09.048 Botschaft zur Änderung des Güterkontrollgesetzes vom 20. Mai 2009

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen einen Entwurf betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter (Güterkontrollgesetz) mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

20. Mai 2009

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Hans-Rudolf Merz Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2009-0364

4317

Übersicht Das Güterkontrollgesetz gibt dem Bundesrat die Kompetenz, internationale Entscheide umzusetzen, nicht jedoch autonome Exportkontrollmassnahmen zu treffen. Die Vorlage sieht vor, dass der Bundesrat zur Wahrung wesentlicher Landesinteressen im Einzelfall Bewilligungen verweigern kann.

Anfang 2008 wurde bekannt, dass ein im Jahr 2006 nach Tschad ausgeführtes militärisches Trainingsflugzeug im Widerspruch zu der von der tschadischen Regierung unterzeichneten Endverwendungserklärung für bewaffnete Kampfeinsätze in der angrenzenden Region Darfur im Sudan verwendet worden war. Es handelte sich beim Flugzeug um ein besonderes militärisches Gut im Sinne des Güterkontrollgesetzes. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) leitete als zuständige Bewilligungsbehörde, gemeinsam mit anderen Bundesstellen, umgehend Untersuchungen ein. Diese Untersuchungen erhärteten den Verdacht einer zweckfremden und unzulässigen Verwendung des Flugzeugs durch die tschadische Luftwaffe.

Der Bundesrat beauftragte in der Folge das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (EVD) mit der Ausarbeitung einer Vorlage zur Anpassung der Ablehnungskriterien im Güterkontrollgesetz.

Das Güterkontrollgesetz gibt dem Bundesrat im Prinzip nur die Kompetenz, internationale Entscheide der Exportkontrollregime umzusetzen, an denen sich die Schweiz beteiligt. Demzufolge hat er bisher keine autonomen, international nicht abgestützten Exportkontrollmassnahmen getroffen. Die gesetzlichen Ablehnungsgründe erweisen sich in einzelnen Fällen als unzureichend. Das Problem beschränkt sich allerdings weder auf militärische Trainingsflugzeuge noch auf die Kategorie der besonderen militärischen Güter. Der vorliegende Entwurf sieht eine für alle Güterkategorien anwendbare Lösung vor.

Der Bundesrat soll gesetzlich ermächtigt werden, zur Wahrung wesentlicher Landesinteressen einen negativen Bewilligungsentscheid zu fällen. Ihm wird daher in engem Rahmen ein autonomes Handeln zugestanden. Ein Rechtsvergleich zeigt, dass Ausfuhrregelungen anderer Staaten durchaus nationale Überlegungen beim Bewilligungsentscheid vorsehen.

Die Bewilligungsbehörde hat bisher in heiklen Fällen den Exporteur davon überzeugt, auf eine Ausfuhr, auch im eigenen Interesse, zu verzichten («moral suasion»).

Den Bedenken der Behörden wurde bis anhin stets gefolgt, die
Situation bleibt jedoch unbefriedigend. Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung sollen solche Einzelfälle einer rechtlichen Lösung zugeführt werden. Auswirkungen auf die Volkswirtschaft sind nicht zu erwarten, da die Neuregelung auf Fälle ausgerichtet ist, für welche die Schweiz ansonsten auf «moral suasion» zurückgreifen würde.

4318

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Grundlagen der Güterkontrollgesetzgebung

Das Güterkontrollgesetz (GKG)1 ist seit dem 1. Oktober 1997 in Kraft und erlaubt, doppelt verwendbare Güter sowie besondere militärische Güter zu kontrollieren (Art. 1). Doppelt verwendbare Güter, auch Dual-Use-Güter genannt, sind Güter, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können. Die besonderen militärischen Güter erfassen alle Rüstungsgüter, die nicht dem Kriegsmaterialgesetz (KMG)2 unterstellt sind. Dies gilt beispielsweise für militärische Trainingsflugzeuge, militärische Simulatoren, Nachtsichtgeräte, Wärmebildkameras, Chiffriergeräte und Aufklärungsdrohnen.

Die Güterkontrollgesetzgebung erlaubt, internationale Abkommen und Kontrollmassnahmen umzusetzen, namentlich Entscheide auf der Grundlage des internationalen Chemiewaffenübereinkommens (CWÜ) und der vier internationalen Exportkontrollregime: Gruppe der Nuklearlieferländer (NSG), Australien-Gruppe (AG), Raketentechnologie-Kontrollregime (MTCR) und Vereinbarung von Wassenaar (Wassenaar Arrangement, WA). Hinzu kommen allfällige Sanktionsmassnahmen, welche die Schweiz gestützt auf das Embargogesetz3 und basierend auf nichtmilitärischen Sanktionen der UNO, der OSZE oder der wichtigsten schweizerischen Handelspartner, insbesondere der EU, erlässt.

Die Güterkontrollverordnung (GKV)4 führt in den Anhängen Listen von Gütern, auf deren Kontrolle man sich im Rahmen der internationalen Exportkontrollregime geeinigt hat. Drei der vier völkerrechtlich nicht verbindlichen Regime kontrollieren Güter, die für die Herstellung von Massenvernichtungswaffen und deren Trägermitteln verwendet werden können. Es sind dies die NSG für Nukleargüter, die AG für chemische und biologische Güter und das MTCR für ballistische Raketen, Marschflugkörper und andere unbemannte Flugkörper. Im Gegensatz dazu kontrolliert das WA konventionelle Waffen und doppelt verwendbare Güter, die zur Herstellung konventioneller Waffen verwendet werden.

