der In-Vitro-Forschung mit biologischem Material mit einem unverhältnismässig grossen Aufwand verbunden, weil das Gefährdungspotenzial für die betroffenen Personen minimal sei.

Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden befürwortet die Forschung mit besonders verletzbaren Personen, wenn an diese Forschung zusätzliche Voraussetzungen geknüpft werden. Viele Vernehmlassungsteilnehmende fordern, dass Anzeichen der Ablehnung in jedem Fall berücksichtigt werden müssen, d.h. auch dann, wenn ­ anders als im Vorentwurf vorgesehen ­ von der Forschung ein direkter Nutzen erwartet werden kann. Von verschiedenen Seiten wird kritisiert, dass die Regelung der Forschung mit urteilsunfähigen Personen sowohl Kinder und Jugendliche als auch Erwachsene betrifft, und es wird je eine gesonderte Lösung gefordert.

Die Regelungsvorschläge zur Forschung an Verstorbenen sowie Forschung an Embryonen und Föten aus Schwangerschaftsabbrüchen und Spontanaborten werden kaum thematisiert oder kritisiert. Bei der Forschung an Verstorbenen wird vereinzelt gefordert, die im Vorentwurf verankerte Zustimmungslösung
durch ein Widerspruchsrecht der betroffenen Person zu Lebzeiten oder der nächsten Angehörigen zu ersetzen. Einhellig abgelehnt wird, dass auch der Ehemann bei Forschung an Föten aus Aborten und Totgeburten seine Zustimmung geben muss.

8075

1.7.2

Änderungen im Vergleich zum Vorentwurf

Der Bundesrat hat im Februar 2007 vom Vernehmlassungsbericht Kenntnis genommen und gleichzeitig gestützt auf die Vernehmlassungsergebnisse in vier Bereichen das weitere Vorgehen festgelegt: ­

Die Formulierung des Verbots von Forschung gegen den Widerstand der Betroffenen soll an die Biomedizin-Konvention angepasst werden. In Ausführung der Verfassungsbestimmung (Art. 118b Abs. 2 Bst. a) sieht das Gesetz nun die Möglichkeit zur Ablehnung auch von Kindern, Jugendlichen und urteilsunfähigen Erwachsenen bei der Forschung vor (Art. 21, 22 und 23). Gleichermassen ist eine Ablehnung bei einem Forschungsprojekt im Rahmen einer Notfallsituation zu beachten (Art. 29).

­

Es soll besser zum Ausdruck gebracht werden, dass das primäre Ziel der Vorlage der Schutz der Menschenwürde ist und dass die Forschungsfreiheit dabei ihre Grenzen findet. Diese Vorgabe wird einerseits im Zweckartikel des Gesetzes umgesetzt, indem nunmehr in Absatz 1 das primäre Ziel allein genannt wird, nämlich der Schutz von Würde und Persönlichkeit des Menschen in der Forschung. Andererseits wurde neu eine Bestimmung in den Grundsatzkatalog aufgenommen, wonach Interesse, Gesundheit und Wohlergehen des einzelnen Menschen Vorrang erhalten gegenüber den blossen Interessen von Wissenschaft und Gesellschaft (vgl. Ziff. 2.1.2.1).

­

Der Geltungsbereich wird überprüft, auch hinsichtlich der Forschung mit anonymisiertem biologischem Material. Der Geltungsbereich umfasst nicht mehr pauschal die Forschung im Gesundheitsbereich, sondern die Forschung zu Krankheiten des Menschen sowie zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers (vgl. Ziff. 1.8.1 und 2.1.1.2). Zudem wird die Forschung mit anonymisiertem biologischem Material sowie mit anonym erhobenen und anonymisierten gesundheitsbezogenen Personendaten vom vorliegenden Entwurf mangels Gefährdungspotenzial nicht erfasst.

­

Bezüglich Organisation der Ethikkommissionen wird die Kantonsvariante weiterverfolgt (vgl. Ziff. 1.8.3).

Weitere wichtige Änderungen Nachfolgend werden die wichtigsten zusätzlichen Änderungen gegenüber dem Vorentwurf dargestellt (zu den Begründungen vgl. Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln, Ziff. 2). Der Entwurf wurde im Rahmen der Überarbeitung gestrafft, indem Wiederholungen soweit möglich vermieden wurden und gewisse technische oder detaillierte Regelungen konsequenter auf Verordnungsstufe erfolgen.

­

Im Katalog der Definitionen wird auf vielfachen Wunsch in der Vernehmlassung der Begriff «Forschung» in Bezug auf Krankheiten des Menschen sowie zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers definiert (Art. 3 Bst. a­c). Ebenso wird präzisiert, dass ein Forschungsprojekt einen direkten Nutzen lediglich erwarten lassen, jedoch nicht mit Sicherheit beinhalten kann (Art. 3 Bst. d).

­

Neu werden in einem eigenen Teil (1. Kapitel 2. Abschnitt) jene Grundsätze festgehalten, die bei jeder Forschung allgemein zu beachten sind. Es handelt sich hierbei um grundlegende Bestimmungen, die auch in nationalen und internationalen Regelwerken verankert sind und die sich im Rahmen der

8076

medizinischen Forschung als eigentliche Kernanforderungen etabliert haben.

Die vier in Artikel 118b Absatz 2 BV genannten Grundsätze (vgl.

Ziff. 1.1.1) werden ­ teilweise auch ausserhalb des 1. Kapitels ­ im vorliegenden Entwurf einerseits aus Gründen der Vollständigkeit übernommen, andererseits weiter konkretisiert. Zudem wurden neue Grundsätze in den Katalog aufgenommen (Art. 4, 5, 10 Abs. 1 Bst. a) bzw. bereits vorhandene Grundsätze teilweise präzisiert.

37

­

Unter das 2. und 3. Kapitel («Forschung mit Personen») fällt ­ im Gegensatz zum Vorentwurf ­ nicht nur die Forschung mit lebenden Personen, die sich über einen gewissen Zeitraum an einem Forschungsprojekt (wie bei klinischen Studien) beteiligen, sondern auch die Entnahme von biologischem Material sowie die Erhebung von gesundheitsbezogenen Personendaten für die Forschung, da in beiden Fällen von einem ähnlichen Gefährdungspotenzial ausgegangen werden kann. Dies ermöglicht im Vergleich zum Vorentwurf insbesondere die Vermeidung zahlreicher Wiederholungen.

­

Der vorliegende Entwurf sieht unter Berücksichtigung besonderer Anforderungen die Möglichkeit einer unvollständigen Aufklärung (Art. 18) vor, verzichtet aber auf die im Vorentwurf noch aufgeführte Möglichkeit der irreführenden Aufklärung.

­

Die im Vorentwurf aufgeführte Gruppe der «urteilsunfähigen Personen» wurde im Rahmen der Vernehmlassung als zu unbestimmt kritisiert. Daher werden nun im 3. Kapitel 1. Abschnitt («Forschung mit Kindern, Jugendlichen und urteilsunfähigen Erwachsenen») die einzelnen Personengruppen namentlich aufgeführt, um den jeweiligen Besonderheiten Rechnung tragen zu können.37

­

Da die Entnahme von biologischem Material sowie die Erhebung von gesundheitsbezogenen Personendaten nun unter das 2. und 3. Kapitel subsumiert werden, regelt das 4. Kapitel allein die Weiterverwendung von bereits vorliegendem biologischem Material und Personendaten. Dabei wird neu zwischen genetischen Daten und nichtgenetischen gesundheitsbezogenen Personendaten unterschieden (vgl. Ziff. 1.8.2). Auf eine ausführliche Regelung der Biobanken selbst (z.B. Bewilligungs- oder Meldepflichten) wird im Gegensatz zum Vorentwurf verzichtet.

­

Neu wird vorgesehen, dass Forschung an Personen, deren Tod vor mehr als 70 Jahren eingetreten ist (Art. 35 Abs. 4), ohne Einwilligung durchgeführt werden kann, um insbesondere die archäologische Forschung nicht zu behindern. Vorbehalten bleibt ein allfälliger Widerspruch der Angehörigen.

­

Aus der Vorgabe, dass die Ethikkommissionen Forschungsvorhaben anhand der im Gesetz festgelegten ethischen, rechtlichen und wissenschaftlichen Anforderungen zu überprüfen haben (Art. 44 Abs. 2 und Art. 50 Abs. 1), wird deutlich, dass die Bestimmungen des Gesetzes zu einem wesentlichen Teil auf den in der Wissenschaftsgemeinde selbst festgelegten Vorgaben gründen. Insbesondere waren anerkannte ethische Aspekte mitbestimmend, weshalb die diesbezüglichen Überlegungen in der Anwendung des Gesetzes im Einzelfall, insbesondere bei der Prüftätigkeit der Ethikkommissionen, eine Vgl. dazu auch Sprecher F, Medizinische Forschung mit Kindern und Jugendlichen, Berlin, Heidelberg, New York, 2007, S. 311.

8077

wesentliche Hilfestellung darstellen. In diesem Zusammenhang ist auch der neue Grundsatz der Relevanz erwähnenswert (Art. 5).

­

Dem Bundesrat wird neu die Kompetenz erteilt, im Interesse von Qualität und Effizienz der Überprüfung der Projekte durch Ethikkommissionen Vorgaben über die Mindestzahl der jährlich von einer Ethikkommission zu beurteilenden Forschungsprojekte (Art. 53 Abs. 3) zu machen.

1.8

Ausgewählte Regelungsaspekte

1.8.1

Geltungsbereich

1.8.1.1

Ausgangslage

Gemäss Artikel 118b Absatz 1 der Bundesverfassung erlässt der Bund Vorschriften über die Forschung am Menschen, soweit der Schutz seiner Würde und seiner Persönlichkeit dies erfordert (vgl. Ziff. 1.1). Der Geltungsbereich ist somit auf solche Forschungsaktivitäten einzugrenzen, die mit einer Gefährdung für die beteiligten Personen bzw. deren Würde und Persönlichkeit einhergehen und für welche die allgemeine Rechtsordnung keinen hinreichenden Schutz bietet. Indem der Verfassungsgeber die Grundsätze von Artikel 118b Absatz 2 BV allein für die Forschung in Biologie und Medizin mit Personen für verbindlich erklärt, wird zudem ersichtlich, dass nach Auffassung des Verfassungsgebers ein Regelungsbedarf für diese Forschung zumindest wahrscheinlich ist.

Weiter geben internationale Richtlinien Orientierungspunkte für die Bestimmung des Geltungsbereiches vor, und auch aus ausländischen Gesetzgebungen können Hinweise darauf gewonnen werden, welche Forschung am Menschen allgemein für gefährdend und insofern als regelungsbedürftig beurteilt wird (vgl. Ziff. 1.5 und 1.6).

1.8.1.2

Ergebnisse der Vernehmlassung

Der Geltungsbereich des Vernehmlassungsentwurfs, der die «Forschung im Gesundheitsbereich, insbesondere in Medizin und Biologie» umfasste, ist für viele Vernehmlassungsteilnehmende nicht klar genug umschrieben; es sei insbesondere zu undeutlich, was der Gesetzgeber zum «Gesundheitsbereich» zählen möchte. Die Eingrenzung des Geltungsbereichs über Fachbereiche wird zudem als willkürlich und unzureichend bezeichnet. Die Sozialwissenschaften sehen die Integration ihrer Fachbereiche als misslungen an, weil die Regeln der klinischen medizinischen Forschung nicht unmodifiziert auf Sozialwissenschaften übertragen werden könnten.

So wird gefordert, den Geltungsbereich einzuschränken und die Sozialwissenschaften auszunehmen, weil in diesen Fachbereichen die physische und psychische Integrität der Versuchspersonen kaum verletzt werden könne. Im Gegensatz dazu kritisieren andere, dass sich der Vorentwurf zu stark auf die biomedizinische Forschung konzentriere und die psychosoziale Komponente der Gesundheit nicht ausreichend berücksichtige. Von dieser Seite wird gefordert, den Geltungsbereich auf sämtliche Forschung am Menschen auszuweiten.

8078

Vielfach wird die fehlende Definition von «Forschung» kritisiert. Dies erzeuge Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen der Forschung einerseits und Heilversuchen, Massnahmen zur Qualitätssicherung sowie Ausbildung und Lehre andererseits.

Zahlreiche Vernehmlassungsteilnehmende fordern, die Forschung mit anonymisiertem biologischem Material und Personendaten mangels Gefährdungspotenzial für Würde und Persönlichkeit aus dem Geltungsbereich auszuschliessen.

Schliesslich beantragen einige Vernehmlassungsteilnehmende, dass «Heilversuche» vom Geltungsbereich umfasst werden sollten. Andernfalls würde Forschung unter dem «Deckmantel des Heilversuchs» durchgeführt, ohne dass insbesondere eine Ethikkommission diese zuvor geprüft habe.

1.8.1.3

Lösungsvorschlag

Der vorliegende Entwurf setzt die Vorgaben aus Artikel 118b Absatz 1 BV auf Gesetzesstufe um, indem er die Forschung ­ neu definiert als methodengeleitete Suche nach verallgemeinerbaren Erkenntnissen ­ zu Krankheiten des Menschen sowie zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers als regelungsbedürftig beurteilt. Damit wird auch jegliche Forschung zu Ursachen und Grundlagen von Krankheiten, einschliesslich zu psychosozialen Aspekten, vom Geltungsbereich umfasst. Für Grundlagenforschung ohne Krankheitsbezug ist dies nur der Fall, insofern sie sich mit Aufbau und Funktion des menschlichen Köpers auseinandersetzt oder mit Eingriffen und Einwirkungen auf den Körper einhergeht (vgl. Art. 2 und Art. 3 Bst. b und c). Dabei fällt unter die Forschung am Menschen die Forschung mit lebenden und an verstorbenen Personen, an Embryonen und Föten in vivo sowie aus Schwangerschaftsabbrüchen und Spontanaborten, an Totgeburten, mit biologischem Material und mit gesundheitsbezogenen Personendaten.

Für diese Festlegung des Geltungsbereichs spricht zunächst das besondere Gefährdungspotenzial der erfassten Forschungsbereiche. Krankheitsbezogene bzw. klinische Forschung (vgl. Ziff. 1.3), die eine der häufigsten Formen der Forschung am Menschen darstellt, tangiert die körperliche Unversehrtheit der teilnehmenden Personen, da sie praktisch immer mit einem Eingriff in deren Körper bzw. deren physische Integrität einhergeht. Genannt werden können z.B. die Entnahme von Blut- oder Gewebeproben, die Belastung durch Strahlen bei bildgebenden Verfahren oder die Gefährdung bei der Einnahme von Wirkstoffen. Daneben ist in der klinischen Psychologie, aber auch in der Psychiatrie und weiteren Bereichen der Medizin die psychische Unversehrtheit der teilnehmenden Personen gefährdet (z.B. Hypnose). Zusätzlich ist zu befürchten, dass im Rahmen eines Forschungsprojekts über die teilnehmenden Personen gesammelte Gesundheitsdaten in unberechtigte Hände geraten könnten und so das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt wird. Neben den aufgeführten Forschungsbereichen ist diese Gefahr auch bei der Public-Health-Forschung vorhanden, bei der gesundheitsbezogene Personendaten oftmals durch Interviews oder Fragebögen erhoben werden. Eine besondere Gefährdung für die informationelle Selbstbestimmung besteht auch dann, wenn für ein
Forschungsprojekt bereits vorhandenes biologisches Material weiterverwendet wird, das in vielfältiger Weise untersucht und interpretiert werden kann. Schliesslich ist festzustellen, dass die bestehende Rechtsordnung keine hinreichenden Instrumente bereithält, um den Schutz des Menschen vor mit dieser Forschung einhergehenden Gefährdungen der physischen und psychischen Integrität sowie des Selbstbestim8079

mungsrechts zu gewährleisten. Insbesondere ermöglicht es die bestehende Gesetzgebung nicht, präventiv eine Überprüfung der Forschungsvorhaben anzuordnen.

Der mit Forschung zu Krankheiten des Menschen sowie zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers definierte Geltungsbereich des Gesetzes nimmt zudem die Vorgabe der Bundesverfassung auf, für die regelungsbedürftige Forschung in Biologie und Medizin mit Personen bestimmte Grundsätze zu statuieren. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Forschung in Biologie und Medizin mit Personen im Sinne von Artikel 118b Absatz 2 BV vom Geltungsbereich des Gesetzesentwurfs erfasst wird. Demgegenüber wird mit Blick auf die Interdisziplinarität der Forschung auf eine fachbereichsbezogene Umschreibung verzichtet. Vielmehr steht der zu erzielende Erkenntnisgewinn zu Krankheiten des Menschen sowie zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers im Mittelpunkt. Auch wenn somit unerheblich ist, in welcher wissenschaftlichen Disziplin und mit welchen Methoden die Forschung durchgeführt wird, kann davon ausgegangen werden, dass sich neben der Medizin im engeren Sinne auch die Forschung in anderen Disziplinen insgesamt (z.B. klinische Psychologie) oder zu einem wesentlichen Teil (z.B. Humanbiologie) mit Fragen zu Krankheiten des Menschen und zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers beschäftigt und daher vom Gesetz erfasst wird. Umgekehrt wird dies für bestimmte Fachbereiche nur zu einem geringen Teil oder gar nicht der Fall sein (z.B. Gesundheits-Ökonomie). Gänzlich vom Geltungsbereich des Gesetzesentwurfs ausgeschlossen bleibt ­ im Gegensatz zum Vorentwurf ­ die Forschung mit anonymisiertem biologischem Material und anonymisierten gesundheitsbezogenen Daten.

Bei diesen kann die betroffene Person nicht oder nur mit unverhältnismässig grossem Aufwand identifiziert werden, so dass keine Gefährdung der informationellen Selbstbestimmung ersichtlich ist. Sichergestellt sein muss jedoch, dass die Anonymisierung korrekt erfolgt (vgl. Ziff. 2.4.4).

1.8.2

Forschung mit biologischem Material und gesundheitsbezogenen Personendaten

1.8.2.1

Ausgangslage

Die wissenschaftliche Bedeutung der Forschung mit biologischem Material und mit gesundheitsbezogenen Personendaten ist gross und nimmt insbesondere im Zusammenhang mit den Fortschritten im Bereich der Humangenetik ständig zu, wobei heute mit verhältnismässig geringem Aufwand aus biologischem Material der genetische Code einer Person ermittelt werden kann.

1.8.2.2

Wissenschaftliche Aspekte

Körpereigenes biologisches Material sowie genetische und nichtgenetische gesundheitsbezogene Personendaten stellen heute in der medizinischen Forschung eine wertvolle Ressource dar. Bevor neue Behandlungsmethoden an Personen erforscht werden, werden sie wenn immer möglich zuerst an biologischem Material geprüft.

Anhand von diesem Material und von gesundheitsbezogenen Personendaten werden zudem Zusammenhänge zwischen Krankheiten und Umweltfaktoren erforscht.

8080

Biologisches Material, das zu Forschungszwecken genutzt wird, wird meistens im Rahmen diagnostischer Untersuchungen oder therapeutischer Eingriffe entnommen; es fällt z.B. bei Biopsien, Blutentnahmen oder Operationen an. In ähnlicher Weise werden gesundheitsbezogene Personendaten oftmals im Rahmen ärztlicher Konsultationen erhoben. Biologisches Material und Daten können jedoch auch extra zu Forschungszwecken entnommen bzw. erhoben werden.

Heute existieren z.B. in Spitälern und Forschungsinstitutionen zahlreiche biologische Material- und Datensammlungen unterschiedlicher Grössen. In der Regel werden Materialproben mit einer Verknüpfung zu den entsprechenden ­ häufig verschlüsselten ­ Personendaten aufbewahrt. Reine Datensammlungen entstehen z.B. anlässlich Bevölkerungsbefragungen oder qualitativer Interviewstudien zu gesundheitsrelevanten Themen oder werden in der Form eines Registers aufgebaut.

1.8.2.3

Ethische Aspekte

Biologisches Material menschlichen Ursprungs und gesundheitsbezogene Personendaten unterliegen grundsätzlich der Verfügungsgewalt derjenigen Person, von der sie stammen. Die Gewinnung solcher Materialien und Daten sowie deren Bearbeitung berührt das ethische Prinzip der Autonomie und ist nur dann legitim, wenn die betroffene Person bzw. die gesetzliche Vertretung ihre Einwilligung dazu erklärt hat.

Das Autonomie-Prinzip überwiegt auch das Prinzip der Fürsorge; eine etwaige Verwendung von Personendaten oder Material in der Forschung ohne Einwilligung liesse sich nicht mit dem Ziel rechtfertigen, der Person damit Gutes tun zu wollen.

Genetischen Daten kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu, weil sie nicht allein über einzelne Eigenschaften der Person Auskunft geben. Vielmehr beschreibt das Genom darüber hinaus unveränderliche Veranlagungen, die in einem weit umfassenderen Sinn und auch für die Zukunft (Falsch-)Aussagen über die betroffene Person erlauben. Hinzu kommt der in diesem Bereich rasante wissenschaftliche Fortschritt, der aus leicht und beliebig lange konservierbarem biologischem Material bald schon Erkenntnisse über eine Person in einer heute noch unabsehbaren Fülle zu gewinnen erlauben könnte.

Als sensibel sind grundsätzlich auch gesundheitsbezogene Personendaten ohne Bezug zur Erbanlage einzuschätzen. Diese liegen in grossen Mengen vor und eine nicht erlaubte Verbreitung hätte weitreichende Konsequenzen, z.B. in Bezug auf die kollidierenden Interessen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Erst wenn der Bezug zu einer bestimmten Person durch die korrekte Anonymisierung von Daten und Material irreversibel gekappt ist, kann eine Gefährdung der Persönlichkeitsrechte ausgeschlossen werden.

1.8.2.4

Geltende Rechtslage und Richtlinien

Die Biomedizin-Konvention (vgl. Ziff. 1.5.1) hält fest, dass Teile des menschlichen Körpers, die im Rahmen einer Intervention entnommenen wurden, nur nach einem angemessenen Informations- und Einwilligungsverfahren für andere Zwecke aufbewahrt und verwendet werden dürfen. Nach den Empfehlungen des Europarats betreffend Forschung mit Material (vgl. Ziff. 1.5.1) wird auch für die Weiterverwendung von Material zu Forschungszwecken grundsätzlich eine Einwilligung verlangt. Mit 8081

der Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 200438 wird schliesslich bezweckt, einheitliche Rahmenbedingungen für die Gewährleistung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei der Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Lagerung und Verteilung von Geweben und Zellen bei der Übertragung auf den Menschen auch im Rahmen der Forschung zu gewährleisten.

Die Forschung mit biologischem Material und mit Personendaten wird auch von der Helsinki-Deklaration (vgl. Ziff. 1.6.4) geregelt, wobei die aktuell gültige Fassung (2008) erstmals eine explizite Regelung in diesem Bereich vorsieht. Für die Forschung mit biologischem Material sowie zu dessen Lagerung und Wiederverwendung wird grundsätzlich die Einwilligung der betroffenen Person vorausgesetzt.

Schliesslich listet die «Guideline for obtaining informed consent for the procurement and use of human tissue, cells and fluids in research» der WHO (vgl. Ziff.

1.6.3) die spezifischen Inhalte auf, über welche Spenderinnen und Spender aufzuklären sind.

1.8.2.5

Ergebnisse der Vernehmlassung

Einige Vernehmlassungsteilnehmende schlagen vor, die Forschung mit biologischem Material und Personendaten separat zur Forschung mit Personen zu regeln, da die beiden Forschungsrichtungen nicht gleichgestellt werden können.

Die Bestimmung, derzufolge ein Forschungsprojekt mit unverschlüsseltem biologischem Material bzw. Personendaten nicht zulässig wäre, wenn gleichwertige Erkenntnisse auch mit verschlüsseltem oder anonymisiertem biologischem Material und Personendaten gewonnen werden könnten, wird vielfach abgelehnt.

Die Regelung zur Ausfuhr von biologischem Material und von Personendaten, die eine Ausfuhr ausschliesslich in anonymisierter Form und nur bei gleichwertigen Anforderungen an ihre Verwendung im Zielland erlaubt, wird von vielen Vernehmlassungsteilnehmenden als nicht umsetzbar erachtet.

Die Vorschrift zum Betrieb einer Biobank wird teilweise für zu unpräzise gehalten.

Die vorgeschlagene Unterscheidung von «Biobanken von bedeutendem Umfang» und den übrigen Biobanken sei zu unscharf und ­ wie die Bewilligungs- und Meldepflichten gegenüber den Ethikkommissionen ­ nicht praktikabel.

1.8.2.6

Lösungsvorschlag

Für die Regelung der Forschung mit biologischem Material und gesundheitsbezogenen Personendaten wird entsprechend der Vorgabe der Bundesverfassung nach dem Gefährdungspotenzial differenziert. So ist die Forschung mit bereits vorhandenem biologischem Material und Daten als weniger gefährdend einzustufen als die Forschung mit Personen und kann deshalb einer pragmatischen Lösung zugeführt werden, wie dies auch in der Vernehmlassung mehrheitlich gefordert wurde. Insbe38

Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen, ABI. L 102 vom 7. Apr. 2004, S. 48.

8082

sondere die KMU, die zu einem bedeutenden Teil die Forschung mit anonymisiertem biologischem Material betreiben, sollen günstige Rahmenbedingungen für ihre Forschungstätigkeit vorfinden. Schliesslich soll die Regelung für diesen sich rasant entwickelnden Bereich die nötige Flexibilität aufweisen, um auch zukünftigen Regelungsbedürfnissen gerecht werden zu können.

Die Entnahme von biologischem Material bzw. die Erhebung von gesundheitsbezogenen Personendaten wird im Kapitel zur Forschung mit Personen geregelt. Die Gefährdung für die betroffenen Personen ist bei der direkt personenbezogenen Forschung vergleichbar mit der Entnahme bzw. Erhebung von Material und Daten; entsprechend kommen die Regelungen des 2. Kapitels für beide Situationen zur Anwendung.

Die vorgeschlagene Regelung zur Weiterverwendung von Material und Daten zu Forschungszwecken (4. Kap.) beruht zum einen auf den Grundsätzen betreffend die Pflicht zur Aufklärung und Einwilligung. Zum andern ist ein abgestuftes Regelungskonzept vorgesehen, je nach dem, ob es sich um Forschung mit biologischem Material bzw. genetischen Daten oder mit nichtgenetischen gesundheitsbezogenen Personendaten handelt und ob diese Materialien und Daten in unverschlüsselter, verschlüsselter oder anonymisierter Form vorliegen. Vor diesem Hintergrund wurden gegenüber dem Vorentwurf folgende Erleichterungen bzw. Anpassungen vorgenommen: ­

Die Forschung mit anonymisiertem biologischem Material und anonymisierten gesundheitsbezogenen Daten wird vom Gesetz nicht geregelt (vgl.

Ziff. 1.8.1 und 2.1.1.2). Festgelegt wurde lediglich, dass eine Anonymisierung von Material und Daten unzulässig ist, wenn vom Forschungsprojekt Ergebnisse zu erwarten sind, die eine schwere Krankheit betreffen. Ausserdem wird der Bundesrat die Anforderungen an eine korrekte Anonymisierung zu umschreiben haben.

­

Die Forschung mit gesundheitsbezogenen Personendaten ohne Bezug zum Erbgut wird von jener mit genetischen Daten und biologischem Material unterschieden und geringeren Anforderungen unterstellt, weil die Missbrauchsgefahr bei den nichtgenetischen gesundheitsbezogenen Daten aufgrund des überschaubaren Informationsgehalts geringer ist. In Bezug auf biologisches Material und genetische Daten hingegen ist zum heutigen Zeitpunkt nicht absehbar, welche u.U. weitreichenden Informationen aus diesen in Zukunft abgeleitet werden können.

­

Der vorliegende Gesetzesentwurf enthält keinen Subsidiaritätsgrundsatz bezüglich der Verwendung von unverschlüsseltem bzw. verschlüsseltem biologischem Material und Daten.

­

Im Interesse internationaler Forschungskooperationen wird das Verbot, unverschlüsseltes Material und Daten zu Forschungszwecken zu exportieren, gestrichen.

­

Auf eine gesonderte Regelung betreffend Betrieb oder Bewilligungs- und Meldewesen von Biobanken wird verzichtet. Biobanken sind sowohl in Bezug auf das internationale Recht als auch auf wissenschaftliche und technische Aspekte rasanten Entwicklungen unterworfen. Einzig die Aufbewahrung von biologischem Material und gesundheitsbezogenen Daten ist vorliegend geregelt: Einerseits müssen die betrieblichen und fachlichen 8083

Anforderungen sowie der Datenschutz sichergestellt sein. Andererseits kann dank entsprechender Kompetenzdelegation an den Bundesrat flexibel auf Neuentwicklungen reagiert werden.

1.8.3

Aufgaben und Organisation der Ethikkommissionen für die Forschung

1.8.3.1

Ausgangslage

Nach Artikel 118b Absatz 2 Buchstabe d BV muss eine unabhängige Überprüfung eines jeden Forschungsvorhabens in Biologie und Medizin mit Personen ergeben haben, dass der Schutz der teilnehmenden Personen gewährleistet ist. Bei der Umsetzung dieses Grundsatzes auf Gesetzesstufe sind insbesondere die Aufgaben der überprüfenden Instanz, deren Organisation sowie die wichtigsten Aspekte des Verfahrens festzulegen. Weiter ist zu entscheiden, ob die Pflicht zur Überprüfung auch auf Forschungsprojekte an verstorbenen Personen, mit biologischem Material und gesundheitsbezogenen Personendaten auszuweiten ist und ob weitere, nicht direkt den individuellen Schutz der teilnehmenden Personen betreffende Aspekte zu überprüfen sind.

1.8.3.2

Geltende Rechtslage und Richtlinien

In den nationalen und internationalen Regelungen zur Forschung am Menschen ist die Überprüfung von Forschungsvorhaben durch unabhängige, interdisziplinär zusammengesetzte Gremien unbestritten. Auf Bundesebene regelt im Wesentlichen die Heilmittelgesetzgebung die Aufgaben und die Organisation der Ethikkommissionen sowie das Prüfverfahren (vgl. Ziff. 1.4.2.1). International finden sich namentlich in der Biomedizin-Konvention und dem zugehörigen Zusatzprotokoll über die Forschung (vgl. Ziff. 1.5.1), der EG-GCP-Richtlinie (vgl. Ziff. 1.5.2) sowie in der Helsinki-Deklaration (vgl. Ziff. 1.6.4) und der ICH-GCP-Guideline (vgl. Ziff. 1.6.5) detaillierte Regelungen. So hat die zuständige Ethikkommission vor Beginn des Forschungsprojekts u.a. den Prüfplan sowie den Aufklärungs- und Einwilligungsbogen zu beurteilen. Daneben soll sie auch laufende Studien mindestens einmal jährlich prüfen und Meldungen und Berichte entgegennehmen. Zudem bestehen Vorgaben zur Zusammensetzung der Ethikkommissionen, ihrer Unabhängigkeit und zum Beurteilungsverfahren.

1.8.3.3

Ergebnisse der Vernehmlassung

Bezüglich der Aufgaben der Ethikkommissionen sah der Vorentwurf vor, dass diese ausschliesslich die gesetzlichen Anforderungen zum Schutz der betroffenen Personen zu überprüfen haben. Etliche Vernehmlassungsteilnehmende kritisieren dies als unsachgemässe Verrechtlichung der Kommissionstätigkeit und fordern, dass die «ethische Vertretbarkeit» überprüft werden müsse. Im Vorentwurf war den Ethikkommissionen zudem die Aufsicht über laufende Forschungsprojekte übertragen, was von einer Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden abgelehnt wird: Hierzu seien die Kommissionen als Milizorgane weder personell noch organisatorisch in 8084

der Lage. Allgemein begrüsst wird demgegenüber die Regelung, dass eine Multizenterstudie nur von einer Ethikkommission vollständig beurteilt werden muss.

Zur Organisation der Ethikkommissionen wurden zwei Varianten zur Diskussion vorgelegt. Die «Kantonsvariante» führt die aktuelle Struktur weiter und weist die Bildung der Kommissionen sowie die Verantwortlichkeit für deren Finanzierung den Kantonen zu. Demgegenüber sah die «Bundesvariante» vor, regionale, an den jeweiligen Forschungszentren ansässige Bundeskommissionen zu bilden. Deren Mitglieder sollten nach Rücksprache mit den Kantonen vom Bundesrat gewählt werden. Für die Kantonsvariante plädiert klar die Mehrheit der Kantone, insbesondere die Universitätskantone. Die Bundesvariante wird von einer Mehrheit der politischen Parteien und der Wirtschaft favorisiert; auch die Forschungsinstitutionen bevorzugen leicht die Bundesvariante.

1.8.3.4

Lösungsvorschlag

Nach dem vorliegenden Entwurf wird die unabhängige Überprüfung der Forschungsprojekte von Ethikkommissionen vorgenommen, die wie bis anhin als kantonale Milizgremien ausgestaltet werden. Damit wird auf einen Wechsel zu einer neuen Vollzugsstruktur, wie sie mit der Bundesvariante verbunden gewesen wäre, verzichtet. Die Analyse der in der Vernehmlassung vorgebrachten Argumente ergab, dass die mit der Bundesvariante erhofften Vorteile weitestgehend auch mit kantonalen Kommissionen erreicht werden können. So stellen bundesrechtliche Vorgaben sicher, dass zentrale organisatorische und verfahrensrechtliche Aspekte vereinheitlicht werden. Jede Ethikkommission muss z.B. über ein wissenschaftliches Sekretariat verfügen, das namentlich die Kommissionsmitglieder von administrativen Belangen entlasten und die Effizienz der Beurteilungsverfahren gewährleisten soll.

Erfahrungsgemäss ist die Einrichtung solcher Sekretariate nur für Kommissionen mit einer erheblichen Geschäftslast sinnvoll; dies wird im Ergebnis zu einer den schweizerischen Verhältnissen angemessenen Anzahl von Ethikkommissionen führen. Im Interesse von Effizienz und Qualität der Beurteilungen gibt der Entwurf dem Bundesrat neu die Kompetenz, nach Anhörung der Kantone eine Mindestanzahl von Gesuchen, die jährlich durch eine Ethikkommission zu beurteilen sind, vorzugeben. Schliesslich ist lediglich jeweils noch eine, am Ort der das Forschungsprojekt koordinierenden Person zuständige Ethikkommission in der Schweiz für die umfassende Beurteilung einer Multizenterstudie zuständig; Mehrfachbeurteilungen sind somit zukünftig ausgeschlossen.

Die im Gesetzesentwurf verankerten materiellen Anforderungen basieren insbesondere auf anerkannten ethischen Prinzipien zur Forschung am Menschen. Deshalb ist es sinnvoll, das diese Anforderungen überprüfende Gremium als «Ethikkommission für die Forschung» zu bezeichnen. Dessen Aufgabe ist es primär, «die Rechte, die Sicherheit und das Wohl der Studienteilnehmer zu schützen»39. Neu eingefügt wurde zudem die Anforderung, dass die Relevanz des Forschungsvorhabens für die Wissenschaft sowie für das Verständnis von Krankheiten des Menschen beziehungsweise von Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers oder die öffentliche Gesundheit gegeben sein muss (vgl. Art. 5). Auch dieses Kriterium findet sich in zahlreichen anerkannten Richtlinien zum Aufgabenbereich der Ethikkommis39

So z.B. Ziff. 3.1.1 der ICH-GCP-Guideline (vgl. Ziff. 1.6.5).

