03.428 Parlamentarische Initiative Name und Bürgerrecht der Ehegatten. Gleichstellung Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 27. August 2009

Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Zivilgesetzbuches. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

27. August 2009

Im Namen der Kommission: Die Präsidentin: Gabi Huber

2009-2580

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Übersicht In Umsetzung einer am 19. Juni 2003 von Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer eingereichten parlamentarischen Initiative unterbreitete die Kommission für Rechtsfragen dem Nationalrat am 22. August 2008 einen Entwurf zu einer Änderung des Zivilgesetzbuches in Sachen Name und Bürgerrecht der Ehegatten und Kinder. Am 11. März 2009 trat der Nationalrat mit 98 zu 89 Stimmen auf die Vorlage ein. Mit 99 zu 92 Stimmen wies er den Entwurf jedoch an die Kommission zurück mit dem Auftrag, «ausschliesslich die durch das EMRK-Urteil vom 22. Februar 1994 (Burghartz gegen Schweiz) absolut notwendigen Schritte vorzuschlagen». Die Kommission für Rechtsfragen kam diesem Auftrag nach und legt hiermit einen neuen Entwurf zur Änderung des Zivilgesetzbuches vor. Dieser übernimmt unverändert die Bestimmung, welche der Bundesrat aufgrund des erwähnten Urteils in die Zivilstandsverordnung aufgenommen hat (heutiger Art. 12 Abs. 1 zweiter Satz ZStV) und fügt sie in das Zivilgesetzbuch ein (Art. 160 Abs. 2 und 3): Da die Braut gegenüber dem Zivilstandsbeamten oder der Zivilstandsbeamtin erklären kann, sie wolle ihren bisherigen Namen dem Familiennamen voranstellen, erhält der Bräutigam das gleiche Recht, wenn die Brautleute das Gesuch stellen, von der Trauung an den Namen der Ehefrau als Familiennamen zu führen (Art. 30 Abs. 2 ZGB).

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

Am 19. Juni 2003 reichte Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer eine parlamentarische Initiative ein mit dem Ziel, das Zivilgesetzbuch (ZGB)1 so zu ändern, dass die Gleichstellung der Ehegatten im Bereich der Namens- und Bürgerrechtsregelung gewährleistet ist. Der Nationalrat gab dieser Initiative am 7. Oktober 2004 Folge.2 Die Kommission für Rechtsfragen unterbreitete dem Nationalrat am 22. August 2008 einen Entwurf zu einer Änderung des Zivilgesetzbuches in Sachen Namen und Bürgerrecht der Ehegatten und Kinder.3 Der Bundesrat äusserste sich in seiner Stellungnahme vom 12. Dezember 2008 insgesamt positiv zu diesem Entwurf.4 Am 13. Februar 2009 nahm die Kommission für Rechtsfragen Kenntnis von der Stellungnahme des Bundesrates und änderte ihren Entwurf vom 22. August 2008 geringfügig ab. Am 11. März 2009 trat der Nationalrat mit 98 zu 89 Stimmen auf die Vorlage ein. Mit 99 zu 92 Stimmen wies er den Entwurf jedoch an die Kommission zurück mit dem Auftrag, «ausschliesslich die durch das EMRK-Urteil vom 22. Februar 1994 (Burghartz gegen Schweiz) absolut notwendigen Schritte vorzuschlagen».5 Am 5. Mai 2009 nahm die Kommission für Rechtsfragen Kenntnis von diesem Auftrag. Sie prüfte den neuen Entwurf am 27. August 2009 und nahm diesen mit 15 Stimmen ohne Gegenstimme bei 6 Enthaltungen an. Die Kommission verzichtete darauf, den neuen Entwurf in die Vernehmlassung zu schicken, weil dieser keine materielle Änderung des geltenden Rechts enthält. Würde erneut eine Vernehmlassung durchgeführt, so wäre dies zum Beschluss des Nationalrates, ausschliesslich die durch das EMRK-Urteil vom 22. Februar 1994 in Sachen Burghartz gegen Schweiz absolut notwendig gewordenen Änderungen vorzunehmen. Diese Vernehmlassung würde jedoch zu den gleichen Ergebnissen führen wie jene im Jahr 2007 zum ersten Vorentwurf6 und wäre deshalb unverhältnismässig.7