1.1.2

Die Vereinbarung von Wassenaar (WA)

Das WA beruht auf einer politischen Absprache. Die 40 Teilnehmerstaaten, darunter die Schweiz, treffen daher alle Entscheide im Konsens. Das WA ist das einzige internationale Exportkontrollregime im Bereich konventioneller Waffen und wurde 1996 als Nachfolger des 1994 aufgelösten Koordinationskomitees für multilaterale 1 2 3 4

SR 946.202 SR 514.51 SR 946.231 Verordnung vom 25. Juni 1997 über die Aus-, Ein- und Durchfuhr zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter (Güterkontrollverordnung, GKV, SR 946.202.1).

4319

Exportkontrollen (CoCom) eingerichtet. Während des Kalten Krieges kontrollierte das CoCom, dem die Mitglieder der NATO, Australien und Japan angehörten, die Ausfuhr von Spitzentechnologien mit dem Ziel, deren Weitergabe an den sowjetischen Block und an China zu unterbinden.

Ziel des WA ist es, durch erhöhte Transparenz und Verantwortlichkeit bei der Weitergabe von konventionellen Waffen sowie von entsprechenden Gütern und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck eine destabilisierende Anhäufung dieser Güter zu verhindern und dadurch zur regionalen und internationalen Sicherheit und Stabilität beizutragen. Die Teilnehmerstaaten haben sich zu diesem Zweck auf eine Liste von Dual-Use-Gütern (Dual-Use List) und eine Liste von Rüstungsgütern (Munitions List) geeinigt und sind bestrebt, ihre Ausfuhrkontrollen zu koordinieren. Die Übernahme der beiden WA-Listen erfolgt in der Schweiz in zwei Gesetzgebungen. Die Güter der Dual-Use List sind dem GKG, die Güter der Munitions List sind entweder dem GKG als besondere militärische Güter oder dem KMG als Kriegsmaterial unterstellt.

Das WA statuiert gewisse Transparenzverpflichtungen, die je nach Güterkategorie unterschiedlich ausgestaltet sind. So haben sich die Staaten beispielsweise nur für Dual-Use-Güter verpflichtet, sich gegenseitig Bewilligungsverweigerungen (Denials) für Lieferungen an Nichtpartnerstaaten zu notifizieren. Für Rüstungsgüter nehmen einige Staaten zum Teil freiwillig entsprechende Meldungen vor. Im Gegensatz zu anderen Exportkontrollregimen müssen Denials von Partnerstaaten im WA auch nicht respektiert werden. Bei bestimmten sensiblen Dual-Use-Gütern sind die Teilnehmerstaaten jedoch innerhalb von 60 Tagen nach der Ausfuhr zu informieren, falls eine vergleichbare Lieferung, trotz Ablehnung eines anderen Staates in den letzten drei Jahren, bewilligt wird.

1.1.3

Entstehungsgeschichte der geltenden Regelung

Die eidgenössischen Räte haben im Jahr 1996 das GKG und parallel dazu das KMG beraten. Das WA war zu dieser Zeit noch im Aufbau. Der Entwurf des Bundesrates sah vor, dem GKG nur die Dual-Use-Güter zu unterstellen5. Eine Bewilligungsverweigerung war vorgesehen für den Fall, dass die beantragte Tätigkeit internationalen Abkommen oder den Zielen der von der Schweiz unterstützten Exportkontrollregime widersprach. Die Formulierung entspricht weitgehend den heutigen Kriterien in Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a und b GKG.

Entgegen dem Entwurf des Bundesrates hatte sich der erstberatende Nationalrat dafür ausgesprochen, dem Gesetz bestimmte Rüstungsgüter ­ Güter der Munitions List des WA ­ zu unterstellen und den Kriegsmaterialbegriff im Gegenzug einzuschränken. Für diese Rüstungsgüter, die für militärische Zwecke konzipiert oder abgeändert worden sind, die aber weder Waffen, Munition, Sprengmittel noch sonstige Kampf- oder Gefechtsführungsmittel sind, wurde die Kategorie der besonderen militärischen Güter eingeführt6. Ihr wurden auch die militärischen Trainingsflugzeuge mit Aufhängepunkten zugewiesen. Im Gegensatz zum KMG räumt das GKG, das als international harmonisiertes Gesetz konzipiert ist, dem Bundesrat 5 6

Vgl. Botschaft vom 22. Febr. 1995 betreffend das Bundesgesetz über die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer Güter, BBl 1995 II 1301.

AB 1996 N 138

4320

keine autonome Entscheidbefugnis ein. Ihm wird lediglich ermöglicht, internationale Abkommen und Kontrollmassnahmen umzusetzen. Die Unterstellung der besonderen militärischen Güter und insbesondere der militärischen Trainingsflugzeuge unter das GKG löste Debatten aus, ob die Ablehnungskriterien ausreichten, da man davon ausging, nur die Ausfuhr an vier Staaten ablehnen zu können. In der Entstehungsphase des WA wurden vier Länder als sogenannte Zielländer genannt: Iran, Irak, Libyen und Nordkorea. Nur gegenüber diesen Staaten ­ so die Auffassung des Parlaments7 ­ wären daher unter dem GKG Ablehnungen möglich gewesen. Zumindest für die besonderen militärischen Güter schienen die Bestimmungen des GKG nicht ausreichend. Der Ständerat schlug deshalb eine Ergänzung der Kriterien in Artikel 6 GKG vor. Der neu eingeführte Absatz 2 besagt, dass die Schweiz die Ausfuhr von besonderen militärischen Gütern auch ablehnt, wenn entsprechende Embargos der UNO oder der wichtigsten Handelspartner der Schweiz bestehen8.