8085

sionen. Es soll sicherstellen, dass vor der Durchführung des Forschungsvorhabens am Menschen nicht nur der individuelle Schutz der betroffenen Person, sondern auch anerkannte gesellschaftliche Interessen berücksichtigt werden. Insofern nimmt der Entwurf mit diesem Kriterium ein weiteres Element auf, das unter den Begriff der «ethischen Vertretbarkeit» subsumiert wird: Den Ethikkommissionen wird damit ermöglicht, mit Bezug auf die öffentliche Gesundheit gesellschaftliche bzw. kollektive Anliegen zu berücksichtigen. Damit sind die international anerkannten und von den Ethikkommissionen bisher angewandten Grundsätze umfassend im Gesetz verankert, weshalb auf die explizite Aufnahme des ­ zu unbestimmten ­ Begriffs «ethische Vertretbarkeit» im Gesetz, wie es in der Vernehmlassung oftmals gefordert wurde, verzichtet werden kann. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass die ethischen Überlegungen, die letztlich sämtlichen Anforderungen dieses Gesetzes mit zugrunde liegen, bei der Beurteilung im Einzelfall wiederum heranzuziehen sind.

Den in der Vernehmlassung vorgebrachten Argumenten folgend wird darauf verzichtet, den Ethikkommissionen die vollumfängliche Aufsicht über laufende Forschungsprojekte zu übertragen. So sind Vollzugsmassnahmen wie Inspektionen den jeweils zuständigen Behörden des Bundes (z.B. Swissmedic) oder der Kantone (z.B.

Kantonsarzt) vorbehalten. In Übereinstimmung mit den internationalen Vorgaben sind die Ethikkommissionen jedoch verpflichtet, Meldungen und Berichte entgegenzunehmen und gegebenenfalls zusätzliche Auflagen anzuordnen oder die Bewilligung zu sistieren.

Mit Blick auf die Gefährdungen, die mit der vom vorliegenden Gesetz erfassten Forschung am Menschen verbunden sind, gilt eine Bewilligungspflicht für sämtliche Forschungsvorhaben. Es ist aber für bestimmte Projekte (z.B. mit biologischem Material und gesundheitsbezogenen Personendaten) vorgesehen, im Ausführungsrecht erleichterte Anforderungen an das Bewilligungsverfahren einzuführen.

1.8.4

Transparenz und Registrierung

1.8.4.1

Ausgangslage

Mit der Motion 05.313640 wurde der Bundesrat beauftragt, für die Erfassung aller klinischen Studien in einem öffentlich zugänglichen Register zu sorgen. Auch auf internationaler Ebene findet die Forderung nach einer Registrierung von Forschungsprojekten heute breite Akzeptanz. Zusätzlich wurde der Wunsch nach einem sogenannten Probandenregister geäussert.

1.8.4.2

Ethische und wissenschaftliche Aspekte

Durch die Registrierungspflicht von Forschungsprojekten wird eine Forderung sowohl der Forschenden selbst wie auch der Industrie, der Patientinnen- und Patientenorganisationen sowie der Herausgeber von wissenschaftlichen Publikationen erfüllt. Generell soll dadurch die Transparenz der Forschung zu Krankheiten des Menschen sowie zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers erhöht und als 40

Motion 05.3136 (Hubmann) vom 17. März 2005: «Mehr Transparenz bei klinischen Studien».

8086

Folge davon insbesondere überflüssige Wiederholungsstudien verhindert werden.

Zugleich dienen Studienregister zunehmend nicht nur dem Fachpublikum, sondern auch dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit. Dabei müssen teilweise nicht nur die positiven, sondern auch die negativen Forschungsergebnisse ins Register aufgenommen werden. Dadurch entsteht die Möglichkeit, sich über den Stand der Forschung zu bestimmten Krankheiten und deren Behandlungsmöglichkeiten objektiv, selbständig und direkt zu informieren. Eine verbesserte Transparenz unterstützt aber auch den Austausch und die Ergänzung wissenschaftlicher Sachkenntnisse und fördert die Vernetzung zwischen den Forschenden.

Auf wissenschaftlicher Seite wird die Registrierung der Forschungsaktivitäten zunehmend zum internationalen Standard. So verlangt der Zusammenschluss der Herausgeber führender internationaler medizinischer Zeitschriften seit 2005 die Registrierung klinischer Studien spätestens vor Einbezug der teilnehmenden Personen als Voraussetzung für eine Veröffentlichung.41 Die International Clinical Trials Registry Platform (ICTRP) der WHO42 öffnete 2007 ein Meta-Register als weltweites Suchportal, das verschiedene bestehende Register verbindet und dadurch zu einer wichtigen Informationsquelle für klinische Studien geworden ist. Des Weiteren betreibt der Internationale Verbund der Arzneimittelhersteller und -verbände (IFPMA) ein Suchportal. Dieses ermöglicht eine für Laien verständliche strukturierte Suche nach Informationen zu laufenden und nach Ergebnissen abgeschlossener Forschungsprojekte in verschiedenen Sprachen.

1.8.4.3

Geltende Rechtslage und Richtlinien

Zurzeit besteht in der Schweiz nur im Bereich der Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen eine gesetzliche Pflicht zur Registrierung von Forschungsprojekten.

Auf Grundlage der EG-GCP-Richtlinie (vgl. Ziff. 1.5.2) wurde 2004 das EudraCTRegister (European Union Drug Regulating Authorities Clinical Trials) eingerichtet, wobei zunehmend einzelne Bereiche der Datenbank öffentlich zugänglich gemacht werden. In den USA besteht seit 1997 das öffentliche Register «ClinicalTrials.gov» zwecks Registrierung klinischer Studien mit Arzneimitteln und Medizinprodukten.

Seit 2007 müssen auch «basic results» gemeldet werden. Ausserdem werden auch zunehmend Humanforschungsprojekte ausserhalb des Heilmittelbereichs in diesem Register eingetragen.

Die Deklaration von Helsinki (vgl. Ziff. 1.6.4) schreibt für die medizinische Forschung am Menschen vor, dass jeder klinische Versuch in einer öffentlich zugänglichen Datenbank zu registrieren ist. Ausserdem müssen negative und nicht beweiskräftige ebenso wie positive Ergebnisse genau und vollständig wiedergegeben, veröffentlicht oder der Öffentlichkeit anderweitig zugänglich gemacht werden.

41 42

Einsehbar unter www.icmje.org.

Einsehbar unter www.who.int., Rubrik «programmes and projects».

8087

1.8.4.4

Ergebnisse der Vernehmlassung

Das im Vorentwurf vorgesehene und vom Bund geführte öffentliche Studienregister der bewilligten Forschungsprojekte wurde von den meisten Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsst. Mehrfach geäussert wurde der Wunsch, bereits bestehende Verzeichnisse auszubauen und die bewilligten Forschungsprojekte darin zu registrieren.

Unterschiedliche Meinungen bestanden zur Frage, ob Zusammenfassungen der Forschungsergebnisse im Studienregister aufgeführt werden sollten. Im Falle einer Publikation von Ergebnissen müsse der Schutzanspruch der Forschenden in Bezug auf geistiges Eigentum berücksichtigt werden. Einige Vernehmlassungsteilnehmende befürworten zusätzlich die Schaffung eines Probandenregisters. Damit sollte die bezahlte Teilnahme einzelner Personen an mehreren Projekten innerhalb kurzer Zeit vermieden werden. Durch mehrfache Studienteilnahme könne einerseits die Gesundheit gefährdet und andererseits die Qualität der Forschungsergebnisse verfälscht werden.

1.8.4.5

Lösungsvorschlag

Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass bewilligte Forschungsprojekte in ein öffentliches Register einzutragen sind, wobei der Bundesrat Ausnahmen der Registrierungspflicht vorsehen kann. Internationale Regelungen sind vom Bundesrat bei der Festlegung von Inhalt, Meldepflicht und Meldeverfahren zu berücksichtigen. Auf Verordnungsebene soll zudem entschieden werden, ob die Umsetzung der Registrierung Organisationen des öffentlichen oder des privaten Rechts übergeben werden soll. Gleiches gilt bezüglich einer allfälligen Verpflichtung zur Erfassung von Forschungsergebnissen.43 Bei einer Eintragung der Ergebnisse wird dem Schutz geistigen Eigentums angemessen Rechnung zu tragen sein.

Der vorliegende Gesetzesentwurf sieht keine Registrierungspflicht vor von Personen, die an Forschungsprojekten teilnehmen («Probandenregister»). Das geringe Risiko der Selbstgefährdung und der Verfälschung von Studienergebnissen, das mit einer zu häufigen oder gleichzeitigen Teilnahme an Forschungsprojekten einher gehen könnte, rechtfertigt den finanziellen und technischen Aufwand eines solchen Registers nicht. Bisherige Erfahrungen haben gezeigt, dass faktisch nur sehr wenige Missbrauchsfälle vorkommen. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass in Grenzregionen das Register grenzübergreifend zu konzipieren wäre.

1.9

Öffentliche Debatte

Das Zentrum für Technologiefolgenabschätzung TA-SWISS beim Schweizerischen Wissenschafts- und Technologierat (SWTR) in Bern organisierte in den Jahren 2003 und 2004 ein PubliForum mit rund 30 erwachsenen Bürgerinnen und Bürgern44 43 44

Der Umgang mit Forschungsergebnissen betrifft auch einen Aspekt der wissenschaftlichen Integrität (vgl. Art. 10 Abs. 1 Bst. a).

Das Bürgerpanel bestand aus 29 Personen, die hinsichtlich Geschlecht, Alter, sprachlicher Zugehörigkeit sowie beruflichem Hintergrund soweit als möglich ausgewogen ausgewählt wurden.

8088

sowie PubliTalks mit insgesamt 60 jungen Erwachsenen zwischen 18 und 23 Jahren.

Mit diesen partizipativen Verfahren wurde die Meinung dieser Personen zum Thema Forschung am Menschen eingeholt. Nachfolgend sind die wichtigsten Resultate dieser Veranstaltungen zusammengefasst45: ­

Der Schutz des Menschen in der Forschung ist heute zwar gewährleistet, kann aber in einzelnen Aspekten verbessert werden. So ist z.B. für eine medizinische und psychologische Betreuung während und nach Abschluss des Forschungsprojekts zu sorgen und die betroffene Person muss umfassend aufgeklärt werden.

­

Das gegenwärtige Genehmigungsverfahren unter Einbezug der Ethikkommissionen wird begrüsst. Allerdings sollte die Anzahl der Kommissionen reduziert und der Erfahrungsaustausch unter ihnen gefördert werden.

­

Die Forschung mit Schwangeren, Kindern, Behinderten und Menschen mit besonders seltenen Krankheiten soll gefördert werden, indem entsprechende Anreize geschaffen werden. Forschung, die nicht lukrativ ist, soll durch einen Fonds gefördert werden. Ein «Forschungsrappen» aus dem Medikamentenumsatz soll den Fonds äufnen.

­

Um Missbräuchen vorbeugen zu können, müssen Zweck und Nutzen der Forschung klar definiert sein. Es sollten regionale Ombudsstellen geschaffen werden, an die sich eine betroffene Person wenden kann.

­

Die Information und Transparenz soll verbessert werden, indem alle Studienergebnisse ­ sowohl positive wie auch negative ­ in einer für Laien verständlichen Sprache in einem Register veröffentlicht werden.

­

Der Datenschutz insbesondere beim Umgang mit genetischen Daten ist besonders wichtig, weshalb die Einsicht der Versicherungen in die Daten beschränkt sein muss.

­

Die Bestimmungen im Humanforschungsgesetz sollen sich an internationalen Vereinbarungen wie der Biomedizin-Konvention und dessen Zusatzprotokoll orientieren.

Die Mehrzahl der im Rahmen der PubliTalks befragten jungen Erwachsenen kann sich vorstellen, sich an einem Versuch in der klinischen Forschung zu beteiligen.

Dies insbesondere dann, wenn sie damit ihren Angehörigen helfen können. Dabei sind ihre zentralen Anliegen:

45

­

Eine umfassende und altersgemässe Aufklärung durch die Ärztin bzw. durch den Arzt über mögliche Folgen des klinischen Versuchs.

­

Eine altersgemässe Mitbestimmung über die Teilnahme an einem klinischen Versuch: Bei Kleinkindern sollen die Eltern entscheiden; schulpflichtige Kinder sollen zumindest mitreden und ältere Jugendliche sollen selber bestimmen dürfen.

­

Ein Vetorecht für Kinder: Als ideal wird eine Entscheidung betrachtet, die vom Kind und den Eltern gemeinsam im Dialog getroffen wird. Im Konfliktfall soll die Stimme des Kindes mehr Gewicht haben.

Einsehbar unter www.ta-swiss.ch.

8089

­

Eine unabhängige Beratungsinstanz: Diese soll im Fall von Meinungsverschiedenheiten zwischen Eltern, Jugendlichen und Ärztinnen bzw. Ärzten vermitteln.

­

Die Gewährleistung des Datenschutzes bei der Verwendung von biologischem Material: Dieses soll ohne Wissen und Einwilligung der Betroffenen für keinen anderen Forschungszweck als den ursprünglich vorgesehenen verwendet werden dürfen.

­

Die Regelung der finanziellen Entschädigung von Versuchspersonen sowie der Versicherung von Folgeschäden bei klinischen Versuchen.

1.10

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Durch den Erlass des Humanforschungsgesetzes können folgende parlamentarische Vorstösse als erledigt abgeschrieben werden: ­

Mit der Motion Plattner vom 1. Dezember 1998 (98.3543; S 16.03.1999, N 21.03.2000) wird der Bundesrat beauftragt, ein Bundesgesetz über die medizinische Forschung am Menschen vorzulegen. Darin sollen die ethischen und rechtlichen Grundsätze und Schranken festgeschrieben werden, die in diesem Gebiet befolgt werden müssen, damit einerseits der Schutz der Persönlichkeitsrechte in möglichst hohem Masse gewährleistet ist und andererseits eine sinnvolle medizinische Forschung am Menschen nicht verhindert wird. Das neue Gesetz soll sich an anerkannten nationalen und internationalen Richtlinien zu Forschungsprojekten am Menschen orientieren.

­

Die Motion Dunant vom 17. März 2004 (04.3105; N 29.11.2005, S 13.03.2006) verlangt vom Bundesrat, die nötigen Rahmenbedingungen für eine gesamtschweizerische Koordination oder für eine Konzentration der verschiedenen Ethikkommissionen zu schaffen.

­

Mit der Motion Hochreutener vom 16. Dezember 2004 (04.3742; N 19.03.2007, S 13.12.2007) wird der Bundesrat beauftragt, dafür zu sorgen, dass für die Beurteilung ein und desselben klinischen Versuchs an verschiedenen Orten im Rahmen von Multizenterstudien nur eine einzige Ethikkommission zuständig ist.

­

Mit der Motion Hubmann vom 17. März 2005 (05.3136; N 17.06.2005, S 12.12.2005) wird der Bundesrat beauftragt, für die Erfassung aller klinischen Studien in einem öffentlich zugänglichen Register zu sorgen. Dabei ist zu prüfen, ob ein gesamtschweizerisches Register geschaffen werden soll oder die Anbindung an ein bestehendes internationales Register vorzuziehen ist.

8090

2

Besonderer Teil: Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

2.1

Kapitel 1: Allgemeine Bestimmungen

2.1.1

1. Abschnitt: Zweck, Geltungsbereich und Begriffe

2.1.1.1

Zweck (Art. 1)

Der Zweckartikel des vorliegenden Gesetzesentwurfs knüpft am Verfassungsartikel über die Forschung am Menschen an und konkretisiert diesen (vgl. Ziff. 1.1.1).

Absatz 1 nimmt das Ziel des Verfassungsartikels auf und bestimmt, dass das vorliegende Gesetz die Würde und Persönlichkeit des Menschen in der Forschung schützen soll. Zusätzlich wird die Gesundheit als Teilgehalt des Rechtsguts der Persönlichkeit explizit erwähnt, da ihr im Rahmen der Forschung am Menschen eine besondere Bedeutung zukommt. Eine Person, die an einem Forschungsprojekt teilnimmt, soll darauf vertrauen können, dass sie keinen unangemessenen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt wird und diese generell ein gewisses Mass nicht übersteigen.

Absatz 2 enthält weitere Ziele, die mit dem Gesetzesentwurf erreicht werden sollen.

Gemäss Buchstabe a sollen günstige Rahmenbedingungen für die Forschung geschaffen werden. Neben dem primären Ziel der Vorlage ­ dem Schutz von Würde, Persönlichkeit und Gesundheit ­ soll auch das Grundrecht der Forschungsfreiheit gewahrt und mit dem Persönlichkeitsschutz in einen Ausgleich gebracht werden.

Nach Buchstabe b soll das Gesetz dazu beitragen, die Qualität der Forschung am Menschen sicherzustellen. Dies soll insbesondere mittels Überprüfung eines Forschungsprojekts durch die zuständige Ethikkommission im Hinblick auf dessen wissenschaftliche Qualität sowie durch die Festlegung verbindlicher Qualitätsanforderungen erreicht werden. Weiter soll das Gesetz die Transparenz in der Forschung am Menschen gewährleisten (Bst. c). Diesem Ziel dient in erster Linie die Einrichtung eines öffentlich zugänglichen Registers (vgl. Art. 55).

2.1.1.2

Geltungsbereich (Art. 2)

Absatz 1 legt fest, dass der vorliegende Entwurf die Forschung zu Krankheiten des Menschen sowie zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers (Begriffe vgl.

Ziff. 2.1.1.3) regelt. Die Buchstaben a­e benennen sodann die «Forschungsgegenstände» im Einzelnen: ­

alle natürlichen Personen im juristischen Sinne;

­

verstorbene Personen (vgl. Ziff. 2.5);

­

Embryonen und Föten im Mutterleib (in vivo) oder nach einem Schwangerschaftsabbruch oder Spontanabort einschliesslich Totgeburten (vgl.

Ziff. 2.6);

­

biologisches Material sowie gesundheitsbezogene Personendaten (vgl.

Ziff. 2.4).

8091

Der Gesetzesentwurf ist gemäss Absatz 2 Buchstabe a nicht anwendbar auf Forschung mit Embryonen in vitro und den daraus gewonnenen humanen embryonalen Stammzellen. Diese Forschung ist im Stammzellenforschungsgesetz geregelt.46 Die Vorlage ist zudem nicht anwendbar auf die Forschung mit anonymisiertem biologischem Material (Bst. b) und anonymisierten gesundheitsbezogenen Daten (Bst. c).

Zu beachten sind hier allerdings die Vorschriften zur Anonymisierung gemäss Artikel 34. Letztlich gilt der Entwurf nicht für Forschung mit anonym erhobenen gesundheitsbezogenen Daten (Bst. c), also etwa aus Befragungen von namentlich nicht bekannten Passantinnen und Passanten, aus Umfragen per Briefpost oder via Internet mit anonymen Rückmeldungen.

Rein deklaratorisch soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass zusätzlich zum Entwurf die Vorschriften zur Forschung am Menschen anderer Bundesgesetze anwendbar sind, so z.B. die Regelungen zu klinischen Versuchen der Transplantation, wie sie das Transplantationsgesetz etwa in Bezug auf den Umgang mit embryonalem und fötalem Gewebe festlegt, sowie die Bestimmungen des Heilmittelgesetzes zu klinischen Versuchen mit Heilmitteln.

2.1.1.3

Begriffe (Art. 3)

Bst. a

Forschung

Der Begriff Forschung ist definiert als die methodengeleitete Suche nach verallgemeinerbaren Erkenntnissen. Die Präzisierung «methodengeleitet» verweist auf die Anwendung von wissenschaftlich anerkannten Vorgehensweisen zur Gewinnung der gesuchten Erkenntnisse. Dabei kann es sich sowohl um natur- als auch um sozialwissenschaftliche Methoden handeln. Die zu gewinnenden Erkenntnisse müssen zudem verallgemeinerbar sein, d.h. sie müssen auch über den Kontext des Forschungsprojekts hinaus Gültigkeit besitzen und dürfen nicht einen nur individuellen Bezug aufweisen. Die Verallgemeinerbarkeit wird z.B. mittels einer genügend hohen Fallzahl sowie einer realitätsnahen Forschungsanlage angestrebt. Nicht unter die Suche nach verallgemeinerbaren Erkenntnissen ist ein Wissenszuwachs ausschliesslich bei einer Einzelperson (z.B. im Rahmen der Aus- und Weiterbildung) zu subsumieren.

Zur Eingrenzung des Forschungsbegriffs ist an dieser Stelle auf folgende Konstellationen gesondert einzugehen: ­

46

Bei Phase-IV-Studien und Anwendungsbeobachtungen (oft auch «Praxiserfahrungsberichte» genannt) geht es darum, bereits standardisiert zur Anwendung gelangende Methoden oder bereits zugelassene Heilmittel in der gängigen ärztlichen Praxis einer Kontrolle zu unterziehen. Solche Kontrollen werden nach anerkannten wissenschaftlichen Methoden durchgeführt und können in Einzelfällen mit einem allgemeinen Erkenntnisgewinn verbunden sein, z.B. wenn neue Erkenntnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit eines Medikaments gewonnen werden sollen. Ähnlich handelt es sich bei Anwendungsbeobachtungen teilweise um die Suche nach verallgemeinerbaren Erkenntnissen. Die Zuordnung der Phase-IV-Studien und Anwendungs-

SR 810.31

8092

beobachtungen zur Forschung im Sinne des vorliegenden Entwurfs ist deshalb je nach Art und Ziel dieser Tätigkeiten zu entscheiden.

­

Auch Qualitätskontrollstudien sind ­ vergleichbar mit Phase-IV-Studien und Anwendungsbeobachtungen ­ nur dann als Forschung zu qualifizieren, wenn zusätzlich zur Qualitätskontrolle methodengeleitet neue, verallgemeinerbare Erkenntnisse gewonnen werden sollen.

­

Wissenschaftliche Qualifizierungsarbeiten wie Masterarbeiten und Dissertationen sind nur dann unter Forschung im Sinne des vorliegenden Entwurfs subsumierbar, wenn über den individuellen Wissenszuwachs hinaus auch verallgemeinerbare Erkenntnisse für die «scientific community» gewonnen werden. In der Regel wird dies für Abschlussarbeiten in Bildungsgängen nicht erfüllt sein. Im Zweifelsfall kann die zuständige Ethikkommission vorgängig zur Einreichung des Gesuchs angefragt werden.

­

Heilversuche werden in der Regel allein mit dem Ziel durchgeführt, den Gesundheitszustand der Patientin bzw. des Patienten zu verbessern und nicht, um verallgemeinerbare Erkenntnisse zu gewinnen. In der Praxis werden Heilversuche insbesondere dann durchgeführt, wenn es keine Standardtherapie gibt oder bestehende Therapieansätze nicht erfolgreich sind, was etwa bei unheilbaren oder chronischen Krankheiten der Fall sein kann. Heilversuche erfolgen deshalb auch primär im Interesse der betroffenen Personen und allenfalls sekundär auch mit dem Ziel, verallgemeinerbares Wissen zu generieren. Auch bei Heilversuchen ist deshalb die Zuordnung zur Forschung im Einzelfall zu entscheiden.

Ergänzend wird zur Forschungsdefinition auf die entsprechenden Ausführungen der Botschaft zum Verfassungsartikel über die Forschung am Menschen47 verwiesen.

Bst. b

Forschung zu Krankheiten

Der Begriff «Forschung zu Krankheiten» bezeichnet Forschung zu allen pathologischen Zuständen beim Menschen. Der Begriff Krankheit bezieht sich sowohl auf klassifizierte Diagnosen zu physischen und psychischen Beeinträchtigungen der Gesundheit wie auch auf weitere Beeinträchtigungen, die nicht einer konkreten Diagnose zugeordnet werden können. Dabei lehnt sich der Entwurf an die Konzeption der anerkannten WHO-Klassifikationssysteme48, der «International Classification of Diseases» (ICD) einerseits sowie der «International Classification of Functioning, Disability and Health» (ICF) andererseits an, wobei Letztere die gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf einer funktionalen Ebene beschreibt.

Entsprechend werden von der «Forschung zu Krankheiten» z.B. sowohl eine Studie zu einem Medikament gegen Zuckerkrankheit als auch eine Studie zu einem Hilfsmittel für gehbehinderte Personen erfasst. Darüber hinaus sind im Begriff der Krankheit ­ im Gegensatz zur Terminologie des Entwurfs eines Präventionsgesetzes49 und des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 200050 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts ­ auch gesundheitliche Beeinträchtigungen infolge von Unfällen erfasst.

47 48 49 50

BBl 2007 6713 Vgl. www.who.int, Rubrik «health topics / classification».

Botschaft vom 30. Sept. 2009, BBl 2009 7071.

SR 830.1

8093

«Forschung zu Krankheiten» beschreibt die Forschung unabhängig vom Fachbereich, in dem sie stattfindet. Der grösste Teil der betroffenen Studien werden in den klassischen Bereichen der Medizin, einschliesslich der Psychiatrie, und in den Pflegewissenschaften stattfinden. Studien, die z.B. in der Psychologie, in Ernährungs- und Sportwissenschaften oder interdisziplinär durchgeführt werden, sind jedoch ebenso vom Geltungsbereich erfasst, sofern sie Fragestellungen zu Krankheiten betreffen. Das Gesetz regelt auch jegliche Grundlagenforschung mit Bezug zu einer Krankheit. Dabei kann die Forschung unterschiedliche Blickwinkel auf Krankheiten betreffen, insbesondere die Prävention, Diagnostik, Therapie und Epidemiologie. Auch die Forschung zu den psychischen oder physischen Grundlagen und Ursachen von Krankheiten ist vom Geltungsbereich erfasst.

Bst. c

Forschung zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers

Die «Forschung zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers» betrifft insbesondere die allgemeine Grundlagenforschung in den Bereichen Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie sowie Genetik des menschlichen Körpers. Sie wird auch dann vom vorliegenden Gesetzesentwurf umfasst, wenn sie keinen Bezug zu einer Krankheit aufweist, und ist deshalb von der oben beschriebenen «Forschung zu Krankheiten» zu unterscheiden. Die Grundlagenforschung zu anderen Bereichen, etwa über die menschliche Psyche oder deren Entwicklung, ist demgegenüber nur vom Geltungsbereich umfasst, sofern sie im Sinne von Buchstabe b Erkenntnisse über Ursachen und Entstehung von (häufig psychischen) Krankheiten generiert. Die Forschung zur normalen Struktur, Funktion und Entwicklung der menschlichen Psyche, wie sie z.B. in der Pädagogik und in der psychologischen Grundlagenforschung stattfindet, ist im Geltungsbereich nicht eingeschlossen.

Daneben umfasst der Geltungsbereich jede Forschung, die ausserhalb von Prävention, Diagnostik, Therapie und Epidemiologie von Krankheiten mit Eingriffen und Einwirkungen auf den Körper verbunden ist. Zu nennen sind hier z.B. Blutentnahmen, die Anwendung bildgebender Verfahren, die Verwendung von Implantaten oder die Abgabe von Wirkstoffen auch ohne den Bezug zu einer Krankheit, z.B. zu rein ästhetischen Zwecken.

Bst. d

Forschungsprojekt mit erwartetem direktem Nutzen

Ein Forschungsprojekt mit einem erwarteten direkten Nutzen liegt vor, wenn von diesem während oder unmittelbar nach Abschluss des Projekts für die teilnehmenden Personen eine Verbesserung ihrer Gesundheit erhofft werden kann. Erwartet werden darf dieser direkte Nutzen insbesondere aufgrund von Erfahrungen aus Tierversuchen, In-Vitro-Modellen oder anderen präklinischen Prüfungen. Forschung mit einem erwarteten direkten Nutzen soll somit neben dem Erkenntnisgewinn immer auch der Gesundheit der Personen dienen, da ein unmittelbarer diagnostischer, therapeutischer oder präventiver Nutzen angestrebt wird.

Forschung ohne direkten Nutzen lässt hingegen keine Verbesserung der Gesundheit der teilnehmenden Personen erwarten. Unter diesen Begriff fallen auch Forschungsprojekte mit einem möglichen Gruppennutzen. Damit sind Projekte gemeint, von denen Erkenntnisse erwartet werden, die Personen mit derselben Krankheit oder Störung, an denen die betroffene Person leidet, oder in demselben Zustand, in dem sie sich befindet, längerfristig einen Nutzen bringen können. Daher gelten auch

8094

Forschungsprojekte mit einem möglichen gesellschaftlichen Nutzen nicht als Projekte mit einem erwarteten direkten Nutzen.

Neben dem Begriff «Forschung mit einem erwarteten direkten Nutzen» werden in der einschlägigen Literatur auch die gleichbedeutenden Begriffe «therapeutische Forschung» und «eigennützige Forschung» verwendet. Umgekehrt wird die Forschung ohne direkten Nutzen auch als «rein wissenschaftliche» und «fremdnützige Forschung» bezeichnet.

Das Konzept der Unterscheidung zwischen Forschung mit direktem Nutzen und solcher ohne direkten Nutzen findet sich in nationalen und internationalen Regelwerken und Richtlinien (vgl. Ziff. 1.5 und 1.6) wieder.

Bei der Beurteilung, ob es sich um Forschung mit oder ohne direkten Nutzen handelt, werden nicht die Auswirkungen auf einzelne in die Studie involvierte Personen, sondern stets die gesamte Studie beurteilt. So wird z.B. eine Placebostudie (vgl.

Ziff. 1.2.2.1 und 1.3) als Forschung mit direktem Nutzen qualifiziert, obschon diese Studie für die Mitglieder jener Gruppe, denen ein Placebo verabreicht wird, einen rein wissenschaftlichen Versuch darstellt. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist heute allgemein anerkannt, dass der Einsatz von Placebos nur dann berechtigt ist, wenn für die zu behandelnde Krankheit noch keine genügend wirksame Behandlung zur Verfügung steht oder wenn es sich um geringfügige Leiden wie z.B. leichte Kopfschmerzen handelt.

Bst. e

Biologisches Material

Biologisches Material menschlichen Ursprungs umfasst insbesondere Organe, Gewebe, Zellen (einschliesslich Ei- und Samenzellen) und Körperflüssigkeiten, wie z.B. Blut und Urin, die von lebenden Personen stammen.

Bst. f

Gesundheitsbezogene Personendaten

Unter gesundheitsbezogenen Personendaten sind diejenigen Informationen über eine Person zu verstehen, die einen Bezug zu einer physischen oder psychischen Krankheit aufweisen oder über Aufbau und Funktion des Körpers der betreffenden Person Auskunft geben. Der Begriff entspricht demjenigen der Daten über die Gesundheit gemäss Artikel 3 Buchstabe c Ziffer 2 Datenschutzgesetz.

Wenn im Entwurf von «nichtgenetischen gesundheitsbezogenen Personendaten» die Rede ist, so werden damit sämtliche gesundheitsbezogenen Personendaten mit Ausnahme der genetischen Daten (Art. 3 Bst. g) bezeichnet.

Bst. g

Genetische Daten

Genetische Daten umfassen die Informationen über das Erbgut einer Person. Sie können aus nahezu jeder Art biologischen Materials im Rahmen einer genetischen Untersuchung gewonnen werden. Die Definition ist, mit Ausnahme der Bezugnahme auf das DNA-Profil, der im vorliegenden Forschungskontext keine Bedeutung zukommt, mit derjenigen des Bundesgesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen identisch (Art. 3 Bst. l GUMG).

8095

Bst. h

Verschlüsseltes biologisches Material und verschlüsselte gesundheitsbezogene Personendaten

Verschlüsseltes biologisches Material bzw. verschlüsselte gesundheitsbezogene Personendaten werden vor der Verwendung zu Forschungszwecken mit einem Schlüssel (engl. «Code») versehen. Dieser Schlüssel ist notwendig, um den Personenbezug wieder herzustellen, die Verschlüsselung also wieder rückgängig zu machen (vgl. Art. 34 Abs. 2). Allgemein als Synonym verstandene Begriffe sind «Codierung» und «Pseudonymisierung». Die Voraussetzungen an die Einwilligung für die Weiterverwendung von verschlüsseltem biologischem Material bzw. verschlüsselten gesundheitsbezogenen Personendaten sind in den Artikeln 31 Absatz 2 bzw. 32 Absatz 2 geregelt.

Bst. i

Anonymisiertes biologisches Material und anonymisierte gesundheitsbezogene Daten

Unter anonymisiertem biologischem Material und anonymisierten gesundheitsbezogenen Daten ist die irreversible Aufhebung des Personenbezuges zu verstehen. Eine solche liegt dann vor, wenn Material bzw. Daten überhaupt nicht oder nur mit einem unverhältnismässig grossen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft der betreffenden Person zugeordnet werden können. Diese Definition entspricht der gängigen Umschreibung im Datenschutzrecht. Unverhältnismässigkeit der Wiederherstellung des Personenbezugs ist insbesondere auch bei biologischem Material denkbar: Hier können genetische Daten, die aus dem Material gewonnen werden, theoretisch mit Referenzdaten verglichen werden. Von einem Vorhandensein solcher Referenzdaten bzw. Vergleichsproben kann jedoch nur in seltenen Fällen ausgegangen werden. In diesem Fall dürfte der Zugriff auf diese in aller Regel jedoch praktisch unmöglich oder rechtlich unzulässig sein.

Wann den Anforderungen an eine korrekte Anonymisierung (vgl auch Art. 34 Abs. 2) Genüge getan ist, ist je nach Einzelfall zu entscheiden: Die Streichung nur des Namens kann bei einer sehr grossen Datenmenge (grosse Personenpopulation) genügen, auch wenn andere Parameter (z.B. Geburtsdatum) verbleiben. Ist die betroffene Population jedoch sehr klein, so ist das Entfernen nur des Namens nicht ausreichend. Falls nicht absolut notwendig, sind grundsätzlich sämtliche personenbezogene Parameter wie Geburtsdatum, Wohnadresse usw. zu streichen.

Die Voraussetzungen der Anonymisierung von biologischem Material bzw. gesundheitsbezogenen Daten sind in Artikel 31 Absatz 3, 32 Absatz 3 und 34 Absatz 1 geregelt.

2.1.2

2. Abschnitt: Grundsätze

2.1.2.1

Vorrang der Interessen des Menschen (Art. 4)

Diese Bestimmung, die in Anlehnung an die Biomedizin-Konvention (vgl.

Ziff. 1.5.1) und die Deklaration von Helsinki (vgl. Ziff. 1.6.4) verfasst wurde, ist als Leitlinie bei der Interpretation der vorliegenden Regelung der Forschung am Menschen zu verstehen. Sie besagt, dass Interessen, Gesundheit und Wohlergehen des einzelnen Menschen den blossen Interessen von Wissenschaft und Gesellschaft vorgehen. Damit wird konkretisiert, was in Artikel 118b BV festgelegt und im 8096

Zweckartikel des Gesetzesentwurfs ausgeführt wird: Das Gesetz soll in erster Linie Würde und Persönlichkeit schützen.

Interesse und Wohl der teilnehmenden Person werden den blossen Interessen von Wirtschaft und Gesellschaft gegenübergestellt. Im Zentrum steht also der Konflikt zwischen einem individuellen und konkreten gefährdeten Interesse und kollektiven, gesellschaftlichen Interessen. Der Begriff «blosses Interesse» ist dabei nicht im Sinne einer Herabstufung der Belange von Wissenschaft und Gesellschaft zu deuten.

Vielmehr soll damit zum Ausdruck gebracht werden, dass der Einzelne vor deren Interessen, bzw. vor der Gemeinschaft, zu rangieren hat.51 Als Beispiel dafür kann Artikel 15 Absatz 2 genannt werden, wonach unverzüglich alle Massnahmen zum Schutz der teilnehmenden Person getroffen werden müssen, wenn während eines Forschungsprojekts Umstände auftreten, die deren Sicherheit beeinträchtigen könnten. In einem solchen Fall muss immer zugunsten der teilnehmenden Person entschieden werden, auch wenn z.B. ein sofortiger Ausschluss die Forschungsresultate beeinträchtigt.