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Das Urteil Burghartz gegen Schweiz

Artikel 160 Absatz 1 ZGB sieht vor, dass der Name des Ehemannes der Familienname der Ehegatten ist. In Absatz 2 dieses Artikels ist allerdings festgehalten, dass die Braut ihren bisherigen Namen dem Familiennamen voranstellen kann. Zudem legt Artikel 30 ZGB («Namensänderung») in Absatz 2 fest, dass «das Gesuch der 1 2

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SR 210 AB 2004 N 1728. Vgl. Art. 21quater Abs. 1 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG; AS 1962 811), der gemäss Art. 173 Ziff. 3 des Bundesgesetzes über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz, ParlG, SR 171.10) anzuwenden ist.

BBl 2009 403 (Bericht) und 423 (Entwurf).

BBl 2009 429 AB 2009 N 275 Vgl. BBl 2009 403, 411 f.

Siehe v.a. Art. 147 BV: «Die Kantone, die politischen Parteien und die interessierten Kreise werden bei der Vorbereitung wichtiger Erlasse und anderer Vorhaben von grosser Tragweite sowie bei wichtigen völkerrechtlichen Verträgen zur Stellungnahme eingeladen.» (Kursivschrift hinzugefügt).

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Brautleute, von der Trauung an den Namen der Braut als Familiennamen zu führen, [...] zu bewilligen [ist], wenn achtenswerte Gründe vorliegen». Das vom Parlament revidierte Gesetz, das am 1. Januar 1988 in Kraft trat,8 sichert dem Ehemann nicht das gleiche Recht zu wie der Ehefrau gemäss Artikel 160 Absatz 2 ZGB zusteht, d.h.

er kann seinen bisherigen Namen nicht dem Namen der Frau voranstellen, wenn dieser gemäss Artikel 30 Absatz 2 ZGB von den Brautleuten als Familienname gewählt wird.

Die deutsch-schweizerische Doppelbürgerin Susanna Burghartz und der Schweizer Bürger Albert Schnyder, die seit 1975 in Basel wohnhaft sind, heirateten 1984 in Deutschland. Nach deutschem Recht bestimmten sie den Namen der Braut, Burghartz, als Familiennamen. Der Bräutigam machte von seinem Recht Gebrauch, seinen bisherigen Namen voranzustellen und führte somit den Namen «Schnyder Burghartz». Da die Schweizer Behörden «Schnyder» als gemeinsamen Familiennahmen der Ehegatten im Zivilstandsregister eintrugen, stellten die Ehegatten ein Namensänderungesuch: Es sei ihnen die Führung des Namens «Burghartz» als Familienname und jene des Namens «Schnyder Burghartz» als Name des Ehegatten zu gestatten. Dieses Gesuch wurde am 6. November 1984 abgewiesen. Am 26. Oktober 1988, nach dem Inkrafttreten der neuen Regelungen zu den Wirkungen der Ehe9, stellten die Ehegatten erneut ein Gesuch. Die kantonalen Behörden lehnten auch dieses Gesuch ab und begründeten dies damit, dass die Eheleute keinen ernsthaften Nachteil aufgeführt hätten, der ihnen aus der Führung des Familiennamens «Schnyder» erwachse (vgl. Art. 30 Abs. 1 ZGB). Zudem werde der neue Artikel 30 Absatz 2 ZGB nicht rückwirkend auf Ehepaare angewendet, deren Ehe vor dem 1. Januar 1988 geschlossen worden sei, und der neue Artikel 160 Absatz 2 ZGB gelte nur für die Ehegattin. Das Bundesgericht hiess die Berufung der Ehegatten teilweise gut:10 Zwar kommt auch für das Bundesgerichts die Anwendung von Artikel 30 Absatz 2 ZGB nicht in Frage, doch war es der Meinung, dass in diesem Fall wichtige Gründe für die Anwendung von Absatz 1 dieses Artikels vorliegen würden und den Ehegatten deshalb erlaubt werden solle, Burghartz als Familiennamen zu führen (Alter und berufliches Wirkungsfeld der Eheleute; Unterschiede zwischen Deutschland und der Schweiz in der einschlägigen Gesetzgebung,
die durch die Nähe der Grenzstadt Basel zu Deutschland noch stärker ins Gewicht fallen). Das Bundesgericht lehnte hingegen das Gesuch von Albert Burghartz ab, den Namen «Schnyder Burghartz» tragen zu dürfen: Das Schweizer Parlament, das an der Einheit des Namens in der Familie festhalten und einen radikalen Bruch mit der Tradition vermeiden wollte, hatte sich nie für die absolute Gleichstellung der Ehegatten bei der Namenswahl ausgesprochen und somit bewusst nur der Frau erlaubt, ihren bisherigen Namen dem Familiennamen voranzustellen.