Gemeint sind mit letzteren insbesondere auch die Waffenembargos der EU. Diese Bestimmung hat seit dem Inkrafttreten des Embargogesetzes9 am 1. Januar 2003 und der Einführung des entsprechenden Verweigerungsgrundes in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c GKG an Bedeutung verloren.

Auf den 1. März 2002 war Artikel 6 GKG zudem mit dem Kriterium ergänzt worden, dass die Bewilligung auch zu verweigern ist, wenn terroristische Kreise oder das organisierte Verbrechen unterstützt würden. Diese Änderung trug der wachsenden Bedrohung Rechnung. Heute ist die Bewilligungserteilung damit ausgeschlossen, wenn: ­

die beantragte Tätigkeit internationalen Abkommen widerspricht (Abs. 1 Bst. a);

­

die beantragte Tätigkeit völkerrechtlich nicht verbindlichen, aber von der Schweiz unterstützten Kontrollmassnahmen widerspricht (Abs. 1 Bst. b);

­

entsprechende Zwangsmassnahmen nach dem Embargogesetz erlassen worden sind (Abs. 1 Bst. c);

­

Grund zur Annahme besteht, dass terroristische Kreise oder das organisierte Verbrechen unterstützt würden (Abs. 1bis);

­

die UNO oder Staaten, die sich zusammen mit der Schweiz an internationalen Exportkontrollmassnahmen beteiligen, die Ausfuhr solcher Güter verbieten und wenn sich an diesen Verboten die wichtigsten Handelspartner der Schweiz beteiligen (Abs. 2).

Der zuletzt genannte Ablehnungsgrund gilt nur für besondere militärische Güter. Die GKV konkretisiert die Kriterien in Artikel 6. Die Einzelbewilligung wird verweigert, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die Güter, die ausgeführt werden sollen: ­

7 8 9

zur Entwicklung, zur Herstellung oder zum Gebrauch von biologischen oder chemischen Waffen (BC-Waffen) verwendet werden (Abs. 1 Bst. a);

Votum Hubacher, AB 1996 N 1977; Votum Haering, AB 1996 N 133 1978.

Vgl. Mehrheitsantrag der Kommission zu Art. 6, AB 1996 S 827 f.

SR 946.231

4321

­

zur Entwicklung, zur Herstellung oder zum Gebrauch von nuklearen Waffen (A-Waffen) oder von unbemannten Flugkörpern für den Einsatz von ABCWaffen verwendet werden und der Weiterverbreitung solcher Waffen dienen (Abs. 1 Bst. b);

­

zur konventionellen Aufrüstung eines Staates beitragen, der durch sein Verhalten die regionale oder globale Sicherheit gefährdet (Abs. 1 Bst. c).

1.1.4

Mängel der geltenden Regelung

Bei den Ablehnungsgründen des GKG stellt sich das Problem insbesondere im Hinblick auf Güter, auf deren Kontrolle man sich im Rahmen der Vereinbarung von Wassenaar (WA) geeinigt hat.

Das geltende Recht ermöglicht für WA-Güter eine Bewilligungsverweigerung in einem sehr engen Rahmen: Eine Ablehnung kann verfügt werden, wenn eine Lieferung unter ein entsprechendes Embargo fällt, zur konventionellen Aufrüstung eines Staates beiträgt, der durch sein Verhalten die regionale oder globale Sicherheit gefährdet oder Grund zur Annahme besteht, dass terroristische Kreise oder das organisierte Verbrechen unterstützt würden. Greift keiner der genannten Gründe, so muss das Gesuch bewilligt werden, falls der Exporteur auf dem Geschäft besteht. In der überwiegenden Zahl der Fälle ist dies auch völlig unproblematisch. Bei heiklen Fällen hat die Bewilligungsbehörde bisher den Exporteuren nahegelegt, auf die Ausfuhr zu verzichten (moral suasion). Bis anhin bereitete dieses Vorgehen kaum Probleme, und den Einschätzungen der Behörde wurde ausnahmslos gefolgt. Dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Situation unbefriedigend ist.

Infolge der gesetzlichen Begrenzung auf die Umsetzung internationaler Massnahmen, hat sich die Schweiz in ihrer Handlungsfreiheit in einer Art und Weise beschränkt, wie wohl kein anderer Teilnehmerstaat des WA. Bei den im Rahmen des WA notifizierten Denials zu Dual-Use-Gütern findet sich eine breite Palette von Ablehnungsgründen. So verweisen die Staaten in ihren Notifikationen beispielsweise auf «Foreign Policy Grounds», «Strategic considerations», «Risk of military end use» oder «Risk of diversion». Bei den freiwilligen Meldungen zur Munitions List ist das Bild ähnlich. Ohne genaue Spezifikationen ist es hier aber zum Teil schwierig zu bestimmen, ob das Gut in der Schweiz von der Kriegsmaterial- oder von der Güterkontrollgesetzgebung erfasst wäre. Bei einigen eindeutig vom GKG erfassten Fällen, wie der Ausfuhr von Fallschirmen oder Wärmebildkameras, wird häufig «National Policy» als Ablehnungsgrund angegeben. Zurzeit bestehen über 1000 Denials in den Datenbanken des WA, davon rund 800 für Dual-Use-Güter. Ein grosser Teil dieser Ablehnungen gründen auf nationalen Erwägungen.