2.1.2.2

Relevanz (Art. 5)

Diese Bestimmung gibt vor, dass sämtliche Forschungsvorhaben unter Einbezug des Menschen eine wissenschaftlich relevante Fragestellung entweder für das Verständnis von Krankheiten des Menschen sowie Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers oder für die öffentliche Gesundheit aufweisen müssen. Damit wird einerseits ein in der ethischen Diskussion zur Forschung am Menschen anerkanntes und heute verwendetes Kriterium gesetzlich verankert. Andererseits nimmt diese Bestimmung die verfassungsrechtliche Vorgabe auf, die auf die gesellschaftliche Bedeutung der Forschung hinweist (Art. 118b Abs. 1). Beide Aspekte legen dar, dass bei der Forschung am Menschen zwar primär der individuelle Schutz des einbezogenen Menschen im Zentrum steht, stets aber auch anerkannte kollektive Interessen zu berücksichtigen sind.

In materieller Hinsicht wird verlangt, dass ein Forschungsvorhaben in der wissenschaftlichen Diskussion von Relevanz ist. Dies ist z.B. dann zu verneinen, wenn die anvisierte Fragestellung wissenschaftlich bereits hinreichend geklärt und validiert ist, unnötige Mehrfachprojekte also vermieden werden können und ­ unter dem Blickwinkel des Schutzes der einbezogenen Menschen ­ auch vermieden werden müssen. Zusätzlich muss das Forschungsvorhaben dazu dienen, dass verallgemeinerbare Erkenntnisse zu Krankheiten des Menschen sowie zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers einerseits oder für die öffentliche Gesundheit andererseits gewonnen werden sollen. Unzulässig wären damit z.B. Forschungsprojekte mit dem Zweck, die freie Willensbildung von Personen gezielt zu vermindern oder effizientere Foltermethoden zu entdecken. Aus den genannten Beispielen ist ersichtlich, dass das Kriterium der Relevanz nur ­ aber immerhin ­ in aussergewöhnlichen Konstellationen greift.

51

Taupitz J, Biomedizinische Forschung zwischen Freiheit und Verantwortung; Berlin, Heidelberg, New York, 2002, S. 57 f. / Kandler H-C, Rechtliche Rahmenbedingungen biomedizinischer Forschung am Menschen; Berlin, Heidelberg, 2008, S. 67 ff.

8097

2.1.2.3

Nichtdiskriminierung (Art. 6)

Einen für die Forschung am Menschen besonders relevanten Grundsatz stellt das Diskriminierungsverbot nach Artikel 8 Absatz 2 BV dar. So ist insbesondere bei der Auswahl der Personen für die Forschung ein ungerechtfertigter genereller Ausschluss einer bestimmten Personengruppe (z.B. Frauen) von Forschungsprojekten ebenso unzulässig wie eine ungerechtfertigte einseitige oder übermässige Belastung einer Personengruppe (Abs. 1).

Eine Ungleichbehandlung stellt jedoch nur dann eine Diskriminierung dar, wenn keine triftigen Gründe vorliegen (und im Bewilligungsgesuch dargelegt werden), die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen würden. Absatz 2 schliesst eine Auswahl der Personen nach bestimmten Kriterien (wie Alter, Geschlecht, bestimmter Gesundheitszustand) daher nicht aus, wenn sich diese Kriterien durch das Forschungsprojekt selbst ergeben (z.B. geschlechtsspezifische Krankheiten). Demgegenüber wäre es diskriminierend, in Forschungsprojekte mit hohem Risiko für die teilnehmenden Personen ausschliesslich Personen einer bestimmten Gruppe (z.B. Asylsuchende oder Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger) einzubeziehen.

Aus dieser Bestimmung lässt sich indessen kein Recht einer Person ableiten, in ein Forschungsprojekt einbezogen zu werden.

2.1.2.4

Einwilligung (Art. 7)

Die Einwilligung, die frei von Zwang, Täuschung und sachfremden Einflüssen erfolgt, gilt als eine der wichtigsten Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Forschung am Menschen. Aus diesem Grund wird in grundsätzlicher Weise festgehalten, dass Forschung am Menschen nur durchgeführt werden darf, wenn eine explizite Einwilligung nach hinreichender Aufklärung («informed consent») vorliegt oder wenn in den im Gesetz vorgesehenen Fällen und nach entsprechender Information vom Widerspruchsrecht kein Gebrauch gemacht wird (Abs. 1). Diese Rechte kommen auch Kindern, Jugendlichen und im Allgemeinen urteilsunfähigen Erwachsenen zu, sofern sie in Bezug auf das konkrete Forschungsprojekt urteilsfähig sind. In bestimmten Fällen muss die gesetzliche Vertretung zusätzlich einwilligen (vgl.

Ziff. 2.3.1.1 und 2.3.1.2). Ist die Person selber aufgrund fehlender Urteilsfähigkeit nicht in der Lage, bezüglich ihrer Teilnahme an einem Forschungsprojekt einen wohlüberlegten Entscheid zu treffen, so nimmt die nach dem Gesetz berechtigte Person (vgl. z.B. Art. 21­23) dieses Recht wahr. Sie kann eine Teilnahme an einem Forschungsprojekt im Interesse der urteilsunfähigen Person auch verweigern, wenn diese daran teilnehmen möchte.

Zum Schutz der Persönlichkeit sieht der Entwurf auch im Zusammenhang mit der Weiterverwendung von bereits entnommenem biologischem Material und bereits erhobenen gesundheitsbezogenen Personendaten entsprechende Einwilligungs- und Widerspruchslösungen vor (vgl. Ziff. 2.4.1 und 2.4.2).

Die konkreten Inhalte einer hinreichenden Aufklärung finden sich in den einzelnen Kapiteln (z.B. Art. 16 für die Forschung mit Personen). Sie werden auf Verordnungsstufe weiter ausgeführt. Zusätzlich zum Grundprinzip der aufgeklärten Einwilligung enthält der Gesetzesentwurf Spezialbestimmungen, bei denen die Anforderungen an eine Aufklärung und Einwilligung nur teilweise bzw. nicht gelten,

8098

wobei die Begründungen im Rahmen der Erläuterungen der einzelnen Artikel (Art. 18, 29, 33) zu finden sind.

Das in Absatz 2 statuierte Recht, die Teilnahme an einem Forschungsprojekt jederzeit und ohne Angabe von Gründen zu verweigern, ergibt sich aus dem Selbstbestimmungsrecht einer jeden Person (vgl. Ziff. 1.2.2.1). Die betroffene Person darf insbesondere bei einer allfälligen weiteren medizinischen Betreuung oder Behandlung nicht benachteiligt werden, wenn sie sich dazu entschliesst, nicht an einem Forschungsprojekt teilzunehmen. In diesem Fall soll die Standardbehandlung oder -betreuung mit der nötigen Sorgfalt ausgeführt werden. Es wäre unzulässig, eine Patientin oder einen Patienten aufgrund einer verweigerten Teilnahme an ein anderes Zentrum zu verweisen oder notwendige Konsultationstermine in einer geringeren Frequenz anzubieten.

Eine erteilte Einwilligung kann von der teilnehmenden Person formlos und ohne Angabe von Gründen jederzeit widerrufen werden (Abs. 3). Entschliesst sich eine Person, von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen, so ist sie über die Folgen des Abbruchs zu informieren. Es ist zentral, z.B. darüber Auskunft zu geben, wie eine im Rahmen des Forschungsprojekts begonnene Einnahme eines Medikaments möglichst schonend wieder abgesetzt werden kann und was die möglichen gesundheitlichen Folgen eines plötzlichen Absetzens wären. Auf diese Weise können allfällige Risiken und Belastungen, die sich durch den Widerruf ergeben können, so gering wie möglich gehalten werden. Biologisches Material oder gesundheitsbezogene Personendaten, die bis zum Zeitpunkt des Widerrufs entnommen resp. erhoben worden sind, dürfen in diesem Falle weiter für das Forschungsprojekt verwendet werden. Andernfalls ­ etwa bei Studien mit nur wenigen Teilnehmenden ­ würde die Fortsetzung des Forschungsprojekts unter Umständen verunmöglicht, was unverhältnismässig ist. Die teilnehmende Person ist über die Möglichkeit der weiteren Verwendung von Material und Daten im Rahmen der allgemeinen Aufklärung (Art. 16) in Kenntnis zu setzen.

2.1.2.5

Recht auf Information (Art. 8)

Das Selbstbestimmungsrecht einer Person beinhaltet das Recht, über Ergebnisse informiert zu werden, die ihre Gesundheit betreffen (Abs. 1 erster Satz). Dieser Anspruch hat primär zum Ziel, der betroffenen Person eine Entscheidungshilfe in Bezug auf präventive Massnahmen bzw. eine Behandlung zu geben. Stösst man anlässlich eines Forschungsprojekts auf einen deutlichen Hinweis auf eine Krankheit, so ist die betroffene Person darüber in Kenntnis zu setzen, es sei denn, sie habe auf diese Information verzichtet. Es muss sich jedoch in jedem Fall um einen weitestgehend gesicherten Hinweis handeln. Medizinische Untersuchungsergebnisse können immer auch unzutreffend sein; dies gilt erst recht, wenn die diagnostischen Methoden selbst Gegenstand eines Forschungsprojekts sind. Diesem Umstand ist bei der Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Ergebnisse bekannt zu geben sind, ebenfalls Rechnung zu tragen. Generell ist umso eher zu informieren, je schwerer die (bestehende oder zu erwartende) Krankheit und je gesicherter der konkrete Befund ist. Für die Umsetzung des Rechts auf Information ist ferner Voraussetzung, dass die Kontaktaufnahme und Information möglich ist. Wird das Recht auf Information wahrgenommen, so sollten Kontaktaufnahme und Information über eine für diese Aufgabe qualifizierte Person, in den meisten Fällen eine Ärztin oder einen 8099

Arzt, erfolgen. Die definitive Diagnose soll im Rahmen einer ärztlichen Behandlung und nicht ausschliesslich im Forschungskontext erfolgen.

Das Selbstbestimmungsrecht einer Person beinhaltet ferner den Anspruch, auf die genannten Informationen ohne Angabe von Gründen verzichten zu können (Abs. 1 zweiter Satz). Ihr steht somit die Befugnis zu, insbesondere zu allfälligen Risiken betreffend den Eintritt einer Krankheit nicht informiert zu werden, weil dieses Wissen eine grosse psychische Belastung darstellen kann. Anders als beim Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (Art. 19 GUMG) erscheint eine Einschränkung dieses Rechts im vorliegenden Entwurf nicht angezeigt, da hier der Forschungs- und nicht der Therapiekontext im Vordergrund steht.

Absatz 2 gewährt der betroffenen Person in Anlehnung an Artikel 8 des Datenschutzgesetzes ein Auskunftsrecht bezüglich aller über sie gesammelten Personendaten. Eine mit Artikel 9 des Datenschutzgesetzes vergleichbare Einschränkung ist nicht zulässig.

2.1.2.6

Kommerzialisierungsverbot (Art. 9)

Der menschliche Körper oder dessen Teile sind ein Persönlichkeitsgut im Sinne von Artikel 28 ZGB52 und nicht ein Vermögenswert; sie sind, mit anderen Worten, keine Handelsware. Der Grundsatz der Menschenwürde (vgl. Art. 7 BV) schützt und betont unter anderem den Eigenwert des menschlichen Körpers. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass der Körper eine Würde, nicht aber einen Preis hat. Daraus ergibt sich, dass ein Vertrag, der den Erwerb eines menschlichen Körpers oder von dessen Teilen gegen Entgelt zum Gegenstand hätte, gegen die guten Sitten verstiesse und deshalb nichtig wäre (Art. 20 Abs. 1 OR53).

Der Grundsatz der Unentgeltlichkeit und das sich daraus ergebende Kommerzialisierungsverbot werden von verschiedenen eidgenössischen Erlassen aufgenommen, so vom Fortpflanzungsmedizin-, dem Transplantations- und dem Stammzellenforschungsgesetz (vgl. Ziff. 1.4.2). Auch die Bundesverfassung enthält in zwei Bestimmungen ein Kommerzialisierungsverbot (Art. 119 Abs. 2 Bst. e und 119a Abs. 3), und die Biomedizin-Konvention (vgl. Ziff. 1.5.1) legt in Artikel 21 fest, dass der menschliche Körper und dessen Teile nicht zur Erzielung eines finanziellen Gewinns verwendet werden dürfen. In Beachtung dieses anerkannten Grundsatzes statuiert die vorliegende Bestimmung auch für die Forschung am Menschen ein Kommerzialisierungsverbot. Durch dieses soll neben dem generellen Schutz der Menschenwürde insbesondere gewährleistet werden, dass die Autonomie beim Entscheid zur Spende von Organen, Gewebe und Zellen nicht durch übermässige finanzielle Anreize korrumpiert wird.

Der Begriff «menschlicher Körper oder dessen Teile» umfasst im Rahmen dieses Gesetzesentwurfs die verstorbenen Personen, Embryonen und Föten aus Schwangerschaftsabbrüchen oder Spontanaborten einschliesslich Totgeburten, sowie Organe, Gewebe und Zellen lebender oder verstorbener Personen oder von Embryonen bzw.

Föten. Nicht darunter fällt laufend abgestossenes, sich regenerierendes Material wie Nägel, Haare usw. Ebenfalls nicht erfasst sind Produkte, die auf der Basis mensch52 53

SR 210 SR 220

8100

lichen Zellmaterials hergestellt worden sind, wie auch Modelle oder medizinische Atlanten. Dies entspricht der Regelung im Transplantationsgesetz, wonach Transplantatprodukte vom Verbot des Organhandels ausgenommen sind.

Als Entgelt gilt jegliche finanzielle Leistung. Das Verbot erstreckt sich jedoch auch auf die Gewährung oder Entgegennahme anderer geldwerter Vorteile wie z.B.

Naturalien oder Vorzugsbehandlungen. Nicht erfasst sind hingegen Entschädigungen für die Aufbewahrung, die Bearbeitung oder den Transport z.B. von Organen, Gewebe und Zellen. Dies wird dadurch klargestellt, indem das Kommerzialisierungsverbot den «menschlichen Körper und dessen Teile als solche» umfasst. Es wäre nicht gerechtfertigt, wenn die betroffene Person durch ihre Solidarität und Grosszügigkeit nicht nur die unvermeidlichen Unannehmlichkeiten, sondern darüber hinaus auch ihre finanziellen Kosten oder Verluste, die ihr durch das Forschungsprojekt entstehen, tragen müsste (z.B. Erwerbsausfall).

2.1.2.7

Wissenschaftliche Anforderungen (Art. 10)

Jedes Forschungsvorhaben am Menschen muss grundlegenden wissenschaftlichen Anforderungen genügen, ansonsten sich der Einbezug des Menschen nicht rechtfertigen lässt. Absatz 1 sieht deshalb eine Reihe von Anforderungen vor, die inhaltlich jedoch massgeblich von der «scientific community» selber formuliert werden.

Absatz 2 verpflichtet den Bundesrat festzulegen, welche nationalen und internationalen Regelungen (z.B. anerkannte Selbstregulierungen der Wissenschaft) zu beachten sind.

So müssen nach Absatz 1 Buchstabe a die anerkannten Regelungen über die wissenschaftliche Integrität beachtet werden. Wissenschaftliche Integrität versteht sich dabei als Verpflichtung der Forschenden, sich an die Grundregeln der guten wissenschaftlichen Praxis zu halten. Diese besteht aus Prinzipien wie Wahrhaftigkeit, Offenheit, Vermeidung von Interessenskonflikten, Selbstdisziplin, Selbstkritik und Fairness. Ferner fördert sie das Ansehen und die Akzeptanz der Forschung in der Gesellschaft. Wichtiger Teilgehalt der wissenschaftlichen Integrität ist auch die Wahrung des Rechts auf Publikation.

Werden die genannten Prinzipien verletzt, so spricht man von wissenschaftlichem Fehlverhalten. Dieses manifestiert sich z.B. in der Verwendung unlauterer Mittel, etwa der Angabe falscher Werte zur Stützung einer Hypothese, der Verletzung von geistigem Eigentum oder der Ergreifung von Vergeltungsmassnahmen gegen Personen, die Täuschungsvorgänge melden möchten. In Bezug auf das Recht auf Publikation sind unverhältnismässige Beschränkungen unzulässig. Was als unverhältnismässig zu werten ist, ist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände im Einzelfall zu prüfen.

Das Forschungsgesetz vom 7. Oktober 198354 enthält ebenfalls eine Bestimmung zur wissenschaftlichen Integrität: Die Institutionen der Forschungsförderung haben darauf zu achten, das die von ihnen geförderte Forschung nach den Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis durchgeführt wird. Das Forschungsgesetz ist jedoch nur auf Forschungsprojekte anwendbar, die vom Bund gefördert werden.

54

SR 420.1

8101

Die Richtlinien betreffend die wissenschaftliche Integrität der Akademien der Wissenschaften Schweiz (vgl. Ziff. 1.6.1) sollen nicht nur auf dem Gebiet der medizinischen, sondern in der gesamten wissenschaftlichen Forschung zur Anwendung gelangen. Die Richtlinien enthalten neben der Konkretisierung von Tatbeständen wissenschaftlichen Fehlverhaltens auch ­ in der Praxis bewährte ­ Normen über das Verfahren beim Vorliegen von Anzeigen.

Nach Buchstabe b müssen im Weiteren die Anforderungen an die wissenschaftliche Qualität erfüllt sein. Diese verlangen z.B. die Wahl eines geeigneten Studiendesigns bzw. einer geeigneten Methodik, die Verwendung anerkannter statistischer Techniken und die Wahl der geeigneten Ausgangs- und Ergebnisparameter («outcomes»).

Es ist allgemein anerkannt, dass diesen Anforderungen nicht genügende und somit unwissenschaftliche Forschung zu einer unannehmbaren Gefährdung von Würde und Persönlichkeit des Menschen führt. Die Entscheidung, welche Techniken und Methoden im Einzelfall gewählt werden, obliegt der verantwortlichen forschenden Person. Diese muss die entsprechende Wahl in den Projektunterlagen plausibel darlegen, sodass die Überprüfung und Nachvollziehbarkeit insbesondere durch die zuständige Ethikkommission (vgl. Art. 44), möglich ist. Es ist hingegen nicht Aufgabe der Ethikkommission, die wissenschaftliche Exzellenz des Gesuchs zu beurteilen.

Die Gute Praxis über die Forschung am Menschen, deren Einhaltung nach Buchstabe c gefordert ist, findet sich bezüglich der klinischen Forschung z.B. in der ICHGCP-Leitlinie (vgl. Ziff. 1.6.5). Der Bundesrat wird diesbezüglich entsprechende Vorgaben mit Verweis auf die anerkannten Regelwerke von Wissenschaft und Industrie gestützt auf Absatz 2 vornehmen. Insbesondere wird anhand dieser Regelwerke auch festzulegen sein, welches im Einzelnen die Pflichten der das Forschungsprojekt veranlassenden («Sponsor») bzw. durchführenden Personen sind.

Schliesslich wird nach Absatz 1 Buchstabe d verlangt, dass die verantwortlichen Personen über die im Einzelfall erforderlichen fachlichen Qualifikationen verfügen.

Neben den Kompetenzen in den betreffenden Fachdisziplinen müssen dabei auch hinreichende Kenntnisse und Erfahrungen über die korrekte Durchführung von Forschungsvorhaben vorliegen.

2.2

Kapitel 2: Allgemeine Anforderungen an die Forschung mit Personen

Unter dieses Kapitel fällt einerseits jene Forschung, bei der sich die Person über einen längeren Zeitraum unmittelbar am Forschungsprojekt beteiligt (z.B. klassische klinische Studien), andererseits auch jene, für die ihr biologisches Material entnommen bzw. ihre gesundheitsbezogenen Daten erhoben werden. Die Bestimmungen sind darüber hinaus anwendbar in jenen Fällen, in welchen von der Person Material bzw. Daten für die Aufbewahrung zu Forschungszwecken ausserhalb eines konkreten Forschungsprojekts entnommen bzw. erhoben werden.

8102

2.2.1

1. Abschnitt: Schutz der teilnehmenden Personen

2.2.1.1

Subsidiarität (Art. 11)

In Absatz 1 wird ein allgemeines Subsidiaritätsprinzip verankert: Forschung mit Personen soll nur durchgeführt werden, wenn gleichwertige Erkenntnisse nicht auf andere Weise, d.h. ohne ihren Einbezug gewonnen werden können. Beteiligt sich eine Person an einem Forschungsprojekt, nimmt sie ein gewisses Risiko auf sich.

Dieses soll so gering als möglich gehalten werden und darf in keinem Missverhältnis zum erwarteten Nutzen stehen (vgl. Ziff. 2.2.1.2). Diese Erfordernisse sind nicht erfüllt, wenn gleichwertige Ergebnisse z.B. mittels Tierversuchen oder Computersimulation gewonnen werden können, zumal die Person in diesem Fall ein Risiko auf sich nähme, das gänzlich vermieden werden könnte.

Aus dem ethischen Prinzip der Schadensvermeidung (vgl. Ziff. 1.2.2.3) lässt sich in diesem Zusammenhang ableiten, dass Forschung an Leichen der Forschung mit lebenden Personen vorgezogen werden sollte, sofern dies aus wissenschaftlicher Sicht sinnvoll ist, denn verstorbene Personen sind keinem Risiko und keiner Belastung ausgesetzt.

Dieses Subsidiaritätsprinzip ist lediglich anwendbar auf die Forschung mit Personen und nicht generell auf die Forschung am Menschen und wird deshalb im vorliegenden Kapitel aufgeführt. Wird hingegen schon vorhandenes biologisches Material verwendet, z.B. eine nicht mehr zu Diagnosezwecken benötigte Blutprobe (vgl.

Ziff. 2.4), so muss nicht ermittelt werden, ob gleichwertige Erkenntnisse mittels Tierversuchen gewonnen werden könnten. Diese Unterscheidung wurde getroffen, da z.B. die Weiterverwendung einer bereits entnommenen Blutprobe für die Person keine bzw. eine wesentlich kleinere Belastung darstellen kann, als eine Blutentnahme speziell zu Forschungszwecken für das Tier zur Folge hätte.

Absatz 2 legt ein spezielles Subsidiaritätsprinzip fest, wonach ein Forschungsprojekt mit besonders verletzbaren Personen gemäss dem 3. Kapitel des Gesetzes nur dann durchgeführt werden darf, wenn gleichwertige Erkenntnisse nicht auf andere Weise gewonnen werden können. Dabei wird der Grundsatz von Artikel 118b Absatz 2 Buchstabe c BV, der lediglich die urteilsunfähigen Personen nennt, entsprechend ausgeweitet.

Wenn möglich sollen daher insbesondere urteilsfähige Personen in Forschungsprojekte einbezogen werden. Nur sie können in den Eingriff in die Persönlichkeit, den ein Forschungsprojekt
darstellt, vollumfänglich einwilligen und ihn dadurch persönlich legitimieren. Das spezielle Subsidiaritätsprinzip gilt auch im Hinblick auf schwangere Frauen und ­ mit Ausnahme von Artikel 27 Absatz 1 ­ auf Personen im Freiheitsentzug. Auch sie dürfen ­ ihrer besonderen Situation wegen (vgl.

Ziff. 2.3.3) ­ nur in die Forschung einbezogen werden, wenn gleichwertige Erkenntnisse nicht mit Frauen, die nicht schwanger sind, bzw. mit Personen in Freiheit gewonnen werden können.

Die Forschung soll sich dabei jedoch auf den die besondere Verletzbarkeit ausmachenden Aspekt beziehen, d.h. auf das Alter (z.B. Kindesalter), einen Zustand, eine Krankheit oder auf die besondere Situation, in der sich die Person befindet (Schwangerschaft, Freiheitsentzug oder Notfallsituation).

8103

2.2.1.2

Risiken und Belastungen (Art. 12)

Absatz 1 besagt, dass die Risiken und Belastungen, die einer Person durch die Teilnahme an einem Forschungsprojekt entstehen können, so gering wie möglich gehalten werden müssen. Es ist zu berücksichtigen, dass die Risiken und Belastungen von den zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Methoden und dem Wissensstand in den einzelnen Disziplinen abhängig sind. Es muss immer die Methode mit den geringsten Risiken und Belastungen angewendet werden. Zudem sind bereits bei der Planung der Forschungsvorhaben sämtliche erforderlichen Massnahmen zu treffen, die den Schutz der betroffenen Person gewährleisten (Art. 15).

Bei der Forschung am Menschen dürfen gemäss Absatz 2 die voraussichtlichen Risiken und Belastungen nicht in einem Missverhältnis zum erwarteten Nutzen des Forschungsprojekts stehen. Im Rahmen der Risiko-Nutzen-Abwägung ist zu berücksichtigen, ob vom Forschungsprojekt ein potenzieller direkter Nutzen erwartet werden kann oder nicht. Ist ein solcher für die Person zu erwarten, so kann ein grösseres Risiko eingegangen werden, als wenn die Person voraussichtlich nicht direkt von der Forschung profitiert. Auch wenn ein Nutzen erwartet werden kann, dürfen Risiken und Belastungen nicht in einem Missverhältnis dazu stehen. So darf das Risiko für eine schwerkranke Person, die im Rahmen eines Forschungsprojekts eine mit einem namhaften erwarteten Nutzen verbundene Behandlung erhält, grösser sein als für eine Person, die z.B. an Akne leidet und an einer Medikamentenvergleichsstudie zu deren Behandlung teilnimmt. Das Risiko-Nutzen-Verhältnis lässt sich also nicht absolut festlegen. Es kann nur relativ und im Einzelfall für ein konkretes Forschungsprojekt bestimmt werden. Die Risiko-Nutzen-Abwägung wird von der zuständigen Ethikkommission überprüft, bevor die Person ihre Einwilligung zur Teilnahme geben kann. Sie beachtet dabei, insbesondere bei der Überprüfung eines Forschungsprojekts ohne direkten Nutzen, auch den Gruppen- oder gesellschaftlichen Nutzen im Sinne von Artikel 5. Bei der Risiko-Nutzen-Abwägung nicht berücksichtigt werden dürfen hingegen Begleiterscheinungen bzw. sekundäre Aspekte eines Forschungsprojekts, wie vermehrte Aufmerksamkeit und Zuwendung oder auch das aufgrund der Teilnahme entrichtete Entgelt, selbst wenn sie von der betroffenen Person als positiv und angenehm empfunden werden können.

2.2.1.3

Unentgeltlichkeit der Teilnahme (Art. 13)

Als Folge des Kommerzialisierungsverbots (vgl. Art. 9) ist die Teilnahme an einem Forschungsprojekt generell unentgeltlich und soll in erster Linie aus altruistischen Motiven erfolgen. Absatz 1 erster Satz hält daher fest, dass für die Teilnahme an einem Forschungsprojekt mit direktem Nutzen kein Entgelt oder anderer geldwerter Vorteil entrichtet werden darf. Mit der Teilnahme an Forschungsprojekten mit einem erwarteten direkten Nutzen soll keine ökonomisch messbare Zuwendung verbunden sein. Der Nutzen für die teilnehmenden Personen besteht in diesem Falle in der Aussicht, vom Forschungsprojekt direkt zu profitieren. Es liegt hier also bereits ein potenzieller Mehrwert vor, wenn auch nicht in finanzieller Form.

Nimmt eine Person an einem Forschungsprojekt ohne direkten Nutzen teil, ist es hingegen vertretbar und angebracht, ihr für die Teilnahme ein angemessenes Entgelt zu entrichten (Abs. 1 zweiter Satz), weil ein allfälliger Erkenntnisgewinn aus dem Forschungsprojekt zwar Dritten, nicht aber der teilnehmenden Person selber zugute 8104

kommt. Dabei darf das Entgelt jedoch nicht so hoch sein, dass die Person dadurch verleitet wird, mögliche Risiken aus rein ökonomischen Überlegungen zu unterschätzen bzw. bewusst in Kauf zu nehmen. Durch eine derartige Beeinträchtigung der Autonomie der Entscheidung wäre das zentrale Erfordernis einer freien Einwilligung verletzt. Was als unangemessen hohe Entschädigung zu werten ist, ist im Einzelfall von der zuständigen Ethikkommission zu entscheiden.

Auf der anderen Seite sollen die Notlage bzw. der Wunsch nach einer Verbesserung des Gesundheitszustandes einer Person nicht dazu missbraucht werden, sie für die Teilnahme an einem Forschungsprojekt bezahlen oder einen andern geldwerten Vorteil erbringen zu lassen (Abs. 2). Die Auswahl von Personen, die an einem Forschungsprojekt teilnehmen, hat sich ausschliesslich nach wissenschaftlichen Kriterien zu richten und darf nicht an deren finanzielle Leistungsfähigkeit anknüpfen. Dies wäre ein Verstoss gegen das in Artikel 6 verankerte Diskriminierungsverbot. In diesem Zusammenhang ist auch auf Artikel 49 des Krankenversicherungsgesetzes hinzuweisen, wonach die Krankenversicherer die Kosten für die Forschung nicht übernehmen.

2.2.1.4

Unzulässige Anonymisierung (Art. 14)

Bei Forschungsprojekten mit Bezug zu schweren Krankheiten dürfen das entnommene biologische Material bzw. die erhobenen Personendaten nicht anonymisiert werden (Abs. 1). Dadurch wird sichergestellt, dass die Forschenden im Bedarfsfall in der Lage sind, die betroffene Person zu identifizieren, zu kontaktieren und zu informieren. Doch gilt dies nur, sofern die Person nicht auf die Information verzichtet hat (Art. 8 Abs. 1). Ist dies der Fall, so besteht kein Anonymisierungsverbot. Auch bei Projekten mit Bezug zu einer schweren Krankheit, in denen die Teilnehmenden bereits darüber informiert sind, dass sie an einer solchen Krankheit leiden (z.B. eine Heilmittelstudie mit HIV-Patientinnen und -Patienten), gilt das Anonymisierungsverbot nicht.

Die Anonymisierung von biologischem Material oder gesundheitsbezogenen Personendaten dürfte insbesondere bei klinischen Studien oder allgemein bei Langzeitstudien in aller Regel nicht angezeigt sein, da bei diesen der Bezug der erhobenen Daten zur betreffenden Person laufend hergestellt werden muss. Das Anonymisierungsverbot wird bei diesen Studien daher kaum Bedeutung erlangen.

Werden Ergebnisse erwartet, die bei der betroffenen Person zur Feststellung, Behandlung oder Verhinderung bestehender oder künftig drohender, schwerer Krankheiten führen können, so ist sie grundsätzlich darüber aufzuklären. Dies kann der Bundesrat, in Anwendung von Artikel 16 Absatz 4, auf Verordnungsstufe festlegen. Nur nach einer entsprechenden Aufklärung kann die betroffene Person darüber entscheiden, ob sie über die Ergebnisse der Studie informiert werden möchte oder nicht.

Gemäss Absatz 2 bestimmt der Bundesrat, welche Kriterien die betreffenden Forschungsergebnisse als Voraussetzung für das Anonymisierungsverbot erfüllen müssen. Dabei werden voraussichtlich folgende Punkte zu berücksichtigen sein: Das Ergebnis steht in einem engen Zusammenhang mit der Fragestellung des Forschungsprojekts und betrifft mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit eine schwere

8105

Krankheit. Weitere festzulegende Kriterien können z.B. das Alter, in welchem die Krankheit typischerweise auftritt, oder deren Behandlungsmöglichkeiten sein.

2.2.1.5

Sicherheits- und Schutzmassnahmen (Art. 15)

Die Gewährleistung des Schutzes der teilnehmenden Personen steht sowohl bei der Projektplanung als auch bei der Durchführung von Forschungsprojekten im Zentrum. Für möglicherweise eintretende, voraussehbare Ereignisse sind die zu treffenden Massnahmen bereits im Forschungsplan festzuhalten (Abs. 1). Tritt z.B. eine allergische Reaktion im Rahmen eines Heilmittelversuchs auf, so soll diese angemessen therapiert werden. Zudem soll die betroffene Person u.U. dabei unterstützt werden, auf eine bereits im Forschungsplan dokumentierte alternative Medikation umzustellen.

Treten während des Forschungsprojekts nicht voraussehbare Umstände (z.B. publik werdende relevante Erkenntnisse aus anderen Projekten) auf, die die Sicherheit oder die Gesundheit der teilnehmenden Personen beeinträchtigen können, besteht für die Forschenden die Pflicht, unverzüglich sämtliche erforderlichen Schutzmassnahmen zu treffen (Abs. 2). Lassen diese neuen Umstände Änderungen am Forschungsprojekt als sinnvoll erscheinen, sind allfällige Bewilligungs- und Meldepflichten zu beachten (vgl. Art. 44 Abs. 3 und Art. 45 Abs. 1). Die Änderungen können z.B.

Anpassungen der zu prüfenden medizinischen Behandlung oder den Ausschluss von Personen mit spezifischen soziodemographischen Merkmalen (z.B. Alter oder Geschlecht) betreffen. Wird ein Projekt mit verschiedenen Gruppen durchgeführt und zeigt sich, dass die eine Gruppe einen wesentlich grösseren Behandlungserfolg (oder merklich weniger Nebenwirkungen) erfährt, so muss die Kontrollgruppe ebenfalls der entsprechenden Behandlung zugeführt werden. Unter Umständen können und müssen neue Erkenntnisse auch zum Abbruch eines Forschungsprojekts führen.

2.2.2

2. Abschnitt: Aufklärung und Einwilligung

2.2.2.1

Einwilligung nach Aufklärung (Art. 16)

Die Einwilligung nach Aufklärung wird in Absatz 1 als Grundvoraussetzung genannt (vgl. Ziff. 1.2.2.1). Im Rahmen der Aufklärung wird der betroffenen Person die notwendige Information übermittelt, die es ihr ermöglicht, frei und in Kenntnis aller relevanten Aspekte zu entscheiden, ob sie an einem Forschungsprojekt teilnehmen möchte oder nicht. Die Aufklärung gilt als hinreichend, wenn sie alle relevanten Aspekte umfasst, die eine ausgewogene Entscheidung ermöglichen. Sie soll in einer der betreffenden Person geläufigen Sprache verständlich verfasst und in ihrem Detaillierungsgrad den Kenntnissen einer Person ohne besondere Fachkenntnisse angepasst sein.

Die Einwilligung soll grundsätzlich in schriftlicher Form erfolgen. Wenn eine Person aufgrund einer körperlichen Einschränkung nicht in der Lage ist zu unterschreiben, kann eine alternative Form der Dokumentation zur Anwendung kommen.

Denkbar ist z.B. eine mündliche Einwilligung, die in Anwesenheit von mindestens einem Zeugen erklärt wird, der diesen Vorgang anschliessend schriftlich bestätigt.

8106

Auch bei einem Forschungsvorhaben mit urteilsfähigen Erwachsenen und höchstens minimalen Risiken und Belastungen kann eine mündliche, aber dokumentierte Einwilligung ausreichend sein. Die oder der Forschende kann in einem solchen Fall die mündliche Einwilligung z.B. schriftlich im Forschungsdossier festhalten. Der Bundesrat erhält daher die Kompetenz, Ausnahmen vom Erfordernis der Schriftlichkeit festzulegen.

Die an einem Forschungsprojekt teilnehmende Person muss gemäss Absatz 2 über dessen Art, Zweck, Dauer und Verlauf (Bst. a), die voraussehbaren Risiken und Belastungen (Bst. b), den potenziellen erwarteten Nutzen des Forschungsprojekts, insbesondere für sie oder andere Personen (Bst. c) sowie über die Massnahmen zum Schutz der erhobenen Personendaten (Bst. d) aufgeklärt werden. Zudem hat eine hinreichende Aufklärung auch Hinweise auf die Rechte zu enthalten, z.B. über das Recht, nicht einzuwilligen, ohne Nachteile befürchten zu müssen; das Widerrufsund Rückzugsrecht; das Recht, Fragen zu stellen und das Recht auf Nichtwissen (Bst. e).