Auch die Europäische Kommission für Menschenrechte und schliesslich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatten über die Beschwerde der Eheleute zu befinden. Letzterer verkündete sein Urteil am 22. Februar 1994.11 Er hatte den Fall in Bezug auf die Artikel 8 und 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention 8

9 10 11

Botschaft des Bundesrates vom 11. Juli 1979 über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Wirkungen der Ehe im allgemeinen, Ehegüterrecht und Erbrecht), BBl 1979 II 1191; Änderung des Zivilgesetzbuches vom 5. Oktober 1984, AS 1986 122.

Vgl. Fussnote 8 BGE 115 II 193 Urteil vom 22. Februar 1994 des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in der Sache Burghartz vs. Schweiz, Serie A Nr. 280.

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(EMRK)12 geprüft (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens; Diskriminierungsverbot) und dabei dem Vorbehalt betreffend Namensrecht, den die Schweiz im Zusammenhang mit dem Protokoll Nr. 713 angebracht hatte, die Wirkung versagt.

Artikel 5 dieses Protokolls («Gleichberechtigung der Ehegatten») sieht vor, dass die Ehegatten «hinsichtlich der Eheschliessung, während der Ehe und bei Auflösung der Ehe [...] untereinander und in ihren Beziehungen zu den Kindern gleiche Rechte und Pflichten privatrechtlicher Art» haben. Der Gerichtshof erinnerte daran, dass die Entwicklung hin zur vollständigen Gleichstellung der Geschlechter eines der Hauptziele der Mitgliedstaaten des Europarates ist und deshalb eine einzig durch das Geschlecht begründete Ungleichbehandlung nur aus überaus gewichtigen Gründen als mit der Konvention vereinbar erachtet werden kann. Da in den Augen des Gerichtshofs keine objektiven und vernünftigen Gründe für die Ungleichbehandlung der Ehegatten vorliegen, kam er zum Schluss, dass eine Verletzung der Artikel 8 und 14 EMRK vorliegt.

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Die Änderung der Zivilstandsverordnung

Aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 22. Februar 1994 änderte der Bundesrat die Zivilstandsverordnung auf den 1. Juli 1994.14 Dem Mann wurde erlaubt, seinen Namen dem Familiennamen voranzustellen, wenn die Brautleute beantragt haben, den Namen der Frau als Familiennamen zu führen. Im Rahmen der Totalrevision der Zivilstandsverordnung wurde diese Bestimmung zu Artikel 12 Absatz 1 zweiter Satz.15 Da diese Möglichkeit nur in der Zivilstandsverordnung, nicht aber im Zivilgesetzbuch festgeschrieben wurde, stand die Gesetzesregelung weiterhin im Widerspruch zum Grundsatz der Rechtsgleichheit und die Verordnung im Widerspruch zum Gesetz.