1.2

Die beantragte Neuregelung

Der vorliegende Änderungsentwurf (neuer Art. 6 Abs. 3) schafft die gesetzliche Grundlage für eine autonome Entscheidkompetenz des Bundesrates. Ziel ist es, dem Bundesrat im Einzelfall eine Interventionsmöglichkeit zu geben, damit er nicht mehr auf einen freiwilligen Lieferverzicht seitens des Exporteurs angewiesen ist.

4322

Die Bestimmung ermächtigt den Bundesrat, eine Bewilligung zur Wahrung wesentlicher Landesinteressen zu verweigern. Sie findet Anwendung für den speziellen Fall, dass eine Lieferung kontrollierter Güter nicht gestützt auf die bestehenden Ablehnungskriterien untersagt werden kann, eine Bewilligungserteilung aber die Interessen der Schweiz tangieren könnte. Die Neuregelung ist nicht auf bestimmte Güterkategorien begrenzt, sondern findet auf alle in den Anhängen zur GKV aufgelisteten Güter Anwendung. In der Praxis wird sie sich vorwiegend auf Güter des WA konzentrieren.

Die Bestimmung lehnt sich an die Formulierung in Artikel 184 Absatz 3 der Bundesverfassung (BV)10 an, gemäss welcher der Bundesrat aufgrund seiner aussenpolitischen Kompetenz Verordnungen und Verfügungen zur Wahrung der Landesinteressen erlassen kann. Eine Anrufung dieser Bestimmung der BV ist aber nur in ausserordentlichen und schwerwiegenden Fällen zu rechtfertigen. In zeitlicher Hinsicht erfordert der Verfassungsartikel eine Dringlichkeit11, die es nicht erlaubt, den konkreten Fall im ordentlichen Verfahren zu regeln. Dementsprechend ist ein Regelungsbedarf für wiederkehrende und ähnlich gelagerte Probleme, wie sie im Bereich der Exportkontrolle nach GKG auftreten, in die ordentliche Gesetzgebung zu überführen. Im Bewilligungsverfahren werden die betroffenen Güter in jedem Fall einer Prüfung unterzogen. Es ist daher sinnvoll, eine analoge Regelung direkt im GKG zu verankern. Zusätzlich ist Zurückhaltung beim Rückgriff auf die BV geboten, weil die eidgenössischen Räte mit dem GKG bewusst nur die Umsetzung international abgestützter Kontrollmassnahmen erlaubt haben. Ferner hat die Staatspolitische Kommission des Nationalrates im Februar 2009 beschlossen, dass sie dem Bundesrat bei der Anwendung von Artikel 184 BV Schranken auferlegen will12. Sie fordert, dass der Bundesrat für eine Verfügung ohne gesetzliche Grundlage vorgängig die zuständigen parlamentarischen Delegationen oder Kommissionen konsultieren oder, wenn dies nicht möglich ist, nach Erlass der Verfügung unverzüglich informieren muss.

1.3

Vernehmlassungsverfahren

Am 22. Oktober 2008 eröffnete der Bundesrat das Vernehmlassungsverfahren zur vorgeschlagenen Neuregelung. Es dauerte bis zum 31. Januar 2009. Insgesamt sind 46 Antworten eingegangen, wovon drei nicht inhaltlich Stellung nehmen. Die überwiegende Mehrheit der Kantone (21) beurteilt die Vorlage grundsätzlich positiv, Schaffhausen, Solothurn und Zürich lehnen die Änderung ab. Von den Parteien haben sich SVP und FDP dagegen, CVP und SP dafür ausgesprochen. Organisationen aus der Wirtschaft stehen der Vorlage grossmehrheitlich negativ gegenüber, nur drei Verbände begrüssen die vorgeschlagene Revision vorbehaltslos.

Gegner kritisieren den grossen Ermessensspielraum, der sich dem Bundesrat mit der offenen Formulierung der Bestimmung eröffne; damit entstehe Rechtsunsicherheit.

10 11

12

SR 101 BGE 132 I 229 E. 10.1 S. 243; Pascal Mahon, in: Aubert/Mahon (Hrsg.), Petit commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999, Zürich 2003, Rz. 17 zu Art. 184; vgl. auch Giovanni Biaggini, Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Kommentar, Zürich 2007, Rz. 13 zu Art. 184.

09.402 Pa.Iv. Staatspolitische Kommission NR vom 19. Febr. 2009: Wahrung von Demokratie, Rechtsstaat und Handlungsfähigkeit in ausserordentlichen Lagen.