Damit die betroffene Person eine freie Einwilligung geben kann, benötigt sie Zeit, um die Vor- und Nachteile abzuwägen, die für sie mit der Teilnahme an einem Forschungsprojekt verbunden sind. Aus diesem Grund wird in Absatz 3 verlangt, der betroffenen Person zwischen Aufklärung und Einwilligung eine angemessene Bedenkfrist zu gewähren. Wie lange diese Frist sein muss, damit sie als angemessen wahrgenommen wird, ist einerseits von den Anforderungen und der Komplexität des einzelnen Forschungsprojekts abhängig, andererseits aber auch individuell unterschiedlich.

Der Bundesrat erhält in Absatz 4 die Kompetenz, neben den zentralen Aufklärungsinhalten weitere festzulegen. So ist es auch möglich, für die verschiedenen Forschungsgegenstände spezifische zusätzliche Inhalte zu bestimmen. Im Ausführungsrecht zu nennen wären z.B. die Aufklärung über die Gründe für die Auswahl der Personen; die Verfahren, an denen die Person im Rahmen des Forschungsprojekts teilnimmt; den Umstand, dass verschiedene Vergleichsgruppen gebildet werden; die Regelung der Haftpflicht und des Schadenersatzes; die Festsetzung einer allfälligen Teilnahme-Entschädigung sowie die Regelung der Nachsorge.

2.2.2.2

Einwilligung in die Weiterverwendung (Art. 17)

Immer dann, wenn bereits zum Zeitpunkt der Entnahme von biologischem Material oder bei der Erhebung von gesundheitsbezogenen Personendaten von den das Projekt durchführenden Forschenden eine Weiterverwendung für die Forschung beabsichtigt ist, soll die Einwilligung der betroffenen Person eingeholt werden (vgl.

Art. 31 Abs. 1 und 2 und Art. 32 Abs. 1). In den Fällen von Artikel 31 Absatz 3 und 32 Absatz 2 ist über das Widerspruchsrecht zu informieren. Auf diese Weise kann eine erneute Kontaktierung und Anfrage bzw. Information der teilnehmenden Person zu einem späteren Zeitpunkt vermieden werden, was sowohl für die Forschenden als auch für die Personen, die sich an einem Forschungsprojekt beteiligen, von Vorteil sein kann. Oftmals geht mit der Weiterverwendung auch eine Offenbarung des Berufsgeheimnisses einher. Auch diesfalls empfiehlt es sich, bereits bei der Anfrage bezüglich der Entnahme des Materials bzw. der Erhebung der Daten bei der betroffenen Person gleichzeitig auch um die Entbindung vom Berufsgeheimnis nachzusuchen (vgl. Art. 321 Abs. 2 StGB).

8107

Der Begriff «beabsichtigt» stellt klar, dass eine Weiterverwendung effektiv geplant sein muss oder doch sehr wahrscheinlich ist. Zudem stellt eine entgegen dieser Bestimmung nicht frühzeitig eingeholte Einwilligung bzw. vorgenommene Information über das Widerspruchsrecht keinen Grund dar, eine Bewilligung nach Artikel 33 a priori abzulehnen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Einholung der Bewilligung bzw. die Information über eine Weiterverwendung nicht von denjenigen Personen versäumt wurde, die von der Ausnahmebestimmung des Artikels 33 Gebrauch machen wollen.

2.2.2.3

Unvollständige Aufklärung (Art. 18)

Nach Artikel 16 dürfen Personen nur in Forschungsprojekte einbezogen werden, wenn sie vorgängig nach hinreichender Aufklärung frei und schriftlich eingewilligt haben. Ausnahmsweise darf die Aufklärung über einzelne Punkte des Forschungsprojekts jedoch unvollständig sein (Abs. 1). Die Aufklärung kann z.B. nicht umfassend über Forschungsziele oder Auswertungskriterien informieren, wenn dies aus methodischen Gründen zwingend ist (Bst. a). Namentlich in der klinischen Psychologie und den Neurowissenschaften werden Forschungsprojekte durchgeführt, bei welchen eine vollständige Aufklärung zu falschen oder verzerrten Forschungsresultaten führen würde, weil eine gewisse Unbefangenheit der teilnehmenden Person eine methodische Voraussetzung darstellt. So werden z.B. Zusammenhänge zwischen neuralen Botenstoffen und Emotionen experimentell erforscht, indem sich gesunde Versuchspersonen abwechslungsweise gedanklich in traurige und neutrale Situationen versetzen müssen. Die Aktivität der Botenstoffe wird jeweils anhand bildgebender Verfahren gemessen. Anlässlich der Aufklärung wird nicht umfassend zu den im Experiment gefragten Gemütszuständen informiert, da die Aktivität der Botenstoffe sonst zu früh oder zu unspezifisch ansteigen könnte.

Im Fall einer unvollständigen Aufklärung kann sich die betroffene Person kein umfassendes Bild vom Forschungsprojekt machen. Sie befindet über die Einwilligung, ohne alle relevanten Aspekte für ihre Abwägung zu kennen. Diese Situation ist nur vertretbar, wenn die Risiken und Belastungen nur minimal sind (Bst. b, vgl.

Ziff. 2.3.1.1).

So bald als möglich muss die teilnehmende Person nach Absatz 2 hinreichend aufgeklärt werden. So muss ihr z.B. erklärt werden, weshalb eine unvollständige Aufklärung aus methodischen Gründen notwendig war.

Im Anschluss an diese nachträgliche Aufklärung gemäss Absatz 2, d.h. in voller Kenntnis der Situation, kann die betroffene Person frei darüber entscheiden, ob sie einverstanden ist, dass ihr biologisches Material und ihre Daten weiterhin für die Forschung verwendet werden oder ob sie die Einwilligung ablehnt (Abs. 3). Verweigert sie die nachträgliche Einwilligung, müssen die gewonnenen biologischen Materialien und Daten behandelt werden, als ob für ihre Verwendung nie eine Einwilligung vorgelegen hätte, d.h. sie dürfen nicht für das
Forschungsprojekt bzw. dessen Auswertung verwendet werden. In einem solchen Fall müssen das biologische Material und die Daten vorbehältlich einer anderslautenden Vereinbarung mit der betroffenen Person vernichtet werden.

8108

2.2.3

3. Abschnitt: Haftung und Sicherstellung

2.2.3.1

Haftung (Art. 19)

Nach Absatz 1 haben die an einem Forschungsprojekt teilnehmenden Personen ein Recht auf Ersatz des Schadens, den sie im Zusammenhang mit dem Forschungsprojekt erleiden. Haftpflichtig ist die das Projekt veranlassende Person oder Organisation; diese wird in anerkannten Richtlinien zur Guten Klinischen Praxis als Sponsor bezeichnet (vgl. Art. 10 Abs. 2). Institutionen, die Projekte zwar massgeblich unterstützen, diese aber nicht selber veranlassen (z.B. der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung), unterliegen der Haftpflicht nach dieser Bestimmung nicht. Der Gesetzesentwurf sieht eine strenge Kausalhaftung für Forschungsprojekte mit Personen vor, da diese Forschungsvorhaben regelmässig mit Risiken insbesondere für die physische Integrität der teilnehmenden Personen verbunden sind. Zudem nimmt die Person grundsätzlich unentgeltlich am Forschungsprojekt teil und setzt sich den Risiken zumindest teilweise in einem fremden Interesse aus. Es wäre deshalb aus ethischer Sicht unbillig, wenn die aus ganz oder überwiegend altruistischen Motiven dem Risiko eines Forschungsprojekts sich aussetzende Person für einen dadurch erlittenen Schaden selbst aufkommen müsste.

Auch der Regelung des geltenden Bundeszivilrechts liegen diese Überlegungen zugrunde. Das Bundesgericht spricht im Zusammenhang mit dem unentgeltlichen Auftrag vom Prinzip, dass das Risiko schadensgeneigter, gefährlicher Tätigkeit von jenem zu tragen ist, in dessen Interesse und zu dessen Nutzen sie ausgeführt wird.55 Mit dem vorliegenden Entwurf wird dieses Prinzip für die Forschung mit Personen gesetzlich verankert.

Inhaltlich umfasst die Kausalhaftung alle Schäden infolge Tod und Körperverletzung sowie Sachschäden der Person, die an einem Forschungsprojekt teilnimmt (z.B. der Schaden aus einer Körperverletzung infolge eines durch einen Schwindelanfall verursachten Sturzes nach einer Blutentnahme). Erfasst sind dabei auch Schäden aufgrund von Persönlichkeitsrechtsverletzungen (z.B. der Schaden, der einer Person durch die unberechtigte Weitergabe ihrer Daten entstehen kann).

Bei der Forschung mit schwangeren Frauen werden namentlich auch Schäden erfasst, die am Embryo bzw. Fötus entstehen und sich erst beim geborenen Kind manifestieren können. Eingeschlossen sind zudem auch ein Versorgerschaden oder eine
allfällige Genugtuung. Durch die Formulierung «im Zusammenhang mit dem Forschungsprojekt» werden alle Schäden erfasst, die adäquat kausal der Teilnahme am Forschungsprojekt zuzurechnen sind. Einbezogen in die Haftung sind ebenso alle Schäden sowohl infolge korrekter als auch unsachgemässer Handlungen der am Forschungsprojekt beteiligten Personen, insbesondere von Prüfpersonen, Ärztinnen und Ärzten sowie deren Hilfspersonen. Schäden, die zum «allgemeinen Lebensrisiko» gehören bzw. auch ohne das Forschungsprojekt eingetreten wären, zeitlich jedoch mit der Durchführung des Forschungsprojekts zusammenfallen, sind von der Haftung nicht erfasst (z.B. Schäden aus bereits bestehenden Krankheiten oder infolge einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes aufgrund solcher Erkrankungen).

Von der Haftpflichtregelung nicht erfasst werden Forschungsvorhaben mit bereits vorhandenem biologischem Material und Daten nach dem 4. Kapitel des Gesetzes.

Diese sind nicht als schadensgeneigte bzw. mit besonderen finanziellen Risiken 55

BGE 129 III 184

8109

verbundene Tätigkeiten einzustufen. Eine strenge Kausalhaftung lässt sich diesfalls nicht rechtfertigen. Zudem kann der Bundesrat auch bei der Forschung mit Personen bestimmte Schadensarten von der Haftpflicht ausnehmen. Im Vordergrund stehen dabei Schäden, wie sie z.B. durch bekannte Nebenwirkungen von indikationsgemäss im Rahmen des Forschungsprojekts an Patientinnen und Patienten abgegebenen Arzneimitteln entstehen können.

Die relative Verjährungsfrist wird (gegenüber der nach Art. 60 des Obligationenrechts56 und Art. 20 des Verantwortlichkeitsgesetzes vom 14. März 195857 geltenden Regelung) in Analogie zu weiteren spezialgesetzlichen Kausalhaftungen auf drei Jahre angehoben. Eine generelle Erhöhung der absoluten Verjährungsfrist auf maximal 30 Jahre lässt sich aufgrund der Gefährdungssituation in Forschungsvorhaben sowie mit Blick auf die Sicherstellungspflicht jedoch nicht rechtfertigen. Es soll aber möglich sein, dass der Bundesrat für bestimmte Forschungsbereiche die absolute Verjährungsfrist erhöht (Abs. 2).

Im Übrigen, z.B. bezüglich der Zuerkennung einer Genugtuung oder des Einbezugs eines allfälligen Selbstverschuldens, gelten die Bestimmungen des im konkreten Einzelfall anwendbaren Haftungsrechts (Abs. 3). Demzufolge gelangen im Falle eines privatrechtlichen Verhältnisses zwischen Forschenden und teilnehmenden Personen die Bestimmungen des Obligationenrechts über die unerlaubten Handlungen, im Falle einer öffentlich-rechtlichen Beziehung die Staatshaftungsvorschriften des Bundes bzw. der Kantone zur Anwendung.

Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung eine zwingende Haftungsregelung darstellt. Vereinbarungen zwischen den Beteiligten, die z.B. von vornherein die Entschädigung ausschliessen oder beschränken wollen, sind nichtig, auch wenn sie nach privatrechtlichen Normen teilweise als zulässig beurteilt werden.

2.2.3.2

Sicherstellung (Art. 20)

Die Haftung nach Artikel 19 bzw. die allenfalls hieraus entstehenden Schadensdeckung ist durch Versicherung oder in anderer Form angemessen sicherzustellen (Abs. 1). Damit ist gewährleistet, dass die Haftung im Schadensfall, z.B. mangels entsprechender finanzieller Leistungsfähigkeit des Haftpflichtigen oder aufgrund erheblicher Schwierigkeiten bei der Durchsetzung des Haftungsanspruchs, nicht ins Leere läuft. Die Sicherstellung muss dem Forschungsprojekt angemessen, d.h.

sowohl inhaltlich als auch zeitlich adäquat ausgestaltet sein. Von allfälligen Limitierungen der Sicherstellung bleibt der Umfang der Haftung jedoch unberührt. Vor dem Hintergrund, dass der Bund über die finanziellen Möglichkeiten und Sicherheiten verfügt, wird er als Sponsor eines Forschungsprojekts von der Sicherstellungspflicht ausgenommen.

Der Bundesrat erhält in Absatz 2 die Kompetenz, die Anforderungen an die Versicherung oder an andere Formen der Sicherstellung zu bestimmen (Bst. a). So ist insbesondere denkbar, minimale Deckungssummen festzulegen, um ­ abgestuft auf bestimmte Kategorien von Forschungsprojekten ­ eine gewisse Einheitlichkeit zu erreichen. Um im Vergleich zu einer Versicherungslösung eine entsprechende 56 57

SR 220 SR 170.32

8110

Sicherheit für die teilnehmenden Personen zu gewährleisten, können im Weiteren die Anforderungen an andere Formen der Sicherstellung (gesperrte Vermögensteile, Garantieerklärungen u.a.) festgesetzt werden. Im Weiteren erhält der Bundesrat auch die Kompetenz, bestimmte Forschungsbereiche oder Schadenskategorien von der Sicherstellungspflicht auszunehmen (Bst. b). Dies kann z.B. für Forschungsprojekte angezeigt sein, welche nur minimale Risiken und Belastungen für die Gesundheit der urteilsfähigen volljährigen Person beinhalten, die Kosten eines allfälligen Schadens deshalb in der Regel begrenzt sind bzw. die finanzielle Leistungsfähigkeit des Haftpflichtigen hierfür genügt. Ebenso kann eine Ausnahme in Betracht gezogen werden für Schäden, die infolge einer therapeutischen Behandlung im Rahmen eines Forschungsvorhabens entstehen, sofern sie nach dem aktuellen wissenschaftlichen Stand zu erwarten waren und in vergleichbarer Weise auch bei der Durchführung einer Standardtherapie eingetreten wären.

Mit Absatz 3 wird der Bundesrat zum Erlass von Regelungen ermächtigt mit dem Ziel, den Schutz der geschädigten Person zu gewährleisten und insbesondere die Geltendmachung ihrer Haftungsansprüche im Schadensfall zu erleichtern.

So soll gemäss Buchstabe a der geschädigten Person ein unmittelbares Forderungsrecht gegen das Versicherungsunternehmen oder eine andere Person, die die Haftung sicherstellt, eingeräumt werden können. Buchstabe b sieht im Weiteren vor, dass einerseits das Recht des Versicherungsunternehmens oder einer anderen, die Haftpflicht sicherstellenden Person auf Kündigung des Versicherungs- bzw. Sicherstellungsverhältnisses nach einem Schadensfall aufgehoben werden kann. Andererseits sollen auch allfällige Einreden gegenüber der geschädigten Person ausgeschlossen werden können. Damit wird es möglich, Einreden des Versicherungsunternehmens oder des Versicherten aus einem Versicherungsvertrag bzw. aus dem Bundesgesetz vom 2. April 190858 über den Versicherungsvertrag gegenüber der geschädigten Person ausschliessen zu können. So soll es nicht zu Lasten der geschädigten Person gehen, wenn z.B. der Versicherungsnehmer die Prämien nicht bezahlt oder auf andere Weise seinen Pflichten aus einem Versicherungsvertrag nicht nachkommt.

Führt der Bundesrat einen Einredenausschluss bzw. eine Leistungspflicht
im beschriebenen Sinne ein, ist er verpflichtet, als Korrektiv der Versicherung oder der sicherstellenden Person ein Regressrecht einzuräumen. Damit kann die Rückerstattung von Zahlungen, zu denen aufgrund des Versicherungsvertrages der Sicherstellungsvereinbarung keine Verpflichtung bestand, gefordert werden.

In diesem Zusammenhang ist zudem auf das Regressrecht der Sozialversicherer hinzuweisen, das auch im vorliegenden Kontext zur Anwendung gelangen kann.

Dieses Recht ist bereits in Artikel 72 ff. des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 200059 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts festgelegt, weshalb es im vorliegenden Entwurf nicht explizit angesprochen werden muss.

Hingegen wurde darauf verzichtet, die gesetzlichen Grundlagen für einen Spezialfonds zur Sicherstellung der Haftung von nicht kommerziell ausgerichteten Forschungsprojekten zu schaffen. Ein solcher Fonds wurde in der Vernehmlassung aus Forschungskreisen aufgrund der Prämienkosten für die Versicherungen teilweise gefordert. Dagegen spricht namentlich, dass nicht kommerziell ausgerichtete Forschungsvorhaben überwiegend in Spitälern durchgeführt werden, deren GesamtVersicherung in der Regel auch die Sicherstellung von Schäden aus der Forschung 58 59

SR 221.229.1 SR 830.1

8111

abdeckt. Die zusätzlichen Kosten für die Versicherung von Schäden aus Forschungsprojekten können dabei aufgrund des Gesamtvolumens der Versicherung tief gehalten werden. Die Schaffung eines Fonds und dessen Verwaltung wäre demgegenüber mit sehr viel höheren Kosten verbunden.

2.3

Kapitel 3: Zusätzliche Anforderungen an die Forschung mit besonders verletzbaren Personen

Dieses Kapitel umfasst all jene Personengruppen, die aufgrund ihres Alters, einer kognitiven oder psychischen Beeinträchtigung oder einer besonderen Situation insbesondere im Rahmen von Aufklärung und Einwilligung besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. Eines der zentralen Kriterien ­ sowohl bei Kindern und Jugendlichen, als auch bei erwachsenen Personen ­ ist dabei die Urteilsfähigkeit. Nach Artikel 16 ZGB60 ist jede Person urteilsfähig, «der nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlichen Zuständen die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln». Die Urteilsfähigkeit darf daher normalerweise ­ ausser bei Kleinkindern, schwer psychisch Kranken oder schwer geistig Behinderten ­ vermutet werden. Eine Person ist demnach in der Regel als urteilsfähig zu betrachten, ausser die konkreten Umstände weisen auf das Gegenteil hin. Auch eine unmündige oder eine geisteskranke Person kann die Fähigkeit haben, mit vernünftiger Einsicht und mit frei gebildetem Willen zu handeln (z.B. im Zustand einer Regression der Krankheit). Daraus ergibt sich, dass die Urteilsfähigkeit kein starres, sondern ein flexibles Kriterium ist, das jeweils fallweise ­ bezogen auf das konkrete Forschungsprojekt und dessen Zeitpunkt ­ geprüft werden muss.61 Es muss geprüft werden, ob die betreffende Person in der Lage ist, die konkrete Situation zu erfassen (Erkenntnisfähigkeit), die Bedeutung und Tragweite einer Handlung zu erfassen (Urteilsfähigkeit im eigentlichen Sinne), sich ein eigenes Urteil zu bilden (Entscheidungsfähigkeit) und gemäss dieser Entscheidung zu handeln (Handlungsfähigkeit).62 Zur Gewährleistung des Schutzes von besonders verletzbaren Personen haben die Ethikkommissionen auf die Überprüfung der spezifischen Anforderungen an diese Forschungsprojekte ein besonderes Augenmerk zu richten.

2.3.1

1. Abschnitt: Forschung mit Kindern, Jugendlichen und urteilsunfähigen Erwachsenen

Es ist allgemein anerkannt, dass minderjährige Patientinnen oder Patienten selbständig ihre Einwilligung zu einer vorgeschlagenen medizinischen Behandlung geben können, wenn sie urteilsfähig sind.63 Auch eine unmündige Person ist ­ zumindest in eingeschränktem Mass ­ handlungsfähig, sofern sie urteilsfähig ist. Eine urteilsfähige unmündige Person kann grundsätzlich jede rechtsgeschäftliche Handlung 60 61 62 63

SR 210. Der Entwurf ist abgestimmt auf die revidierte Version des ZGB vom 19. Dez. 2008 (Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht), BBl 2009 141.

Vgl. dazu auch BGE 98 Ia 396, 102 II 367 und 117 II 231.

Honsell H, Vogt NP, Geiser T (Hrsg.), Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Schweizerisches Zivilgesetzbuch I, Basel, 2002, Noten 7 ff. zu Art. 16.

BGE 114 Ia 360 und 134 II 235.

8112

vornehmen. Die rechtliche Wirkung tritt allerdings nur ein, wenn die gesetzliche Vertretung ihre Zustimmung erteilt. In Anbetracht dessen sowie der Tatsache, dass Kinder ab einem gewissen Alter durchaus Verantwortung für ihren Körper übernehmen können, geht der Gesetzesentwurf davon aus, dass urteilsfähigen minderjährigen Personen ein möglichst grosses Mitbestimmungsrecht auch im Rahmen der Forschung zugestanden werden kann.

2.3.1.1

Forschungsprojekte mit Kindern (Art. 21)

Gemäss Absatz 1 darf ein Forschungsprojekt mit erwartbarem direktem Nutzen mit urteilsfähigen Kindern durchgeführt werden, wenn sowohl das Kind als auch die gesetzliche Vertretung nach hinreichender Aufklärung eingewilligt haben (Bst. a und b). Selbst wenn ein Kind im Hinblick auf ein konkretes Forschungsprojekt als urteilsfähig gilt und selbst wenn dieses Projekt mit nur minimalen Risiken und Belastungen verbunden ist, soll die gesetzliche Vertretung ­ im Normalfall die Eltern ­ über den Einbezug des Kindes in ein Forschungsprojekt informiert sein und ihre Einwilligung schriftlich erteilen.

Für die Forschung ohne direkten Nutzen mit urteilsfähigen Kindern sieht der Entwurf in Absatz 2 zusätzliche Anforderungen zu den bereits in Absatz 1 genannten vor. Einerseits dürfen solche Projekte nur mit minimalen Risiken und Belastungen verbunden sein (Bst. a), zumal die gesetzliche Vertretung in diesem Falle nicht in einem direkten Interesse des Kindes entscheidet. Die Forschung soll also höchstens zu einer geringfügigen und vorübergehenden Beeinträchtigung der Gesundheit führen (Risiko) bzw. nur Symptome erwarten lassen, die allenfalls vorübergehend auftreten und geringfügig sind (Belastungen).64 Denkbar sind z.B. Datensammlungen im Rahmen von Interviews und Beobachtungen, Entnahme von Blut an peripheren Venen, Entnahme von Kapillarblut oder organischen Flüssigkeiten ohne invasive Interventionen (insbesondere Speichel- und Urinproben), Abstriche, Ultraschalluntersuchung, Elektroradiogramm. Andererseits müssen die zu erlangenden wissenschaftlichen Erkenntnisse mit Bezug auf die Krankheit, die Störung oder den Zustand wesentlich sein und anderen Personen mit derselben Krankheit oder Störung oder in demselben Zustand längerfristig einen Nutzen bringen (Bst. b).

Wird ein Forschungsprojekt mit einem erwartbaren direkten Nutzen mit urteilsunfähigen Kindern durchgeführt, so sieht Absatz 3 vor, dass zunächst die gesetzliche Vertretung nach hinreichender Aufklärung schriftlich einwilligen muss (Bst. a).

Zudem ist die Ablehnung des Kindes verbindlich zu beachten (Bst. b). Dabei sind an eine rechtsgültige Ablehnung weniger hohe Anforderungen an die geistigen Fähigkeiten bzw. an die Urteilsfähigkeit zu stellen als bei einer rechtsgültigen Einwilligung.65 Andererseits ist nicht jedes Anzeichen von Widerstand, etwa
eine abwehrende Handbewegung, bereits als Ablehnung zu gewichten. Weint ein Kind, das im Rahmen eines Forschungsprojekts mit einem erwarteten direkten Nutzen eine Spritze erhält, so richtet sich diese Abwehr in aller Regel gegen die Spritze als solche ­ die es auch im Rahmen einer Standardtherapie erhalten würde ­ und nicht gegen die eigentliche Forschungshandlung.

64 65

Taupitz J, Biomedizinische Forschung zwischen Freiheit und Verantwortung, Berlin, Heidelberg, New York, 2002, S. 67.

Vgl. dazu Botschaft vom 12. Sept. 2007 zum Verfassungsartikel über die Forschung am Menschen, BBl 2007 6713, hier 6735 f.

8113

Für die Forschung ohne direkten Nutzen mit urteilsunfähigen Kindern, wie sie in Absatz 4 geregelt wird, kommen die in den Absätzen 2 und 3 festgehaltenen Anforderungen kumulativ zur Anwendung, d.h. Einwilligung der gesetzlichen Vertretung, keine Ablehnung des Kindes, minimale Risiken und Belastungen sowie Gruppennutzen.

2.3.1.2

Forschungsprojekte mit Jugendlichen (Art. 22)

Gemäss Absatz 1 darf ein Forschungsprojekt mit erwartbarem direktem Nutzen, aber auch ein Forschungsprojekt ohne direkten Nutzen mit urteilsfähigen Jugendlichen durchgeführt werden, wenn die oder der Jugendliche nach hinreichender Aufklärung schriftlich eingewilligt hat (Bst. a). Nur wenn das Forschungsprojekt mit mehr als minimalen Risiken und Belastungen einhergeht, ist zusätzlich die Einwilligung der gesetzlichen Vertretung notwendig (Bst. b). So kann z.B. ein 16-jähriger Jugendlicher ohne Einbezug seiner Eltern entscheiden, ob er eine kleine Wunde im Rahmen eines Forschungsprojekts mit einem flüssigen statt mit einem konventionellen Pflaster verarzten lassen möchte. Dies erscheint in Anbetracht anderer Entscheidungen, die urteilsfähige Jugendliche selbständig treffen können, angebracht. Das geltende Heilmittelgesetz ist im Vergleich strenger: Unmündige Personen ­ auch wenn sie urteilsfähig sind ­ können in keinem Fall selbständig in die Teilnahme an einem Forschungsprojekt einwilligen; es ist immer die zusätzliche Einwilligung der gesetzlichen Vertretung notwendig.

Für ein Forschungsprojekt mit erwartbarem direkten Nutzen mit urteilsunfähigen Jugendlichen gelten die in Artikel 21 Absatz 3 genannten Anforderungen für die entsprechende Forschung mit urteilsunfähigen Kindern, d.h. erforderlich ist einerseits die schriftliche Einwilligung der gesetzlichen Vertretung nach hinreichender Aufklärung (Abs. 2 Bst. a), andererseits darf die oder der Jugendliche nicht erkennbar ablehnen (Bst. b).

Auch für die Forschung ohne direkten Nutzen mit urteilsunfähigen Jugendlichen kommen die entsprechenden Bestimmungen für die Forschung mit urteilsunfähigen Kindern zur Anwendung (vgl. Art. 21 Abs. 4; Ziff. 2.3.1.1).

2.3.1.3

Forschungsprojekte mit urteilsunfähigen Erwachsenen (Art. 23)

Urteilsunfähige Erwachsene dürfen gemäss Absatz 1 Buchstabe a nur in Forschungsprojekte mit einem erwarteten direkten Nutzen einbezogen werden, wenn eine im Zustand der Urteilsfähigkeit verfasste dokumentierte Einwilligung (z.B.

Patientenverfügung) dies erlaubt. Liegt keine dokumentierte Einwilligung vor, können eine bezeichnete Vertrauensperson oder die nächsten Angehörigen nach hinreichender Aufklärung ihre Einwilligung erteilen (Bst. b). Letztlich sieht Buchstabe c auch in diesen Fällen vor, dass die erwachsene urteilsfähige Person es nicht ablehnt, sich am Forschungsprojekt zu beteiligen (vgl. dazu Ziff. 2.3.1.1).

Im Zusammenhang mit der stellvertretenden Einwilligung ist zu beachten, dass Kinder immer eine gesetzliche Vertretung haben, nämlich entweder die Eltern, einen Elternteil oder einen Vormund. Bei urteilsunfähigen Erwachsenen ist dies hingegen nicht zwingend der Fall. Besonders in diesen Fällen ist es wichtig, die nächsten 8114

Angehörigen in den Einwilligungsprozess einbeziehen zu können. Handelt es sich um ein Forschungsprojekt, das einen direkten Nutzen für die Gesundheit der urteilsunfähigen Person erwarten lässt, erfolgt die stellvertretende Einwilligung in deren Interesse. Im Übrigen gelten die gleichen Bedingungen wie für die Forschung mit urteilsfähigen und mündigen Personen. So kann z.B. auch ein hohes Risiko in Kauf genommen werden, wie dies z.B. bei einem Forschungsprojekt im Rahmen der Behandlung einer schweren Krankheit der Fall sein kann.

Ein Forschungsprojekt ohne direkten Nutzen darf gemäss Absatz 2 mit urteilsunfähigen erwachsenen Personen durchgeführt werden, wenn zusätzlich zu den Voraussetzungen in Absatz 1 zwei Bedingungen erfüllt sind: Risiken und Belastungen dürfen höchstens minimal sein (Bst. a; vgl. Ziff. 2.3.1.1) und das Forschungsprojekt muss wesentliche Erkenntnisse erwarten lassen, die Personen mit derselben Krankheit oder Störung oder in demselben Zustand längerfristig einen Nutzen bringen können (Bst. b).

2.3.2

2. Abschnitt: Forschung mit schwangeren Frauen sowie an Embryonen und Föten in vivo

Die schwangere Frau wird vom Kapitel «Zusätzliche Anforderungen an die Forschung mit besonders verletzbaren Personen» umfasst, da Forschungsprojekte mit ihnen stets dem Umstand Rechnung zu tragen haben, dass es zwei unter Umständen unterschiedliche Interessen gibt. Embryonen und Föten in vivo gelten zwar nicht als Personen; dennoch werden sie ­ gemeinsam mit der schwangeren Frau ­ behandelt.

Dies, weil Forschung an Föten in vivo ohne die schwangere Frau nicht möglich ist.

Als Embryo wird die Frucht bis zur ca. neunten Schwangerschaftswoche bezeichnet, später verwendet man den Begriff Fötus. Unter die Regelung dieses Abschnitts fallen neben den schwangeren Frauen sowohl die Föten in vivo (im Folgenden «Fötus», wobei immer der Fötus in vivo gemeint ist) als auch die Embryonen in vivo, welche zu Gunsten der Lesbarkeit nicht immer explizit genannt werden.

Forschungsprojekte mit schwangeren Frauen befassen sich in der Regel mit einer Krankheit der Frau oder mit einer Krankheit oder Fehlbildung des Fötus. Steht eine Krankheit der schwangeren Frau im Zentrum, so ist das Ziel der Forschung meistens die Entwicklung von Therapiemöglichkeiten, die mit möglichst geringen Nebenwirkungen für den Fötus verbunden sind. Die Forschung zu Krankheiten oder Fehlbildungen des Fötus dient dazu, Therapieansätze zu finden und zu optimieren, die bereits vor der Geburt wirksam sind und somit den Folgen der Krankheit oder Schädigung frühzeitig entgegen wirken. Beispiele sind die Forschung zu Gentherapien, die bei Erbkrankheiten des Fötus eingesetzt werden, sowie Forschungsprojekte zur Weiterentwicklung der Fötalchirurgie, d.h. die operative Behandlung einer Fehlbildung des Fötus im Mutterleib.

Die besondere Konstellation, die eine Schwangerschaft mit sich bringt, zwingt zur Auseinandersetzung mit der Möglichkeit, dass die Interessen von Frau und Fötus kollidieren können. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn das Forschungsprojekt für die Frau einen direkten Nutzen erwarten lässt, während es für den Fötus nur Risiken mit sich bringt, möglicherweise sogar das Risiko einer drohenden Fehlgeburt (vgl.

Ziff. 2.3.2.2).

8115

Werden die Interessen des Fötus in die ethische Abwägung einbezogen, so wirft dies immer auch die Frage nach dem Status des ungeborenen Kindes auf. Kommen Embryonen bzw. Föten überhaupt Rechte und Interessen zu? Falls ja, sind sie gleichwertig mit jenen der betroffenen Frau? Diese Fragen werden kontrovers diskutiert. Weil aber bei einem Forschungsprojekt mit schwangeren Frauen und an Föten immer auch die Auswirkungen auf das ungeborene Kind in die Abwägungen miteinbezogen werden müssen, gilt der Schutz nicht nur der betroffenen Frau, sondern immer auch dem Fötus. Daraus ergibt sich eine Einschränkung der Autonomie der betroffenen Frau, die in ihrem Entscheid nicht nur ihre eigenen, sondern auch die mutmasslichen Interessen ihres ungeborenen Kindes mitberücksichtigen muss.

Generell dürfen schwangere Frauen wegen des Risikos einer Schädigung des Fötus nur unter der Voraussetzung in ein Forschungsprojekt einbezogen werden, dass deren Beteiligung aus wissenschaftlichen Gründen zwingend notwendig ist (Subsidiaritätsprinzip; vgl. Ziff. 2.2.1.1).

2.3.2.1

Unzulässige Forschungsprojekte (Art. 24)

Die Durchführung eines Forschungsprojekts, das eine Änderung von Eigenschaften des Fötus ohne Bezug zu einer Krankheit zum Ziel hat, ist gemäss dieser Bestimmung unzulässig. Dies betrifft zum einen Forschungsprojekte, die dem Menschen üblicherweise zukommende Eigenschaften und Fähigkeiten zu verändern versuchen.

Verboten sind demnach Projekte, die auf die Realisierung neuartiger Eigenschaften bzw. Fähigkeiten abzielen, die Menschen ohne entsprechende Manipulation natürlicherweise nicht besitzen. Solche Bestrebungen werden seit einiger Zeit unter dem Stichwort «human enhancement» diskutiert. Zum anderen sind Forschungsprojekte unzulässig, die Eigenschaften, welche die Gesundheit nicht direkt beeinträchtigen, zu beeinflussen resp. zu verbessern versuchen. Als solche Eigenschaften können z.B. die sexuelle Orientierung, bestimmte Charaktereigenschaften oder Äusserlichkeiten wie die Augenfarbe genannt werden.

Zulässig sind hingegen Forschungsprojekte, die eine Behandlung von Krankheiten oder eine Verbesserung der Lebensqualität bei Behinderungen oder Fehlbildungen anstreben. Die Zulässigkeit eines Forschungsprojekts ist jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen.

2.3.2.2

Forschungsprojekte mit schwangeren Frauen sowie an Embryonen und Föten in vivo (Art. 25)

Die Besonderheit der Risiko-Nutzen-Abwägung bei Forschungsprojekten mit schwangeren Frauen und an Föten besteht darin, dass immer zwei Interessen zu berücksichtigen sind, wobei nur der schwangeren Frau die Möglichkeit zu einem autonomen Entscheid über die Teilnahme an einem Forschungsprojekt zukommt.