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Kommentar zum Entwurf

Der Entwurf beinhaltet keine materielle Änderung des geltenden Rechts, er nimmt lediglich die Regelung, die heute in Artikel 12 Absatz 1 2. Satz ZStV festgeschrieben ist, in das Zivilgesetzbuch (Art. 160 Abs. 2) auf. Die Änderung von Artikel 160 Absatz 3 ZGB ist rein redaktioneller Natur und wurde aufgrund der Änderung von Absatz 2 notwendig.

Eine Minderheit (Leutenegger Oberholzer, Daguet, von Graffenried, Jositsch, Thanei, Vischer, Wyss Brigit) will die Diskussion vertiefen und wünscht sich einen ambitiöseren Entwurf, welcher die Gleichbehandlung von Mann und Frau im Namens- und Bürgerrecht besser gewährleistet; sie beantragt daher, das Geschäft an 12 13

14 15

SR 0.101 SR 0.101.07 ­ Die Schweiz hatte die Anwendung der bundesrechtlichen Bestimmungen betreffend Familienname (Art. 160 und 8a SchlT ZGB) und Bürgerrechtserwerb (Art. 161, 134 Abs. 1, 149 Abs. 1 und 8b SchlT ZGB) sowie jene gewisser Übergangsbestimmungen betreffend Ehegüterrecht (Art. 9, 9a, 9c, 9d, 9e, 10 und 10a SchlT ZGB) vorbehalten. ­ Auch bei der Ratifizierung des Übereinkommens vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau hat die Schweiz den gleichen Vorbehalt betreffend Familienname angebracht (SR 0.108; zu Art. 16 Abs. 1 Bst. g).

Art. 177a Abs. 1 der Zivilstandsverordnung vom 1. Juni 1953 (AS 1994 1384).

Zivilstandsverordnung vom 28. April 2004 (ZStV; SR 211.112.2).

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die Kommission mit dem Auftrag zurückzuweisen, eine Revision auszuarbeiten, die folgenden Anliegen Rechnung trägt: ­

Die Ungleichstellung der Ehegatten im Bürgerrecht ist zu beseitigen.

­

Die Ungleichstellung von Mann und Frau bei unverheirateten Eltern ist zu beseitigen.

­

Die Gleichbehandlung von Ehepaaren und eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ist zu gewährleisten.

­

Auch verheirateten Eheleuten ist die Möglichkeit zu geben, ihren ledigen oder bisherigen Namen beizubehalten.

5

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Da der Entwurf keine materielle Änderung des geltenden Rechts beinhaltet, hat er weder finanzielle noch personelle Auswirkungen.

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Verfassungsmässigkeit

Die Befugnis des Bundes, auf dem Gebiet der Zivilrechts Gesetzesbestimmungen zu erlassen, stützt sich auf Artikel 122 Absatz 1 BV.

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Verhältnis zum internationalen Recht

Gemäss dem Beschluss des Nationalrates vom 11. März 2009 beinhaltet der Entwurf nur die durch das EMRK-Urteil vom 22. Februar 1994 in der Sache Burghartz gegen Schweiz absolut notwendig gewordenen Änderungen. Er geht somit weniger weit als der ursprüngliche Entwurf vom 22. August 2008 und gewährleistet keine vollständige Gleichstellung der Ehegatten.16

16

Vgl. Cyril Hegnauer, Vom Treten an Ort beim Namensrecht ­ Der Nationalrat und die europäische Menschenrechtskonvention, NZZ vom 14. April 2009, S. 11; vgl. auch das von Cyril Hegnauer angeführte Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 16. November 2004 im Fall Ünal Tekeli vs. Türkei.

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