4323

Auch einige Befürworter bemängeln den unbestimmten Wortlaut und wünschen weiterführende Erläuterungen. Wirtschaftsnahe Kreise sind insbesondere der Ansicht, dass eine Revision des GKG unnötig sei, da das bisherige Vorgehen (moral suasion) funktioniere und sich bewährt habe. Ferner sind einige der Ansicht, dass der Anwendbarkeit von Artikel 184 Absatz 3 BV auf die Ablehnung heikler Ausfuhrgesuche durch den Bundesrat nichts entgegenstehe. Viele der negativen Stellungnahmen führen an, dass die Neuregelung die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in der Schweiz gefährde und das derzeit effiziente Bewilligungsverfahren, das auch einen Standortvorteil bedeute, verkompliziere und zeitlich aufwendiger mache.

Vier Kantone (NW, SZ, UR, ZG) fordern, dass die betroffenen Kantone in den Entscheidprozess einbezogen werden.

Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) beurteilt die Vorlage als ungenügend und inkonsequent und fordert mindestens die Einführung menschenrechtlicher sowie friedens- und entwicklungspolitischer Kriterien. Amnesty International beantragt die Streichung des Wortes «wesentlicher» im Entwurf von Artikel 6 Absatz 3 GKG (womit dieser mit «Wenn die Wahrung der Interessen des Landes es erfordert ...» beginnen würde), und wünscht eine Ergänzung des GKG mit einem Kriterium, das die Ausfuhr an Staaten verbietet, die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen.

Angesichts der mehrheitlich positiven Stellungnahmen im Rahmen der Vernehmlassung und in der Überzeugung, dass den Bedenken der Wirtschaft Rechnung getragen wird, hält der Bundesrat an seiner Vorlage fest. Der Änderungsentwurf stellt einen ausgewogenen Kompromiss zwischen den Interessen an einer starken und einwandfrei funktionierenden schweizerischen Exportkontrolle und den Interessen der Wirtschaft an möglichst geringen Handelsbeschränkungen dar.

1.4

Rechtsvergleich

1.4.1

Regelungen im Rahmen der EU

Auch in der EU bilden die Güterlisten der internationalen Exportkontrollregime die Basis der Exportkontrolle. Für Dual-Use-Güter hat die Europäische Gemeinschaft eine Verordnung13 für die Ausfuhrkontrolle erlassen (nachfolgend Dual-UseVerordnung); diese ist ­ wie EG-Verordnungen überhaupt ­ in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar. Sie enthält die entsprechenden Güter aller vier Regime und ist daher mit der schweizerischen Liste identisch. Die Rüstungsgüter aus dem WA werden in der Gemeinsamen Militärgüterliste der Europäischen Union14 erfasst und fallen in den Kompetenzbereich der Gemeinsamen Aussen- und Sicherheitspolitik (GASP). Diese Liste deckt sich mit Anhang 3 der GKV beziehungsweise der Munitions List des WA.

13

14

Verordnung (EG) Nr. 1334/2000 des Rates vom 22. Juni 2000 über eine Gemeinschaftsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr von Gütern und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck, ABl. L 159 vom 30.6.2000, S. 1; zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1167/2008 des Rates vom 24. Okt. 2008, ABl. L 325 vom 3.12.2008, S. 1; berichtigt durch ABl. L 6 vom 10.1.2009, S. 117.

Neueste Fassung: Gemeinsame Militärgüterliste der Europäischen Union vom 23. Febr. 2009, ABl. C 65 vom 19.3.2009, S. 1.

4324

Mit der Gemeinsamen Militärgüterliste war lange der nur politisch bindende Verhaltenskodex der Europäischen Union für Waffenausfuhren15 verknüpft. Dieser wurde am 8. Dezember 2008 durch einen Gemeinsamen Standpunkt des Rates16 im Rahmen der GASP abgelöst. Dieser verbindliche Rechtsakt legt acht Kriterien fest, die bei der Prüfung der Ausfuhranträge der in der Gemeinsamen Liste erfassten Güter zu berücksichtigen sind (Art. 2): ­

Einhaltung der internationalen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, insbesondere der vom UNO-Sicherheitsrat oder von der EU verhängten Sanktionen, der Übereinkünfte über Nichtverbreitung und andere Themen sowie sonstiger internationaler Verpflichtungen;

­

Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durch das Endbestimmungsland;

­

innere Lage im Endbestimmungsland als Ergebnis von Spannungen oder bewaffneten Konflikten;

­

Aufrechterhaltung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in einer Region;

­

nationale Sicherheit der Mitgliedstaaten und der Gebiete, deren Aussenbeziehungen in die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats fallen, sowie nationale Sicherheit befreundeter und verbündeter Länder;

­

Verhalten des Käuferlandes gegenüber der internationalen Gemeinschaft, unter besonderer Berücksichtigung seiner Haltung zum Terrorismus, der Art der von ihm eingegangenen Bündnisse und der Einhaltung des Völkerrechts;

­

Risiko der Abzweigung von Militärtechnologie oder Militärgütern im Käuferland oder der Wiederausfuhr von Militärgütern unter unerwünschten Bedingungen;

­

Vereinbarkeit der Ausfuhr von Militärtechnologie oder Militärgütern mit der technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Empfängerlandes, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Staaten bei der Erfüllung ihrer legitimen Sicherheits- und Verteidigungsbedürfnisse möglichst wenige Arbeitskräfte und wirtschaftliche Ressourcen für die Rüstung einsetzen sollten.