Dieses Recht der schwangeren Frau ist gegenüber der Schutzbedürftigkeit des Fötus abzuwägen. Es sind gemäss Absatz 1 nur solche Forschungsprojekte zulässig, bei denen das damit verbundene Risiko sowohl für die Gesundheit der schwangeren Frau als auch jene des Fötus in keinem Missverhältnis zum direkten Nutzen für die Frau und/oder den Fötus steht. Dabei werden die Risiken und Belastungen für die

8116

schwangere Frau und den Fötus zusammengefasst und gegenüber dem erwarteten Nutzen für die schwangere Frau und/oder den Fötus abgewogen.

Wenn ein Forschungsprojekt mit zu erwartendem direkten Nutzen für den Fötus durchgeführt wird, so werden die Risiken und Belastungen für die schwangere Frau und den Fötus zusammen gegenüber dem erwarteten Nutzen für den Fötus abgewogen. Handelt es sich um ein Forschungsprojekt mit direktem Nutzen für die Frau, z.B. zu einer Behandlungsmethode gegen Schwangerschaftsübelkeit, werden bei der Risiko-Nutzen-Abwägung die zusammengefassten Risiken und Belastungen gegenüber dem erwarteten Nutzen für die schwangere Frau abgewogen.

Wenn von einem Forschungsprojekt ein grosser direkter Nutzen für die schwangere Frau erwartet wird, dann kann unter Umständen ein grosses Risiko für den Fötus eingegangen werden. Dabei kann das Risiko für den Fötus, bis hin zur Gefahr eines Aborts, unter Umständen als verhältnismässig beurteilt werden.

Ein Forschungsprojekt ohne direkten Nutzen für die schwangere Frau als auch den Fötus darf gemäss Absatz 2 durchgeführt werden, wenn es höchstens minimale Risiken und Belastungen für den Fötus beinhaltet (Bst. a). Eine Besonderheit des Risikobegriffs bei den Föten liegt darin, dass die Umschreibung des Begriffs des minimalen Risikos für den Fötus der tatsächlichen Situation, in welcher sich der Fötus befindet, Rechnung tragen muss. Letztlich kann bei einem Forschungseingriff an einer schwangeren Frau ein Abortrisiko für den Fötus nie mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Deshalb muss der Begriff des minimalen Risikos für den Fötus auch ein äusserst geringes Abortrisiko umfassen. Der Umfang des Risikos setzt sich zusammen aus dem Produkt des Schadensausmasses und der Wahrscheinlichkeit, mit welcher dieser Schaden eintritt. Aufgrund des Abortrisikos unterscheidet sich somit der Risikobegriff für diese Bestimmung vom Risikobegriff in anderen Bestimmungen des Entwurfs. Wenn der schwerste Schadensfall ­ ein durch einen Forschungseingriff provozierter Abort ­ mit einer äusserst geringen Wahrscheinlichkeit eintritt, so ist das Risiko für den Fötus insgesamt nach wie vor minimal.

Demgegenüber umfasst der Begriff des minimalen Risikos z.B. bei Forschungsprojekten mit urteilsunfähigen Personen nicht deren Todesrisiko.

Würde der Begriff des minimalen
Risikos ein äusserst geringes Abortrisiko ausschliessen, wären Forschungsprojekte ohne direkten Nutzen mit schwangeren Frauen und Föten unzulässig. Dies wäre jedoch längerfristig für die Qualität der medizinischen Versorgung von schwangeren Frauen und Föten von Nachteil. Heute fehlen z.B. für zahlreiche medikamentöse Therapieformen Erkenntnisse über deren mögliche Auswirkungen auf schwangere Frauen und Föten. So wird seit langem gefordert, dass für alle Medikamente vor deren Marktzulassung auch Forschungsprojekte mit schwangeren Frauen durchgeführt werden, wenn zu erwarten ist, dass die in Frage stehenden Medikamente auch von ihnen eingenommen werden. Dies ist aber nur möglich, wenn auch Forschungsprojekte ohne direkten Nutzen durchgeführt werden.

Als zusätzliches Erfordernis für die Zulässigkeit der Forschung ohne direkten Nutzen für die Schwangere als auch den Fötus wird ein wesentlicher Gruppennutzen für andere schwangere Frauen oder Föten verlangt (Bst. b). Dieses Erfordernis ist in der besonderen Verletzbarkeit des Föten und der schwangeren Frau begründet.

8117

2.3.2.3

Forschungsprojekte über Methoden des Schwangerschaftsabbruchs (Art. 26)

Die schwangere Frau darf für die Teilnahme an einem Forschungsprojekt über Methoden des Schwangerschaftsabbruchs erst angefragt werden, nachdem ihr Entscheid zum Abbruch feststeht (Abs. 1). Dadurch soll verhindert werden, dass sie durch die behandelnde Ärztin bzw. den behandelnden Arzt in ihrer Entscheidfindung beeinflusst wird. Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass der Schwangerschaftsabbruch nicht gegen die einschlägigen strafrechtlichen Bestimmungen verstösst (Art. 118 ff. StGB).

Absatz 2 legt fest, dass bei der Erforschung der Methoden des Schwangerschaftsabbruchs die Risiken und Belastungen für den Fötus (vgl. dazu Art. 25) nicht zu beachten sind. Für die Frau gelten die allgemeinen Regeln der Nutzen-Risiko-Abwägung (Art. 12). Der Nutzen eines solchen Forschungsprojekts könnte insbesondere in der Entwicklung von weniger belastenden Methoden des Schwangerschaftsabbruchs liegen.

2.3.3

3. Abschnitt: Forschung mit Personen im Freiheitsentzug

2.3.3.1

Forschungsprojekte mit Personen im Freiheitsentzug (Art. 27)

Personen, denen die Freiheit auf gerichtliche Anordnung entzogen ist, befinden sich in einem Abhängigkeitsverhältnis, das sie besonders verletzbar macht. «Der Bann gegen die Prüfung in Gefängnissen beruht auf der negativen geschichtlichen Erfahrung, die insbesondere in den Konzentrationslagerversuchen einen traurigen Höhepunkt fand. Auf der anderen Seite sollte man Gefangene, sofern man ihrer freien Zustimmung halbwegs sicher sein kann, nicht schlechter behandeln als andere Bürger. Strafgefangene sind Mitglieder der Gesellschaft und ihnen sollte die Teilnahme an Versuchen nicht vorenthalten bleiben.»66 Absatz 1 hält daher fest, dass für ein Forschungsprojekt mit einem erwartbaren direkten Nutzen mit Personen im Freiheitsentzug lediglich die allgemeinen Bestimmungen zur Forschung mit Personen zu beachten sind. Das in Artikel 11 Absatz 2 erwähnte spezielle Subsidiaritätsprinzip kommt hingegen nicht zur Anwendung. Ist eine Person im Freiheitsentzug nämlich urteilsfähig und volljährig, so soll sie wie eine freie Person entscheiden können, ob sie sich an einem Forschungsprojekt, das einen direkten Nutzen erwarten lässt, beteiligt oder nicht. Würde man im Falle dieser Forschung das Subsidiaritätsprinzip einführen, könnte sich eine gefangene Person nie an einem Forschungsprojekt beteiligen, das nichts mit ihrer spezifischen Situation zu tun hätte. So könnte sich eine gefangene Person z.B. nie an einer Studie mit einem erwarteten direkten Nutzen zur Therapie einer Krankheit beteiligen.

66

Deutsch E, Medizinrecht, Berlin, Heidelberg, New York, 1997, S. 398 / Jung A, Die Zulässigkeit biomedizinischer Versuche am Menschen, Köln, Berlin, Bonn, München, 1996, S. 216.

8118

Im Rahmen der Forschung ohne direkten Nutzen wird dem Abhängigkeitsverhältnis bzw. der besonderen Verletzbarkeit in Absatz 2 dadurch Rechnung getragen, dass die Risiken und Belastungen für die betroffene Person nur minimal sein dürfen (vgl.

Ziff. 2.3.1.1).

2.3.3.2

Unzulässigkeit von Erleichterungen im Freiheitsentzug (Art. 28)

Da die Teilnahme an Forschungsprojekten freiwillig erfolgen soll, darf sie ­ analog zu den Bestimmungen über die Unentgeltlichkeit der Teilnahme an einem Forschungsprojekt (Art. 13) ­ nicht an Erleichterungen der Bedingungen im Rahmen des Freiheitsentzuges gekoppelt werden. Einem Strafgefangenen darf als Anreiz zur Teilnahme an einem Forschungsprojekt z.B. keine bevorzugte Behandlung im Strafvollzug in Aussicht gestellt werden. Gleichzeitig ist aber auch bei diesen Forschungsprojekten zu beachten, dass die Person keinerlei Nachteil haben darf, wenn sie sich nicht an einem Forschungsprojekt beteiligen möchte.

2.3.4

4. Abschnitt: Forschung in Notfallsituationen

Die Notfallsituation zeichnet sich dadurch aus, dass sie unvorbereitet, plötzlich und unvorhersehbar eintritt. Sie kann aufgrund eines Unfalls oder einer Gewalttat, aber auch aufgrund eines pathologischen Ereignisses wie z.B. eines Herzinfarkts, eines Schlaganfalls oder einer Medikamenten- oder Drogenüberdosierung entstanden sein.

Die Artikel 29 und 30 des vorliegenden Entwurfs beziehen sich auf jene Notfallsituationen, die mit einem beeinträchtigten Bewusstsein einher gehen und ein unverzügliches medizinisches Handeln erfordern, sodass die betroffene Person vor dem Beginn der Teilnahme am Forschungsprojekt keine aufgeklärte Einwilligung erteilen kann.

Ein Forschungsverbot in solchen Fällen hätte zur Folge, dass Personen in Notfallsituationen nicht von den gleichwertigen medizinischen Erkenntnissen profitieren könnten wie einwilligungsfähige Personen. Es muss vorgängig geprüft werden, ob die erwarteten Ergebnisse wirklich nur in Notfallsituationen gewonnen werden können, d.h. dass die Notfallsituation selber bzw. deren Konsequenzen für die Patientin oder den Patienten erforscht werden sollen. Diesem Aspekt muss die zuständige Ethikkommission im Rahmen ihrer Prüfung besondere Aufmerksamkeit schenken. Es ist unzulässig, im Rahmen von Notfallsituationen andere als notfallspezifische Aspekte zu erforschen, da hierzu in der Regel andere Forschungsanlagen denkbar sind, die ein vollständiges Aufklärungs- und Einwilligungsverfahren vor Aufnahme der Forschungstätigkeit ermöglichen.

2.3.4.1

Forschungsprojekte in Notfallsituationen (Art. 29)

Auch generell urteilsfähige Personen können im Rahmen eines Notfalls vorübergehend urteilsunfähig werden (z.B. Bewusstlosigkeit, durch eine massive Blutung ausgelöster physischer Schockzustand, psychische Schockeinwirkung nach einem schweren Trauma). Bestehen in Notfallsituationen Forschungsprojekte mit einem 8119

erwarteten direkten Nutzen, ist die Abwägung, ob die betreffende Person in ein Forschungsprojekt einbezogen werden darf, vergleichbar mit jener für einen notwendigen medizinischen Eingriff oder eine notwendige medizinische Behandlung.

Bei Letzteren gibt es Situationen, wo die Ärztin oder der Arzt eine Entscheidung im Interesse der Patientin oder des Patienten treffen muss, ohne über eine vorgängige Einwilligung der betroffenen Person oder deren Vertretung zu verfügen (z.B. Programmänderung bei unerwartetem schwerwiegendem Zwischenfall im Rahmen einer Operation). Entsprechendes gilt auch für die Forschung in Notfallsituationen.

Ein Forschungsprojekt mit einem möglichen direkten Nutzen kann damit auch in einem mutmasslichen Interesse erfolgen. Wichtig ist, den konkreten Willen der betroffenen Person sobald als möglich abzuklären (Abs. 1 Bst. a), indem man die betroffene Person so bald als möglich nachträglich anfragt (vgl. Art. 30) bzw. die Ansicht einer bezeichneten Vertrauensperson oder der Angehörigen einholt oder eine allfällige dokumentierte Willensbekundung (Patientenverfügung) beachtet.

Weiss bzw. erfährt man im Rahmen dieser Abklärung von einer generell urteilsfähigen Person, dass sie sich konsequent gegen die Teilnahme an einem Forschungsprojekt ausgesprochen hat, auch wenn dieses ohne therapeutische Alternative einen direkten Nutzen für sie erwarten lassen würde, ist dies in Betracht zu ziehen. Es käme in diesem Fall ­ unter Vorbehalt spezifischer Aspekte im Einzelfall ­ einer Verletzung der Persönlichkeit gleich, ein ebensolches Projekt mit ihr durchzuführen.

Gemäss Buchstabe b ist auch in diesem Fall die Ablehnung der betroffenen Person zu beachten (vgl. Ziff. 2.3.1.1). Schliesslich verlangt Buchstabe c, dass eine Ärztin oder ein Arzt, die bzw. der nicht am Forschungsprojekt beteiligt ist, vor dem Einbezug der betroffenen Person in das Projekt beigezogen wird, um deren Interessen ­ gerade auch aus medizinischer Sicht ­ zu wahren. In Ausnahmefällen darf der Beizug auch später vorgesehen werden, doch ist dies nur legitim, wenn hierfür triftige Gründe vorliegen. Ein späterer Beizug kann insbesondere methodisch bedingt sein.

Diese Gründe sind von den Forschenden im Rahmen des Gesuches der zuständigen Ethikkommission darzustellen. Die Ärztin bzw. der Arzt, die bzw. der nicht am
Forschungsprojekt beteiligt ist, muss in diesen Fällen sobald als möglich beigezogen werden.

Um ein Forschungsprojekt ohne direkten Nutzen in einer Notfallsituation durchführen zu können, werden in Absatz 2 zusätzliche Anforderungen genannt. So darf dieses gemäss Buchstabe a höchstens minimale Risiken und Belastungen beinhalten (vgl. Ziff. 2.3.1.1) und es muss wesentliche Erkenntnisse erwarten lassen, die andern Personen mit derselben Krankheit oder Störung oder in demselben Zustand längerfristig einen Nutzen bringen (Bst. b).

2.3.4.2

Nachträgliche oder stellvertretende Einwilligung (Art. 30)

Sobald die betroffene Person wieder in der Lage ist, um über die Teilnahme an einem Forschungsprojekt entscheiden zu können, ist sie gemäss Absatz 1 hinreichend aufzuklären und kann ihre Einwilligung nachträglich erteilen oder aber verweigern. In letzterem Fall dürfen die biologischen Materialien und Personendaten nicht für das Forschungsprojekt oder dessen Auswertung verwendet werden (Abs. 2). Damit entsprechen die mit einer verweigerten Einwilligung verbundenen Konsequenzen jenen im Falle einer unvollständigen Aufklärung (Art. 18).

8120

In Absatz 3 wird der Bundesrat ermächtigt, das Verfahren zur Einholung einer nachträglichen oder stellvertretenden Einwilligung weiter auszuführen. So können unter anderem Massnahmen für jene Fälle vorgesehen werden, in denen keine nachträgliche Aufklärung und Einwilligung der betroffenen Person möglich ist, z.B.

wenn es sich um eine dauerhaft urteilsunfähige Person handelt oder wenn eine Person im Rahmen der Notfallsituation verstirbt.

2.4

Kapitel 4: Weiterverwendung von biologischem Material und gesundheitsbezogenen Personendaten

Kapitel 4 behandelt die Weiterverwendung, d.h. die die Zweit- und allenfalls nachfolgende forschungsbezogene Verwendung von biologischem Material sowie von genetischen und nichtgenetischen gesundheitsbezogenen Personendaten. Damit ist Material bzw. sind Personendaten gemeint, welche zu einem früheren Zeitpunkt im Rahmen einer Behandlung, z.B. zu Diagnosezwecken, oder eines Forschungsprojekts entnommen bzw. erhoben wurden. Die vorliegenden Bestimmungen gehen bezüglich der vom Geltungsbereich dieses Gesetzes erfassten Forschung den allgemeinen datenschutzrechtlichen Regelungen zur Weiterverwendung von Daten für die Forschung (vgl. Art. 13 und 22 Datenschutzgesetz) vor. Die Weiterverwendung kann in einem konkreten Forschungsprojekt oder generell zu Forschungszwecken stattfinden. Es ist von Forschungszwecken die Rede, wenn nicht oder nicht nur ein konkretes Forschungsprojekt vorgesehen ist, sondern in Zukunft noch unbekannte Forschungsvorhaben realisiert und biologisches Material und Daten hierzu aufbewahrt werden sollen. Die Weiterverwendung von biologischem Material und genetischen Daten einerseits und die Weiterverwendung von nichtgenetischen gesundheitsbezogenen Personendaten andererseits werden unterschiedlich geregelt (vgl.

Ziff. 1.8.2.6). Die Entnahme von biologischem Material und die Erhebung von gesundheitsbezogenen Personendaten werden in Kapitel 2 behandelt.

Die Zulässigkeit einer Weiterverwendung hängt in der Regel von der Einwilligung nach Aufklärung oder von einem fehlenden Widerspruch nach erfolgter Information ab. Es empfiehlt sich in diesem Zusammenhang, die entsprechende Aufklärung oder Information bereits bei der Entnahme des biologischen Materials bzw. bei der Erhebung der gesundheitsbezogenen Personendaten vorzunehmen (vgl. Art. 17).

Schliesslich ist mit der Weiterverwendung von biologischem Material bzw. von gesundheitsbezogenen Personendaten für die Forschung oftmals eine Offenbarung des Berufsgeheimnisses verbunden (vgl. Art. 321 und 321bis StGB). Hier empfiehlt es sich, bei der Einholung der Einwilligung bzw. der Information über das Widerspruchsrecht hinsichtlich der Weiterverwendung bei der betroffenen Person gleichzeitig um die Entbindung vom Berufsgeheimnis nachzusuchen.

2.4.1

Weiterverwendung von biologischem Material und genetischen Daten (Art. 31)

Die Persönlichkeit der betroffenen Person ist bei der Forschung mit unverschlüsseltem biologischem Material bzw. mit unverschlüsselten genetischen Personendaten besonders gefährdet. Deshalb erlaubt diese Bestimmung die Weiterverwendung von biologischem Material oder von genetischen Personendaten in unverschlüsselter 8121

Form nur, wenn für jedes einzelne Forschungsprojekt eine Einwilligung nach hinreichender Aufklärung vorliegt (Abs. 1). Eine «Generaleinwilligung», also die Einwilligung in die Weiterverwendung für jegliche aktuellen und künftigen Forschungsprojekte, ist in diesem Fall nicht zulässig. Die Anforderungen an eine hinreichende Aufklärung richten sich sinngemäss nach Artikel 16. Ist die betroffene erwachsene Person urteilsunfähig oder handelt es sich um Kinder oder Jugendliche, treten entsprechend den Regelungen der Artikel 21­23 die gesetzliche Vertretung oder die nächsten Angehörigen an ihre Stelle.

Für die Weiterverwendung in verschlüsselter Form ist eine ausdrückliche Einwilligung nach hinreichender Aufklärung der einwilligungsberechtigten Person erforderlich (Abs. 2). In diesem Fall ist eine Generaleinwilligung möglich. Es besteht darüber hinaus die Möglichkeit, dass die betroffene Person ausdrücklich nur in die Weiterverwendung ihres biologischen Materials oder ihrer genetischen Daten für ein konkretes Forschungsprojekt einwilligt.

In Absatz 3 werden die Voraussetzungen für die Anonymisierung von biologischem Material und von genetischen Daten zu Forschungszwecken umschrieben. Die betroffene Person bzw. die im Gesetz bezeichneten Personen müssen vorgängig darüber informiert werden, dass eine Anonymisierung des biologischen Materials oder der daraus gewonnenen genetischen Daten geplant ist, sowie über die Tatsache, dass sie dieser Anonymisierung widersprechen können. Diese Information kann z.B.

im Rahmen einer Patienteninformationsbroschüre eines Spitals erfolgen. Eine Anonymisierung von Material und Daten hat vor deren Weiterverwendung zu Forschungszwecken zu erfolgen (zu beachten ist zudem Art. 34).

2.4.2

Weiterverwendung von nichtgenetischen gesundheitsbezogenen Personendaten (Art. 32)

Für die Weiterverwendung von nichtgenetischen gesundheitsbezogenen Personendaten in unverschlüsselter Form zu Forschungszwecken ist eine ausdrückliche Einwilligung nach hinreichender Aufklärung der betroffenen Person erforderlich (Abs. 1). Dabei ist die Generaleinwilligung als Regelfall vorgesehen. Dies schliesst die Möglichkeit nicht aus, dass lediglich für ein konkretes Forschungsprojekt um Einwilligung gebeten wird. Die Anforderungen an eine hinreichende Aufklärung richten sich sinngemäss nach den Artikeln 16, die Einwilligungsberechtigung bei Kindern, Jugendlichen und urteilsunfähigen Erwachsenen nach den Artikeln 21­23.

Werden nichtgenetische gesundheitsbezogene Personendaten in verschlüsselter Form in der Forschung weiterverwendet, so ist die betroffene Person vorgängig darüber zu informieren (Abs. 2). In dieser Konstellation bedarf es keiner expliziten Einwilligung, sondern es gilt das Widerspruchsrecht. Die Daten dürfen für Forschungsprojekte verwendet werden, sofern die betroffene Person bzw. die gesetzliche Vertretung oder die nächsten Angehörigen über die beabsichtigte Weiterverwendung und über ihr Widerspruchsrecht informiert worden sind und nicht widersprochen haben. Auch hier ist es weiterhin möglich, dass über diese Mindestanforderung hinaus eine explizite Einwilligung verlangt bzw. abgegeben wird.

Mit der vorliegenden Bestimmung wird deutlich, dass die Anonymisierung von nichtgenetischen gesundheitsbezogenen Personendaten zu Forschungszwecken voraussetzungslos erlaubt ist. Es gilt keine Informationspflicht, und die betroffene 8122

Person kann kein Widerspruchsrecht geltend machen. Dies steht im Einklang mit dem Datenschutzgesetz: Auch gemäss diesem besteht im Falle der Bearbeitung von Personendaten zu nicht personenbezogenen Zwecken u.a. im Bereich der Forschung kein Widerspruchsrecht der betroffenen Person (Art. 12 Abs. 2 Bst. b in Verbindung mit Art. 13 Abs. 2 Bst. e, Art. 22 DSG).

Dass nichtgenetische gesundheitsbezogene Personendaten Erkenntnisse liefern können, welche die Feststellung, Behandlung oder Verhinderung schwerer Krankheiten betreffen, ist im Rahmen einer Weiterverwendung kaum denkbar. Aus diesem Grunde wird bei dieser Datenkategorie kein Anonymisierungsverbot statuiert (zu beachten ist zudem Art. 34 Abs. 2).

2.4.3

Fehlende Einwilligung und Information (Art. 33)

In bestimmten, eng umgrenzten Ausnahmefällen rechtfertigt es sich, dem Forschungsinteresse den Vorrang zu geben, selbst wenn die Voraussetzungen für die Weiterverwendung von biologischem Material bzw. gesundheitsbezogenen Personendaten gemäss Artikel 31 bzw. 32 nicht erfüllt sind. Andernfalls wäre von einer unverhältnismässigen Einschränkung der Forschungsfreiheit auszugehen. Festzuhalten ist, dass die Regelung nicht auf bereits anonymisiertes biologisches Material bzw. bereits anonymisierte gesundheitsbezogene Personendaten anwendbar ist, da diese ausserhalb des Geltungsbereichs dieses Entwurfes liegen.

Diese Bestimmung knüpft an die bestehende Regelung von Artikel 321bis StGB an (vgl. Ziff. 1.4.2.7) und benennt drei kumulative Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit biologisches Material und gesundheitsbezogene Personendaten weiterverwendet werden dürfen, selbst wenn keine Einwilligung vorliegt bzw. keine Information über das Widerspruchsrecht erfolgte: Buchstabe a verlangt, dass es für die Forschenden unmöglich oder unverhältnismässig schwierig ist, die Einwilligung der betroffenen Person bzw. der gesetzlichen Vertretung oder der nächsten Angehörigen einzuholen oder diese über das Widerspruchsrecht zu informieren. Unmöglichkeit liegt etwa vor, wenn die genannten Personen verstorben sind. Unverhältnismässig schwierig ist das Einholen einer Einwilligung bzw. die Information über das Widerspruchsrecht dann, wenn der Aufwand für eine Kontaktaufnahme nicht gerechtfertigt erscheint, weil die Personen nur sehr schwer auffindbar sind (sehr grosser Personenkreis; grosse Zeitspanne zwischen Entnahme des Materials bzw. Erhebung der Daten und Einreichung des Forschungsvorhabens usw.). Unzumutbarkeit liegt dagegen etwa dann vor, wenn die erneute Konfrontation der Personen mit einer schwierigen Situation eine erhebliche emotionale Belastung mit sich bringen würde (z.B. Personen, die an eine schwere Krankheit erinnert, oder Angehörige, die mit einem Suizid in der Familie erneut konfrontiert werden). Hinzuweisen bleibt, dass eine nicht frühzeitig eingeholte Einwilligung bzw. vorgenommene Information über das Widerspruchsrecht (vgl.

Art. 17) keinen Grund darstellt, eine Bewilligung nach dieser Bestimmung a priori abzulehnen.

Buchstabe b statuiert die Voraussetzung, dass keine dokumentierte Ablehnung der betroffenen Person vorliegen darf. Als solche gilt namentlich eine entsprechend lautende Patientenverfügung.

8123

Buchstabe c verlangt schliesslich, dass das Interesse der Forschung gegenüber dem Interesse der betroffenen Person, nach vorgängiger Aufklärung bzw. Information über eine Weiterverwendung ihres biologischen Materials bzw. ihrer Daten bestimmen zu können, überwiegen muss. Hier ist der konkrete Einzelfall zu betrachten: Ein Überwiegen der Forschungsinteressen liegt z.B. etwa dann vor, wenn die Forschung Erkenntnisse erwarten lässt, die eine Fragestellung von hohem Interesse klären (z.B.

weil es sich um Erkenntnisse im Zusammenhang mit einer schweren Krankheit handelt) oder die einer Vielzahl von Personen zugute kommen könnten.

Ob im gegebenen Fall die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, entscheidet die zuständige Ethikkommission. Bejaht sie dies, erteilt sie gleichsam ein Einwilligungssubstitut (vgl. Ziff. 2.8.1). Bei der Abwägung ist das mit den in Frage stehenden Materialien bzw. Daten einhergehende Missbrauchspotenzial einzubeziehen: Handelt es sich z.B. um unverschlüsseltes biologisches Material, so sind an die Voraussetzungen tendenziell höhere Anforderungen zu stellen als bei verschlüsselten nichtgenetischen gesundheitsbezogenen Personendaten. Ausserdem ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass in jedem Falle geeignete Massnahmen zur Gewährleistung der Datensicherheit getroffen werden müssen (vgl. Art. 42). Die Ethikkommissionen werden sich im Übrigen in einigen Punkten an der Entscheidpraxis der Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung orientieren können.

Personen, welche von diesem Gesetz geregelte Forschung durchführen und somit dem Berufsgeheimnis nach Artikel 321 StGB unterstellt sind, dürfen nur dann straffrei Daten offenbaren, wenn ein Rechtfertigungsgrund nach Artikel 321 Ziff. 2 StGB vorliegt oder die Anforderungen nach Artikel 33 erfüllt sind und die zuständigen Ethikkommission die Offenbarung somit bewilligt (vgl. Art. 321bis Abs. 2 StGB in der mit diesem Gesetz geänderten Fassung, siehe Ziff. 2 des Anhangs).

Im Verhältnis zur aktuell geltenden Regelung gemäss Art. 321bis StGB ergeben sich im Wesentlichen folgende Änderungen: ­

Es wird nicht nur für die Offenbarung des Berufsgeheimnisses resp. Weitergabe an Dritte, sondern generell für die Weiterverwendung eine «escape clause» geschaffen.

­

Nicht nur gesundheitsbezogene Personendaten, sondern auch biologisches Material kann weiterverwendet bzw. weitergegeben werden.

­

Das Einwilligungssubstitut kann für Forschungszwecke, aber nicht mehr für reine Aus- und Weiterbildungszwecke erteilt werden (vgl. Ziff. 3.1.3).

­

Es ist nicht mehr vorgesehen, generelle Bewilligungen zu erteilen (z.B. an Spitäler und Kliniken).

Diese Änderungen drängen sich aus folgenden Gründen auf: ­

Artikel 321bis StGB regelt ein Einwilligungssubstitut lediglich in Bezug auf die Offenbarung des Berufsgeheimnisses; ein solches Substitut muss jedoch generell im Bereich der Weiterverwendung für Forschungsvorhaben möglich sein.

­

Zunehmend wird nicht nur mit Daten, sondern auch mit biologischem Material geforscht.

8124

­

Aus- und Weiterbildungszwecke stellen keine Forschungshandlungen dar und werden daher vom Geltungsbereich des vorliegenden Entwurfs nicht erfasst.

­

Generelle Bewilligungen werden aufgrund der regelmässig mit diesen verbundenen Auflage, wonach jedes Forschungsprojekt der zuständigen Ethikkommission oder allenfalls anderen Instanzen vorgelegt werden muss, entbehrlich.

2.4.4

Anonymisierung und Verschlüsselung (Art. 34)

Der Verweis in Absatz 1 erweitert das in Artikel 14 verankerte Anonymisierungsverbot auf die Weiterverwendung in der Forschung, weil es vor dem Hintergrund der zu schützenden Interessen keine Rolle spielen kann, ob die Forschung mit erstmals entnommenem Material bzw. erstmals erhobenen gesundheitsbezogenen Personendaten oder im Rahmen einer Weiterverwendung erfolgt. Der Verweis auf Artikel 14 bezieht sich nur auf biologisches Material und genetische Daten. Auf ein Anonymisierungsverbot für nichtgenetische gesundheitsbezogene Personendaten soll hingegen verzichtet werden, weil aus diesen allein, abgesehen vom weitaus niedrigeren Gefährdungspotenzial, erfahrungsgemäss keine Erkenntnisse bezüglich schwerer Krankheiten gewonnen werden können. Im Übrigen wird auf die Erläuterungen zu Artikel 14 verwiesen (Ziff. 2.2.1.4).

Absatz 2 verpflichtet den Bundesrat, die Anforderungen an eine korrekte und sichere Anonymisierung und Verschlüsselung sowie die Voraussetzungen für eine Entschlüsselung zu umschreiben. Dies ermöglicht die erforderliche Flexibilität, z.B. im Anschluss an internationale normative oder technische Entwicklungen.

Was die Anonymisierung betrifft, so ist hier v.a. der technische Aspekt angesprochen, also etwa die Verpflichtung zur Einhaltung anerkannter Anonymisierungsprozeduren.

Die Anforderungen an die Verschlüsselung werden die Kriterien einer ausreichenden und sicheren Aufhebung des Personenbezuges umfassen. Diese regeln die Aufbewahrung des Schlüssels, die Zugriffsmöglichkeiten und legen die Voraussetzungen für dessen Freigabe fest: Eine Möglichkeit bestünde dabei darin, dass der Schlüssel bzw. Code nicht von der forschenden, sondern von einer anderen Person oder Institution aufbewahrt wird und nur diese die Verbindung zwischen dem Material bzw. den Personendaten und der betroffenen Person wieder herstellen kann.

2.5

Kapitel 5: Forschung an verstorbenen Personen

In diesem Kapitel wird ausschliesslich die Forschung an verstorbenen Personen geregelt. Die Verwendung von Leichen zu Aus-, Fort- und Weiterbildungszwecken sowie klinische Obduktionen zur Feststellung der Todesursache gelten nicht als Forschung und werden deshalb vom Geltungsbereich nicht erfasst. Diese Bereiche sind kantonal geregelt.

Forschung an verstorbenen Personen wird etwa durchgeführt, um Operations- und Diagnosetechniken und bildgebende Verfahren (z.B. Magnetresonanz-Tomografie) zu testen oder um Todes- und Krankheitsursachen zu erforschen. Im Rahmen der 8125

traumatomechanischen Forschung werden Unfallvorgänge nachgestellt, um die Auswirkungen auf den menschlichen Körper zu untersuchen, und in der Kriminalistik-Forschung (Rechtsmedizin) werden Leichen eingesetzt, um einen Tathergang zu rekonstruieren oder den Todeszeitpunkt zu bestimmen. Schliesslich wird auch an verstorbenen Personen geforscht, die künstlich beatmet werden. Diese Forschung beschäftigt sich z.B. mit der Diagnose des «Hirntodes» oder mit der Qualitätserhaltung von Organen, zu der die Verhinderung von Entzündungen oder die Erhaltung der Blutqualität gehören. Darüber hinaus wird mit «Hirntoten» auch in der Neurologie geforscht.

2.5.1

Ethische Aspekte

Die Durchführung eines Forschungsprojekts an verstorbenen Personen soll mit Ehrfurcht, Pietät und Achtung vor dem Menschen durchgeführt werden. Zudem sind allfällige standesethische Grundsätze zu beachten. Aus ethischer Perspektive ist der Grad der Beeinträchtigung des Körpers relevant. Ein äusserlich nicht wahrnehmbarer Eingriff ist für die nächsten Angehörigen z.B. weniger belastend als ein entstellender oder verunstaltender Eingriff.

Auch die zeitliche Dimension spielt eine wichtige Rolle. Mit dem zeitlichen Abstand vom Todeszeitpunkt und dem damit einhergehenden Zerfall des Körpers nehmen die emotionale Bindung und die Pietät gegenüber dem Körper der verstorbenen Person ab.67 Forschung an Verstorbenen, deren Atmung und Kreislauf künstlich aufrechterhalten werden, kann sowohl von den Angehörigen als auch vom medizinischen Personal als emotional belastend empfunden werden, da sie sich äusserlich nicht von einer bewusstlosen Person unterscheiden.

2.5.2

Rechtliche Aspekte

Verstorbenen Personen kommt grundsätzlich keine Rechtsfähigkeit mehr zu, da ihre Persönlichkeitsrechte mit dem Tod erlöschen. Dennoch sind sie weder eine blosse Sache noch ein herrenloses Gut.68 Sie haben Anteil an der Menschenwürde, ohne unbedingt Träger derselben zu sein.69 Vor diesem Hintergrund wird die Forschung an verstorbenen Personen einer spezifischen Regelung zugeführt. Geschützt werden soll einerseits das Selbstbestimmungsrecht der Person, zu ihren Lebzeiten über den dereinst toten Körper verfügen zu können bzw. Anordnungen über den Tod hinaus zu treffen. Aus diesem Grund soll dem Willen der verstorbenen Person entsprochen werden und die Angehörigen haben sich in ihrer subsidiären Entscheidkompetenz am mutmasslichen Willen des oder der Verstorbenen zu orientieren. Grundsätzlich hat der Wille der verstorbenen Person Vorrang. Andererseits müssen auch die Per67 68

69

Preuss D, Vom ethisch verantworteten Umgang mit menschlichen Überresten in Sammlungen sowie musealen und sakralen Räumen, München, 2007, S. 23.

Büchler A und Dörr B, Medizinische Forschung an und mit menschlichen Körpersubstanzen ­ Verfügungsrechte über den Körper im Spannungsfeld von Persönlichkeitsrechten und Forschungsinteressen, ZSR 2008 I, S. 381 ff.

Vgl. Botschaft vom 12. Sept. 2007 zum Verfassungsartikel über die Forschung am Menschen, BBl 2007 6713; hier S. 6741.

8126

sönlichkeitsrechte der Angehörigen geschützt werden. Begründet wird dieser Persönlichkeitsschutz mit der emotionalen Nähe der Angehörigen zu dem oder der Verstorbenen.

Auch die SAMW-Empfehlungen vom 27. November 2008 zur «Verwendung von Leichen und Leichenteilen in der medizinischen Forschung sowie Aus-, Weiter- und Fortbildung»70 gehen vom informed consent und dem subsidiären Einwilligungsrecht der Angehörigen aus. Dieses Prinzip sei auch und gerade im Rahmen von Forschungsvorhaben strikt zu beachten.

2.5.3

Einwilligung (Art. 35)

Aufgrund des Selbstbestimmungsrechts (vgl. Ziff. 1.2.2.1) kann jede Person zu Lebzeiten über ihren toten Körper verfügen bzw. Anordnungen hinterlassen. Voraussetzung für die Forschung an Verstorbenen ist daher, dass eine explizite, die Forschung betreffende Einwilligung vorliegt (Abs. 1). Andere Einwilligungserklärungen, wie z.B. jene zu einer Organspende, umfassen etwaige Forschungshandlungen nicht. Absatz 2 regelt jene Fälle, in denen sich die verstorbene Person zu Lebzeiten nicht über die Verwendung ihres dereinst toten Körpers zu Forschungszwecken geäussert hat. In solchen Situationen können die nächsten Angehörigen angefragt werden, ob sie in die Verwendung des Leichnams für die Forschung einwilligen. Anstelle der nächsten Angehörigen kann die verstorbene Person zu Lebzeiten eine Vertrauensperson bezeichnen. Liegt keine Einwilligung vor, ist die Forschung an verstorbenen Personen generell unzulässig.

Da der vorliegende Gesetzesentwurf ­ wie das Transplantationsgesetz ­ dem Modell der «erweiterten Zustimmung» folgt, verweist Absatz 3 im Hinblick auf das entsprechende Einwilligungsverfahren auf die Transplantationsgesetzgebung, die auch für die Umschreibung der nächsten Angehörigen zu beachten sein wird. Liegt eine Einwilligung zur Verwendung von Körpersubstanzen einer verstorbenen Person vor, so bezieht sich diese in genereller Weise auf die Forschung, unabhängig von der Identifizierbarkeit bzw. Verschlüsselung oder Anonymisierung des Materials.

Wenn der Tod einer Person vor mehreren Jahrzehnten eingetreten ist, ist es in der Regel unmöglich oder unzumutbar, allfällige Angehörige der verstorbenen Person zu ermitteln, um von diesen eine Einwilligung einzuholen. Damit die Forschung z.B.

an Gletscherleichen oder Mumien möglich bleibt, ist diese gemäss Absatz 4 an Personen, deren Tod vor mehr als 70 Jahren eingetreten ist, auch ohne Einwilligung rechtmässig. Es kann in solchen Fällen davon ausgegangen werden, dass kaum noch nächste Angehörige auffindbar sind und dass deren Rechte nicht verletzt werden (vgl. Ziff. 2.5.2). Die Frist entspricht im Übrigen auch der im Urheberrechtsgesetz vom 9. Oktober 199271 festgelegten Schutzdauer. Wenden sich jedoch die nächsten Angehörigen, z.B. direkte Nachkommen oder Geschwister der verstorbenen Person, gegen die Forschung an der betreffenden Leiche, so ist dies zu beachten; in diesem Fall darf an der verstorbenen Person nicht geforscht werden.

70 71

Einsehbar unter www.samw.ch.

SR 231.1

8127

2.5.4

Weitere Voraussetzungen (Art. 36)

Neben dem Erfordernis der Einwilligung muss im Hinblick auf ein Forschungsprojekt an verstorbenen Personen deren Tod festgestellt worden sein (Abs. 1). Für die konventionelle Feststellung des Todes muss mindestens ein sicheres Todeszeichen gegeben sein. Bei Verstorbenen, deren physiologische Funktionen durch künstliche Beatmung und medikamentöse Behandlung aufrechterhalten werden, muss der Tod gemäss Transplantationsgesetz festgestellt worden sein. Demzufolge ist der Mensch dann tot, «wenn die Funktionen seines Gehirns einschliesslich des Hirnstamms irreversibel ausgefallen sind».

Absatz 2 regelt die Forschung an verstorbenen Personen, deren physiologische Funktionen durch künstliche Beatmung und medikamentöse Behandlung aufrecht erhalten werden. Diese Forschung ist nur gerechtfertigt, wenn gleichwertige wissenschaftliche Erkenntnisse nicht an verstorbenen Personen gewonnen werden können, die nicht künstlich beatmet werden. Der Bundesrat kann weitere Bedingungen für diese Forschung festlegen, wie z.B. eine zeitliche Befristung von bestimmten Handlungen im Rahmen solcher Forschungsprojekte oder Auflagen für die Forschung, damit eine allenfalls vorgesehene Organtransplantation nicht gefährdet wird.

Um Interessenkonflikte zu vermeiden, darf die Ärztin bzw. der Arzt, die bzw. der den Tod festgestellt hat, nicht am Forschungsprojekt nach Absatz 2 beteiligt sein.

Aus dem gleichen Grund darf die forschende Person keine Weisungsbefugnis gegenüber den Personen haben, die den Tod feststellen (Abs. 3).

2.5.5

Forschung im Rahmen einer Obduktion oder Transplantation (Art. 37)

Aus ethischer Sicht ist der Grad der Beeinträchtigung des toten Körpers relevant (vgl. Ziff. 2.5.2). Durch eine Obduktion oder Transplantation wird massiv in die Unversehrtheit der Körperhülle und der Organe eingegriffen. Wenn im Rahmen einer Obduktion z.B. ganze Organe für die Forschung entnommen werden, findet ein zusätzlicher Eingriff in den Körper des Leichnams statt. In diesem Fall muss eine Einwilligung gemäss Artikel 35 vorliegen. Wird hingegen der Leichnam bei der Entnahme von Körpersubstanzen zu Forschungszwecken nicht zusätzlich zerstört (z.B. Sammlung von geringfügigen Blut- oder Gewebeproben im Milliliter- oder Grammbereich), kann davon ausgegangen werden, dass die Persönlichkeitsrechte der nächsten Angehörigen nicht verletzt werden. Daher wird für diese Fälle eine gewisse Erleichterung für die Forschung vorgesehen. Es soll zulässig sein, ohne Einwilligung eine geringfügige Menge an Körpersubstanzen zu entnehmen, dieses zu anonymisieren und in der Folge zu Forschungszwecken zu verwenden.

Diese Bestimmung kommt nur dann zur Anwendung, wenn die verstorbene Person zu Lebzeiten nicht ausdrücklich untersagt hat, ihren dereinst toten Körper zu Forschungszwecken zur Verfügung zu stellen bzw. sich nicht gegen eine Obduktion ausgesprochen hat. Es gibt Fälle, in denen aufgrund einer behördlichen Anweisung auch gegen den zu Lebzeiten geäusserten Willen eine Obduktion durchgeführt wird (z.B. bei rechtsmedizinischen Obduktionen bei aussergewöhnlichen Todesfällen mit unklarer oder nicht natürlicher Todesart). Dass in diesem Fall der Wille bezüglich der Obduktion nicht berücksichtigt werden muss, darf jedoch nicht dazu führen, dass gleichzeitig auch die vorliegende Ausnahmebestimmung zur Anwendung gelangt.

8128

Es ist in diesen Fällen daher nicht zulässig, eine geringfügige Menge an Körpersubstanzen ohne bzw. sogar gegen eine Einwilligung zu entnehmen.

Auch bei einer Transplantation bleibt eine anders lautende Willenserklärung der verstorbenen Person vorbehalten: Hat sich diese zu Lebzeiten zwar für die Transplantation, aber gegen die Forschung ausgesprochen, so kann die Ausnahmebestimmung dieses Artikels nicht greifen.

2.6

Kapitel 6: Forschung an Embryonen und Föten aus Schwangerschaftsabbrüchen und Spontanaborten einschliesslich Totgeburten

In Forschungsprojekten an Embryonen und Föten aus Schwangerschaftsabbrüchen und Spontanaborten einschliesslich Totgeburten wird häufig nach Erkenntnissen zu den Ursachen von Aborten sowie Früh- und Totgeburten gesucht. Das Ziel dabei ist, Ansätze zur Prävention dieser Ereignisse entwickeln zu können. Auch werden mitunter Zellen aus Embryonen bzw. Föten in Forschungsprojekten verwendet, welche die Behandlung von Krankheiten im Erwachsenenalter betreffen (z.B. Forschungsprojekte mit fötalen Hirnzellen zur Behandlung der Parkinson'schen Krankheit).

Ein Spontanabort ist die vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft durch spontanen Verlust des Embryos bzw. des Fötus mit einem Gewicht unter 500 Gramm. Als Totgeburt wird die Geburt eines Kindes bezeichnet, das nach der Trennung vom Mutterleib keine Lebenszeichen aufweist und dessen Gewicht diese Grenze überschreitet. Verstirbt ein Kind jedoch unmittelbar nach der Geburt, so handelt es sich hierbei ­ unabhängig von dessen Gewicht oder Alter ­ um eine verstorbene Person und die Forschung an dieser richtet sich nach dem 5. Kapitel dieses Entwurfs.

2.6.1

Voraussetzungen für die Forschung an Embryonen und Föten aus Schwangerschaftsabbrüchen (Art. 38)

Gemäss Absatz 1 darf eine schwangere Frau erst angefragt werden, ob sie ihren Fötus zu Forschungszwecken zur Verfügung stellt, nachdem ihr Entscheid zum Schwangerschaftsabbruch feststeht. Damit soll sichergestellt werden, dass sie ihren Entscheid zum Schwangerschaftsabbruch ohne Einflussnahme durch Forschungsinteressen fällen kann. Das Schaffen eines Anreizes oder eines Legitimationsgrundes für einen Schwangerschaftsabbruch, also die Instrumentalisierung der Schwangerschaft zur «Gewinnung von Forschungsmaterial», ist aus ethischer Sicht verwerflich.

Konkret darf eine allfällige Verwendung des abgetriebenen Fötus zu Forschungszwecken ­ unabhängig von der Hochrangigkeit des Forschungsziels ­ eine schwangere Frau nicht zu einem Schwangerschaftsabbruch veranlassen. Aufklärung und Einwilligung richten sich im Übrigen sinngemäss nach den Artikel 16 und 21­23.

Die ärztliche Fürsorgepflicht gegenüber der Frau im Rahmen des Schwangerschaftsabbruchs hat grundsätzlich immer vor den Forschungsinteressen zu stehen (vgl.

Ziff. 2.1.2.1). Dadurch, dass Zeitpunkt und Methode eines Schwangerschaftsabbruchs unabhängig vom Forschungsprojekt gewählt werden müssen (Abs. 2), soll gewährleistet werden, dass bei der Wahl der Methode einzig das Wohl der schwan-

8129

geren Frau berücksichtigt wird. Im Übrigen sind die strafrechtlichen Schranken zu beachten (Art. 118 ff. StGB).

Nach Absatz 3 dürfen Föten aus Schwangerschaftsabbrüchen und Spontanaborten für ein Forschungsprojekt verwendet werden, nachdem der Tod festgestellt worden ist. Todeskriterien, die kumulativ vorliegen müssen, ist das Fehlen von Herzschlag, Pulsation der Nabelschnur, Atmung und Bewegung. Damit soll verhindert werden, dass die Forschenden lebensverlängernde Massnahmen ergreifen, um den Fötus als Forschungsobjekt zu erhalten.

Um Interessenskonflikte zu vermeiden, schreibt Absatz 4 vor, dass Personen, die ein Forschungsprojekt nach Absatz 3 durchführen, beim Schwangerschaftsabbruch nicht mitwirken dürfen. Zudem dürfen sie gegenüber den daran beteiligten Personen nicht weisungsbefugt sein.

2.6.2

Voraussetzungen für die Forschung an Embryonen und Föten aus Spontanaborten einschliesslich Totgeburten (Art. 39)

Absatz 1 legt fest, dass Embryonen und Föten aus Spontanaborten sowie Totgeburten nur mit der Einwilligung des betroffenen Paares zu Forschungszwecken verwendet werden dürfen. Im Gegensatz zur Forschung an Embryonen und Föten aus Schwangerschaftsabbrüchen ist im vorliegenden Fall die alleinige Einwilligung der Frau nicht ausreichend. Da eine Frau autonom über den Abbruch der Schwangerschaft entscheiden kann, wäre es inkonsequent, im Rahmen eines Schwangerschaftsabbruchs die Einwilligung des betroffenen Mannes im Hinblick auf die Forschung zu verlangen. Hingegen wäre es stossend, ihn bei einem Spontanabort oder einer Totgeburt von dieser Entscheidung auszuschliessen. Im Übrigen richten sich Einwilligung und Aufklärung sinngemäss nach Artikel 16.

Nach Absatz 2 dürfen Föten aus Spontanaborten für ein Forschungsprojekt verwendet werden, nachdem deren Tod festgestellt worden ist. Die entsprechenden Kriterien finden sich unter Ziff. 2.6.1.

2.7

Kapitel 7: Weitergabe, Ausfuhr und Aufbewahrung

2.7.1

Weitergabe zu anderen als zu Forschungszwecken (Art. 40)

Biologisches Material und gesundheitsbezogene Personendaten, die zu Forschungszwecken entnommen oder weiterverwendet wurden, dürfen grundsätzlich nur zu Forschungszwecken weitergegeben werden. In allen anderen Fällen ist die Weitergabe verboten, es sei denn, die betroffene Person (bzw. deren gesetzliche Vertretung oder die nächsten Angehörigen) willigt im Einzelfall explizit ein (Bst. b), oder es besteht eine gesetzliche Grundlage für die Weitergabe (Bst. a). Letzteres kann z.B.

im Rahmen einer strafrechtlichen Untersuchung der Fall sein. Die enge Zweckbindung garantiert der betroffenen Person, dass ihr biologisches Material bzw. ihre Personendaten im Forschungskontext verbleiben und nur in definierten Ausnahmefällen zweckentfremdet werden.

8130

2.7.2

Ausfuhr (Art. 41)

Ein wichtiges Ziel des Entwurfes ist es, internationale Forschungskooperationen weiterhin zu ermöglichen und zu vereinfachen. Gleichzeitig muss immer dann, wenn biologisches Material oder gesundheitsbezogene Personendaten für die Forschung ins Ausland ausgeführt werden, gewährleistet sein, dass die informationelle Selbstbestimmung geschützt wird. Aufgrund des unterschiedlichen Gefährdungspotenzials drängt sich, in Anlehnung an die Regelung der Weiterverwendung in Kapitel 4, auch bei der Ausfuhr von biologischem Material und genetischen Daten einerseits sowie der Weitergabe von nichtgenetischen gesundheitsbezogenen Personendaten ins Ausland andererseits eine unterschiedliche Regelung auf.

Vor diesem Hintergrund legt Absatz 1 erster Satz fest, dass für eine Ausfuhr von biologischem Material oder von genetischen Daten für die Forschung die Einwilligung der betroffenen Person nach hinreichender Aufklärung notwendig ist. Die Anforderungen an die Aufklärung richten sich sinngemäss nach Artikel 16. Ist die betroffene Person ein urteilsunfähiger Erwachsener bzw. ein Kind oder Jugendlicher, treten die nach den Regelungen der Artikel 21­23 berechtigten Personen an ihre Stelle. Der Verweis auf Artikel 31 stellt klar, dass bei der Ausfuhr von biologischem Material bzw. genetischen Daten in unverschlüsselter Form eine Einwilligung im Einzelfall notwendig, bei der Ausfuhr in verschlüsselter Form eine generelle Einwilligung möglich ist (Abs. 1 zweiter Satz).

Ist hingegen die Weitergabe nichtgenetischer gesundheitsbezogener Personendaten ins Ausland vorgesehen, sind die Anforderungen nach Artikel 6 des Datenschutzgesetzes zu beachten (Abs. 2). Ziel dieser Bestimmung ist, dass diese Personendaten nicht ins Ausland bekannt gegeben werden dürfen, wenn dadurch die Persönlichkeit der betroffenen Personen schwerwiegend gefährdet würde, namentlich weil eine Gesetzgebung fehlt, die einen angemessenen Schutz gewährleistet.72 Fehlt eine solche Gesetzgebung, so können solche Personendaten ins Ausland u.a. nur dann bekannt gegeben werden, wenn hinreichende Garantien, insbesondere durch Vertrag, einen angemessenen Schutz im Ausland sicherstellen. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass die Bedingungen für die Weiterverwendung nichtgenetischer gesundheitsbezogener Personendaten im Zielland mit denjenigen dieses Gesetzes
gleichwertig sind.

Festzuhalten ist jedoch, dass die vorliegende Bestimmung einzig die grenzüberschreitende Bekanntgabe von biologischem Material und gesundheitsbezogenen Personendaten regelt. Bevor eine Ausfuhr ins Auge gefasst werden kann, müssen die Voraussetzungen für eine zulässige Entnahme von Material bzw. Erhebung von Daten (2. und 3. Kapitel) oder für eine zulässige Weiterverwendung zu Forschungszwecken (4. Kapitel) erfüllt sein.

72

Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte führt eine unverbindliche Liste der Staaten, die über eine gleichwertige Datenschutzgesetzgebung verfügen (einsehbar unter: www.edoeb.admin.ch).

8131

2.7.3

Aufbewahrung (Art. 42)

Zahlreiche Forschungsziele sind heute nur realisierbar, weil eine grosse Anzahl von Materialproben und dazugehörende Personendaten ausgewertet werden können.

Gleichzeitig werden vorhandenes Material und Personendaten in der Regel im Rahmen eines Forschungsprojekts nicht einfach «verbraucht», sondern stehen für weitere Forschungsprojekte zur Verfügung. Dies setzt die Aufbewahrung von biologischem Material bzw. von gesundheitsbezogenen Personendaten z.B. in Biobanken, Medizinalregistern sowie Datensammlungen voraus.

Absatz 1 besagt, dass bei einer Aufbewahrung geeignete technische und organisatorische Massnahmen gegen unbefugten Umgang zu treffen sind. Der Begriff «Umgang» ist in diesem Zusammenhang gleichbedeutend mit dem «Bearbeiten» im Sinne von Artikel 3 Buchstabe e des Datenschutzgesetzes zu verstehen. Ferner sind die betrieblichen und fachlichen Anforderungen sicherzustellen. Bei alledem ist insbesondere den anerkannten Grundsätzen der Datensicherheit Beachtung zu schenken.

Absatz 2 verpflichtet den Bundesrat, die Anforderungen an die Aufbewahrung von biologischem Material und von gesundheitsbezogenen Personendaten zu konkretisieren. Dabei werden die betreffenden Vorgaben der Datenschutzgesetzgebung zu berücksichtigen sein.

Die genannten Anforderungen werden insbesondere die Qualitätssicherung der Aufbewahrung sowie die spezifischen Anforderungen an die Datenschutzmassnahmen und die Betriebssicherheit betreffen. Biologisches Material und gesundheitsbezogene Personendaten müssen in professioneller Weise aufbewahrt werden, wozu entsprechend qualifiziertes Personal erforderlich ist. Im Falle der Aufbewahrung von biologischem Material bedarf es einer Infrastruktur, die eine Aufbewahrung über längere Zeit bei gleich bleibender Probenqualität sicherstellt. Die Einhaltung des Datenschutzes muss gewährleistet sein. Damit die Privatsphäre der betroffenen Personen geschützt ist, müssen das biologische Material und die gesundheitsbezogenen Personendaten durch geeignete Massnahmen, insbesondere vor missbräuchlichem Zugriff, geschützt werden.

2.7.4

Verstorbene Personen, Embryonen, Föten einschliesslich Totgeburten (Art. 43)

Teile von verstorbenen Personen, von Embryonen, Föten und Totgeburten gelten nicht als biologisches Material im Sinne von Artikel 3 Buchstabe e. Die über diese erhobenen Daten gelten zudem nicht als gesundheitsbezogene Personendaten im Sinne von Artikel 3 Buchstabe f. Mit der vorliegenden Bestimmung werden auch die verstorbenen Personen, Embryonen, Föten und Totgeburten selbst sowie deren Teile und die in diesem Zusammenhang erhobenen Daten hinsichtlich Weitergabe ausserhalb der Forschung, Ausfuhr und Aufbewahrung den Regelungen dieses Kapitels unterstellt.

8132

2.8

Kapitel 8: Bewilligungen, Meldungen und Verfahren

2.8.1

Bewilligungspflicht (Art. 44)

Absatz 1 gibt vor, dass sowohl die Durchführung eines Forschungsvorhabens mit den in Artikel 2 Absatz 1 genannten Forschungsgegenständen als auch die Weiterverwendung von biologischem Material und gesundheitsbezogenen Personendaten nach Artikel 33 einer Bewilligung der zuständigen Ethikkommission bedarf.

Bewilligungspflichtig sind nach Buchstabe a einerseits Forschungsprojekte mit Personen (nach dem 2. und 3. Kapitel dieses Gesetzes), Forschungsprojekte an verstorbenen Personen (nach dem 5. Kapitel) und an Embryonen und Föten (nach dem 6. Kapitel). Andererseits unterliegen auch Forschungsprojekte mit bereits vorhandenem unverschlüsseltem und verschlüsseltem biologischem Material bzw.

bereits vorhandenen unverschlüsselten und verschlüsselten gesundheitsbezogenen Personendaten einer Bewilligungspflicht.

Werden demgegenüber bereits vorhandenes biologisches Material bzw. vorhandene gesundheitsbezogene Personendaten ausserhalb eines konkreten Forschungsprojekts zu Forschungszwecken zusammengetragen oder aufbewahrt, bedarf dies keiner Bewilligung. Beachtet werden müssen in diesem Fall jedoch die Vorschriften hinsichtlich Einwilligung, Aufbewahrung etc. Eine Weiterverwendung von biologischem Material und gesundheitsbezogenen Personendaten ausserhalb eines konkreten Forschungsprojekts ist nach Buchstabe b einzig dann bewilligungspflichtig, wenn die nach den Artikeln 31 und 32 erforderliche Einwilligung nicht eingeholt bzw. nicht über das Widerspruchsrecht informiert werden kann. In diesem Fall kann die Ethikkommission ausnahmsweise die Weiterverwendung erlauben, wenn die aus Artikel 33 ersichtlichen Anforderungen erfüllt sind. Die Ethikkommission nimmt diesbezüglich die Funktion der heutigen Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung nach Artikel 321bis StGB wahr, die mit diesem Gesetz aufgehobenen werden soll. Erfolgt eine Weiterverwendung im Rahmen eines Forschungsprojekts, besteht die Bewilligungspflicht bereits auf Basis von Buchstabe a.

Die Projekte werden nach Absatz 2 im Hinblick auf ihre Übereinstimmung mit den gesetzlich festgelegten ethischen, rechtlichen und wissenschaftlichen Anforderungen überprüft. So ist z.B. für ein Forschungsprojekt mit urteilsunfähigen Personen zu überprüfen, ob gleichwertige Erkenntnisse nicht auch ohne deren Einbezug gewonnen werden
können (vgl. Art. 11 Abs. 2) und dass die spezifischen Vorschriften zur Aufklärung und Einholung der stellvertretenden Einwilligung respektiert werden (vgl. Art. 21­23). Bei Forschungsprojekten mit Personen ist zudem zu beurteilen, ob die allenfalls geforderte Sicherstellung der Haftung (vgl. Art. 20) effektiv und in genügendem Ausmass vorliegt. Ebenso ist zu überprüfen, ob eine vorgesehene unvollständige Aufklärung aus methodischen Gründen in casu zwingend ist und die weiteren Anforderungen des Artikels 18 eingehalten werden. Letztlich ist auch zu beurteilen, ob bei entsprechenden Projekten die in anderen Bundesgesetzen festgelegten Anforderungen (z.B. die Anforderungen des Transplantationsgesetzes bei klinischen Versuchen der Transplantation) erfüllt sind.

Der Bundesrat wird schliesslich in Absatz 3 ermächtigt, unter Beachtung anerkannter internationaler Regelungen Änderungen an einem Forschungsprojekt ebenso einer Bewilligungspflicht zu unterstellen. Dies ist insbesondere dann denkbar, wenn es sich um wesentliche Projektänderungen handelt.

8133

2.8.2

Melde- und Informationspflichten (Art. 45)

Der Bundesrat wird in Absatz 1 ermächtigt, Melde- und Informationspflichten festzulegen. Solche sollen in Anlehnung etwa an die ICH-GCP-Leitlinie insbesondere eingeführt werden bei (planmässigem) Abschluss oder bei Abbruch eines Forschungsprojekts (Bst. a). Auch bei unerwünschten Ereignissen sowie bei sich möglicherweise auf die Sicherheit oder die Gesundheit der betroffenen Personen auswirkenden Umständen kann der Bundesrat entsprechende Pflichten festlegen (Bst. b und c). Bei der Festlegung dieser Pflichten beachtet der Bundesrat nach Absatz 2 wiederum die anerkannten internationalen Regelungen.

2.8.3

Zuständige Ethikkommission (Art. 46)

Absatz 1 regelt, dass für die Ethikkommission des Kantons, in dessen Gebiet das Forschungsprojekt durchgeführt wird bzw. die Weiterverwendung nach Artikel 33 erfolgt, für die Beurteilung der Gesuche zuständig ist.

Immer häufiger wird ein Forschungsprojekt an mehreren Orten, sei es in der Schweiz oder auf internationaler Ebene, durchgeführt. Der Gesetzesentwurf legt in Absatz 2 fest, dass diese sogenannt multizentrischen Forschungsprojekte in der Schweiz nur durch die Ethikkommission eines Kantons umfassend zu prüfen sind.

Damit wird einerseits eine Vorschrift der EG-GCP-Richtlinie (vgl. Ziff. 1.5.2) erfüllt, andererseits werden allfällige sich widersprechende Beurteilungen über das gleiche Forschungsprojekt vermieden. Künftig wird die Überprüfung des Projekts von derjenigen Ethikkommission durchgeführt, die in der Schweiz am Tätigkeitsort der das Forschungsprojekt koordinierenden Person zuständig ist (sog. Leitkommission). Dieser im Ausführungsrecht näher zu bestimmenden Person kommt somit spiegelbildlich die gleiche Funktion wie der Leitkommission zu.

Die für die übrigen Kantone zuständigen Ethikkommissionen haben nach Absatz 3 einzig die Aufgabe, die fachlichen (z.B. die notwendige Ausbildung und Erfahrung der Forschenden) und betrieblichen (z.B. geeignete Räumlichkeiten und Einrichtungen) Voraussetzungen am betreffenden Durchführungsort zu überprüfen. Die Zuweisung dieser Aufgabe an die für die anderen Durchführungsorte zuständigen Ethikkommissionen ist insofern begründet, als diese Kommissionen die Verhältnisse vor Ort am besten einschätzen und bewerten können.

Die Leitkommission ist an die Beurteilung dieser Ethikkommissionen über den betreffenden Durchführungsort gebunden und muss deren Einschätzung in der Bewilligung aufnehmen. Wird z.B. die hinreichende fachliche Kompetenz einer bzw. eines Forschenden an einem vorgesehenen Durchführungsort in einem anderen Kanton durch die betreffende Ethikkommission verneint, kann die Leitkommission die Durchführung des Forschungsprojekts an diesem Ort nicht bewilligen. Damit ist gewährleistet, dass ein Forschungsprojekt nur dort durchgeführt wird, wo die fachlichen und betrieblichen Anforderungen erfüllt sind. Es bleibt den für die übrigen Durchführungsorte zuständigen Ethikkommissionen unbenommen, auch zu anderen Aspekten des Gesuchs zuhanden der
Leitkommission Stellung zu nehmen. Dies kann insbesondere sinnvoll sein, wenn es um die Beurteilung von Aufklärungs- und Einwilligungsunterlagen in einer anderen Sprache geht. Hingegen bleibt es der Leitkommission freigestellt, ob sie solche Bewertungen in ihrer Bewilligung berück8134

sichtigen will. Der Bundesrat wird im Übrigen im Rahmen seiner Kompetenz zur Regelung der Verfahren (Art. 48 Abs. 1) die Einzelheiten des Verfahrensablaufes konkretisieren.

Nach Absatz 4 ist die dargestellte Kompetenzaufteilung zwischen den Ethikkommissionen auch sinngemäss anwendbar für den Fall, in dem ausserhalb eines konkreten Forschungsprojekts biologisches Material und gesundheitsbezogene Personendaten im Sinne von Artikel 33 weiterverwendet werden sollen (vgl. auch Art. 44 Abs. 1 Bst. b). Werden z.B. in dieser Weise solche Materialien und Daten in verschiedenen Kantonen gesammelt, aber nur in einer Sammlung aufbewahrt, ist ausschliesslich die Ethikkommission desjenigen Kantons für die umfassende Beurteilung des Vorhabens verantwortlich, in dessen Gebiet die Aufbewahrung stattfindet. Die in den übrigen Kantonen zuständigen Kommissionen haben wiederum lediglich die betreffenden lokalen Aspekte zu prüfen und ihre Beurteilung an die Leitkommission weiterzugeben.

2.8.4

Behördliche Massnahmen (Art. 47)

Die Ethikkommissionen müssen auch in der Lage sein, nötigenfalls nach erteilter Bewilligung eines Forschungsvorhabens zu Gunsten der Sicherheit und Gesundheit der betroffenen Personen mit geeigneten Massnahmen eingreifen zu können. Entsprechende Informationen können den Ethikkommissionen z.B. im Rahmen von Meldungen zugehen. Zu einer umfassenden, aktiven Beaufsichtigung eines jeden Forschungsvorhabens sind die Kommissionen hierdurch nicht verpflichtet.

Absatz 1 ermöglicht es den Kommissionen, ein laufendes Forschungsprojekt durch den Widerruf der Bewilligung zu stoppen, die Weiterführung zu sistieren oder zusätzliche Auflagen anzuordnen. Die konkrete Massnahme ist einzelfallbezogen nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit anzuordnen. Die Bewilligungsinhaberin bzw. der Bewilligungsinhaber ist zwecks Abklärung des Sachverhalts nach Absatz 2 dazu verpflichtet, der Ethikkommission sämtliche eingeforderten Auskünfte zu erteilen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Für diese Tätigkeit darf kein Entgelt gefordert werden.

Der vorliegende Entwurf verzichtet darauf, den Ethikkommissionen umfassende Vollzugs- und Aufsichtsinstrumente zuzuordnen. In die Rechte der Bewilligungsinhaberinnen bzw. Bewilligungsinhaber stärker eingreifende bzw. über die in Absatz 1 genannten Instrumente hinausgehende Massnahmen oder Sanktionen sind deshalb den weiteren involvierten Behörden vorbehalten. Zu denken ist hier z.B. an Berufsausübungseinschränkungen oder -verbote durch die zuständigen kantonalen Aufsichtsbehörden oder die Inspektionstätigkeiten von Swissmedic. Entsprechend hält Absatz 3 fest, dass Massnahmen der zuständigen Behörden des Bundes und der Kantone vorbehalten bleiben.

Nach Absatz 4 haben sich die beteiligten Behörden bzw. Kommissionen im konkreten Fall gegenseitig zu informieren und sind zur Koordination der zu treffenden Massnahmen verpflichtet.

8135

2.8.5

Verfahren (Art. 48)

Dem Bundesrat kommt die Kompetenz zum Erlass von Ausführungsrecht zu, soweit dies zur Umsetzung anerkannter internationaler Regelungen oder für einen einheitlichen Vollzug erforderlich ist (Abs. 1). Zu denken ist hier insbesondere an Vorschriften aus anerkannten Regelungen (z.B. ICH-GCP-Leitlinie, Normen EN ISO), deren einheitliche Umsetzung aufgrund der internationalen Vernetzung der Forschung und der Heilmittelregulierung unumgänglich ist. Konkret werden Regelungen zu den einzureichenden Unterlagen, den Beurteilungsfristen, zum Melde- und Berichterstattungsverfahren und anderes mehr auf Verordnungsstufe zu erlassen sein.

Der Gesetzesentwurf sieht für alle Forschungsprojekte und die Weiterverwendung von biologischem Material und gesundheitsbezogenen Personendaten nach Artikel 33 eine Bewilligungspflicht vor. Um dem unterschiedlichen Gefährdungspotenzial der einzelnen Projekte und abhängig davon dem unterschiedlichen Schutzbedürfnis der betroffenen Personen auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht Rechnung zu tragen, kann der Bundesrat nach Absatz 2 erleichterte Anforderungen an das Bewilligungsverfahren vorsehen (z.B. Präsidialentscheide, Erleichterungen in administrativer Hinsicht). Die beispielhaft genannte Forschung mit bereits vorhandenem Material bzw. vorhandenen Daten nach den Artikeln 31 und 32 gibt dabei die Stossrichtung für weitere Konstellationen vor, für die Erleichterungen denkbar sind.

Soweit dieses Gesetz und seine Ausführungsbestimmungen nicht besondere Regelungen enthalten, kommt für das Verfahren vor den Ethikkommissionen das Verfahrensrecht der Kantone zur Anwendung (Abs. 3).

2.8.6

Rechtsschutz (Art. 49)

Die Entscheide der Ethikkommissionen können auf dem üblichen, durch das kantonale Verfahrensrecht vorgegebenen Rechtsmittelweg und in der Folge mit Beschwerde an das Bundesgericht angefochten werden (Abs. 1). Es wird darauf verzichtet, eine spezifische Beschwerdeinstanz für Entscheide der Ethikkommissionen zu schaffen, da die Zahl der Beschwerden aller Voraussicht nach sehr gering bleiben wird. Im Übrigen zeigen die bisherigen Erfahrungen, dass überwiegend formelle Aspekte mittels Beschwerde gerügt, inhaltliche Aspekte dagegen nicht im Rahmen einer Beschwerde in Frage gestellt werden.

Zudem kommt die eingeschränkte Kognition der Beschwerdeinstanz (Abs. 2) dem Umstand entgegen, dass diese für detaillierte materielle Beurteilungen nicht über die notwendige Kenntnis in der Sache verfügen. Die Ethikkommissionen sollen diesbezüglich unter Wahrung des ordnungsgemäss ausgeübten Ermessens abschliessend entscheiden können.

8136

2.9

Kapitel 9: Ethikkommissionen für die Forschung

2.9.1

Aufgaben (Art. 50)

Das Gesetz legt Anforderungen in ethischer, wissenschaftlicher und rechtlicher Hinsicht fest, die bei der Forschung am Menschen zu beachten sind. Nach Absatz 1 ist es nun Aufgabe der Ethikkommissionen für die Forschung, im Rahmen ihrer im vorangehenden Kapitel aufgeführten Zuständigkeiten zu überprüfen, ob diese Anforderungen eingehalten werden. Diesen interdisziplinär zusammengesetzten Milizgremien kommt damit eine öffentliche, gesundheitspolizeiliche Aufgabe zu.73 Die Überprüfung betrifft einerseits die Kontrolle der Projektunterlagen im Rahmen des Bewilligungsverfahrens, bevor mit der Durchführung des Forschungsvorhabens begonnen wird (vgl. Art. 44 Abs. 1) bzw. bevor biologisches Material und gesundheitsbezogene Personendaten nach Artikel 33 weiterverwendet werden (vgl. Art. 44 Abs. 2); andererseits sollen die Ethikkommissionen auch während der Durchführung der Forschungsprojekte bzw. während der Weiterverwendung nach Artikel 33 eingreifen können, wenn sich dies aufgrund von Meldungen oder Informationen als notwendig erweisen sollte (vgl. Art. 45 und 47).

Die Prüfaufgaben der Ethikkommissionen vor und während der Durchführung von Forschungsaktivitäten ändern im Übrigen nichts an der Verantwortlichkeit für die Forschungsaktivitäten: Die Forschenden bleiben unverändert verantwortlich für die korrekte Planung und Durchführung ihres Forschungsvorhabens. Sie haben auch für allfällige Unregelmässigkeiten einzustehen. Die Ethikkommissionen können ­ wie andere Behördenstellen ­ im Rahmen der Staatshaftungsgesetzgebungen belangt werden, falls sie ihre Überprüfungs- und Aufsichtsfunktion nicht korrekt wahrgenommen haben; die Verantwortlichkeit der einzelnen Mitglieder richtet sich nach dem jeweiligen Dienst- bzw. Personalrecht.