Die Kriterien werden zum Teil mit Gründen präzisiert, die einer Bewilligungserteilung entgegenstehen. So ist beispielsweise gemäss dem dritten Kriterium eine Bewilligung zu verweigern, wenn die Güter im Endbestimmungsland bestehende Spannungen oder Konflikte verschärfen würden. Nicht nur Anträge für tatsächliche Ausfuhren, sondern auch Lizenzen für Vermittlertätigkeiten, Durchfuhren und immaterielle Technologietransfers sind anhand der Kriterien zu prüfen. Ein Benutzerleitfaden17 dient den Bewilligungsbehörden als Orientierungshilfe bei der Anwendung des Gemeinsamen Standpunkts. Die Mitgliedstaaten dürfen auf nationaler Ebene eine restriktivere Politik verfolgen (Art. 3).

15 16

17

Dokument 8675/2/98 GASP.

Gemeinsamer Standpunkt 2008/944/GASP des Rates vom 8. Dez. 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern, ABl. L 335 vom 13.12.2008, S. 99.

Benutzerleitfaden zum EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren, Dokument des Rates der Europäischen Union, 7486/08.

4325

Die Dual-Use-Verordnung sieht in Artikel 8 vor, dass bei der Entscheidung über Ausfuhrgenehmigungen die Mitgliedstaaten alle sachdienlichen Erwägungen zu berücksichtigen haben. Explizit werden folgende Punkte aufgeführt: ­

die Verpflichtungen und Bindungen, die jeder Mitgliedstaat als Mitglied der jeweiligen internationalen Nichtverbreitungsregime und Ausfuhrkontrollvereinbarungen oder mit der Ratifikation einschlägiger internationaler Verträge übernommen hat;

­

ihre Verpflichtungen im Rahmen von Sanktionen, die aufgrund eines vom Rat festgelegten Gemeinsamen Standpunkts oder einer vom Rat verabschiedeten Gemeinsamen Aktion oder aufgrund einer Entscheidung der OSZE oder einer verbindlichen Resolution des UNO-Sicherheitsrats verhängt wurden;

­

Überlegungen der nationalen Aussen- und Sicherheitspolitik, einschliesslich der Aspekte, die vom Verhaltenskodex der EU für Waffenausfuhren erfasst werden;

­

Überlegungen über die beabsichtigte Endverwendung und die Gefahr der Umlenkung.

1.4.2

Regelungen einzelner Staaten

Da unmittelbar anwendbare gemeinschaftsrechtliche Regelungen für Dual-UseGüter bestehen, interessieren bei den EU-Mitgliedstaaten insbesondere die nationalen Vorschriften im Bereich Rüstungsgüter und damit der Bewilligungsvollzug der Munitions List beziehungsweise der Gemeinsamen Militärgüterliste. Mit dem vom Rat im Bereich der GASP erlassenen Gemeinsamen Standpunkt haben sich die Mitgliedstaaten unter anderem dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass die nationale Exportkontrolle von Militärgütern im Einklang mit den vorgesehenen Bewilligungskriterien erfolgt. Der Verhaltenskodex der EU, der Vorgänger des Gemeinsamen Standpunkts, war rechtlich nicht verbindlich, hatte aber auch Einfluss auf viele nationale Regelungen. Seine Kriterien haben in den Mitgliedstaaten, wenn nicht durch eine Umsetzung im Recht, so doch in Grundsätzen und Leitlinien der Bewilligungsbehörden Eingang gefunden. Mit dem Gemeinsamen Standpunkt wird die Zusammenarbeit und Harmonisierung auf diesem Gebiet im Rahmen der EU weiter verstärkt.

Österreich unterstellt die Ausfuhr von Gütern der Munitions List grundsätzlich dem Aussenhandelsgesetz; vorbehalten bleibt das Kriegsmaterial, das einer spezialgesetzlichen Exportkontrolle unterliegt. Die Systematik ist damit vergleichbar mit derjenigen in der Schweiz. Eine Bewilligungserteilung erfolgt, wenn ihr keine der im Gesetz aufgelisteten Gründe entgegenstehen18. Viele dieser Punkte nehmen direkt Kriterien des EU-Verhaltenskodex auf. Im Rahmen einer Revision im Jahr 2005 wurde sichergestellt, dass das Gesetzesrecht effektiv mit allen Kriterien des Kodex im Einklang steht.

Deutschland hat die Munitions List seiner Aussenwirtschaftsgesetzgebung unterstellt. Ein Teil dieser Güter wird auch vom Kriegswaffenkontrollgesetz erfasst. Für 18

§ 5 Aussenhandelsgesetz 2005, BGBl. Nr. 50/2005.

4326

die übrigen Güter ­ und damit vergleichbar mit den besonderen militärischen Gütern nach schweizerischem Recht ­ sind Ausfuhrbeschränkungen möglich, um wesentliche Sicherheitsinteressen des Landes zu gewährleisten oder um eine Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder der eigenen auswärtigen Beziehungen zu verhüten19. Für die Beurteilung der Ausfuhrgesuche sind die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern vom 19. Januar 200020 anwendbar, wobei der Verhaltenskodex der EU zum integralen Bestandteil erklärt wird.

Auch die italienische Gesetzgebung zur Kontrolle des Exports von Rüstungsgütern sieht eine Reihe von Ablehnungskriterien vor21. Die Ausfuhrbewilligung wird unter anderem verweigert, wenn sie im Widerspruch zu fundamentalen Sicherheitsinteressen oder zur Aufrechterhaltung guter Beziehungen zu anderen Staaten steht. Weitere Ablehnungsgründe sind beispielsweise ein bewaffneter Konflikt im Empfängerstaat oder die schwerwiegende Verletzung internationaler Konventionen im Bereich der Menschenrechte. Italien berücksichtigt bei der Gesuchsbeurteilung die Kriterien des EU-Verhaltenskodex, die sich ohne Weiteres mit dem gesetzlichen Kriterienkatalog vereinbaren lassen.

Grossbritannien kontrolliert die Munitions List über den Export Control Act 2002.

Dieser hält fest, dass die Gesuche um eine Ausfuhrbewilligung anhand der konsolidierten Kriterien vom 26. Oktober 2000 zu prüfen sind22. Der Kriterienkatalog basiert auf dem Verhaltenskodex der EU und wurde teilweise ergänzt.

Schweden unterteilt ähnlich wie die Schweiz die Munitions List in «Military Equipment for Combat Purposes» (MEC) und in «Other Military Equipment» (OME). Für letztere Güterkategorie wird eine Bewilligung erteilt, wenn sich der Empfängerstaat nicht in einem internationalen oder internen bewaffneten Konflikt befindet und dort keine weitverbreiteten, schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen vorkommen23.

Auch aussereuropäische Staaten kennen autonome Ablehnungsgründe. Australien gibt an, beim Bewilligungsentscheid für Güter des WA seine internationalen Verpflichtungen, die Menschenrechte, regionale und nationale Sicherheitsüberlegungen sowie aussenpolitische Erwägungen zu berücksichtigen. Kanada hat die Möglichkeit, Dual-Use-Güter aus dem WA abzulehnen,
wenn das Risiko einer Weiterleitung an einen unerwünschten Endempfänger oder für einen unerwünschten Endverwendungszweck besteht oder wenn ein militärischer Zweitgebrauch vorhersehbar ist.

Die Ausfuhr militärischer Güter ­ und damit auch der Güter der Munitions List ­ wird genau untersucht, wenn die Ausfuhr Staaten betrifft, die unter UNO-Sanktionen stehen, die Kanada oder seine Verbündeten bedrohen, die in Kampfhandlungen oder unter unmittelbarer Gefahr solcher Kampfhandlungen stehen sowie Staaten, deren Regierungen für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen ver19 20 21 22 23

§ 7 Aussenwirtschaftsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2006, BGBl. I 1386.

Abrufbar unter .

Art. 1 Abs. 5 und 6 Legge 185/1990 Nuove norme sul controllo dell'esportazione, importazione e transito dei materiali d'armamento.

Art. 9 Abs. 8 Export Control Act 2002.

Vgl. Bericht der schwedischen Regierung Strategic Export Control in 2007 ­ Military Equipment and Dual-Use Products, S. 97 ff., abrufbar unter .

4327

antwortlich sind, falls das auszuführende Gut gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden könnte24.

Der Rechtsvergleich zeigt, dass keiner der erwähnten Staaten seinen Handlungsspielraum ähnlich weitgehend wie die Schweiz eingeschränkt hat. Wie dargelegt, spielen im Ausland auch nationale Überlegungen bei einem Bewilligungsentscheid eine Rolle. Zum Teil finden für alle unter dem WA kontrollierten Güter ähnliche Kriterien Anwendung, wie die Schweiz sie im Bereich des Kriegsmaterials kennt.

2

Erläuterungen zu einzelnen Bestimmungen

2.1

Änderung des Ingresses

Gemäss einem Beschluss der Redaktionskommission des Parlaments soll der Ingress von Bundesgesetzen, die vor dem Inkrafttreten der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV) erlassen wurden, anlässlich von Teilrevisionen formell angepasst werden.

In der geltenden Fassung verweist der Ingress des GKG auf die Zuständigkeit des Bundes in auswärtigen Angelegenheiten sowie auf die in Artikel 64bis der alten Bundesverfassung enthaltene Strafgesetzgebungskompetenz. Die aussenpolitische Zuständigkeit des Bundes ist nun in Artikel 54 Absatz 1 BV verankert, die Strafgesetzgebungskompetenz in Artikel 123 BV. Der Ingress des GKG soll in diesem Sinne geändert werden.

2.2

Neuer Artikel 6 Absatz 3 GKG

Die Anwendungsfälle der Neuregelung lassen sich nicht abschliessend umschreiben.

Der Bundesrat hat im Einzelfall abzuwägen, ob wesentliche Landesinteressen gefährdet sind, die eine Bewilligungsverweigerung zu rechtfertigen vermögen. Als wesentliche Interessen kommen in Anlehnung an Artikel 184 Absatz 3 BV insbesondere die Wahrung der guten Beziehungen zu anderen Staaten oder internationalen Organisationen oder die Wahrung des internationalen Ansehens der Schweiz in Betracht25.

Die Beurteilung erfolgt im konkreten Einzelfall und unter Berücksichtigung aller für die Lieferung massgebenden Faktoren wie Art der Güter, Liefermenge und Verwendungszweck. Es sind verschiedene Fallbeispiele für eine Bewilligungsverweigerung denkbar: ­

24 25

Die Schweiz vertritt in einem zwischenstaatlichen Konflikt im Rahmen Guter Dienste die Interessen eines Landes. Eine geplante Lieferung sensibler Güter an die andere Konfliktpartei würde im konkreten Fall das Mandat der Schweiz und ihre Glaubwürdigkeit gefährden.