Nach Absatz 2 steht es den Ethikkommissionen frei, auf entsprechende Anfrage der Forschenden hin auch zu anderen, nicht diesem Gesetz unterstehenden Vorhaben der Forschung am Menschen Stellung zu nehmen. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um eine beratende Funktion. So kann es z.B. sinnvoll sein, ein in der Schweiz konzipiertes Forschungsprojekt, das in einem nicht oder nur teilweise über funktionierende Prüfgremien verfügenden Drittland durchgeführt werden soll, bereits von einer schweizerischen Ethikkommission überprüfen zu lassen. Daneben sollen die Ethikkommissionen die Forschenden insbesondere in ethischen Fragen beraten können.

2.9.2

Unabhängigkeit (Art. 51)

Absatz 1 legt fest, dass die Ethikkommissionen ihre Entscheide in voller Unabhängigkeit treffen können; insbesondere müssen sie keine Weisungen der jeweiligen Aufsichtsbehörde nach Artikel 53 Absatz 1 entgegennehmen.

Im Interesse der Transparenz und mit Blick auf die Ausstandsregeln verpflichtet Absatz 2 die Mitglieder der Ethikkommissionen, ihre Interessenbindungen (z.B.

Funktionen in Spitälern, Zugehörigkeiten zu Forschungsförderungsinstitutionen und

73

Vgl. Ziff. 3.2 des Bundesgerichtsentscheids 2A.450/2002 vom 4. Juli 2002.

8137

wirtschaftlichen Unternehmen) offen zu legen. Jede Ethikkommission hat hierüber ein öffentlich einsehbares Verzeichnis zu führen.

Unvoreingenommenheit und Unabhängigkeit der Entscheidtätigkeit der Ethikkommissionen sind unabdingbare Voraussetzungen für deren Qualität und Glaubwürdigkeit. Absatz 3 schreibt demnach vor, dass einzelne Mitglieder bei Befangenheit in den Ausstand treten. Die Frage, ob eine Befangenheit vorliegt, ist stets im Kontext des konkreten Falles zu beurteilen. Dabei ist auch dem Milizcharakters der Kommissionen und der regionalen Verankerung der einzelnen Mitglieder Rechnung zu tragen.

2.9.3

Zusammensetzung (Art. 52)

Die Qualität der Überprüfung von Forschungsvorhaben durch Ethikkommissionen sowie deren Akzeptanz bei den Forschenden bedingt, dass in diesen Gremien die entsprechenden Kompetenzen und Erfahrungen vorliegen. Es ist deshalb Aufgabe der Kantone dafür zu sorgen, dass in den Kommissionen die mit Blick auf die einzelnen Forschungsdisziplinen benötigten Fachkompetenzen und praktischen Erfahrungen vorhanden sind (Abs. 1). Der Entwurf gibt deshalb vor, dass die Ethikkommissionen wie bis anhin als interdisziplinäre Milizgremien auszugestalten sind und nennt exemplarisch einige Fachgebiete. Unabdingbar ist zudem, dass jedes Mitglied ­ unabhängig von dem Fachgebiet, das vertreten wird ­ sowohl über Grundkenntnisse über die Forschung am Menschen verfügt als auch die Aufgabe und Funktion der Ethikkommissionen kennt. Ob neben Sachverständigen auch eigens Vertretungen von Patienteninteressen in die Kommissionen aufzunehmen sind, wird aufgrund der aktuell unterschiedlichen Praxis den Kantonen überlassen.

Fehlt in Ethikkommissionen zu seltenen oder spezifischen Fragen das notwendige Wissen, ist der Beizug von externem Fachwissen, sei es von einzelnen Expertinnen und Experten oder von Gremien, vorgesehen (Abs. 2). Diese haben in verfahrensrechtlicher Hinsicht die Stellung von Gutachterinnen bzw. Gutachter. Soll im Interesse eines funktionierenden Expertensystems den Gesuchstellenden nicht bekannt gegeben werden, welche Expertin bzw. welcher Experte zum einzelnen Gesuch Stellung genommen hat, können - auf Basis von Artikel 47 - verfahrensrechtliche Vorkehren vorgesehen werden, die jedoch die Verfahrensrechte der Gesuchstellenden respektieren müssen (z.B. für Gesuchstellende einsehbare Liste von Expertinnen und Experten mit Ablehnungsmöglichkeit).

Der Bundesrat wird im Rahmen des Ausführungsrechts weitere Vorschriften zur Zusammensetzung sowie zu den Anforderungen an die Mitglieder erlassen können (Abs. 3). So ist z.B. festzulegen, welche Fachgebiete vertreten sein müssen, damit eine Kommission als entscheidkompetent gelten kann. Nicht zuletzt im Hinblick auf die Übernahme der Aufgaben der Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung ist auf fundierte Kenntnisse im Bereich des Datenschutzes zu achten. Auf Verordnungsstufe ist ebenso festzulegen, dass Mitglieder mit Forschungskompetenz,
insbesondere bezüglich Forschungsmethodik und Biometrie, vertreten sein müssen. Auch die Anforderungen an die unabdingbare Ausund Weiterbildung der Mitglieder werden zu regeln sein. Darüber hinaus ist eine paritätische Vertretung beider Geschlechter anzustreben. Der Bundesrat wird beim Erlass des Verordnungsrechts wiederum anerkannte internationale Regelungen zu berücksichtigen haben.

8138

2.9.4

Organisation und Finanzierung (Art. 53)

Nach Absatz 1 bezeichnet jeder Kanton die in seinem Kantonsgebiet zuständige Ethikkommission und wählt deren Mitglieder. Der Kanton ist in der Festlegung seiner internen Zuständigkeiten und Verfahren für die Bezeichnung und die Wahl frei. Er übt zudem die Aufsicht über die betreffende Kommission aus. Da diese jedoch in ihrer Entscheidtätigkeit unabhängig ist (Art. 51), bezieht sich die Aufsichtskompetenz namentlich auf administrative, organisatorische und finanzielle Aspekte.

In Absatz 2 kommt zum Ausdruck, dass mit Blick auf die Verfügbarkeit der geforderten Kompetenzen eine Bündelung der Kräfte sinnvoll erscheinen kann. So sieht die Bestimmung explizit die Möglichkeit zur interkantonalen Zusammenarbeit vor, sei es, dass zwei oder mehrere Kantone eine gemeinsame Kommission bilden, sei es, dass ein Kanton die Zuständigkeit einer Ethikkommission eines anderen Kantons für das eigene Gebiet vereinbart. Im Weiteren wird bundesrechtlich vorgeschrieben, dass pro Kanton lediglich eine Ethikkommission als zuständig bezeichnet werden darf. Erweist sich ­ analog gängiger Gerichtsorganisationen ­ zur Bewältigung der Geschäftslast die Bildung von zwei oder mehreren entscheidkompetenten Abteilungen innerhalb der Ethikkommission als notwendig, wird dies durch diese Vorschrift nicht ausgeschlossen. Demgegenüber soll vermieden werden, dass Ethikkommissionen einzig für ein Spital oder für einen Fachbereich zuständig sind und sich daraus etwa uneinheitliche Praktiken oder Probleme bezüglich der Unabhängigkeit der Mitglieder ergeben. Auch ist ein zweistufiges Verfahren, das eine (meist formelle) Bestätigung eines Votums durch ein übergeordnetes Gremium vorsieht, nicht zulässig.

Absatz 3 ermöglicht es dem Bundesrat, eine Mindestanzahl an von einer Ethikkommission jährlich zu beurteilenden Forschungsprojekten vorzugeben. Dies vor dem Hintergrund, dass jenen Ethikkommissionen, die regelmässig nur eine sehr geringe Anzahl an Projekten pro Jahr bearbeiten, aufgrund der Komplexität und der raschen Entwicklung im Bereich der Forschung die Kenntnisse und Erfahrungen abgehen werden, die für eine qualitativ gute und effiziente Beurteilungspraxis notwendig sind. Eine entsprechende quantitative Vorgabe durch den Bundesrat wird aber voraussichtlich nur dann in Betracht gezogen werden können, wenn eine mangelhafte Beurteilungspraxis
einer Ethikkommission tatsächlich mit einer zu geringen Gesuchsanzahl zusammenhängt und der betreffende Kanton nicht bereits selber Massnahmen (wie z.B. im Rahmen einer interkantonalen Kooperation) in die Wege geleitet hat.

Nicht zuletzt wird die Anforderung nach Absatz 4, wonach jede Kommission über ein wissenschaftliches Sekretariat verfügen muss, dazu führen, dass bei Ethikkommissionen, die nur sporadisch Forschungsvorhaben zu beurteilen haben, eine Zusammenarbeit mit anderen Kantonen anzustreben ist. Da die Ethikkommissionen weiterhin als Milizbehörden ausgestaltet werden und sich die einzelnen Mitglieder auf die Beurteilung materieller Fragen konzentrieren sollen, ist es notwendig, dass die Vorprüfung der Eingaben z.B. auf ihre Vollständigkeit hin, die Beratung der Forschenden sowie administrative Tätigkeiten durch ein kompetentes Sekretariat wahrgenommen werden. Dieses muss mit mindestens einer wissenschaftlich bzw.

akademisch ausgebildeten Person besetzt sein. Darüber hinaus liegt es in der Beurteilung der Kantone, ob das Präsidium einer Ethikkommission (teilweise) professio8139

nalisiert werden muss. Bundesrechtlich vorgeschrieben ist die Erstellung eines öffentlich zugänglichen Geschäftsreglements.

Nach Absatz 5 ist die Sicherstellung der Finanzierung der Ethikkommissionen (einschliesslich der notwendigen Infrastruktur und Ressourcenausstattung) Sache der Kantone. Heute finanzieren sich die Ethikkommissionen weitgehend durch Gebühreneinnahmen, was auch künftig vorgesehen werden kann. Ebenso bleibt es den betreffenden Kantonen überlassen, ob sie einen Sockelbeitrag an den Betrieb der Ethikkommissionen zu leisten gewillt sind oder die Gebührenansätze derart bestimmen wollen, dass damit sämtliche Aufwendungen (neben Personalausgaben und Entschädigungen der Mitglieder auch Infrastruktur-, Aus- und Weiterbildungskosten etc.) gedeckt werden können.

2.9.5

Koordination und Information (Art. 54)

Das Gesetz bezweckt unter anderem, die Koordination unter den Ethikkommissionen einerseits und zwischen den Ethikkommissionen und weiteren Prüfbehörden (z.B. Swissmedic) andererseits zu verbessern. Vorgesehen ist z.B. die Schaffung einer Plattform zwecks regelmässigen Austauschs über aktuelle Fragen mit dem Ziel, soweit sinnvoll zu abgestimmten Lösungsansätzen zu gelangen. Eine Abstimmung kann zudem im Bereich der Aus- und Weiterbildung von Mitgliedern der Ethikkommission erfolgen. Nach Absatz 1 wird diese Koordinationsaufgabe durch das Bundesamt für Gesundheit sichergestellt, wobei die Übertragung der Aufgaben an Dritte möglich sein soll.

Damit auf Bundesebene eine aktuelle Übersicht über die Tätigkeit der Ethikkommissionen und die Entwicklung der Forschungsaktivitäten besteht, haben die Kommissionen gemäss Absatz 2 dem Bundesamt jährlich Bericht zu erstatten. Dabei interessiert insbesondere die Anzahl der überprüften Forschungsprojekte sowie deren Behandlung (Anordnung von Auflagen und Massnahmen etc.) oder die Verteilung der Gesuche auf die verschiedenen Forschungsbereiche (z.B. Heilmittelforschung, Forschung in der Chirurgie).

Nach Absatz 3 wird das Verzeichnis der von den Kantonen bezeichneten Ethikkommissionen durch das Bundesamt veröffentlicht; zudem informiert das Bundesamt die Öffentlichkeit auf Basis der eingegangenen Tätigkeitsberichte sowie seiner Koordinationstätigkeit über die Belange der Ethikkommissionen.

Vor allem bei formellen Aspekten wie Formularen ist es angezeigt, schweizweit eine Vereinheitlichung zu erreichen. Aber auch in materiellen Bereichen können Absprachen zwischen den Ethikkommissionen und weiteren betroffenen Fachbehörden sinnvoll sein. Absatz 4 sieht zu diesem Zweck deshalb vor, dass das Bundesamt in seiner Funktion als Koordinationsstelle ­ stets nach Rücksprache mit den betroffenen Kommissionen und Behörden ­ Empfehlungen erlassen kann. Diese haben keine verbindliche Wirkung, womit die Entscheidzuständigkeit der kantonalen Ethikkommissionen sowie weiterer Prüfbehörden gewahrt bleibt.

8140

2.10

Kapitel 10: Transparenz und Datenschutz

2.10.1

Registrierung (Art. 55)

Im Interesse der Transparenz der Forschung und zur Vermeidung von Doppelspurigkeiten müssen bewilligte Forschungsprojekte in einem öffentlichen Register erfasst werden (Abs. 1). Dadurch kann sich einerseits die interessierte Bevölkerung über die Forschungstätigkeiten in der Schweiz informieren. Andererseits wird jedes in der Schweiz durchgeführte Projekt durch die Registrierung klar identifiziert, wodurch Wiederholungsstudien verhindert werden können und ein Austausch zwischen Forschenden gefördert werden kann. Der Bundesrat kann Ausnahmen von der Registrierungspflicht vorsehen, z.B. wenn die Registrierung in einem bestimmten Bereich weder für die Forschenden noch für die interessierte Öffentlichkeit relevant ist. Festzuhalten ist, dass allfällige immaterialgüterrechtliche Ansprüche, zu denken ist hier primär an Patentrechte, durch die Registrierungspflicht nicht beeinträchtigt werden dürfen.

Die Registrierung von in der Schweiz durchgeführten Studien soll nach Möglichkeit unter Einbezug bereits bestehender, hauptsächlich internationaler Register erfolgen.

Dies ist nicht nur aufgrund der Internationalität der Forschung sinnvoll, sondern auch weil sich eine interessierte Person bereits heute über die Landesgrenzen hinaus über bestimmte Krankheiten und Behandlungen informiert. Der Bundesrat bezeichnet das massgebende Register bzw. Portal und informiert über den Zugang zu diesem z.B. mittels eines Studienportals. Ausserdem erhält der Bundesrat die Kompetenz, den Inhalt, die Meldepflicht und das Meldeverfahren näher zu umschreiben, z.B. wer für die Meldung eines bewilligten Projekts verantwortlich ist (Abs. 2). Bei den meisten bestehenden Registern wird eine Meldung vor Beginn eines Forschungsprojekts durch die Forschenden oder den Sponsor selbst durchgeführt.

Multizentrische Forschungsprojekte werden dabei in der Regel nur einmal registriert. Bei der Festlegung des Meldeverfahrens sollen anerkannte Regelungen bereits existierender Register berücksichtigt werden.

Gemäss Absatz 3 kann der Bundesrat festlegen, ob die Einrichtung und Führung des Registers in der Bundesverwaltung erfolgt oder ob Dritte damit betraut werden (Bst. a).

Zudem kann er die Registrierung von Zusammenfassungen der Forschungsergebnisse anordnen (Bst. b). In wissenschaftlichen Zeitschriften wird lediglich ein kleiner Teil der
durchgeführten Forschungsprojekte einschliesslich deren Ergebnisse veröffentlicht. Dabei werden häufig nur positiv ausgefallene Studien für eine Publikation berücksichtigt. Mit der Registrierung einer Zusammenfassung aller Forschungsergebnisse, also auch der negativen Resultate, wird es Fachpersonen und der Öffentlichkeit möglich, umfassende Kenntnis über die Ergebnisse sämtlicher Projekte zu erlangen.

2.10.2

Schweigepflicht (Art. 56)

Diese Bestimmung unterstellt sämtliche Personen, die mit dem Vollzug des Gesetzes beauftragt sind der Schweigepflicht. Diese erstreckt sich sowohl auf die im öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnis stehenden Mitarbeitenden und die Milizmitglieder der Vollzugsorgane wie auch allenfalls für die Erfüllung spezieller Aufgaben 8141

(z.B. die Evaluation) beigezogene Private. Die Schweigepflicht gilt auf Bundesebene und für kantonale Vollzugsorgane (in erster Linie die Ethikkommissionen).

Bei einer Verletzung der Schweigepflicht können die Artikel 320 StGB (Verletzung des Amtsgeheimnisses) oder allenfalls auch 321 StGB (Verletzung des Berufsgeheimnisses) zur Anwendung kommen.

2.10.3

Bearbeitung von Personendaten (Art. 57)

Zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben ist es für die Ethikkommissionen sowie für die weiteren Vollzugsorgane unabdingbar, auch in solche Personendaten Einsicht zu nehmen, an deren vertraulicher Behandlung ein schützenswertes Interesse besteht.

Die Bestimmung ermächtigt die Vollzugsorgane, diese Daten zu bearbeiten, d.h.

solche Daten zu beschaffen, aufzubewahren, zu verwenden, zu archivieren oder zu vernichten (vgl. Art. 3 Bst. e DSG). Selbstverständlich haben sich die Vollzugsorgane dabei an die Datenschutzbestimmungen der Kantone oder des Bundes zu halten.

2.10.4

Datenbekanntgabe (Art. 58)

Absatz 1 regelt hingegen jene Fälle, in denen auch ohne Gesuch und ausserhalb von Einzelfällen Daten bekannt gegeben werden dürfen. Die gegenseitige Bekanntgabe von Daten zwischen Vollzugsbehörden in der Schweiz (Bst. a) ist unerlässlich, damit der Vollzug des Humanforschungsgesetzes koordiniert erfolgen kann. Zu den am Vollzug beteiligten Stellen zählen in erster Linie die Ethikkommissionen, daneben auch, in primär koordinierender Funktion, das BAG (sofern es diese Funktion nicht einem Dritten überträgt). Ferner dürfen Daten in gewissen Fällen auch an Strafuntersuchungsbehörden bekannt gegeben werden (Bst. b). Absatz 2 der Bestimmung regelt die Fälle, in denen Daten nur dann bekannt gegeben werden dürfen, wenn der Empfänger oder die Empfängerin ein schriftliches und begründetes Gesuch im Einzelfall gestellt hat.

Absatz 3 sieht vor, dass Daten, die von allgemeinem Interesse sind und die sich auf die Anwendung dieses Gesetzes beziehen, veröffentlicht werden dürfen, wenn dabei die betroffenen Personen nicht bestimmbar sind. Absatz 4 legt fest, in welchen übrigen Fällen Daten an Dritte bekannt gegeben dürfen. So ist zunächst die Bekanntgabe von nicht personenbezogenen Daten erlaubt, sofern die Bekanntgabe einem überwiegenden Interesse entspricht (Bst. a). Weiter dürfen Personendaten auch bekannt gegeben werden, wenn die betroffene Person im Einzelfall schriftlich eingewilligt hat (Bst. b).

Absatz 5 soll gewährleisten, dass nur diejenigen Daten bekannt gegeben werden, die für den in Frage stehenden Zweck erforderlich sind. Schliesslich wird der Bundesrat nach Absatz 6 die Modalitäten der Bekanntgabe und die Information der betroffenen Person im Einzelnen regeln.

8142

2.10.5

Datenweitergabe an ausländische Behörden und internationale Organisationen (Art. 59)

Mit Blick auf die internationale Dimension der Forschung wird die Zusammenarbeit der Schweiz mit dem Ausland in verschiedenen durch das vorliegende Gesetz betroffenen Bereichen auch einen Daten- und Informationsaustausch mit ausländischen Behörden, Institutionen und internationalen Organisationen erfordern. Insbesondere im Arzneimittelbereich bestehen bereits europäische Datenbanken, in denen europaweit Daten und Dokumente aus klinischen Versuchen gespeichert werden.

Nicht zulässig ist der Austausch von Gesuchs- und Entscheidgrundlagen an private, nicht mit öffentlichen Aufgaben betraute Institutionen.

Eine Weitergabe von vertraulichen Daten kann im Rahmen von völkerrechtlichen Vereinbarungen (z. B. Staatsverträge, Übereinkommen, Beschlüsse) erfolgen (Abs. 1 Bst. a). Zudem muss eine Weitergabe auch möglich sein, wenn sie zur Abwendung einer unmittelbar drohenden Gefahr für Leben oder Gesundheit unerlässlich ist (Bst. b) oder wenn dadurch bezweckt wird, schwerwiegende Verstösse gegen dieses Gesetz aufzudecken (Bst. c). Der Bundesrat wird die Zuständigkeiten und Verfahren für den Datenaustausch mit ausländischen Behörden und Institutionen sowie internationalen Organisationen näher regeln (Abs. 2). Vorgängig wird er die betroffenen Kreise anhören.

2.10.6

Evaluation (Art. 60)

Absatz 1 verpflichtet das BAG in Anlehnung an Artikel 170 der Bundesverfassung, die Wirksamkeit des Gesetzes zu überprüfen. Mit der Wirksamkeitsprüfung bzw.

Evaluation soll wissenschaftlich ermittelt werden, ob und wie weit bestimmte Massnahmen die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen und inwiefern die mit dem Gesetz angestrebten Ziele erreicht werden. Im vorliegenden Zusammenhang geht es darum, Stärken und Schwächen dieses Gesetzes zu benennen und dessen Wirkungen im Hinblick auf den Schutz der Würde und Persönlichkeit des Menschen in der Forschung, aber auch auf die Rahmenbedingungen für die Forschung in der Schweiz zu beurteilen. Zudem sollen Empfehlungen für eine Optimierung erteilt werden können.

Nach Abschluss der Evaluation erstattet das Eidgenössische Departement des Innern dem Bundesrat Bericht über die betreffenden Ergebnisse (Abs. 2), um die Koordination auf Ebene des Bundesrats sicherzustellen. Auf diese Weise kann der Bundesrat seinen Pflichten hinsichtlich Wirksamkeitsprüfung gegenüber der Legislative nachkommen, und allfällige Evaluationstätigkeiten der Legislativorgane erhalten eine materielle Grundlage.

2.11

Kapitel 11: Strafbestimmungen

Der Gesetzesentwurf folgt dem Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches und unterscheidet je nach Schwere des Delikts zwischen Vergehen (Art. 61) und Übertretungen (Art. 62). Vergehen sind die mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe als Höchststrafe bedrohten Handlungen (Art. 10 Abs. 3 StGB) und sanktionieren die Verletzung hochrangiger Rechtsgüter. Übertretungen als die mit Busse 8143

bedrohten Handlungen (Art. 103 StGB) hingegen schützen vor weniger schweren Angriffen auf die Rechtsordnung.

Neben den Artikeln 61 und 62 können ergänzend auch die Strafbestimmungen anderer Bundesgesetze Anwendung finden.

2.11.1

Vergehen (Art. 61)

In dieser Bestimmung werden zum Einen Handlungen strafbewehrt, die bei den betroffenen Personen zu einer Gesundheitsgefährdung führen können. Zum anderen werden hier Verhaltensweisen erfasst, die aus ethischer Sicht als besonders verwerflich gelten.

Gemäss Absatz 1 Buchstabe a begeht ein Vergehen, wer vorsätzlich ein Forschungsprojekt ohne Bewilligung der zuständigen Ethikkommission oder abweichend vom bewilligten Forschungsplan durchführt und dadurch die Gesundheit der betroffenen Person gefährdet (so genanntes konkretes Gefährdungsdelikt). Eine Gesundheitsgefährdung ist gegeben, wenn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit der Verletzung der Gesundheit der betroffenen Person besteht. Dabei ergibt sich die Gefährdung nicht aufgrund der fehlenden Bewilligung der Ethikkommission respektive der Abweichung vom Forschungsplan, sondern wegen der Natur des Forschungsprojekts an sich. Hat sich die Gefahr verwirklicht und ist eine Schädigung der Gesundheit eingetreten, so finden die Bestimmungen des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches über die strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben Anwendung (Art. 111 ff. StGB). Fehlt es an einer Gefährdung der Gesundheit, so liegt eine Übertretung gemäss Artikel 62 Absatz 1 Buchstabe a vor.

Ein Vergehen begeht ferner, wer ein Forschungsprojekt gemäss Kapitel 2, 3, 5 oder 6 ohne die nach diesem Gesetz erforderliche Einwilligung durchführt (Bst. b). Diese Strafnorm schützt das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper bzw.

das Recht auf körperliche Unversehrtheit.

Ein Vergehen begeht sodann, wer den menschlichen Körper oder dessen Teile gegen Entgelt veräussert oder erwirbt (Bst. c). Der Handel mit biologischem Material ist als sittenwidrig anerkannt.

Die Durchführung eines Forschungsprojekts, das die Änderung von Eigenschaften eines Embryos oder Fötus ohne Bezug zu einer Krankheit zum Ziel hat, ist gemäss Artikel 24 unzulässig. Die Strafbewehrung dieses Verbots (Bst. d) ist damit zu begründen, dass hier elementare Grundwerte wie die Menschenwürde verletzt werden und dass derartige Forschung von der Gesellschaft als besonders verwerflich angesehen wird. Beleg hierfür ist etwa die Verankerung des Klonverbotes sowie des Verbotes von Eingriffen in das Erbgut menschlicher Keimzellen und Embryonen auf Verfassungsstufe
(vgl. Art. 119 Abs. 2 Bst. a BV).

Schliesslich begeht gemäss Buchstabe e ein Vergehen, wer Föten aus Schwangerschaftsabbrüchen und Spontanaborten für ein Forschungsprojekt verwendet, bevor der Tod festgestellt worden ist.

8144

Wird eine der genannten Taten gewerbsmässig begangen, so ist nach Absatz 2 eine Freiheitsstrafe von maximal drei Jahren vorgesehen, womit zusätzlich eine Geldstrafe zu verbinden ist. Umgekehrt wird gemäss Absatz 3 die Strafe auf Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen gemildert, wenn eine der genannten Taten fahrlässig verübt wird.

2.11.2

Übertretungen (Art. 62)

Gemäss Absatz 1 Buchstabe a wird mit Busse bestraft, wer den Tatbestand nach Artikel 61 Absatz 1 Buchstabe a erfüllt, ohne dass dabei die Gesundheit der betroffenen Person gefährdet wird. Zur Erfüllung des Tatbestandes genügt es, wenn keine Bewilligung der zuständigen Ethikkommission vorliegt bzw. ein Forschungsprojekt abweichend vom bewilligten Forschungsplan durchgeführt wird.

Eine Übertretung begeht nach Buchstabe b, wer einer Person für die Teilnahme an einem Forschungsprojekt mit direktem Nutzen ein Entgelt entrichtet, weil dies die Autonomie der betroffenen Person in übermässigem (und somit strafwürdigem) Masse beeinträchtigt. Es gilt zudem als Übertretung, von einer Person für deren Teilnahme an einem Forschungsprojekt ein Entgelt zu verlangen oder entgegenzunehmen.

Ferner begeht eine Übertretung, wer biologisches Material oder gesundheitsbezogene Personendaten ohne die nach diesem Gesetz erforderliche Einwilligung bzw.

Information weiterverwendet, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen von Artikel 33 vor (Bst. c). Die Strafwürdigkeit liegt dabei in der Verletzung des Persönlichkeitsrechts bzw. der informationellen Selbstbestimmung. Ist mit der Weiterverwendung eine Offenbarung des Berufsgeheimnisses verbunden, so richtet sich die Strafbarkeit der Offenbarungshandlung nach dem Strafgesetzbuch (Art. 320 ff.).

Buchstabe d stellt die Anonymisierung von biologischem Material bzw. von gesundheitsbezogenen Personendaten entgegen dem Anonymisierungsverbot gemäss den Artikeln 14 Absatz 1 resp. 34 Absatz 1 unter Strafe. Grund hierfür ist die dadurch verursachte Missachtung des Rechts auf Information über allfällige bestehende oder künftig drohende schwere Krankheiten, die der betreffenden Person unter Umständen zu Gute kommen könnte.

Schliesslich begeht eine Übertretung, wer biologisches Material oder gesundheitsbezogene Personendaten zu anderen als Forschungszwecken ohne gesetzliche Grundlage oder ohne erforderliche Einwilligung weitergibt (Bst. e). Die Strafwürdigkeit ergibt sich hier aus der Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bzw. aus der Missachtung des Legalitätsprinzips vor dem Hintergrund, dass es sich hier um äusserst sensible Daten handelt.

Absatz 2 setzt die Fristen in Abweichung zu Artikel 109 StGB sowohl für die Verfolgungs- als auch für die Vollstreckungsverjährung auf fünf Jahre fest. Wegen der oft aufwändigen Sachverhaltsaufklärung ist die Verlängerung dieser Fristen notwendig.

8145

2.11.3

Zuständigkeiten und Verwaltungsstrafrecht (Art. 63)

Absatz 1 hält fest, dass die Strafverfolgung der im Humanforschungsgesetz und in den entsprechenden Ausführungsvorschriften umschriebenen Delikte Sache der Kantone ist. Mit Bezug auf klinische Versuche mit Heilmitteln ist hingegen zu beachten, dass im Vollzugsbereich des Bundes die Verfolgung der Straftatbestände nach Artikel 86 ff. des Heilmittelgesetzes Aufgabe des Heilmittelinstituts ist (vgl.

Art. 90 Abs. 1 Heilmittelgesetz). Diese Zuständigkeit wird durch das Humanforschungsgesetz nicht tangiert.

Nach Artikel 1 des Bundesgesetzes vom 22. März 197474 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR) ist dieses nur direkt anwendbar, wenn die Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen durch eine Bundesbehörde erfolgt. Durch Absatz 2 werden die Artikel 6, 7 und 15 VStrR auch für die kantonalen Strafverfolgungsbehörden anwendbar erklärt. Abweichend vom sonst anwendbaren Allgemeinen Teil des StGB kennt das Verwaltungsstrafrecht in den Artikeln 6 und 7 eine besondere Regelung für Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben und durch Beauftragte. Artikel 6 VStrR erleichtert den Durchgriff auf die Geschäftsleitung, indem bei Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben neben der natürlichen Person, welche die Tat verübt hat, unter Umständen auch der Geschäftsherr, der Arbeitgeber, der Auftraggeber oder der Vertretene bestraft werden können. Die Sonderordnung des Artikels 7 VStrR erlaubt es, in leichteren Fällen (namentlich bei einer Busse von höchstens 5000 Franken und bei im Vergleich zur Strafe unverhältnismässigen Untersuchungsmassnahmen) auf die Ermittlung der nach Artikel 6 VStrR strafbaren Personen zu verzichten und an ihrer Stelle das Unternehmen zu bestrafen. Artikel 15 VStrR (Urkundenfälschung, Erschleichung einer falschen Beurkundung) ist ein Spezialtatbestand zur Urkundenfälschung nach Artikel 251 StGB, der speziell Bezug nimmt auf die Verwaltungsgesetzgebung des Bundes. Die Strafandrohung ist milder als nach Artikel 252 StGB, aber der Tatbestand ist umfassender, weil er unter anderem auch die Täuschung der Verwaltung erfasst.

2.12

Kapitel 12: Schlussbestimmungen

2.12.1

Änderung bisherigen Rechts (Art. 64)

Da die Bestimmungen zur Änderung bisherigen Rechts zusammen mehr als eine Seite umfassen, werden sie im Anhang dargestellt.

2.12.2

Übergangsbestimmungen (Art. 65)

Ein laufendes, bereits von der im Kanton zuständigen Ethikkommission bewilligtes Forschungsprojekt darf auch nach Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzes bis zum Ablauf der Bewilligungsdauer weitergeführt werden (Abs. 1).

Voraussichtlich werden sich beim Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzes einige nach diesem Gesetz bewilligungspflichtige Forschungsprojekte, die vorgängig nicht von einer kantonalen anerkannten Ethikkommission beurteilt wurden, in der Phase 74

SR 313.0

8146

der Durchführung befinden. Aus Gründen der Rechtsgleichheit und des gleichwertigen Schutzes der betroffenen Personen sind diese Projekte gemäss Absatz 2 innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes der zuständigen Ethikkommission zur Prüfung und Bewilligung vorzulegen. Dies gilt auch für Projekte, die lediglich über eine Bewilligung der Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung verfügen. Durch diese Regelung wird verhindert, dass aufgrund unterschiedlicher Projektstartzeiten während Jahren der Schutz betroffener Personen nicht überprüft und eine Ungleichbehandlung von Forschungsprojekten stattfindet.

Befristete, vor Inkrafttreten dieses Gesetzes durch die Expertenkommission erteilte Sonderbewilligungen nach Artikel 2 und generelle Bewilligungen für Spitäler, Kliniken und medizinische Institute (sog. «Klinikbewilligungen») nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung vom 14. Juni 199375 über die Offenbarung des Berufsgeheimnisses im Bereich der medizinischen Forschung (VOBG) bleiben bis zum Ablauf der Bewilligungsdauer gültig (Abs. 3 erster Satz). Bei unbefristeten Bewilligungen, es sind dies vor allem Bewilligungen für Medizinalregister nach Artikel 3 Absatz 3 VOBG (z.B. Krebsregister) und vereinzelt auch Sonderbewilligungen nach Artikel 2 VOBG, muss innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes bei der zuständigen Ethikkommission ein Gesuch um Erteilung einer Bewilligung gemäss Artikel 44 eingereicht werden (Abs. 3 zweiter Satz). In Bezug auf die Medizinalregister wird die Bewilligung erteilt, wenn die Voraussetzungen von Artikel 33 gegeben sind.

Die Ausgestaltung der Übergangsregelung in Bezug auf die Registrierung gemäss Artikel 55 von Forschungsprojekten, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes durchgeführt werden, wird dem Bundesrat übertragen (Abs. 4). Dadurch wird die in diesem Bereich erforderliche Flexibilität auch bei den Übergangsbestimmungen gewährleistet.

2.12.3

Referendum und Inkrafttreten (Art. 66)

Bei diesem Gesetz handelt es sich um einen Erlass, der nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe a der Bundesverfassung dem fakultativen Referendum untersteht (Abs. 1).

Der Bundesrat wird nach Absatz 2 ermächtigt, den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zu bestimmen.

2.13

Erläuterungen zum Anhang des Gesetzesentwurfs

2.13.1

Datenschutzgesetz vom 19. Juni 199276

Art. 32 Die Funktion des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) nach Artikel 32 entfällt infolge der Aufhebung der Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung nach Artikel 321bis des Straf75 76

SR 235.154 SR 235.1

8147

gesetzbuches und der Übertragung deren Aufgaben (mit wenigen Ausnahmen, vgl.

Ziff. 2.4.3) auf die kantonalen Ethikkommissionen für die Forschung. So entfällt die in Absatz 1 vorgesehene Beratungsfunktion, weil die Beratung kantonaler Behörden nicht Aufgabe des eidgenössischen Beauftragten ist.

Auch von allen anderen Aufgaben nach Artikel 32 soll der EDÖB entbunden werden: so kommt die Aufsichtsaufgabe über die Einhaltung der Bewilligung primär den Ethikkommissionen zu, er hat ferner keine Kompetenz zur Anfechtung von Entscheiden kantonaler Behörden, und die Information der Patientinnen und Patienten über ihre Rechte wird durch die Überprüfung der Ethikkommissionen gefördert (Abs. 4).