Vgl. A Guide to Canada's Export Controls, Juni 2006, S. xxiii.

Vgl. Daniel Thürer/Binh Truong/Felix Schwendimann, in: Ehrenzeller u.a. (Hrsg.), Die Schweizerische Bundesverfassung. Kommentar, Bd. II, 2. Auflage, Zürich/St. Gallen 2008, Rz. 20 zu Art. 184.

4328

­

Die Schweiz hat ein bilaterales Problem mit einem anderen Staat. Dieser beschliesst Sanktionen gegenüber der Schweiz. Eine Lieferung sensibler Güter aus der Schweiz wäre im konkreten Fall nicht opportun oder mit den Gegenmassnahmen unvereinbar.

In der Praxis sind seit dem Inkrafttreten des GKG nur wenige Fälle auszumachen, die einen solchen Bundesratsentscheid verlangt hätten. Es können rund elf Fälle gezählt werden, bei denen die Bewilligungsbehörde grössere Bedenken hatte. Zum Teil wendet sich der Exporteur mit seinem Vorhaben zuerst informell an das SECO.

Dabei kann die Behörde schon in dieser Phase darauf hinwirken, dass auf die Einreichung eines entsprechenden Ausfuhrgesuchs verzichtet wird. Diese Möglichkeit wird auch weiterhin bestehen bleiben.

Mit der Neuregelung sind eingereichte Gesuche systematisch anhand des neuen Kriteriums zu prüfen. Da heikle Gesuche die Ausnahme darstellen, dürfte das Bewilligungsverfahren weder komplizierter noch zeitlich aufwendiger werden. Sollte ein formelles Gesuch eingereicht werden, für das die Anwendung der Neuregelung in Betracht zu ziehen ist, so wird es entsprechend Artikel 16 GKV in der interdepartementalen Exportkontrollgruppe diskutiert. Anschliessend entscheidet der Bundesrat auf Antrag des EVD über eine allfällige Ablehnung gestützt auf den neuen Artikel 6 Absatz 3 GKG.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund sowie auf Kantone und Gemeinden

Auf den Bund hat die Vorlage weder finanzielle noch personelle Auswirkungen. Es sind auch keine Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden ersichtlich.

3.2

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Es sind keine volkswirtschaftlichen Auswirkungen zu erwarten. Dies, weil die Vorlage auf Fälle abzielt, die bereits gemäss bestehender Praxis mittels moral suasion gelöst werden konnten. Die Bedenken der Exportkontrollbehörde vermochten bis anhin die Exporteure zu überzeugen, sodass die Vorlage nicht weitere Ausfuhren einschliesst, auf die nicht schon bisher freiwillig verzichtet wurde.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 23. Januar 200826 über die Legislaturplanung 2007­2011 noch im Bundesbeschluss vom 18. September 200827 über die Legislaturplanung 2007­2011 angekündigt. Auslöser für den Entscheid des Bundesrates, die Kriterien im GKG zu überprüfen und schliesslich eine Änderung zu beantragen, war der in der Übersicht erwähnte Vorfall in Tschad im Jahr 2008.

26 27

BBl 2008 753 BBl 2008 8543

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5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

5.1.1

Rechtsgrundlage

Die beantragte Änderung stützt sich auf die Zuständigkeit des Bundes in auswärtigen Angelegenheiten nach Artikel 54 BV. Artikel 54 Absatz 1 BV überträgt dem Bund eine umfassende Befugnis auf dem Gebiet der auswärtigen Angelegenheiten.

Das Instrumentarium des Bundes ist hierbei nicht auf völkerrechtliche Verträge beschränkt; es umfasst auch innerstaatliche Massnahmen wie rechtsetzende Erlasse zur Regelung der Aussenbeziehungen. Die vorgeschlagene Änderung des GKG dient dem Bundesrat zur Wahrung aussenpolitischer Interessen der Schweiz und wird daher von Artikel 54 BV erfasst.

5.1.2

Vereinbarkeit mit den Grundrechten

Die Aussenwirtschaftsfreiheit, das heisst das Recht, Waren ein- und auszuführen, fällt in den Schutzbereich der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV). Beschränkungen dieser Freiheit bedürfen nach Artikel 36 BV einer gesetzlichen Grundlage, müssen durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt und verhältnismässig sein.

Die gesetzliche Grundlage wird mit dem vorliegenden Entwurf geschaffen, die Regelungskompetenz ergibt sich aus dem Vorstehenden.

Das öffentliche Interesse ist aussenpolitischer Natur, beispielsweise die Wahrung des Ansehens in der internationalen Gemeinschaft oder die Aufrechterhaltung guter Beziehungen zu anderen Staaten.

Eine Bewilligungsverweigerung ist geeignet, die aussenpolitischen Interessen des Landes zu wahren, es steht kein geeignetes milderes Mittel zur Verfügung und die Bewilligungsverweigerung ist in dieser Hinsicht erforderlich. Die Massnahme ist ferner zumutbar, da das öffentliche Interesse überwiegt: Die Wahrung wesentlicher Landesinteressen wiegt schwerer als die Grundrechtsinteressen des Einzelnen.

5.2

Erlassform

Die Vorlage beinhaltet wichtige rechtsetzende Bestimmungen, die nach Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung ergibt sich aus Artikel 163 Absatz 1 BV.

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