2.13.2

Strafgesetzbuch77

Die Erweiterung der Strafbarkeit gemäss Artikel 321 StGB auf Personen, die in der Forschung im Bereich der Medizin oder des Gesundheitswesens tätig sind, muss auf den Geltungsbereich dieses Gesetzes, also auf die Forschung zu Krankheiten des Menschen sowie zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers, reduziert werden (Änderung von Abs. 1). Dies deshalb, weil ein allfälliges Bewilligungssubstitut zur Offenbarung in diesem Forschungsbereich bislang durch die Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung erteilt wurde, die mit Inkrafttreten dieses Gesetzes aufgelöst wird. Deren Aufgabe wird durch die kantonalen Ethikkommissionen für die Forschung übernommen; diese können aber keine über den Geltungsbereich dieses Gesetzes hinaus gehenden Bewilligungen erteilen. Solche sich ausserhalb des Geltungsbereichs befindlichen Aufgaben sind etwa Bereiche der Aus- und Weiterbildung sowie der Qualitätssicherung. Diese wurden nach geltender Praxis der Expertenkommission als «Forschung in der Medizin und im Gesundheitswesen» qualifiziert. Entsprechende Gesuche um Entbindung vom Berufsgeheimnis werden an die kantonalen für die Entbindung vom medizinischen Berufsgeheimnis zuständigen Behörden zu richten sein.

Die Bestimmungen zu den Voraussetzungen und zum Verfahren über die Offenbarung des Berufsgeheimnisses in der medizinischen Forschung wie auch zur Organisation der betreffenden Expertenkommission in den Absätzen 2­7 werden gestrichen, da die entsprechende Regelung neu von Artikel 33 erfasst wird und die Aufgaben der Expertenkommission mit bestimmten Ausnahmen den Ethikkommissionen für die Forschung zugewiesen werden. Absatz 2 enthält neu die Berechtigung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses nach Artikel 321 StGB, sofern die Anforderungen von Artikel 33 des Humanforschungsgesetzes gegeben sind und eine Bewilligung der zuständigen Ethikkommission vorliegt, diese also neben der Weiterverwendung zusätzlich auch der Offenbarung explizit zugestimmt hat.

77

SR 311.0

8148

2.13.3

Bundesgesetz vom 8. Oktober 200478 über genetische Untersuchungen beim Menschen

Art. 1 Abs. 3 Sämtliche genetischen Untersuchungen zu Forschungszwecken unterliegen neu dem Humanforschungsgesetz.

Art. 20 Abs. 2 und 3 Da sich auch die Weitergabe genetischer Daten zu Forschungszwecken nach den Bestimmungen des Humanforschungsgesetzes richtet, können die entsprechenden Bestimmungen (Abs. 2 und 3) aufgehoben werden.

2.13.4

Transplantationsgesetz vom 8. Oktober 200479

Art. 36 Diese Bestimmung zu den klinischen Versuchen der Transplantation menschlicher Organe, Gewebe und Zellen entspricht inhaltlich den geänderten Artikeln 53 und 54 des Heilmittelgesetzes und unterscheidet sich lediglich darin, dass die Bewilligung beim Bundesamt für Gesundheit (anstelle des Heilmittelinstituts) einzuholen ist. Es wird auf die betreffenden Erläuterungen verwiesen.

2.13.5

Stammzellenforschungsgesetz vom 19. Dezember 200380

Art. 7 Abs. 2 Bst. a Der vorliegende Entwurf sieht jeweils eine Bewilligung der zuständigen Ethikkommission vor. Aus diesem Grund soll auch als eine der Voraussetzungen für die Stammzellengewinnung eine Bewilligung und nicht wie aktuell eine befürwortende Stellungnahme der Ethikkommission erforderlich sein.

Art. 9 Abs. 1 Bst. c Mit der gleichen Begründung wird auch an dieser Stelle der Begriff Bewilligung anstelle der befürwortenden Stellungnahme der zuständigen Ethikkommission eingeführt.

78 79 80

SR 810.12 SR 810.21 SR 810.31

8149

Art. 11 Abs. 1 und 2 Die Bestimmungen enthalten die neue Terminologie (Bewilligung anstelle befürwortende Stellungnahme) sowie bezüglich der Zuständigkeit und Organisation der Ethikkommissionen und des Verfahrens den Verweis auf das Humanforschungsgesetz.

2.13.6

Heilmittelgesetz vom 15. Dezember 200081

Art. 53 Die Durchführung klinischer Versuche mit Arzneimitteln und Medizinprodukten am Menschen richtet sich neu sowohl nach dem Humanforschungsgesetz als auch nach den Vorschriften des Heilmittelgesetzes. Artikel 53 enthält einen entsprechenden deklaratorischen Hinweis. Während im Humanforschungsgesetz die allgemeinen, für sämtliche Forschungsprojekte mit Personen geltenden Anforderungen festgeschrieben sind, enthält das Heilmittelgesetz weitere, nur spezifisch für klinische Versuche mit Heilmitteln geltende Vorschriften (insbesondere zum Melde- und Bewilligungsverfahren). Die genaue Definition klinischer Versuche wird der Bundesrat im Rahmen seiner Kompetenz zum Erlass von Ausführungsrecht wie bis anhin (vgl.

Art. 5 VKlin) auf Verordnungsstufe vornehmen.

Art. 54 Absatz 1 sieht eine Bewilligungspflicht für klinische Versuche mit Heilmitteln vor.

Damit nimmt diese Bestimmung die geltende Regelung von Artikel 54 Absatz 3 des Heilmittelgesetzes auf, die formell hingegen lediglich eine Meldepflicht festlegt.

Allerdings wird in der Praxis des Instituts das mit der Meldung eingegangene Gesuch nicht nur abgelegt, sondern regelmässig einer Prüfung unterzogen. Die Rückmeldung an die Gesuchstellerin oder den Gesuchsteller erfolgt immer mittels eines sog. Notifikationsvermerks bzw. der Erteilung einer entsprechenden Referenznummer. Materiell handelt es sich dabei also um eine Bewilligungstätigkeit, wie es neu auch im Normtext festgehalten werden soll. In formeller Hinsicht besteht zurzeit bereits eine Bewilligungspflicht für klinische Versuche der somatischen Gentherapie und mit Heilmitteln, die gentechnisch veränderte Mikroorganismen enthalten. Im Weiteren soll der Bundesrat wie bis anhin bestimmte Versuche von der Bewilligungspflicht ausnehmen oder anstelle der Bewilligungs- eine Meldepflicht einführen können.

Absatz 2 umschreibt die Prüfpflichten des Instituts ­ und damit die Bewilligungsvoraussetzungen ­ mit dem Ziel, Doppelspurigkeiten bei den Überprüfungen der klinischen Versuche mit Heilmitteln durch die Ethikkommissionen einerseits und durch das Heilmittelinstitut andererseits soweit möglich zu eliminieren und dadurch allfällige widersprüchliche Beurteilungen zu vermeiden. Durch das Heilmittelinstitut zu prüfen sind formelle Aspekte wie die Vollständigkeit der Meldung bzw. des Gesuchs sowie die
Frage, ob es sich effektiv um einen klinischen Versuch mit Heilmitteln handelt. In inhaltlicher Hinsicht sind demgegenüber die Übereinstimmung mit den Anforderungen an die Gute Klinische Praxis sowie die heilmittel81

SR 812.21

8150

bzw. produktespezifischen Vorgaben des Heilmittelgesetzes zu überprüfen. Zu Letzterem ist z.B. zu beurteilen, ob das zur Anwendung gelangende Heilmittel entsprechend den geltenden Vorschriften produziert und beschriftet wurde und ob dessen Risiken richtig eingeschätzt wurden. Im Gegensatz zum geltenden Recht (vgl. Art. 54 Abs. 4 HMG) ist das Institut jedoch nicht mehr verantwortlich, dass sämtliche gesetzliche Voraussetzungen ­ z.B. betreffend die Vollständigkeit, Verständlichkeit und Angemessenheit der Aufklärung der Personen ­ erfüllt sind. Vielmehr obliegt diese Prüfaufgabe den Ethikkommissionen, die für die korrekte Durchführung dieser Aufgabe auch alleine verantwortlich sind und sich nicht auf eine Zweitkontrolle durch das Institut verlassen dürfen. Unbestritten ist, dass heilmittelspezifische Aspekte Auswirkungen auch auf Prüfbereiche der Ethikkommissionen haben können, demzufolge gewisse Überschneidungen weiterhin möglich sind und ein gegenseitiger Austausch zwischen Institut und Ethikkommissionen weiterhin notwendig ist. Wie bisher kann das Institut den Versuch mit Auflagen versehen, wenn dies zur Erfüllung der genannten Anforderungen notwendig ist.

Das Institut hat nach Absatz 3 weiterhin die Kompetenz, Inspektionen durchzuführen. Es wird im Ausführungsrecht festzulegen sein, wie die Koordinations- und Absprachepflichten mit der zuständigen Ethikkommission auszugestalten sind (vgl.

auch die Koordinationspflicht nach Art. 47 Abs. 3).

Absatz 4 bildet die Grundlage für den Bundesrat, im Rahmen des Verordnungsrechts Verfahrensvorschriften (z.B. Fristen) zu erlassen sowie für Änderungen des klinischen Versuchs eine Bewilligungspflicht festzulegen.

Absatz 5 ermächtigt den Bundesrat, Meldepflichten (z.B. betreffend den Abbruch und Abschluss eines klinischen Versuchs) oder Berichterstattungspflichten (z.B. bei bestimmten Ereignissen im Rahmen des klinischen Versuchs) festzulegen. Bei all seinen Anordnungen hat der Bundesrat nach Absatz 6 die anerkannten internationalen Regelungen zu beachten (z.B. ICH-GCP-Richtlinie; vgl. Ziff. 1.6.5).

Art. 55­57 Da sich die Regelung der Forschung mit urteilsunfähigen, unmündigen und entmündigten Personen, die Forschung in sog. Notfallsituationen sowie die Organisation der Ethikkommission neu im Humanforschungsgesetz findet, können diese drei Bestimmungen
gestrichen werden.

Art. 84 Abs. 3 Dem Institut soll die Beschwerdeberechtigung gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen zustehen, soweit es sich um klinische Versuche mit Heilmitteln handelt.

3

Auswirkungen des Gesetzesentwurfs

3.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

3.1.1

Einleitung

Das BAG hat 2008 im Zuge der Regulierungsfolgenabschätzung (RFA) einen externen Partner damit beauftragt, die Auswirkungen eines zukünftigen Humanforschungsgesetzes auf die betroffene Forschung und Institutionen zu untersuchen.

8151

Anhand von vier Beispielkantonen wurde eine Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt, welche die heutige rechtliche Situation und Praxis mit jener nach Inkraftsetzung des Humanforschungsgesetzes vergleicht. Bei den vier Fallbeispielen handelt sich um Kantone mit grosser (beide Basel), mittlerer (St. Gallen) und geringer (Graubünden) Forschungsaktivität, die stellvertretend für andere Kantone mit vergleichbarer Forschungstätigkeit stehen. Berücksichtigt wurden Akteure, die unmittelbar vom Humanforschungsgesetz betroffen sein werden, nämlich u.a. die öffentliche Hand (Bund und bei den Kantonen insbesondere die Ethikkommissionen), die privatwirtschaftliche Forschung, die Gesamtwirtschaft sowie die Bevölkerung und die öffentliche Gesundheit. Die Analyse stützt sich auf qualitative Interviews mit den Betroffenen, den erläuternden Bericht des Vernehmlassungsentwurfs, den geltenden gesetzlichen Regelungen in den Kantonen und den KMU-Verträglichkeitstest.82 In den nachfolgenden Ausführungen werden sowohl die Beurteilung des BAG als auch die wichtigsten Auswertungen des externen Partners mit einfliessen.

3.1.2

Auswirkungen auf den Bund

Mit Inkrafttreten des Humanforschungsgesetzes werden dem Bund neue Aufgaben übertragen. Namentlich wird die Registrierung für Forschungsprojekte bzw. ­ da nach Möglichkeit auf bereits bestehende Register zurückgegriffen werden soll ­ zumindest ein Zugang hierzu («Studienportal») bereitzustellen sein, welcher den Anforderungen an Transparenz und Aufklärung gerecht wird. Zusätzlich werden die Koordination und Information zwischen den zuständigen Ethikkommissionen und weiteren Prüfbehörden vorzubereiten und sicherzustellen sein. Schliesslich ist nach Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Evaluation desselben vorgesehen. Die neuen Aufgaben sollen beim BAG angesiedelt werden, wobei auch die Möglichkeit besteht, externe Partner beizuziehen bzw. einzelne Aufgaben an Dritte zu delegieren.

Im Falle einer Delegation von Teilen der Vollzugsaufgaben wird sich auf der Kostenseite insgesamt nichts ändern, da die Dritten hierfür entschädigt werden müssen.

Bei den nachfolgenden Angaben wird von einer Inkraftsetzung des Humanforschungsgesetzes auf Beginn des Jahres 2013 ausgegangen. Die Arbeiten für den Bund und die damit voraussichtlich anfallenden Kosten lassen sich in die Vorbereitungsphase zur Umsetzung (2010­2012), die unmittelbar auf das Inkrafttreten folgende erste Vollzugsphase (2013­2015) und den langfristigen Vollzug (ab 2016) unterteilen. Der für den Vollzug (ab 2013) ausgewiesene Ressourcenbedarf wird in Kenntnis des Ergebnisses der parlamentarischen Beratung genauer zu evaluieren sein.

3.1.2.1

Registrierung von Forschungsprojekten

Die Vorbereitungen zur Umsetzung der Registrierung (bzw. zur Schaffung des «Studienportals») benötigen sowohl personelle als auch informationstechnische Ressourcen. Die notwendigen Vorbereitungen werden in zwei Phasen aufgeteilt: 82

Läderach P und Muller P, KMU-Verträglichkeitstest zum Vorentwurf des Humanforschungsgesetzes, SECO, 2006; vollständiger Bericht einsehbar unter www.bag.admin.ch/themen/medizin

8152

­

Im zweiten Halbjahr 2010 muss die detaillierte Planung der Vorbereitungsarbeiten, insbesondere der Konzeptionierung eines IT-Projektprozesses und dessen etappenweiser Aufbau, an die Hand genommen werden. Die hierfür benötigten personellen Ressourcen (130 Stellenprozente) werden im Rahmen der verfügbaren Mittel, z.B. durch eine Änderung der Prioritätensetzung, bereitgestellt.

­

Die Jahre 2011 und 2012 werden für die Entwicklung und Einrichtung des «Studienportals» (IT-Realisierung) bis zu dessen erfolgreichem Aufschalten einschliesslich der notwendigen Testläufe benötigt. Der Personalbedarf zu Lasten des Sachkredits für die Vorbereitung beträgt 130 Stellenprozente.

Nach Aufschaltung des «Studienportals» (ab 2013) fallen insbesondere UpdateArbeiten in Anlehnung an internationale und nationale Entwicklungen sowie Unterhaltsarbeiten an. Erneuerungen und Aktualisierungen werden über eine Kommunikationsstelle weitergegeben. Für den Vollzug wird mit voraussichtlich 140 Stellenprozenten gerechnet.

Darüber hinaus wird die technische Entwicklung und Einrichtung des Portals einmalig 500 000 CHF kosten. Für den Unterhalt und die Aktualisierung kommen erfahrungsgemäss jährliche Kosten von 20 000 CHF hinzu. Diese Kosten können über bereits eingestellte Mittel für den internen IT-Beratungsaufwand getragen werden.

3.1.2.2

Koordination und Information

Damit mit dem Inkrafttreten des Humanforschungsgesetzes die wichtigsten Hilfsmittel (z.B. Formulare) für Ethikkommissionen und Forschende bereitstehen, beginnen die entsprechenden Vorbereitungsarbeiten 2012. In der Vollzugsphase (ab 2013) fallen neben der Aktualisierung der jeweiligen Hilfsmittel weitere Aufgaben an, wie z.B. die Organisation von Plattformen zur gegenseitigen Information und Aussprache der Prüfbehörden, die Erarbeitungen von Empfehlungen zu je nach Bedarf prozeduralen oder materiellen Aspekten sowie die Organisation von Ausbildungsgängen für Kommissionsmitglieder.

Für die Vorbereitung des Vollzugs beträgt der Personalaufwand während einem Jahr in juristischer und wissenschaftlicher Hinsicht 40 bzw. 50 Stellenprozente. Ab dem Inkrafttreten im Jahre 2013 erhöht sich der voraussichtliche Personalaufwand auf insgesamt 110 Stellenprozente. Beratungs- und Betriebsaufwandkosten können über die beiden bereits eingestellten Sachkredite getragen werden.

3.1.2.3

Evaluation

Die Wirksamkeitsüberprüfung wird voraussichtlich 2012 konzipiert, wobei die Kosten für das dafür notwendige Personal intern kompensiert werden können. Für Beratungsdienste im Rahmen der Konzeption sind 100 000 CHF für das Jahr 2012 eingestellt. Die Kosten der in den Jahren 2013­1015 stattfindenden begleitenden Evaluation werden vollständig intern kompensiert. Die Durchführung und schliesslich die Berichterstattung der summativen Evaluation werden in den Jahren 2016­2018 stattfinden. Deren Kosten werden jährlich auf insgesamt 135 000 CHF geschätzt; darin enthalten sind der Mehrbedarf an personellen Ressourcen (40 Stel8153

lenprozente, ausmachend 65 0000 CHF) für die Evaluation sowie 70 000 CHF für Beratungsmandate.

3.1.2.4

Kosteneinschätzung

Eine Zusammenstellung der Kosteneinschätzung für den Bund findet sich in tabellarischer Form im Anhang, wobei die genannten Zahlen einschliesslich Arbeitgeberleistungen zu verstehen sind.

3.1.3

Auswirkungen auf die Kantone

Die derzeitige Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen bleibt bestehen. Die Kantone sind demzufolge weiterhin dafür zuständig, die Ethikkommissionen einzusetzen, zu beaufsichtigen sowie deren Finanzierung sicherzustellen. Ein vermehrter oder verringerter Aufwand für die kantonalen Ethikkommissionen schlägt sich deshalb ­ konkret je nach kantonalem Finanzierungsmodell ­ in entsprechenden Kostenzuwächsen bzw. -einsparungen für die Kantone nieder.

Die Regulierungsfolgenabschätzung kommt zum Schluss, dass sich der Aufwand für die Ethikkommissionen durch die Inkraftsetzung dieses Gesetzes insgesamt reduzieren wird. Einerseits sind einige neue Regelungen mit einem grösseren personellen, finanziellen und administrativen Aufwand verbunden. So wird die Einführung eines wissenschaftlichen Sekretariats zu höheren Kosten im Vergleich zur heutigen Situation führen. Aufgrund des vergrösserten Zuständigkeitsbereichs werden die Ethikkommissionen voraussichtlich geringfügig mehr Gesuche (ca. 5­10 %) zu prüfen haben. Insbesondere in der Zeit unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes wird der Beratungsaufwand für die Ethikkommissionen vermutlich ansteigen, weil Forschende sich z.B. erkundigen werden, ob sie ihr Forschungsprojekt bewilligen lassen müssen oder nicht. Um nach Inkraftsetzung dieses Entwurfs kostendeckend zu arbeiten, müssten die Ethikkommissionen ihre Gebühren spürbar erhöhen.

Andererseits wird der grössere Aufwand durch den Rückgang der Gesuche bei Multizenterstudien mehr als ausgeglichen werden. Heute sind 35 % aller Gesuche der Ethikkommission beider Basel, 50­80 % der Gesuche der St. Galler und 85 % der Graubündner Ethikkommission Multizenterstudien. Mit diesem Gesetz wird nur noch eine Ethikkommission die vollständige Prüfung eines Gesuchs durchführen müssen, so dass alle anderen in eine Multizenterstudie involvierten Kommissionen entlastet sein werden. Weiterhin lassen die Ergebnisse der Regulierungsfolgenabschätzung vermuten, dass mittlere und grössere Ethikkommissionen die Gesuche effizienter und professioneller bearbeiten können als kleinere, während die kleinen Kommissionen Schwierigkeiten haben könnten, ein wissenschaftliches Sekretariat und die Weiterbildung ihrer Mitglieder zu finanzieren. Insofern ist mit einem Konzentrationsprozess zu rechnen: Kleinere Kommissionen, die heute wenige
Gesuche prüfen, werden sich möglicherweise auflösen und sich grösseren Ethikkommissionen anschliessen, wodurch sich Kostenentlastungen für forschungsärmere und Kostenzuwächse für die forschungsintensiveren Kantone ergeben werden. Gesamtschweizerisch gesehen würde eine solche Konzentration allerdings den Aufwand für die Ethikkommissionen insgesamt vermindern. Ob schliesslich die Einrichtung einer Koordinationsstelle des Bundes für alle Ethikkommissionen einen höheren Mehr8154

wert generieren könnte, als sie selbst kostet, ist unsicher. Ausserdem koordinieren und vernetzen sich die Kommissionen heute bereits auf freiwilliger Basis über die Arbeitsgemeinschaft der Ethikkommissionen (AGEK). Da diese Arbeitsgemeinschaft jedoch ohne gesetzlichen Auftrag existiert, ist allerdings deren Fortbestand nicht garantiert.

Ein Teil der Aufgaben, die heute der Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung nach Artikel 321bis StGB zukommen, wird mit diesem Gesetz den kantonalen Ethikkommissionen für die Forschung übertragen.

Hier entsteht für diese ein gewisser Mehraufwand, wobei festzuhalten ist, dass die Expertenkommission bereits unter geltendem Recht die Erteilung einer generellen Bewilligung gemäss Artikel 321bis Absatz 5 StGB in der Regel von der Zustimmung der zuständigen Ethikkommission abhängig macht. Des Weiteren beurteilt die Expertenkommission Offenbarungsgesuche zum Zwecke der Aus- und Weiterbildung oder aus anderen Forschungsbereichen (z.B. rein medizinhistorische Forschung) , die vom Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht erfasst werden. Entsprechende Bewilligungen zur zulässigen Offenbarung des Arztgeheimnisses nach Artikel 321 StGB werden vor diesem Hintergrund zukünftig von den Kantonen zu erteilen sein, sei es durch die Aufsichtsbehörden im Bereich der Berufsausübung oder durch andere, von den Kantonen hierfür als zuständig bezeichnete Gremien.

Folglich kommt hier den Kantonen eine neue Aufgabe zu.

Den Ethikkommissionen kommen analog der heutigen Situation keine umfassenden Vollzugs- und Aufsichtskompetenzen zu. Somit werden auch kantonale Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeiten (z.B. bei der Aufsicht über die Berufsausübung im Bereich der Gesundheitsberufe) beim Vollzug dieses Gesetzes mitwirken müssen.

Der diesbezügliche Aufwand für die kantonalen Behörden ist nur schwer abzuschätzen; er wird aber voraussichtlich nicht sehr hoch sein, da diesen Behörden mit dem vorliegenden Gesetz keine kontinuierliche Aufsicht der Forschungsprojekte zugewiesen wird, sondern sie primär auf Hinweis der Ethikkommissionen tätig werden.

3.1.4

Auswirkungen auf die Gemeinden

Auf die Gemeinden wirkt sich dieses Gesetz nicht aus.

3.2

Auswirkungen auf die Informatik

Die heute beim Bundesamt für Gesundheit verfügbare Informatikunterstützung genügt den Anforderungen für die im Vollzug anfallenden Aufgaben. Einzig für die Studienregistrierung wird voraussichtlich eine externe Unterstützung beigezogen werden (vgl. Ziff. 3.1.2.1).

3.3

Auswirkungen auf die privatwirtschaftliche Forschung

Die Regulierungsfolgenabschätzung hat ergeben, dass im Bereich Forschung mit Personen durch die Inkraftsetzung dieses Gesetzes insgesamt wohl kein zusätzlicher Aufwand für die Forschenden entstehen wird. Administrative Zusatzanforderungen 8155

und Erleichterungen dürften sich unter dem Strich die Waage halten. Einerseits bestehen bereits heute Regelungen zur Forschung am Menschen, so in einzelnen Kantonen mit grosser Forschungsaktivität, aber auch in Bezug auf Heilmittelstudien, die auf Bundesebene einer abschliessenden Regelung unterliegen. Diese impliziert die Registrierung in einem nicht-öffentlichen Register bei Swissmedic und die Prüfung durch die zuständige Ethikkommission. In allen diesen Fällen verursacht damit der Entwurf keinen oder einen nur geringfügigen Zusatzaufwand. Andererseits kann bei Multizenterstudien mit einem stark verminderten Aufwand gerechnet werden. Es muss lediglich eine einzige Ethikkommission zur Begutachtung beigezogen werden, anstelle der vielen einzelnen Kommissionen für jedes beteiligte Zentrum. Dadurch reduzieren sich auch die entsprechenden Gebühren.

Dagegen ist die Forschung mit biologischem Material und Personendaten heute nur teilweise geregelt, so dass mit Inkrafttreten dieses Gesetzes mit einem Mehraufwand für die Forschenden gerechnet werden muss. Sowohl die Regulierungsfolgeabschätzung als auch der vom Staatssekretariat für Wirtschaft SECO durchgeführte KMUVerträglichkeitstest (vgl. Ziff. 3.1.1) kam aufgrund der restriktiven Regelungsvorschläge im Vorentwurf zum Schluss, dass insbesondere für Kleinere und Mittlere Unternehmen von einem erheblichen Mehraufwand hätte ausgegangen werden müssen. Gegenüber dem Vorentwurf sieht der vorliegende Entwurf jedoch eine deutliche Erleichterung für diese Forschung vor. Manche Bereiche wurden ganz aus dem Geltungsbereich des Entwurfs ausgenommen, so die Forschung mit anonymisiertem biologischem Material bzw. anonymisierten Gesundheitsdaten. Bei Projekten mit unverschlüsseltem oder verschlüsseltem biologischem Material bzw. gesundheitsbezogenen Daten muss die betroffene Person zukünftig aufgeklärt werden, und sie muss in der Regel einwilligen (vgl. Ziff. 1.8.2.6). In bestimmten Fällen besteht aber die Möglichkeit zur Generaleinwilligung, oder es gilt das Widerspruchsrecht.

Für Kleinere und Mittlere Unternehmen dürfte mit dem Inkrafttreten des Humanforschungsgesetzes im Vergleich zur aktuellen Situation zwar ein Mehraufwand anfallen, jedoch nicht in dem Ausmass, der auf Basis des Vorentwurfs angenommen wurde.

In der Schweiz werden relativ wenig Forschungsprojekte
an Verstorbenen und Forschung an Embryonen und Föten aus Schwangerschaftsabbrüchen und Aborten einschliesslich Totgeburten durchgeführt. Die Inkraftsetzung des vorliegenden Entwurfs ist für diese Bereiche nicht mit einem merklichen Mehraufwand für Ethikkommissionen und Forschende verbunden.

Die Einführung einer öffentlich zugänglichen Registrierung, in dem Forschungsprojekte aufgeführt werden, wird sich positiv auf den Austausch zwischen den Forschenden auswirken. So wird erwartet, dass die Anzahl von Forschungsprojekten mit gleicher Fragestellung zurückgehen wird. Zudem haben potenzielle Studienteilnehmende die Möglichkeit, sich über laufende und abgeschlossene Studien zu informieren. Damit das Register nicht von Nachteil für Unternehmen ist, muss darauf geachtet werden, dass keine patentrelevanten Informationen veröffentlicht werden.

Mit dem Humanforschungsgesetz wird die heute lückenhafte rechtliche Regelung der Forschung am Menschen durch eine umfassende und einheitliche Bundeslösung ersetzt, was den Forschungsplatz Schweiz stärkt. Ein klarer gesetzlicher Rahmen wirkt sich positiv auf die Forschung aus.

8156

3.4

Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft

Die Forschungsaktivitäten werden durch die Regelung mehrheitlich gefördert, weil insgesamt günstigere Rahmenbedingungen für die Forschung geschaffen werden.

Dazu zählt die Vermeidung von Zusatzkosten, indem die Regelung nur geringen oder keinen zusätzlichen Aufwand für die Forschenden verursacht. Überdies führt die Regelung zur Erhöhung der Rechtssicherheit und Transparenz, ebenso wie zur Verbesserung des Austauschs unter den Forschenden. Somit wird generell die Qualität der Forschung durch den Regelungsentwurf gesteigert werden, was schliesslich der Volkswirtschaft zugute kommt. Angesichts der fundamentalen Bedeutung der Forschung für den Werkplatz Schweiz ist daher mittel- bis langfristig von einer belebenden Wirkung der vorgeschlagenen Regelung für die Volkswirtschaft auszugehen.

3.5

Auswirkungen auf die Bevölkerung und die öffentliche Gesundheit

Die vorgeschlagene Regelung soll gewährleisten, dass die Risiken für die Personen in der Forschung zu Krankheiten des Menschen sowie zu Aufbau und Funktion des menschlichen Körpers auf das unvermeidliche Minimum beschränkt bleiben. Dies gilt sowohl für die Sicherung ihrer persönlichen Rechte wie auch ihrer physischen und psychischen Gesundheit. Angesichts der stetig wachsenden Zahl von Forschungsprojekten stellt die Regelung somit einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Gesundheitsvorsorge dar.

Dem dient ebenfalls die neu zu schaffende Registrierungs- und Veröffentlichungspflicht für Studien im Bereich der Forschung am Menschen. Sie erhöht die Transparenz und kann auf Seite der Forschung überflüssige Doppel- und Mehrfachstudien samt deren Belastungen und Risiken verhindern. Die Bevölkerung kann die Studienregistrierung nutzen, um sich über Forschungsaktivitäten bezüglich jener Themen, die sie besonders interessieren oder betreffen, zu informieren. Die Transparenz stärkt das Vertrauen, das die Bevölkerung der Forschung entgegenbringt. Ein günstiges Forschungsklima gehört zu den entscheidenden immateriellen Ressourcen für einen Forschungsplatz.

3.6

Auswirkungen auf das Fürstentum Liechtenstein

Die Anwendbarkeit des Humanforschungsgesetzes im Fürstentum Liechtenstein bestimmt sich nach den Grundsätzen des Zollvertrages vom 29. März 192383 zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein. Damit findet dieses Gesetz in Liechtenstein in gleicher Weise Anwendung wie in der Schweiz, soweit der im Zollvertrag statuierte Zollanschluss seine Anwendung bedingt.

83

SR 0.631.112.514

8157

Die Bestimmungen dieses Gesetzes stellen indessen keine Zollvertragsmaterie dar.

Unter Zollvertragsgesichtspunkten wäre nur eine allfällige Bewilligungspflicht für die Ein- und Ausfuhr von Belang; eine solche Bewilligungspflicht ist indessen nicht vorgesehen.

4

Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 23. Januar 200884 über die Legislaturplanung 2007­2011 aufgeführt.

5

Rechtliche Grundlagen

5.1

Verfassungsmässigkeit

Der Vorentwurf stützt sich auf den neuen Artikel 118b Absatz 1 der Bundesverfassung. Dieser gibt dem Bund eine umfassende Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet der Forschung am Menschen, sofern Vorschriften zum Schutz der Menschenwürde und Persönlichkeit erforderlich sind. Ebenso setzt er die in Artikel 118b Absatz 2 vorgegebenen Grundsätze sowie die weiteren für die Forschung am Menschen relevanten Verfassungsbestimmungen (z.B. Art. 119 BV) um.85

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen

Der vorliegende Gesetzesentwurf stimmt mit den Anforderungen der Europäischen Konvention vom 4. November 195086 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) überein. Ebenso besteht mit Bezug auf die BiomedizinKonvention (vgl. Ziff. 1.5.1) Übereinstimmung.

Zudem werden die Anforderungen insbesondere des Internationalen Paktes vom 16. Dezember 196687 über bürgerliche und politische Rechte der Organisation der Vereinten Nationen (UNO-Pakt II), soweit sie für die Forschung am Menschen herangezogen werden können, mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf erfüllt.

5.3

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Der Entwurf sieht in mehreren Bestimmungen die Rechtsetzungskompetenzen des Bundesrates vor. Dies ist deswegen gerechtfertigt, weil der Entwurf selbst die Grundsätze regelt und somit den Rahmen absteckt, innerhalb dessen sich die Regelung durch den Bundesrat zu bewegen hat. Zudem ist es überall dort sinnvoll, Kompetenzen des Bundesrates zum Erlass von Ausführungsbestimmungen vorzusehen, 84 85 86 87

BBl 2008 819 Vgl. auch Ziff. 5.1 der Botschaft vom 12. Sept. 2007 zum Verfassungsartikel über die Forschung am Menschen (BBl 2007 6740).

SR 0.101; vgl. auch Ziff. 5.3.1 der Botschaft vom 12. Sept. 2007 zum Verfassungsartikel über die Forschung am Menschen (BBl 2007 6749).

SR 0.103.2

8158

wo künftig eine rasche Anpassung an neue technische Entwicklungen und eine internationale Harmonisierung zu erfolgen haben. Regelungen, die einen hohen Konkretisierungsaufwand mit sich bringen, sollen auf Verordnungsstufe angesiedelt werden. Bei der Regelung des Ausführungsrechts wird zudem eine Abstimmung mit bereits geltendem Verordnungsrecht zu klinischen Versuchen im Heilmittel- und Transplantationsbereich vorzunehmen sein.

Für die Darstellung der einzelnen Delegationsnormen kann auf die Ausführungen im Besonderen Teil verwiesen werden.

8159

Anhang

Kosteneinschätzung für den Bund (Tabelle, vgl. Ziff. 3.1.2.4) Kosten für das Bundesamt für Gesundheit

Vorbereitung Umsetzung Rubrik

Vollzug

2010

2011

2012

(1.7.­ 31.12)

(p.a.)

(p.a.)

2013­ 2015 (p.a.)

2016­ 2018 (p.a.)

ab 2019 (p.a.)

1. Studienregistrierung Personal zulasten Sachkredit (Vollzug)

A2111.0102 80 000 160 000 160 000

100 % Wissenschaftl. MA

25 000

30 % Integrationsmanager IT Personal zulasten Personalkredit

45 000 45 000

A2100.0001 160 000 160 000 160 000

100 % Wissenschaftl. MA 20 % Integrationsmanager IT

30 000 30 000

30 000

20 % Kommunikation

30 000 30 000

30 000

20 000 20 000

20 000

Konzept/Realisation Register (IT-Lösung)

A2114.0001

250 000 250 000

Unterhalt Register(IT-Lösung) Zwischentotal Studienregister

105 000 455 000 455 000 240 000 240 000 240 000

2. Koordination und Information Personal zulasten Sachkredit (Vollzug)

A2111.0102 65 000

40 % Juristische Mitarbeit

80 000

50 % Wissenschaftliche Mitarbeit Personal zulasten Personalkredit

A2100.0001 130 000 130 000 130 000

80 % Wissenschaftliche Mitarbeit 30 % Juristische Mitarbeit Konzept/Realisation Koordination A2115.0001 (Beratung) Umsetzung/Betrieb Koordination (Übriger Betriebsaufwand) Zwischentotal Koordination und Information

8160

A2119.0001

50 000 50 000

50 000

50 000 50 000

50 000

20 000

165 000 230 000 230 000 230 000

Kosten für das Bundesamt für Gesundheit

Vorbereitung Umsetzung Rubrik

Vollzug

2010

2011

2012

(1.7.­ 31.12)

(p.a.)

(p.a.)

2013­ 2015 (p.a.)

2016­ 2018 (p.a.)

ab 2019 (p.a.)

3. Evaluation HFG Personal zulasten Sachkredit (Vollzug)

A2111.0102

40 % Evaluation und Forschung

65 000

Konzept/Realisation Evaluation (Beratung)

A2115.0001

Umsetzung Evaluation (Beratungsmandate)

A2115.0001

Zwischentotal Evaluation Gesamttotal nicht kompensierter Mehrbedarf Personal zulasten Sachkredit 130 % für 2011 und 220 % für 2012

100 000 70 000 100 000

135 000

105 000 455 000 720 000 470 000 605 000 470 000 205 000 350 000

8161

8162